Graz – Porträt einer Stadt

Es ist gut, dass nicht alle Kindheitswünsche in Erfüllung gehen. Eigentlich wollte Franz Voves, der von 2005 bis 2015 steirischer Lan- deshauptmann war ...
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Anita Arneitz / Natalie Resch

Graz

Porträt einer Stadt

Anita Arneitz / Natalie Resch

Graz

Porträt einer Stadt

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© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Satz: Mirjam Hecht Bildbearbeitung: Benjamin Arnold Kartendesign: Mirjam Hecht; © The World of Maps (123vectormaps.com) Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-5237-6

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Einstiger Landeshauptmann mit Ambitionen /// Für Franz Voves läuft im Liebenauer Eisstadion alles glatt .. . . . . 11 Herrensalon als Ort der Weiblichkeit /// Lena Hoschek präsentiert ihr Label im Shop am Joanneumring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Die Geschichte geht unter die Haut /// Werner Wolf badet sich im Museum der Wahrnehmung MUWA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Dieses Lokal ist ein Gedicht /// Rose Mild rezitiert die Ode »Ans Café Mild« . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Ein Happy End wie im Märchen /// Folke Tegetthoff wurde im »GrazMuseum« zum Erzähler . . . . 29 »Man nehme …« /// Katharina Prato ist Patin des Restaurants »Prato im Palais« .. . 33 Zeitgenössischer Tauschhandel /// Jörg Schlicks Geist lebt im Palais Attems weiter . . . . . . . . . . . . . . . 37 Biedermeierische Liebesgeschichte /// Anna Plochls Tracht steht im Steirischen Heimatwerk . . . . . . . . 43 Technisch begabter Rekordtorschütze /// Mario Haas sorgte für die richtige Stimmung in der Gruabn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Die letzte Hutmacherin /// Karin Krahl-Wichmann zeigt Handwerk in der Manufaktur Kepka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Mit Strafzettel zur Fotoschau /// Christian Jungwirth lädt ein in sein Atelier am Opernring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Das Vermächtnis des steirischen Prinzen /// Erzherzog Johann wacht am Hauptplatz über sein Graz .. . . . 61 Zwischen Ankommen und Abheben /// Gerhard Widmann über den Flughafen als Ort der Begegnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 So ein Theater im Bahnhof /// Pia Hierzegger verbeugte sich schon als Kind im Orpheum . . . . . 67 Bischöfliche Fußballtricks /// Wilhelm Krautwaschl lehrte im Bildungszentrum Augustinum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71

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Musik im Kopf /// Vojo Radkovic ist von Elvis in der Arbeiterkammer inspiriert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Der Weg ist oft schöner als das Ziel /// Christian Hlade erwandert von der Gaswerkstraße aus die Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Rolling Stones mal anders /// Anastasia Su gestaltete die Kanonenhalle im Landeszeughaus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 Die steirische Evolutionstheorie /// Franz Unger stellte im Museum Joanneum Urweltliches aus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 Titos Faible für Broadway-Musicals /// Vesna Petkovic verwirklicht in der Oper Graz ihren Traum .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Handelspioniere mit Weitblick /// Martin Wäg erzählt vom Modehaus »Kastner & Öhler« .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Gefühlsausbrüche auf offener Straße /// Werner Schrempf tanzt bei der Tennenmälzerei in Reininghaus .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Mit der Kraft der Traubenkerne /// Luise Köfers natürlicher Jungbrunnen in der »Opern Kosmetik« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 (Un-)schuldig über den Tod hinaus /// Elisabeth Scharang filmte in der Justizanstalt Jakomini . . . . 115 Analoge Kommunikation /// Jördis Waldhuber-Orac hörte im Café Fotter Stimmen . . . . . 119 Spuren des Literaturnobelpreisträgers /// Ivo Andrić wurde vorm Bibliothekszentrum Wall verewigt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Musik liegt in der Luft /// Christina Pluhar hält Ausschau vom Restaurant Schlossberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Nackte Tatsachen der Stadtentwicklung /// Rudi Lackner spendiert »Adam« einen Kaffee im Kaiserfeld .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

29  Zeitenwandel bedingt Veränderung ///   Florian Weitzer erneuerte das Hotel Weitzer . . . . . . . . . . . . . . . . 30  Ein Stammtisch mit Verkupplungspotenzial ///   Bernadette Pausackl lässt am Lendplatz die Holländer tanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31  Parade-steirische Stadtentdeckung ///   Regina Rauch-Krainer besucht das Kunsthaus Graz .. . . . . . . 32  In 80 Jahren um die Welt ///   Rosemarie Kurz spielt sich an der Karl-Franzens-Universität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33  Mode spricht alle Sprachen ///   Bettina Reichl vernetzt im Showroom »Pell Mell« Kreative .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34  Von Tel Aviv direkt nach Graz ///   Maria Reiners Musikwunsch erfüllt sich im Volksgarten . . . . . 35  Weltenbummler mit steirischen Wurzeln ///   Gerald Ganglbauer feierte Verlagsjubiläum im Literaturhaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36  Superheldinnen einer Stadt ///   Ilse Wieser macht Frauengeschichte in der Sporgasse sichtbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37  Kunst mit dem Segen von oben /// Hermann Glettlers Vorbildwirkung in der Kirche St. Andrä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38  Waldbauern-Poesie /// Peter Rosegger verbrachte die Winter in der Burggasse .. . . . 39  Zurück zur Frage nach dem Inhalt /// Natascha Afana lebt Vielfalt im Concept-Store »Tash Living« .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40  Zeitlose Uhrmachertradition /// Mit Klaus Weikhard am Hauptplatz aufs Ziffernblatt schauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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  Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182   Bildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Quellenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

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Einstiger Landeshauptmann mit Ambitionen Für Franz Voves läuft im Liebenauer Eisstadion alles glatt

Es ist gut, dass nicht alle Kindheitswünsche in Erfüllung gehen. Eigentlich wollte Franz Voves, der von 2005 bis 2015 steirischer Landeshauptmann war, Profifußballer werden. Als Voves noch ein kleiner Junge war, unterstützte sein Vater dieses Vorhaben tatkräftig. Mit den Worten »Du darfst nicht zu spät kommen« hielt er seinen Jungen zur Pünktlichkeit an. Auf dem Moped fuhr der Vater seinen Sohn zum Training, stand hinter ihm. Nicht nur, wenn der Jungspund im Tor für Sicherheit sorgte. Bis zur Schülermannschaft eins des Fußballvereins Sturm Graz schaffte es sein Franz. In den 60er-Jahren wurde ganz in der Nähe der Puchsiedlung, in der die Familie Voves wohnte, die Eishalle Liebenau gebaut. Die Bundesanstalt für Leibeserziehung stellte damals 20  komplette Eissportausrüstungen zum Ausprobieren zur Verfügung, denn diese konnte man sich in jener Zeit schwer leisten. Zu den jungen Burschen, die sich hier im Eishockey versuchten, zählten Gert Steinbäcker, späteres Gründungsmitglied der Band S.T.S., und Franz Voves. Letzteren sah Miroslav Kubera, damaliger Trainer des Arbeiter-, Turn- und Sportvereins Eggenberg (ATSE), und erkannte sein Talent. Er ließ ihn nicht auf den Fußballrasen zurückkehren. Mit 15  Jahren wurde Franz Voves fester Bestandteil der Schüler- und Jugendeishockeymannschaft und spielte in der Bundesliga. Zehn Jahre lang  – von 1967  bis 1977  – war die Eishalle Liebenau sein zweites Zuhause. Mit dem Bauwerk verbinden ihn der Leistungssport, das romantische Abendlaufen und verschiedene Konzerte. Letzteres überrascht nicht, ist Voves doch selbst höchst musikalisch und gibt bei passender Gelegenheit gern ein Ständchen zum Besten, Gitarrensolo inklusive. Natalie Resch: Während Ihrer Zeit als Spieler in der Eishalle Liebenau, wie lief da eine typische Woche ab? Franz Voves: Ich war sechs Tage die Woche und viel zu viele Stunden dort: zum Trainieren, Spielen und beim Publikumslauf. Darunter haben meine schulischen Leistungen gelitten. Ich habe eine Ehren11

Franz Voves in seinen jungen Jahren als Profi-Eishockespieler

runde gedreht, wobei ich mit Erfolg maturiert und mein Studium abgeschlossen habe. (grinst) Wie kann man sich das Publikumslaufen vorstellen? Der Publikumslauf bleibt mir unvergessen und war für mich als junger Bursche unvergleichlich! Es war insbesondere das Abendlaufen am Freitag, wo man Händchen haltend  … na ja, seine Runden gedreht hat. Ich war noch in einem Alter, in dem man den Mädchen zeigen musste, wie toll man ist, wie gut man eislaufen kann. (lacht herzlich) Das Eisstadion wurde mit dem Abendlaufen zu einem sehr begehrten Jugendtreff. Das hatte Unterhaltungswert für junge Menschen. Sie müssen sich vorstellen: Es waren nicht ein paar, es waren einige hundert Leute. Man ist in die Disco gegangen oder eben zum Abendlaufen. Es gab eine musikalische Begleitung, das erzeugte eine richtig romantische Stimmung. Das war in meiner Teenagerzeit, als ich 15, 16 Jahre alt war. Die Zeit, in der man das erste Mal anbandelt. Ein Alter, in dem auch die erste Niederlage meist schmerzhaft ist. Können Sie sich noch an die erste sportliche Niederlage erinnern? Es war das Eröffnungsspiel des Liebenauer Eisstadions, als es allein die Stehtribüne gab, noch nicht das denkmalgeschützte Dach. Wir 12

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Für Franz Voves läuft im Liebenauer Eisstadion alles glatt

spielten gegen den Klagenfurter Athletiksport Club, den KAC. Er galt als unschlagbar. In den 60er-Jahren hatte der Club für damalige Begriffe unglaubliche Spieler, wie die zwei Kanadier, Adalbert Saint John und Adolph »Addie« Tambellini. Die waren so übermächtig, das war verheerend. Wir hingegen waren gerade erst in die Bundesliga aufgestiegen und verloren in der Folge 21:0. Von diesem Zeitpunkt an war mein Ziel, einmal den KAC zu schlagen und österreichischer Eishockeymeister zu werden. Die Beziehung zum KAC ist immer eine besondere geblieben, oder? Ja. 1973 ist es uns geglückt: Wir haben das erste Mal 3:3 in Klagenfurt gespielt. Und 1975 sind wir als ATSE Graz tatsächlich Staatsmeister geworden und haben im letzten Spiel dieser Meisterschaft den KAC mit 5:0  geschlagen. Ich habe drei der fünf Tore geschossen, gegen meinen Tormannfreund, mit dem ich zuvor viele Jahre in der Nationalmannschaft gespielt hatte, Charlie Bregel. Er galt als unbezwingbar. Dass ich gegen ihn drei Tore im entscheidenden Spiel schoss … Die werde ich nie vergessen, weil sie gleichsam bedeuteten, dass der große Traum, einmal österreichischer Staatsmeister zu werden, wahr wurde. Und ich glaube, alle, die damals mitgewachsen sind, werden diese Schlachten gegen die Kärntner Mannschaft nie vergessen. Von den circa 6.000 Zuschauern waren 3.000 Kärntner Studierende. Man hatte fast das Gefühl, man ist bei einem Auswärtsspiel. Eine traumhafte Stimmung. Das Stadion hat richtig gelebt. Sie haben das Publikum angesprochen. War es ein anderes als heute? Die Zuschauer des ATSE waren relativ identisch mit jenen von Sturm Graz. In der Fußballbundesliga haben in jener Zeit 18  Vereine gespielt, darunter Sturm und GAK, die immer gekämpft haben, um den Abstieg zu verhindern. Sturm hatte durchschnittlich 2.000 Zuschauer – damals noch in der Gruabn als Heimstätte –, wir 6.000. Für das Publikum war Eishockey einige Jahre lang um einiges attraktiver als Fußball. Das Eisstadion hatte einen unglaublichen Bekanntheitsgrad. Die Meisterschaftsspiele und die Weltmeisterschaft – das war schon etwas Besonderes für die Eishockeyfans. Sie sind mit Bussen aus 13

Fürstenfeld, aus Schladming, aus der gesamten Steiermark nach Graz gekommen. Was verbinden Sie außer dem Sport und dem Publikumslauf noch mit dem Eisstadion? Die unterschiedlichen Kulturveranstaltungen. Es war jedoch schnell klar, dass das Stadion für Musikveranstaltungen vollkommen ungeeignet war. Ausweichmöglichkeiten wie heute die Messehalle gab es noch nicht. Ich habe den russischen Staatszirkus im Stadion gesehen, dort traten zudem unglaublich viele Künstler wie Udo Jürgens auf, und es gab Events wie Musik ist Trumpf mit Harald Juhnke. Das ist wichtig zu erwähnen, weil die Eishockeymannschaft, deren Obmann ich war, das Eisstadion für sechs Wochen – und das während Die historische Dachkonstruktion der der Saison  – räumen musste für die VorEishalle steht unter Denkmalschutz bereitung dieser Veranstaltung. Musik ist Trumpf wurde im gesamten deutschsprachigen Raum und darüber hinaus in Holland und der Schweiz übertragen. Verraten Sie uns noch ein paar Höhepunkte aus der Geschichte der Eishalle? Es war üblich, dass Sportjournalisten die Mannschaft im Bus begleiten durften. Heute unvorstellbar. Und Werner Sabath hat als Reporter für den ORF Steiermark von unserem Spiel gegen den IEV berichtet, den Innsbrucker Eislaufverein. Auf der Nachhausefahrt wollte er für seine nächsttägige Sendung Meinungen der Spieler direkt aus dem Bus einholen. Wir hatten in dieser Meisterschaftsrunde gerade den KAC als führenden Club abgelöst. Im Übermut habe ich dem Reporter spaßhalber das Mikrofon weggenommen und gesagt: »Guten Tag, meine lieben Hörerinnen und Hörer. Zur neuen Hitparade begrüßt Sie heute ausnahmsweise Franz Voves. Auf Platz 14