Lübeck – Porträt einer Stadt

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Antje Windgassen

Lübeck Porträt einer Stadt

Antje Windgassen

Lübeck Porträt einer Stadt

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© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Die Veröffentlichung dieses Werkes erfolgt auf Vermittlung von BookaBook, der Literarischen Agentur Elmar Klupsch, Stuttgart Lektorat/Bildredaktion: Claudia Senghaas/Ricarda Dück Satz/Kartendesign: Mirjam Hecht; © The World of Maps (www.123vectormaps.com) Bildbearbeitung/ Umschlaggestaltung: Benjamin Arnold Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-5019-8

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Der Erste Lübecker stammt aus Westfalen /// Bürgermeister Bernd Saxe regiert im Rathaus . . . . . . . . . . . . . . . . Lübecks erster Denkmalpfleger /// Carl Julius Milde, ein Retter des Holstentores . . . . . . . . . . . . . . . . Alte Traditionen und honorige Titel /// Joachim Berger ist der Meister des Ratskellers . . . . . . . . . . . . . . . . Für ihn ist Lübeck Wohlfühlhauptstadt /// Christian Martin Lukas, der Chef im Welcome Center . . . . . . Altes Stadttor meets altes Handwerk /// Ruth Löbe ist die Kunstweberin vom Burgtor . . . . . . . . . . . . . . . . Leinen los für die Barkassen! /// Familie Stühff lädt an der Obertrave zur Hafenrundfahrt . . . Mit neuem Wind durch alte Gemäuer /// Iris Beneke leitet das Modehaus in den alten Salzspeichern . . . Ein begehbarer Roman /// Thomas Mann und das Buddenbrookhaus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Rätsel um den Lübecker Rotspon /// Carl Johann Tesdorpf, Weinhändler aus der Mengstraße . . . . Marzipan – Lübecks süßeste Versuchung /// Tygba Caylan ist Auszubildende im Café Niederegger . . . . . . Helios und Aurora wünschen gute Nacht /// Dagmar Simon eröffnete das Hotel Anno 1216 .. . . . . . . . . . . . . . Ein Haus für den Nobelpreisträger /// Willy Brandt und seine Gedenkstätte in der Königstraße .. . . Lübecks verborgene Welt /// Bernd Thurau führt über den Füchtingshof .. . . . . . . . . . . . . . . . . . Der nackte »Popo« des Merkur /// Der Lübecker Dichter Emanuel Geibel und die Puppenbrücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Geschichte zum Anfassen /// Dr. Lisa Kosok als Leiterin des Europäischen Hansemuseums .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Die Magie des Lichts /// Die Simons führen durch ihre Galerie an der Mauer . . . . . . . . 93 Eine Säule der Lübecker Kultur /// Johannes Unger ist Organist in der Marienkirche . . . . . . . . . . . . 97 Das Neueste aus Lübeck und der Welt /// Gerald Goetsch ist Chefredakteur der Lübecker Nachrichten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Der unbequeme Weltliterat /// Günter Grass und sein Haus in der Glockengießerstraße .. . 109 Bühne frei für die Nordischen Filmtage /// Linde Fröhlich feiert die Filmpreisnacht im Theater Lübeck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Ein traumhaftes Revier /// Paul Reusch und die Lübecker Rudergesellschaft von 1885 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Hut ab vor dieser Erfindung /// Klaus Reim leitet die Technische Großhandlung Ewald Kongsbak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Die ungeschriebenen Gesetze der Hanse /// Johann Wittenborg wurde im Burgkloster bestattet . . . . . . . . . 127 Lübeck – die Weihnachtsstadt des Nordens /// Gabriele Bleich und das Heiligen-Geist-Hospital . . . . . . . . . . . 133 Ein sinnliches Theatererlebnis /// Wolf Malten und sein Unterwasser-Marionettentheater . . . . 139 Aus Lübeck in die ganze Welt /// Boris Hesse führt die Geschäfte des Schöning Verlags .. . . . . . 143

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Pro Airport Lübeck /// Nicky Gernhardt setzt sich für den Erhalt des Flughafens ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Er bringt die Stadt zum Lachen /// Knut Schakinnis leitet das Theaterschiff Lübeck .. . . . . . . . . . . Zwei Ungarn backen für Lübeck /// Maria und Peter Nagy und ihr Lángos-Imbiss auf dem Markt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Schafen, Ziegen und einer Fährfahrt /// Martin Heuer ist Schäfer am Dummersdorfer Ufer . . . . . . . . . Himmlische Gaumenfreuden /// Katharina Engelhard backt in ihrer Engelsbäckerei .. . . . . . . . Ein ganz besonderes Gymnasium /// Thomas Schmittinger ist Schulleiter des Katharineums .. . . . Riesen, Fischer und ein Märchenerzähler /// Burkhard Wunder führt auf den alten Travemünder Leuchtturm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die stolze Lady von Travemünde /// Walter Dühring fuhr als Schiffszimmermann auf der Passat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Travemünder Woche /// Frank Schärffe und der Lübecker Yacht Club .. . . . . . . . . . . . . .

Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Danksagungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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»CONCORDIA DOMI FORIS PAX« Eintracht innen, draußen Friede Inschrift über dem Durchgang des Holstentors

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Der Erste Lübecker stammt aus Westfalen Bürgermeister Bernd Saxe regiert im Rathaus

Lübeck muss nicht mit seinen Reizen geizen. Die »Stadt der sieben Türme«, die »Königin der Hanse«, das »Tor zur Ostsee« sind nur drei Beinamen, mit der sich die alte Hansestadt schmücken kann. Und die von Kanälen und Flussarmen der Trave umflutete Altstadtinsel, die seit 1987 in weiten Teilen zum Welterbe der UNESCO zählt und schon mal gern als »rotes Backsteinmeer« bezeichnet wird, ist ohnehin einzigartig. Trotz der ruhmreichen Vergangenheit lebt Lübeck nicht mehr im Mittelalter, sondern ist jung und lebendig. Hier verbinden sich Tradition und Historie mit pulsierender Gegenwart. Und genau das spürt man deutlich, wenn man durch die Straßen schlendert, vorbei an modernen Geschäften und belebten Cafés. In der Fußgängerzone, an der Ecke Mengstraße, legt eine Streetdance-Gruppe ihre Moves aufs Pflaster, und ein paar Meter weiter, direkt vor dem Rathaus, kann man auf eigenartige Gold- und Silberfiguren stoßen – lebende Statuen, die als »Living Dolls« eine besondere Form von Kleinkunst präsentieren. Apropos: Auch das Lübecker Rathaus ist, wie könnte es anders sein, eine besondere Sehenswürdigkeit. Im Zentrum der Altstadt gelegen, atmet es aus jeder Backsteinpore die große Vergangenheit Lübecks als freie Reichs- und Hansestadt – und hat natürlich seine eigene Geschichte: Als die aufstrebende Stadt 1226 von dem Staufer-Kaiser Friedrich II. die Reichsfreiheit verliehen bekam, wurde das kleine »Haus des Rates«, an der Nordwestecke des Marktes, zu klein. Ein neues Verwaltungsgebäude musste her, mit dessen Errichtung man 1230 begann. Von dieser frühen Zeit zeugen noch spätromanische Teile der Südwand. Da auch der Neubau bald aus allen Nähten platzte, wurde knapp 60 Jahre später die erste Erweiterung vorgenommen. Ein nach Süden ausgerichteter Flügel, der als Festsaal (Danzelhaus) genutzt werden sollte, wurde auf schwere Granitsäulen gestellt, da sich darunter die Ratswaage und die angestammten Verkaufsbuden der Goldschmiede am Markt befanden, die man nicht vertreiben wollte. In den folgenden Jahrhunderten wurde das Rathaus, das als Verwaltungssitz, aber auch 11

Das Foyer des ältesten Rathauses des Landes

als Gerichtsstätte, Verkaufshalle und Zentrum der Hanse diente, immer wieder erweitert, an- und umgebaut. So wurde im 15. Jahrhundert das »Neue Gemach« mit seiner turmbesetzten und aus verschiedenfarbigen Ziegeln bestehenden Schauwand im spätgotischen Stil errichtet. Die runden Löcher darin haben übrigens statische Gründe, um dem Wind nicht zu viel Angriffsfläche zu bieten. Absolut sehenswert ist auch die überdachte Sandsteintreppe im flämischen Renaissancestil aus dem Jahre 1594, die einst zu der mit reichen Schnitzereien geschmückten Kriegsstube führte, heute aber nicht mehr genutzt wird. Fürwahr, die Lübecker bauten sich ein gar prächtiges Rathaus, das in einem historischen Reisebericht sogar als »steinernes Märchen« bezeichnet wurde. Und warum auch nicht? Immerhin war Lübeck zu seiner Blütezeit zwischen dem 13. und 16. Jahrhundert nach Köln die größte Stadt des Heiligen Römischen Reiches – wesentlich größer als Hamburg beispielsweise. Und die Lübecker Bürgermeister gehörten zu den mächtigsten Männern Nordeuropas. Bis ins 20. Jahrhundert hinein gelang es Lübeck, seine Eigenständigkeit als souveräner Stadtstaat zu erhalten. Erst 1937 wurde die Stadt in die preußische Provinz Schleswig-Holstein eingegliedert und die 12

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Bürgermeister Bernd Saxe regiert im Rathaus

einst so mächtigen Bürgermeister zu örtlichen Leitern der kommunalen Verwaltung degradiert. Heute gilt das Lübecker Rathaus als eines der schönsten, ältesten und größten Deutschlands. Und es ist noch immer der Sitz der Verwaltung, der Bürgerschaft, des Senats und natürlich des derzeitigen 228. Bürgermeisters Bernd Saxe, der seit dem Jahr 2000 das Amt innehat. Um zu ihm zu gelangen, muss man zunächst das spitzbogige Hauptportal aus grün glasiertem Backstein und die imposante, von Säulen getragene Eingangshalle im neugotischen Stil passieren. Rechts befindet sich nun der Audienzsaal, der für Empfänge und Feierlichkeiten genutzt wird. Früher einmal tagte hier das Obergericht. Davon zeugt auch noch das alte Renaissanceportal mit einem geschnitzten Relief des Urteils Salomos. Kurios muten die beiden unterschiedlich hohen Türen an, die durch dieses Portal führen – und natürlich eine besondere Bedeutung haben: die Verurteilten mussten beim Verlassen des Raumes die niedrigere Tür benutzen und sich dabei zwangsweise beugen, während die Freigesprochenen erhobenen Hauptes durch die höhere Tür treten durften. Über eine breite Freitreppe gelangt man in den ersten Stock. Der Aufgang ist mit zahlreichen Bildern geschmückt, die Szenen aus der Stadtgründung Lübecks zum Thema haben. Vorbei an der Galerie früherer Bürgermeister – große Porträts in schweren Rahmen – erreicht man schließlich das Allerheiligste, die Amtszimmer des Bürgermeisters – und ist enttäuscht. Nach all der Pracht wirken die Räume eher nüchtern und praktisch eingerichtet: ein Schreibtisch, ein paar Büroschränke, ein Besprechungstisch. Ein kühler Pragmatiker soll er sein, der Saxe, heißt es. Ich bin sofort bereit, das zu glauben. Wie auch immer. Ich habe meine Hausaufgaben gemacht, weiß, dass mein Gegenüber 1954 im westfälischen Ibbenbüren geboren wurde, eine Ausbildung zum Industriekaufmann in Dortmund absolviert und in Hamburg den Abschluss als Diplom-Sozialwirt erworben hat. Mit Lübeck hatte er bis dahin nie etwas zu tun. Und diese Tatsache führt auch gleich zur ersten Frage:

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Antje Windgassen: Warum ausgerechnet Lübeck? War das Zufall? Bernd Saxe: (lacht) Sie werden es nicht glauben, meine damalige Lebensgefährtin und ich wollten uns einfach verändern. Da haben wir einen Diercke-Weltatlas genommen, die Deutschlandkarte aufgeschlagen und mit geschlossenen Augen getippt. Ja, und dabei kam Lübeck heraus. So einfach kann das Leben sein. Seit 1975 leben Sie in Lübeck. Was ist für Sie das Besondere an dieser Stadt? Einmal abgesehen von der herrlichen Lage, der Nähe zur See, der historischen Altstadt  – auf jeden Fall die Menschen. Die Verbundenheit der Bürger mit ihrer Stadt, ihr Engagement, die zahlreichen Stiftungen und ehrenamtlichen Mitarbeiter haben die Die Arkaden des gotischen Baus Entwicklung Lübecks maßgeblich mitgestaltet. Sind die Lübecker Hanseaten? Im Sinne von zurückhaltend, gediegen und verlässlich – ein Wort gilt, ein Handschlag genügt? Auf jeden Fall. Das alte Bewusstsein, als Lübecker einst der »Königin der Hanse« angehört zu haben, ist noch tief verankert. Und fühlen Sie sich selbst als Lübecker? Natürlich. (nickt entschieden) Auch wenn ich noch keine drei Generationen Ahnen auf dem Burgtorfriedhof liegen habe. Ihr Amtstitel ist Bürgermeister, nicht Oberbürgermeister. Und das habe historische Gründe, heißt es. Welche sind das? So was haben wir nicht nötig. Birgt dieses wunderschöne Rathaus ein Geheimnis, das ich bei einer Führung nicht erfahren würde? (kurzes Zögern) Es gibt noch heute einen begehbaren Geheimgang. (lächelt) Er beginnt hinter einer der Schranktüren dieses Raumes und 14