Worms – Porträt einer Stadt

David Maier eröffnet das Festival auf dem Weckerlingplatz . .... Mannheimer Journalistenpaares nach seinen auch internationalen. Erfolgen etwas an seine ...
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Gernot Kirch Lili Judith Oberle Regina Urbach

Worms Porträt einer Stadt

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Worms Porträt einer Stadt

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© 2016 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2016 Satz: Julia Franze Umschlaggestaltung/Bildbearbeitung: Benjamin Arnold Kartendesign: Mirjam Hecht; © The World of Maps (123vectormaps.com) Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-5233-8

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Festspiele mit Lust zur Kontroverse /// Nico Hofmann schöpft Inspiration am Nordportal des Doms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Eine tödliche Nebenbeschäftigung /// Marlon Schneider genießt zur Festspielzeit den Heylshofpark . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 »Ab uffs Backfischfescht!« /// René Bauer koordiniert die Schausteller auf dem Festplatz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Dreimal kräftig: »Ahoi, Ahoi, Ahoi!« /// Markus Trapp ist der »Bojemääschter vun de Fischerwääd« . . . 25 »Worms: Jazz & Joy« /// David Maier eröffnet das Festival auf dem Weckerlingplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Journalistin mit Leib und Seele /// Margit Knab lebt ihren Traum beim Sender »Offener Kanal« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 »Dornröschen ist wach« /// Patrick Mais rettet das Kino in der Wilhelm-Leuschner-Straße .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Magische Zeitreise /// Thomas Haaß wirkt beim Mittelaltermarkt »Spectaculum« mit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 »’s is, wie’s kimmt« /// Volker Gallé bespielt das Lincolntheater rheinhessisch .. . . . . . . 45 »Wir machen Insiderkunst!« /// Heike Satter findet Kunstlösungen im Projekt »Atelierblau« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 »Wormröschen« wachgeküsst /// Sascha Kaiser entdeckt den Blick vom Wormser Theater . . . . . 53 Aus der Fremde wurde die Heimat /// Ahmet Cengelköy spricht am Marktplatz über die Integration  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Das Wunder des Überlebens /// Stella Schindler-Siegreich zeigt Besuchern die Synagoge. . . . . . 61

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Aus Prinzip nicht freizukaufen /// Rabbi Meir ist auf dem Friedhof »Heiliger Sand« begraben . . . 65 Der Karlsplatz als feste Burg /// Fritz Delp läutet die Glocken der Lutherkirche gegen Nazis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 In letzter Sekunde gerettet /// Fafi schildert im Karl-Bittel-Park seine Flucht . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 »Wir haben Wunder erlebt« /// Marie-Elisabeth Klee erinnert sich an den früheren Majorshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Worms wird wieder Stadt /// Helmut Denschlag zieht vor dem Gerberdenkmal vom Leder .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Mit Ecken und Kanten /// Der Amtssitz von Michael Kissel ist das Rathaus . . . . . . . . . . . . . . 83 In der Ruhe liegt die Kraft /// Mit Adolf Kessel am Wahrzeichen »Rheintreue« . . . . . . . . . . . . . . 87 Eine Wormser Erfolgsgeschichte /// Michael Kundel steht an der Spitze der Firma Renolit SE . . . . . 91 Ein kunterbunter Vogel /// Mechthild Vogel ist Gegnerin des »Hauses am Dom« .. . . . . . . . 97 Liebe auf den zweiten Blick /// Marie Kuntz genießt das Studentenleben auf dem Campus . . . 103 Mit hanseatischer Zurückhaltung /// Prof. Dr. Jens Hermsdorf lenkt die Geschicke der Hochschule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Zwischen Worms und Russland /// Michael Krjukov leitet den Kulturverein KuBiS .. . . . . . . . . . . . 111 Schmelztiegel der Stadt /// Margit Zobetz ist Rektorin der Nibelungen-Realschule . . . . 115 Geniale Idee mit großer Wirkung /// Annette Mayer-Möbius betreibt im Stadtteilbüro Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 »Man muss die Stadt lieben« /// Gisela Neumeister atmet im Andreasstift Wormser Geschichte .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

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Worms als perfekte Drehscheibe /// Prof. Dr. Karl-Rudolf Korte schätzt die Ruhe in Hochheim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bella Italia in der KW /// Rino und Toni betreiben das Café-Bistro Pinel .. . . . . . . . . . . . . Nirgends ist Worms am Rhein so schön /// Stefan »Phippo« Herbold lädt in »Kolb’s Biergarten« ein . . . . Sein Leben lang der Funzel treu /// Felix Jäger mixt Cuba Libre in der Kultkneipe Funzel .. . . . . Perfektionist mit Leidenschaft /// Pietro Vannini verwöhnt in seiner Gelateria Vannini .. . . . . . Glühweinduft liegt in der Luft /// Winzer Helmut Kloos sorgt für Klamauk am Römischen Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pressetermin mit dem finsteren Recken /// Hagen von Tronje besucht sein eigenes Denkmal . . . . . . . . . . . Ein Altersheim für Tiere /// Carry Lerch führt den Gnadenhof High Chaparral . . . . . . . . »Alla Wormatia!« /// Stefan Hermann ist als treuer Fan in der EWR-Arena .. . . . . »Hipp, hipp, hurra!« /// Sabine Teigland ist die gute Seele des Ruderclubs . . . . . . . . . . . Der Gaucho mit dem Lederei /// Ein Treffen mit Federico Guichet beim Rugbyclub .. . . . . . . . . Basketball und Regenbogenfamilie /// Loredana Lohmanns sportliche Heimat ist die Jahnwiese .. . . Der Manager, der aus dem Wasser kam /// Kai Hornuf nimmt mit in den Schwimmclub Poseidon . . . . . Handball boomt in Worms /// Florian Stenner entertaint in der Nikolaus-Dörr-Halle .. . . .

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Karte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Bildverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Quellenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

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Fe stsp ie le mit Lust zur Kon troverse Nico Hofmann schöpft Inspiration am Nordportal des Doms

Von Regina Urbach 2015  fanden die Nibelungen-Festspiele erstmals unter der Intendanz von Nico Hofmann statt, dem erfolgreichsten deutschen Filmproduzenten und Geschäftsführer der UFA GmbH. Nichts weniger als einen qualitativen Neuanfang für Worms versprach er. Dieser ging nicht ohne Kontroversen über die Bühne an der Nordseite des Kaiserdoms. Die Festspiele, 2002 nach den Inszenierungen im Dritten Reich neu ins Leben gerufen, hatten sich unter der Intendanz von Dieter Wedel, ebenfalls einem Mann des Films, allmählich die Gunst der Wormser erkämpft. »Dieter hat in 13 Jahren Unglaubliches geleistet«, erkennt sein Nachfolger Nico Hofmann an. Für die Neuausrichtung des Open-Air-Festivals holte sich Hofmann für Regie und künstlerische Leitung seinen Weggefährten Thomas Schadt, Leiter der Filmakademie Baden-Württemberg, und Theaterautor Albert Ostermaier ins Boot. Mit seinem Enthusiasmus steckte das Team 2015 auch den preisgekrönten Bühnenbildner Aleksandar Denić an. Ebenso Schauspieler, teils aus TV-Produktionen bekannt, teils mit Bühnenerfahrung. Bei einem vom Volkstheater teils übersättigten Publikum konnte Hofmann eigentlich nur offene Türen einrennen. Oder? Einen Tag vor der Premiere, eine Stunde vor der Generalprobe, spreche ich mit Nico Hofmann vor der Festspielbühne an der DomNordseite. Angespannt sei er nicht, sagt er, obwohl es bei den letzten Proben immer noch Dinge gegeben habe, die ihm nicht gefallen hätten. Um sich vor der Festspielzeit zu erden, hat er sich im Vorfeld eine Woche Heilfasten verschrieben. Dass er die Intendanz der Nibelungen-Festspiele übernahm, hat mit zweierlei zu tun. Zum einen habe ihn Oberbürgermeister Michael Kissel immer wieder dafür begeistert. »Aber erst, als ich Albert als Theaterautor im Boot hatte, habe ich zugesagt.« Seine anfängliche Euphorie für die Aufgabe hat ihn nie verlassen: »Es macht große Freude, mit dem Team in Worms zu arbeiten; es ist extrem lebendig und dynamisch.« 11

Unvergessliche Bilder haben die Nibelungen-Festspiele entstehen lassen

Zum anderen wollte der gebürtige Heidelberger und Sohn eines Mannheimer Journalistenpaares nach seinen auch internationalen Erfolgen etwas an seine Region zurückgeben. Denn: »Worms ist für mich wie Mannheim und wird auf den ersten Blick oft unterschätzt. Und doch bietet es mit dem Schauplatz am Dom eine Magie mit großem Potenzial.« Um das zu erkennen, muss er nicht in Worms geboren sein: »Ich bin aufgewachsen zwischen Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, Worms und der Pfalz. Jetzt für die Region Verantwortung zu übernehmen, erlaubt mir, etwas zu gestalten.« Hofmann strahlt dabei einen Optimismus aus, dem sich niemand entziehen kann. Balsam auf die Wormser Seele träufelt er vor dem Freundesund Förderkreis der Festspiele: »Die sogenannte Provinz hat unheimliche Kräfte.« Zu einem kleinen Salzburg will er Worms machen. Hofmann glaubt an ein Theaterpublikum in Worms wie der Region, das Qualität zu würdigen weiß. Auf der Premiere: keine Fluchtbewegungen, keine leeren Sitze nach der Pause, keine Unruhe. Aber auch keine Begeisterung. 1.300  Zuschauer lauschen konzentriert der zweieinhalbstündigen Vorstellung von Gemetzel, einem Stück voller Sprachspiele, ohne 12

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Nico Hofmann schöpft Inspiration am Nordportal des Doms

viel Theaterblut inszeniert. Dann Applaus, vorsichtig, aber lang genug. Auf der Party danach bedankt sich Hofmann beim Publikum. Er gibt sich zufrieden. Ist er es? »Ich bin dankbar für die Neugierde, Begeisterungsfähigkeit und Offenheit des Wormser Publikums und gehe mit großer Energie und vielen wertvollen Erkenntnissen ins neue Jahr«, sagt er. »In Worms muss der erste Wurf sitzen«, hat er sich vorgenommen. »Die Gretchenfrage ist: Geht das Publikum mit?« Er gibt sich zuversichtlich, dass ihn bald die »Crème de la Crème der deutschen Schauspieler« nach einem Engagement in Worms fragen wird. Sein Glaube an Qualität und deren Wertschätzung bleibt unerschüttert: »Wir leben in einer überladenen Zeit, in der Unterscheidung nur noch über Qualität stattfindet. Daher fordere ich sie ein.« Während der Theaterpausen und danach in der Presse gab es fast nichts, was nicht diskutiert wurde: der Text, der Tanz, die Musik, die Kostüme. Konnte man Kriemhilds Träume nachvollziehen? Wie verträgt sich Batman-Hagen mit dem Qualitätsanspruch? Fehlte ein finaler Director’s Cut? Lob gab es durchgängig für Bühnenbild, Darsteller und den Neuansatz an sich. Worms ist seither in der überregionalen Presse spürbar präsenter. Einen Start mit eitel Sonnenschein hat Hofmann nicht erwartet. Er braucht die Kontroverse; viele seiner Fernsehproduktionen sind auf ein geteiltes Echo gestoßen. »Ich möchte, dass wieder über den Nibelungenstoff diskutiert wird. Dazu wünsche ich mir, dass dieser von einem gemischten Publikum wirklich begriffen wird. Ich habe es mir angeschaut; es sind alle Bildungs- und Bevölkerungsschichten vertreten. Ich will keine abgehobene High-End-Theaterdarbietung. Es soll weiterhin als populäres Festival funktionieren.« Schon der Weg zur Premiere war von sehr offen geführten Debatten mit Schadt und Ostermaier gepflastert: »Wir pflegen eine ehrliche Gesprächskultur. Dabei geht es nicht nur harmonisch zu.« Bis zur letzten Probe wollte er einiges anders haben, sogar bei den Kostümen. Kontroversen wurden Hofmann gewissermaßen in die Wiege gelegt. »Zum Mittagessen, wenn mein Vater heimkam, wurde zu 13

Hause politisch debattiert«, erinnert er sich. Heute noch nehmen beide Eltern Anteil an seinen Projekten. Die Mutter, früher Wirtschaftsjournalistin, ist im Mannheimer Kulturbetrieb aktiv. Auch der Vater, ehemals Rheinpfalz-Journalist, sieht sich seine Filme an. Um aus dem mächtigen Schatten der Eltern zu treten, musste sich der junge Nico, redegewandt und mitunter heftig, einiges einfallen lassen. Schon als Kind mit den Techniken der 70er-Jahre erfahren, verfilmte er als Jugendlicher die Scheidung seiner Eltern und kam auf diese Weise mit ihnen ins Gespräch. Dieses Rezept funktioniert auch bei seinen Filmen. Sie greifen Themen aus der deutschen Kriegs- und Nachkriegs- bis zur Zeitgeschichte auf, die dadurch, teils zum Jede Inszenierung setzt andere Akzente ersten Mal, von einer breiten Öffentlichkeit und in den Medien diskutiert wurden. »Warum hat eigentlich vor mir niemand den Zündstoff, die ›stories‹ gesehen, die in der deutschen Geschichte liegen?«, hat sich Hofmann oft gefragt. Eigentlich nur folgerichtig, dass er keine Manschetten vor dem oft missbrauchten und später ratlos beiseitegelassenen Nibelungenstoff hatte, für ihn die »Ursuppe der großen dramaturgischen Ideen dieses Landes«. Auch schwere Zeiten galt es für Hofmann zu überstehen – um sich danach wieder erfolgreicher als zuvor in die Arbeit zu stürzen. Seine letzte Sinnkrise schildert Hofmann offen in Presseinterviews. Drei Monate lang klinkte er sich aus allem aus, fuhr nach Indien, begann mit Yoga. Um danach wieder voll durchzustarten. Hofmann, Jahrgang 1959, ist sich der Einmaligkeit der Gesundheit bewusst: Er raucht nicht, trinkt kaum, achtet auf seinen Körper. Schmerzhaft war der Verlust seines Freundes, des Produzenten Bernd Eichinger, der 14