männer sind so verletzlich - Klecks Verlag

mer – Partner! Der Frage nachspürend, sollen die nächsten Seiten ..... Kern – noch ein Weilchen anzuhängen. Denn sind nicht auch Männer – diese einsamen ...
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Pia-Loreen Kramm

Wann ist ein Mann (k)ein Mann? Roman

Inhalt

Vorwort

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Einleitung

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Männer können alles

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Männer sind furchtbar schlau

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Männer führen Kriege

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Oh, Männer sind einsame Streiter

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Männer kaufen Frauen

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Männer haben’s schwer (nehmen’s leicht)

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Männer brauchen viel Zärtlichkeit

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Männer nehmen in den Arm

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(geben Geborgenheit)

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Männer sind so verletzlich

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Männer sind etwas sonderbar

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Männer müssen durch jede Wand, müssen immer weiter 49 Ohh, Männer sind allzeit bereit

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... werden als Kind schon auf Mann geeicht

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Männer machen alles ganz genau

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Männer stehen ständig unter Strom

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Männer haben Muskeln

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... außen hart und innen ganz weich

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Männer lügen am Telefon

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Männer rauchen Pfeife

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Männer baggern wie blöde

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Männer sind schon als Baby blau

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Männer sind furchtbar stark/ kriegen einen Herzinfarkt 91 Männer weinen heimlich

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Männer kriegen keine Kinder

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Männer kriegen dünnes Haar

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Männer bauen Raketen

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Männer sind auch Menschen

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Männer sind auf dieser Welt einfach unersetzlich

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In Erinnerung an einen großartigen Mann

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VORWORT Jede Frau stellt sich mindestens einmal in ihrem Leben der Frage, was den Mann zum Mann macht. Ihn zu diesem teils unverständlichen Wesen hat werden lassen, das ihn nunmehr in seiner vollen Pracht vor ihr in Erscheinung treten lässt, sei es als Sohn, Vater oder gar schlimmer – Partner! Der Frage nachspürend, sollen die nächsten Seiten diesem Wesen nicht seinen Zauber und sein Geheimnis rauben, aber ihn der Frau und dem neugierigen Leser etwas näher bringen. Wobei wunderbare Exemplare dieser Gattung, Grönemeyers Hymne auf den Mann und natürlich ein klitzekleiner Ausschnitt dieser Welt, die uns so wunderbar umgibt, und ebenso den Mann zu formen weiß, wie wohl auch unsere eigene weibliche Wesensart, zur Beantwortung der Frage beitragen.

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EINLEITUNG Es gibt zahlreiche Fragen. So zum Beispiel die darüber, ob es eine einheitliche Beschriftung der Werbung auf Produkten und ihren Inhalten geben soll – sodass jeder Käufer quasi gleich weiß, woran er ist und wie viel Fett, Zucker und versteckte Zusatzstoffe man sich mit dem Produkt zuführt. In Rostock wird die Tage darüber beraten und es sollen rechtliche Entscheidungen über grundsätzliche Fragen getroffen werden, die eine angehende Juristin, laut Aussage ihrer Dozenten, innigst beschäftigen müsste. – Wie gesagt müsste ... Doch stattdessen kreist in mir vielmehr die Frage, warum es eigentlich keine einheitliche Beschriftung für die Gattung ›Mann‹ gibt und man nicht statt der Lebensmittel, die man doch auch mit Kennzeichnung der schlechten Inhaltsstoffe an seinen Heißhungertagen wahllos in sich hinein schlingt, nicht viel eher eine Deklarierung der wesentlichen Merkmale und Eigenarten eines Mannes gibt! Das ist doch nun wirklich mal eine Aufgabe, für die es sich lohnen würde die EU, den Bundestag und sämtliche Instanzen aufzurütteln und zum Handeln zu animieren! Schließlich hat jede(r) doch irgendwo daheim einen Mann zu sitzen, klein oder groß, alt oder jung, und fragt sich bestimmt so manches Mal: Was macht den Mann

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eigentlich zum Mann? Was hebt ihn von uns Frauen ab? Macht ihn so ANDERS? Warum diese Einteilung in Venus und Mars? – Und ist die im Zeitalter der Postmoderne überhaupt noch ›modern‹, aktuell? Oder ist ein Mann heute kein Mann mehr? Und sind Männer nur noch dem Anschein nach die Helden Ihrer Filme? Mimen uns den Terminator, Gladiator, Superman, Ironman und spielen uns die Lässigkeit eines Clint Eastwoods nur vor? Wo sie längst von Selbstzweifeln übers eigene Geschlecht zerfressen, ja, ausgehöhlt sind – und eigentlich ihrer Männlichkeit längst beraubt? Wenn ich da so meinen Bruder und seinen Kumpel Florian betrachte, dann stellen sich mir schon so einige Fragen – insbesondere in Bezug auf den GrönemeyerKlassiker, der als Hymne auf den Mann die grundsätzliche Frage aufwirft: »Wann ist ein Mann ein Mann?«

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MÄNNER KÖNNEN ALLES So können Männer einfach alles – oder vielleicht auch nur alles (ein wenig) besser als die Frauen! Geht es nach Professoren, Dozenten oder schlicht dem Student neben mir in der letzten Vorlesung, sind Männer Alleskönner. Männer haben auch nie Probleme, so wie wir Frauen scheinbar ständig welche haben, nein, Männer haben nur, wie es einst ein sehr, sehr weiser Mann treffend und eben KÖNNEND formulierte, Frauen mit Problemen! Selbst der Focus hat sich vor ein paar Jahren mal mit dem Thema »Wann ist der Mann ein Mann?« auseinander gesetzt. Und als mir die alte Ausgabe von 2011 beim Aufräumen am letzten Wochenende unterkam, wollten mir die Zeilen des deutschen Männerforschers Hollsteins kaum mehr aus dem Kopf gehen: »Jungs müssen heute Schleiertänze einstudieren und auf dem Pausenhof diskutieren anstatt herumzutoben ...« Bezeichnenderweise fand ich die Sorge eines Mannes vor der Indoktrinierung weiblicher Moral- und Wesenseinstellungen schon wieder so amüsant, dass mir nichts anderes einfiel, als sie der Grönemeyer-Zeile »werden als Kind schon auf Mann geeicht« gegenüber zu halten und lauthals loszubrüllen bei der Vorstellung meines Bruders im rosa Tutu mitten auf der Bühne unserer alten Aula und ein Schild mit der

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Aufschrift in der Hand balancierend: ›Ich werde gerade auf Mann geeicht.‹ Natürlich betrachtet sich auch mein Bruder als ein Alleskönner und würde nie im rosa Tutu unserer kleinen Schwester herumlaufen, geschweige denn Schleiertänze aufführen – gegebenenfalls zu besonderen Anlässen und unter Ausschluss jeglicher Öffentlichkeit sowie natürlich nur unter dem berauschenden Einfluss von Alkohol und der besten Laune seiner Kumpels und Freunde, die dann jegliches Verhalten und Auftreten im Nachhinein durch irgendwelche Wetten rechtfertigen würden. Nein, mein Bruder ist im Großen und Ganzen kein Tutu-Träger und wohl auch kein Freund endloser Diskussionen, vielmehr ist er ein Mann der Tat! Sein Credo entspräche wieder eher der Hymne Grönemeyers und seinem Bild vom Mann, der durch sein Geld und seine Lässigkeit besticht. Für ihn ist es selbstverständlich, für Frau und Familie zu sorgen und das im Job verdiente Geld heimzubringen, es – wenn auch für seine künftige Familie, da Anna soweit ich weiß noch nicht schwanger ist – als Versorger in seinem Sinne gut anzulegen. Mal abgesehen davon, dass Witz und Humor bei uns in der Familie liegen und der Vater wie der Sohn den Schalk im Nacken haben, besticht er wirklich mit seiner Lässigkeit – nicht selten seine Chefin in der Werkstatt, die er dann um den Finger zu wickeln weiß, wenn er mal ein paar Tage extra Urlaub braucht oder die Überstundenauszahlung wieder einmal etwas dringender ist, weil Anna neuerlich ein paar Wünsche geäußert hat, die keinen Aufschub dulden. Schließlich umgarnt auch Flo seine liebste Laura nach

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seinen Eskapaden mit einer regelrechten Charmeoffensive und Flut von teils teuersten Wiedergutmachungen. Männer dürfen eben alles. Aber sie dürfen nicht nur alles, sie können es eben auch! Wenn mein Bruder David von der Arbeit spricht oder in den heimischen Gefilden an unseren Autos schraubt, ist stets höchster Sachverstand und größte Perfektion am Werk. Ganz besonders, wenn es um die von ihm so geliebten Sondermodelle geht wie Mustang – kennen wir Frauen ja nur als Jeans-Marke –, Cadillac oder den Facel Vega von 1963, unter dessen Haube er schauen und schrauben durfte und die gelegentlich auch mal ihren Weg in die Meisterwerkstatt finden. Er kann alles – Männer können alles, und dieser Fakt macht sie zu den besseren Menschen – glaubt man der kürzlich auf facebook geposteten Aussage seines Freundes aus dem Haus der Wirtschaft im Bildungszentrum Stralsund, in der er verlauten ließ: »Heute in der Meisterschule gelernt und verinnerlicht: ›Männer sind die besseren Menschen.‹« Nicht genug, dass sie das ohnehin die ganze Zeit über glauben, sie bekommen es auch noch permanent zugesprochen und gelehrt! Und halten es anschließend auch noch der ganzen Welt im world wide web vor ... Aber wie schon gesagt: Männer können es eben auch.

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MÄNNER SIND FURCHTBAR SCHLAU Dass sie ihr Können so ganz nebenbei auf den größten Wissensfundus stützen können, will ihnen auch kein Mensch und erst recht keine Frau streitig machen. Sei es bei den Paradedisziplinen wie Fußball oder Boxen, mit dem Fachwissen der Herren nimmt es da keine Frau auf – also glaubt man den hitzigen Kommentatoren, die spätestens heute Abend wieder beim üblichen Samstagabendlichen Kampf am Werke sein werden. In gemütlicher Runde wird gefachsimpelt und kursieren Begriffe wie »gute Links-Rechts-Kombi«, »schlechter Stand«, »gute Deckung« oder Prophezeiungen wie: Dieses Mal wird es sicher ein Sieg durch K.O., weil der oder der gerade gut im Training steht – mein Bruder als Realist würde mit Sicherheit eher behaupten: »Ach, wenn dann höchstens nach Punkten ... Und der soll raus aus der verdammten Ecke!« In den wenigen kurzen Pausen, die der meistens ohnehin nur kurze Kampf bietet – denkt man an Klitschkos letzte Fights –, laufen die Werbespots mit schnellen Autos und gutem Bier, die die Jungs abermals auf die wesentlichen Themen beschränken und sie wieder auf ihre Fachgebiete zurück lenken, ja, schließlich sämtliche Kommunikation innerhalb der gemütlichen Runde be-

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stimmen – wenn denn überhaupt eine vorhanden ist. Denn wo Frauen erwartungsgemäß die Werbepause durch anregende Gespräche zu überbrücken suchen, schauen echte Männer einfach nur die Spots, trinken ihr Bier – oder als Fahrer ihre Cola – und gehen vielleicht noch kurz aufs Klo. Im Höchstfall werden die zwei Minuten dazu genutzt, das Knabberzeug aufzufüllen oder ein frisches, kühles Bier aus dem Kühlschrank zu holen. Aber wie der Männerberater – ja, so etwas gibt es wirklich – Herr Pipal im Kärnten TV beim Stadtgespräch erwähnte, ist es traditionell nicht üblich, dass Männer sich austauschen. Er meinte, dass sie erst durch Frauen in Konkurrenz zueinander rücken. Da fragt man sich als Frau wiederum doch, ob sich Männer, wenn Frauen nicht anwesend sind, überhaupt unterhalten. Und ob sie sich über mögliche Ergebnisse beim Sport streiten würden, wenn sie keine Konkurrenz aufbauen müssten. Sind wir Frauen also letztlich daran Schuld, dass Männer sich miteinander unterhalten MÜSSEN? Und leider eben nicht nur Druck und Konkurrenz aufbauen, sondern auch ihre Intelligenz schulen? Uns in ihrer Not und aus dieser heraus dabei glatt überholen, weil es der Eifer und eben ihr Jagdtrieb verlangt? Grönemeyer singt ja, dass Männer Jäger sind. Aber formuliert Westernhagen, um einen weiteren Klassiker zu zitieren, nicht so schön, dass die Männer »willenlos« sind, verletzlich und angreifbar durch das verführerische Wild – Frau!? Sie Beute und zugleich selbst Jägerin ist, wie die große Penthesilea Kleists: Im einen Moment entzückendste Amazone und begehrtes Liebesziel, und im nächsten Augenblick zerreißen die

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Küsse der Löwin den Jäger selbst erbarmungslos in kleine Stücke, obwohl er doch nur ihre Liebe suchte. Wenn es nach Floh ginge, sind es die Frauen, stets im Kleide der Amazone, die ihn verführen und locken, seine Laura zu betrügen und er ihrem Zauber willenlos ergeben ist. Für ihn steht fest, dass nur sie und natürlich ihre kleinen Tricks und Methoden, das leichte Flirten mit den Augen, die zarten Stimmchen und die tiefen Dekolletés daran Schuld seien, dass er nicht treu sein kann. Er weiß es ganz genau und ist in der Hinsicht wirklich furchtbar schlau! Einerseits sind die Männer irgendwie unterlegen, sind erst animiert, sich durch unsere Anwesenheit zu entwickeln – den Konkurrenzgedanken mal beiseite –, wollen uns imponieren und drängen so zu Höchstleistungen. Andererseits sind sie aber auch ganz alleine furchtbar schlau, wenn es darum geht, sich der oft unangenehmen Situation und manchmal vielleicht gar gefühlten Bedrohung ›Frau‹ zu entziehen. So vertritt Flo, wie auch Max, der sich ihm beherzt anschloss, um seinem Freund Rückendeckung zu geben, die weise Meinung, dass man Frauen lediglich sehen, aber nicht hören sollte – insbesondere wenn es um sportliche Ereignisse wie diesen Boxkampf heute Abend geht. Mein Bruder entschuldigte sich halbherzig für die weisen Worte seiner beiden Freunde und schlug mir bereits am Telefon vor, mit den anderen Mädels einen Weiberabend in der Küche und vor dem Fernseher dort zu verbringen. Wären David und Laura heute Abend nicht auch da, könnte der Spruch aus ›Walking Tall‹

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nicht treffender sein: »In dem Laden gibt es nur falsche Titten und echte Arschlöcher«, denn Anna und ihre Freundin mit ihren hoch geschnallten Push-ups und Florian, Max und wer weiß, wer sonst noch würden einen Abend daheim sicher zur Casino-Atmosphäre umgestalten. Sabbernde Kerle – natürlich immer furchtbar schlau und mit den richtigen Sprüchen auf Lager, so wie ich Floh kenne, und eine aufgebretzelte Anna, die trotz der Treue ihres Freundes und meines Bruders immer daran zweifelt und – so könnte man manchmal glauben – eigentlich schon Ausschau nach dem Nächsten hält.

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MÄNNER FÜHREN KRIEGE Am Nachmittag und bei schönsten Sonnenschein treffe ich im Garten ein, wobei sich mir gleich die nächste Frage aufdrängelt: Warum führen Männer immer Kriege? Alles was sie in Angriff nehmen und jegliche Herausforderung, die sich ihnen stellt, endet zwangsläufig in einem Kampf, in dem sie auf jeden Fall der Gute, der Held und Retter sind und die Gegenpartei, der Antiheld und Bösewicht, ja ihr Gegner ist. Sei es vor einem Jahr beim Hauskauf der sture Banker, der den Kredit für die beschauliche Reihenhaushälfte mit anschließendem Garten vorerst nicht bewilligen wollte, weil mein Bruder selbstverständlich ganz alleine dafür bürgen wollte. Oder in gerade diesem Moment seine Herzdame Anna, die nunmehr vor Eifersucht tobend und mit verschränkten Armen sowie in zahlreichen Kreischattacken sich vor ihm aufbäumte und sich Luft darüber machte, dass er noch eine Stunde zuvor ein wenig zu lange mit einer Kundin in der Werkstatt geredet, ja, geflirtet haben soll und einfach zu viel Zeit mit seinen Freunden statt mit ihr verbrachte. David, der sich sicherlich lieber den spießigen Banker in dessen adretten Anzug zurück wünschte, dem er ordentlich die Meinung geigen konnte, war sich nun wieder einmal mehr seiner misslichen Lage bewusst. Seine hilflos zu mir blickenden Augen und die in Falten

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gezogene Stirn, verrieten mir seinen inneren Kampf: Die verzweifelte Suche nach den richtigen Worten, um der Frau, die er liebte und mit der er sich doch eine so hoffnungsvolle und rosige Zukunft mit Kindern und eben glücklich bis ans Lebensende ausmalte, abermals zu besänftigen und eben nicht weiter zu reizen. Als er dann endlich und nach den langen Wortschwallen und Ausbrüchen seiner Angebeteten zu Wort kam, setzte er mit selbstbewusster Haltung und fester Stimme zur Verteidigung an – auch wenn es bei Anna wenig Wirkung zeigte, und erst das abgelegte Versprechen, nicht den ganzen Abend lang mit den Jungs zu verbringen, sondern erstens in den Werbepausen immer nach ihr zu schauen und zweitens direkt nach dem Boxkampf ihr allein alle Aufmerksamkeit zu schenken, schien die Aufgebrachte ein wenig zu besänftigen. Vielleicht könnte man moderne Krieger und Männer wie meinen Bruder als hoffnungsvoll im Sinne von Václav Havel beschreiben, der meint: »Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.« Möglicherweise macht es für meinen Bruder ja Sinn, sich immer und immer wieder mit Anna auseinanderzusetzen, weil er sich irgendetwas davon erhofft – sei es um der Beziehung willen, die wohl vor allem von seiner Liebe und der Hoffnung auf eine richtige, eigene kleine Familie getragen wird, oder sei es nur aus der reinen Bequemlichkeit heraus, jeden Tag auf das Gleiche hoffen zu können und sich nicht ans Neue wagen zu müssen. Einen permanenten Kampf und Anstrengung

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bedeutete es allemal. Eigentlich wollte er ihr dieses Wochenende die für die meisten Frauen alles entscheidende Frage stellen und sie bitten, seine Frau zu werden, mit ihm alt und Mutter seiner Kinder zu werden, aber der Streit und die verletzenden Worte, die wie Kanonenfeuer auf ihn einprallten, haben sicher erst einmal seine Pläne auf Eis gelegt. Der verwundete musste schließlich erst seine Wunden lecken, bevor er sich neuerlich dem Kampfgetümmel stellen konnte. Der grundlose Vorwurf seiner Untreue und dass er für seine Familie – sie, Anna – nicht genug da sei, nicht alles möglich mache, hat ihn nämlich wirklich hart getroffen. Seine Miene ist auch jetzt noch frei seines sonst typischen Lächelns und an seinen Augen sieht und meint man Annas Worte widerhallen zu hören. Es gilt eben doch: Ein einfaches Wort kann Welten bewegen kann Stürme erregen Ein einfaches Wort vermag alles zu ändern Ein einfaches Wort setzt Wasser in Brand lässt Wüsten gefrieren Ein einfaches Wort in meinem Herz lässt mich verlier’n!

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Und Männer führen gewiss keine Kriege, um zu verlieren – sie wollen als Sieger und strahlende Helden vom Schlachtfeld ziehen. Gefeiert und umjubelt sehen sie sich als Kämpfer mit erhabenen Häuptern. Eine Niederlage ist für sie nicht zu ertragen und kann nur den neuerlichen Kampf oder den Ehrentod bedeuten.

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OH, MÄNNER SIND EINSAME STREITER Nachdem Anna halbwegs mit ihrem erzielten Ergebnis zufriedengestellt, ihre Freundin Celine in Empfang genommen und ins Haus marschiert war, konnte ich in aller Seelenruhe nochmals das Heiratsthema bei David und nun mittlerweile auch Flo und Max anschneiden. Laut allgemeiner Aussagen sollen Männer ja rationaler denken und handeln, werten und urteilen, was mich zu der Frage bringt, welchen Rat Davids Freunde ihm wohl erteilen werden und vor allem – was mich als Schwester auch am meisten interessiert –, zu welchem Entschluss er letzten Endes gelangen wird. Ob sie wohl auch gemeinsam, wie in ›Stolz und Vorurteil‹, ihre Vor- und Nachteile abwägen und hoffentlich zu der Erkenntnis kommen, dass sich auf jeden Fall eine passendere Partie finden ließe? Oder ob sich David, gleich dem Herrn Darcy, über seine Bedenken stellt, weil er sie doch liebt beziehungsweise etwas für sie empfindet, das schwerer wiegt als ihr Verhalten und ihre anderen Misslichkeiten? Wie fast schon zu erwarten war, musste sich Flo wieder generell über die Institution Ehe lustig machen und schmiss mit Witzen um sich wie diesem: »Schön, dass man die Frau fürs Leben gefunden hat. Schöner, wenn man ein paar mehr kennt«, und warf mir dabei seinen üblichen verstohlenen Blick zu. Angewidert musste ich

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an seine arme Laura denken, die wohl erst am Abend zu uns stoßen würde und diesen Kerl immer auf mir unbegreifliche Weise ertrug. Natürlich machte ich selbst auch gelegentlich Witze über die Ehe: »Ein Ring sie zu knechten ...«, oder den Witz aus dem Radio, den ich gelegentlich wiedergab, wenn ich gefragt wurde, warum ich noch immer nicht unter der Haube sei, in dem die barsche Antwort dann lautete: »Für so ein Stückchen Wurst nehme ich doch nicht das ganze Schwein!« Und schließlich lachte ich damals auch mit am lautesten, als wir mit Hilke und Linda ›27 Dresses‹ geguckt haben und dort die Ehe von dem smarten Zeitungsjungen als »letzte legale Form der Sklaverei« betitelt wurde. Aber andererseits ist sie für mich eben nicht rational, um auf ›Stolz und Vorurteil‹ zurückzukommen, und sollte aus rationalen Gründen geschlossen werden. Sie sollte eben nicht eingegangen werden, weil andere – die Gesellschaft – es so wollen, aus dem Pflichtgefühl oder der Vorbildwirkung heraus oder eben einfach rein des persönlichen Interesse halber, dann nicht mehr allein zu sein. Liebe ist es, weswegen Ehen eingegangen werden sollten und ... lieben heißt: von ganzem Herzen »Ja« sagen zu einem anderen Menschen, ein »Ja« so groß, dass auch ein paar kleine »Neins« darin Platz finden, so mutig, dass auch die Angst ihm nichts anhaben

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kann, so verständnisvoll, dass selbst das Unverständliche darin Platz findet, so feierlich, dass sogar das Alltägliche ein kleines Fest wird, so klar, dass selbst der Zweifel ihm nicht schaden kann, so vertraut, dass auch Fremdes und Neues darin Einlass finden können. Erstaunlicherweise setzte Max dieses Mal nicht in Flos Kanon mit ein, sondern betonte die Vorzüge einer Ehe und überhaupt einer festen Partnerschaft, wenn auch zugegeben auf seine ureigene Art und Weise, als er meinte, dass wenn sie kochen kann und jederzeit bereit ist, Kinder zu machen, was Mann denn dann mehr wolle. Und schließlich seien die anderen Weiber ja auch zickig, ob nun mit oder ohne Trauschein. Schließlich wurden David die ungewohnt zahlreichen Ratschläge seiner Freunde doch zu viel, sodass er sich in üblicher Manier an den Grill, dessen Vorbereitung und Aufbau machte. Letzten Endes ist Mann, wenn es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben geht, wohl doch immer ein einsamer Streiter! Vielleicht könnte man die Ratschläge für David schon als leichte Vorahnungen betrachten. Ähnlich Schiller es seinen Wallenstein ausdrücken ließ: »... Stimmen gibt’s ... Doch Warnungsstimmen möcht ich sie nicht nennen,

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Die nur das Unvermeidliche verkünden. Wie sich der Sonne Scheinbild in dem Dunstkreis Malt, eh sie kommt, so schreiten auch den großen Geschicken ihre Geister schon voran, Und in dem Heute wandelt schon das Morgen.« Das Unvermeidliche hallt bereits in den Ratschlägen und im Kopf von David wider: eine Frau fürs Leben ... Was für eine immense Entscheidung für einen Mann – einen Mann, der lieber alleine durchs Leben zieht, seine Kämpfe als Held und eben ganz im Alleingang bestreitet, Herausforderungen stets ohne Hilfe meistert, weil er es kann und niemanden dazu braucht – ja, höchstens Publikum, Jubel und die anschließende Anerkennung ... Wie Mann es auch dreht und wendet: Er wäre sicher viel lieber allein, aber für Familie und eben das angesprochene Publikum seiner großen Heldentaten, da kommt er nicht um sie, also um die Frau, herum. Und selbst der einsamste Streiter braucht dann eine Gefährtin.

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MÄNNER KAUFEN FRAUEN Ob eine Frau fürs Leben oder, wie es Flo sicher in den meisten Fällen bevorzugt, für ein paar genüssliche Stunden oder eine Nacht, Männer kaufen Frauen! Grönemeyer besingt hier nicht nur etwas, sondern zeichnet eine Realität nach, die nicht etwa dem Schwarz-WeißSchema der verteufelten Prostitution und gezwungenen Ehen, die dem freien Willen und der Liebesheirat entgegengestellt werden dürfen. Nein, ich spreche vom facettenreichen Bestechen der Männer »durch ihr Geld und ihre Lässigkeit«. Damit sind die zahlreichen Charmeoffensiven gemeint, die ein Florian nach begangener Schandtat ableistet, um seiner Laura, unterstützt durch Blumen, edle und sündhaft teure Schmuckstücke à la Catier und Co, zu zeigen, dass er nur sie wirklich liebt und es ihm wahnsinnig leid tut. Ja, sogar so sehr, dass er bereit ist, Unsummen auszugeben und, wenn auch unter größten Schmerzen, bereit ist, seine Geldreserven anzugreifen. Man könnte ihn in der Äußerung des SUN aus Brechts ›Guten Menschen von Sezuan‹ wiederfinden, der von sich behauptet: »Ich bin ein niedriger Mensch. Ohne Kapital, ohne Manieren«, wobei Erstes und Letztes ihn am treffendsten beschreiben würde. Vielleicht sollte man aber auch schon wieder Mitleid haben, wo doch sogar eine Alice Schwarzer im großen Unterschied fast rück-

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sichtsvoll feststellt, dass: »Die Frauen [...] ihren Körper und ihre Lust [entdecken] und den [armen] Männern eben diese Lust vergangen [ist]. Zumindest in Beziehungen. Sie weichen zunehmend aus auf [...] One-Man-Sex, Prostituierte oder Pornographie. Da ist die Welt noch in Ordnung.« Wir Frauen sind also letztlich daran Schuld, dass sich die Männer anderweitig beschäftigen, zurückziehen in ihre eigene Welt – eine Welt, in der man ganz einfach zur Kasse gehen kann und seine DVD bezahlen oder eben die Kleine von der Straße im richtigen Viertel mit den paar Kröten aus der Geldbörse abspeisen kann, ohne dass es einen verächtlichen Blick oder Kommentar zur Leistung, Einfühlsamkeit oder Aufmerksamkeit gibt. Ich habe keinerlei Ahnung, wie weit Flo auf diese spezielle und eigene Welt zurückgreift, aber fest steht, dass er als Bankkaufmann zumindest seine finanziellen Mittel zum Bezirzen und vielleicht auch zum Kauf so mancher Frau einsetzt. Wenn die Schwarzer mit ihrer Behauptung recht hat, dass die Männer von heute verunsichert sind, dann versuchen sie ihre »seelische Impotenz«, wie die Schwarzer es recht heftig formuliert, ja eventuell mit Geld und Lässigkeit zu überspielen. Aber wenn sie erst heute verunsichert sind und so handeln, wie sie handeln, so sind, wie sie eben sind – warum war es in der Geschichte nie anders? Ist es nicht viel mehr ein Generationen übergreifendes Problem? Kaufen Männer nicht seit jeher ihre Frauen? Oder bestechen sie zumindest ... mit Schmuck, teuren Kleidern, Mobiliar, Dukaten, Villen oder gar schlicht einer warmen Höhle und einem Stück erbeuteten Fleisch?

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Für mich stellt sich hieran nur eine schlichte Frage: Warum lassen wir Frauen uns kaufen? Die Antwort liegt auf der Hand und wenn ich nur in Lauras Gesicht sehe, nachdem sich ein Schmierfink wie Flo abermals bei ihr entschuldigt für einen neuerlichen Seitensprung, ja, dann kann ich es glasklar in ihren Augen ablesen, und neuerlich fällt mir Brecht mit einem treffenden Zitat von SHEN TE ein: »Ich will mit dem gehen, den ich liebe. Ich will nicht ausrechnen, was es kostet. Ich will nicht nachdenken, ob es gut ist. Ich will nicht wissen, ob er mich liebt. Ich will mit ihm gehen, den ich liebe.« Wie Sun so stelle ich mir auch Flo vor – selbstzufrieden und selbstgefällig –, wie er darauf mit einem »So ist es« reagieren würde. Auch David versucht gelegentlich, seine Anna zu kaufen. Allerdings fallen seine Bestechungsversuche bescheidener aus, was die gute Anna scheinbar immer wieder tief bedauert. Mit viel Charme gelingt es ihm zwar, seine finanzielle Begrenztheit wettzumachen, doch sind ihre Ansprüche oft derart hochgeschraubt, dass selbst ihm manchmal sein Humor flöten geht und schließlich wieder nur ein Streit bleibt, und eben der banale Versuch, seine Liebste ins Hier und Jetzt und in die Realität seiner Möglichkeiten einzuweihen – eben dass seine Mittel für ihren Kauf begrenzter sind als die anderer Herren. Sie letzten Endes mit seiner Liebe Vorlieb

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nehmen muss, ob diese ihr nun ausreicht oder nicht.

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MÄNNER HABEN’S SCHWER (NEHMEN’S LEICHT) Männer haben es eben nicht leicht! Erst recht nicht inmitten von Frauen, die immer mehr Macht zu erhalten oder sie sich einfach und dreister Weise zu nehmen scheinen. Bei zickigen Freundinnen und heißen Debatten um die eigene Beziehung, da fragen sich die Männer sicher immer wieder, wo doch die guten alten Kämpfe und die großen Schlachten Mann gegen Mann geblieben sind. Ist es da nicht geradezu natürlich, dass ein Mann wie Putin den direkten Weg der Annektierung wählt, sich für den offenen Kampf, wenn auch in bedeckter Weise entscheidet, statt sich wie schon die Geschichte zeigte, gleich seinen Kollegen von Frauen oder einer Frau die Macht entreißen – die Rassel zum Spielen aus den Händen nehmen zu lassen? Ist es nicht den Generälen im ersten Weltkrieg so böse aufgestoßen, dass es gerade ein Weib unter den SPD-Politikern war, die ihnen angeblich das Messer in den Rücken rammte? Und war es nicht wieder eine Frau und unsere heutige Mutti der Nation, die unseren Altkanzler tückisch und hinterrücks seinen Chefsessel stahl – ihn seiner Macht beraubte? Ja, natürlich muss es so gewesen sein – schließlich haben Männer immer recht (auch wenn sie Unrecht ha-

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ben) und sie verdienen schlichtweg unser tiefes Mitleid, wenn sie geplagt durch unsere Anwesenheit durchs Leben gehen – denn Männer haben es als die besseren und klügeren Menschen wirklich schwer und nehmen’s, wie wir an so vielen Beispielen jeden Tag sehen und erleben dürfen, glücklicherweise dennoch leicht! Schließlich wird wie Schwarzer beinahe mitfühlend anmerkt, »in einer Männergesellschaft dem Mann die Attribute zugeordnet, die herrschaftssichernd sind (wie Stärke, Intellekt, Kreativität, Konfliktfähigkeit oder Aggressivität) und der Frau […] (Schwäche, Gefühl, Sensibilität, Fürsorglichkeit, Passivität etc.)«, damit obliegt dem Mann übergroße Verantwortung! Kein Wunder also, dass er »sich schon beim geringsten Anflug von Schnupfen von der Partnerin bemuttern lässt», wie es in einem Versicherungsmagazin mit dem Titelthema: ›MANN O MANN – endlich verstehen, was Männer anders macht‹ hieß. Mit dieser riesengroßen Last auf den Schultern brauchen auch Männer mit ihren Muskel ab und an eine kleine Massage ... für sie, ihre Seele. Nach den täglichen Kämpfen und dieser von klein auf sie belastenden Bürde der Verantwortung für alle und jeden, ja, die ganze Welt! Schließlich sind es in den Blockbustern und richtig guten Actionfilmen stets die Männer, die unsere Welt und die klasse Braut vom Untergang und Verderben retten! Ein wenig Aufmerksamkeit und Dank sollte man ihnen da doch zugestehen, oder?

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MÄNNER BRAUCHEN VIEL ZÄRTLICHKEIT Die Muskeln lassen sie ja gern mal spielen, wohingegen der Blick auf die Seele oft verwehrt bleibt. Die Stimmung meines Bruders ist heute Abend allerdings mehr als offensichtlich: Er ist völlig verwirrt. Und ich nehme an, dass er mit der Situation immer noch überfordert ist. Der Grill bietet ihm zwar immer noch so eine Art Sicherheitszone und den benötigten Halt, aber das Dilemma in seinem Inneren spiegelt sich immer noch deutlich an den wechselnden Gesichtsausdrücken ab. Mal meint man, ein hoffendes Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen, das eindeutig seine Entscheidung für eine Ehe mit dieser, meiner Meinung nach, immer noch nicht reifen Frau ist und dann wieder die blanke Sorge in den Falten, die sich in seine Stirn graben und sich tief um seine Augen ziehen. Sorge vielleicht um ihre Reaktion oder dass er ihr nicht genügen könnte ... Mein Bruder als schmerzverzerrter und zugleich leidenschaftlicher junger Werther murmelt für mich insgeheim: »Nein, es ist gut! Es ist alles gut! – Ich – ihr Mann! O Gott, der du mich machtest, wenn du mir diese Seligkeit bereitet hättest, mein ganzes Leben sollte ein anhaltendes Gebet sein. […] – Sie meine Frau!« Ihm steht zwar kein Wilhelm im Weg, zumindest nicht so weit ich weiß, aber eine reichlich große, besitzergreifende und selbstsüchtige Persönlichkeit, in die er

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sich dummerweise auch noch unendlich verliebt hat und von der er nun Zärtlichkeit, ja Liebe erwartet – eben sein Publikum. Statt der endlosen Vorhaltungen, zu wenig Zeit mit ihr zu verbringen und den zahllosen unbegründeten Vorwürfen, sie auf irgendeine Art und Weise zu betrügen, wünscht er sich wie jeder Mann – und in Wahrheit doch nur kleiner Junge – liebevolle Nähe, Aufmerksamkeit und eben zärtliche Berührungen. Ich muss unversehens an Markus denken, den ich vor drei Monaten, unglaublich aber wahr, in einer Eisdiele wiedergetroffen habe. Ein Eis, ein Kaffee und ruhige Gespräche – und schließlich doch ein inniger und ebenso leidenschaftlicher Nachmittag, dem weitere und einige unvergessliche Abende folgen sollte. Nach einem TabuSpiel mit den üblichen Verdächtigen kamen wir zwangsläufig auf die Definitionen von Wörtern. Neben der ›Härte/Kälte/Abweisung‹ gelangten wir auch zum Gegenteil – der Zärtlichkeit, und bei der unvermittelt folgenden Erklärung von Markus blieb mir glatt die Spucke weg. Er konterte Linda überzeugend: »Aber Zärtlichkeit erfährt man ja durch seine Sinne, und die Sinne sind an empfindlichen Stellen wie dem Nacken, der Hand, den Lippen, den Ohren, den Augenlidern, der Handfläche oder der Innenseite der Oberschenkel [... sie sind] besonders empfänglich für Zärtlichkeiten. Ich würde es als zärtlich empfinden, wenn mir jemand den Nacken oder den Rücken krault, die geschlossenen Augenlider küsst oder wenn ich auf dem Bauch liege und die Frau sich auf mich legt, mich mit ihrem Körper bedeckt. Zärtlich kann man jemanden auch ins Ohr flüstern. Zärtlich ist behut-

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sam, nicht schnell und hektisch, eher langsam und bedächtig.« So abstrakt er die Schilderung auch in dem Moment gehalten haben mag – sie hatte mich auf das Tiefste berührt! Mich in lebendigen Erinnerungen schwelgen lassen. Dass anschließend weniger abstrakte, sondern schlichte und sehr greifbare, ich möchte fast sagen typisch männliche Worte folgten, erspare ich mir jetzt lieber, um den Gedanken der zarten und nach Zärtlichkeit schreienden Seite der Männer – ihrem weichen Kern – noch ein Weilchen anzuhängen. Denn sind nicht auch Männer – diese einsamen Streiter und Helden – zerbrechlich und verletzlich? Wollen von uns mit Samthandschuhen angefasst werden, wo sie es doch so schwer haben, im Leben und unter der Last der Verantwortung ihres eben männlichen Lebens?

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MÄNNER NEHMEN IN DEN ARM (GEBEN GEBORGENHEIT) Während ich das Fleisch aus der Küche in den Garten trage, hat das Gespräch der Jungs eine neuerlich interessante Wendung genommen. Mit Erstaunen registriere ich, wie Max unbeirrt meiner Anwesenheit weiter von seinem missglückten Date mit einer überaus attraktiven Kommilitonin berichtet. Mir blieb im ersten Moment der Mund offen stehen und ich glaube sogar, selbst mit dem Fleischteller in der Hand mitten auf dem Rasen stehengeblieben zu sein, als ich höre, wie MAX ganz allein bei einer mir ebenfalls schon Bekannten zu Hause einen DVD-Abend genossen und sich scheinbar ernsthaft Hoffnung gemacht hatte. Oh je, mein schlechtes Gewissen plagt mich für diese üblen Gedanken, als ich Stück für Stück vom traurigen Ausgang des Treffens erfahre. Denn der Ärmste in voller Erwartung und Hoffnung einen berauschenden Abend in überaus netter Gesellschaft, mit gutem Essen und vielleicht einem halbwegs passablen Film, was anhand der guten Gesellschaft wiederum völlig in den Hintergrund getreten wäre, musste sich von ihr den klassischen Kumpel-Typ-Stempel aufdrücken lassen. Ich stelle mir zwar schon eine ganze Weile die Frage, ob Max überhaupt schon je eine feste

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Freundin hatte, aber anhand der Indizien und auch dieses ›Dates‹, muss ich wohl eher auf eine klare Verneinung meiner Frage schließen. Er ist vielleicht wirklich das ›Weichei‹ par excellence, wie es in einem Online-Artikel, den ich in Gedanken noch einmal durchgehe und der von seinem Autor – natürlich einem Mann – nicht hätte treffender und liebevoller beschrieben werden können. Dort verkündete bereits die Überschrift in großen farbigen Lettern ›Das Weichei‹ und beschrieb ausführlich die Gründe, die einen als Mann dazu werden ließen, beziehungsweise einen für die Frau als solchen erscheinen lassen: »Grund 1: Jemand, der einer Frau zu jeder Tages- und Nachtzeit so gut zuhören kann wie er, ist selten. Und das ist [sein] Todesurteil, denn um es mal mit den Worten einer Bulemikerin auszudrücken: ›Ich esse nie dort, wo ich kotze.‹ Das heißt für [ihn], dass sie zwar gerne ihre Sorgen bei [ihm] ablädt, sich ihren Spaß aber woanders und nicht bei [ihm] – ihrer seelischen Müllhalde – holen wird. Grund 2: Nette Männer sind langweilig. Sie verbreiten nicht dieses prickelnde Versprechen eines aufregenden Marlboro-Man-mit-Drei-Tage-Bart-Abenteuers. Frauen sind Pferdeflüsterinnen; sie wollen wilde Hengste zähmen und nicht auf dem Pony-Karussell reiten. Grund 3: Frauen wissen nicht, was sie wollen und sind dankbar, wenn ihnen jemand die Entscheidung abnimmt. Männer wie [er], die Ihnen alle Wege offen lassen und ihnen signalisieren ›Es wird so ausgehen, wie Du es magst, ich werde all das tun, was Du sagst, ich werde da sein, wenn Du nach mir fragst‹ werden leider auch irgend-

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wann fragen müssen ›Äh ... Wo willst Du hin?‹, wenn ihre Angebetete mit dem Kerl abzieht, der ihr sagt ›Du willst mit mir ins Bett, gib es zu!‹. Grund 4: Wohl der entscheidende Faktor ist die Tatsache, dass irgendwo in dem großen Buch der menschlichen Geschichte verankert ist, dass nette Männer nicht mit netten Frauen zusammen kommen dürfen. Anscheinend ist das ein physikalisches und psychisches Polaritätsproblem, vergleichbar wie bei einem Magneten. (+) und (+) stoßen sich nun mal ab.« Die direkte Anrede an seine armen Mitstreiter hatte mich schon beim Lesen verzückt und mir beinahe Tränen ins Gesicht schießen lassen. Einfach unglaublich, wie groß die Verbundenheit unter den männlichen Geschöpfen ist und wie sie uns vermeintlich zu durchschauen glauben. Obwohl ich zugeben muss, dass so einiges Wahres in dem Artikel steckte, wenn ich an meinen eigenen besten Freund und guten Kumpel Sven denke, der wirklich immer ein offenes Ohr und eine große Schulter zum Anlehnen für mich hatte und noch hat; er mir die meiste Zeit über zu nett erscheint und ich mir von ihm oft ein bisschen mehr – wie soll ich sagen – Selbstbewusstsein, ja Führung wünschen würde, damit er auch mal die Chance hat, eine nette Frau und Freundin kennenzulernen, die nicht nur seine Schulter, sein offenes Ohr schätzt. Herrscht hier vielleicht wirklich ein Polaritätenproblem? Immerhin beschreibt auch Max, wie die zuckersüße Mia auf seinem Schoß Tränen über Tränen vergossen hat und über das große Arschloch vom Vortag schluchzte und zugleich aber in der nächsten

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Sekunde aufsprang, als dieser sich wieder bei ihr meldete, um sich wahrscheinlich nur wieder eine kurze Nummer mit ihr zu gönnen und sie dann neuerlich aufgelöst zurückzulassen ... Stimmen dann nicht die weiteren Aussagen des Online-Reporters: »Er wurde degradiert zu einem Mann zweiten Ranges, zu einem sogenannten ›guten Freund‹. Das Weichei (so nennen Frauen ihn gerne) gehört in das Leben einer jeden Frau. Und keine möchte auf ihr Weichei verzichten, denn Frau kann nie wissen, wann wieder eine Selterskiste geschleppt oder die Wohnung renoviert werden muss. Ja, das sind die Weicheier: Hilfsbereit! Dabei ist das Weichei grundsätzlich keine Vogelscheuche. Also durchaus einer, mit dem sich Frau sehen lassen kann. Seine Geschlechtsgenossen mögen ihn, weil er für sie keine Konkurrenz ist. Die Frauen mögen ihn, weil er so verständnisvoll ist und sie stundenlang mit ihm quatschen können. Über ihre Beziehungen zu anderen Männern. Oder weil er so witzig ist. Oder im schlimmsten Fall beides! Vielleicht sehen sie ihn aus diesem Grund auch als asexuell an. Wer möchte schon mit seinem Psychotherapeuten schlafen?« Auf Sven könnte und würde ich im Leben nie verzichten wollen! Nicht, weil er hilfsbereit bei Umzügen und dergleichen ist. Nein, er ist schlichtweg mein bester Freund, der stets in jeder Lebenskrise zur Stelle war und ist. Natürlich sieht er auch gut aus – im Gegensatz zu Max, an dem ich nun wirklich gar nichts finden kann –, aber wie der Artikel so schön beschreibt, habe ich wohl auch meinem besten Freund den Stempel der Asexualität aufgedrückt.

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Ich muss zwangsläufig schmunzeln, als ich an die Radiosendung denke, die letztens beim gemeinsamen Kochen mit Lisa lief. Die Moderatorin meinte in ihrer kleinen Einführung nur, dass das wohl allen Single-Mädels und Jungs bekannt vorkäme und ließe dann ihre Anekdote fallen: »Gott, bitte schicke mir einen Mann, der mich liebt und versteht, so wie ich bin!«, woraufhin Gott zurückgab: »Habe ich vor Jahren getan! Aber du erzählst ihm immer, er sei nur ein guter Freund!« Traurig aber wahr: Freund bleibt wohl immer Freund ... Zumal jetzt wieder Markus in mein Leben getreten ist, der mir vielleicht ebenso wenig vermag, mein bester Freund zu sein, wie Sven mein Liebhaber werden könnte. Aber um es mit Theodor Fontanes Worten zu beschreiben: »Es gibt nur ein Mittel, um sich wohl zu fühlen: Man muss lernen, mit dem Gegebenen zufrieden zu sein, und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt.«

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MÄNNER SIND SO VERLETZLICH Das Beispiel von Max und seinem Date, aber vor allem seine hilflos und getroffene Reaktion darauf, beweisen aber auch: Männer sind wahrscheinlich die sensibelsten Wesen auf der Welt! Aber anders als wir Frauen erzählt er seinen Kumpels von der Tragödie des missglückten Dates nicht etwa aus der Hoffnung heraus, gefühlsmäßigen Beistand zu erhalten, es erschallt von beiden, Flo und meinem Bruder gleichermaßen, der anerkennende Widerhall: »Na wenigstens hat ihr hübscher Popo deinen Schoß gewärmt und dir ein paar süße Träume beschert!« Unglaublich, aber wahr: Doch wenn es nach der Krankenkassen-Umfrage geht, verletzen sich Männer häufiger als Frauen – und das liegt nicht etwa an einer unbedingt höheren Risikobereitschaft, sondern an der Tatsache, dass sich Männer bei allem, was sie tun, mit ihresgleichen messen wollen ... Dabei geht es, wie Max eindrucksvoll bewiesen hat, nicht nur um körperliche Aktivitäten wie Sport, sondern um Leistungen jeder Art! Sei es auf körperlicher oder gefühlsmäßiger Ebene, der Standard-Kinder-Spruch hallt in den Ohren der Jungen und Männer wider: »Ein Indianer kennt keinen Schmerz!«, sodass die Verletzungen und die Zurückweisung durch Mia schlichtweg runter geschluckt und sogar dank der Freunde umgemünzt werden – auf: Erfolg!

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Sodass Max’ Hoffnungen auf körperliche Nähe zumindest teilweise erfüllt wurden. Wenn Männer dann aber wirklich einmal krank sind oder leiden, dann sind es keine Wehwehchen, sondern stets echte und große Schmerzen! Schließlich sind sie nicht so schwach wie Frauen, und nur etwas wirklich Starkes kann einen echten Mann umhauen. Im Titelthema der Versicherungszeitschrift wurde das äußerst treffend formuliert, so wirkten »mit einem Mal Muskeln […] nach dem Spiel nicht mehr nur müde, nein, sie taten immer länger richtig weh. Rücken und Po waren nicht mehr nur leicht verspannt, nein, sie wirkten verkrampft.« Und wir haben schließlich alle die klassische Situation erlebt, bei der der Vater, Bruder oder Freund einen kleinen Schnupfen hatte und sich dem Sterben nahe fühlte! Ja, die Männer sind verletzlich! Körperlich und natürlich auch, und das wohl in weit größerem Ausmaß, seelisch! Sie sind einfach unendlich sensibel! Nicht unbedingt immer im Sinne von einfühlsam oder mitfühlend – vor allem von fühlend und persönlich wahrnehmend. Aber wie es in der Zeitschrift hieß: »Schluss mit dem schlechten Gewissen! Männer entscheiden selbst, was ihnen guttut.« Und getreu diesem Motto sollte es »im Zweifel lieber männlich« ausfallen. Aber tut ihnen das wirklich gut? Denn: »In der Tat sterben die Männer immer noch sieben Jahre früher als die Frauen«, wie die Schwarzer im ›Großen Unterschied‹ anmerkt und weiter ausführt: »Es stellt sich also die Frage, ob die Männer nicht ganz einfach von der Männlichkeit dahingerafft werden. [...] Sind Herzinfarkt und an-

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Impressum Pia Loreen Kramm Wann ist ein Mann (k)ein Mann? Roman 1. Auflage • Juli 2015 ISBN Buch: 978-395683-227-7 ISBN E-Book PDF: 978-3-95683-228-4 ISBN E-Book epub: 978-3-95683-229-1 Korrektorat: Ulrike Rücker [email protected] Umschlaggestaltung: Ralf Böhm [email protected] • www.boehm-design.de © 2015 KLECKS-VERLAG Würzburger Straße 23 • D-63639 Flörsbachtal [email protected] • www.klecks-verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Verlages gestattet. Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes, liegen beim KLECKSVERLAG. Zuwiderhandlung ist strafbar und verpflichtet zu Schadenersatz. Alle im Buch enthaltenen Angaben wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt und erfolgen ohne jegliche

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Pia-Loreen Kramm Das unglaubliche Geheimnis einer Frau Roman Taschenbuch • 156 Seiten ISBN Buch: 978-3-95683-044-0 ISBN E-Book PDF: 978-3-95683-045-7 ISBN E-Book epub:978-3-95683-110-2 Wer hat es nicht schon versucht, dem Geheimnis der Weiblichkeit auf die Spur zu kommen? Oder es herauszufinden, wie eine Frau tickt? In zahllosen Debatten erproben sich Politiker daran, aus Statistiken und Forschungsergebnissen erhoffen es sich die Wissenschaftler aller Welt, und selbst die Medien ergeben sich diesem spannenden Komplex – der Frau. Doch wer vermag dieser Aufgabe mehr gerecht zu werden als sie selbst? Erfrischend locker und witzig, und dabei zugleich durch die Tugenden der Nachdenklichkeit und Einfühlsamkeit wird ›das unglaubliche Geheimnis einer Frau‹ in dem Roman ergründet.

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Sabrina Georgia Ein Vampir fürs Leben Fantasy-Roman Taschenbuch • 234 Seiten ISBN Buch: 978-3-944050-69-0 ISBN E-Book PDF: 978-3-944050-13-3 ISBN E-Book epub: 978-3-95683-120-1 Eigentlich wollte sich die lebensfrohe Alexandra nur auf eine neue Arbeitsstelle bewerben, als sie dem gutaussehenden und charmanten Thomas begegnet. Er fasziniert sie sofort. Was sie nicht weiß, ist, dass sie gerade im Begriff ist, sich in einen 379 Jahre alten Vampir zu verlieben … Als sich jedoch die seltsamen Ereignisse häufen, ist er es, der sich um sie sorgt: Eine dunkle Gestalt in der Tiefgarage, der Angriff auf ihre beste Freundin und ein Zettel vor Alexandras Wohnungstür lassen für ihn nur einen Schluss zu: ein Stalker …

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Ron Hardt Rotznasenrock Roman Taschenbuch • 498 Seiten ISBN Buch: 978-3-944050-61-4 ISBN E-Book PDF: 978-3-944050-62-1 ISBN E-Book epub: 978-3-95683-182-9 Benjamin Martin steht mit seiner Band, den Monomaniacs, seit Jahren kurz vor dem Durchbruch. Er durchlebt Ende der Neunziger seine wilden Jahre, oder das, was er dafür hält. Uneinsichtig krallt er sich an die Ausrede, jünger zu wirken als zu sein und auch dementsprechend handeln zu dürfen. Ist man Jugendlicher, solange man auf der Rückenlehne einer Bank sitzt und nicht auf der Sitzfläche? Auch als er Julia und Analea kennenlernt, verbaut er sich gewissenhaft jede Chance auf ein glückliches Leben. Es erklärt einem ja auch keiner. Da gibt es keine Songtexte, die einem dadurch helfen. Die Steuerklärung machen und das Leben handeln, soll man einfach so können. Womöglich instinktiv. Veränderungen liefern Konsequenzen, Freundschaften strapazieren und brechen. Liebe wird zu Reife und Lederjacken werden zu BossSakkos.

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Endlich scheint der Erfolg der Band in greifbarer Nähe. Sie werden Supporting Act, nehmen ihre erste CD auf und bekommen die Gelegenheit, bei einem großen Festival in ihrer Heimatstadt aufzutreten. Lokalheldentum ade, hello Media Control. Doch Benjamin erkennt, dass alles, was er sucht, die Veränderung selber ist. Er muss einen Schlussstrich unter sein bisheriges Treiben setzen und zwar allegro ma non troppo.

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