Lindau - Porträt einer Stadt

Caspar Strohmayr operierte in der Fischergasse . . . . . . . . . . . . . . 63 .... 38 Bunt war früher teuer ///. Ulrich Kaiser lobt Häuser an der Gerberschanze . . . . . . . . . . .
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Jürgen T. Widmer Christian Flemming

Lindau

Porträt einer Stadt

Jürgen T. Widmer Christian Flemming

Lindau

Porträt einer Stadt

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© 2015 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2015 Lektorat/Redaktion: Ricarda Dück Satz: Julia Franze Umschlaggestaltung/Bildbearbeitung: Alexander Somogyi Kartendesign: Mirjam Hecht; © The World of Maps (www.123vectormaps.com) Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-4849-2

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Ehrenbürgerin mit sozialem Gewissen /// Anneliese Spangehl gehört zur Aeschacher Schule .. . . . . . . . . . . . 11 Der Stadtrat aus dem Sumpf /// Max Strauß ist stolz auf den Club Vaudeville .. . . . . . . . . . . . . . . . 15 Der Zeller /// Michael Zeller steht für das Auktionshaus in der Bindergasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Leidenschaft aus Tradition /// Bettina Gräfin Bernadotte schätzt das Weingut Haug .. . . . . . . 25 Der Hüter der Stadt /// Fridolin Sornberger wacht beim Münster und St. Stephan .. . . 31 »Lindau ist ganz schön funky« /// Karl Frierson schaut gern vom Montfort Schlössle .. . . . . . . . . . . . 37 Einer wie Löwe und Leuchtturm /// Martin Thomann lebte in der Vorderen Metzgergasse . . . . . . . . 39 Libertas Bavariae /// Hermann Straßer kocht im Essbahnhof .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Das belesene Nordlicht /// Eva Altemöller bietet in der Bürstergasse Raum für Idealisten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Alter schützt vor Neugier nicht /// Verena Kasts Herz hängt am Pulverturm .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Leben am dünnen Faden /// Bernhard Leismüller leitet die Marionettenoper im Theater .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Historischer Aufschneider /// Caspar Strohmayr operierte in der Fischergasse . . . . . . . . . . . . . . . 63 Der Geist des Cavazzen /// Barbara Reil genießt die Geschichten des Stadtmuseums . . . . . 65 Aus dem Zech in den Gerichtssaal /// Paul Kind ist Direktor des Amtsgerichts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Der Klang der Stille /// Produzent Manfred Eicher zieht es in das Lokal Zur Fischerin .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75

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Der Weltmeister vom Bolzplatz /// Dieter Gebhard begann an der Lindenschanze .. . . . . . . . . . . . . . . 79 Dienstältester Wirt der Grub /// Domenico Cataldo ist der Patron des Restaurants Il Mulino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 Neue See-Gewohnheiten /// Jörn Lorenz arbeitet in der Alten Glockengießerei . . . . . . . . . . . . 89 Der Bruder des Bergdoktors /// Heiko Ruprecht kletterte am Unteren Schrannenplatz . . . . . . . 93 Lindaus grüner Daumen /// Meinrad Gfall lebt und arbeitet in der Stadtgärtnerei . . . . . . . . 99 Die Seelen-Lindauerin /// Schauspielerin Sabine Lorenz zieht es in den Lindenhofpark .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Der Chronist der kleinen Leute /// Karl Schweizer sitzt im Biergarten des Café Wölfle . . . . . . . . . 107 Eisenbahner mit Herz /// Walter Bergmann schaut gern vom Bahnhofsturm . . . . . . . . . . 109 Narr aus Liebe /// Udo Falges Herz schlägt im Narrenhäusle höher .. . . . . . . . . . . 115 Der Bewahrer des Erbes /// Heiner Stauder hütet die Ehemals Reichsstädtische Bibliothek .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 Friedensengel und Kinderfestvater /// Valentin Heider wird im gleichnamigen Gymnasium geehrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Frecher Besuch vom Seegrund /// Seejungfrau Luina taucht an der Insel Hoy auf .. . . . . . . . . . . . 125 Die Winzerin vom Bodensee /// Teresa Deufel eint in der Schachener Straße Wein und Kultur .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 Camping für China /// Heidrun Müller formte den Gitzenweiler Hof .. . . . . . . . . . . . . 133

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Der liebe Augustin /// Mike Maas sehnt sich nach Bier im Gasthof Goldenes Lamm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Zahnarzt und der See /// Andreas Lochbrunner schaut vom Fuchsloch aus auf das Wasser .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begleitung auf dem letzten Weg /// Maja Dornier kämpft für das Hospiz Haus Brög zum Engel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das blühende Erbstück /// Sabine Huber-Gfrerer hegt den Blumenstand vor der Brodlaube .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Obstbauern haben eine Zukunft« /// Martin Nüberlin baut in der Peter-Dornier-Straße auf Früchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Touristiker ohne Fernweh /// Arnold Weiner verantwortet die Hafenweihnacht .. . . . . . . . . Eiskalt aus heißer Leidenschaft /// Marc Hindelang fühlt sich in der Eissportarena daheim . . . . »Wir hatten einen Denkmalföhn« /// Maria und Werner Berschneider haben das Rainhaus gerettet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bunt war früher teuer /// Ulrich Kaiser lobt Häuser an der Gerberschanze .. . . . . . . . . . . Der Aeschacher Frühlingsbote /// Franco Comincio lockt ins Eiscafé Venezia .. . . . . . . . . . . . . . . . . . Der König von (Sch)oberreitnau /// Karl Schober liebt den Blick vom Aussichtspunkt Hangnach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Lindau hoch Wie beglückst du doch! Wenn wir deinen Namen nennen, wird das Herz so froh bewegt. Wenn wir deinen Wert erkennen, unsre Brust noch höher schlägt. Gott mit dir, für und für! Seine Segenshand sei dir zugewandt. Erste Strophe des Kinderfestliedes, um 1845, Verfasser unbekannt

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E h re n b ürg e rin mit so zialem Gewissen Anneliese Spangehl gehört zur Aeschacher Schule

Manchmal dauert die Schulzeit länger. Anneliese Spangehl brauchte 56 Jahre bis ihre in jenem Klassenzimmer endete, in dem sie 1933 anfing. Klein-Anneliese kam als Mädchen und Frau Spangehl ging als Leiterin der Grundschule Aeschach. »Die ist groß und dick genug.« Der damalige Aeschacher Rektor suchte nicht lange nach Begründungen. Mit fünfeinhalb Jahren wurde Anneliese Schneider eingeschult. Holzbau Schneider hieß das Familienunternehmen, in dem ihr Vater technischer Betriebsleiter war. »In den Kindergarten bin ich nicht gern gegangen«, gibt die Lindauerin rückblickend zu. »In die Schule umso lieber.« Die schien ihr so gut zu gefallen, dass sie in der Folge ein Leben für die Schule führte, aber auch eines, das Schule machen sollte. Sie war 26 Jahre lang Stadträtin, engagierte sich 30 Jahre als Kreisrätin besonders im sozialen Bereich und in der Altenhilfeplanung. Sie war Vorsitzende des Seniorenbeirats im Kreis und ist seit 1993 für Wir helfen aktiv, die Bürgeraktion der Lindauer Zeitung. Viele sehen in ihr das soziale Gewissen der Stadt. Noch bevor es eine Chance gibt, das Bundesverdienstkreuz in der Reihe ihrer Verdienste aufzuzählen, warnt sie streng: »Jetzt loben Sie mich nicht zu arg! Bloß ein bissle.« Dabei schaut sie einen mit einer Mischung aus Charme und Strenge an, die sie schon zu Schulzeiten ausstrahlte. Karl Schweizer, Lindauer Lokalhistoriker, erinnert sich: »Der Nüberlin Martin und ich waren als kleine Buben total in das junge Fräulein Lehrerin verliebt. Eines Nachmittags haben wir sie besucht und auf dem Sofa bei ihr gesessen. Ganz verlegen.« Der Nüberlin Martin ist heute Sprecher der Obstbauern. Spangehl weiß noch: »Der Karl und der Martin haben immer gestritten, wer die schöneren Äpfel hat.« Und: »Aus den Buben ist, wie aus eigentlich allen meiner Schüler, etwas geworden.« Sofort blitzt der Schalk aus ihren Augen. »Und das trotz der Lehrerin.« Schweizer ist mittlerweile Hauptschullehrer. Spangehl scheint als Vorbild nicht allzu abschreckend gewesen zu sein. Spangehl und die Schule, das ist Teil der Lindauer Geschichte. Als sie in die erste Klasse kam, gab es noch sogenannte »Bekenntnisschu11

Als junge Lehrerin beim Kinderfestumzug: Anneliese Spangehl

len«. Die evangelischen Schüler waren in Aeschach im Langenweg, die katholischen in der Anheggerstraße. 1936 lösten die Nazis diese Bildungseinrichtungen auf. »In den einen Lesebüchern wurde das evangelisch durchgestrichen, in den anderen das katholisch. Weiter ging es«, berichtet Spangehl. Die Beeinflussung der Kinder begann früh. »Unsere Grundschullehrerin hat gesagt, der Führer mag nur Mädchen mit Zöpfen. Ich hatte aber kurze Haare. Was habe ich mit meiner Mutter gestritten. Ich wollte doch, das der Führer mich auch mag.« Sie weiß um die Verführbarkeit der Menschen und wie wichtig es heute noch ist, Kindern eine gute Grundlage und Werte fürs Leben zu vermitteln. Die Nazis gingen, die Bekenntnisschulen kamen zurück. Die junge Anneliese wollte Lehrerin werden oder Gärtnerin. »Beides ist mir geblieben, das eine als Beruf, das andere als Hobby.«. Die pädagogische Ausbildung nach dem Krieg lebte von der Improvisation. Da Lindau eine französische Insel im amerikanisch besetzten Bayern war, fand sie im Altstadt-Schulhaus statt. Oder, wenn es zu kalt war und kein Holz zum Heizen vorhanden, im Familienbetrieb der Schneiders in Aeschach. »Manche Familien habe ich über Generationen begleitet, erst die Eltern, dann die Kinder«, erzählt die frühere Rektorin. Die Folge: Sie wusste um die familiären Verhältnisse, kannte die Sorgen 12

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Anneliese Spangehl gehört zur Aeschacher Schule

ihrer Schützlinge. »Es ist schön, dass alle meine ehemaligen Schüler mich noch grüßen. Ich weiß nicht, ob ich die ›beste‹ Pädagogin war, aber etwas scheine ich doch richtig gemacht zu haben.« Die Ehrenbürgerin der Stadt setzt sich noch heute für kleine Schulen ein. »Kinder brauchen überschaubare Schulen. Es ist schön und wichtig, dass die Schulleiterinnen und Schulleiter noch alle Kinder kennen«, sagt sie mit Blick auf die Diskussion in Lindau, kleine Einrichtungen zu einer großen Grund- und Mittelschule zu verschmelzen. »Die Insel-Grundschule und die Grundschule Aeschach zusammenzulegen war zu meiner Zeit sinnvoll. Heute sind sie wieder getrennt. Ganz in der Nähe des Altstadt-Schulhauses, mit dem schönsten Blick auf den See, wohne ich noch heute und freue mich an den fröhlichen Kindern.« Sie betont: »Ich wäre gern länger in der Schule geblieben. Ich habe meinen Beruf geliebt.« Ihre jungen Nachfolger beneidet sie dennoch nicht. »In all den Jahren musste immer mehr Erziehungsarbeit geleistet werden.« Spangehl ist auch im Ruhestand ein unruhiger Geist. Sie verfolgt das Geschehen in Lindau. »Es fallen immer mehr Menschen durch das soziale Netz«, warnt sie. Genau aus diesem Grund engagiert sie sich bei Wir helfen, wobei Engagement für sie immer selbstverständlich war. Jüngste Anerkennung: die Ehrenbürgerschaft der Stadt. »Natürlich freue ich mich darüber«, erklärt sie. Aber: »Die Auszeichnung gilt nicht mir, sondern allen, die sich für die gute Sache eingesetzt haben.« Von Anneliese Spangehl lässt sich eben vieles lernen: Bescheidenheit, Verantwortung und auch eine gewisse Hartnäckigkeit.

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