Die Monatszeitschrift - Juris

10.07.2014 - rade von Lebensversicherungen oder anderen finanzdienst- leistenden ...... Einzelfall, dass bei einem Vergleich von Arbeitsvermitt- lung und ...
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Herausgeber: Prof. Dr. Monika Jachmann Holger Radke Prof. Dr. Thomas Voelzke Prof. Dr. Stephan Weth RA Prof. Dr. Christian Winterhoff

08/09 Die Monatszeitschrift

AUGUST/SEPTEMBER

2014

Topthema:

In dieser Ausgabe:

Praktische Probleme des Betreuungsrechts

SEPA-Zahlungsdienste und Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis – maximale Harmonisierung oder harmonische Autonomie?

Dir. d. AG i.R. Christiane Breidenstein

Priv.-Doz. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur.

Die leasingtypischen Ausgleichsansprüche bei Fahrzeugrückgabe im Rahmen eines Leasingvertrags RA und FA für Verkehrsrecht und Erbrecht Tobias Goldkamp und Rechtsreferendarin Nadine Reimer

Mietspiegel – ein Patentrezept? Grundsicherungsrecht trifft auf Mietrecht RiBSG Sabine Knickrehm

Die

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Expertengremium:

Wolfgang Ball | RA Prof. Dr. Guido Britz | Dr. Heinz-Jürgen Kalb | Prof. Dr. mult. Michael Martinek | Dr. Wolfram Viefhues

INHALT

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AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN Zivil- und Wirtschaftsrecht

Praktische Probleme des Betreuungsrechts Dir. d. AG i.R. Christiane Breidenstein S. 310 SEPA-Zahlungsdienste und Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis – maximale Harmonisierung oder harmonische Autonomie? Priv.-Doz. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. S. 315 Die leasingtypischen Ausgleichsansprüche bei Fahrzeugrückgabe im Rahmen eines Leasingvertrags RA und FA für Verkehrsrecht und Erbrecht Tobias Goldkamp und Rechtsreferendarin Nadine Reimer S. 321 Sachmängelhaftung des Leasinggebers bei Insolvenz des Lieferanten BGH, Urt. v. 13.11.2013 - VIII ZR 257/12 RA Tobias Ehmann

S. 326

Unkenntnis von der Insolvenz trotz Bekanntmachung im Internetportal? OLG Bremen, Urt. v. 30.01.2014 - 3 U 52/13 RiOLG Dr. Peter M. Röhm und VRiLG Dirk Seichter S. 328

Arbeitsrecht

Sozialrecht

Noch keine neue Epoche im Kunstrecht BGH, Urt. v. 09.10.2013 - VIII ZR 224/12 Prof. Dr. Roland Michael Beckmann

S. 330

„Vorübergehend“ Ruhe BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13 Prof. Dr. Rolf Wank

S. 333

Mietspiegel – ein Patentrezept? Grundsicherungsrecht trifft auf Mietrecht RiBSG Sabine Knickrehm S. 337

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INHALT

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN Verwaltungsrecht

Alle Macht den Richtern? BVerfG, Beschl. v. 14.01.2014 - 2 BvR 2728/13 Prof. Dr. Claus Dieter Classen S. 345

Steuerrecht

Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen als haushaltsnahe Dienstleistung – Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung BFH, Urt. v. 20.03.2014 - VI R 55/12, VI R 56/12 RiBFH Dr. Stephan Geserich S. 348

NACHRICHTEN

Nachträgliche Geräteabgabe für Drucker und PCs

S. 350

Bewertungsportale dürfen Anonymität der Nutzer schützen

S. 350

Prof. Dr. Dirk Heckmann, juris Praxiskommentar Internetrecht VPräsLG Holger Radke

S. 351

Wegerich/Hartung, Der Rechtsmarkt in Deutschland RA Dr. Tim Nesemann, Leiter Marketing bei GvW Graf von Westphalen

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BÜCHERSCHAU

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EDITORIAL

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Suchen und Finden Es ist also nicht nur eine Frage juristischer Allgemeinbildung, sondern auch Ausdruck persönlicher Vernunft und Weitsicht, sich mit der Struktur des Betreuungsrechts zu befassen. Der Aufsatz von Frau Amtsgerichtsdirektorin i.R. Christiane Breidenstein zu den „praktischen Problemen des Betreuungsrechts“ bietet dafür einen idealen Einstieg. Er verzichtet auf die Darstellung von Detailproblemen und komplexen Rechtsfragen, die den Spezialisten des Rechtsgebietes herausfordern, und bietet stattdessen einen kompakten Überblick über die Struktur des Gesetzes – von den Grundprinzipien des Gesetzes über die unterschiedlichen Aufgabenkreise bis hin zur möglichen Haftung eines Betreuers. Für Juristen jeglicher Profession eine gut lesbare und informative Darstellung eines wichtigen Rechtsgebietes und damit zugleich ein Beispiel für eines der inhaltlichen Ziele der Herausgeber der Juris-Monatsschrift, Beiträge anzubieten, die in komprimierter Form fachbereichsübergreifend informieren. Holger Radke Vizepräsident des Landgerichts Mannheim

„Ich habe mich sozusagen selbst verloren“ – dieser Satz ist überliefert von Auguste Deter, die 1901 Patientin des Psychiaters Alois Alzheimer wurde und an deren Krankheitsbild die heute schlicht als „Alzheimer“ bekannte Form der Demenz erstmals ausführlich beschrieben wurde. Nach Angaben der „Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V.“ auf ihrer Internetpräsenz sind im Jahr 2014, in dem sich die Geburt von Alois Alzheimer zum 150ten Male jährt, etwa 1,5 Millionen Menschen allein in Deutschland von unterschiedlichen Formen von Demenzerkrankungen betroffen – mit steigender Tendenz. Wer sich selbst verliert, der benötigt Hilfe: vor allen Dingen von seiner Familie und seinen Freunden, aber häufig auch von Seiten der Gesellschaft, durch den Staat und seine Institutionen. Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Betreuungsgesetz zu, mit dem der Gesetzgeber im Jahr 1992 juristische Regeln für den Umgang mit Menschen, die Hilfe zu einem so weit als möglich selbstbestimmten Leben benötigen, aufgestellt hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass man mit den Anforderungen dieses Regelwerkes im Laufe seines Lebens konfrontiert wird, ist hoch: Denn selbst wenn man in seiner täglichen juristischen Arbeit mit völlig anderen Rechtsgebieten befasst ist, muss man doch jederzeit damit rechnen, durch eine Erkrankung oder einen schrittweisen Kräfteverfall von Angehörigen oder anderen nahestehenden Personen in seinem privaten Umfeld Verantwortung für Dritte übernehmen zu müssen.

Ein anderes Ziel besteht darin, aktuelle Themen und Entwicklungen aufzugreifen, was sich nicht zuletzt dann anbietet, wenn neue Regierungen sich an die Umsetzung ihrer Wahlversprechen und Koalitionsvereinbarungen machen. Zu den Zielen der „Großen Koalition“ gehören neben dem viel beachteten Mindestlohn auch gesetzgeberische Reaktionen auf problematische Entwicklungen bei der Vermietung von Wohnraum, insbesondere in Ballungszentren. Die „Mietpreisbremse“ und die mieterfreundlichen Änderungen bei der Zahlung von Maklerkosten sind Beispiele und haben auch den Begriff der „Gentrifizierung“ – laut dem Deutschen Institut für Urbanistik verstanden als Wechsel von einer „statusniedrigeren“ zu einer „statushöheren“, will sagen: finanzkräftigeren, Bewohnerschaft – in den aktiven Wortschatz von größeren Teilen der Bevölkerung befördert. Frau Richterin am Bundessozialgericht Sabine Knickrehm hat ein praktisches Problem aus diesem Kontext – wie bestimmt man eigentlich die „Angemessenheit“ bei den Aufwendungen für eine Unterkunft für Leistungsbezieher nach dem SGB II? – herausgegriffen und geht der Frage nach, ob der Mietspiegel einer Kommune der richtige Ansatzpunkt sein kann. Die Überschrift ihres Beitrags: „Grundsicherungsrecht trifft auf Mietrecht“ zeigt bereits, dass auch dieser Aufsatz nicht nur für Sozialrechtler von Interesse ist. Möge Sie das Heft, auch mit seinen zahlreichen weiteren interessanten Aufsätzen und Anmerkungen, gut durch den Hochsommer begleiten. Das wünscht Ihnen – im Namen aller Herausgeber und Experten – Holger Radke

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AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN

Zivil- und Wirtschaftsrecht

Praktische Probleme des Betreuungsrechts Dir. d. AG i.R. Christiane Breidenstein A. Die gesetzgeberischen Grundprinzipien Das Institut der rechtlichen Betreuung ist durch das Betreuungsgesetz aus dem Jahre 1992 geschaffen worden. Es hat die frühere Entmündigung und Gebrechlichkeitspflegschaft ersetzt. Das Nebeneinander beider Rechtsinstitute und die radikale Wirkung der Entmündigung, die zu einer Geschäftsunfähigkeit in allen Bereichen geführt hatte, sollten durch eine einheitliche, auf den individuellen Hilfebedarf des Betroffenen abgestellte Regelung ersetzt werden.1 Ausgehend von einem veränderten Verständnis gegenüber behinderten und dementen Menschen war das Ziel, den Betroffenen nach dem Prinzip „Betreuung statt Entmündigung“ Hilfe zu einem frei selbstbestimmen Leben zu leisten. Mit der rechtlichen Betreuung können sie Hilfe durch einen Betreuer erhalten, der in den Bereichen, in denen sie ihre eigenen Angelegenheiten nicht regeln können, die anstehenden Aufgaben wahrnimmt und sie in diesem Rahmen rechtlich vertritt. Die Zahl der Menschen, die rechtlich betreut wurden, belief sich in der Bundesrepublik Deutschland am 31.12.2011 auf 233.332 Menschen. 138.472 Betreuungen wurden durch Familienangehörige geführt. Die Zahl der Betreuungen hat sich seit 1992 ungefähr verdreifacht.2 Die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften der §§ 1896 BGB ff. lassen folgende grundlegende Prinzipien erkennen: 1. Die Betreuung wird nur eingerichtet für die Aufgabenkreise, in denen sie erforderlich ist (§ 1869 Abs. 2 BGB). 2. In diesen Wirkungskreisen vertritt der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). 3. Die rechtliche Betreuung führt nicht zu einem Verlust der Geschäftsfähigkeit, Ehefähigkeit und Testierfähigkeit. Dies ist ein dem Betreuungsrecht innewohnender Grundsatz.3 Damit können sowohl der Betreuer als auch der Betroffene selbst rechtswirksam handeln. 4. Es gilt das Selbstbestimmungsrecht des Betreuten. Die Einrichtung einer Betreuung gegen den erklärten Willen ist grundsätzlich nicht zulässig (§ 1869 Abs. 1a BGB). Im Rahmen einer eingerichteten Betreuung hat der Betreuer den Wünschen des Betreuten zu entsprechen, soweit dies mit dem Wohl des Betreuten vereinbar und dem Betreuer zuzumuten ist (§ 1901 Abs. 3 BGB). Ehe der Betreuer wichti-

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ge Angelegenheiten erledigt, bespricht er sie mit dem Betreuten (1901 Abs. 3 Satz 3 BGB). Dies ist auch notwendig, damit es nicht zu gegensätzlichen Entscheidungen des Betreuers einerseits und des Betreuten, der ja geschäftsfähig geblieben ist, andererseits kommt. 5. Die rechtliche Betreuung ist von dem Gedanken der Fürsorge für den Betreuten bestimmt. Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht (§ 1901 Abs. 2 BGB). 6. Es gibt keine Dauerbetreuung. Das Gericht hat innerhalb einer Frist von mindestens sieben Jahren zu entscheiden, ob die Betreuung fortzuführen oder aufzuheben ist (§ 294 Abs. 4 FamFG). 7. Die Tätigkeit der Betreuer unterliegt der Überprüfung durch die Gerichte (§ 1908i i.V.m. § 1837 BGB). B. Die Betreuungsbedürftigkeit Voraussetzung für eine Betreuerstellung ist eine psychische Krankheit oder eine geistige, körperliche oder seelische Behinderung (§ 1896 Abs. 1 BGB). Eine Alkohol-oder Drogenabhängigkeit als solche rechtfertigt die Einrichtung einer Betreuung nicht. Diese kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn sie Symptom einer vorhandenen Krankheit ist wie bei einem Alkoholismus auf dem Boden einer schweren Depression oder zu einer solchen geführt hat, wie etwa zu einer drogenindizierten Psychose.4 Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind alte Menschen, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz erkrankt sind. Eine Betreuungsbedürftigkeit im rechtlichen Sinne besteht dann, wenn der Betroffene aufgrund dieser Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise zu besorgen. Dabei gilt das Prinzip der Erforderlichkeit.5 Im öffentlichen Interesse ist die Einrich-

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BT-Drs. 11/4528, S. 49. BT-Drs. 11/4528, S. 49. BT-Drs. 11/4528, S. 49. BayObLG, Beschl. v. 28.03.2001- 3 Z BR 71/01. BT-Drs. 11/4528, S. 49.

JM 08/09 | tung der rechtlichen Betreuung auf diese Fälle beschränkt. Der bloße Wunsch des Betroffen, Hilfe zu erhalten, ist nicht ausreichend.6 Die Einrichtung einer Betreuung scheidet auch deshalb aus, wenn eine wirksame Vollmacht erstellt worden ist (§ 1896 Abs. 2 BGB) oder wirksam erteilt werden könnte. Auch in einem schon begonnenen Betreuungsverfahren stellt sich häufig heraus, dass der Betroffene, obwohl er in anderen Bereichen hilfebedürftig ist, dennoch in der Lage ist, rechtswirksam eine Vollmacht zu erteilen. Die beginnende Demenz bei einem alten Menschen kann nämlich so ausgestaltet sein, dass er komplizierte gesundheitliche Fragen oder Fragen der Vermögensverwaltung nicht mehr alleine entscheiden kann, aber sehr wohl in der Lage ist, die Notwendigkeit einer Vollmachterteilung, den Inhalt der Vollmacht und ihre Auswirkungen zu erkennen. In einem solchen Fall wird das Betreuungsgericht das Verfahren einstellen und die Angehörigen auf die Möglichkeit einer Vollmachterteilung verweisen. C. Inhalt und Gegenstand der rechtlichen Betreuung Die Betreuung darf grundsätzlich nur für einzeln bestimmte Wirkungskreise eingerichtet werden (1896 Abs. 2 BGB). Die Erforderlichkeit ist demgemäß für jeden Wirkungskreis gesondert festzustellen. Die Vertretungsmacht des Betreuers bezieht sich auch nur auf die Bereiche, für die er eingesetzt ist. Das Gesetz definiert nicht, um welche es sich handeln kann. Entsprechend dem Unterstützungsbedarf des Betroffenen kommen als Wirkungskreise in Betracht: I. Die Gesundheitsfürsorge Der Wirkungskreis gibt dem Betreuer ein Auskunftsrecht gegenüber Ärzten, Krankenhäusern und anderen Stellen und Behörden, die mit gesundheitlichen Fragen befasst sind, und das Recht zur Entscheidung über einzelne Behandlungen oder ärztliche Eingriffe. Er ist verpflichtet, die notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen zu ergreifen und ihren Verlauf zu begleiten. Dies gilt für medikamentöse Maßnahmen ebenso wie für therapeutische. Die Gesundheitsfürsorge umfasst auch die Befugnis zur Entscheidung über lebensgefährdende medizinische Maßnahmen nach § 1904 Abs. 1 und 2 BGB, also die Entscheidung über gefahrbringende ärztliche Maßnahmen, die geschlossene Unterbringung eines Betroffenen in einer psychiatrischen Klinik bei Eigengefährdung oder zum Zwecke der Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 BGB und die Entscheidung über Fixierungsmaßnahmen nach § 1906 Abs. 4 BGB. II. Die Vermögenssorge Diese umfasst das Recht des Betreuers, das Vermögen des Betreuten zu verwalten, zum Beispiel Geldkonten, Wertpapiere und Depots. Der Wirkungskreis berechtigt weiterhin zu Immobiliengeschäften, wie etwa dem Verkauf eines

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Hauses oder einer Eigentumswohnung, und auch zur Belastung mit Grundpfandrechten wie etwa einer Hypothek. III. Das Aufenthaltsbestimmungsrecht Mit diesem Wirkungskreis kann der Betreuer entscheiden, welchen Aufenthalt der Betroffene hat. In dem häufigsten Fall, der Betreuung über eine demenzerkrankte Person, geht es um die wichtige Frage, ob der Betreute in einem Altenheim aufgenommen werden soll. Der Betreuer, dem dieser Aufgabenkreis übertragen ist, hat das Recht, den Heimvertrag abzuschließen und die daraus resultierenden Rechte des Betroffenen geltend zu machen. IV. Die Vertretung bei Behörden und Ämtern und Versicherungen Dies ist im Grunde ein ergänzender Wirkungskreis, weil die Befugnis des Betreuers, den Betreuten gegenüber diesen Stellen zu vertreten, in vielen Fällen schon aus der Übertragung der übrigen Aufgabenkreise folgt. Ihn in den Aufgaben und Pflichtenkreis des Betreuers zu übernehmen, ist aber sinnvoll, um eine umfassende Wahrnehmung der Rechte des Betreuten sicherzustellen. V. Die Kontrollbetreuung Grundsätzlich ist eine Betreuung nicht erforderlich und damit nicht zulässig, wenn eine Vorsorgevollmacht besteht. Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann der Wirkungskreis einer Betreuung aber auch die Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten sein. Dies kommt etwa dann in Betracht, wenn Ansprüche des Betreuten gegen den Bevollmächtigten bestehen, weil dieser rechtlich und wirtschaftlich zum Nachteil des Bevollmächtigten gehandelt hat. Fälle dieser Art sind nicht selten. Wichtig ist, dass der Kontrollbetreuer die Vollmacht auch im Interesse des Betreuten widerrufen kann. Die Überwachungsbetreuung dient gerade als Ausgleich dafür, dass der nach Erteilung der Vollmacht geschäftsunfähig gewordene Betroffene die Vollmacht nicht mehr wirksam widerrufen kann.7 VI. Alle Aufgabenkreise Die Bestellung eines Betreuers für alle Bereiche soll nach dem Grundgedanken des Betreuungsrechts die Ausnahme sein8 und wird in der gerichtlichen Praxis auch selten durchgeführt. Auch für einen krankheitsbedingt sehr hilflosen Betroffenen ist die Einsetzung eines Betreuers in allen der oben aufgeführten Aufgabenkreise zur notwendi-

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OLG Köln, Beschl. v. 21.06.1995 - 16 Wx 100/95. LG Wiesbaden, Beschl. v. 22.09. 1993 - 4 T 352/93. BayObLG, Beschl. v. 12.03.1997 - 3 Z BR 47/97.

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gen Unterstützung in der Regel ausreichend. Ist der Betreuer für „alle Angelegenheiten“ eingesetzt, so entfällt für den Betroffenen das Wahlrecht (§ 13 Nr. 2 BWahlG). VII. Unzulässige Wirkungskreise Für Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, in denen eine Vertretung grundsätzlich nicht zulässig ist, weil sie höchst persönlich sind, wie etwa eine Eheschließung, die Erstellung eines Testamentes oder der Abschluss eines Erbvertrages, kann auch ein rechtlicher Betreuer nicht eingesetzt werden. Die Vornahme solcher Rechtsgeschäfte ist betreuungsfremd.9 Sie kann nicht Wirkungskreis einer rechtlichen Betreuung sein. VIII. Der Einwilligungsvorbehalt Nach § 1903 BGB kann zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten ein Einwilligungsvorbehalt eingerichtet werden. Dieser schränkt die dem Betreuten grundsätzlich ja verbliebene Geschäftsfähigkeit und damit die Möglichkeit zur Teilnahme am Rechtsverkehr ein. Der Betreute kann in diesem Fall ein Geschäft nur dann wirksam abschließen, wenn der Betreuer dies genehmigt. Der Einwilligungsvorbehalt kann nicht generell bestimmt werden, es wird vielmehr festgelegt, für welchen Wirkungskreis des Betreuers er gelten soll. Der Betreute kann im Rahmen eines anderen Wirkungskreises, wie etwa in gesundheitlichen Angelegenheiten, doch mit und neben dem Betreuer entscheiden. Häufig wird von der Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts dann Gebrauch gemacht, wenn ein Betreuter krankheitsbedingt Bankgeschäfte zu seinem Nachteil tätigt oder etwa, sehr oft über das Fernsehen oder das Telefon, unsinnige Konsumgeschäfte abschließt, an verpflichtenden Gewinnspielen teilnimmt, langfristige, wirtschaftlich nicht sinnvolle Verbindlichkeiten eingeht und sich dadurch erheblichen finanziellen Schaden zufügt. Der Einwilligungsvorbehalt ermöglicht es dem Betreuer, durch sein Veto die Wirksamkeit des Vertrages auszuschließen. Es ist dann ausreichend, schriftlich auf den Einwilligungsvorbehalt hinzuweisen und ihn zu belegen. Auch wenn eine Betreuung schon besteht, kann es sinnvoll sein, bei dem Betreuungsgericht ergänzend die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts anzuregen. Angehörige erfahren von solchen Geschäften häufig erst im Rahmen der Vermögensverwaltung, zum Beispiel durch Einsicht in die Kontenunterlagen.

lich, wenn eine Betreuung wegen einer körperlichen Behinderung eingerichtet werden soll (§ 1896 Abs. 1 BGB). Im Übrigen muss das Betreuungsgericht auch dann tätig werden, wenn die Einrichtung einer Betreuung nur angeregt wird. Die Anregung kann durch jeden Dritten erfolgen, neben den Familienangehörigen zum Beispiel auch durch Krankenhäuser, Alteneinrichtungen oder etwa Nachbarn. Für die Anregung ist keine Form vorgeschrieben. Die Justizministerien der Länder stellen Formulare zur Verfügung, die im Internet heruntergeladen werden können.10 Ihre Verwendung ist sinnvoll, weil dort die notwendigen Angaben vorgegeben sind. Der Anregung sollte ein ärztliches Attest beigelegt werden. Dieses sollte eine Diagnose enthalten und Angaben dazu, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine eigenen Angelegenheiten zu besorgen. Die entsprechende Bescheinigung durch den Hausarzt ist ausreichend. Zuständig für Betreuungsangelegenheiten sind die Amtsgerichte, und hier als eine von deren Abteilungen die „Betreuungsabteilung“. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). II. Die Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit Über die Einrichtung einer Betreuung entscheidet der Richter. Er erteilt zu den gesundheitlichen Voraussetzungen einen Gutachtenauftrag an einen Facharzt für Psychiatrie. Ein Sachverständigengutachten ist dann entbehrlich, wenn der Betroffene selber die Betreuung beantragt und auf die Einholung des Sachverständigengutachtens verzichtet hat oder es um die Bestellung eines Kontrollbetreuers geht (§ 281 Abs. 1 Nr. 2 FamFG). Ist für den Betroffenen schon ein Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorhanden, so kann das Gericht ebenfalls von der Beauftragung eines Sachverständigen absehen (§ 282 FamFG). Es ist daher sinnvoll, der Anregung auf Einrichtung einer Betreuung ein solches Gutachten beizufügen, weil auf diese Weise das Verfahren zur Bestellung eines Betreuers beschleunigt werden kann. Außerdem beauftragt das Gericht die zuständige Betreuungsbehörde, eine Stellungnahme abzugeben

D. Das gerichtliche Verfahren I. Die Betreuungsanregung Nach § 1896 BGB bestellt das Gericht einen Betreuer von Amts wegen oder Antrag. Ein Antrag ist nur dann erforder-

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AG Mölln, Beschl. v. 03.11.1994 - XVII L 15. www.justiz.nrw.de/BS/formulare/betreuung/zwischentext_formulare_ nach_famrg/bs_26a.pdf (abgerufen am 11.03.2014).

JM 08/09 | (§ 279 Abs. 2 FamFG). Die Betreuungsstelle wird einen so genannten Sozialbericht erstellen, der auch den Vorschlag für einen geeigneten Betreuer enthält. Nach § 276 FamFG wird ein Verfahrenspfleger bestellt, der die Rechte des Betroffenen in dem laufenden Betreuungsverfahren wahrnimmt und ebenfalls zur Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung Stellung nimmt. Für die Durchführung des Verfahrens ist dies allerdings nicht zwingend erforderlich, denn der Betroffene ist in Betreuungsverfahren immer verfahrensfähig, auch, wenn er geschäftsunfähig ist (§ 275 FamFG). Nach Abschluss der Ermittlungen hört das Gericht den Pflegebedürftigen im Beisein des Verfahrenspflegers in dem Schlussgespräch persönlich an (§ 278 FamFG). Diese persönliche Anhörung durch den entscheidenden Richter ist ein elementarer Bestandteil des Betreuungsverfahrens.11 III. Die Betreuerauswahl Es gilt der Vorrang der Einzelbetreuung, grundsätzlich ist eine natürliche Person als Betreuer zu bestellen (§ 1897 Abs. 1 BGB). Dabei haben im Ergebnis Familiengehörige Vorrang. Bei der Auswahl des Betreuers ist nämlich vornehmlich auf die Vorschläge und Wünsche des Betroffenen abzustellen, sofern der Vorschlag mit dem Wohl des Betreuten vereinbar ist (§ 1897 Abs. 4 BGB). Die weit verbreitete Ansicht, eine rechtliche Betreuung berge die Gefahr, dass „an den Angehörigen vorbei“ eine fremde Person als Betreuer eingesetzt wird, trifft also nicht zu. Nach § 1897 Abs. 1 BGB kann das Gericht jedoch nur die Person zum Betreuer bestellen, die auch geeignet ist, in dem bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Hierzu nimmt auch die Betreuungsbehörde in ihrem Bericht Stellung. Nach § 1899 BGB können auch mehrere Betreuer eingesetzt werden, jeder jedoch für einen oder mehrere bestimmte Wirkungskreise gesondert. Nur auf den zugewiesenen Wirkungskreis bezieht sich dann das jeweils alleinige Entscheidungsrecht. Zwar können auch mehrere Betreuer für denselben Wirkungskreis eingesetzt werden. Weil in diesem Fall die Betreuer nur gemeinsam handeln können (§ 1899 Abs. 3 BGB), wird im Hinblick auf den notwendigen Abstimmungsbedarf von dieser Lösung in der Praxis selten Gebrauch gemacht. Häufig wird jedoch ein Ersatzbetreuer (§ 1899 Abs. 4 BGB) für den Fall der Verhinderung des Hauptbetreuers bestellt. Bei seiner Entscheidung hat der Richter, wenn es um die Einsetzung von Familienangehörigen als Betreuer geht, auch zu berücksichtigen, ob die Gefahr von Interessenkonflikten besteht (1897 Abs. 5 BGB). Dies ist z.B. der Fall,

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wenn die Vermögenssorge und damit auch die Verwaltung von Immobilien, z.B. eines Hauses, zum Aufgabenkreis gehören muss und der in Aussicht genommene Betreuer eine Wohnung in dem Hause bewohnt. Im Rahmen des Rechtsverhältnisses hinsichtlich der Wohnung besteht dann eine Interessenkollision. Dies gilt grundsätzlich für alle Fälle, in denen zwischen dem Betroffenen und dem in Aussicht genommenen Betreuer vertragliche Beziehungen wie zum Beispiel ein Arbeitsverhältnis bestehen. Aus diesem Gedanken erklärt sich auch die Regelung in § 1897 Abs. 3 BGB. Danach darf ein Mitarbeiter, der in der Einrichtung beschäftigt ist, in der der Betroffene lebt, nicht zum Betreuer bestellt werden. Der Betroffene soll davor geschützt werden, dass dieser Mitarbeiter als sein Betreuer die Rechte des Betreuten nicht nachhaltig genug durchsetzen kann, weil er sich damit gegen seinen Arbeitgeber wenden müsste. Außer den Familienangehörigen können auch andere ehrenamtlich tätige Personen als Betreuer eingesetzt werden. Anders als zunächst angenommen, ist die rechtliche Betreuung durch ehrenamtlich tätige Betreuer, die nicht Familienangehörige sind, die Ausnahme geblieben. In den Betreuungsverfahren, die am 31.12.2011 bestanden, wurden nach der Betreuungsstatistik des Bundesamtes für Justiz nur 15.208 Betreuungen durch ehrenamtliche Personen außerhalb des Familienkreises geführt. Stehen solche Personen nicht zur Verfügung, muss das Gericht einen beruflich tätigen Betreuer einsetzen. Dies kann nach § 1897 Abs. 2 BGB der Mitarbeiter eines nach § 1908f BGB anerkannten Betreuungsvereins (Vereinsbetreuer) sein. Auch in diesem Fall handelt es sich um die Einsetzung einer Einzelperson. Es wird eine namentlich bestimmte Person als Mitarbeiter des Betreuungsvereins eingesetzt, die der Verein vorher benennt. Des Weiteren kann ein Betreuer eingesetzt werden, der freiberuflich tätig ist. Die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Berufsbetreuer ergeben sich aus dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz. Auch zwischen ehrenamtlich tätigen Betreuern einerseits und Vereins- oder Berufsbetreuern andererseits besteht die Möglichkeit des Splittings der Wirkungskreise, so dass etwa der beruflich tätige Betreuer die schwierigen Vermögensangelegenheiten übernimmt und der Wirkungskreis der Gesundheitsfürsorge einem Familienangehörigen übertragen wird. In der gerichtlichen Praxis wird von dieser Möglichkeit häufig dann Gebrauch gemacht, wenn der Familienangehörige zum Beispiel mit der Regelung der So-

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zialhilfeangelegenheiten überfordert ist oder als möglicher Unterhaltsverpflichteter involviert ist. IV. Der Betreuungsbeschluss Nach Abschluss seiner Ermittlungen auch hinsichtlich der Betreuerauswahl erlässt das Gericht einen Betreuungsbeschluss. Dieser enthält neben den Personalien des Betroffenen die Bezeichnung des Betreuers, für welche Wirkungskreise er eingesetzt wird und in welcher Funktion (als ehrenamtlicher Betreuer, Vereinsbetreuer oder Berufsbetreuer) er sein Betreueramt ausübt. Wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet worden ist, wird festgelegt, auf welchen Aufgabenkreis (etwa die Vermögenssorge) er sich bezieht. Weiterhin wird bestimmt, innerhalb welcher Frist die Betreuung zu überprüfen ist (§ 286 FamFG). Die Überprüfungsfrist beträgt längstens sieben Jahre (§ 294 Abs. 3 FamFG). Außerdem weist der Beschluss auf das zulässige Rechtsmittel, nämlich die Beschwerde, hin. Der Beschluss wird dem Betroffenen, dem Betreuer und der Betreuungsbehörde übersandt (§ 288 Abs. 1 FamFG). Wirksam wird er mit der Bekanntgabe an den Betreuer (§ 287 Abs. 1 FamFG). V. Die „Eiltbetreuung“ In der Praxis wird wegen der Eilbedürftigkeit häufig eine Betreuung zunächst im Wege einstweiliger Anordnung eingerichtet (§ 300 FamFG), weil für den Betroffenen dringend Entscheidungen getroffen werden müssen, wie etwa über eine kurzfristig durchzuführende Operation und der Zeitraum, den die Durchführung des oben beschriebenen Verfahrens benötigt, nicht abgewartet werden kann. Bei „gesteigerter Dringlichkeit“, also bei Gefahr im Verzug, können die Bestellung des Verfahrenspflegers und dessen Anhörung sowie die Anhörung des Betroffenen zunächst unterbleiben, müssen aber unverzüglich nachgeholt werden (§ 301 FamFG). Die Wirksamkeit der einstweiligen Anordnung ist grundsätzlich auf sechs Monate befristet und kann nur durch weitere Entscheidungen auf längstens ein Jahr verlängert werden (§ 302 FamFG). Nach Ablauf der Frist tritt die einstweilige Anordnung außer Kraft, das heißt, dass die Betreuung nicht mehr besteht. Schließt etwa jemand, der im Wege einstweiliger Anordnung als Betreuer eingesetzt worden war, nach Ablauf der Frist für den Betroffenen einen Vertrag, so ist dieser nicht wirksam, weil die rechtliche Betreuung nicht mehr besteht und er nicht mehr für den Betroffenen handeln konnte. Insofern ist die rechtliche Situation anders als bei der Hauptbetreuung. Die Überschreitung der Überprüfungsfrist nach § 295 Abs. 2 FamFG führt nicht zur Beendigung der Betreuung.

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Die Betreuerbestellung im Wege einstweiliger Anordnung ist nur eine vorläufige. Nach dem Erlass der einstweiligen Anordnung ist das „Hauptsacheverfahren“ durchzuführen, so wie es oben beschrieben ist. Der „endgültige“ Betreuungsbeschluss tritt dann an die Stelle der Eilmaßnahme. E. Die Vergütung der Betreuertätigkeit Rechtliche Betreuungen werden grundsätzlich unentgeltlich geführt (§ 1908i i.V.m. § 1836 BGB). Dem ehrenamtlichen tätigen Betreuer wird aber ein Ersatz für seine Aufwendungen zugebilligt (§ 1908i i.V.m. § 1835a BGB). Er kann wählen, ob er die einzelnen Aufwendungen abrechnen und entsprechend belegen willen, oder ob er die pauschale Aufwandsentschädigung wählt. Diese beträgt jährlich 323 € und steht auch den Familienangehörigen des Betreuten zu. Wenn Vermögen vorhanden ist, kann der Betreuer diesen Betrag dem Vermögen des Betreuten entnehmen. Ist der Betreute mittellos, kann der Anspruch gegen die Staatskasse gerichtet werden (§ 1908i i.V.m. § 1835a BGB). Für den Anspruch gelten kurze Erlöschensfristen. Er entsteht erstmals ein Jahr nach Bestellung des Betreuers und muss bis zum 31. März des Folgejahres geltend gemacht werden (§ 1908i i.V.m. § 1835a BGB). Die Betreuung wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht in dem Betreuungsbeschluss feststellt, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt (§ 1908i BGB in Verbindung mit § 1836 BGB). Dies trifft auf Vereinsbetreuer und freiberuflich tätige Einzelbetreuer zu. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG). Der Betreuer erhält je nach seiner beruflichen Qualifikation einen Stundensatz zwischen 27 und 44 € (§ 4 VBVG). Der Zeitaufwand wird pauschal festgesetzt. Dabei wird darauf abgestellt, wie lange die Betreuung schon besteht, ob der Betreute selbständig oder in einer Einrichtung lebt und ob wegen der Mittellosigkeit des Betreuten die Vergütung aus der Staatskasse zu zahlen ist. Die Einzelheiten ergeben sich aus § 5 VBVG. Bei Vereinsbetreuern erhält die Vergütung der Verein (§ 7 BVVG). F. Die Haftung des Betreuers Der Betreuer muss gegenüber dem Betreuten und dessen Erben für vorsätzliche oder fahrlässige Pflichtverletzungen einstehen, also einen verursachten Schaden ersetzen (§ 1908i i.V.m. 1833 BGB). Dies gilt auch dann, wenn er schuldhaft eine für den Betreuten notwendige Maßnahme unterlassen hat. Zu denken ist etwa an die Überschreitung

JM 08/09 | des Aufgabenkreises;12 einen nicht rechtzeitigen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente;13 die Nichtinanspruchnahme von Sozialhilfe.14 Die Kosten einer entsprechenden Haftpflichtversicherung kann der ehrenamtlich tätige Betreuer von dem Betreuten ersetzt verlangen (§ 1908i i.V.m. § 1835 Abs. 2 Satz 1 BGB). In einigen Ländern, Bayern, Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz besteht eine landesweite Sammel-Ver-

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mögensschadens-Haftpflichtversicherung für ehrenamtlich tätige Betreuer.

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OLG Hamm, Urt. v. 09.01.2001 - 29 U 56/00. LG Berlin, Urt. v. 10.05.2001 - 31 O 658/99. LG Offenburg , Urt. v. 06.06.1994 - 2O 475/93.

SEPA-Zahlungsdienste und Bereicherungsausgleich im Mehrpersonenverhältnis – maximale Harmonisierung oder harmonische Autonomie? Priv.-Doz. Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. A. Spannungsfeld von mitgliedstaatlichem Bereicherungsrecht und Europäischem Privatrecht Begibt sich der Privatrechtsdogmatiker in Zeiten einer fortschreitenden Europäisierung des Privatrechts auf die Suche nach einem Stück derzeit noch in nationalstaatlicher Kompetenz verharrender Privatrechtsmaterie, so erscheint der Weg zum Recht der ungerechtfertigten Bereicherung nicht weit.1 In der Tat hat sich seit dem Inkrafttreten der §§ 812 ff. BGB am 01.01.1900 eine weit verzweigte und eigenständige deutsche Bereicherungsrechtsdogmatik entwickelt. Zur Hochklassik dieses Rechtsgebiets gehören die Besonderheiten, die bei der Einbeziehung von mehr als zwei Rechtssubjekten in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu beachten sind. Nicht nur die Beantwortung der Frage nach Schuldner und Gläubiger eines Kondiktionsanspruchs, sondern auch nach dem jeweils einschlägigen Kondiktionstypus ist dabei nicht frei von Komplexität. Eine herausragende theoretische wie praktische Bedeutung kommt insofern den so genannten Anweisungsfällen zu, welche sich geradezu paradigmatisch im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs bei fehlgeschlagenen Überweisungsvorgängen ausfindig machen lassen. Die schuldrechtlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten an einem Überweisungsvorgang, insbesondere zwischen Kunde und Bank, unterlagen bis 1999 dem Regelungsregime des allgemeinen Geschäftsbesorgungsrechts. Erste Änderungen supranationalen Ursprungs ergaben sich in Umsetzung der EU-Überweisungsrichtlinie.2 Das heutige Rechtsgewand basiert nunmehr auf der EU-Zahlungsdiensterichtlinie von 20073, die zum 01.11.2009 umzusetzen war. Sie folgt dem Grundsatz der Voll- oder Maximalhar-

monisierung, um den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (Single Euro Payments Area – SEPA) vorzubereiten.4 Ausweislich ihres Erwägungsgrundes 4 soll ein „moderner und kohärenter rechtlicher Rahmen für Zahlungsdienste“ geschaffen werden. Auf der normativen Grundlage der EU-Zahlungsdiensterichtlinie und zweier Umsetzungsvorschriften ist in der deutschen Literatur5 und Instanzrechtsprechung6 gefordert 1

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Vgl. aber Book VII (Unjustified enrichment) DCFR und dazu Ott, Das Bereicherungsrecht im Draft Common Frame of Reference (DCFR) aus deutscher Sicht, 2013. Richtlinie 97/5/EG über grenzüberschreitende Überweisungen vom 27.01.1997, ABl EG Nr. L 166 S. 45 vom 11.06.1998. Richtlinie 2007/64/EG über Zahlungsdienste im Binnenmarkt vom 13.11.2007, ABl EU Nr. L 319 S. 1 vom 05.12.2007. Vgl. zum SEPA-Projekt den Überblick bei Omlor in: Staudinger, 2012, Vorbem. 13 zu §§ 675c-676c sowie ausführlich zu den einzelnen SEPA-Zahlungsinstrumenten Bernett/Haug in: Schimansky/Bunte/ Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 51 Rn. 31 ff. Bartels, WM 2010, 1828, 1833; D. Belling/J. Belling, JZ 2010, 708 ff.; Winkelhaus, BKR 2010, 441, 447 ff.; ders., Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhafter Überweisung nach Umsetzung des neuen Zahlungsdiensterechts, 2012, S. 222 ff.; Casper in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 675u Rn. 24; Linardatos, BKR 2013, 395, 396; ders., Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2013, S. 368 ff.; Ott, Das Bereicherungsrecht im Draft Common Frame of Reference (DCFR) aus deutscher Sicht, 2013, S. 253; a.A. Grundmann, WM 2009, 1109, 1117; Nobbe in: Ellenberger/Findeisen/Nobbe, Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht, 2010, § 675u Rn. 20; Köndgen, JuS 2011, 481, 489; Werner in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 7.369 f.; ders. in: Soergel, 13. Aufl. 2012, § 675u Rn. 8 (implizit); Fornasier, AcP 212 (2012), 410, 433 ff.; Kiehnle, JURA 2012, 895, 900 f.; Omlor in: Staudinger, 2012, § 675z Rn. 6; Reymann, JuS 2012, 781, 787; Thomale, Leistung als Freiheit, 2012, S. 320 ff.; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB,

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worden, einen Bruch mit der tradierten Bereicherungsrechtsdogmatik der Mehrpersonenverhältnisse zu wagen und dessen postulierte Harmonisierung durch die Zahlungsdiensterichtlinie zu befolgen. Es mute geradezu „anachronistisch“ an, von Zahlungsdienstleistern und -nutzern aus anderen Mitgliedstaaten zu verlangen, „sich mit der weder unkomplizierten noch widerspruchsfreien Dogmatik des hiesigen Bereicherungsrechts in den Fällen der defekten Anweisung vertraut zu machen“7. Eine unbeeinflusste Koexistenz von Zahlungsdienste- und Bereicherungsrecht sei ausgeschlossen. Maximale Harmonisierung also statt harmonischer Autonomie? B. Fehlerhafte SEPA-Überweisungen: die autonom bereicherungsrechtliche Lösung I. Abgrenzung der problematischen Fallgruppe Als Ausgangspunkt der Problemklärung hat das tradierte und in Rechtsprechung8 wie Literatur9 ganz herrschende Abwicklungsmodell für die betroffene Fallgruppe fehlgeschlagener Überweisungsvorgänge zu dienen. Diese Fallkonstellation zeichnet sich durch ein fehlerhaftes Deckungsverhältnis bei einem dem Überweisenden zurechenbaren Rechtsschein eines wirksamen Überweisungsvorgangs sowie durch ein intaktes Valutaverhältnis aus. Praktische Anwendungsfälle sind vor allem die Anfechtung oder der Widerruf eines erteilten Zahlungsauftrags, der von der Bank versehentlich10 dennoch ausgeführt wird.11 Aber auch die Duldung der Fortführung eines widerrufenen Dauerauftrags ruft gegenüber dem Zahlungsempfänger einen Rechtsschein weiterhin wirksamer Zahlungsvorgänge hervor.12 Auch kann der Überweisende dem Empfänger den bevorstehenden Eingang des Zahlungsbetrags besonders angekündigt haben, so dass den Überweisenden eine Bindung qua Rechtsscheins analog §§ 170, 172 BGB trifft.13 Hinzutreten muss weiterhin in allen Fällen die Schutzwürdigkeit des Zahlungsempfängers, welche sich in seiner Gutgläubigkeit und seinem Vertrauen auf den gesetzten Rechtsschein zeigt. Analog §§ 122 Abs. 2, 173 BGB schadet dabei nicht nur die positive Kenntnis des Empfängers vom Defekt im Deckungsverhältnis, sondern bereits seine fahrlässige Unkenntnis.14

vom Zahler zurechenbar gesetzten Rechtsschein einer solchen Tilgungs- und Zweckbestimmung; diese ordnet analog §§ 267, 366 BGB die Zuwendung des sendenden Zahlungsdienstleisters als Erfüllungsleistung dem Zahler und seiner im Valutaverhältnis bestehenden Schuld zu. Im Valutaverhältnis liegt kein Fehler vor, da Erfüllung einer tatsächlich bestehenden Verbindlichkeit eintritt. Diese Rechtsbeziehung muss daher vom Bereicherungsausgleich ausgenommen bleiben. Der Zahlungsempfänger wird in seinem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der an ihn erfolgten Leistung des Zahlers geschützt; in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung darf er daher nicht einbezogen werden. Der Zahler steht dem Fehler seines Zahlungsdienstleisters „näher“ als der Zahlungsempfänger,16 denn letzterer hat keinen Einfluss auf die Auswahl und vertraglichen Konditionen des am Deckungsverhältnis beteiligten Zahlungsdienstleisters.

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II. Rückabwicklung im Deckungsverhältnis 1. Schutz der Leistungsbeziehung im Valutaverhältnis Unter diesen Voraussetzungen kommt es im Valutaverhältnis zur Erfüllung der Geldschuld,15 obwohl es mit dem unwirksamen Überweisungsauftrag zugleich an der Botenmacht des sendenden Zahlungsdienstleisters zur Übermittlung der Tilgungs- und Zweckbestimmung an den Empfänger fehlt. Ausgefüllt wird diese Lücke durch den

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34. Aufl. 2014, Bankgeschäfte Rn. C/71; Schnauder, jurisPR-BKR 1/2014, Anm. 6; offen Mayen in: Schimansky/Bunte/Lwowski (Hrsg.), Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl. 2011, § 50 Rn. 25 ff. LG Hannover, Urt. v. 21.12.2010 - 18 O 166/10 - BKR 2011, 348, 349 f. (obiter dictum); a.A. AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 24.04.2013 - 642 C 2/13 - BKR 2013, 393, 394 f. D. Belling/J. Belling, JZ 2010, 708, 709. BGH, Urt. v. 18.10.1973 - VII ZR 8/73 - BGHZ 61, 289, 293 f.; BGH, Urt. v. 16.06.1983 - VII ZR 370/82 - BGHZ 87, 393, 397 f.; BGH, Urt. v. 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - BGHZ 176, 234 Rn. 12; BGH, Urt. v. 01.06.2010 - XI ZR 389/09 - NJW 2011, 66 Rn. 34 m.w.N. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 417 ff.; Omlor in: Staudinger, 2012, § 675z Rn. 23 ff.; Thomale, Leistung als Freiheit, 2012, S. 305 ff., jeweils m.w.N. G. Müller, WM 2010, 1293, 1303. Ein vorsätzliches Dazwischentreten des sendenden Zahlungsdienstleisters schlösse hingegen die Zurechenbarkeit aus. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - BGHZ 176, 234 Rn. 12. Vgl. BGH, Urt. v. 19.01.1984 - VII ZR 110/83 - BGHZ 89, 376, 381. Vgl. zu §§ 170-172 BGB auch BGH, Urt. v. 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - BGHZ 176, 234 Rn. 14; kritisch hingegen G. Müller, WM 2010, 1293, 1301 ff., der stattdessen § 120 BGB – analog bzw. rechtsgedanklich – als Zurechnungsgrundlage fruchtbar machen will; zu den einzelnen dogmatischen Modellen vgl. umfassend Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 422 ff. Ebenso G. Müller, WM 2010, 1293, 1304; enger hingegen BGH, Urt. v. 24.01.1984 - VI ZR 37/82 - BGHZ 89, 393, 398 f.; BGH, Urt. v. 01.06.2010 - XI ZR 389/09 Rn. 34: nur positive Kenntnis; offen Grundmann, WM 2009, 1109, 1117. BGH, Urt. v. 09.05.1983 - II ZR 241/82 - BGHZ 87, 246, 250; Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 433; Werner in: Kümpel/Wittig (Hrsg.), Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 7.370. BGH, Urt. v. 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - BGHZ 176, 234 Rn. 17; ähnlich bereits BGH, Urt. v. 18.10.1973 - VII ZR 8/73 - BGHZ 61, 289, 293, BGH, Urt. v. 16.06.1983 - VII ZR 370/82 - BGHZ 87, 393, 397 und BGH, Urt. v. 19.01.1984 - VII ZR 110/83 - BGHZ 89, 376, 381 zurückgehend auf von Caemmerer, JZ 1962, 385, 387: Unautorisierte Ausführung „wurzelt“ im Deckungsverhältnis.

JM 08/09 | 2. Nichtleistungskondiktion gegen den Zahler Stattdessen hat die bereicherungsrechtliche Defektbewältigung innerhalb der fehlerhaften Rechtsbeziehung, d.h. im Deckungsverhältnis zwischen Zahler und seinem Zahlungsdienstleister, zu erfolgen.17 Nur auf diese Weise wird das Insolvenzrisiko zwischen den Beteiligten gerecht verteilt: Der sendende Zahlungsdienstleister hat durch Abschluss des Zahlungsdienstevertrags lediglich das Ausfallrisiko des Zahlers, nicht aber des mit ihm vertraglich nicht verbundenen Zahlungsempfängers übernommen.18 Ein vertraglicher Aufwendungsersatzanspruch des sendenden Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler aus §§ 675c Abs. 1, 670 BGB besteht mangels wirksamer Autorisierung nicht; dies folgt ausdrücklich nochmals aus § 675u Satz 1 BGB. Auch ein Anspruch aus Leistungskondiktion, genauer aus der condictio indebiti des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, steht dem sendenden Zahlungsdienstleister nicht zu.19 Wegen des defekten Zahlungsauftrags fehlt es an einer Ermächtigung durch den Zahler, die Zuwendung an den Zahlungsempfänger nach §§ 362 Abs. 2, 185 BGB mit befreiender Wirkung dem Deckungsverhältnis zuzurechnen. Daher erbringt der sendende Zahlungsdienstleister nach der maßgeblichen Perspektive des Zahlers keine Leistung im Deckungsverhältnis. Auf einen Rechtsschein der Wirksamkeit kann es im Deckungsverhältnis nicht ankommen, da dem Zahler genau bekannt ist, dass kein wirksamer Zahlungsauftrag vorliegt. Nur im Verhältnis zu Dritten, in unserem Fall dem Zahlungsempfänger, kann ein Rechtsscheintatbestand vorliegen. Mangels Leistung im Deckungsverhältnis besteht daher eine Bereicherung des Zahlers „in sonstiger Weise“, denn er hat infolge der Erfüllung im Valutaverhältnis die Befreiung von einer Verbindlichkeit erlangt. Deren objektiver Wert im Sinne von § 818 Abs. 2 BGB ist regelmäßig deckungsgleich mit dem Überweisungsbetrag. Zusammenfassend kann somit allein der sendende Zahlungsdienstleister gegen den Zahler einen Anspruch aus der allgemeinen Nichtleistungskondiktion des § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB geltend machen. 3. Besonderheiten bei vorheriger Kontobelastung durch den sendenden Zahlungsdienstleister Hat allerdings der sendende Zahlungsdienstleister wie regelmäßig durch Kontobelastung seinen Vorschussanspruch aus §§ 675c Abs. 1, 669 BGB geltend gemacht, sind hinsichtlich der praktischen Durchsetzung des Anspruchs aus Nichtleistungskondiktion Besonderheiten zu beachten. Im Deckungsverhältnis zwischen Zahler und seinem Zahlungsdienstleister bestehen nämlich nicht nur bereicherungsrechtliche, sondern auch zahlungsdiensterechtliche Ansprüche. An sich vermag der Zahler gegen den mit ihm zahlungsdiensterahmenvertraglich verbundenen Zahlungs-

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dienstleister einen Erstattungs- bzw. Rückbuchungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB geltend zu machen. Da es für den Überweisungsvorgang an einem wirksamen Überweisungsauftrag fehlt, muss der Zahlungsdienstleister im Deckungsverhältnis einen durch Kontobelastung erlangten Vorschuss wieder zurückbuchen. Diesen Anspruch auf valutarische Rückbuchung könnte der Zahler nun dem bereicherungsrechtlichen Anspruch seines Zahlungsdienstleisters gegen ihn aus Nichtleistungskondiktion entgegenhalten. Allerdings wird der Rückbuchungsanspruch aus § 675u Satz 2 BGB durch § 242 BGB ausgeschlossen: Der Zahler handelte treuwidrig, da er von der Bank etwas forderte, was er sofort – nämlich nach Bereicherungsrecht – wieder herausgeben müsste; dolo agit qui petit quod statim redditurus est.20 Es bleibt daher auch im rechtlichen wie wirtschaftlichen Ergebnis dabei, dass der Zahler für den Überweisungsbetrag aufzukommen hat, der zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit im Valutaverhältnis verwendet wurde. Die Fehlerbewältigung erfolgt allein im fehlerbehafteten Deckungsverhältnis. C. Disharmonie zwischen Zahlungsdienste- und Bereicherungsrecht? I. Kritik in der Literatur an der tradierten Bereicherungsrechtsdogmatik Diese autonom bereicherungsrechtliche Lösung könnte in Disharmonie mit dem BGB-Zahlungsdiensterecht und seinen sekundärrechtlichen Grundlagen geraten sein. Nach § 675u Satz 1 BGB steht im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs dem sendenden Zahlungsdienstleister gegen den Zahler kein „Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen“ zu. Nach § 675z Satz 1 BGB ist § 675u BGB „hinsichtlich der dort geregelten Ansprüche eines Zahlungsdienstnutzers abschließend“. Daraus wird gefolgert, dass ein Anspruch des sendenden Zahlungsdienstleisters gegen den Zahler aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB

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BGH, Urt. v. 18.10.1973 - VII ZR 8/73 - BGHZ 61, 289, 293 f.; BGH, Urt. v. 29.04.2008 - XI ZR 371/07 - BGHZ 176, 234 Rn. 12; BGH, Urt. v. 01.06.2010 - XI ZR 389/09 Rn. 34 m.w.N. Vgl. BGH, Urt. v. 18.10.1973 - VII ZR 8/73 - BGHZ 61, 289, 294. Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 433; a.A. Bartels, WM 2010, 1828, 1833; Reymann, JuS 2012, 781, 787; Thomale, Leistung als Freiheit, 2012, S. 310. A.A. Kiehnle, JURA 2012, 895, 900 Fn. 51: Aufrechnungsmöglichkeit durch den sendenden Zahlungsdienstleister hinreichend. Damit werden aber die prozessualen Unterschiede unzureichend berücksichtigt: Während der Einwand aus § 242 BGB von Amts wegen zu beachten ist (statt aller BGH, Urt. v. 25.05.2011 - IV ZR 191/09 Rn. 7), muss die Aufrechnung durch Gestaltungserklärung nach § 389 BGB geltend gemacht werden.

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ausgeschlossen sei, sofern es im Deckungsverhältnis an einer wirksamen Autorisierung fehle.21 Auch die durch den zurechenbaren Rechtsschein hervorgerufene Erfüllung im wirksamen Valutaverhältnis ändere daran nichts; teilweise22 werden auch die Zurechenbarkeit und eine solche Erfüllung bereits abgelehnt. Auf die Erkenntnismöglichkeiten des Zahlungsempfängers und dessen Vertrauen auf einen Rechtsschein komme es nicht an. Vielmehr sei durch das neue Zahlungsdiensterecht eine Abkehr vom objektiven Empfängerhorizont vollzogen worden.23 Es müsse ohne bereicherungsrechtliche Relevanz bleiben, ob ein zunächst wirksamer Zahlungsauftrag später widerrufen wurde oder ob zu keinem Zeitpunkt ein Zahlungsauftrag vorlag. Aus §§ 675z Satz 1, 675u BGB folge zwingend, dass der Zahler nicht in den Bereicherungsausgleich einbezogen werden dürfe.24 Bei dem Anspruch aus Nichtleistungskondiktion gegen den Zahler handele es sich um einen von § 675z Satz 1 BGB ausgeschlossenen weiteren Anspruch.

b) Regelungsintention des unionalen Richtliniengebers

II. Zahlungsdiensterechtliche Vorgaben

Selbst wenn man diese Differenzierung zwischen den Kategorien von vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnissen auf sekundärrechtlicher Ebene nicht für überzeugend hielte, so ließen sich der Richtlinie weitere Anhaltspunkte für ihren restriktiven Regelungsbereich entnehmen. Erwägungsgrund 31 der Zahlungsdiensterichtlinie befasst sich explizit mit den Folgen nicht autorisierter Zahlungsvorgänge und dem korrespondierenden Erstattungsanspruch des Zahlers. Abschließend heißt es: „Andere Ansprüche zwischen Zahlungsdienstnutzern und Zahlungsdienstleistern“, d.h. solche neben dem in der Richtlinie geregelten Erstattungsanspruch des Zahlers, soll die Zahlungsdiensterichtlinie „nicht berühren“. Damit kommt es auf die eher formale Abgrenzung von vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen nicht mehr an.

1. Reichweite der Harmonisierung durch die Zahlungsdiensterichtlinie

c) „Überschießende“ Richtlinienumsetzung in Deutschland

Zur Lösung der Problematik bedarf es zunächst einer Konturierung der Richtlinienvorgaben, bevor die korrespondierenden mitgliedstaatlichen Umsetzungsvorschriften beleuchtet werden können. a) Gegenüberstellung von vertraglichen und außervertraglichen Regelungen Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass sich der Regelungsgegenstand der EU-Zahlungsdiensterichtlinie ausweislich ihres Erwägungsgrundes 47 Satz 3 auf die „vertraglichen“ Pflichten und Verantwortlichkeiten der Beteiligten beschränkt.25 Sämtliche Zahlungsvorgänge basieren nach dem Regelungskonzept der Richtlinie zudem entweder auf einem Einzelzahlungs- oder einem Rahmenvertrag. Die Rückerstattungsrechte von Beteiligten knüpfen an diesem Schuldverhältnis an, indem sie entweder eine fehlende Autorisierung oder eine fehlerhafte Ausführung voraussetzen. Bereicherungsansprüche, insbesondere solche aus Nichtleistungskondiktion, fußen jedoch nicht in einem Vertragsverhältnis, sondern auf ihrer gesetzlichen Anordnung. Zumindest bei der im Deckungsverhältnis einschlägigen Nichtleistungskondiktion des sendenden Zahlungsdienstleisters liegt kein Vertragsrecht in einem auch nur funktionellen Sinn vor.26 Einen Anhaltspunkt hierfür stellt auf unionaler Ebene auch die Behandlung des Internationalen Bereicherungsrechts – ungeachtet der mitgliedstaatlichen Differenzierungen zwischen Leistungs- und Nichtleistungskondiktionen27 – in der auf außervertragliche Schuldver-

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hältnisse beschränkten Rom II-VO dar (vgl. Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 10 Rom II-VO).28

Überdies existiert für den von den Kritikern herangezogenen § 675u Satz 1 BGB keine sekundärrechtliche Vorgabe.29 Die Richtlinie ordnet in ihrem Art. 60 Abs. 1 lediglich den Rückbuchungsanspruch des Zahlers an, der sich in § 675u Satz 2 BGB wiederfindet. Es handelt sich daher bei § 675u Satz 1 BGB schlicht um eine klarstellende Normie-

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Bartels, WM 2010, 1828, 1833; D. Belling/J. Belling, JZ 2010, 708, 710; Winkelhaus, BKR 2010, 441, 445. Winkelhaus, BKR 2010, 441, 447 f.; ders., Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhafter Überweisung nach Umsetzung des neuen Zahlungsdiensterechts, 2012, S. 229 ff., 235. Bartels, WM 2010, 1828, 1833; zweifelnd Winkelhaus, BKR 2010, 441, 447 f.; anders hingegen ders., Der Bereicherungsausgleich bei fehlerhafter Überweisung nach Umsetzung des neuen Zahlungsdiensterechts, 2012, S. 238 f. D. Belling/J. Belling, JZ 2010, 708, 710. Omlor in: Staudinger, 2012, § 675z Rn. 6; ebenso Fornasier, AcP 212 (2012), 410, 434; Kiehnle, JURA 2012, 895, 900 f.; Thomale, Leistung als Freiheit, 2012, S. 321. Vgl. demgegenüber zur Funktion der Leistungskondiktion Reuter/ Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 75 ff. Vgl. Spickhoff in: BeckOK BGB, Stand 2/2013, Art. 10 Rom II-VO Rn. 1. Die vorrangige Sondervorschrift des Art. 12 Abs. 1 lit. e Rom I-VO, die regelmäßig zum identischen Ergebnis wie Art. 10 Rom II-VO führt, dient hingegen spezifischen kollisionsrechtlichen Zwecken, indem sie den gesamten Lebenszyklus eines Vertrags möglichst derselben Rechtsordnung unterstellen will (Staudinger/Magnus, 2011, Art. 12 Rom I-VO Rn. 76 m.w.N.). Fornasier, AcP 212 (2012), 410, 435.

JM 08/09 | rung der Rechtslage, wie sie sich bereits aus dem allgemeinen und subsidiär anwendbaren deutschen Geschäftsbesorgungsrecht ergibt.30 Eine pauschale Herausnahme des Zahlers aus jeglicher Rückabwicklung fehlerhafter Zahlungsvorgänge lässt sich der Zahlungsdiensterichtlinie – auch nicht im Wege „einer richtlinienkonformen Auslegung des Art. 60 Abs. 1 ZDRL“31 – keinesfalls entnehmen. Auch § 675z Satz 1 BGB stellt eine Eigenkreation des deutschen Umsetzungsgesetzgebers dar. Anders als bei § 675u Satz 1 BGB existiert allerdings wenigstens eine konzeptionelle Vorgabe der Richtlinie, nämlich die durch Art. 86 angeordnete Maximalharmonisierung. Jedoch reicht die harmonisierende Wirkung der Richtlinie nur soweit, wie sie tatsächlich entsprechende Regelungen enthält. Ihr Regelungsansatz ist aber auf das vertragliche Zahlungsdiensterecht beschränkt. Ein weitergehender allgemeiner Regelungsinhalt lässt sich ihr auch bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht entnehmen.32 Dem steht auch nicht die allgemeine Zielsetzung der Richtlinie entgegen, eine EU-weite Kohärenz des Zahlungsdiensterechts zu bewirken. Eine solche Einheitlichkeit endet dort, wo die Zahlungsdiensterichtlinie bewusst auf Vorgaben verzichtet. Daraus folgt im Zwischenergebnis, dass sich die Zahlungsdiensterichtlinie auf vertragliche Ansprüche der Beteiligten beschränkt und damit keine bereicherungsrechtlichen Vorgaben aufstellt. Ob sich also aus §§ 675u, 675z BGB Auswirkungen auf den Bereicherungsausgleich bei fehlgeschlagenen Überweisungsvorgängen ergeben, ist ausschließlich nach dem deutschen BGB-Zahlungsdiensterecht zu bestimmen. 2. Regelungsgehalt des BGB-Zahlungsdiensterechts a) Wortlaut und Historie Als Ausgangspunkt und äußerste Grenze der Auslegung fungiert der Wortlaut des Gesetzes. Nach § 675z Satz 1 BGB ist § 675u BGB „hinsichtlich der dort geregelten Ansprüche eines Zahlungsdienstnutzers abschließend“. Ansprüche enthält aber ausschließlich der zweite Satz von § 675u BGB, nicht aber der erste. Insofern zielt der pauschale Verweis auf „§ 675u BGB“ inhaltlich lediglich auf dessen Satz 2. Der zu weit geratene Wortlaut ist entsprechend zu reduzieren. Überdies schließt § 675z Satz 1 BGB lediglich Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers aus, nicht aber solche des Zahlungsdienstleisters. Dabei handelt es sich keinesfalls um ein Redaktionsversehen, wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen lässt. Dort wird ausdrücklich zum Verhältnis von §§ 675u, 675z BGB und Bereicherungsrecht Stellung genommen. Einschränkend heißt es: „Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers, die auf dieselben

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Rechtsfolgen wie der Anspruch aus § 675u BGB-E gerichtet sind, wie etwa aus ungerechtfertigter Bereicherung, bestehen daneben nicht“33. Ausdrücklich geht es nur um bereicherungsrechtliche Ansprüche des Zahlungsdienstnutzers.34 Hätte der Gesetzgeber mit einer über Jahrzehnte in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Bereicherungsrechtsdogmatik brechen wollen, wäre vielmehr eine eindeutige abweichende Äußerung geboten und zu erwarten gewesen. Der Anspruch des sendenden Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsdienstnutzer aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB ist somit nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut und dem diesen tragenden gesetzgeberischen Willen nicht erfasst. b) Systematik und Teleologie Auch die systematische und teleologische Auslegung von § 675u BGB streitet zugunsten einer rein geschäftsbesorgungsrechtlichen und damit nicht bereicherungsrechtlichen Regelungszielsetzung. § 675u BGB schreibt lediglich fest, was nach allgemeinem Geschäftsbesorgungsrecht sowieso gälte. Der Regelungsgehalt von Satz 1 erschöpft sich in der Aussage „Ohne Autorisierung kein Aufwendungsersatz“, welche sich deckungsgleich aus §§ 675c Abs. 1, 665, 670 BGB ergibt.35 Der Erstattungsanspruch des § 675u Satz 2 BGB entspricht dem Rückgewähranspruch aus §§ 675c Abs. 1, 667 Alt. 1 BGB. Beiden Sätzen kommt insofern eine primär klarstellende Funktion zu, um der unionsrechtlichen Umsetzungspflicht rechtsanwenderfreundlich nachzukommen. Entsprechend formulieren die Gesetzesmaterialien: „Dies entspricht bereits der Rechtslage in Deutschland.“36 Auswirkungen auf das gesetzliche Schuldverhältnis der ungerechtfertigten Bereicherung sind damit nicht verbunden. c) Wertungsgerechtigkeit und Praktikabilität Die Gewährung eines Bereicherungsanspruchs zugunsten des sendenden Zahlungsdienstleisters erscheint schließlich auch weder systemwidrig noch benachteiligt sie den in Anspruch genommenen Zahler unbillig. Erstens handelt es sich um praktische Ausnahmekonstellationen, da ein Widerruf von Überweisungsaufträgen wegen § 675p BGB nur im engen Zeitfenster bis zum Zugang beim sendenden

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A.A. Linardatos, BKR 2013, 395, 396. So unklar Casper in: MünchKomm- BGB, 6. Aufl. 2012, § 675u Rn. 22. A.A. Linardatos, Das Haftungssystem im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2013, S. 383. BT-Drs. 16/11643, S. 113. Kiehnle, JURA 2012, 895, 901. Omlor in: Staudinger, 2012, § 675u Rn. 1. BT-Drs. 16/11643, S. 113.

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Zahlungsdienstleister in Betracht kommt.37 Anfechtungen wegen Irrtums werden infolge der durch § 675r BGB bewirkten Maßgeblichkeit der Kundenkennung nur selten durchgreifen. Der Massenverkehr mit Überweisungen bleibt von defekten und dem Zahler zurechenbaren Zahlungsaufträgen weitestgehend verschont. Damit läuft das Vereinheitlichungsziel der Zahlungsdiensterichtlinie, das im Kontext mit den SEPA-Bemühungen zu sehen ist, keinesfalls leer. Der angestrebte „Binnenmarkt für Zahlungsdienste“ bleibt davon nahezu unberührt.38 Zweitens wird der Zahler nicht rechtlos gestellt, da er die Befreiung von seiner Verbindlichkeit aus dem Valutaverhältnis erlangt hat. Ihm wird lediglich ein Teil seiner privatautonomen Gestaltungsfreiheit genommen, da er im wirtschaftlichen Ergebnis an einem Zahlungsauftrag festgehalten wird, den er im Verhältnis zu seiner Bank rechtswirksam beseitigt hatte. An dem von ihm zurechenbar hervorgerufenen Rechtsschein der Wirksamkeit des Überweisungsauftrags muss sich der Zahler gegenüber dem Zahlungsempfänger festhalten lassen. Der Zahlungsempfänger hatte keinen Anteil an den Unstimmigkeiten im Deckungsverhältnis und durfte gutgläubig auf den gesetzten Rechtsschein vertrauen. Von diesem Vertrauen ist der Schutz der im Valutaverhältnis bestehenden Leistungsbeziehung erfasst, welche Direktansprüche des sendenden Zahlungsdienstleisters gegen den Zahlungsempfänger im Zuwendungsverhältnis ausschließt.

verhältnis gegen den Zahler ein Anspruch aus Nichtleistungskondiktion auf Wertherausgabe zu.42 Dem Erstattungsanspruch des Zahlers aus § 675u Satz 2 BGB gegen seinen Zahlungsdienstleister kann dieser – wie bei einer Überweisung – den dolo agit-Einwand aus § 242 BGB entgegenhalten. D. Harmonie in Autonomie Im Gesamtergebnis zeigt sich somit, dass weder Zahlungsdiensterichtlinie noch BGB-Zahlungsdiensterecht eine Korrektur der anerkannten Grundsätze zum Bereicherungsausgleich bei fehlerhaften Überweisungsvorgängen fordern. Daran dürfte sich auch nach dem jüngsten Kommissionsvorschlag43 zur Reform der Zahlungsdiensterichtlinie nichts ändern. Das mitgliedstaatliche Bereicherungsrecht hat insofern seine autonome Rolle bewahrt, ohne in den Einfluss des Bankvertragsrechts zu gelangen. Die Zahlungsdiensterichtlinie befasst sich nicht mit bereicherungsrechtlichen Folgefragen; das BGB-Zahlungsdiensterecht bleibt ebenfalls ohne inhaltliche Einflüsse auf den Bereicherungsausgleich im bargeldlosen Zahlungsverkehr. Disharmonien sind trotz dieser Eigenständigkeit nicht zu befürchten: Das bereicherungsrechtlich vorzugswürdige Ergebnis steht im widerspruchsfreien Einklang mit den zahlungsdiensterechtlichen Bestimmungen. „Harmonie in Autonomie!“ lautet danach – zumindest derzeit – die Antwort auf die Ausgangsfrage.

3. Parallele bei fehlgeschlagenen Lastschriftzahlungen Diese Grundsätze lassen sich auch für die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung fehlerhafter Lastschriftzahlungen fruchtbar machen.39 Die dogmatische Struktur der Lastschrift als rückläufige Überweisung, die durch den Zahlungsempfänger angestoßen wird, erfordert insofern keine Modifikationen. Infolge der Verwendung der Vorabautorisierung bei inzwischen sämtlichen in Deutschland angebotenen Lastschriftverfahren40 hat sich ihr Rechtsgewand noch weiter der Überweisung angenähert. Einen zurechenbaren Rechtsschein der wirksamen Autorisierung setzt ein Lastschriftzahler etwa durch eine gesonderte Mitteilung an den Lastschriftempfänger über die erfolgte Erteilung einer Autorisierung.41 Liegen die bereits zur Überweisung aufgeführten weiteren Voraussetzungen vor, so steht dem sendenden Zahlungsdienstleister im Deckungs-

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Ebenso Grundmann, WM 2009, 1109, 1117. Fornasier, AcP 212 (2012), 410, 438 ff.; dies verkennen D. Belling/ J. Belling, JZ 2010, 708, 711. Vgl. BGH, Urt. v. 20.06.1977 - II ZR 169/75 - BGHZ 69, 186, 188; BGH, Urt. v. 11.04.2006 - XI ZR 220/05 - BGHZ 167, 171 Rn. 10; BGH, Urt. v. 01.03.2011 - XI ZR 320/09 Rn. 16; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S. 445; S. Lorenz in: Staudinger, 2007, § 812 Rn. 51; Reymann, JuS 2012, 781, 787; Schwab in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2013, § 812 Rn. 125; Hopt in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, Bankgeschäfte Rn. D/45; siehe dazu auch Ott, Das Bereicherungsrecht im Draft Common Frame of Reference (DCFR) aus deutscher Sicht, 2013, S. 414 ff. Vgl. zum Einzugsermächtigungsverfahren Omlor, NJW 2012, 2150 ff. Langenbucher, Die Risikozuordnung im bargeldlosen Zahlungsverkehr, 2001, S. 237, 240. Omlor in: Staudinger, 2012, § 675z Rn. 38 f. KOM(2013) 547; vgl. dazu Linardatos, WM 2014, 300 ff.

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Die leasingtypischen Ausgleichsansprüche bei Fahrzeugrückgabe im Rahmen eines Leasingvertrags* RA und FA für Verkehrsrecht und Erbrecht Tobias Goldkamp und Rechtsreferendarin Nadine Reimer Beim Kfz-Finanzierungsleasing plant der Leasinggeber regelmäßig den Erlös aus der Veräußerung nach Vertragsende in seine Kalkulation ein. Diese Kalkulation ist auf Vollamortisation gerichtet, also darauf, dass etwaige Sonderzahlungen, Leasingraten und Verwertungserlöse seine Aufwendungen decken und den erstrebten Gewinn ergeben. Deshalb wird im Vertrag regelmäßig ein Rückgabemaßstab definiert, der durch das Fahrzeug und ansonsten durch Ausgleichszahlung erreicht werden soll. Der Rückgabeanspruch wird vertraglich durch leasingtypische Ausgleichsansprüche ergänzt, die auf durch Zustandsmängel bedingte Wertminderung, Ausgleich von Mehroder Minderkilometern oder Ausgleich einer Differenz zwischen kalkuliertem und tatsächlichem Restwert gerichtet sind. A. Zustandsausgleich Regelmäßig wird vereinbart, dass das Fahrzeug in einem seinem Alter und der vereinbarten Fahrleistung entsprechenden Zustand sein muss, jedenfalls aber verkehrs- und betriebssicher. Die Verkehrs- und Betriebssicherheit gibt also die absolute Untergrenze des Zustands vor. Üblicher Verschleiß ist zu akzeptieren,1 aber nur solange, wie die Verkehrs- und Betriebssicherheit aufrechterhalten ist. Dabei ist unter Verkehrs- und Betriebssicherheit nicht ein wünschenswerter Idealzustand zu verstehen, sondern der durch das Straßenverkehrsrecht vorgegebene Mindeststandard. Deshalb müssen beispielsweise Reifen die Mindestprofiltiefe i.S.d. § 36 Abs. 2 Satz 3 StVZO aufweisen, also 1,6 Millimeter am ganzen Umfang der breiten Profilrillen im mittleren Bereich der Lauffläche, der etwa 3/4 der Laufflächenbreite einnimmt. Wird diese Profiltiefe nicht erreicht, muss der Leasingnehmer den Reifen ersetzen. Allerdings muss er keinen neuen Reifen kaufen. Ein verkehrsund betriebssicherer Gebrauchtreifen genügt.2 Einbauten und selbst eingebrachtes Zubehör muss der Leasingnehmer vor der Rückgabe entfernen, und zwar unabhängig davon, ob der Leasinggeber die Veränderungen gestattet hat. Der Leasingnehmer hat keinen Anspruch auf Erstattung von Wertverbesserungen, andererseits kann der Leasinggeber nicht verlangen, dass Einbauten und Zubehör im Fahrzeug verbleiben.3 Die Kosten der Abmeldung sind grundsätzlich vom Leasinggeber zu tragen. Erhält der Leasingnehmer das Fahrzeug wie üblich in angemeldetem Zustand, schuldet er

auch nur Rückgabe in angemeldetem Zustand und nicht die Abmeldung.4 Kosten für die Aufbereitung des Fahrzeugs kann der Leasinggeber nicht verlangen, da der Leasingnehmer regelmäßig keinen verkaufsfertigen Rückgabezustand schuldet.5 Bei sonstigen Verwertungskosten sollte ebenfalls ein strenger Maßstab angelegt werden, und zwar nicht nur beim Kilometervertrag, sondern auch beim Restwertvertrag. Denn auch beim Restwertvertrag ist die bestmögliche Verwertung Pflicht des Leasinggebers. Er kann deshalb die Erledigung der dabei anfallenden Aufgaben grundsätzlich auch dann nicht gesondert in Rechnung stellen, wenn er sie gegen Entgelt einem Dritten als Dienstleister überträgt. Genügt das Fahrzeug dem vertraglichen Rückgabemaßstab nicht, schuldet der Leasinggeber nicht die Kosten der Mängelbehebung, also z.B. Reparaturkosten, sondern den merkantilen Minderwert,6 d.h. den Unterschiedsbetrag zwischen dem mit den Mängeln erzielbaren Verwertungserlös und dem ohne die Mängel erzielbaren Verwertungserlös.7 Hintergrund ist, dass Leasinggeber das Fahrzeug regelmäßig weder behalten noch reparieren, sondern es unrepariert verwerten. Ein erneutes Verleasen scheitert regelmäßig daran, dass keine kaufrechtlichen Sachmängelansprüche gegen den Lieferanten mehr bestehen, auf deren Abtretung der Leasinggeber zum Ausschluss seiner mietrechtlichen Sachmängelhaftung angewiesen ist. Der merkantile Minderwert liegt meist unterhalb der Schadensbehebungskosten, weil Gebrauchtwagenkäufer die Schäden teilweise selbst, zu geringeren Kosten oder gar nicht beheben. Im Einzelfall kann der merkantile Minderwert auch größer sein als der Betrag, den der Leasingnehmer zur Erfüllung seiner Pflichten hätte aufwenden müssen. Beispielsweise kann der aus unterlassenen Wartungen und Inspektionen eintretende Wertverlust des nicht mehr als * 1

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Folgebeitrag zu dem in jM 2014, 189 veröffentlichten Aufsatz „Fahrzeugrückgabe beim Leasingvertrag“. Beispiele aus der Rechtsprechung zur Abgrenzung bei Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L657. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.08.2012 - 17 U 242/11 Rn. 13. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L613. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.05.2008 - I-24 U 144/07 Rn. 19. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L661. OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 24.08.2012 - 17 U 242/11 Rn. 10. Ball in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pachtund Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rn. 2004.

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scheckheftgepflegt geltenden Fahrzeugs größer sein, als die Inspektionen gekostet hätten. Der Leasinggeber trägt die Darlegungs- und Beweislast. Den Darlegungen muss sich entnehmen lassen, welchen vertragsgemäßen Sollzustand das Fahrzeug am regulären Vertragsende habe aufweisen sollen, worin die konkreten Zustandsmängel bestehen und dass sie nicht auf normalem Verschleiß, sondern übermäßiger Abnutzung beruhen.8 Die Fragen an einen Sachverständigen lauten: Sind am Fahrzeug übermäßige Abnutzungen oder Schäden oder Wartungs- oder Instandhaltungsmängel vorhanden, die über bei einem X Jahre alten Fahrzeug mit einer geplanten Laufleistung von Y Kilometern zu erwartende Gebrauchsspuren hinausgehen oder die Verkehrs- oder Betriebssicherheit entfallen lassen? Würde ein Gebrauchtwagenkäufer am Gebrauchtwagenmarkt aufgrund dieser Mängel einen Kaufpreisnachlass durchsetzen können, und wenn ja, in welcher Höhe (netto)? Viele Gutachten leiden daran, dass die vertragliche Laufleistung und die schon daraus folgende Abnutzung beim Bewertungsmaßstab außer Acht gelassen werden und stattdessen auf eine durchschnittliche Laufleistung oder die tatsächliche Laufleistung abgestellt wird, dass nicht ausreichend zwischen Reparaturkosten und Minderwert differenziert wird, dass „Minderwerte“ schlicht addiert werden, statt den merkantilen Minderwert in der gebotenen Gesamtschau zu bestimmen. Solche eklatanten Fehler führen gemäß § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Unverwertbarkeit als Schiedsgutachten. Überhaupt halten Schiedsklauseln aufgrund der an sie zu stellenden hohen Anforderungen regelmäßig der AGB-Kontrolle nicht stand. Oft ist nicht erkennbar, ob es sich um eine Schlichtungsklausel, eine materiellrechtliche Fälligkeitsvoraussetzung oder eine nebenvertragliche Pflicht handelt. Bei solchen Unklarheiten ist gemäß § 305c Abs. 2 BGB regelmäßig von der für den Leasingnehmer günstigsten Auslegung auszugehen. Ein Schiedsgutachtenvertrag nach § 317 Abs. 1 BGB liegt nur vor, wenn auf diese Bedeutung des Gutachtens ausdrücklich hingewiesen wird.9 Eine Gutachterklausel kann wegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein, wenn die Neutralität, vollständige Unabhängigkeit und Sachkunde des Schiedsgutachters bezogen auf den Interessenkreis des Leasinggebers nicht gewährleistet ist,10 etwa weil der Leasinggeber den Gutachter allein aussucht. Der Zustandsausgleichsanspruch ist keine Entgeltforderung, weil die Parteien grundsätzlich von einer Rückgabe in vertragsgemäßem Zustand ausgehen. Daher unterliegt er weder der Umsatzsteuer11 noch der erhöhten Entgeltverzinsung nach § 288 Abs. 2 BGB12.

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Umstritten ist, ob die Geltendmachung des Zustandsausgleiches eine Nachfristsetzung nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetzt.13 Der BGH hat dies nun verneint.14 Mit der Entscheidung schreibt er seine aus Wohnraummietangelegenheiten bekannte Linie fort, wonach im Auszug des Mieters ohne Vornahme der ihm obliegenden Schönheitsreparaturen bereits eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung zu sehen sei.15 Letztlich stellt der BGH auf das Argument ab, eine Nacherfüllung komme nicht in Betracht, weil der Leasingnehmer kein Recht mehr zum Besitz habe. Das verblüfft, denn in Nacherfüllungssituationen hat der zur Nacherfüllung Verpflichtete regelmäßig kein Besitzrecht mehr. In der Praxis steht das Fahrzeug meist einige Wochen beim Händler, bevor es weiter verwertet wird. Einige Mängel werden auch dort durch den Leasingnehmer oder von ihm Beauftragte behebbar sein, ohne dass der Leasinggeber das Fahrzeug aus der Hand geben muss. Dies gilt beispielsweise für die Nachlieferung fehlender oder schadhafter Teile oder für die Behebung leichter Lackschäden. Jedenfalls in diesen Fällen sollte der Rechtsgedanke des § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB beachtet und eine Nachfristsetzung vorausgesetzt werden. Auch der geäußerte Zweifel, ob die schadensrechtliche Norm auf den leasingtypischen Ausgleichsanspruch anwendbar ist, ist auszuräumen. Der Grundgedanke, einen Schaden möglichst zu mindern, gilt bei garantiemäßigen Einstandspflichten entsprechend und ist nicht von der Einordnung des Ausgleichsanspruchs als Schadensersatzanspruch oder Erfüllungsanspruch abhängig.16 Steht das Fahrzeug nicht mehr zur Nacherfüllung zur Verfügung, weil es sofort verwertet wurde, ist dies ein besonderer Umstand i.S.d. § 281 Abs. 2 BGB, der die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigt. Das Vollamortisationsprinzip und die Bedeutung der Verwertung rechtfertigen, dass der Leasingnehmer auf eine Verwertungschance nicht zugunsten der Nachfristsetzung verzichten muss.

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OLG Frankfurt, Urt. v. 06.02.2014 - 17 U 232/11; Hoffmann-Benz, jurisPR-VerkR 9/2014 Anm. 4. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.07.1988 - 2/24 S 102/87 Rn. 16. LG Frankfurt a.M., Urt. v. 25.07.1988 - 2/24 S 102/87 Rn. 17. BGH, Urt. v. 18.05.2011 - VIII ZR 260/10 Rn. 16 ff. BGH, Urt. v. 17.07.2013 - VIII ZR 334/12 Rn. 10 und 13. Befürwortend AG Blomberg, Urt. v. 20.04.2011 - 4 C 324/10 Rn. 29 ff.; AG Zerbst, Urt. v. 16.11.2011 - 6 C 307/09 Rn. 24. BGH, Urt. v. 17.07.2013 - VIII ZR 334/12 Rn. 12. BGH, Urt. v. 19.11.1997 - XII ZR 281/95 Rn. 13. BGH, Urt. v. 25.10.1990 - VII ZR 230/88 Rn. 30.

JM 08/09 | B. Ausgleich von Mehr- und Minderkilometern Beim Kilometervertrag ist regelmäßig ein Ausgleich von Mehr- und Minderkilometern vereinbart. Der Ausgleichsanspruch entsteht, wenn die Zahl der tatsächlich während der Leasingzeit gefahrenen Kilometer von der Zahl der vertraglich vereinbarten Kilometer abweicht. Er kann zu einer Erstattung (Minderkilometer) oder Nachzahlung (Mehrkilometer) führen. In der Regel werden im Vertrag unterschiedliche Beträge in Cent pro Mehr- und pro Minderkilometer festgelegt. Dies kann den Leasingnehmer unangemessen benachteiligen,17 weil der Wertverlust pro Mehrkilometer nicht wesentlich vom Wertgewinn pro Minderkilometer abweichen dürfte. Außerdem wird häufig eine Toleranz vereinbart, innerhalb derer Abweichungen keinen Ausgleichsanspruch begründen. Der Mehr- und Minderkilometerausgleichsanspruch ist im Gegensatz zum Zustandsausgleichsanspruch ein Entgeltanspruch, denn er steht in unmittelbarer Wechselbeziehung zur Fahrzeugnutzung. Er unterliegt deshalb der Umsatzsteuer und – bei gewerblichen Leasingnehmern – der erhöhten Verzinsung nach § 288 Abs. 2 BGB. C. Restwertausgleich Der Rückgabewert wird geprägt durch die Pflicht des Leasinggebers zur „bestmöglichen“ Verwertung. Danach muss der Leasinggeber zumutbaren Möglichkeiten nachgehen, einen über dem begutachteten Händlereinkaufspreis liegenden Erlös zu erzielen, insbesondere wenn ihm vom Leasingnehmer weitere Interessenten genannt werden.18 Besteht eine Rückkaufverpflichtung des Lieferanten, muss der Leasinggeber von ihr Gebrauch machen, wenn sich sonst kein höherer Erlös erzielen lässt.19 Lädt der Leasinggeber den Leasingnehmer ein, ein Kaufangebot abzugeben oder zu vermitteln, und erfolgt dann kein höheres Angebot, darf der Leasinggeber zum Händlereinkaufspreis verwerten.20 Eine Zweiwochenfrist ist zu kurz.21 In der Praxis setzen die Leasinggeber die BGH-Rechtsprechung um, indem sie dem Leasingnehmer das Fahrzeug zum Händlereinkaufspreis anbieten, den sie zuvor durch einen regelmäßig für sie tätigen Sachverständigen schätzen lassen. Weil der Leasingnehmer meist weder über die Liquidität verfügt, das Fahrzeug zu kaufen – ein Grund für das Leasing – noch das abgegebene Fahrzeug Dritten präsentieren kann, um sie als Kaufinteressenten zu werben, kann er den niedrig angesetzten Händlereinkaufspreis nicht überbieten. Der Leasinggeber verkauft das Fahrzeug dann regelmäßig an seinen Lieferanten, der den günstigen Einkaufspreis gewissermaßen als nachlaufende Provision22 verbuchen kann.

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Dieses Ergebnis ist mit der vertraglichen Aufgabenverteilung, nach der der Leasinggeber die Verwertung übernimmt, nicht mehr in Einklang zu bringen. Seit der BGHEntscheidung 1997 hat das Internet zu einem grundlegenden Umbruch des Gebrauchtwagenhandels geführt. Die Fahrzeugbörsen im Internet ermöglichen, Gebrauchtwagen mit geringem Aufwand einzustellen und anzubieten. KfzHaftpflichtversicherungen überbieten bei der Totalschadensabrechnung regelmäßig die von Sachverständigen geschätzten Restwerte durch über Internetbörsen eingeholte Angebote. Leasinggebern ist im Rahmen „bestmöglicher“ Verwertung nicht weniger zumutbar. Ob der Restwertausgleichsanspruch der Umsatzsteuer unterliegt, ist umstritten. Dafür soll sprechen, dass die unstreitig umsatzsteuerpflichtigen Leasingraten und der vertragliche Restwert aus Sicht des Leasinggebers kalkulatorisch „kommunizierende Röhren“ sind. Es bestehe die Gefahr, dass die Parteien einen unrealistisch überhöhten Restwert vereinbaren und Umsatzsteuer sparen, indem sie die Zahllast von den Leasingraten in den Restwertausgleich verschieben.23 Indes rechtfertigt die Möglichkeit, dass ein Restwert im Einzelfall überhöht vereinbart wird, nicht, Restwertausgleichsansprüche insgesamt der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Entgeltanteil ist in einem solchen Fall nur der überhöhte Teil.24 Entscheidend für den Regelfall des vertraglichen Restwertes25 ist, dass Ausgleichsansprüche, die (auch) an den Fahrzeugzustand anknüpfen, mit den Leistungen des Leasinggebers – Gebrauchsüberlassung und mittelbare Kapitalbereitstellung – in keiner unmittelbaren

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Ball in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pachtund Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rn. 2028. BGH, Urt. v. 10.10.1990 - VIII ZR 296/89 Rn. 25. OLG Oldenburg, Urt. v. 06.03.2012 - 13 U 4/11 Rn. 49. BGH, Urt. v. 04.06.1997 - VIII ZR 312/96 Rn. 23. OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2004 - 24 U 193/03, und OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.06.2005 - 24 U 235/04. Es handelt sich allerdings nicht um eine Provision i.S.d. §§ 87, 87a HGB, vgl. BGH, Urt. v. 08.02.2006 - VIII ZR 45/05 Rn. 26. OLG Hamm, Urt. v. 29.05.2013 - I-30 U 166/12 Rn. 60. A.A. BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 179/13, und BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 179/13, wonach der Restwertausgleich immer und insgesamt der Umsatzsteuer unterliegen soll. Die Entscheidungsgründe waren zum Zeitpunkt der Manuskriptfertigstellung noch nicht veröffentlicht. Der Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL) definiert: „Kalkulierter Restwert: Beim kalkulierten Restwert gehen LeasingNehmer und Leasing-Geber davon aus, dass nach Ablauf der vereinbarten Grundmietzeit das Leasing-Objekt noch einen bestimmten Restwert hat, der sich aus der vereinbarten Nutzung unter Berücksichtigung der zukünftigen Marktpreisentwicklung ergibt.“ (http:// bdl.leasingverband.de/leasing/leasing-a-z/restwert?type=0).

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Wechselbeziehung stehen.26 Es gibt keinen Grund, einen schadensbedingten Mindererlös beim Restwertleasing umsatzsteuerrechtlich anders zu behandeln als einen schadensbedingten Minderwert beim Kilometerleasing, für den anerkannt ist,27 dass er nicht der Umsatzsteuer unterliegt. Der Leasinggeber richtet seine Leistungen nicht auf die Erzielung eines Restwertausgleichs aus. Ob und in welcher Höhe ein Restwertausgleichsanspruch entsteht, hängt nicht von seinen Leistungen ab, sondern vom Zustand des Fahrzeugs und von der Lage am Gebrauchtwagenmarkt. Die Ausgleichszahlung wird nicht stets fällig, sondern nur, soweit der Verwertungserlös hinter dem kalkulierten Restwert zurückbleibt. Nach den üblichen Klauseln kann es auch zu einer Herauszahlungsverpflichtung des Leasinggebers gegenüber dem Leasingnehmer kommen, dann nämlich, wenn der Verwertungserlös den kalkulierten Restwert übersteigt. Sie steht in Ergänzung zur Fahrzeugrückgabe und hat in erster Linie eine Tilgungsfunktion. Aus diesen Gründen unterliegt der Restwertausgleichsanspruch auch nicht der erhöhten Verzinsung nach § 288 Abs. 2 BGB. D. Kündigungsschaden Sofern der Leasingvertrag aus einem vom Leasingnehmer zu vertretenden Grund vorzeitig gekündigt wurde, ist der Leasinggeber so zu stellen, als sei der Vertrag ordnungsgemäß durchgeführt worden. Entgangener Gewinn steht dem Leasinggeber nur anteilig bis zum Wirksamkeitszeitpunkt der nächstmöglichen berechtigten Kündigung des Leasingnehmers zu.28 Allerdings sind die künftigen Leasingraten netto anzusetzen, da ihnen keine Leistung des Leasinggebers mehr gegenübersteht.29 Außerdem sind sie abzuzinsen, um den Vorteil auszugleichen, den der Leasinggeber durch die vorzeitige Vereinnahmung der sonst erst künftig fällig werdenden Raten erhält. Der Leasinggeber muss für die Abrechnung benötigte Informationen bereitstellen und seine Kalkulation offenlegen.30 Bei Verträgen mit Restwertabrechnung ist der Kündigungsschaden in der Regel wie folgt zu berechnen: Summe der restlichen Leasingraten minus Abzinsung Leasingraten plus vereinbarter Restwert minus Abzinsung Restwert minus ersparte laufzeitabhängige Kosten, insbesondere Verwaltungs- und Refinanzierungskosten, minus Verwertungserlös des Leasingrückläufers. Der Verwertungserlös ist in voller Höhe anzusetzen.31 Bei Verträgen mit Kilometerabrechnung ist der Kündigungsschaden in der Regel wie folgt zu berechnen: Summe der restlichen Leasingraten minus Abzinsung Leasingraten

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plus hypothetischer Restwert minus Abzinsung hypothetischer Restwert minus ersparte laufzeitabhängige Kosten minus Verwertungserlös.32 Hypothetischer Restwert ist dabei der Restwert, der bei regulärer Vertragsbeendigung und vereinbarter Kilometerlaufleistung erzielt worden wäre. Der hypothetische Restwert ist auf Basis des tatsächlichen Verwertungserlöses zu schätzen und wird regelmäßig niedriger sein als dieser. Der hypothetische Restwert darf nicht mit dem vom Leasinggeber intern kalkulierten Restwert verwechselt werden. Das Restwertrisiko muss gemäß der für die Kilometerabrechnung typischen Risikoverteilung auch bei vorzeitiger Vertragsbeendigung beim Leasinggeber verbleiben. Anderslautende Klauseln, die bei vorzeitiger Beendigung auf Restwertabrechnung umschwenken, sind regelmäßig überraschend und damit unwirksam.33 E. Verspätete Rückgabe des Fahrzeugs und Nichtrückgabe Der Leasinggeber kann Nutzungsentschädigung verlangen, wenn der Leasingnehmer das Leasingobjekt bei Vertragsende gegen den Willen des Leasinggebers behält. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 546a Abs. 1 BGB und ist im Leasingrecht auf Weiterzahlung der Leasingraten gerichtet, es sei denn, dass Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten monatlichen Leasingrate zu dem verbliebenen Verkehrs- oder Gebrauchswert völlig außer Verhältnis steht.34 Kritisiert wird, die Gleichsetzung der Leasingrate mit dem Mietzins berücksichtige nicht das Vollamortisationsprinzip und den degressiven Wertverlust.35 Jedoch vereinbaren auch die Leasingparteien die regulären Raten nicht in Höhe des Wertverlusts im jeweiligen Monat, sondern gleichmäßig. Die Raten stehen nicht dem Wertverlust gegenüber, sondern sind Entgelt für die Gebrauchsüberlas-

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BGH, Urt. v. 14.03.2007 - VIII ZR 68/06 Rn. 16 f., und BGH, Urt. v. 18.05.2011 - VIII ZR 260/10 Rn. 14 f. und 21 f.; BFH, Urt. v. 20.03.2013 - XI R 6/11 Rn. 24 ff. BGH, Urt. v. 18.05.2011 - VIII ZR 260/10 Rn. 16 ff. BGH, Urt. v. 10.10.1990 - VIII ZR 296/89 Rn. 19. BGH, Urt. v. 14.03.2007 - VIII ZR 68/06. Ball in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pachtund Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rn. 2039. BGH, Urt. v. 26.06.2002 - VIII ZR 147/01. Vgl. dazu BGH, Urt. v. 14.07.2004 - VIII ZR 367/03. BGH, Urt. v. 11.01.1995 - VIII ZR 61/94 Rn. 19, und BGH, Urt. v. 14.07.2004 - VIII ZR 367/03 Rn. 21. BGH, Urt. v. 13.04.2005 - VIII ZR 377/07; a.A. Martinek/WimmerLeonhardt, Leasinghandbuch, 2. Aufl. 2008, Rn. 32 f. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L631 f. m.w.N.; dagegen Martinek/Wimmer-Leonhardt, Leasinghandbuch, 2. Aufl. 2008, Rn. 31.

JM 08/09 | sung und Kapitalbereitstellung. Durch die verzögerte Rückgabe nimmt der Leasingnehmer den Gebrauch und das gebundene Kapital weiter in Anspruch. Zwar hat sich die Kapitalbindung verringert, doch durchkreuzt die rechtswidrige Verzögerung die Refinanzierungsplanung des Leasinggebers. Und der Gebrauchsvorteil unterscheidet sich regelmäßig kaum von dem während der Vertragslaufzeit. Eine wesentliche Voraussetzung des § 546a BGB ist, dass das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht; AGB-Klauseln, die diese Voraussetzung auslassen, sind nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam.36 Kein Anspruch nach § 546a BGB besteht beispielsweise, wenn der Leasingnehmer das Fahrzeug mit Einverständnis des Leasinggebers über die vertragliche Laufzeit hinaus behält, um die Zeit bis zur Auslieferung eines neuen Fahrzeugs zu überbrücken. In einem solchen Fall kommen eine Vertragsverlängerung gemäß § 545 BGB oder ein Anspruch auf Ersatz gezogener Nutzungen nach den §§ 812, 818 BGB in Betracht. Der bereicherungsrechtliche Anspruch setzt einen konkret gezogenen Nutzen voraus und ist der Höhe nach auf den objektiven Mietwert des Fahrzeugs begrenzt.37 Ebenso liegt keine gegen den Willen des Leasinggebers gerichtete Weiternutzung vor, wenn der Leasinggeber irrtümlich davon ausgeht, der Vertrag sei nicht beendet oder habe sich verlängert.38 Ausgeschlossen ist der Anspruch auf Nutzungsentschädigung auch, wenn Unmöglichkeit der Rückgabe vorliegt.39 Die Nutzungsentschädigung nach § 546a BGB unterliegt nicht der Umsatzsteuer,40 da es sich nicht um Entgelt für eine vom Leasinggeber willentlich geleistete Gebrauchsüberlassung, sondern um Schadensersatz für die gegen seinen Willen stattfindende Entziehung handelt. Befindet sich der Leasingnehmer mit der Rückgabe in Verzug, kann der Leasinggeber die Herausgabe des Fahrzeugs einklagen. Alternativ kann er Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§ 281 Abs. 1 BGB). Da vertraglich üblicherweise geregelt ist, dass der Leasingnehmer die Sachund Preisgefahr übernimmt, muss er für den Verkehrswert auch dann einstehen, wenn er das Fahrzeug unverschuldet nicht zurückgeben kann,41 es sei denn, der Leasinggeber vereitelt die Rückgabe. Er muss dem Leasingnehmer dazu eine Nachfrist zur Fahrzeugrückgabe setzen. Allein die Nichtrückgabe zum vereinbarten Zeitpunkt macht die Nachfristsetzung nicht entbehrlich.42 Mit Verlangen des Schadensersatzes erlischt der Rückgabeanspruch (§ 281 Abs. 4 BGB), wobei mehrdeutige Erklärungen nicht ausreichen.43 Der Leasingnehmer kann analog § 255 BGB im Gegenzug Übereignung des Fahrzeugs verlangen.44

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Um seinen Herausgabeanspruch zu sichern, kann der Leasinggeber durch einstweilige Verfügung das Fahrzeug beschlagnahmen und durch den Gerichtsvollzieher als Sequester aufbewahren lassen (§§ 848 Abs. 1, 938 Abs. 2 ZPO). Die direkte Herausgabe an den Leasinggeber ist im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht möglich, weil sie eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. Der Leasingnehmer kann sich bei Nichtrückgabe wegen Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB strafbar machen. Voraussetzung ist die Zueignungsabsicht, die vom bloßen Vorsatz zum unbefugten (weiteren) Gebrauch abzugrenzen ist.45 Des Weiteren kommt Strafbarkeit nach § 248b StGB in Betracht, wenn der Leasingnehmer mit dem Fahrzeug weiterhin fährt. Der Leasinggeber ist nicht berechtigt, das Fahrzeug eigenmächtig abzuholen oder abholen zu lassen (§ 858 Abs. 1 BGB). Klauseln, nach denen der Leasinggeber berechtigt ist, das geleaste Fahrzeug abzuholen, wenn der Leasingnehmer seiner Rückgabepflicht nicht nachgekommen ist, sind wegen unangemessener Benachteiligung des Leasingnehmers unwirksam (§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB).46 Entsprechend ist der Leasinggeber auch mit der Geltendmachung von Sicherstellungskosten ausgeschlossen. Der Leasingnehmer darf sich gegen eine eigenmächtige Wegnahme mit Gewalt wehren (§ 859 Abs. 1 BGB) und kann Rückgabe des Fahrzeugs an sich verlangen (§ 861 Abs. 1 BGB), selbst wenn die Leasingzeit abgelaufen ist und er eigentlich nicht mehr berechtigt wäre, das Fahrzeug zu behalten (§ 863 BGB). F. Insolvenzrechtliche Fragestellungen Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über einen Vertragspartner sind die gegenseitig bestehenden Ansprüche aus dem Leasingvertrag zunächst nicht mehr durchsetzbar. 36 37 38 39 40

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BGH, Urt. v. 07.01.2004 - VIII ZR 103/03 Rn. 50. Martinek/Wimmer-Leonhardt, Leasinghandbuch, 2. Aufl. 2008, Rn. 47. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L629. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L628. Frensch in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB Kommentar, 9. Aufl. 2014, Anh. zu §§ 488-515 BGB, Rn. 185; a.A. noch BGH, Urt. v. 22.03.1989 - VIII ZR 155/88 Rn. 26; Ball in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rn. 1999; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L630. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. 2012, Rn. L620; Martinek/ Wimmer-Leonhardt, Leasinghandbuch, 2. Aufl. 2008, Rn. 24. Grüneberg in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 281 Rn. 7, 14. Grüneberg in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 281 Rn. 50. Grüneberg in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 281 Rn. 4. OLG Zweibrücken, Beschl. v. 21.08.2009 - 1 Ss 57/09 Rn. 31; OLG Hamm, Beschl. v. 01.12.1998 - 2 Ss 1356/98 Rn. 8. OLG Hamm, Urt. v. 20.12.1991 - 30 U 93/91.

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Ist ein gegenseitiger Vertrag zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllt, fällt dem Insolvenzverwalter gemäß §§ 103 ff. InsO ein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Nichterfüllung des Vertrages zu. Wählt er die Erfüllung, muss er seinerseits aus der Insolvenzmasse die Gegenleistung erbringen. Die Gegenforderung des anderen Vertragsteils wird durch die Wahl der Erfüllung zur Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrages ab, hat der andere Vertragsteil lediglich eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung inne, die er als Insolvenzforderung zur Tabelle anmelden kann. Hat der Leasinggeber das Eigentum an dem Fahrzeug zur Sicherheit an einen Refinanzierer übertragen, steht dem Insolvenzverwalter kein Wahlrecht zwischen Erfüllung und Nichterfüllung zu, weil der Vertrag dann gemäß § 108 Abs. 1 InsO fortbesteht. Der Leasingvertrag wird im Wesentlichen nach mietrechtlichen Vorschriften beurteilt. Das bedeutet für das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasinggebers, dass die §§ 108 ff. InsO grundsätzlich anwendbar sind.47 Der Anspruch des Leasinggebers auf Schadensersatz gemäß § 546a BGB ist nur dann Masseverbindlichkeit, wenn der Insolvenzverwalter das Fahrzeug nutzt, ohne Erfüllung zu verlangen.48 G. Fazit Beim Finanzierungsleasing wird der Rückgabeanspruch durch Ausgleichsansprüche ergänzt, die auf Vollamortisation des Leasinggebers abzielen und als Erfüllungsansprüche einzustufen sind. Gleichwohl sind schadensrechtliche Grundsätze auf sie anwendbar, insbesondere der Rechtsgedanke der Schadensminderung. Typisch sind bei der Kilometerabrechnung der Zustandsausgleichs- und Kilometerausgleichsanspruch sowie beim Restwertleasing der Restwertausgleichsanspruch. Der Rückgabemaßstab wird jeweils durch den Fahrzeugzustand, die geplante Laufleistung oder den vereinbarten Restwert definiert. Abrechnungsart und Rückgabemaßstab bedürfen wirksamer vertraglicher Vereinbarung und unterliegen insbesondere auch der AGB-Kontrolle. Nur der Kilometerausgleichsanspruch ist ein Entgeltanspruch, womit er der Umsatzsteuer unterliegt und bei Unternehmern im Verzugsfall nach § 288 Abs. 2 BGB erhöht zu verzinsen ist. Zustandsausgleich und Restwertausgleich sind keine Entgelte, weil der Leasinggeber seine Leistungen nicht auf sie ausrichtet. Eine Ausnahme gilt bei übersteigerter Zustandsdefinition oder überhöhtem Restwert. Der auf den überhöhten Teil entfallende Ausgleichsanteil ist Entgelt, weil es sich um eine vorprogrammierte, von vorneherein fest angelegte

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Zahlung handelt. Im Rahmen der bestmöglichen Verwertung ist von Leasinggebern heute zu verlangen, Fahrzeuge in den gängigen Internet-Fahrzeugbörsen anzubieten.

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Vgl. Ball in: Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 10. Aufl. 2009, Rn. 2053 ff. Weidenkaff in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, Einf. v. § 535 Rn. 73.

Sachmängelhaftung des Leasinggebers bei Insolvenz des Lieferanten BGH, Urt. v. 13.11.2013 - VIII ZR 257/12 RA Tobias Ehmann Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in seiner Entscheidung mit der viel diskutierten Frage befasst, ob dem Leasingnehmer, welchem der Leasinggeber unter Ausschluss einer mietrechtlichen Gewährleistung die gegen den Lieferanten bestehenden kaufrechtlichen Gewährleistungsansprüche leasingtypisch abgetreten hat, eine Vorgehensweise gegen den Lieferanten im Falle seines Ausfalls durch Insolvenz zumutbar ist und er aus diesem Grund die Zahlung der Leasingraten verweigern kann. A. Sachverhalt Die beklagte Leasingnehmerin bestellte bei der Lieferantin teilweise gebrauchte TourRecorder, einen Leitstand und die dazugehörige Software. Der darüber mit einer Laufzeit von 60 Monaten abzuschließende Leasingvertrag kam mit der klagenden Leasinggeberin zustande. Diese ist zugleich in den Kaufvertrag mit der Lieferantin über die kurz zuvor an die Leasingnehmerin ausgelieferten Leasinggegenstände eingetreten. Zur Haftung für Mängel an den Leasingobjekten wurde formularvertraglich vereinbart, dass die Leasinggeberin eine Haftung in der Weise übernimmt, dass sie die ihr gegen die Lieferantin zustehenden Gewährleistungsansprüche an die Leasingnehmerin leasingtypisch abtritt. Als die Leasingnehmerin wegen eines wiederholten Ausfalls der TourRecorder erneut Mängel gegenüber der Lieferantin rügen wollte, erfuhr sie jedoch, dass über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Nachdem der Insolvenzverwalter die Ausführung von Gewährleistungsarbeiten abgelehnt hatte, stellte die Leasingnehmerin die Zahlung der Leasingraten ein. Daraufhin kündigte die Leasinggeberin den Leasingvertrag wegen Zahlungsverzuges fristlos und begehrte von der Leasingnehmerin die Zahlung der rückständigen Leasingraten sowie die abgezinsten Leasingraten für die Restlaufzeit des Vertrages.

JM 08/09 | B. Entscheidung des Bundesgerichtshofs In dem hier zu entscheidenden Fall kam der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu dem Ergebnis, dass die klagende Leasinggeberin die geltend gemachte Forderung dem Grunde nach beanspruchen kann, da sich die beklagte Leasingnehmerin zum Zeitpunkt der Kündigung mit der Zahlung der Leasingraten in Verzug befand. Im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung1 führte der Senat aus, dass die leasingtypische Abtretung der Mängelrechte an den Leasingnehmer zwar grundsätzlich nichts an der Pflicht des Leasinggebers ändert, dem Leasingnehmer den Leasinggegenstand für die gesamte Vertragsdauer in einem ordnungsgemäßen Zustand zu überlassen, und der Leasingnehmer in Fällen, in denen er berechtigterweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat, rückwirkend von seiner Verpflichtung zur Zahlung von Leasingraten gegenüber dem Leasinggeber frei wird; dies allerdings voraussetzt, dass er von den ihm abgetretenen Gewährleistungsrechten überhaupt Gebrauch macht und ihre Durchsetzung gegenüber dem Lieferanten – notfalls klagweise – betreibt. Nur folgerichtig kommt der Senat in dem hier zu entscheidenden Fall zu dem Ergebnis, dass bei Insolvenz des Lieferanten der Leasingnehmer vor Einstellung der Leasingraten nach dem vorstehenden Grundsatz die an ihn abgetretenen Gewährleistungsansprüche durch Anmeldung zur Insolvenztabelle und bei Bestreiten des Insolvenzverwalters durch Klage auf Feststellung zur Tabelle geltend zu machen hat. Zwar besteht diese Verpflichtung des Leasingnehmers nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ausnahmsweise dann nicht mehr, wenn dem Leasingnehmer die Durchsetzung der Gewährleistungsrechte nicht möglich oder unzumutbar ist.2 Diese Ausnahme hat der Senat jedoch nur in dem Fall angenommen, in welchem dem Leasingnehmer die Durchsetzung der Gewährleistungsansprüche bereits aufgrund einer Löschung des Lieferanten aus dem Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit nicht realisierbar war.3 Im Schrifttum wird in Anknüpfung an das Vorstehende allerdings teilweise vertreten, dass eine subsidiäre Haftung des Leasinggebers für die fortdauernde Gebrauchstauglichkeit des Leasinggegenstandes mit Rücksicht auf das von ihm zu tragende Risiko einer Insolvenz des Lieferanten immer schon dann unmittelbar eingreife, wenn dem Leasingnehmer eine Geltendmachung oder Durchsetzung der ihm abgetretenen Ansprüche gegen den Lieferanten bereits wegen dessen Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz unzumutbar sei4, da keine realistische Möglichkeit bestehe,

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den Lieferprozess gegen den Lieferanten durchzuführen, und der Leasingnehmer befürchten muss, selbst bei vollem Obsiegen im Lieferprozess mit seinem Kostenerstattungsanspruch gegen den Lieferanten auszufallen.5 Hiergegen argumentiert der Senat in der zugrundeliegenden Entscheidung zutreffend, dass das Risiko, dass die leasingtypisch an den Leasingnehmer abgetretenen Ansprüche auf Nacherfüllung wegen einer Insolvenz des Lieferanten nicht mehr durchgesetzt werden können, zwar grundsätzlich dem Leasinggeber zugewiesen ist; dieses Risiko sich jedoch lediglich darin äußert, dass die Rückzahlung des Kaufpreises wegen Insolvenz des Lieferanten nicht mehr durchgeführt werden kann und der Leasinggeber für den daraus resultierenden Ausfall einstehen muss.6 Die Anspruchsgeltendmachung selbst, welche wiederum aufgrund der leasingtypisch an ihn wirksam, unbedingt und endgültig7 abgetretenen Gewährleistungsrechte ausschließlich durch den Leasingnehmer zu erfolgen hat, kann dieser Risikozuweisung hingegen nicht zugeordnet werden. Übt der Leasingnehmer die an ihn endgültig abgetretenen Gewährleistungsreche nicht aus, hat der Leasinggeber keine Möglichkeit mehr, seine ursprünglich gegen den Lieferanten bestehenden Gewährleistungsansprüche durchzusetzen. Er sieht sich einerseits einem Recht des Leasingnehmers ausgesetzt, die Zahlungen der Leasingraten zu verweigern, und kann sich andererseits mangels Ausübung der Gewährleistungsrechte und Vorliegen eines Rückzahlungsanspruches gegenüber dem Lieferanten bei diesem als Gewährleistungsschuldner nicht schadlos halten. Ferner führt der Senat weiter aus, dass eine Unzumutbarkeit einer Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters durch den Leasingnehmer auch nicht auf erhebliche Prozesskosten, welche auszufallen drohen, gestützt werden kann, da diese auch ohne Regelungen in den Leasingbedingungen grundsätzlich vom Leasinggeber zu tragen sind. Insoweit besteht aufgrund der leasingtypischen Abtretung ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch aus einem zwischen dem Leasingnehmer und dem Leasinggeber bestehenden Auftragsverhältnis oder aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag.

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BGH, Urt. v. 16.06.2010 - VIII ZR 317/09. BGH, Urt. v. 28.10.1981 - VIII ZR 175/80. BGH, Urt. v. 20.06.1984 - VIII ZR 131/83. Beckmann, MDR 2005, 1207, 1208; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl., Rn. L 234 f.; Koch in: MünchKomm, BGB, 6. Aufl., Finanzierungsleasing, Rn. 106. Beckmann, MDR 2005, 1207, 1208, Fn. 4. BGH, Urt. v. 25.10.1989 - VIII ZR 105/88. BGH, Urt. v. 25.01.1989 - VIII ZR 302/87.

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Die Monatszeitschrift

C. Auswirkung der Entscheidung Der Leasinggeber kann hiernach auch im Falle der Insolvenz des Lieferanten den Leasingnehmer weiterhin auf die leasingtypische Abtretung der Gewährleistungsansprüche verweisen und diesen auf Zahlung der Leasingraten in Anspruch nehmen. Aufgrund der leasingtypischen Abtretung und der daraus resultierenden Risikozuweisung steht dem Leasingnehmer nur dann das Recht zu, die Zahlung der Leasingraten einzustellen, wenn er die an ihn abgetretenen Gewährleistungsansprüche im Falle der Weigerung des Lieferanten oder des Bestreitens des Insolvenzverwalters gerichtlich geltend macht. Erst wenn die Rechtsfähigkeit des Lieferanten aufgrund der Beendigung der Gesellschaft nicht mehr besteht, wird dem Leasingnehmer die Inanspruchnahme des Lieferanten nach Ansicht des Senats nicht mehr zumutbar sein.8 Auch ein Ausfall erheblicher vorzufinanzierender Prozesskosten kann als Unzumutbarkeitskriterium aufgrund eines Kostenerstattungsanspruchs des Leasingnehmers gegenüber dem Leasinggeber nicht herangezogen werden. In diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Anspruch allenfalls bei Masseunzulänglichkeit von Bedeutung sein wird, da der Kostenerstattungsanspruch des Leasingnehmers gegenüber dem insolventen Lieferanten in Bezug auf die gerichtliche Durchsetzung der Gewährleistungsrechte als Masseforderung geltend gemacht werden kann und zwar auch dann, wenn ein Verfahren bereits vor Insolvenzeröffnung anhängig war und nach Unterbrechung fortgesetzt wird.9 Der Leasingnehmer fällt daher auch im Falle der Insolvenz des Lieferanten nicht von vornherein mit seinem prozessualen Kostenerstattungsanspruch gegenüber diesem aus.

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BGH, Urt. v. 20.06.1984 - VIII ZR 131/83. BGH, Urt. v. 29.05.2008 - IX ZR 45/07.

Unkenntnis von der Insolvenz trotz Bekanntmachung im Internetportal? OLG Bremen, Urt. v. 30.01.2014 - 3 U 52/13 RiOLG Dr. Peter M. Röhm und VRiLG Dirk Seichter A. Problemstellung Nach § 82 Satz 1 InsO wird der zur Erfüllung einer Verbindlichkeit des Insolvenzschuldners Leistende befreit, obwohl die Verbindlichkeit zur Insolvenzmasse zu erfüllen war, wenn er zwar nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens

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leistet, er aber zur Zeit der Leistung die Eröffnung des Verfahrens nicht kannte. Die Entscheidung des Hanseatischen OLG in Bremen setzt sich mit der Frage auseinander, ob eine solche Kenntnis unterstellt oder fingiert werden kann, wenn der Leistende vor der Leistungserbringung weder eine individuelle Internetabfrage getätigt noch einen automatisierten Datenabgleich seiner Kundendaten mit dem amtlichen Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de implementiert hatte, um auf diese Weise von der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzverfahren nach § 9 Abs. 1 InsO Kenntnis zu erlangen. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Mit Beschluss vom 16.01.2012 bestellte das AG Bremen den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin, legte dieser gem. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO einen Zustimmungsvorbehalt auf und ermächtigte den Kläger, Forderungen der Insolvenzschuldnerin einzuziehen. Am selben Tag wurden diese Anordnungen im amtlichen Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de gem. § 9 Abs. 1 InsO öffentlich bekannt gemacht. Dennoch zahlte die Beklagte, ein Versicherungsunternehmen, am 07.02.2012 und am 27.04.2012 Versicherungsleistungen i.H.v. 40.774,41 Euro und i.H.v. 99.157,57 Euro in Unkenntnis der Insolvenzeröffnung an den Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin bzw. an dessen Tochter aus. Mit seiner Klage begehrt der Insolvenzverwalter die nochmalige Auszahlung dieser Versicherungsleistungen an die Masse. Das OLG Bremen bestätigt die erstinstanzliche, klageabweisen Entscheidung des LG Bremen.1 Zur Begründung führt es aus, dass die Zahlung nach § 362 BGB i.V.m. § 82 InsO schuldbefreiend an den Versicherten erbracht sei, nachdem unstreitig keine Kenntnis von der Insolvenzeröffnung vorgelegen habe. Eine solche Kenntnis werde auch nicht fingiert, weil die Möglichkeit bestanden habe, über die Seite www.insolvenzbekanntmachungen.de von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis zu erlangen. Zwar sei nach der Rechtsprechung des BGH jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation zu einer verkehrsgerechten Informationsverwaltung verpflichtet. Das hier in Rede stehende Unterlassen einer Informationsgewinnung von im Internet öffentlich bekannt gemachten Insolvenzverfahren könne jedoch keine der Befreiungswirkung des § 82 Satz 1 InsO entgegenstehende Kenntnisfiktion herbeiführen, weil die Vorschrift eine Befreiung des

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LG Bremen, Urt. v. 29.08.2013 - 6 O 1767/12.

JM 08/09 | Leistenden nur bei positiver Kenntnis ausschließe und also selbst grob fahrlässige Unkenntnis insoweit nicht ausreiche. Auf die Frage, welcher Aufwand erforderlich sei, um einen Datenabgleich zwischen den Bekanntmachungen im Internet über die Eröffnung von Insolvenzverfahren und eigenen Unternehmensdaten durchzuführen, komme es also nicht an. Die Berufung der Beklagten auf die eigene Unkenntnis i.S.d. § 82 Satz 1 InsO sei schließlich auch nicht rechtsmissbräuchlich. C. Kontext der Entscheidung Es ist höchstrichterlich geklärt, dass der Annahme der Befreiungswirkung des § 82 Satz 1 InsO nur entgegensteht, wenn der Leistende positive Kenntnis von der Insolvenzeröffnung hatte.2 Diese Rechtsprechung wird von der Literatur nicht in Frage gestellt, nachdem § 82 InsO nach dem klaren Wortlaut auf die Kenntnis und nicht auf eine verschuldete Unkenntnis abstellt.3 Ausgehend hiervon kommt eine Versagung des Gutglaubensschutzes trotz fehlender positiver Kenntnis von der Insolvenzeröffnung nur in Betracht, wenn sich der Leistende der Kenntniserlangung rechtsmissbräuchlich verschließt.4 Der aus § 242 BGB abgeleitete Einwand des Rechtsmissbrauchs kann aber nicht dazu führen, den Gutglaubensschutz des § 82 Satz 1 InsO grundsätzlich in Fällen grob fahrlässiger Unkenntnis zu versagen. Dies wäre mit der gesetzgeberischen Wertung, die Anwendung einer Regelung nur im Falle positiver Kenntnis auszuschließen, nicht vereinbar.5 Daher ist die Annahme eines Rechtsmissbrauchs auf Ausnahmefälle zu beschränken. Ausgehend hiervon kann – wie das OLG Bremen zutreffend entschieden hat – das bloße Unterlassen, die Bekanntmachung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Internet zu recherchieren, ohne Hinzutreten weiterer Umstände einen Rechtsmissbrauch nicht begründen. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass eine Recherche mit einem nicht völlig unerheblichen Aufwand verbunden ist, der sich zudem bei einer Vielzahl von Zahlungen summiert. Der BGH hat allerdings erwogen, dass eine andere Beurteilung dann in Betracht kommen kann, wenn technische Möglichkeiten bestehen sollten, mit einem geringen Aufwand Insolvenzbekanntmachungen im Internet programmgesteuert mit den Daten der eigenen Gläubiger abzugleichen und wesentliche Informationen fortlaufend in die eigenen Unternehmensdateien zu übernehmen.6 Diese Ausführungen sind vor dem Hintergrund, dass in dem zu entscheidenden Fall eine solche Möglichkeit unstreitig nicht bestand, etwas überraschend. Sie können – wie das OLG Bremen zutreffend ausführt – auch inhaltlich nicht

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überzeugen.7 Der BGH knüpft insoweit an seine Rechtsprechung an, dass eine am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation zu einer verkehrsgerechten Informationsverwaltung verpflichtet sei, und erwägt, ob auch an die Informationsgewinnung höhere Anforderungen zu stellen seien. Diese beiden angesprochenen Themen stehen aber in keinem Zusammenhang: Die Pflicht zur Informationsverwaltung betrifft die Frage, ob die bei einem Mitglied der Organisation vorhandene Kenntnis der Organisation zuzurechnen ist.8 Sie setzt mithin voraus, dass die Information irgendwo im Unternehmen vorhanden ist. Dem gegenüber muss im Falle der Recherche auf der Webseite www.insolvenzbekanntmachungen.de die Information überhaupt erst einmal beschafft werden. Dass man aus einer Informationsverwaltungspflicht keine Informationsbeschaffungspflicht herleiten kann, folgt auch aus dem Umstand, dass diese Informationsbeschaffungspflicht nur bei arbeitsteilig handelnden Organisationen gilt.9 Ausgehend von den Erwägungen des BGH könnte man bei Einzelpersonen keine Informationsbeschaffungspflicht annehmen. Diese Ungleichbehandlung erscheint nicht sachgerecht. Hinzu kommt, dass eine Abgrenzung zur grob fahrlässigen Unkenntnis kaum noch möglich wäre, wenn man die Berufung auf die fehlende Kenntnis immer schon dann als rechtsmissbräuchlich ansehen würde, wenn die Information ohne Mühe hätte beschafft werden können. D. Auswirkungen für die Praxis und Bewertung Die Entscheidung des OLG Bremen dürfte in der Praxis gerade von Lebensversicherungen oder anderen finanzdienstleistenden Unternehmen mit großer Erleichterung aufgenommen werden, weil sie in sachgerechter Weise den Anwendungsbereich des § 82 InsO begrenzt und keine überspannten Anforderungen im Hinblick auf das Erfordernis einer Recherche im Internet nach Insolvenzbekanntmachungen aufstellt. Dogmatisch überzeugt sie angesichts des klaren Gesetzeswortlautes. Das letzte Wort in dieser

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BGH, Urt. v. 15.04.2010 - IX ZR 62/09 Rn. 10 ff.; ferner BGH, Urt. v. 07.10.2010 - IX ZR 209/09. Vgl. etwa Ott/Vuia in: MünchKomm zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., § 82 Rn. 13; Sternal in: Karsten Schmidt, InsO, 18. Aufl., § 82 Rn. 12; Kroth in: Braun, InsO, 5. Aufl., § 82 Rn. 9; App in: FK-InsO, 7. Aufl., § 82 Rn. 10. Vgl. auch Bork, DB 2012, 33, 37; vgl. zur entsprechenden Problematik im Rahmen des § 852 BGB a.F.: BGH, Urt. v. 20.09.1994 - VI ZR 336/93. Vgl. auch BGH, Urt. v. 15.04.2010 - IX ZR 62/09 Rn. 14. So BGH, Urt. v. 15.04.2010 - IX ZR 62/09 Rn. 13. Kritisch auch Bork, DB 2012, 33, 37 f. Vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.07.2009 - IX ZR 118/08 Rn. 16 m.w.N. So auch Bork, DB 2012, 33, 38.

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Sache ist allerdings noch nicht gesprochen: Wegen einer Divergenz mit der Rechtsprechung des BGH10 hat das OLG gem. § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen und es bleibt abzuwarten, ob das Revisionsverfahren geführt werden wird.

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Vgl. BGH, Urt. v. 15.04.2010 - IX ZR 62/09 Rn. 13.

Noch keine neue Epoche im Kunstrecht BGH, Urt. v. 09.10.2013 - VIII ZR 224/12 Prof. Dr. Roland Michael Beckmann A. Problemstellung Spektakuläre Kunstrechtsfälle haben jüngst in der Öffentlichkeit für großes Aufsehen gesorgt. Bereits der Beltracchi-Fälschungsskandal1 erreichte weites mediales Interesse. Dies gilt in noch größerem Maße auch für den Gurlitt-Fund.2 Auch jenseits solcher spektakulären, medienwirksamen Fälle stellen sich im Kunstrecht zahlreiche praxisrelevante Rechtsfragen. Vor einigen Monaten hatte der BGH mit seiner Entscheidung vom 09.10.20133 Gelegenheit, Licht in offene Fragen zur Haftung von Kunstauktionshäusern zu bringen. Erste Reaktionen auf das Urteil sind unterschiedlich ausgefallen: Einerseits heißt es, der BGH habe diese Chance vertan,4 andererseits ist auch die Rede von einer verschärften Haftung von Auktionshäusern.5 Dass an die in Rede stehende Entscheidung des BGH eine besondere Erwartungshaltung geknüpft war, ist der Tatsache geschuldet, dass die Vertragspraxis von Kunstauktionshäusern in großem Umfang noch auf einer jahrzehntealten Rechtsprechung beruht, namentlich auf BGH-Urteilen aus den Jahren 1975 und 1980.6 Seit diesen Entscheidungen hat sich indes die Rechtslage teilweise erheblich gewandelt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der BGH-Entscheidung vom 09.10.2013 liegt fast ein Lehrbuch-Fall zugrunde: Der beklagte Kunstauktionator bot in seinem Auktionskatalog eine Buddha-Skulptur zum Kauf an und beschrieb diese u.a. wie folgt: „Sitzender Buddha, Dhyan Asana, Hände fehlen. Marmor mit Wurzelspuren. China, Sui-Dynastie, 581-618, H 40 cm. Es handelt sich wahrscheinlich um den historischen Buddha Sakyamuni. Der regelmäßige Verlauf der ziemlich flachen Falten und das enge Anliegen

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des Gewandes am Körper entsprechen noch dem nördlichen Ch‘i-Stil. Museal! 3.800,00 €.“ Der Kläger ersteigerte die Skulptur für 20.295 Euro einschließlich Aufgeld. Ein vom Kläger beauftragter Sachverständiger kam nach dem Erwerb zu dem Ergebnis, dass die erhobenen Befunde gegen die Authentizität des Objekts sprächen. Daraufhin trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und verlangte vom beklagten Auktionator insbesondere die Erstattung des gezahlten Kaufpreises und der angefallenen Gutachterkosten. Der Beklagte bestritt eine Fälschung und berief sich im Übrigen auf die Versteigerungsbedingungen, in denen es u.a. heißt: „… 2. Grundlagen der Versteigerung a) Die Versteigerung ist freiwillig und öffentlich i.S.d. § 383 Abs. 3 BGB. Sie wird durch das Auktionshaus als Kommissionär im eigenen Namen für Rechnung der Einlieferer durchgeführt, die unbenannt bleiben. b) Die zur Versteigerung kommenden Gegenstände können vor der Auktion besichtigt und geprüft werden. Die Sachen sind gebraucht. Sie werden in dem Zustand versteigert, in dem sie sich bei der Auktion befinden. Die Katalogangaben sind nach bestem Wissen und Gewissen vorgenommen, sie sind aber nicht Teil der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Gegenstände; das gleiche gilt für deren Bezeichnung beim Aufruf. Beeinträchtigungen des Erhaltungszustands sind nicht in jedem Falle angegeben. Die im Katalog genannten Preise sind Limite, keine Schätzwerte. … 7. Gewährleistung, Haftung a) Der Käufer kann gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben. Das Auktionshaus wird jedoch begründete Mängelrügen, die ihm innerhalb einer Frist von 1 Jahr seit Übergabe der Sache vom Käufer angezeigt werden, gegenüber dem Einlieferer geltend machen, wenn der Käufer die dafür notwendigen sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen nachweist. b) Die Haftung des Auktionshauses auf Schadensersatz für Vermögensschäden, gleich aus welchem Rechtsgrund, ist ausgeschlossen, es sei denn, dem Auktionshaus fiele Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last …“.

Im Hinblick auf die zwischen den Parteien strittige Tatsachenfrage um die Echtheit der Skulptur unterstellt der BGH zunächst, dass es sich bei der Buddha-Skulptur tatsächlich um eine neuzeitliche Fälschung handelt. Er untersucht in rechtlicher Hinsicht zum einen, ob unter dieser Prämisse ein Sachmangel vorliegt (dazu im Folgenden unter 1.), und

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Zur zivilrechtlichen Seite LG Köln, Urt. v. 28.09.2012 - 2 O 457/08; Anton, ZVertriebsR 2013, 294, 298 m.z.Nw. Ernst, Bilderbesitz im Rechtsstaat, JZ 2014, 28; Raue, Die beschlagnahmten Gurlitt-Bilder – Eine Bestandsaufnahme, ZRP 2014, 2; Weller, Kunstrecht auf dem Prüfstand: Der „Schwabinger Kunstfund“ an der Schnittstelle von Strafverfolgung und Sachenrecht, KuR 2013, 183. BGH, Urt. v. 09.10.2013 - VIII ZR 224/12. Elmenhorst, ZUM 2014, 35; Raue/Hollenders, GRUR 2014, 98, 99. Vgl. http://www.art-magazin.de/newsticker/?news_id=7421; einschränkend Mues, FAZ v. 12.10.2013, S. 36. Dazu unter B. 2.

JM 08/09 | zum anderen, ob der Gewährleistungsausschluss gem. Ziff. 7 der Versteigerungsbedingungen Wirkung entfaltet (dazu unter 2.). Abschließend prüft der BGH in verfahrensrechtlicher Hinsicht die Feststellung des Berufungsgerichts, es handele sich bei der verkauften Buddha-Skulptur um eine neuzeitliche Fälschung (dazu unter 3.). 1. Tatbestand der Mängelrechte. Für den Fall, dass es sich tatsächlich nicht um ein aus der im Auktionskatalog angegebenen Stilepoche stammendes Original, sondern um eine neuzeitliche Fälschung handelt, hat der BGH – so wie bereits das OLG München – einen Sachmangel gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB bejaht. Im Ergebnis ist in diesem Falle das Vorliegen jedenfalls eines Sachmangels i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB kaum zu bezweifeln. Es überrascht indes, dass weder die Vorinstanz noch der BGH auf die nahe liegende Möglichkeit eines Sachmangels gem. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB eingegangen sind. Zweifelsohne können über Kunstgegenstände Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen werden.7 Indes ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob Katalogangaben eines Kunstauktionshauses Grundlage für eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellen können. Diese Frage hat das OLG Köln in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 verneint.8 Allerdings hatte sich das OLG Köln wenig überzeugend auf die Entscheidung BodenseeKunstauktion9 berufen und dabei verkannt, dass sich diese BGH-Entscheidung auf eine Eigenschaftszusicherung nach § 459 Abs. 2 BGB a.F. bezieht, die nicht ohne weiteres auf das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB übertragen werden kann.10 Entgegen der Auffassung des OLG Köln mehren sich zu Recht Ansichten, die Katalogangaben von Kunstauktionshäusern sehr wohl als Grundlage einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB einordnen.11 Durch Annahme eines Sachmangels gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist der BGH einer weiteren Frage aus dem Wege gegangen: So fand sich in den Versteigerungsbedingungen des beklagten Kunstauktionshauses – wie vielfach üblich – eine „Sollbeschaffenheitsabwehrklausel“12; danach sind Katalogangaben nicht Teil der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Gegenstände (vgl. Ziff. 2 b Satz 4 der Versteigerungsbedingungen). Fraglich ist, ob eine solche Klausel überhaupt wirksam mit in den Vertrag einbezogen werden kann bzw. einer Inhaltskontrolle standhält. Dem ist der BGH nicht nachgegangen. Vielmehr hat er das Eingreifen dieser Klausel aufgrund einer Auslegung der Klausel abgelehnt: Eine Auslegung ergebe, dass die Klausel entsprechend ihrem Wortlaut nur der Annahme einer (konkludent) vereinbarten Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegenwirken soll,

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nicht jedoch den Anforderungen an eine nicht vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von § 434 Abs. 1 Sätze 2, 3 BGB entgegensteht.13 Unter Zugrundelegung eines Sachmangels gem. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist dieser Weg konsequent. Indes überrascht wiederum, dass der BGH im Hinblick auf eine solche Sollbeschaffenheitsabwehrklausel lediglich § 305c Abs. 1 BGB (also den Überraschungstabestand), nicht hingegen den Vorrang einer Individualabrede gem. § 305b BGB als mögliche Hürde einer wirksamen Einbeziehung sieht.14 2. Wirksamkeit des Haftungsausschlusses. Rechtlich stand des Weiteren der Haftungsausschluss des beklagten Kunstauktionshauses im Blickpunkt (Ziff. 7 der Versteigerungsbedingungen). Jedenfalls die Grundkonstruktion dieses Haftungsausschlusses findet sich typischerweise in Versteigerungsbedingungen von Kunstauktionshäusern. Sie basiert letztlich auf Rechtsprechungsgrundsätzen, die – wie eingangs zum Ausdruck gebracht – aus einer Zeit vor der Schuldrechtsreform und im Ansatz sogar vor Inkrafttreten des AGB-Gesetzes stammen. So hat der BGH in der Jawlensky-Entscheidung eine umfassende Freizeichnung des Auktionators bei Fälschungen unter der Voraussetzung für zulässig erachtet, dass der Auktionator seine Sorgfaltspflicht nicht grob verletzt hat.15 In der Entscheidung Bodensee-Kunstauktion16 hat der BGH auch für die Zeit nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes hieran festgehalten. Von dieser früheren Rechtsprechung des BGH abweichend hat das OLG München – unter Hinweis auf einen Wandel bei der Bewertung und Gewichtung der Verbraucherrechte und des Verbraucherschutzes – Zweifel an der Angemes7

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Auch wenn der Beschaffenheitsbegriff im Einzelnen unterschiedlich verstanden wird, vgl. Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, 2014, § 434 Rn. 50 ff. OLG Köln, Urt. v. 27.03.2012 - 9 U 141/11. BGH, Urt. v. 13.02.1980 - VIII ZR 26/79. Dazu Beckmann, KuR 2013, 57 ff.; Schapiro, JZ 2013, 549 ff. Beckmann, KuR 2013, 57, 58 ff.; Anton, ZVertriebsR 2013, 294, 303; Schapiro, JZ 2013, 549, 552 f.; Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, 2014, § 434 Rn. 70; Jakobs, GRUR 2013, 8, 11; Braunschmidt, NJW 2013, 734, 735; Zöbeley, MDR 2014, 254, 255; vgl. auch Raue/ Hollenders, GRUR 2014, 98, 99; abweichend etwa noch Heyers, GRUR 2012, 1206, 1207. Anton, ZVertriebsR 2013, 294, 303. BGH, Urt. v. 13.02.1980 - VIII ZR 26/79 Rn. 14. Ablehnend gegenüber der rechtlichen Wirkung solcher Sollbeschaffenheitsabwehrklauseln Beckmann, KuR 2013, 57, 60 ff.; Schapiro, JZ 2013, 549, 555 ff.; Anton, ZVertriebsR 2013, 294, 303 ff.; Zöbeley, MDR 2014, 254, 256; differenzierend Braunschmidt, NJW 2013, 734, 735; keine Bedenken sieht offenbar Westermann in: MünchKommBGB, 6. Aufl. 2012, § 434 Rn. 72 (Online-Version v. 10.12.2012). BGH, Urt. v. 15.01.1975 - VIII ZR 80/73 - BGHZ 63, 369, 375. BGH, Urt. v. 13.02.1980 - VIII ZR 26/79.

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senheit des in Rede stehenden Haftungsausschlusses geäußert und die Klausel insgesamt für unwirksam gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt.17 Vor diesem Hintergrund war die Revisionsentscheidung des BGH mit Spannung erwartet worden. Indes hat der BGH sich gar nicht mit der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Haftungsausschlusses unter dem Aspekt der Angemessenheit beschäftigt. Vielmehr hat er einen eher formalen Weg beschritten: Der in Rede stehende Gewährleistungsausschluss verstoße gegen das Klauselverbot gem. § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB, wonach in AGB ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders beruhen, unwirksam sind. Dieser Weg über § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB ist in ersten Stellungnahmen auf Kritik gestoßen,18 weil der BGH der eigentlich interessierenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit dieser Klausel aus dem Weg gegangen sei und nur über eine wenig praxisrelevante Wirkung der Klausel entschieden habe. Indes ist die Argumentation des BGH juristisch zutreffend19 und letztlich auch nicht gänzlich neu.20 Man kann darüber nachdenken, warum der BGH diesen eher formalen Weg beschritten und sich nicht inhaltlich grundsätzlich mit der Ausschlussklausel beschäftigt hat. Die Problematik um die überholte Rechtsprechung der Jawlensky-Entscheidung aus dem Jahre 1975 und der Entscheidung BodenseeKunstauktion aus dem Jahre 1980 ist dem BGH bewusst gewesen. Warum hat der BGH diese aber nicht aufgegriffen und aus heutiger Sicht beurteilt? Man könnte beinahe vermuten, dass der BGH dieser Frage ausgewichen ist und deshalb den formaljuristischen und einfacheren Weg beschritten hat. 3. Die Tatsachenfrage. Mängelrechte hängen vielfach von tatsächlichen Fragestellungen ab. Diese lassen sich gerade in Kunstrechtsprozessen häufig nur von Sachverständigen beantworten. Das OLG München als Vorinstanz hatte – unter Hinzuziehung von Sachverständigenbewertung – eine neuzeitliche Fälschung festgestellt.21 Indes kommt der BGH zu dem Schluss, dass das Berufungsgericht diese Feststellung nicht frei von Verfahrensfehlern getroffen habe. Wer sich näher mit der Begründung des OLG München beschäftigt hat, ist von dieser Entscheidung des BGH zumindest auf den ersten Blick überrascht. Denn das OLG München hatte sich in den Entscheidungsgründen umfassend mit der Frage der Echtheit der Buddha-Skulptur beschäftigt (juris Rn. 21-36). Dabei hatte es zum einen auf das Gutachten einer gerichtlich bestellten Sachverständigen und zum anderen auf Untersuchungsergebnisse eines sachverständigen Zeugen abge-

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stellt, den der Kläger bereits vorprozessual zur Begutachtung beauftragt hatte. Insbesondere die Begründung der ursprünglich als Privatgutachten eingeflossenen elektronenmikroskopischen und thermoanalytischen Untersuchungsergebnisse hinterlässt bei Lektüre des Urteils einen inhaltlich nachvollziehbaren Eindruck. Indes hat der BGH die Heranziehung gerade dieser Untersuchungsergebnisse des sachverständigen Zeugen moniert und hierin einen Verfahrensfehler gesehen: Solche Untersuchungsergebnisse hätten nur dann Berücksichtigung finden dürfen, wenn sie nach Maßgabe von §§ 402 ff. ZPO durch einen hinzugezogenen Sachverständigen erfolgt wären und nicht – wie hier geschehen – von einem sachverständigen Zeugen, der zuvor erfolgreich gem. § 406 ZPO als Sachverständiger abgelehnt worden war. Prozessual ist diese Argumentation zwar gut nachvollziehbar, auch wenn sie angesichts der inhaltlich insoweit nachvollziehbaren Begründung im Rahmen der vorinstanzlichen Entscheidung ein wenig überrascht. Damit ist ein generelles Problem in Kunstrechtsprozessen angesprochen. Wie eingangs zum Ausdruck gebracht, kommt es in diesem Bereich besonders häufig und meist streitentscheidend auf die Beurteilung des Kunstwerkes durch Sachverständige an. Einschätzungen zu Kunstgegenständen basieren in großem Umfang und vielfach in noch höherem Maße als in anderen Fachgebieten auf Wertungsfragen.22 Zur Erzielung angemessener Ergebnisse kommt es auf Nachvollziehbarkeit und Überzeugungskraft an. Überzeugen sie das Gericht – wie offenbar das OLG München in der Vorinstanz – kann es prinzipiell nicht falsch sein, auch Privatgutachten einen Stellenwert bei der Beweiswürdigung einzuräumen. C. Auswirkungen für die Praxis In gewissem Umfang hat die Entscheidung des BGH bereits zu einer verschärften Haftung für Kunstauktionshäuser geführt: Versteigerungsbedingungen, die eine Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtver-

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OLG München, Urt. v. 26.06.2012 - 5 U 2038/11 Rn. 57 f. Raue/Hollenders, GRUR 2014, 98, 99 („Diese Auffassung ist weltfremd.“); Elmenhorst, ZUM 2014, 38 („erstaunlicherweise [fast muss man sagen: befremdlicherweise]“). Ebenso Garbes-von Boehm, GRUR-Prax 2013, 504, 505. Vgl. zu anderen Bereichen etwa BGH, Urt. v. 15.11.2006 - VIII ZR 3/06 - BGHZ 170, 31, 37 f. Rn. 19 f.; BGH, Urt. v. 24.02.2010 - VIII ZR 71/09 Rn. 18. OLG München, Urt. v. 26.06.2012 - 5 U 2038/11 Rn. 21 ff. Zur Wertermittlung von Kunstwerken jüngst OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.01.2014 - 6 W 148/13.

JM 08/09 | letzung des Verwenders beruhen, ausschließen oder begrenzen, sind unwirksam. In anderen Bereichen hatte der BGH das entsprechende Klauselverbot indes auch schon herangezogen. Nun können sich auch Auktionshäuser nicht mehr auf entsprechende Haftungsausschlüsse berufen. Die Entscheidung bleibt gleichwohl zunächst lediglich eine Zwischenetappe und läutet noch keine neue Epoche im Kunstrecht ein. Arbeitsrecht

„Vorübergehend“ Ruhe BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13 Prof. Dr. Rolf Wank Die Einfügung des Wortes „vorübergehend“ in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG1, im Anschluss an Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) bis e) RL 208/104/EG2, hat zu einer Reihe von Fragen geführt. Nach zwei Entscheidungen des BAG ist durch die jüngste Entscheidung v. 10.12.2013 eine gewisse Ruhe eingekehrt.3 Die nach dem Koalitionsvertrag geplanten Gesetzesänderungen werden für weitere Klärung sorgen.

Wenn ein Gesetzgeber jedoch eine Legaldefinition im Sinne eines Klassenbegriffs aufstellt, dann sollen die dazu verwandten Merkmale notwendige Voraussetzungen sein.6 So ist auch die nur vorübergehende Überlassung eine notwendige Voraussetzung dafür, dass legale Leiharbeit vorliegt7 (weitere Voraussetzung ist eine wirksame Überlassungserlaubnis). Entsprechend hat auch das BAG entschieden.8 Damit steht fest: Wird der Arbeitnehmer von vornherein nicht nur vorübergehend überlassen, ist der Überlassungsvertrag unwirksam. B. Die Dauer der vorübergehenden Überlassung Ein weiteres Problem betrifft die Frage, wie lange „vorübergehend“ ist.9 Der deutsche Gesetzgeber hat bewusst

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sowohl darauf verzichtet, Angaben zur Feststellung des vorübergehenden Charakters zu machen, als auch darauf, eine Höchstgrenze anzugeben.10 Die Antwort der Rechtsprechung lautet: Es muss von vornherein vereinbart sein, dass der Leiharbeitnehmer nach einer bestimmten Zeit das Unternehmen des Entleihers wieder verlässt.11 Um das Vorliegen dieser Voraussetzung festzustellen, kann man sich an den drei Varianten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes orientieren: Die Überlassung ist entweder nach dem Kalender befristet oder auflösend befristet (§ 14 TzBfG), oder sie unterliegt einer auflösenden Bedingung (§ 21 TzBfG).12 Das ist unabhängig davon, ob die Befristungsrichtlinie hier gilt.13 In der Praxis ist das Erfordernis nur halb so bedeutend wie es scheint. Etwa die Hälfte der Überlassungen dauert ohnehin nur drei Monate.14 Allerdings kann es sein, dass ein Leiharbeitnehmer für ein bestimmtes Projekt beim Entleiher eingesetzt wird, das einen längeren Zeitraum beansprucht. Wichtig ist für die Praxis nur, dass keine Überlassung auf unbestimmte Zeit erfolgen darf, sondern dass im

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A. Normatives Merkmal Einige Gerichte4 und einige Autoren5 meinen unter Hinweis auf Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte, der Gesetzgeber habe keine nur vorübergehende Überlassung verlangt. Der Ausdruck sei vom Gesetzgeber nicht ernst gemeint. Die Gesetzgeber der RL 2008/104/EG sowie des AÜG hätten nur den typischen Fall beschrieben; aber das habe keine normativen Konsequenzen. Entweder falle die nicht nur vorübergehende Überlassung dann eben nicht in den Schutzbereich des Gesetzes, oder aber die länger dauernde Überlassung sei sanktionslos.

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In Kraft seit dem 01.12.2011 auf Grund des „Missbrauchsverhinderungsgesetzes“ v. 28.04.2011; die Vorschrift gilt nicht rückwirkend, vgl. Begründung des RegE, BT-Drs. 17/4804, S. 11. ABl Nr. L 327 v. 05.12.2008. BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, demn. AP AÜG § 1 m. Anm. Ulber/Jansen sowie Hoffmann-Remy, NJW 2014, 960. LAG Düsseldorf, Beschl. v. 02.10.2012 - 17 TaBV 48/12; LAG Hannover, Beschl. v. 14.11.2012 - 12 TaBV 62/12. Boemke in: Boemke/Lembke, AÜG, 3. Aufl. 2013, § 1 Rn. 115; Lembke, DB 2011, 413, 415; Krannich/Simon, BB 2012, 1414, 1420; Rieble/Vielmeier, EuZA 2011, 474; Teusch/Verstege, NZA 2012, 1326, 1328. Zu Klassenbegriff und Typus Wank, Die juristische Begriffsbildung, 1985, S. 8, 123 ff. Ebenso Düwell, ZESAR 2011, 449; Sansone, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern nach deutschem und Unionsrecht, 2011, S. 460 ff.; Schüren/Wank, RdA 2011, 10; Ulber, AuR 2010, 10; Zimmer, AuR 2012, 423. BAG, Beschl. v. 10.07.2013 - 7 ABR 91/11; a.A. LAG Nürnberg, Beschl. v. 29.10.2013 - 7 TaBV 15/13. Dazu Brors, AuR 2013, 108; Nießen/Fabritius, NJW 2014, 263. Begründung RegE, BT-Drs. 17/4804 v. 17.02.2011, S. 8. BAG, Beschl. v. 10.07.2013 - 7 ABR 91/11. Wank in: Erfurter Kommentar (ErfK), 14. Aufl., 2014, Einl. Rn. 6 ff.; ferner Düwell, ZESAR 2011, 449; Fitting, BetrVG, 26. Aufl. 2012, § 99 Rn. 192a; Hamann, NZA 2011, 70, 72; Schüren/Wank, RdA 2011, 1, 3; Ulber, AuR 2010, 10. Ablehnend EuGH, Urt. v. 11.04.2013 - Rs. C-290/12; a.A. Lembke/ Ludwig, NJW 2014, 1329, 1332. Zwölfter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, BT-Drs. 18/573, 2014, S. 45 f.

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Überlassungsvertrag entweder ein Datum oder ein Zweck für das Ende der Überlassung angegeben wird. Einige weitere Fragen zur Bestimmung der Dauer sind allerdings noch ungeklärt. I. Arbeitsplatz oder Arbeitsverhältnis Das Merkmal vorübergehend kann so verstanden werden, dass es sich auf die Überlassung eines Arbeitnehmers bezieht oder darauf, dass der Verleiher dem Entleiher nur vorübergehend Arbeitnehmer überlässt. Bei der ersten Interpretation (arbeitnehmerbezogen15) könnte der Verleiher jahrelang immer wieder einen anderen Arbeitnehmer vorübergehend an ein und denselben Arbeitsplatz beim Entleiher schicken. Das kann nicht gemeint sein. Hier wird deutlich, dass es bei dem Merkmal eigentlich um etwas anderes geht als um die Zeitkomponente: Leiharbeit darf nicht dazu dienen, Stammarbeitnehmer zu verdrängen. Dann darf aber der Arbeitsplatz im Entleiherbetrieb nur vorübergehend mit Leiharbeitnehmern besetzt werden (arbeitsplatzbezogene Interpretation16). II. Der Überlassungszweck Klarer wäre die Regelung, wenn der deutsche Gesetzgeber dem Beispiel des chinesischen Arbeitsvertragsgesetzes gefolgt wäre.17 Nach Art. 66 des Arbeitsvertragsgesetzes darf Leiharbeit nur für „vorübergehende, assistierende oder ersetzende Stellen“ erfolgen.18 Auch nach der Leiharbeitsrichtlinie ist eine Dauerüberlassung unzulässig.19 Dann wird auch klar, dass Leiharbeit zwar im Einzelfall einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann; aber nur wenn der verfolgte Zweck im Entleiherbetrieb vorübergehend anfällt.20 Brors/Schüren schlagen in ihrem Rechtsgutachten vor, dass nach sechs Monaten Einsatz eine widerlegbare Vermutung für nicht nur vorübergehende Überlassung eingreifen soll.21 III. Die Höchstdauer Auch wenn im Einzelfall ein vorübergehender Zweck, z.B. die Beratung bei der Einrichtung eines neuen Produktionsablaufs, eine längere Zeit erfordert – wann ist die Grenze erreicht?22 Da sich der Gesetzgeber bewusst zurückgehalten hat, kann es nur Richtwerte geben, z.B. zwei Jahre.23 Wenn der Koalitionsvertrag umgesetzt wird, liegt die Höchstdauer bei 18 Monaten.24 C. Sanktionen Nach Art. 10 RL 1008/104/EG sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Verstöße gegen das Gesetz mit Sanktionen zu versehen; welcher Art diese sind, bleibt allerdings dem Mitgliedstaat überlassen. Es kommen unterschiedliche Sanktionen in Betracht.25

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I. Mitbestimmung des Betriebsrats Das BAG hat, wie zuvor schon einige Landesarbeitsgerichte26 und Autoren27, entschieden, dass der Betriebsrat nach § 14 Abs. 3 Satz 1 AÜG i.V.m. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG der Einstellung eines Leiharbeitnehmers widersprechen darf, wenn diese nicht nur vorübergehend erfolgen soll.28 Ein Widerspruchsrecht besteht allerdings nur beim Verstoß gegen ein Verbotsgesetz; dazu muss die Einstellung als solche durch die Vorschrift hinreichend deutlich untersagt werden.29 In der Rechtsprechung30 wird hier teilweise die Eigenschaft als Verbotsgesetz verneint. Wie das BAG jedoch mit Recht feststellt, kann der Zweck der Verbotsnorm hier nur erreicht werden, wenn die Einstellung unterbleibt.

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So Krannich/Simon, BB 2012, 1414; Ludwig, BB 2013, 1276; Steinmeyer, AuR 2012, 422; Teusch/Verstege, NZA 2012, 1326; Nachw. zur Rsp. bei Ulber/Jansen, Anm. BAG AP AÜG § 1 unter III. So LAG Hannover, Beschl. v. 14.11.2012 - 12 TaBV 62/12; Bartl/Romanowski, NZA 2012, 845; Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 15 ff.; Düwell, ZESAR 2011, 449, 453 f.; Ulber, AÜG, 4. Aufl. 2011, § 1 Rn. 230 u ff.; Zimmer, AuR 2012, 422, 423. Dazu Däubler/Wang, RdA 2013, 321, 322. Vgl. auch Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 6, 8. Hamann, demn. RdA 2014 unter C I. Vgl. auch die Vorlagefrage eines finnischen Gerichts v. 09.10.2013 Rs. C-533/13; dazu Lembke/Ludwig, NJW 2014, 1329, 1332 f.; Thüsing, NZA 2014, 10, 112. Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 9. Die Höchstdauer von 24 Monaten wurde durch Art. 6 Nr. 3 des Ersten Dienstleistungsgesetzes aufgehoben. Brors, AuR 2013, 112; Wank in: ErfK, § 1 AÜG Rn. 37 b. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode, v. 27.11.2013; gegen eine starre Höchstgrenze Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 19; Düwell, ZESAR 2011, 449, 454; Hamann, EuZA 2009, 287, 312. Zum Ganzen Brors, AuR 2013, 108; Hamann, demn. RdA 2014; Leuchten, NZA 2011, 608; Ludwig, BB 2013, 1276; Nießen/Fabritius, NJW 2014, 263; Rieble/Vielmeier, EuZA 2011, 474; Steinmeyer, DB 2013, 2740; Thüsing, NZA 2013, 1248; ders., NZA 2014, 10; Thüsing/Stiebert, DB 2012, 632; Ulber/Jansen, Anm. BAG AP AÜG § 1; Zimmer, AuR 2012, 422. LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.12 2012 - TaBV 1163/12 (Ls.). Bartl/Romanowski, NZA 2012, 845, 847; Fitting, § 99 BetrVG Rn. 192a; Hamann, RdA 2012, 321, 323; Zimmer, AuR 2012, 422, 425. BAG, Beschl. v. 10.07.2013 - 7 ABR 91/11. BAG, Beschl. v. 01.06.2011 - 7 ABR 117/09. LAG Hannover, Beschl. v. 14.11.2012 - 12 TaBV 62/12, 63/12 und 64/12.

JM 08/09 | II. Vertragliche Sanktionen Individualrechtlich ist zwischen der Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher und der zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer zu unterscheiden.31 Ein Überlassungsvertrag, der eine nicht nur vorübergehende Überlassung vorsieht, ist wegen Gesetzesverstoßes nichtig, § 134 BGB.32 Damit ist nicht präjudiziert, was daraus für das Leiharbeitsverhältnis folgt. Die Diskussion orientiert sich an dem Fall, dass der Verleiher keine Verleiherlaubnis hat. Nach § 10 AÜG entsteht dann kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher. Davon unterscheidet sich der Fall, dass der Verleiher zwar eine Konzession hat, aber durch eine nicht nur vorübergehende Überlassung gegen das Gesetz verstößt. Überwiegend wurde in der Literatur eine Lösung bejaht, die im Ergebnis derjenigen beim Fehlen der Verleiherlaubnis entspricht, und zwar sei § 10 AÜG entweder direkt oder analog anwendbar33 oder § 10 AÜG sei in richtlinienkonformer Rechtsfortbildung analog anwendbar.34 Eine unmittelbare Anwendung des § 10 AÜG scheidet aus, wenn der Verleiher eine wirksame Erlaubnis hat.35 Die einmal erteilte Erlaubnis wird nicht etwa fehlerhaft; vielmehr wird nur ihr Anwendungsbereich beschränkt. Es stellt sich daher nur die Frage, was geschieht, wenn ein Verleiher seit Inkrafttreten der Neuregelung die Erlaubnis gesetzwidrig nutzt. Die Behörden können nur verlangen, dass der Verleiher in Zukunft Arbeitnehmer nur noch vorübergehend überlässt. Geschieht das nicht, kann bei erheblichen Verstößen die Erlaubnis widerrufen werden, § 5 Abs. 1 Nr. 4 AÜG.36 Darüber hinaus kommt als individualrechtliche Sanktion die analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht. Allgemein ist eine analoge Anwendung aus Gründen der Gewaltenteilung nur zulässig, wenn sich das Gericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzt.37 Hier hat der Gesetzgeber auf eine Sanktion verzichtet, und es fehlt an einer Lücke.38 Allein unter Rückgriff auf deutsches Recht ist daher weder eine direkte noch eine analoge Anwendung des § 10 AÜG möglich. Insofern ist dem BAG zuzustimmen.39 Es bleibt die Frage, ob nicht das Gemeinschaftsrecht eine „wirksame, angemessene und abschreckende“ Sanktion nach § 10 AÜG erfordert, die im Wege der gemeinschaftsrechtskonformen Rechtsfortbildung zu erreichen wäre.40 Die Sanktion der Unwirksamkeit des Leiharbeitsvertrages wäre für den Arbeitnehmer nachteilig. Er hätte dann weder eine Rechtsbeziehung zum Verleiher noch zum Entleiher. Ist ein Verbleib beim Verleiher für ihn günstiger als der gesetzliche Wechsel zum Entleiher, ist ihm (bei Annahme einer dem § 10 AÜG entsprechenden Rechtsfolge) ein Widerspruchsrecht einzuräumen.41

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Allen diesen Lösungen hat das BAG42 jedoch in seinem oben genannten, sorgfältig begründeten Urteil vom 10.12.2013 eine Absage erteilt.43 Die Fälle seien nicht genügend miteinander vergleichbar (Rn. 29 f.), und der Gesetzgeber habe bewusst von einer Sanktion abgesehen (Rn. 28). Dann sei es Sache des Gesetzgebers und nicht der Gerichte, den Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen.44 Angesichts der Tatsache, dass bei einer Verletzung des Gesetzes unterschiedliche Sanktionen in Betracht kommen, sei dem BAG eine entsprechende Rechtsfortbildung verwehrt.45 Die erste Frage ist, ob der Gesetzgeber gegen eine entsprechende Sanktion war; wenn ja, ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtsfortbildung gegen den erklärten oder erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht zulässig. Ein derartiger Wille ist jedoch nicht ersichtlich.46 In dem vieldiskutierten Fall der Rechtsfortbildung des BAG zur Vorbeschäftigungsklausel in § 14 TzBfG47 hat das Gericht durch seine teleologische Reduktion die Verfassungswidrigkeit wegen eines unverhältnismäßigen Eingriffs in die Berufsfreiheit des Stellenbewerbers verhindert und zugleich dem Willen des aktuellen Gesetzgebers entsprochen.48

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Wank in: ErfK-AÜG, Einl. Rn. 14 ff., 23 ff. Haman, RdA 2011, 322, 327. Das BAG führt im Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 18 die entsprechende Literatur auf. So Wank in: ErfK-AÜG, § 1 Rn. 37 d. BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 19. Hamann, demn. RdA 2014, unter I; kritisch Ulber/Jansen, Anm. BAG AÜG § 1 unter V 3. BVerfG, Urt. v. 11.07.2012 - 1 BvR 3142/07, 1569/08 - BVerfGE 132, 99; Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, 2013, S. 102 ff. BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 28. BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 19-31. Vgl. Hamann, NZA 2011, 70, 74. Gegen ein Widerspruchsrecht Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 20. Die – im Einklang mit dem BAG – eine Sanktion ablehnende Literatur wird vom BAG im Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13 Rn. 18 genannt. Zustimmend Hamann, demn. RdA, unter V und VI; Hoffmann-Remy, NJW 2014, 960; ablehnend Ulber/Jansen, Anm. BAG AP AÜG § 1. Zu Möglichkeiten de lege ferenda Hamann, demn. RdA unter E. Zur Unterscheidung zwischen Ob und Wie der Rechtsfortbildung Wank, Auslegung und Rechtsfortbildung im Arbeitsrecht, 2013, S. 135, 149 f. Vgl. auch Düwell, ZESAR 2011, 453, 455 f. BAG, Urt. v. 06.04.2011 - 7 AZR 716/09. Wank, RdA 2012, 361.

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Im Hinblick auf die Leiharbeitsrichtlinie wollte der Gesetzgeber eine Umsetzung „1:1“; gegen eine effektive Sanktion hat er sich nicht ausgesprochen.49 Die zweite Frage ist die nach dem Wie der Rechtsfortbildung. Wenn ein Auswahlermessen bezüglich der Rechtsfolgen besteht und wenn die vorhandenen Rechtsfolgen angemessen im Sinne der EuGH-Rechtsprechung sind, obliegt die Entscheidung, ob etwas geändert werden soll, dem Gesetzgeber. Daher ist zu prüfen, welche Sanktionen nach geltendem Recht bestehen, wenn ein Verleiher nicht nur vorübergehend Arbeitnehmer überlässt. Das sind: Unwirksamkeit des Überlassungsvertrages, Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers,50 Widerspruchsrecht des Betriebsrats,51 bei erheblichem Verstoß Befugnis der Behörde, die Verleiherlaubnis zu widerrufen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Arbeitnehmern des Entleihers gegenüber dem Entleiher wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs besteht nicht.52 Der Weg über § 1 Abs. 2 AÜG i.V.m. § 10 AÜG führt nicht weiter, da die § 10 ergänzende Sanktionsnorm des § 13 AÜG ersatzlos aufgehoben wurde.53 In Betracht kommt aber im Einzelfall, dass bei einem Vergleich von Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses beim Entleiher liegt mit der Folge, dass mit ihm kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis besteht.54 Sieht man die vorhandenen Sanktionen im Hinblick auf Art. 10 RL als angemessen an (so das BAG), ist eine Rechtsänderung dem Gesetzgeber vorbehalten. Wenn man demgegenüber meint, das vorhandene Instrumentarium ergebe keine effektive Sanktion, und der Fall ähnle in seiner Wertung dem Verleih ohne Erlaubnis, ist eine gemeinschaftsrechtskonforme Rechtsfortbildung zulässig. Es wäre zu begrüßen, wenn das BAG auch bei der Frage, ob bei Schwellenwerten im Betriebsverfassungsrecht Leiharbeitnehmer als Arbeitnehmer des Entleihers mitzuzählen sind,55 eine entsprechende Zurückhaltung gezeigt hätte.56 Obwohl die Richtlinie dem nationalen Gesetzgeber auferlegt hatte zu prüfen, ob er Leiharbeitnehmer bei den Schwellenwerten berücksichtigen will (Art. 7 RL), hat der deutsche Gesetzgeber darauf verzichtet, so dass auch hier eine Änderung Sache des Gesetzgebers ist. Das Gemeinschaftsrecht erfordert keine Berücksichtigung, so dass sowohl nach deutschem Recht als auch nach gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation eine Rechtsfortbildung unzulässig ist. Der Koalitionsvertrag sieht nunmehr vor, dass bei den Schwellenwerten im Betriebsverfassungsrecht Leiharbeitnehmer immer mitzuzählen sind, solange dies dem Sinn der Vorschrift nicht widerspricht. Konsequent wäre es dann aber auch, wenn der Leiharbeitnehmer anschließend beim Entleiher eingestellt wird, die Zeit als

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Leiharbeitnehmer auf die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG anzurechnen.57 D. Vorübergehende Überlassung und Gleichbehandlung Die Einfügung des Merkmals vorübergehend ins Gesetz hat aber auch Auswirkungen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Innerhalb der EU gibt es zwei Modelle zur Leiharbeit:58 Entweder der Arbeitnehmer wird nur für den einzelnen Einsatz vom Verleiher eingestellt und das Gleichstellungsgebot gilt, oder – so das deutsche Modell – der Verleiher stellt Leiharbeitnehmer auf Dauer ein und kann vom Gleichbehandlungsprinzip abweichen. Das geschieht typischerweise durch Verweisung auf einen eigenen Leiharbeitstarifvertrag. Zu diesem deutschen Modell gehört konsequenterweise ein Synchronisationsverbot. In seiner strengen Form wurde es durch die Hartz-Reform abgeschafft. Es gilt jetzt nur noch in der Form, dass der Verleiher, wenn er den Arbeitnehmer über die verleihfreie Zeit hinaus unter Vertrag hält, diesem einen (wenn auch niedrigeren) Lohn zahlen muss, § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG. Um wieder zu einem schlüssigen Modell zurückzukommen, braucht man die Möglichkeit zur Abweichung vom Gleichstellungsgebot nicht gänzlich abzuschaffen;59 es muss aber geregelt werden, dass die Privilegierung nur unter bestimmten Voraussetzungen zu erhalten ist. Nach dem Koalitionsvertrag soll nach neun Monaten zwingend das Gleichbehandlungsgebot gelten. Da aber nur die wenigsten Leiharbeitsverträge neun Monate überdauern, werden sie nicht erfasst. Es müsste geregelt sein, dass beides, Befristung i.S. von Synchronisation60 und zugleich Abweichung vom Gleichstellungsgebot, nicht zu haben ist. Eine konsequente Umsetzung des Gedankens findet sich dem-

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Ulber/Jansen, Anm BAG AP AÜG § 1. Hamann, demn. RdA, unter III. BAG, Urt. v. 10.07.2013 - 7 ABR 91/11. Hamann, demn. RdA, unter V. BAG, Urt. v. 10.12.2013 - 9 AZR 51/13, Rn. 25. Ulber/Jansen, Anm. BAG AP AÜG § 1.9. Bejahend BAG, Urt. v. 18.10.2011 - 1 AZR 335/10; BAG, Beschl. v. 13.03.2013 - 7 ABR 69/11; Hamann, Anm. zu BAG AP BetrVG 1972 § 111 Nr. 70; Linsenmaier/Kiel, demn. in RdA 2014. Kritisch gegenüber der Rechtsprechung Wank in: ErfK-AÜG, Einl. Rn. 35 f.; Fandel/Zanotti, BB 2012, 969, 971; Mosig, NZA 2012, 1411; Rieble, NZA 2012, 485, 486; Tschöpe, NJW 2012, 2161. Anders aber LAG Hannover, Urt. v. 05.04.2013 - 12 Sa 50/13. Wank, RdA 2003, 1, 3; ders., JArbR 49 (2012), 23 ff. So aber im Ergebnis Waltermann, Gutachten B zum 68. DJT, S. 62 f.; dagegen Schüren/Wank, RdA 2011, 1, 5. Zur Anwendbarkeit des allgemeinen Befristungsrechts auf das Leiharbeitsverhältnis Wank in: ErfK-AÜG, Einl. Rn. 6 ff.

JM 08/09 | gegenüber in dem von Schüren entwickelten Modell:61 Nur wenn der Verleiher den Arbeitnehmer auch über den ersten Einsatz hinaus unter Vertrag hält und damit ein unternehmerisches Risiko trägt, ist seine Privilegierung berechtigt. Wenn sich dagegen der Leiharbeitsvertrag auf den einzelnen Einsatz bezieht, gilt das Gleichbehandlungsgebot sofort. Die Problematik ist teilweise dadurch entschärft, dass manche Tarifverträge für Leiharbeitnehmer in Betrieben mit besserer Bezahlung einen Lohnzuschlag vorsehen.62 Zudem regelt § 3a AÜG einen gesetzlichen Mindestlohn. Allerdings erfasst er nur die unterste Lohnstufe und kein Lohngitter, und er bezieht sich auch nur auf den Lohn und nicht auf alle Arbeitsbedingungen. Das genügt dem in

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Art. 5 Abs. 3 RL 2008/104/EG enthaltenen Erfordernis des „Gesamtschutzes der Arbeitnehmer“ nicht.63 Für Gesetzgebung und Rechtsprechung bleibt also noch einiges zu tun; die jüngste BAG-Entscheidung markiert eine Ruhepause, aber noch kein Ende der Debatte. 61

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Schüren/Wank, RdA 2011, 1, 7 ff.; Brors/Schüren, Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit verhindern, Rechtsgutachten für das MAIS NRW, 2014, S. 5, 6 ff. Zwölfter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, BT-Drs. 18/573, 2014, S. 20 f. Wank in: ErfK-AÜG, § 3a Rn. 3; ebenso Riechert, NZA 2013, 303, 306 f.; Waas, ZESAR 2012, 7, 9 f.; a.A. Sansone, Gleichstellung von Leiharbeitnehmern nach deutschem und Unionsrecht, 2011, S. 546.

Sozialrecht

Mietspiegel – ein Patentrezept? Grundsicherungsrecht trifft auf Mietrecht RiBSG Sabine Knickrehm A. Einleitung „Gentrifizierung“ und Mietpreisbremse sind Stichworte aus der aktuellen Tagespolitik. Sie betreffen Bezieher und Erbringer der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II gleichermaßen. Für die Leistungsbezieher bedeuten Mietpreissteigerungen im konkreten Einzelfall, dass es für sie zunehmend schwieriger wird, insbesondere in Ballungsgebieten eine grundsicherungsrechtlich „angemessene“ Wohnung zu finden. Dies kann für sie „Gentrifizierung“ oder auch „Ghettoisierung“ bedeuten. Auch für die kommunalen Träger können die finanziellen Auswirkungen der Mietpreissteigerungen und der Verknappung des Angebots auf dem freien Wohnungsmarkt erheblich sein. Sie müssen, soll die abstrakte Referenzmiete realitätsgerecht die Verhältnisse auf dem Mietwohungsmarkt abbilden, ggf. höhere Leistungen für Unterkunft erbringen. Hier drängt sich sogleich die Frage auf, wie die abstrakte Referenzmiete, als Angemessenheitsgrenze für Unterkunftsleistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, zu ermitteln ist. Das BSG hat in jüngster Zeit die Datengrundlage eines Mietspiegels – für die Stadt München – als geeignet befunden, um nach den Kriterien des „schlüssigen Konzepts“ die Referenzmiete zu bestimmen1. Ob damit ein Patentrezept gefunden worden ist, ist allerdings fraglich. Denn zum einen sind Mietspiegel nach dem Mietrecht nicht dazu „gedacht“, die existenzsichernde Referenzmie-

te zu bestimmen, und zum zweiten ist angesichts der Methodik der Erhebung der ihnen zugrunde liegenden Daten in Zeiten schnell steigender Mietpreise zumindest zweifelhaft, ob durch sie der Anspruch auf Realitätsgerechtigkeit erfüllt werden kann. Zur Beantwortung der Ausgangsfrage werden im Weiteren aus grundsicherungs- und mietrechtlicher Perspektive die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen von Mietspiegeln beleuchtet. Um den Rahmen zu fixieren, in dem sich die Ausgangsfrage stellt, soll dazu zunächst ein kurzer Eindruck von den aktuellen Bedingungen des Mietwohnungsmarktes vermittelt werden, auf dem sich Grundsicherungsleistungsempfänger bewegen, wenn es um die Finanzierung ihrer Unterkunft geht. Anschließend werden das rechtliche System der Leistungsgewährung nach § 22 SGB II sowie die Funktion von Mietspiegeln im SGB II und Mietrecht umrissen. Im mietrechtlichen Teil folgt eine Darstellung der verschiedenen Arten von Mietspiegeln sowie der neueren Rechtsprechung des BGH zum Beweiswert der Vergleichsmiete aus einem Mietspiegel und zur Methodik der Datenerhebung bei Mietspiegeln. Auf dieser Grundlage soll zum Schluss die These untermauert werden, dass auch 1

BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70; vgl. zum Berliner Mietspiegel BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 Rn. 28; Fortführung von BGH, Urt. v. 21.11.2012 - VIII ZR 46/12.

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die Mietspiegeldaten nicht unbedingt Gewähr für eine realitätsgerechte Bestimmung der Referenzmiete sind und erste Anregungen für die Lösungsansätze insoweit erwogen werden. B. Rahmenbedingungen I. Lage am Mietwohnungsmarkt Steigende Mieten und Mietwohnungsknappheit waren jahrelang kein Thema in Deutschland. Auch heute treten deutliche Mietsteigerungen zwar nur regional begrenzt auf und sind in erster Linie ein Problem bei Neuvermietungen in Ballungszentren, Groß- sowie akttraktiven Mittel- und Hochschulstädten in den westlichen Bundesländern.2 Dort sind in den letzten fünf Jahren jedoch große Steigerungsraten zu verzeichnen gewesen.3 Der Deutsche Mieterbund hat Differenzen zwischen Bestands- und Marktmieten von weit über 30 % etwa in Regensburg, Münster und Konstanz ermittelt.4 Für einkommensschwache Haushalte wird es immer schwieriger in den Zentren bezahlbaren Wohnraum anzumieten. Die moderne Bezeichnung hierfür ist „Gentrifizierung“.5 Diese Erkenntnisse haben entscheidende Bedeutung für die Bemessung der angemessenen Vergleichsmiete – bei der abstrakten Angemessenheit. Sie zeigen zum einen, dass es richtig ist, den Begriff der Angemessenheit in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II als regional determiniert zu werten.6 Stichworte sind zum anderen: Vermeidung von Ghettoisierung und Einbeziehung von Neuvertragsmieten in die Bemessung der Referenzmiete. Sie spielen aber auch bei der konkreten Angemessenheit – der Kostensenkungsobliegenheit – eine Rolle, etwa bei der Frage nach der Unmöglichkeit eines Umzugs; auch dessen Wirtschaftlichkeit könnte hiervon berührt werden. II. Reaktionen des Gesetzgebers Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat auf die Entwicklung der Mietpreise reagiert und vereinbart, gesetzliche Grundlagen für eine sog. „Mietpreisbremse“ zu schaffen.7 Inzwischen liegt ein Referentenentwurf aus dem Bundesjustiz- und Verbraucherschutzministerium vor.8 Danach sollen die Länder – grob gesprochen – die Möglichkeit erhalten, in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten bei Wiedervermietung die Mieterhöhung auf maximal 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558 Abs. 2 BGB alt) beschränken zu können (§ 556d BGB neu). Die Vorschläge hier im Einzelnen darzustellen, würde den Rahmen des Beitrags sprengen. Als weitere Maßnahme zur Entlastung von Mietern verspricht der Koalitionsvertrag die Leistungen für Unterkunft in Gestalt des Wohngeldes „anzupassen“.9 Grundsicherungsleistungsempfänger werden hiervon jedoch wohl kaum profitieren. Anspruch auf Wohngeld ha-

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ben sie nicht, und selbst wenn das SGB II vorsieht, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft vom Jobcenter/kommunalen Träger zu übernehmen sind, so muss die Miete, soll sie als Leistung nach dem SGB II erbracht werden, auch „angemessen“ sein. Angemessenen Wohnraum in den zuvor benannten Gebieten mit steigenden Mieten zu finden, wird jedoch auch durch eine Mietpreisbremse kaum realistischer werden. Bevor dieses System näher aufgeblättert wird, noch ein kurzer Blick auf einen weiteren für den Mietwohnungsmarkt und das SGB II bedeutenden Aspekt, das Zusammenspiel von Unterkunftsleistungen und Mietpreisbildung auf dem Mietwohnungsmarkt. III. Unterkunftsleistungen nach dem SGB II und Mietpreisbildung Die Ausgaben für Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II waren 2010 mit 13,7 Mrd. Euro – dies verdeutlicht ihre Bedeutung – fast achtmal so hoch wie die für Wohngeld.10 So bezogen 2010 fast 15 % aller Mieterhaushalte in Deutschland Leistungen nach dem SGB II.11

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In den östlichen Bundesländern – mit einem hohen Anteil an Bestandsmieten – lag die Erhöhung der Mieten weit unter dem Durchschnitt, vgl. Destatis - Statistisches Bundesamt - Presseveröffentlichung vom 21.01.2014. Destatis - Pfad: Start › Branchen › Finanzen, Versicherungen & Immobilien › Immobilien › Entwicklung der Neuvertragsmieten in Deutschlands Großstädten bis 2013, vgl. http://de.statista.com/statistik/ daten/studie/259732/umfrage/entwicklung-der-neuvertragsmietenin-deutschlands-grossstaedten/ (abgerufen am 09.05.2014). Auswertung des Deutschen Mieterbundes auf Grundlage F+B-Mietspiegel und F+B-Wohnindex, viertes Quartal 2013, Pressemitteilung vom 28.02.2014. „Kalle in der Falle“ – ein Fall der Gentrifizierung, der große öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat, in: Frankfurter Rundschau vom 17./ 18.04.2014, S. 39. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung – Mietrechtsnovellierungsgesetz – MietNovG, BMJV, April 2014. Vgl. Schultz, ZRP 2014, 37. MietNovG, BMJV, April 2014. Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode, S. 114 f. Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland, Quelle BMVBS, http://www.bmvbs.de/cae/servlet/contentblob/ 93186/publicationFile/65004/immobilien-und-wohnungsmarkt-bericht.pdf, S. 86, 87 (abgerufen am 09.05.2014); vgl. auch Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg; Pressemitteilung des Deutschen Landkreistages vom 02.10.2013; vgl. auch Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Wohngeld in den Städten und Regionen, BBSR-Analysen KOMPAKT 10/2013, S. 3; Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II-Pressemitteilung des Deutschen Landkreistages vom 11.04.2012. Wohngeld- und Mietenbericht der Bundesregierung für 2010, BT-Drs. 17/6289, S. 41.

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Diesen Leistungen kommt damit die größte Bedeutung für den „sozialen Ausgleich“ am Wohnungsmarkt zu. Dieser soziale Ausgleich hat zugleich auch Auswirkungen auf die Preisbildung auf dem Wohnungsmarkt. Eine nach bestimmten Kriterien ermittelte Referenzmiete bestimmt im SGB II die Obergrenze für dort als angemessen bewerteten Wohnraum. Die Bedarfsgemeinschaften nach dem SGB II haben damit grundsätzlich auch nur Zugang zu diesem Teil des Wohnungsmarktes. Umgekehrt orientiert sich die freie Mietpreisbildung in dem betreffenden Segment an diesen Obergrenzen.12 Die realen Mieten am Wohnungsmarkt wiederum sind die Grundlage für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze – also eine Spirale, der mit herkömmlichen Mitteln der Jurisprudenz nur schwer zu entkommen ist.

oder Heizaufwendungen des Leistungsberechtigten nicht „angemessen“ sind (sog. „konkrete Angemessenheit“), und wonach richtet sich die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze (sog. „abstrakte Angemessenheit“)? Zunächst zur konkreten Angemessenheit, die dogmatisch betrachtet zwar erst den zweiten Prüfungsschritt darstellt, denn zunächst muss bestimmt werden, wie hoch die Referenzmiete im Rahmen der abstrakten Angemessenheit ist. Nur wenn diese bekannt ist, kann eine Aussage dazu getroffen werden, ob die Leistungshöhe unter den tatsächlichen Aufwendungen bleiben und im Rahmen der konkreten Angemessenheit begrenzt werden darf. Hier soll die konkrete Angemessenheit jedoch ausnahmsweise als erstes behandelt werden, um die Tragweite der Bestimmung der abstrakten Grenze zu verdeutlichen.

C. Grundsicherungsrechtliche Bestimmung der Unterkunftsaufwendungen

1. Konkret angemessene Aufwendungen

I. Einleitung Das 2005 eingeführte SGB II soll den danach Leistungsberechtigten diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichern, die für ihre physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Die existenzsichernde Leistung setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen, der Regelleistung und den Leistungen für Unterkunft und Heizung. Der Gewährleistungsanspruch gegenüber dem Staat, abgeleitet aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG13, umfasst auch das „Wohnen“. Dessen Umfang ist an den bestehenden Lebensbedingungen – hier denen des Mietwohnungsmarktes – auszurichten und seine Bemessung hat in einem kontrollierten und kontrollierbaren Verfahren zu erfolgen. II. Tatsächliche Aufwendungen § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II regelt, dass Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden. Allerdings erfolgt eine Begrenzung der Leistungsverpflichtung des kommunalen Trägers insofern – und dies ist das entscheidende Einfalltor für die zuvor benannten Bedingungen des Wohnungsmarktes –, als die Aufwendungen der Leistungsberechtigten angemessen sein müssen. III. Begrenzung durch Angemessenheit Die Frage danach, wie hoch die Leistungen sind, die die Kommune nach § 22 SGB II zu erbringen hat, wird im SGB II, anders als im WoGG, nicht betragsmäßig bestimmt, sondern durch einen unbestimmten Rechtsbegriff umschrieben, den Begriff der „Angemessenheit“. Damit stellen sich zwei Fragen: Was passiert, wenn die Miet- und/

Übersteigen die tatsächlichen Aufwendungen eines Leistungsberechtigten für die Bruttokaltmiete14 die abstrakte Angemessenheitsgrenze – die sog. Referenzmiete – sieht § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vor, dass sie als Bedarf so lange anzuerkennen sind, wie es dem Leistungsberechtigten nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Den Leistungsberechtigten trifft mithin im Rahmen der konkreten Angemessenheit eine sog. Kostensenkungsobliegenheit. Mietpreissteigerungen, sei es, weil ein SGB-II-Leistungsberechtigter in eine neue Wohnung zieht oder weil er einem Mieterhöhungsverlangen ausgesetzt ist, können also dazu führen, dass er die Unterkunftskosten zu senken hat, ggf. eine andere und preisgünstigere Wohnung suchen muss, oder aber in Kauf zu nehmen hat, dass die Leistungen nach dem SGB II seinen Bedarf nicht decken und er ggf. den Rest aus dem Regelbedarf oder von der Berücksichtigung freigestelltem Einkommen finanzieren muss.

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Arbeitshilfe zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen der Unterkunft im Rahmen der kommunalen Satzungen, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Januar 2013, S. 10. BVerfG, Urt. v. 09.02.2010 - BvL 1/09 u.a. - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr. 12. Zur Bruttokaltmiete als Grundlage der Bemessung der angemessenen Aufwendungen vgl. BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70, Rn. 31, unter Hinweis auf BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 Rn. 33 f.; vgl. auch BSG, Urt. v. 19.02.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 18 Rn. 16 ff; BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 51 Rn. 34 ; BSG, Urt. v. 22.08.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 64 Rn. 27.

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2. Abstrakt angemessene Aufwendungen Der Begriff der „Angemessenheit“ unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff vollständig der richterlichen Kontrolle und ist zugleich i.S. der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich determiniert. Maßstab für die Bestimmung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten sind nach der Rechtsprechung des BSG die „Produkttheorie“ und das „schlüssige Konzept“. a) Produkttheorie Für die Angemessenheit einer Unterkunft sind bestimmend die Größe der Wohnung, typisierend festgelegt anhand der landesrechtlichen Wohnraumfördervorschriften, und der Wohnstandard, definiert als ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad. Nur das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, muss jedoch angemessen sein. Die „Produkttheorie“ ermöglicht damit dem Leistungsberechtigten eine gewisse Varianz bei der Wahl der Größe der Wohnung und deren Standard.15 b) Schlüssiges Konzept Die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Angemessenheit“ erfolgt nach der Rechtsprechung des BSG im weitesten Sinne durch „kontrolliertes Verfahren“ – durch die Forderung an den Grundsicherungsträger ein „Konzept“ zu erstellen, das die Rechtsprechung auf „Schlüssigkeit“ überprüft – ein „schlüssiges Konzept“. Das „schlüssige Konzept“ ist von dem Grundgedanken getragen, den Grundsicherungsträger anzuhalten, der Bemessung der örtlichen Referenzmiete eine Datengrundlage zu verschaffen, die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die Referenzmiete die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes – des Vergleichsraums16 – wiedergibt17, also realitätsgerecht das Existenzminimum im Bereich der Unterkunft sichern kann. Die Verfahrensvorgaben des schlüssigen Konzepts sollen dabei drei Aspekten Rechnung tragen: 1. Sicherstellung des staatlichen Gewährleistungsauftrags im Bereich Unterkunft und Heizung, 2. Gleichbehandlung der Leistungsberechtigten nach dem SGB II im gesamten Bundesgebiet durch Verfahrensregeln und gleichzeitig 3. Berücksichtigung der regionalen Unterschiede.18 Es soll an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick gegeben werden, was sich hinter dem „schlüssigen Konzept“ konkret verbirgt: Ein Konzept liegt vor, wenn der Grundsicherungsträger planmäßig vorgegangen ist, im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen im maßgeblichen Vergleichsraum für sämtliche Anwendungsfälle und nicht nur punktuell im Einzelfall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es bestimmte Mindestvoraussetzungen der Daten-

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erhebung und -auswertung im Sinne der Folgerichtigkeit erfüllt, insbesondere im Hinblick auf die Repräsentativität der Daten, die Validität der Datenerhebung, die Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze bei der Datenauswertung und einer hinreichenden Begründung der gezogenen Schlüsse.19 Da die Erstellung eines „schlüssigen Konzepts“ in der kommunalen Praxis als sehr aufwendig angesehen wird (wurde?) und zu zahlreichen Gerichtsverfahren geführt hat,20 hat der Gesetzgeber sich 2011 entschlossen, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, eine Ermächtigungsgrundlage für die Kreise und kreisfreien Städte zu schaffen, um die Angemessenheitsgrenze durch Satzungen zu bestimmen. Die §§ 22a bis 22c SGB II21 regeln zwar einige Details zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze, folgen aber im Wesentlichen den Vorgaben des BSG zum schlüssigen Konzept.22 In diesem Konzept nicht ausdrücklich vorgesehen sind die Heizkosten, die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II auch der Angemessenheitsgrenze unterworfen sind. Sie in die Referenzmiete einzubeziehen, ist nach dem „schlüssigen Konzept“ zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Das BSG hat bisher die Bestimmung einer „Bruttowarmvergleichsmiete“ jedoch aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Denn es fehlt zurzeit noch an Methoden die abstrakte Angemessenheit der Heizkosten festzustellen. Ein abstrakter Maßstab insoweit litte bereits daran, dass der Heizverbrauch in Abhängigkeit zu der konkreten Lage der Wohnung innerhalb eines Hauses, der geographischen Lage des Hauses selbst, aber auch dessen energetischen Standards steht – also individuelle, an dem Mietobjekt selbst haftende Faktoren ihn überlagern könnten.23 Eine Überprüfung der Angemessenheit der Heizkosten erfolgt daher nur dann, wenn die individuellen Heizkosten die Werte der rechten 15

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Erstmals BSG, Urt. v. 07.11.2006 - B 7b AS 10/06 R - BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2, seitdem in st. Rsp. Vergleichsräume sind ausreichend große Räume (nicht bloße Ortsoder Stadtteile) der Wohnbebauung, die auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden – vgl. BSG, Urt. v. 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 - SozR 4-4200 § 22 Nr. 19 Leitsatz 2. BSG, Urt. v. 18.06.2008 - B 14/7b 44/06 R. Vgl. S. Knickrehm in: Sozialrecht – Tradition und Zukunft 2013, S. 79. Zusammenfassung aus S. Knickrehm, SozSich 2010, 167, 170; vgl. auch BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70 Rn. 28. Vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 99. Eingefügt durch das RBEG/SGBII/SGB XII-ÄndG vom 24.03.2011, BGBl I 2011, 453. Vgl. S. Knickrehm in: Sozialrecht – Tradition und Zukunft 2013, S. 79. Vgl. BSG, Urt. v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 69 Rn. 21.

JM 08/09 | Spalte der örtlichen oder des bundesweiten Heizkostenspiegels überschreiten.24 Bis zur Höhe dieser Werte werden die tatsächlichen Aufwendungen von den Trägern ohne Angemessenheitsprüfung übernommen. D. Mietspiegel zur Bestimmung der Referenzmiete – Grundsicherungsrecht trifft auf Mietrecht I. Rückgriff im SGB II auf Mietspiegel Wenn inzwischen auch weitestgehend anerkannt ist, dass die abstrakte Angemessenheit der Unterkunftskosten nach einem „schlüssigen Konzept“ zu ermitteln ist, so bleibt insbesondere streitig, wie die Daten hierfür zu gewinnen sind (Methode) und woher sie stammen können und dürfen (Quelle). Fraglich ist, ob die Datengrundlage, die Mietspiegeln zugrunde liegt, geeignet zur Bemessung der Referenzmiete im SGB II ist – soweit Mietspiegel in dem jeweiligen Vergleichsraum existieren. Dies ist zwar im ländlichen Raum selten der Fall – aber in Ballungszentren umso häufiger, also gerade den Problemräumen mit starken Mietpreissteigerungen. Insgesamt gab es nach Angaben des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung aus dem Jahre 2010 in Deutschland in immerhin 325 Städten ab 20.000 Einwohnern einen Mietspiegel (adaptiert, einfach oder qualifiziert).25 Das BSG hat es für zulässig gehalten, wenn die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten der Bestimmung der angemessenen Referenzmiete zugrunde gelegt werden.26 Es hat insoweit den Rückgriff auf eine im weitesten Sinne mietrechtliche Datenbank zugelassen und für die Stadt München auf Grundlage der für einen Mietspiegel gewonnenen Daten eine vom LSG Bayern ermittelte Referenzmiete für schlüssig ermittelt befunden.27 Es fragt sich daher, ob damit ein „Patentrezept“ zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze gefunden worden ist, das zumindest in Ballungszentren die Probleme des schlüssigen Konzepts löst? Doch wie immer steckt der „Teufel im Detail“ – darum zunächst der mietrechtliche Blick auf die „Mietspiegel“.

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immer währender Streitigkeiten entwickeln“ werde. Auch wurden ernstliche Bedenken gegen die Ermittelbarkeit der ortsüblichen Entgelte geäußert – die Ähnlichkeit mit der Diskussion des schlüssigen Konzepts des BSG ist nicht zu übersehen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der ortsüblichen Vergleichsmiete wurde sodann als „objektiver, empirischer Natur“ bestimmt, der sich deshalb durch örtlich repräsentative, soziologisch-statistische Umfragen ausfüllen lasse.29 Die Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete erfordert die Ermittlung der tatsächlich und üblicherweise gezahlten Miete für vergleichbare Wohnungen. Sie ist ein objektiver Maßstab, der einen repräsentativen Querschnitt der üblichen Entgelte darstellen soll.30 Hierauf hat der Gesetzgeber reagiert und Mietspiegel als Begründungsmittel vorgesehen. Ein Mietspiegel ist nach § 558c Abs. 1 BGB eine Übersicht über die ortsübliche Vergleichsmiete, soweit die Übersicht von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam erstellt oder anerkannt worden ist. Sie nimmt das Mietniveau der gesamten Gemeinde in den Blick.31 An diese ortsübliche Vergleichsmiete soll zukünftig auch die Mietpreisbremse anknüpfen. Sie erlangt damit neben der Indizwirkung im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens für die zutreffende Benennung der ortsüblichen Vergleichsmiete ebenfalls bei der Wiedervermietung Bedeutung.32 2. Arten von Mietspiegeln Das Gesetz definiert in § 558d BGB ausdrücklich den qualifizierten Mietspiegel. Ein Mietspiegel, der kein qualifizierter in diesem Sinne ist, wird als „einfacher“ bezeichnet. Aus dem Umkehrschluss des § 558d BGB folgt, dass für einen einfachen Mietspiegel eine wissenschaftliche Ermittlungsmethode nicht vorgeschrieben ist und es auch keine zwingenden Dokumentationspflichten im Hinblick auf die Datengrundlagen gibt. Der einfache Mietspiegel stellt lediglich eine statistisch aufbereitete Sammlung von Vergleichsmieten dar. In der Literatur werden in ihm Ähnlich-

II. Mietspiegel im Mietrecht

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1. Funktion von Mietspiegeln

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Das Gesetz gestattet dem Vermieter in § 558a Abs. 2 Nr. 1 BGB zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens die Bezugnahme auf einen Mietspiegel. Durch die Einführung von Mietspiegeln hat er 1974 auf Kritik am 1. Wohnraumkündigungsschutzgesetz reagiert, das diese Art der Begründung noch nicht vorsah.28 Es wurde damals die Auffassung vertreten, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des Begriffs der ortsüblichen Vergleichsmiete die Gerichte vor eine „nahezu unlösbare Aufgabe“ gestellt habe. Die Prognose lautete, dass die „Vorschrift sich zu einer Quelle

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BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 36/08 R - BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 23. BSSR-Online-Publikation, Nr. 04/2010, S. 22. BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70; vgl. auch BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 42 Rn. 28; Fortführung von BGH, Urt. v. 21.11.2012 - VIII ZR 46/12. BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 70. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558c Rn. 2 unter Hinweis auf Löwe, NJW 1972, 2017, 2020. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558c Rn. 2. BGH, Urt. v. 20.04.2005 - VIII ZR 110/04 Rn. 13. BGH, Urt. v. 03.07.2013 - VIII ZR 354/12 Rn. 21. BGH, Urt. v. 16.06.2010 - VIII ZR 99/09 Rn. 11 ff.

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keiten mit einer amtlichen Auskunft in Form einer Zusammenfassung von Einzeltatsachen erkannt (Erfassung eines statistischen Durchschnittswertes).33 Nach § 558d Abs. 3 BGB wird hingegen vermutet, dass die im qualifizierten Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben. § 558d Abs. 1 BGB bestimmt über die auch für ihn geltenden Grundvoraussetzungen für einen Mietspiegel zusätzlich, dass er nach anerkannten statistischen Methoden erstellt worden sein muss, die gewährleisten, dass er ein realistisches Abbild des Wohnungsmarktes liefert. Zudem muss er im Abstand von zwei Jahren der Marktentwicklung angepasst werden. Die Bezeichnung als qualifizierter Mietspiegel reicht jedoch nicht aus, um ihn zu einem qualifizierten Mietspiegel zu machen.34 Es genügt auch nicht, dass die örtliche Vergleichsmiete nach empirisch- oder statistisch-wissenschaftlich zutreffenden Maßstäben festgestellt worden ist. Der Mietspiegel soll als Ergebnis die ortsübliche Vergleichsmiete widerspiegeln. Der Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ist jedoch ein unbestimmter Rechtsbegriff, der das Ergebnis zahlreicher normativer Entscheidungen ist, die bereits bei der jeder Mietspiegelerstellung vorangehenden Datenerhebung getroffen werden müssen. Es sind Fragen danach zu beantworten, welche Mieten in der Gemeinde ermittelt, wie sie gewichtet und welche Mieten ausgeschlossen werden sollen.35 Börstinghaus formuliert vier Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit angenommen werden kann, es liege ein Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen vor: Der Mietspiegel muss vom richtigen Begriff der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgehen, die Daten müssen auf einer repräsentativen Datenerhebung beruhen, es muss eine anerkannte wissenschaftliche Auswertungsmethode gewählt und die Einhaltung der drei zuvor genannten Voraussetzungen muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt worden sein.36 Methodisch werden im Wesentlichen zwei „Mietspiegelarten“ unterschieden: Der „Tabellenmietspiegel“ und der „Regressionsmietspiegel“. Beim Regressionsmietspiegel wird davon ausgegangen, dass die Miete einer Wohnung sich aus der Bewertung ihrer Wohnwertmerkmale durch die Marktpartner ergibt und dieser Zusammenhang mit einer mathematischen Gleichung beschrieben werden kann. Jedes Merkmal leistet dabei einen Beitrag zum Mietpreis der Wohnung.37 Daher kommen Regressionsmietspiegel im Vergleich zum Tabellenmietspiegel mit einer kleineren Stichprobe aus. Denn der Regressionsmietspiegel nutzt die Informationen der gesamten Stichprobe und nicht nur von Teilmengen, wie sie hinter den jeweiligen Tabellenfeldern des Tabellenmietspiegels stehen.38 Für die Stichprobe gilt, dass sie proportional vorzunehmen ist,

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also dass in einer solchen Stichprobe alle wesentlichen Teilmengen der Grundgesamtheit in ähnlichen Proportionen auch enthalten sind.39 Soweit im Mietrecht Vorbehalte gegen den Beweiswert von Mietspiegeln bestehen, die nach der Regressionsmethode erstellt worden sind, richten sich diese nicht grundsätzlich gegen die Methode als solche, sondern gegen die Umsetzung im konkreten Fall.40 Dem Tabellenmietspiegel liegt die Idee zugrunde, dass sich die Struktur des Wohnungsmarktes in typischen Kategorien von Wohnungen beschreiben lässt. Die Kategorien werden durch Kombination von Wohnwertmerkmalen beschrieben. Die Tabellenmethode stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen in Rasterfeldern zusammen.41 Das sind z.B. Altbau einer bestimmten Größe, mit Bad, in bestimmter Wohnlage usw. Die Kategorien werden dann in einem bestimmten Mietspiegelfeld beschrieben. Jedes Tabellenfeld enthält Spannenwerte, wobei in einem Tabellenfeld mehrere Einzelspannen zusammengefasst werden. Daher besteht pauschal Anspruch nur auf Zustimmung zur Mieterhöhung auf den Mittelwert der Spanne in einem Tabellenfeld. Bei einem qualifizierten Tabellenmietspiegel müssen dabei mit geeigneten wissenschaftlichen Methoden diejenigen Wohnwertmerkmale identifiziert werden, die Einfluss auf die Miethöhe haben. Die Tabellenfelder müssen zudem in sich homogen und voneinander verschieden sein. Allerdings kann es vorkommen, dass einzelne Tabellenfelder die örtliche Vergleichsmiete nicht repräsentativ ausweisen, weil sie nicht mit einer hinreichenden Menge an Wohnungen besetzt sind.42 Die Tabellenfelder werden in einigen Mietspiegeln nach Baualtersklassen geordnet. Derartige Ordnungen nach Baualter können allerdings nur sehr ver33

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Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558d Rn. 8. BGH, Urt. v. 21.11.2012 - VIII ZR 46/12 Rn. 11; vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 06.11.2013 - VIII ZR 346/12. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558d Rn. 59. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558d Rn. 61. Vgl. dazu Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW), Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S. 40. Vgl. BMVBW, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S. 39. Börstinghaus/Clar, Mietspiegel, 1997, Rn. 650; BMVBW, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S. 35. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558d Rn. 70. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558d Rn. 71. BMVBW, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S. 14.

JM 08/09 | gröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard zulassen, wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen liegt, so bleibt ein renovierter Altbau nach dem Tabellenmietspiegel ein Altbau. Zusammenfassend kann mit Börstinghaus43 gesagt werden, dass die Tabellenmethode statistisch viel weniger mathematische Berechnungen, die Regressionsmethode vor allem erhebliche Vorüberlegungen erfordert. Der Tabellenmietspiegel erlaubt dafür aber auch nur eine sehr grobe Einteilung. Bei der Regressionsmethode sind hingegen erhebliche Modellannahmen notwendig, die der Wirklichkeit nicht immer entsprechen müssen. Deshalb hängt die Qualität eines Mietspiegels, der nach der Regressionsmethode erstellt wurde, maßgeblich von der Richtigkeit dieser Modellannahmen ab. Nach den Hinweisen zur Aufstellung von Mietspiegeln 200244 gibt es – und dies ist auch für die Ermittlung der Referenzmiete im SGB II von entscheidender Bedeutung – nicht „das“ Verfahren zur Erstellung von Regressionsmietspiegeln, sondern zahlreiche Varianten. 3. Der BGH und Datengrundlagen von Mietspiegeln Im vergangenen Jahr hat sich der BGH mehrfach mit den statistisch-wissenschaftlichen Anforderungen an Mietspiegel befasst.45 In einem Fall aus November 2013 wehrte sich eine Mieterin gegen ein Mieterhöhungsbegehren des Vermieters, das dieser mit sechs örtlichen Vergleichsmieten begründet hatte. In den Tatsacheninstanzen ist die Mieterin erfolgreich gewesen, denn diese haben den Mietspiegel – hier für Berlin – herangezogen und festgestellt, dass danach die ortsübliche Nettokaltmiete bereits unterhalb der von der Mieterin gezahlten Miete liege. Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und ausgeführt, dass sich das Berufungsgericht nicht auf die Vermutungswirkung des Mietspiegels habe stützen können. Diese setze voraus, dass der Mietspiegel tatsächlich nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt worden sei. Davon könne jedoch nicht nur deswegen ausgegangen werden, weil er von seinem Ersteller als qualifizierter Mietspiegel bezeichnet oder von der Gemeinde und/oder von den Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter als solcher anerkannt und veröffentlicht werde.46 Es komme auf die Dokumentation der Daten bei der Erstellung an.47 Die Einhaltung/Nichteinhaltung anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze lasse sich, so der BGH, häufig jedoch nur durch ein Sachverständigengutachten klären oder zumindest durch ergiebige Erläuterungen im Mietspiegel, ergänzend eingeholte amtliche Auskünfte oder Anhörung sachverständiger Zeugen – etwa von Experten, die an der Erstellung des Mietspiegels maßgeblich beteiligt waren.48

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Welche Auswirkungen hat diese Rechtsprechung des BGH auf die Bestimmung der Referenzmiete nach dem SGB II? III. Patentrezept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze: Mietspiegel? Die Rechtsprechung des BGH bestätigt die bisherige Linie des BSG. Abgesehen davon, dass es ohnehin nicht der Funktion von Mietspiegeln entspricht, die existenzsichernde Höhe einer Miete zu bestimmen, zeigt bereits ihre Verwendung im Mietrecht, dass sie nicht uneingeschränkt tauglich sind. Insoweit ist davor zu warnen, aus § 22c Abs. 1 Satz 1 SGB II zu schließen, Mietspiegel könnten ohne weiteres zur Bestimmung der Referenzmiete herangezogen werden. Nach dieser Vorschrift im Rahmen der „Satzungslösung“ soll es zulässig sein, zur Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung insbesondere Mietspiegel, qualifizierte Mietspiegel und Mietdatenbanken auch einzeln zu berücksichtigen. § 22c Abs. 1 Satz 1 SGB II ist zumindest auslegungsbedürftig in dem Sinne, dass sich die Berücksichtigungsfähigkeit von Mietspiegeln nur auf die dahinter liegenden Daten beziehen kann – soweit sie eine wissenschaftlich fundierte Aussage zu der Höhe der Referenzmiete zulassen –, nicht jedoch die dem Mietspiegel zu entnehmende örtliche Vergleichsmiete selbst. Sie kann nicht sozusagen 1:1 als Referenzmiete i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übernommenen werden. Soll ein Mietspiegel zur Bemessung der Referenzmiete nach dem SGB II herangezogen werden, so müssen bestimmte sich aus dem Zusammenspiel von Miet- und Grundsicherungsrecht ergebende Grundvoraussetzungen erfüllt werden. Es muss z.B. sichergestellt sein, dass Daten, die die einfachste Wohnausstattung oder Wohnlage betreffen, nicht einbezogen werden49 – also keine Toilette auf halber Treppe oder Wohnung neben der Müllkippe. Andererseits hat es das BSG nicht beanstandet, dass mit der Verwendung der Daten eines „qualifizierten Mietspiegels“ zur Bestimmung der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheitsgrenze im SGB II50 keine Angebotsmieten in

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Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558 Rn. 72. BMVBW, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002. Zuletzt BGH, Urt. v. 06.11.2013 - VIII ZR 346/12 Rn. 9; vgl. auch BGH, Urt. v. 03.07.2013 - VIII ZR 267/12; BGH, Urt. v. 03.07.2013 VIII ZR 269/12; BGH, Urt. v. 03.07.2013 - VIII ZR 263/12; BGH, Urt. v. 21.11.2012 - VIII ZR 46/12. BGH, Urt. v. 06.11.2013 - VIII ZR 346/12 Rn. 15. BT-Drs. 14/4553, S. 57. BGH, Urt. v. 06.11.2013 - VIII ZR 346/12 Rn. 20 f. BSG, Urt. v. 10.09.2013 - B 4 AS 77/12 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 70 Rn. 21. Vgl. nur BSG, Urt. v. 19.10.2010 - B 14 AS 65/09 R Rn. 29.

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die Datenerhebung einfließen.51 Angesichts der eingangs dargestellten Mietpreissteigerungen bei Neuvermietungen kann sich dies durchaus zu einem Problem für die Leistungsberechtigten im SGB II entwickeln. Zwar werden die hiervon ausgehenden Wirkungen auf die Mietpreisgrenze nach Auffassung des BSG dadurch gemindert, dass im Rahmen der Datenauswertung bei einem qualifizierten Mietspiegel lediglich solche Mieten berücksichtigungsfähig sind, die in den letzten vier Jahren vor dem Stichtag der Datenerhebung geändert oder neu vereinbart wurden.52 Ob dies in Zukunft, bei schnell steigenden Mietpreisen, wie eingangs dargelegt, ausreicht, um existenzsicherndes Wohnen zu gewährleisten, wird noch zu befinden sein. Auch an dieser Stelle ist jedoch ein Blick auf die Rechtslage des Satzungsrechts durchaus hilfreich. Nach § 22c Abs. 1 Satz 3 SGB II sollen in die Auswertung von Daten zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze sowohl Bestands- als auch Neuvertragsmieten einfließen. Der Gesetzgeber hat für den Satzungsgeber mithin bereits ein Mittel zur Behebung des aufgezeigten Problems aufgezeigt. Allerdings stellt sich damit die weitere Frage, wie die Neuvertragsmieten zu ermitteln sein sollen. In die Datengrundlage von Mietspiegeln haben sie, wie dargelegt, keinen Eingang gefunden. Sie müssten also gesondert erhoben werden und mathematisch-statistisch fachgerecht in die Bestimmung der Referenzmiete eingehen. Dies wird die nächste Herausforderung für die kommunalen Träger sein (nach oder bei der Erstellung eines schlüssigen Konzepts), denn nur so kann der unbestimmte Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ realitätsgerecht ausgefüllt werden. Abhilfe – bis auf der abstrakten Ebene eine statistisch-wissenschaftliche Lösung gefunden worden ist – könnte in der konkreten Angemessenheit bei der „Vollstreckung“ der Kostensenkungsobliegenheit gesucht werden. Gemeint ist hier das Ausweichen in die objektive Unmöglichkeit des Umzugs nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auf angespannten Wohnungsmärkten (Einschub: aa). Ein weiterer Ansatz könnte sich aus dem Gedanken der Unwirtschaftlichkeit des Umzugs i.S. des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ergeben (Einschub: bb). (aa) Denkbar wäre es, die Kostensenkung als objektiv unmöglich anzusehen, wenn es in einem Vergleichsraum mit angespanntem Mietwohnungsmarkt faktisch nicht möglich ist, für die abstrakt festgelegte Referenzmiete eine Wohnung anzumieten. Es stellt sich dann allerdings die Frage, wie die Behauptung des „verschlossenen Mietwohnungsmarktes“ zu verifizieren sein könnte. In der Praxis werden in zahlreichen Jobcentern Nachweisbögen an die Leistungsberechtigten ausgegeben, auf denen sie sich bestätigen lassen sollen, dass sie sich vergeblich um Wohnraum bemüht haben.53 Alsdann werden wohl vielfach die tat-

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sächlichen Aufwendungen als Leistungen für Unterkunft weiter übernommen. Hier bedarf es noch weiterer Überlegungen im Hinblick auf die Bedingungen, unter denen die entsprechende „Mitwirkung“ gefordert werden kann. Fraglich ist, ob diese Form der Mitwirkung in § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X eine Rechtsgrundlage findet, es sich um die Mitwirkung bei der Sachverhaltsaufklärung im eigentlichen Sinne handelt. In der Literatur wird zur Mitwirkungsobliegenheit nach § 21 Abs. 2 Satz 1 SGB X die Auffassung vertreten, dass sie nur dann einsetzt, wenn die Behörde entweder mit eigenen Ermittlungen ohne Mitwirkung der Beteiligten nicht weiterkommt oder wenn diese im Verhältnis zum Erfolg nicht mehr vertretbar sind, der Sachverhalt aber unter Mitwirkung der Beteiligten aller Voraussicht nach problemlos aufgeklärt werden kann.54 Zwar mag die Mitwirkung hier dem eigenen Interesse des Leistungsberechtigten dienen, um einen Umzug zu vermeiden. Ob die Unmöglichkeit der Kostensenkungsobliegenheit insoweit jedoch nur aufgrund seines Sachwissens möglich ist, ist zumindest fraglich, und eine Pflicht, Beweismittel erst zu beschaffen oder erstellen zu lassen, besteht nicht.55 Außer aus dem Sozialrechtsverhältnis an sich lässt sich die hier verlangte Mitwirkung kaum begründen. Eine Rechtsvorschrift i.S. des § 21 Abs. 2 Satz 2 SGB X fehlt im SGB II. Gleichwohl muss festgehalten werden, dass die eingangs beschriebene Verwaltungspraxis sich wohl im Regelfall zu Gunsten des Leistungsberechtigten auswirkt und bei Mitwirkung zu dem von ihm gewünschten Ergebnis führen kann. Alternativ könnte der kommunale Träger auf abstrakter Ebene nur angehalten werden, aktuelle Daten zu den jeweiligen Segmenten des regionalen Mietwohnungsmarkts vorzuhalten. Dies wäre jedoch ein Ansatz, der letztlich wieder bei der abstrakten Angemessenheit ansetzt.56 (bb) Ferner ist an die Regelung zur Unwirtschaftlichkeit eines Umzugs auf einem angespannten Mietwohnungsmarkt zu denken.57 Anknüpfungspunkt ist hier § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Danach muss eine Absenkung der nach 51

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Anderes für andere Datenquellen: BSG, Urt. v. 02.07.2009 - B 14 AS 33/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 25 Rn. 20; BSG, Urt. v. 19.02.2009 B 4 AS 30/08 R - BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 19 Rn. 24; BSG, Urt. v. 22.09.2009 - B 4 AS 18/09 R - BSGE 102 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 30, Rn. 22 . Vgl. § 558 Abs. 2 BGB; BMVBW, Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, Stand Juli 2002, S. 3. Nicht repräsentative Erkenntnisse aus Verwaltungsakten, die in Revisionsverfahren beigezogen waren, und zahlreichen Gesprächen mit Mitarbeitern von Jobcentern auf Vortragsveranstaltungen. Luthe in: jurisPK-SGB X, Stand: XII/2012, § 21 Rn. 42. Siefert in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, Rn. 19. So bereits S. Knickrehm in: Sozialrecht – Tradition und Zukunft 2013, S. 79. BSG, Urt. v. 12.06.2013 - B 14 AS 60/12 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 69 Rn. 30, 31.

JM 08/09 | Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Zwar wird in der Gesetzesbegründung58 darauf hingewiesen, dass der Leistungsberechtigte aus der Vorschrift keine subjektiven Rechte ableiten könne – es handele sich um eine reine „Schutzvorschrift“ für die Leistungsträger. Unabhängig davon könnte ein Umzug als Form der Kostensenkung bei angespannter Mietwohnungslage jedoch auch für den Grundsicherungsträger unwirtschaftlich und daher wegen objektiver Unmöglichkeit nicht vom Leistungsberechtigten zu fordern sein. Dies spielt insbesondere dann eine Rolle, wenn die abstrakt bestimmte Angemessenheitsgrenze den Preisentwicklungen am Mietwohnungsmarkt nicht schnell genug „hinterherkommt“.59 Zurück zu den Mietspiegeln und der abstrakten Ebene: Datengrundlage und Berechnungsmethode bedürfen immer – also bei Mietspiegeln, ob sie nach der Regressions- oder der Tabellenmethode erstellt worden sind – einer Überprüfung im Einzelfall des jeweiligen Mietspiegels, um zu einer realitätsgerechten Bestimmung der Referenzmiete zu gelangen. Auch sind zumindest Zweifel angebracht, dass einfache Mietspiegel als Grundlagen für die Bestimmung der Referenzmiete geeignet sein können. Allerdings ist ihre Eignung wohl nicht ohne nähere Prüfung auszuschließen, da ein qualifizierter Mietspiegel nicht allein durch die Bezeichnung zu einem solchen i.S. des § 558d BGB wird.60 Umgekehrt kann die Datenqualität von einfachen Mietspiegeln äußerst unterschiedlich sein.61 Keinesfalls geeignet als Grundlage für die Bemessung der Referenzmiete dürfte hingegen der sogenannte „einvernehmlich festgestellte Mietspiegel“ sein. Er firmiert auch unter dem Begriff des „ausgehandelten Mietspiegels“, „manipulierten Mietspiegels“ oder „verhandelten Mietspiegels“.62 Selbst wenn auch ihm eine empirische Datenerhebung und eine wissenschaftliche Auswertung derselben zugrunde liegen kann, so beruht er doch zumindest immer darauf, dass die Verfahrensbeteiligten die „an sich streitige Realität“ ausgehandelt haben.63 E. Fazit Mietspiegel sind kein „Patentrezept“, um die abstrakt angemessene Referenzmiete im SGB II zu bestimmen. Es können nur die „hinter einem Mietspiegel“ liegenden Daten als – solide – Grundlage für die Bemessung der abstrakten Referenzmiete im SGB II dienen. Auch bei ihnen ist allerdings insoweit Skepsis in Hinblick auf die Realitätsgerechtigkeit angebracht, als sie keine Angebotsmieten berücksichtigen. Gerade auf angespannten Mietwohnungsmärkten ist deren Berücksichtigung jedoch sowohl bei einem Umzug des Leistungsberechtigten in eine neue

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Wohnung als auch bei einem Mieterhöhungsbegehren, das die konkrete Miete über den abstrakten Grenzwert steigen lässt, erforderlich. Nur so kann einer „Gentrifizierung“ oder „Ghettoisierung“ der Leistungsberechtigten vorgebeugt und vor allem eine realitätsgerechte Abbildung des Mietpreisniveaus durch die Referenzmiete gewährleistet werden. Bevor statistisch-wissenschaftliche Methoden entwickelt sind, um insoweit den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Wohnen sicherzustellen, kann der Ausweg temporär in der konkreten Angemessenheit gesucht werden. Aber auch dieser Weg ist mit Hindernissen versehen, etwa der erforderlichen Bestimmung der Grenzen der Mitwirkungsobliegenheiten des Leistungsberechtigten. 58 59

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BT-Drs. 17/3404, S. 98. Vgl. auch zu Mietpreissteigerungen wegen der angekündigten Mietpreisbremse: Frankfurter Rundschau vom 19.04.2014, S. 17. Vgl. zum einfachen Mietspiegel als Beweismittel im Mieterhöhungsprozess: BGH, Urt. v. 16.06.2010 - VIII ZR 99/09 Rn. 11 ff.; vgl. auch Börstinghaus, NZM 2002, 273, 274. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558c Rn. 32. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558c Rn. 41. Börstinghaus in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, § 558c Rn. 42 unter Hinweis auf Kofner, ZfW 1996, 397, 401, der von einer „Art Tarifabkommen“ spricht.

Verwaltungsrecht

Alle Macht den Richtern? BVerfG, Beschl. v. 14.01.2014 - 2 BvR 2728/13 Prof. Dr. Claus Dieter Classen A. Problem Um zwei Fragen kreist der vorliegende Beschluss: Wer kann eine Überprüfung des umstrittenen OMT-Beschlusses der Europäischen Zentralbank (EZB)1 erreichen, und zu welchem Resultat führt eine solche Überprüfung? Beim ersten Punkt konnte das BVerfG zwar insofern an frühere Rechtsprechung anknüpfen, als es aus Art. 38 GG auch ein Recht des Einzelnen darauf abgeleitet hat, dass der Bundestag seine Kompetenzen Organen der EU nur in klaren Grenzen überträgt.2 Nun war zu klären, ob dies auch das 1

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Beschluss des Rates der Europäischen Zentralbank vom 06.09.2012 über Technical Features of Outright Monetary Transcations (Ankauf von Staatsanleihen unter bestimmten Bedingungen). BVerfG, Urt. v. 12.10.1993 - 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92 - BVerfGE 89, 155, 187; BVerfG, Urt. v. 30.06.2009 - 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09 - BVerfGE 123, 267, 328 ff.

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Recht auf Kontrolle bereits ergangener europäischer Entscheidungen einschließt. Beim zweiten Punkt stellt sich materiell die Frage nach der Dichte der Kontrolle von Entscheidungen der EZB. Und unabhängig davon ist zu prüfen, in welcher Phase eines politischen Entscheidungsprozesses ein Richter intervenieren darf. B. Inhalt und Gegenstand Zum ersten Punkt kann nach dem BVerfG der einzelne Wahlbürger gemäß Art. 38 GG mittels Verfassungsbeschwerde „verlangen, dass Bundestag und Bundesregierung sich aktiv mit der Frage auseinandersetzen, wie (zu ergänzen: bei einem ultra vires-Akt der EU) die Kompetenzordnung wiederhergestellt werden kann, und eine positive Entscheidung darüber herbeiführen, welche Wege dafür beschritten werden sollen“ (Rn. 53). Im Ergebnis Gleiches soll für Fraktionen im Wege des Organstreites gelten. Die Voraussetzungen eines solchen Aktes sah das Gericht vorliegend im Grundsatz als gegeben an. Dagegen richten sich beide Sondervoten. Damit ist die Brücke zum zweiten Punkt geschlagen. Dabei verweist das BVerfG für seine eigene Prüfungskompetenz auf seine im „Honeywell“-Beschluss3 entfalteten Kriterien der Offensichtlichkeit und der strukturellen Bedeutsamkeit. Verstöße erkennt das BVerfG hinsichtlich des in Art. 127 AEUV verankerten Mandats der EZB (OMT seien allgemeine Wirtschafts-, nicht Geldpolitik) und hinsichtlich der nach Art. 123 AEUV unzulässigen Staatsfinanzierung durch die EZB. Dabei werden zum ersten Punkt vier, zum zweiten fünf Gesichtspunkte benannt, die jeweils zur Unzulässigkeit des EZB-Beschlusses führen sollen, entschließt man sich nicht zu einer restriktiven Interpretation. Gegen diese Überprüfung richtet sich vor allem das Sondervotum Lübbe-Wolff. C. Kontext Als deutscher Hoheitsakt, der Anknüpfungspunkt für eine ultra vires-Kontrolle (Rn. 23) sein kann, kommt vorliegend allenfalls die prozessual schwer fassbare Mitwirkungspflicht der Deutschen Bundesbank an der Umsetzung eines EZB-Beschlusses zum Anleihenankauf in Betracht. Daher akzeptiert das BVerfG ein Unterlassen von Bundesregierung und Bundestag als Verfahrensgegenstand. Dabei ist die Ausgangsüberlegung richtig: Die Übertragung von Hoheitsakten darf kein einmaliger Vorgang bleiben, sondern muss – begrifflich treffend mit „Integrationsverantwortung“ umschrieben – dauerhaft parlamentarisch-politisch begleitet werden. Abzulehnen ist es jedoch, dies zum subjektiven Recht eines jeden Staatsbürgers machen zu wollen (SV Gerhardt, Rn. 5 ff., 19 ff.). Bei konsequenter Handhabung

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müsste jedermann etwa auch das Recht haben, dass Gesetze hinreichend ausführlich beraten werden, dass bei auch rechtlich relevanten Missständen in der Bundesverwaltung eine parlamentarische Untersuchung erfolgt usw. Die Probleme werden vor allem deutlich, wenn man sich fragt, was die Verfassungsorgane denn hätten tun müssen. Das BVerfG bleibt hier – prozessrechtlich irritierend – sehr vage (Rn. 49). Die Sondervoten sind daher in ihrer Kritik zu Recht deutlich (SV Lübbe-Wolff, Rn. 12 ff., SV Gerhardt, Rn. 14 ff.). Ignoriert hatte die Politik die Frage ja nicht. So hat der Bundestag – nicht vom BVerfG, sondern nur im SV Gerhardt (Rn. 23) erwähnt – mit EZB-Präsident Draghi im Oktober 2012 kontrovers über die OMT diskutiert. Das war allerdings vor dem EuGH-Urteil zum ESM4, 5, das dem BVerfG Argumente für seine Kritik liefert. Ohnehin sind politischer Kritik mit rechtlichen Argumenten bei einem unabhängig gestellten Organ wie der EZB gewisse Grenzen gesetzt. Letztlich wäre wohl nur eine Klage vor dem EuGH in Betracht gekommen. Wer bestreitet, dass das BVerfG im Kern darauf abzielt, sollte bedenken, dass das vor diesem Gericht eingeleitete Verfahren nun zu einer solchen EuGHEntscheidung führt. Wer aber eine solche Klage oder auch nur eine entsprechende Debatte fordert, übergeht den erheblichen politischen Flurschaden, den schon generell eine Klage anrichten kann. Vorliegend wäre eine deutsche Klage gegen die EZB besonders heikel gewesen. Erst recht gilt dies für die sonstigen, von einzelnen Klägern angeführten möglichen Reaktionen (zusammengestellt im SV LübbeWolff, Rn. 20). Und selbst wenn vielleicht in Evidenzfällen anderes gelten sollte, dann hätte die vom Gericht angenommene „offensichtliche“ Rechtswidrigkeit, darauf weist das SV Gerhardt zu Recht hin (Rn. 15 ff.), für die deutschen Verfassungsorgane erkennbar sein müssen. Dazu findet sich im Beschluss nichts. Die Evidenz wird ja nicht einmal als solche begründet. Sie ist angesichts der breiten Zustimmung zur Maßnahme im EZB-Rat und darüber hinaus in Europa auch nicht naheliegend. In Rn. 39 und 43 des Beschlusses steht dazu jeweils ein Satz ohne jede konkrete Begründung. Bei der späteren Sacherörterung, bei der sich das Gericht mit Gegenargumenten kaum aufhält,6 findet sich gar nichts 3

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BVerfG, Beschl. v. 06.07.2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286, 304 ff. Europäischer Stabilitätsmechanismus = European Stability Mechanism, als Teil des sog. Euro-Rettungsschirms auf der Grundlage des von 17 EU-Staaten am 02.02.2012 unterzeichneten (völkerrechtlichen) Vertrages am 27.09.2012 in Kraft getreten. EuGH, Urt. v. 27.11.2012 - Rs. C-370/12 „Pringle“ insbesondere Rn. 53 ff. Für die Gegenposition ausführlich etwa Thiele, Das Mandat der EZB und die Krise des Euro, 2013.

JM 08/09 | mehr. Das Mandat der EZB aber wird nur überschritten, wenn die OMT als Maßnahme der Wirtschaftspolitik qualifiziert wird. Das kann jedoch allenfalls im Einzelfall so sein, weil der Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt prinzipiell als geldpolitisches Instrument anerkannt ist. Und zur verbotenen Staatsfinanzierung trägt das inkriminierte Handeln wenn überhaupt, dann allenfalls indirekt bei. Die Möglichkeit einer „Rettung“ des Beschlusses durch restriktive Interpretation (Rn. 99 f.) spricht zusätzlich gegen diese Offensichtlichkeit. In der Sache beruht der Vorlagebeschluss inhaltlich im Wesentlichen auf einem spezifisch deutschen, unionsrechtlich kaum anschlussfähigen Rechts- und Richterverständnis. Zum einen ist das europäische Rechtsschutzsystem recht strikt auf eine ex post-Kontrolle beschränkt; vorbeugender Rechtsschutz (dazu Rn. 34, 101) ist unbekannt. Insbesondere ist keine den Richter zur Vorabdefinition des rechtlichen Rahmens politischen Handelns zwingende Verpflichtungsklage nach deutschem Muster (Verurteilung zum Handeln „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts“) vorgesehen, und bei der Untätigkeitsklage geht es nur um das Ob, nicht das Wie politischen Handels. Und auch über den einstweiligen Rechtsschutz können diese Grenzen nicht umgangen werden, weil ein solches Verfahren ein anhängiges Hauptsacheverfahren voraussetzt. Dies alles ist Ausdruck einer bestimmten Ausprägung der richterlichen Funktion in einem gewaltenteilenden System.7 Vorliegend aber liegt bisher im Kern nur eine Ankündigung vor. Für den konkreten Ankauf von Staatsanleihen enthält diese den gegenteiligen Bekundungen des BVerfG zum Trotz (Rn. 35) zwar die notwendigen, aber kaum alle hinreichenden Bedingungen. Zum anderen lässt sich die Unzulässigkeit des OMT-Beschlusses wie erwähnt nicht unmittelbar aus den relevanten Normen ableiten, sondern ist das Ergebnis einer wertenden Betrachtung. Bei der Frage, inwieweit ein Richter nicht nur das geltende Recht zu interpretieren, sondern auch die entsprechenden Fakten feststellen, aber vor allem auch dann subsumieren kann, wenn insoweit umfangreiche nichtjuristische Erwägungen erforderlich sind, für die ein Richter nicht ohne weiteres legitimiert ist, scheiden sich in Europa die Geister. In Deutschland ist das die ausnahmefähige Regel, anderswo ist man zumeist zurückhaltender.8 Daher erstaunt, dass das BVerfG einen Beurteilungs- und Einschätzungsspielraum der EZB nicht einmal anspricht. Wer anders als die Mehrzahl der Verfassungsrichter die dargestellte Selbstgewissheit deutscher Juristen nicht teilt, wird wie der Verfasser dieser Zeilen das engagierte Sondervotum von Frau Lübbe-Wolff (Rn. 3 ff.) mit Freude lesen. Um zu seinem Beschluss zu kommen, hat das BVerfG aber zugleich mit seinem ausgreifenden Verständnis von Art. 38

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GG, das die Verfassungsbeschwerde insoweit zu einer Popularklage werden lässt (SV Gerhardt, Rn. 6 f.), das Herzstück der deutschen Rechtstradition übergangen, die Ausrichtung des Rechtsschutzes auf die Wahrung subjektiver Rechte. D. Auswirkungen auf die Praxis Wie das Verfahren am Ende ausgeht, ist nicht abzusehen. Zwar ist eine gewisse Plausibilität einzelner vom BVerfG angeführter Punkte nicht zu bestreiten. Nichtsdestoweniger ist insgesamt schwer vorstellbar, dass sich der EuGH auf eine ins letzte Detail gehende Prüfung einlässt und damit ggf. gewaltenteilungswidrig vorab den Handlungsrahmen der EZB für den Ankauf von Staatsanleihen so präzise definiert, wie dies das BVerfG fordert. Und das BVerfG steht anschließend ggf. vor der Alternative, entweder die Vorgaben des EuGH zu akzeptieren und dann wie ein ewig brüllender, aber nie beißender Löwe zu erscheinen, oder aber eine schwerwiegende Krise der europäischen Integration heraufzubeschwören. Bekanntlich sollte jeder, der eine Frage stellt, sich vorher überlegen, ob er wirklich eine (dann im Prinzip verbindliche) Antwort haben will. Das wurde hier nicht ausreichend bedacht (SV Lübbe-Wolff, Rn. 8, 27). Zudem bleibt ein demokratischer Flurschaden. Die Entscheidung, wie ausführlich das Parlament bestimmte Fragen behandelt, vor allem aber, ob Deutschland tatsächlich in einer politisch ausgesprochen sensiblen Frage den (für Individualkläger nicht eröffneten) Klageweg beschreiten soll, muss in der Hand der demokratisch legitimierten politischen Instanzen bleiben. Das BVerfG verrechtlicht den politischen Prozess in einem für die Demokratie unerträglichen Ausmaß. E. Bewertung und Perspektiven In der Vergangenheit hat das BVerfG mit vielen Entscheidungen hohes internationales Ansehen gewonnen. Schon mit dem Lissabon-Urteil hat es hingegen für nichtdeutsche Juristen eher schwer verdauliche Kost produziert. Erst recht ist der vorliegende Beschluss in seinen beiden eingangs erwähnten zentralen Aspekten offenbar von der Leitidee bestimmt, dass das letzte Heil im demokratischen Verfassungsstaat in einer möglichst umfassenden gerichtlichen Kontrolle zu suchen ist. Eine solche Gerichtsgläubigkeit ist weder sachlich überzeugend noch international vermittelbar. Erkauft wurde der Beschluss zudem gleich mit mehre7

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Dazu Classen, Die Europäisierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1996, S. 38. Näher dazu Classen, Wie deutsch ist das Europarecht? Zum deutschen Einfluss auf das Europarecht und seine Grenzen, in: Kischel (Hrsg.), Der Einfluss des deutschen Verfassungsrechtsdenkens in der Welt, erscheint 2014, S. 91, 112 ff.

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ren abzulehnenden prozess- und materiellrechtlichen Volten – vor allem beim Verfahrensgegenstand, bei der Reichweite von Rechten Einzelner und bei der Freiheit des Parlaments. Dass auf diese Weise der – an sich erfreuliche – Umstand belastet wird, dass das BVerfG sich erstmalig zu einer Vorlage an den EuGH entschieden und damit das schon vor über zwanzig Jahren beschworene „Kooperationsverhältnis“ nun endlich mit praktischen Konsequenzen verbunden hat, ist ebenso vielsagend wie bedauerlich. Steuerrecht

Winterdienst auf öffentlichen Gehwegen als haushaltsnahe Dienstleistung – Aufwendungen für einen Hausanschluss als steuerbegünstigte Handwerkerleistung BFH, Urt. v. 20.03.2014 - VI R 55/12, VI R 56/12 RiBFH Dr. Stephan Geserich A. Problemstellung Das Einkommensteuergesetz (EStG) enthält in § 35a EStG eine Steuerermäßigung bei Aufwendungen für haushaltsnahe Dienstleistungen und Handwerkerleistungen. Diese kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn die Dienst- oder die Handwerkerleistung „in einem“ in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden „Haushalt“ des Steuerpflichtigen oder – bei Pflege- und Betreuungsleistungen – der gepflegten oder betreuten Person erbracht wird. „Im Haushalt“ bedeutet nach Auffassung der Finanzbehörden innerhalb der Privatwohnung bzw. dem Haus des Steuerpflichtigen nebst Zubehörräumen und Garten. Für Dienst- und Handwerkerleistungen, die sowohl auf öffentlichem Gelände als auch auf privatem Grund durchgeführt werden (z.B. Straßen- und Gehwegreinigung, Winterdienst), wird die Steuermäßigung des § 35a EStG deshalb nur anteilig gewährt und zwar auch dann, wenn eine konkrete Verpflichtung, etwa aufgrund einer kommunalen Satzung beispielsweise zur Reinigung und Schneeräumung von angrenzenden öffentlichen Gehwegen und Bürgersteigen, besteht.1 B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Dem ist der BFH in den Streitfällen entgegengetreten. In der Sache VI R 55/12 hatten die Kläger beim Finanzamt vergeblich die Kosten der Schneebeseitigung der in öffentlichem Eigentum stehenden Straßenfront entlang des von ihnen bewohnten Grundstücks nach § 35a EStG geltend gemacht. Im Verfahren VI R 56/12 standen auf das öffentliche Straßenland vor dem Grundstück entfallende Auf-

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wendungen für den nachträglichen Anschluss eines Grundstücks an zentrale Anlagen der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung (Hausanschluss) durch die öffentliche Hand in Streit. Die Vorinstanz hat in beiden Fällen den Klagen nach erfolglosem Vorverfahren stattgegeben2; der BFH die Revisionen der Finanzämter zurückgewiesen. Das Finanzgericht habe zutreffend darauf erkannt, dass auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet würden, als haushaltsnahe Dienstleistung nach § 35a begünstigt sein könnten. „In“ einem Haushalt werde die haushaltsnahe Dienstleistung erbracht, wenn sie „im räumlichen Bereich des vorhandenen Haushalts“ geleistet werde.3 Hierzu gehöre zunächst die Wohnung des Steuerpflichtigen, aber auch der dazugehörige Grund und Boden, weil Arbeiten „auf dem Grundstück“ ebenfalls begünstigt werden sollten.4 Nach Auffassung des BFH sei der Begriff „im Haushalt“ daher räumlich-funktional auszulegen.5 Deshalb würden die Grenzen des Haushalts i.S.d. § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht ausnahmslos –unabhängig von den Eigentumsverhältnissen – durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt.6 Vielmehr könne auch die Inanspruchnahme von Diensten, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund geleistet werden, nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt sein. Es muss sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die ansonsten üblicherweise von Familienmitgliedern erbracht und in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt würden und dem Haushalt dienten.7 Hiervon sei insbesondere auszugehen, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder Mieter zur Reinigung und Schneeräumung von öffentlichen Straßen und (Geh-) Wegen verpflichtet sei. Denn entsprechende Dienstleistungen seien notwendiger Annex zur Haushaltsführung8 und deshalb nicht nur anteilig, soweit sie auf Privatgelände 1 2

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BMF v. 10.01.2014, BStBl I 2014, 75. FG Berlin Brandenburg, Urt. v. 15.08.2012 - 7 K 7310/10 und FG Berlin Brandenburg, Gerichtsbescheid v. 23.08.2012 - 13 K 13287/10. BFH, Urt. v. 13.07.2011 - VI R 61/10 - BFHE 234, 391. Vgl. BT-Drs. 16/643, S. 10, sowie BFH, Urt. v. 06.05.2010 - VI R 4/09 - BFHE 229, 534. Vgl. Kratzsch in: Frotscher, EStG, § 35a Rn. 77; Eversloh in: Lademann, EStG, § 35a EStG Rn. 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Bode in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rn. E 7; Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 35a Rn. 4; FG Baden-Württemberg, Urt. v. 12.09.2012 - 3 K 3887/11. Entgegen BMF v. 10.01.2014, BStBl I 2014, 75. Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 35a Rn. 4. Bode in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 35a Rn. E 7; Barein in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 35a Rn. 20; Wüllenkemper, EFG 2013, 52 f.

JM 08/09 | entfallen, sondern in vollem Umfang nach § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG begünstigt9. Wortlaut sowie Sinn und Zweck des § 35a EStG, die Bekämpfung der Schwarzarbeit, stünden dieser Auslegung der Vorschrift nicht entgegen. Denn Steuerpflichtiger und Dienstleistungsunternehmen könnten sich einig werden, nur noch den Winterdienst bezüglich des auf dem Grundstück liegenden Hauszugangs zum Gegenstand einer (steuererheblichen) Rechnung zu machen, die Reinigung oder Räumung des öffentlichen Gehweges dagegen „schwarz“ zu bezahlen.10 Entsprechendes gelte bei Handwerkerleistungen. Auch die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze erbracht würden, könnten als Handwerkerleistung nach § 35a Abs. 2 Satz 2 EStG begünstigt sein. Es müsse sich dabei allerdings um Tätigkeiten handeln, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt würden und dem Haushalt dienten. Hiervon ist insbesondere auszugehen, wenn der Haushalt des Steuerpflichtigen an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen werde. Denn über diesen werde der auf dem Grundstück gelegene Haushalt des Steuerpflichtigen über das öffentliche Versorgungsnetz mit den für eine Haushaltsführung notwendigen Leistungen der Daseinsfürsorge versorgt. C. Auswirkungen für die Praxis Die „räumlich enge“ Rechtsauffassung der Finanzbehörden ist „Schnee von gestern“. Haushaltsnahe Dienstleistungen (und damit solche, die üblicherweise sonst von Familienmitgliedern erbracht werden würden) sowie Handwerkerleistungen sind vielmehr insgesamt begünstigt, wenn sie dem Haushalt dienen, also für den Haushalt erbracht werden. Eine anteilige Aufteilung der Arbeitsleistung nach öffentlicher und privater Fläche ist damit bei der Straßen- und Gehwegreinigung sowie dem Winterdienst und ähnlichen Diensten, sowie bei haushaltsbezogenen Handwerkerleistungen nicht länger erforderlich. Fraglich ist auch, ob die Auffassung, nach der im Rahmen einer einheitlichen Handwerkerleistung, beispielsweise bei der Überarbeitung von Zimmertüren, der Teil der Leistung, der außer Haus, etwa in der Schreinerwerkstatt des Handwerksbetriebs erbracht wird, die Steuerermäßigung nach § 35a EStG nicht zu vermitteln vermag, Bestand haben kann.11 Das räumlich-funktionale Verständnis des BFH scheint damit jedenfalls bei einheitlichen Handwerkerleistungen nur schwer vereinbar. Gleichwohl ist nach den Besprechungsentscheidungen § 35a EStG nicht grenzenlos zu gewähren. Trennscharfe Erkenntnisse für eine Grenzziehung bieten die beiden Entscheidungen jedoch nicht. Es bleibt zukünftigen finanzgerichtlichen Verfahren vorbehalten, den „unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zum Haushalt“ zu bestimmen. Das (zukünftige) „Streitprogramm“ ist damit jedoch noch

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nicht erschöpfend beschrieben. Die Tätigkeit eines Gutachters gehört nach Auffassung der Finanzbehörden weder zu den haushaltsnahen Dienstleistungen noch soll es sich um eine Handwerkerleistung handeln. Grundsätzlich nicht nach § 35a EStG begünstigt sind danach beispielsweise Mess- oder Überprüfungsarbeiten, eine Legionellenprüfung, die Kontrolle von Aufzügen oder von Blitzschutzanlagen, die Feuerstättenschau sowie andere technische Prüfdienste. Das gilt (ab dem Veranlagungszeitraum 2014) auch, wenn diese Leistungen durch einen Kaminkehrer oder Schornsteinfeger erbracht werden, dessen SchornsteinKehrarbeiten sowie Reparatur- und Wartungsarbeiten als Handwerkerleistung begünstigt sind.12 Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung steht (mittelbar) zur Überprüfung. Denn beim BFH ist ein Revisionsverfahren anhängig, das die Frage zum Gegenstand hat, ob eine landesgesetzlich vorgeschriebene Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung eines privat genutzten Wohnhauses eine nach § 35a Abs. 3 EStG berücksichtigungsfähige Handwerkerleistung darstellt oder es sich um eine (nichtbegünstigte?) gutachterähnliche Tätigkeit handelt.13 Schließlich ist noch auf Folgendes hinzuweisen: Erschließungskosten sind nicht grundsätzlich nach § 35a EStG begünstigt. Üblicherweise handelt es sich um Herstellungskosten im Rahmen eines Neubaus. Aufwendungen, die die Errichtung eines „Haushalts“, also einen Neubau, betreffen, können die Steuerermäßigung jedoch nicht vermitteln.14 Es muss sich – wie im Streitfall – um nachträgliche Anschlusskosten handeln. Auch wenn in solchen Fällen die Kosten dem Steuerpflichtigen von einem Träger öffentlicher Gewalt durch Verwaltungsakt auferlegt worden sind, sollte sich die Steuerpflichtigen Material- und Arbeitskosten in der „Rechnung“ gesondert ausweisen lassen. Anderenfalls sind die Arbeitskosten zu schätzen. Revisionsrechtlich ist das nur zu beanstanden, wenn das Schätzungsergebnis gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Auch das hat der BFH in den Besprechungsentscheidungen deutlich gemacht.

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Schmidt/Krüger, EStG, 33. Aufl., § 35a Rn. 4; Bode in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 35a Rn. E 7; Eversloh in: Lademann, EStG, § 35a EStG Rn. 92; Wüllenkemper, EFG 2013, 52; Barein in: Littmann/Bitz/ Pust, EStG, § 35a Rn. 20; Köhler in: Bordewin/Brandt, § 35a EStG Rn. 300 f.; a.A. BMF v. 10.01.2014, BStBl I 2014, 75, Fischer in: Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 35a Rn. 7; Durst in: Korn, § 35a EStG Rn. 41; Blümich/Erhard, § 35a EStG Rn. 23; Heß/Görn, DStR 2007, 1804 (1805). Wüllenkemper, EFG 2013, 52 (53). FG München, Urt. v. 14.07.2009 - 13 K 55/08 (rkr.) sowie FG München, Urt. v. 24.10.2011 - 7 K 2544/09 betreffend der „außer Haus“ angefallenen Arbeitskosten für die Herstellung von maßgefertigten Schlafzimmermöbeln. BMF v. 10.01.2014, BStBl I 2014, 75 Tz. 22, 58, anders noch BMF v. 15.02.2010, BStBl I 2010, 140. BFH, anhängiges Verfahren v. 20.06.2013 - VI R 1/13. BFH, Urt. v. 13.07.2011 - VI R 61/10 - BFHE 234, 391.

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Die Monatszeitschrift

Nachträgliche Geräteabgabe für Drucker und PCs

Bewertungsportale dürfen Anonymität der Nutzer schützen

Der BGH hat in einem wichtigen Grundsatzurteil entschieden, dass Computerhersteller für Drucker und PCs, die von 2001 bis 2007 in Deutschland verkauft worden sind, nachträglich eine Abgabe zahlen müssen (Urt. v. 03.07.2014 – I ZR 28/11).

Der BGH hat entschieden, dass der in seinem Persönlichkeitsrecht Verletzte von dem Betreiber eines Internetportals keine Auskunft über die Anmeldedaten des Verletzers beanspruchen kann (Urt. v. 01.07.2014 – VI ZR 345/13).

Die Klägerin war die VG Wort. Die Beklagten vertreiben in Deutschland Drucker und PCs, die sie selbst herstellen oder importieren. Die Klägerin hat die unterschiedlichen Beklagten in vier verschiedenen Verfahren auf Zahlung einer Vergütung für diese Geräte in Anspruch genommen. Der BGH hatte die Verfahren jeweils ausgesetzt und dem EuGH Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der EuGH hat hierüber durch Urteil vom 27.06.2013 (C-457/11 bis C-460/11) befunden.

Der Kläger, ein frei praktizierender Arzt, machte einen Auskunftsanspruch gegen die Betreiberin eines Internetportals, das Bewertungen von Ärzten ermöglicht, geltend. Im November 2011 entdeckte der Kläger auf der Internetseite der Beklagten eine Bewertung, in der über ihn verschiedene unwahre Behauptungen aufgestellt wurden. Im Juni 2012 wurden weitere, den Kläger betreffende Bewertungen mit unwahren Tatsachenbehauptungen veröffentlicht. Auf sein Verlangen hin wurden die Bewertungen jeweils von der Beklagten gelöscht. Am 04.07.2012 erschien (jedenfalls) bis November 2012 erneut eine Bewertung mit den von dem Kläger bereits beanstandeten Inhalten. Das Landgericht hat die Beklagte zur Unterlassung der Verbreitung der vom Kläger beanstandeten Behauptungen und zur Auskunft über Name und Anschrift des Verfassers der Bewertung vom 04.07.2012 verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht hat einen Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte wegen der bei ihr hinterlegten Anmeldedaten des Verletzers gemäß §§ 242, 259, 260 BGB bejaht. § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG schließe den allgemeinen Auskunftsanspruch nicht aus.

Der BGH hat nunmehr entschieden, dass Drucker, nicht aber PCs zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten nach § 54a UrhG a.F. gehören. Diese Bestimmung erfasse bei richtlinienkonformer Auslegung nur Vervielfältigungsverfahren, bei denen analoge Vervielfältigungsstücke entstehen. Erfasst werden Vervielfältigungsverfahren mittels verschiedener Geräte, wenn diese Geräte miteinander verbunden seien und es sich um ein einheitliches Vervielfältigungsverfahren handele, das unter der Kontrolle derselben Person stehe und auf die Herstellung analoger Vervielfältigungsstücke abziele. Unter dieser Voraussetzung seien Vervielfältigungsverfahren nicht nur mit einer aus Scanner, PC und Drucker bestehenden Gerätekette, sondern auch mit einer nur aus PC und Drucker bestehenden Gerätekette vergütungspflichtig. Innerhalb einer solchen Gerätekette sei allerdings nur das Gerät vergütungspflichtig, das am deutlichsten dazu bestimmt sei, zusammen mit den anderen Geräten wie ein Vervielfältigungsgerät eingesetzt zu werden. Innerhalb der aus Scanner, PC und Drucker gebildeten Funktionseinheit sei dies der Scanner; innerhalb der aus PC und Drucker gebildeten Funktionseinheit sei dies der Drucker. Vervielfältigungsverfahren mit einem PC als Endgerät seien nicht nach § 54a UrhG a.F. vergütungspflichtig, weil dabei digitale Vervielfältigungsstücke entstünden. Hingegen würden PCs zu den vergütungspflichtigen Vervielfältigungsgeräten nach § 54 UrhG a.F. gehören. Durch Übertragungen von einem digitalen Speichermedium auf ein anderes könnten nicht nur Filme und Musik, sondern auch „stehende“ Texte oder „stehende“ Bilder der von der Klägerin und der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst vertretenen Urheber von Sprachwerken, Fotografien, Bildwerken und Grafiken vervielfältigt werden. Soweit PCs auf diese Weise als Endgeräte in einem einheitlichen Vervielfältigungsverfahren zur Herstellung digitaler Vervielfältigungsstücke verwendet werden, seien sie nach § 54 UrhG a.F. vergütungspflichtig.

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NACHRICHTEN

Der BGH hat die Klage auf Auskunftserteilung abgewiesen. Nach Auffassung des BGH ist der Betreiber eines Internetportals in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage i.S.d. § 12 Abs. 2 TMG grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln. Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG dürften für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede stand – eingewilligt hat. Ein Verwenden i.S.d. § 12 Abs. 2 TMG stelle auch eine Übermittlung an Dritte dar. Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift komme außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht. Eine solche Vorschrift habe der Gesetzgeber bisher – bewusst – nicht geschaffen. Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite Betroffenen könne allerdings ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen.

BÜCHERSCHAU Prof. Dr. Dirk Heckmann, juris Praxiskommentar Internetrecht

4. Auflage 2014, 1.374 Seiten, ISBN 978-3-86330-040-1 (Buch), 159 € inkl. E-Book und 12 Monate Online-Zugang VPräsLG Holger Radke

„Das Internet ist für uns alle Neuland“ – am 19.06.2013 hat die Bundeskanzlerin diesen bemerkenswerten Satz im Rahmen eines Besuchs des amerikanischen Präsidenten in Berlin formuliert. Dirk Heckmann, seines Zeichens Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau, ist es gelungen, über die Auswirkungen dieses „Neulands“ auf alle Rechtsbereiche unserer Lebenswirklichkeit ein Standardwerk zu etablieren, das nur sieben Jahre nach seinem erstmaligen Erscheinen nunmehr bereits in der vierten Auflage vorliegt. Auf fast 1.400 dicht beschriebenen Seiten wird der Bogen vom Telemediengesetz über das Domain- und Urheberrecht, die Welt des E-Commerce und die Auswirkungen auf das Arbeitsrecht bis hin zum Straf- und Datenschutzrecht gespannt. Das „Neuland“ scheint auch unter juristischen Gesichtspunkten prächtig zu gedeihen. Für ihre Äußerung hat Frau Merkel viel Spott geerntet. Der vorliegende Praxiskommentar indes belegt, dass sich die Kanzlerin, gemessen an den gesetzgeberischen Aktivitäten, vertretbar geäußert hat. Denn seit der dritten Auflage aus dem Jahr 2011 galt es, insbesondere das Umsetzungsgesetz zur Verbraucherrechtsrichtlinie, das E-Governmentund De-Mail Gesetz sowie das Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs bei den Gerichten zu integrieren. Ein „Update“ des Wegweisers durch die Rechtsmaterie war also tatsächlich angezeigt. Ein großer praktischer Vorteil des „Internetrechts“ liegt darin, dass der Nutzer über das ausdifferenzierte Inhaltsverzeichnis gezielt die Materie ansteuern kann, mit der sich sein konkreter Fall befasst. Das entsprechende Kapitel wartet dann mit der Möglichkeit auf, sich eine Problemstellung entweder zunächst grundlegend zu erschließen oder – unterstützt durch den umfassenden Fußnotenkatalog – gezielt Antworten auf spezifische Fragen zu finden. Der Verfasser dieses Beitrags hat sich einem Selbstversuch bei der Beurteilung einer Klage auf Löschung einer kritischen „eBay-Bewertung“ mit Erfolg unterzogen. Von besonderem Wert ist der Kommentar aber insbesondere dort, wo technisches Verständnis für die richtige juristische Einordnung von zentraler Bedeutung ist. Denn wem der Unterschied zwischen „Filesharing“ und „Streaming“ nicht präsent ist, dem fällt es schwer, die Voraussetzungen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung wegen der Nutzung

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eines Filmangebotes im Internet sachgerecht zu prüfen. Das Beispiel zeigt, dass gerade in der Welt der Informationstechnik die Verknüpfung von technischen und begrifflichen Grundlagen mit normierten Vorschriften und deren juristischer Auslegung von unschätzbarem Wert und der Kommentar von Heckmann insoweit eine große Hilfe ist. Fazit: Kaum ein Jurist kann in seiner praktischen Arbeit Rechtsfragen, die in der Welt des Internets ihren Ursprung haben, noch aus dem Weg gehen. Mit dem Praxiskommentar „Internetrecht“ in Reichweite fällt die fundierte Meinungsbildung erheblich leichter!

Wegerich/Hartung, Der Rechtsmarkt in Deutschland

Verlag Frankfurter Allgemeine Buch, 1. Aufl. 2014, 518 Seiten, ISBN 978-3-89981-187-2, 79,90 € RA Dr. Tim Nesemann, Leiter Marketing bei GvW Graf von Westphalen Hohe Ziele haben schon so manches Projekt zum Scheitern gebracht. Beim neuen Werk von Thomas Wegerich und Markus Hartung ist dies nicht zu befürchten – ganz im Gegenteil. Der Titel „Der Rechtsmarkt in Deutschland“ hat beste Chancen, ein „grundlegendes Werk zur unternehmerischen Führung von Anwalts- und Steuerberaterkanzleien“ zu werden. Was aber rechtfertigt diese Prognose? Das Buch bietet weit mehr als ein Nachschlagewerk zu relevanten Themen des Rechtsmarktes. Der rote Faden und die überzeugende Struktur machen es leicht, das Buch von Anfang bis Ende zu lesen, um sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Was bei einem Werk mit einer Größenordnung von mehr als 500 Seiten nicht selbstverständlich ist: Inhalte werden an späterer Stelle nicht wieder aufgewärmt. Sondern es werden stets neue Akzente gesetzt, oft aus anderer Perspektive. So kommen 34 verschiedene Autoren zu Wort – Anwälte und Steuerberater aus Wirtschaftskanzleien, Unternehmensjuristen, Marketing und BD-Fachleute, Personaler und andere Dienstleister. Der Titel überzeugt vor allem durch seinen Praxisbezug. Der Abschnitt zu den „Best Practices“ nimmt nicht nur den größten Seitenumfang ein, sondern bietet mit der Untergliederung in „Mandanten-“ und „Personalmarkt“ auch die größte Themenvielfalt. Es zeigt sich wieder einmal, dass die Akteure auf dem Rechtsmarkt trotz bestehenden Wettbewerbs ihr Wissen miteinander teilen, um gemeinsam Antworten auf die Fragen der Gegenwart und der Zukunft zu finden.

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Die Monatszeitschrift

Christiane Breidenstein

DIE AUTOREN

Sabine Knickrehm

Direktorin des Amtsgerichts i.R. Bis 2011 Direktorin des AG Rheinberg, wo Sie über 11 Jahre ihrer Tätigkeit als Betreuungsrichterin nachging. Neben weiteren Veröffentlichungen im Pflege- und Betreuungsrecht ist sie Autorin des Buches „Pflegerecht für Angehörige“. Sie referiert bei verschiedenen Instituten für verwaltungsinterne Fortbildung über die Zulässigkeit der sofortigen Unterbringung nach dem PsychKG NW und hält Seminare für Rettungssanitäter über rechtliche Probleme im Rettungsdienst.

Dr. Sebastian Omlor, LL.M. (NYU), LL.M. Eur. Privatdozent an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg Studium an der Universität des Saarlandes und New York University; 2009 Promotion; 2013 Habilitation; seit dem WS 2013/14 Vertretung des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Prozessrecht an der RuprechtKarls-Universität Heidelberg. Über 50 Veröffentlichungen zum Handels-, Gesellschafts-, Wirtschafts- und Europarecht, zur Rechtsvergleichung sowie zum Internationalen Privatrecht.

Tobias Goldkamp Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Erbrecht Studium und Referendariat in Düsseldorf. Seit 2006 Rechtsanwalt, seit 2013 Partner bei Szary, Breuer, Westerath und Partner Rechtsanwälte in Neuss.

Richterin am Bundessozialgericht Seit 1986 Richterin in der Sozialgerichtsbarkeit, seit 2003 am BSG. Zur Zeit ist sie in einem für die Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senat tätig. Daneben lehrt sie an der Universität Kassel u.a. europäisches Sozialrecht. Sie ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und Mitherausgeberin des Gagel SGB II/ SGB III.

IMPRESSUM Herausgeber: Vors. Richter am BSG Prof. Dr. Thomas Voelzke, Kassel Richterin am BFH Prof. Dr. Monika Jachmann, München Vizepräsident des LG Holger Radke, Mannheim Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes, Saarbrücken Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg Expertengremium: Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball, Lemberg Rechtsanwalt Prof. Dr. Guido Britz, Homburg Vizepräsident des LAG Dr. Heinz-Jürgen Kalb, Köln Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, Universität des Saarlandes, Saarbrücken Weiterer aufsichtsführender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen Redaktion: Rechtsanwalt Dennis Reschke Medieninhaber und Verlag: juris GmbH, Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland, Gutenbergstraße 23, 66117 Saarbrücken, Tel.: 0681 5866-0, Fax: 0681 5866-239, E-Mail: [email protected] Geschäftsführer: Samuel van Oostrom, Johannes Weichert, Aufsichtsratsvorsitzender: Ministerialdirektor Gerrit Stein Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für Manuskripte, die unverlangt eingesendet werden. Mit Annahme der Veröffentlichung erwirbt der Verlag das ausschließliche Verlagsrecht, insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektronischer Versionen sowie das Recht zu deren Vervielfältigung online oder offline ohne zusätzliche Vergütung. Urheber- und Verlagsrechte: Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die Leitsätze der Gerichtsentscheidungen, soweit sie vom Autor bearbeitet wurden. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Eine Reproduktion oder Übertragung in maschinenlesbare Sprache ist – außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Erscheinungsweise: 11 Ausgaben jährlich, davon ein Doppelheft (August/ September), sowie als Beilage zum Anwaltsblatt

Nadine Reimer Rechtsreferendarin Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. 1. Staatsexamen 2013. Seitdem juristische Mitarbeiterin bei Szary, Breuer, Westerath und Partner Rechtsanwälte in Neuss. Seit 2013 Referendarin beim LG Mönchengladbach.

Bezugspreis: Im Jahresabonnement 180,- Euro zuzüglich Versandkosten incl. Online-Zugang unter juris.de Das Jahresabonnement verlängert sich um ein Jahr, wenn es nicht sechs Wochen vor Jahresende gekündigt wird. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Neustädter Str. 1-4, 99947 Bad Langensalza Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co.KG Druck Medien, Marktweg 42-50, 47608 Geldern ISSN: 2197-5345

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NEUES VON juris juris PartnerModul Strafverteidigung partnered by De Gruyter | Hüthig Jehle Rehm | Dr. Otto Schmidt

Mit diesem Modul haben Sie das Themengebiet der Strafverteidigung nicht nur aus Perspektive aller Beteiligten im Blick, sondern auch eine kompetente Unterstützung in allen Stufen des Strafprozesses. Recherchieren Sie in unverzichtbaren Titeln, wie zum Beispiel dem Heidelberger Kommentar zur Strafprozessordnung von Gercke/Julius/Temming/Zöller, dem Kommentar zum Strafvollzugsgesetz von Schwind/ Böhm/Jehle/Laubenthal oder den Handbüchern zur Verteidigung in der Hauptverhandlung von Malek, zu Zeugen und Aussagepsychologie von Jansen, zur Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren von Stern u.v.m. Das Jugendgerichtsgesetz wird für Praktiker in der Jugendstrafrechtspflege sachkundig kommentiert und die Strafprozessordnung von einem interdisziplinären Team aus Anwaltschaft, Justiz und Wissenschaft umfangreich erläutert. Aber auch das StVollzG und das gesamte Maßregelvollzugsrecht werden ausführlich kommentiert. Sie erhalten fundierte Hilfestellung über alle Prozessschritte hinweg: Neben der Verteidigung im Ermittlungsverfahren werden auch für die Hauptverhandlung sowohl strafprozessuale Kenntnisse als auch verfahrenstaktische und psychologische Aspekte der Verteidigertätigkeit von erfahrenen Praktikern kompetent dargelegt. Aus Perspektive der Bearbeiter von Revisionsbegründungen wird der gesamte Gang des Rechtsmittels behandelt, wobei auch die notwendigen Kenntnisse aller möglichen Verfahrensfehler vermittelt werden, mit denen ein Urteil angefochten werden kann. Neben der schwierigen Materie des Wiederaufnahmerechts werden auch vertiefende Informationen über die allgemeinen Zulässigkeits- und Substantiierungsanforderungen der Verfassungsbeschwerde vermittelt. Besonderes Augenmerk liegt auf der Perspektive des Strafverteidigers. Aber auch zum Arbeitsgebiet des

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2014

Staatsanwalts werden Sie umfassend informiert. Außerdem erfahren Sie alles zu den Rechten des Opfers. Ferner erhalten der Zeuge und die Aussagepsychologie besondere Beachtung. Das vermittelte Wissen über die Tätigkeit von Sachverständigen unterstützt Sie optimal bei der Befragung und Prüfung von Gutachten. Auch Themenbereiche der Strafverteidigung, die mit angrenzenden Rechtsgebieten verzahnt sind, werden dargelegt: Neben straßenverkehrsrechtlichen Titeln finden Sie auch gesonderte Betrachtungen zu Strafsachen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. Überdies werden die Besonderheiten bei der Verteidigung von Jugendstrafsachen, Ausländern oder in Mord- und Totschlagsverfahren im Einzelnen beleuchtet.

juris PartnerModul Wirtschaftsstrafrecht premium partnered by De Gruyter | Erich Schmidt Verlag | Hüthig Jehle Rehm | Dr. Otto Schmidt

Durch die verlagsübergreifende Kombination führender Fachliteratur zum Arbeits-, Insolvenz-, und Steuerstrafrecht bietet dieses PartnerModul Ihnen schnell den notwendigen Überblick über vielschichtige und über zahlreiche Normenkomplexe verstreute Materie des Wirtschaftsstrafrechts. Recherchieren Sie in unverzichtbaren Titeln wie zum Beispiel der wistra, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, der ZWH, Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen oder den Kommentaren zum Steuerstrafrecht von Kohlmann und zum GmbH-Strafrecht von Tiedemann. Auch die Handbücher Wirtschaftsstrafrecht von Achenbach/Ransiek und Verteidigung in Steuerstrafsachen von Quedenfeld/Füllsack bieten wesentliche Unterstützung für alle, die sich mit wirtschaftsstrafrechtlichen Fragen befassen. Sie greifen auf die seit Jahrzehnten bewährte Kommentierung des Steuerstrafrechts zu. Auch alle für das Recht der GmbH einschlägigen Straftatbestände werden aus-

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Fortgeschrittenenwebinar

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Informationsforen

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26.09.2014

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