Wie deutsche Maschinenbauer in Brasilien ... - Homburg & Partner

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Der volatile Wechselkurs des brasilianischen Reals spielt insbesondere im Pricing eine große Rolle.

Wie deutsche Maschinenbauer in Brasilien erfolgreich sind Deutschland ist nach den USA und China der drittwichtigste Maschinenlieferant für Brasilien. Doch dem hohen Potenzial Brasiliens stehen auch große Herausforderungen gegenüber. Für eine erfolgreiche Markterschließung und -bearbeitung ist daher landesspezifisches Know-how gefragt.

MARK SCHRÖDER UND PHILIPP SCHINDLER

A

ls Jim O’Neill, damaliger Chefvolkswirt von Goldman Sachs, 2001 das Akronym Bric erfand, wurde er von vielen dafür kritisiert, Brasilien in seine Betrachtung der potenzialreichsten Schwellenländer einzuschließen – ein Land, das in den Neunzigerjahren unter Hyperinflation gelitten hatte und durch chronische politische

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Instabilität gekennzeichnet war. Doch Brasilien entwickelte sich besser als erwartet und Mark Schröder verantwortet als Partner das Kompetenzzentrum Industrial Goods & Machinery bei Homburg & Partner, 68163 Mannheim, Tel. (06 21) 15 82-1 24, [email protected]; Philipp Schindler ist Consultant bei Homburg & Partner

wurde zur eigentlichen Überraschung der Bric-Länder. 2011 überholte Brasilien Großbritannien im BIP-Vergleich und war so kurzzeitig die sechststärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Den Vergleich mit Russland, Indien und China muss Brasilien heute nicht mehr scheuen. Im Gegensatz zu China ist Brasilien eine Demokratie, im Gegensatz zu Indien

muss sich Brasilien nicht um religiöse oder ethnische Konflikte sorgen und im Gegensatz zu Russland bestehen keine politischen Spannungen mit Nachbarstaaten. Das Pro-Kopf-Einkommen Brasiliens war 2013 mit rund 11.000 US-Dollar knapp doppelt so hoch wie das von China und mehr als siebenmal so hoch wie das von Indien. Unter den Bric-Staaten ist Brasilien laut Transparency International außerdem das am wenigsten korrupte Land und liegt im Index für menschliche Entwicklung (Human Development Index) zwar hinter Russland, aber weit vor China und Indien. Zahlreiche ökonomische Risikofaktoren als ernstzunehmende Handelshemmnisse

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Im Rahmen der Betrachtung ökonomischer Risikofaktoren der Markterschließung Brasiliens stellen unter anderem folgende Handelshemmnisse ernstzunehmende Herausforderungen dar: Der volatile Wechselkurs des brasilianischen Reals spielt insbesondere im Pricing eine große Rolle, weil kurzfristige Kursschwankungen nur bedingt an Kunden oder auch Tochtergesellschaften weitergegeben werden können. Das brasilianische Steuersystem gehört zu den kompliziertesten der Welt. Es verfügt über mehr als 60 verschiedene Steuerarten. Die durch die Importsteuer IPI festgelegten Einfuhrzölle variieren beispielsweise zwischen 0 und 300 %. Brasilien gehört laut einer Studie der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank zu den teuersten und ineffizientesten Ländern bezüglich Transport und Logistik, was eng zusammenhängt mit der unzulänglichen Infrastruktur. Für die kommenden Jahre sind jedoch – unter anderem aufgrund der anstehenden sportlichen Großereignisse – staatlich geförderte Investitionen in den Infrastrukturund Energiesektor in der Größenordnung von über 600 Mrd. Euro geplant. Unternehmen in Brasilien leiden unter langwierigen bürokratischen Prozeduren und beschwerlichen Produktlizenzierungen, die ernstzunehmende Kostenfaktoren darstel-

Aufgrund der (noch) unzulänglichen Infrastruktur müssen für Transport und Logistik in Brasilien viel Zeit und Geld eingeplant werden.

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Infokasten

Ökonomische Herausforderungen und Handlungsempfehlungen Ökonomische Herausforderungen

2. Preisgestaltung:

▶▶Volatiler Wechselkurs ▶▶Kompliziertes Steuersystem ▶▶Hohe Einfuhrzölle ▶▶Defizitäre Infrastruktur ▶▶Beschwerliche Bürokratie

▶▶Abschöpfen der hohen Zahlungsbereit-­

Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen Markteintritt 1. Produktmanagement: ▶▶Ausdruck deutscher Herkunft innerhalb der Marke ▶▶Fokussierung auf brasilianisches Premiumsegment ▶▶Marktspezifische Produktvarianten, Vermeidung von Over-Engineering

schaft für deutsche Produkte ▶▶Berücksichtigung von Einfuhrzöllen,

insbesondere bei der Bestimmung der Transferpreise ▶▶Differenzierung durch kundenindividuelle Zahlungsbedingungen 3. Distribution: ▶▶Kooperation mit lokalen Partnern zur

Abdeckung des gesamten Marktes ▶▶Differenzierung durch ausgeprägten

After-Sales-Service 4. Kommunikation: ▶▶Aufbau persönlicher Netzwerke, zum

Beispiel durch Besuch von Messen ▶▶Veröffentlichung von Werbung/Artikeln

in spezialisierten Fachzeitschriften

len. Die Weltbank listet Brasilien lediglich auf Platz 116 unter den 189 betrachteten Staaten im „ease of doing business index“. Die fehlende Kenntnis der brasilianischen Kultur ist erfahrungsgemäß einer der größten Stolpersteine für ausländische Firmen. Umgekehrt kann das Verständnis der kulturellen Besonderheiten Brasiliens im positiven Sinne zur Differenzierung von anderen ausländischen Konkurrenten beitragen. Der Schlüssel zum Erfolg ist, sich die kulturellen Unterschiede bewusst zu machen und sich intensiv mit der Kultur Brasiliens auseinanderzusetzen. Deutsche werden beispielsweise für ihre Pünktlichkeit, ihre Ehrlichkeit und ihre Effizienz geschätzt. Deutsche Maschinen gelten bisweilen als „over-engineered“ Bekanntheit und Beliebtheit deutscher Marken sind in Brasilien relativ hoch. Deutsche Maschinenbauer sollten demzufolge darauf achten, dass ihre Marke leicht mit ihrer deutschen Herkunft in Verbindung gebracht werden kann. Kunden in Brasilien kaufen tendenziell entweder das günstigste oder das beste Produkt. Zusammen mit dem positiven Image deutscher Produkte und dem hohen Technologiestand des deutschen Maschinenbaus legt dieser Schluss eine Fokussierung auf das Premiumsegment nahe. Eine Herausforderung stellen in diesem Zusammenhang die länderspezifischen Produktanfor-

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derungen dar: Viele Produkte, die in Deutschland verkauft werden, sind bezüglich ihres technologischen Entwicklungsstandes over-engineered für den brasilianischen Markt. In Brasilien sollten daher Maschinen und Anlagen verkauft werden, die technologisch etwas einfacher beziehungsweise weniger kundenindividuell, qualitativ – im Sinne von Robustheit – jedoch auf höchstem Niveau sind. Zahlungsbereitschaft für Maschinen teilweise höher als in Deutschland Die Zahlungsbereitschaft potenzieller Kunden ist ein zentraler Einflussfaktor auf das Pricing. In Brasilien ist die Zahlungsbereitschaft für deutsche Maschinen und Anlagen teilweise sogar höher als in Deutschland. Die Herausforderung ist, die für die verschiedenen Sub-Branchen existierenden heterogenen Zahlungsbereitschaften zu identifizieren und nachhaltig abzuschöpfen. Die hohen Einfuhrzölle in Brasilien machen es für viele deutsche Unternehmen unmöglich, ohne eine Produktion oder zumindest Weiterverarbeitung Fuß zu fassen. So existieren relativ hohe Einfuhrzölle für fertige Maschinen, die für Einzelteile jedoch viel geringer ausfallen. Durch eine geschickte Anwendung von Transferpreisen können Vorteile bei der Verzollung realisiert werden. Unter der Voraussetzung erfolgreicher Bonitätsprüfungen können sich deutsche Unternehmen durch

kundenindividuelle Zahlungsbedingungen, wie zum Beispiel Finanzierung beziehungsweise Ratenzahlungen, vom Wettbewerb differenzieren. In Brasilien ist es nicht unüblich, nur aufgrund besserer Zahlungsbedingungen bei einem teureren Lieferanten zu kaufen. Deutsche Maschinenbauer setzen bei der Wahl der Vertriebsform in Brasilien oft zunächst auf Agenten beziehungsweise Distributoren, aus denen nicht selten später Tochtergesellschaften werden. Auch hybride Vertriebsformen sind denkbar. So kann es sich als sinnvoll erweisen, aufgrund der Fläche Brasiliens zum Beispiel eine Tochtergesellschaft in São Paulo zu eröffnen und den Rest des Marktes mit Partnern zu bearbeiten. Ein guter After-Sales-Service kann zur Differenzierung von der Konkurrenz, zur Kundenbindung sowie zur Umsatz- und Gewinnsteigerung beitragen, da in der Regel über Wartung, Reparatur und Ersatzteile höhere Margen als beim Verkauf der Maschine selbst realisiert werden können. Problematisch ist in diesem Zusammenhang jedoch die Größe Brasiliens, die in Kombination mit der schlechten Infrastruktur Antritts- und Lieferzeiten deutlich verzögert. Ausländische Unternehmen haben selten ein Servicenetzwerk, das ausgedehnt über die Fläche Brasiliens eine adäquate Reaktionszeit ermöglicht. Für deutsche Unternehmen kann es daher sinnvoll sein, mit lokalen Servicepartnern zusammenzuarbeiten. In Brasilien gibt es eine Vielzahl spezialisierter Fachzeitschriften aus Industrie und Wirtschaft, die vor allem im industriellen Sektor eine wichtige Rolle als Werbeträger spielen. Zudem bieten Messen ein großes Potenzial, Werbung für ein Unternehmen zu machen und neue Kunden zu akquirieren. Die für Business-to-Business-Branchen so wichtigen Netzwerke und guten persönlichen Kontakte sind in Brasilien besonders notwendig. Ein Markteintritt in Brasilien muss gut geplant sein Ein Markteintritt in Brasilien kann im Zuge einer international ausgerichteten Wachstumsinitiative für deutsche Maschinenbauer sehr interessant und lohnend sein. Doch die Markterschließung und -bearbeitung des größten Staates Südamerikas sollte gut geplant werden. Besondere Beachtung sollten unter anderem die in diesem Artikel beschriebenen ökonomischen und kulturellen Rahmenbedingungen finden. Unsere Empfehlungen für die strategische Ausrichtung des Markteintritts können dazu als Orientierungshilfe dienen. MM