SUPER Energie-Report
Warum Erdgas vor einem Comeback steht
FOTOS: PR
W
enn Wingas-Vorstand Ludwig Möhring über Erdgas und Klimaschutz spricht, redet er sich schnell in Rage. Erdgas, monierte der Manager erst kürzlich auf einem Gipfel in Berlin, sei zwar der klimafreundlichste fossile Brennstoff und idealer Partner für die erneuerbaren Energien, doch in der öffentlichen, politischen Debatte spiele dies nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Zeiten, als selbst Grünenpolitiker wie der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin kräftig die Werbetrommel für Erdgasheizungen und Erdgas autos rührten, sind seit Längerem vorbei, obwohl auch heute niemand bestreitet, dass die deutschen Klimaschutzziele am einfachsten mit dem fossilen Brennstoff zu erreichen sind. Der Brennstoff Erdgas ist trotz seiner hervorragenden Ökobilanz nicht mehr en vogue. Zu unrecht, wie Möhring meint. Beispiel Erdgasfahrzeuge: Sie emittieren rund 25 Prozent weniger Kohlendioxid als Benzi-
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SUPERillu Nr. 48/2015
Erdgas hat eine ausgezeichnete Ökobilanz. Gazprom Germania rechnet damit, dass dies den Absatz ankurbelt, und investiert in die Infrastruktur ner und 21 Prozent weniger als Dieselfahrzeuge. Mit einer Beimischung von Bioerdgas verringert sich der CO2-Ausstoß im Vergleich zum Benziner sogar um bis zu 97 Prozent. Deshalb hat das Bundeswirtschaftsmi nis terium jüngst sogar einen runden Tisch mit Vertretern der Automobil-, Energie-, und Tank stellenbranche ins Leben
gerufen. Sie sollen die nötigen Impulse dafür geben, mit denen über die ohnehin bestehende steuerliche Förderung hinaus bis zum Jahr 2020 ein Marktanteil der Erdgasfahrzeuge von vier Prozent auf deutschen Straßen erreicht werden kann. Für den deutschen Autopapst Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen ist das seit Lan-
Die größten Erdgasreserven der Welt Länder und Regionen (Angaben in Billionen Kubikmeter)
48
Russland
28
Iran
26
Katar
7
Saudi-Arabien
Europa und Eurasien
56,8
6
V. A. E.
6
USA Nigeria
5
Venezuela
5
Algerien
5
Kasachstan
Quelle: OPEC
3
Nordamerika
Asien und pazifischer Raum
12,8
Mittel- und Südamerika
7,6
Afrika
14,1
Naher Osten
80
Quelle: Statista, 2016
15,6
gem ein logischer Schritt, da der Erdgasantrieb zudem eine ausgereifte Technologie sei. Eine Schlüsselfunktion kommt dabei dem LNG zu, was englisch für „Liquefied Natural Gas“ steht und auf Deutsch übersetzt flüssiges Erdgas heißt, das auf minus 164 Grad abgekühlt wird. Es wird in Schiffen, aber auch in Bussen und dem Schwerlastverkehr eingesetzt. Der Energiekonzern Gazprom plant gerade im Rostocker Hafen dafür einen Verlade-Terminal und könnte für künftige LNGStationen auch die Infrastruktur seines bundesweiten ErdgasTankstellennetzes mit 50 Stationen umrüsten und einbinden, das die deutsche Tochter Gazprom Germania aufgebaut hat. Langfristig dürften sich die Investitionen für Gazprom auch rechnen, wenn wieder mal ein Trend aus den USA, wo LNGLaster längst über die Highways rollen, über den großen Teich schwappt. Vieles sieht jedenfalls danach aus. Denn Nutzfahrzeuge gehören auch hierzulande zu den großen Luftverschmut-
Straßengüterverkehr zu de monstrieren, so Bomba. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit und langfristige Verfügbarkeit von Erdgas ist ein Umsteuern im Straßenverkehr von Öl auf Erdgas auch sinnvoll, da die Gasreserven noch weit über 200 Jahre reichen. So legte erst vor Kurzem der amerikanische Ölkonzern Exxon Mobil
in diesem Zusammenhang einen Bericht vor, dass auch im Jahr 2040 in Deutschland Öl und Gas 60 Prozent des Energiebedarfs decken werden. Allerdings mit einem Unterschied: Öl und Gas tauschen die Favoritenrolle. Erdgas werde ab dem Jahr 2030 der Energieträger Nummer eins sein, da es darüber hinaus neben den erneuerbaren Energien ein
Erdgaspipelines Wyborg N
Nord Stream Estl.
In Betrieb seit 2011
Nord Stream 2 Geplant ab 2019
Lettl. ee
Testbebunkerung eines Schiffs mit LNG im Rostocker Hafen
zern und sind für 5,6 Prozent der Kohlendioxid-Emissionen im Verkehr verantwortlich. Der Einsatz von LNG würde diese Bilanz erheblich verbessern. Ein Lkw mit LNG-Motor stößt nämlich kaum noch Feinstaub aus, 35 Prozent weniger Stickoxide und zehn Prozent weniger Kohlendioxid – und ist zudem auch noch um bis zu 70 Prozent leiser als ein dieselgetriebener Lkw. Das Bundesverkehrsminis terium fördert aus diesem Grund die Umstellung von Lkw-Flotten auf LNG mit einem Pilotprojekt. So erhielt die Berliner Ludwig Meyer GmbH & Co. KG für Frischelogistik für die Anschaffung von 20 mit Flüssiggas getriebenen Lastkraftwagen 360 000 Euro Fördergelder. Der erste schwere Lkw wurde auf der Nutzfahrzeuge IAA in Hannover übergeben. „LNG ist eine vielversprechende Alternative zum konventionellen Kraftstoff“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Bomba. Ziel sei es, die Umweltbilanz und Markt fä higkeit von LNG im schweren
Os
ts
Lit.
wichtige andere Pipelines
Lubmin Bulgarien
Berlin
Opal-Pipeline Eugal-Pipeline
Quelle: BDEW Eurogas
Polen
Deutschland
Russland
Tsch. Ukraine
Sl. Österr.
Ungarn
Rumänien
900 km
feiler der Stromerzeugung sein P werde. Gazprom, größter Erdgasproduzent der Welt, bereitet sich auf eine höhere Nachfrage vor. Durch die Ostsee soll ab 2019 ein zweiter Strang der Nord Stream den fossilen Brennstoff nach Lubmin liefern, von wo aus er dann in den europäischen Süden geleitet wird. Die ersten Rohre für die 1 250 Kilometer lange Pipeline sind schon in Mukran auf Rügen angekommen. Acht Mrd. Euro kosten die zwei neuen Stränge, die die Lieferkapazität auf 110 Mrd. Kubikmeter Gas pro Jahr verdoppeln und von einem Konsortium, an dem auch die BASF beteiligt ist, gestemmt werden. Für Mecklenburg-Vorpommern ist das eine bedeutende Investition, wie auch Mi nisterpräsident Erwin Sellering stets betont. Nach einer Studie des Kölner Forschungsinstituts EWI im Auftrag des Auswärtigen Amts steigt Mecklenburg-Vorpommern dann zum Drehkreuz des europäischen Erdgasmarktes auf. Thilo Boss
WIR IM OSTEN STEHEN FÜR DIE ENERGIEWENDE KOPF Bei der Energiewende haben wir im Osten die Nase vorn. Mehr Infos unter:
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