Die Monatszeitschrift - Juris

01.01.2015 - des Joachim Löw ausgegebenen Devise1, die auch online gestellt wurde, errang ...... che Ausgestaltung des Trading unterliegen die von der.
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Herausgeber: Prof. Dr. Monika Jachmann Holger Radke Prof. Dr. Thomas Voelzke Prof. Dr. Stephan Weth RA Prof. Dr. Christian Winterhoff

01 Die Monatszeitschrift JANUAR

2015

Topthema:

In dieser Ausgabe:

Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema?

Plagiat, Zitatrecht oder -pflicht? – Versuch einer Begriffsklärung

Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng

RA und FA für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger

Macht und Recht der Mediaagenturen – Der Streit um die TV-Freispots als Treugut oder Handelsware Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.), Hon. Prof. (Johannesburg)

Die

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Private Veräußerungsgeschäfte bei Immobilien – steuerliche Fallstricke beachten! RiBFH Dr. Nils Trossen

Spendensammeln durch kommunale Wahlbeamte: eine rechtliche Grauzone zwischen erwünschter Kooperation und strafbarer Korruption Ri Dr. Stefan Weiland, LL.M.

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Expertengremium:

Wolfgang Ball | RA Prof. Dr. Guido Britz | Prof. Dr. Harald Dörig | Dr. Heinz-Jürgen Kalb | Prof. Dr. mult. Michael Martinek | Dr. Wolfram Viefhues

INHALT

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JANUAR

2015

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN Zivil- und Wirtschaftsrecht

Sozialrecht

Steuerrecht

Plagiat, Zitatrecht oder -pflicht? – Versuch einer Begriffsklärung RA und FA für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger

S. 2

Macht und Recht der Mediaagenturen – Der Streit um die TV-Freispots als Treugut oder Handelsware Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.), Hon.-Prof. (Johannesburg)

S. 6

Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Prof. Dr. Michael Jaensch

S. 15

Voraussetzungen für die Einräumung eines Umgangsrechts des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters OLG Bremen, Beschl. v. 10.10.2014 5 UF 89/14 RiAG Dr. Petra Pheiler-Cox

S. 17

Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R; B 11 AL 5/14 R RiSG Matthias Bernzen, z.Zt. Wiss. Mit. beim BSG

S. 19

Private Veräußerungsgeschäfte bei Immobilien – steuerliche Fallstricke beachten! RiBFH Dr. Nils Trossen

S. 23

I

INHALT

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN Strafrecht

BÜCHERSCHAU

II

Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema? Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng

S. 29

Spendensammeln durch kommunale Wahlbeamte: eine rechtliche Grauzone zwischen erwünschter Kooperation und strafbarer Korruption Ri Dr. Stefan Weiland, LL.M.

S. 35

Arno Buschmann, Mit Brief und Siegel. Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.), Hon.-Prof. (Johannesburg)

S. 43

EDITORIAL

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Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde schenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG und der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG vereinbar gehalten werden. Hinzu kommt, dass eine freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung wie die unsrige von ihren Bürgern gelebt und in ihren Grundwerten getragen werden muss, wenn sie dauerhaft Bestand haben soll.

Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff Hamburg

– so lautet eine bis heute gültige Weisheit des englischen Philosophen und Theologen Anselm von Canterbury (1033-1109). Gewiss ist unter der Geltung unserer heutigen Verfassung auch eines: Kein Mensch darf zwecks Ahndung einer Straftat durch staatliche Hand sein Leben verlieren. Art. 102 GG schreibt insoweit unmissverständlich vor: „Die Todesstrafe ist abgeschafft.“ Das absolute Verbot der Todesstrafe wurde maßgeblich als Reaktion auf deren Missbrauch im Dritten Reich in das Grundgesetz aufgenommen. Das Grundgesetz bekennt sich in Gestalt seines Art. 102 zum grundsätzlichen Wert des Menschenlebens und zu einer Staatsauffassung, die sich in betonten Gegensatz zu den Anschauungen eines politischen Regimes stellt, dem das einzelne Leben wenig bedeutete und das deshalb mit dem angemaßten Recht über Leben und Tod des Bürgers schrankenlosen Missbrauch trieb (so BVerfGE 18, 112, 117). Der Eigenwert des menschlichen Lebens und dessen Unverfügbarkeit für den strafenden Staat ist eine rechtlichkulturzivilisatorische Errungenschaft, die stets aufs Neue erkämpft und verteidigt werden muss. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil sich in repräsentativen Befragungen auch heute noch ein nicht gänzlich zu vernachlässigender Teil der Bevölkerung für die Todesstrafe ausspricht. In juristischer Hinsicht ist dieser Befund deswegen brisant, weil eine Abschaffung des Art. 102 GG und eine Wiedereinführung der Todesstrafe teilweise für durchaus mit der Men-

Aufmerken lassen vor diesem Hintergrund jüngere empirische Studien, die unter Studierenden der Rechtswissenschaften (!) eine zunehmend steigende Akzeptanz harter Strafen einschließlich der Todesstrafe nachweisen. Während in den 1970er Jahren noch mehr als ein Drittel der Studenten die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wissen wollte und nur 12 % die Todesstrafe befürworteten, sprechen sich in jüngeren Studien nur noch 2 % für eine Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe aus, während fast jeder Dritte die lebenslange Freiheitsstrafe als zu milde ansieht. Damit korrespondierend ist der Anteil der Befürworter der Todesstrafe unter den Studierenden auf über 30 % gestiegen. Dies ist umso bemerkenswerter, als im Bevölkerungsdurchschnitt eine gegenläufige Bewegung zu beobachten ist und die Zahl der Befürworter der Todesstrafe in den letzten Jahrzehnten fast kontinuierlich zurückgegangen ist. Die nachdenklich stimmende Entwicklung des Meinungsbildes unter angehenden Juristen gibt der jM Anlass, die Todesstrafe in den Blickpunkt zu stellen. Topthema der ersten Ausgabe des nunmehr zweiten Jahrgangs der jM ist daher der Beitrag von Franz Streng: „Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema?“. Die jM schließt sich ausdrücklich der Empfehlung des Autors an, auch in Deutschland müsse wieder über die Todesstrafe geredet und das Thema in Schulen und Universitäten wieder stärker problematisiert werden. Dazu können und sollten auch Sie, sehr geehrte Leserinnen und Leser, beitragen. Das vorliegende Heft enthält außerdem instruktive Beiträge u.a. zu der Frage, ob das Leitmotiv des Bundestrainers Jogi Löw für die vergangene Fußballweltmeisterschaft: „Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin“ ein unzulässiges Plagiat darstellt, über die weitgehend unbekannte Macht der Mediaagenturen, die steuerlichen Fallstricke bei privaten Grundstücksverkäufen und über die strafrechtliche Beurteilung des spendengenerierenden Handelns kommunaler Wahlbeamter. Die Herausgeber und Experten der jM wünschen Ihnen nicht nur eine angenehme Lektüre und alles Gute für das Jahr 2015, sondern hoffen auch, dass Sie der jM in Zukunft weiterhin die Treue halten werden. Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff

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Die Monatszeitschrift

AUFSÄTZE UND ANMERKUNGEN

Zivil- und Wirtschaftsrecht

Plagiat, Zitatrecht oder -pflicht? – Versuch einer Begriffsklärung RA und FA für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger A. Einleitung „Ein guter Anfang braucht Begeisterung, ein gutes Ende Disziplin.“ Mit dieser vom Bundestrainer des Deutschen Fußballbundes Joachim Löw ausgegebenen Devise1, die auch online gestellt wurde, errang die Nationalmannschaft den Spitzenplatz bei der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2014 in Brasilien. Genau dieser Satz findet sich aber in dem bereits 2002 erschienenen Werk „Der Wechsel allein ist das Beständige“ des Chemikers Prof. Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger2. Das Leitmotiv der Fußballweltmeister – ein Plagiat? Immerhin räumte Hans Flick, Assistent des Bundestrainers ein, dass der Spruch nicht von ihm sei, er den Ursprung aber nicht zurückverfolgen könne. Zwar freute sich der Autor über das in Brasilien gefallene Zitat, hätte aber doch eine Quellenangabe für angezeigt gehalten.3 Hätte Hans Flick hier zitieren dürfen oder müssen? Damit sind genau die Fragen aufgeworfen, die in regelmäßigen Abständen die Öffentlichkeit immer wieder beschäftigen und von deren Beantwortung Beeinträchtigungen der Reputation bis hin zum Verlust von akademischen Titeln und öffentlichen Ämtern abhängen können. Der Weg zur Ermittlung der maßgeblichen Rechtslage führt zum Urheberrechtsgesetz (UrhG). Wie alle das geistige Eigentum betreffenden Gesetze dient es – genau wie die zur Gestaltung des Sacheigentums bestimmten Normen – dem Interessenausgleich zwischen dem Inhaber des Ausschließlichkeitsrechts und den Belangen der Allgemeinheit. Während das durch die individuelle Kreativität geschaffene Ergebnis, allerdings nur in seiner konkreten Verkörperung und Gestalt und nur auf begrenzte Zeit, grundsätzlich der umfassenden, ausschließlichen und alleinigen Disposition seines Schöpfers vorbehalten wird, müssen Ideen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Entdeckungen, und Informationen dem möglichst ungehinderten freiheitlichen Austausch und dem öffentlichen Diskurs offenstehen.

Der urheberrechtliche Schutz entsteht mit der Vollendung des Werks, ohne dass es dazu eines gesonderten formellen Aktes, etwa der Anbringung eines Copyright-Vermerks bedürfte. Objekt des urheberrechtlichen Werkschutzes ist die persönliche geistige Schöpfung, auf Umfang, Form oder Qualität kommt es nicht an. Entscheidendes Kriterium ist die schöpferische Eigentümlichkeit, die konkrete Äußerung, in der die Persönlichkeit des Menschen ihren unverwechselbaren Ausdruck gefunden hat und die vom Wirken seiner geistigen und seelischen Gestaltungskraft ein konkretes, auch von anderen sinnlich wahrnehmbares Zeugnis gibt.4 B. Der rechtliche Plagiatsbegriff Das Gesetz erwähnt und verwendet diesen Begriff an keiner Stelle. Gleichwohl ist er älter als die Kodifikation des Urheberrechtsgesetzes. Mit „plagiarius“ umschrieb das altrömische Strafrecht einen Täter, der sich widerrechtlich eines von seinem Herrn aus der Leibeigenschaft entlassenen Sklaven bemächtigt.5 Da der spätrömische Dichter Martial die Veröffentlichung eines Gedichts im Hinblick auf den Autor mit der Entlassung eines Sklaven verglich6, war ein Plagiat demzufolge auch hier ein Akt der widerrechtlichen Bemächtigung und angemaßten Unterwerfung. Das lateinische Lehenswort hat sich bis heute in diesem allegorischen Sinne erhalten, es wird nunmehr nur noch als Metapher für den „geistigen Diebstahl“ angesehen.7 Die höchstrichterliche Rechtsprechung definiert das Plagiat in weitgehender Übereinstimmung mit der Literatur8 als unbefugte Übernahme eines fremden Werks in Kenntnis bestehenden fremden Urheberrechts, um es als eigenes zu verwenden.9 Die strukturelle Ähnlichkeit zum strafrecht-

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Focus, 23.06.2014, S. 134. Quadbeck-Seeger, Der Wechsel allein ist das Beständige, 2. Aufl. 2007, S. 10. Rheinpfalz, 23.06.2014, S. 7. Rehbinder, Urheberrecht, 16. Aufl. 2010, S. 28. Martial, Epigramme, I, 29, 52. Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 23 Rn. 59. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 1052. Rehbinder, Urheberecht, 16. Aufl. 2010, S. 156. BGH, Urt. v. 12.01.1960 - I ZR 30/58 - GRUR 1960, 500, 503.

JM 01 | lichen Tatbestand des Sachdiebstahls gem. § 242 StGB bzw. der Sachunterschlagung gem. § 246 StGB ist augenfällig: Der Plagiator verletzt ein fremdes, zumindest ein ihm nicht alleine zustehendes absolutes Recht des geistigen Eigentums, hier das Urheberrecht, und maßt sich eigene Urheberschaft an – das entspricht dem Zueignungsakt und der Wegnahme. Dabei muss er unberechtigt handeln – die Rechtswidrigkeit der Tathandlung ist beim Unterschlagungstatbestand des § 246 BGB normatives Merkmal des objektiven Tatbestands. Der Tatbestand eines Eigentumsdelikts kann nur vorsätzlich verwirklicht werden. Der Vorsatz muss sich jedenfalls auf die Fremdheit des Tatobjekts und die Rechtswidrigkeit von Tathandlung und Taterfolg beziehen – dem Plagiator muss das Bestehen des fremden Rechts am geistigen Eigentum, dessen Schöpferstellung er sich berühmt, bekannt sein.10 Ein Plagiat kann somit nur an rechtlich schutzfähigem Geistesgut begangen werden11, also nicht an den einem Werk zugrundeliegenden reinen Informationen, nicht an mathematischen Formeln, Ideen und Konzepten an sich, auch nicht an Texten, Bildern und Zeichenfolgen, Formulierungen, denen es an schöpferischer Individualität fehlt. Viele Alltagsobjekte, z.B. Standard-Geschäftsbriefe, Häuser „von der Stange“, oder gängige, bekannte Handwerksprodukte, fallen jedenfalls aus dem Urheberrechtsschutz heraus. Darüber hinaus gilt es zu beachten, dass jeder rechtliche Schutz geistigen Eigentums nur zeitlich begrenzt gewährt wird, beim Werkschutz nach dem Urheberrecht regelmäßig 70 Jahre nach dem Tod des letzten noch lebenden Schöpfers vollständig und ersatzlos erlischt. Die seit langem bekannten Volkssagen, Volkslieder, die klassischen Literatur- und Kunstwerke aus dem 18. Jahrhundert, überwiegend auch die aus dem 19. Jahrhundert, stehen jedermann ungehindert zur Verfügung, sie können uneingeschränkt genutzt werden, selbst, wer Goethes „Faust“ als eigenes Werk ausgibt, begeht dadurch für sich genommen keinen Rechtsverstoß und schon gar kein Plagiat, sondern blamiert sich höchstens selbst. Gelegentlich vernimmt man in der Diskussion auch den Begriff des Selbstplagiats, dann, wenn ein Urheber ein neues Werk schafft und dabei, ohne dies ausdrücklich zu bezeichnen, sich eigener, früher geschaffener Werke bedient, insbesondere sie ganz oder teilweise dabei übernimmt. Genauso wenig, wie man Eigentumsdelikte an allein einem selbst gehörenden Sachen begehen kann, ist hier ein Plagiat schon bereits begrifflich ausgeschlossen.12 Hat der Urheber einem anderen ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt, wie etwa beim Verlagsvertrag, muss er sich jeder Verwertung und Nutzung enthalten, dabei handelt es sich

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lediglich um eine – zum Schadensersatz verpflichtende – Rechtsverletzung, nicht aber um ein Plagiat. Angewendet auf den Eingangsfall heißt dies: Da sich weder Joachim Löw noch Hans Flick als Schöpfer des Leitmotivs ausgegeben haben, Flick sogar ausdrücklich auf einen fremden, ihm nicht mehr erinnerlichen Urheber verwiesen hat, fehlt es an einer Anmaßung eigener Urheberschaft, so dass die Annahme eines Plagiats bereits aus diesem Grund ausscheidet. C. Das Zitatrecht als Schranke des Urheberechts Hätte also der Schöpfer des Leitmottos, der Chemiker Prof. Dr. Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger, von dem Trainerteam zitiert werden müssen? Eine Rechtspflicht kann nur dann verletzt werden, wenn ein Recht existiert. Das setzt nach den vorhergehenden Ausführungen voraus, dass es sich bei dem Leitmotto um ein rechtlich geschütztes, konkretes Ergebnis geistigen Schaffens, insbesondere um ein Werk im Sinne des Urheberrechts, handelt.13 Das Buch, in dem die Sentenz enthalten ist, ist ein kreatives Ergebnis persönlichen geistigen Schaffens, sei es nur durch die eigenwillige und originelle Anordnung und Gliederung der Aphorismensammlung, wobei auch die vom Autor selbst beigesteuerten Aphorismen Werkcharakter haben dürften. Rechtlicher Schutz nach dem Urheberrecht, der von jedermann zu beachten ist, besteht also. Eine Zitatpflicht sucht man im Urheberrechtsgesetz vergeblich, wohl gibt es aber in § 51 UrhG die im Interesse der Allgemeinheit eingeräumte Schranke des Zitatrechts, um zur Verwirklichung der Freiheitsrechte von Kunst und Wissenschaft nach Art. 5 Abs. 3 GG sowie zur Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG im Interesse des Geistesund Kulturlebens sowie des wissenschaftlichen Fortschritts einen möglichst ungehinderten öffentlichen Gedankenund Informationsaustausch in der Auseinandersetzung mit vorhandenen Werken zu ermöglichen und zu gewährleisten. Generell gilt es in diesem Zusammenhang zu unterscheiden: Die sinnliche Wahrnehmung eines durch das Urheberrecht geschützten Werkes, das bloße Betrachten, Lesen, Anhören wird gar nicht erst vom Schutzbereich des Urheberrecht erfasst, bleibt also insoweit stets frei.14 Umfassend geschützt und grundsätzlich allein dem Rechts10 11 12

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Hertin, GRUR 1989, 159, 160. Loewenheim in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 23 Rn. 28. Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 23/24 Rn. 61. Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 51 Rn. 7. Rehbinder, Urheberecht, 16. Aufl. 2010, S. 129.

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Die Monatszeitschrift

inhaber vorbehalten ist jede Verwertungshandlung, also insbesondere Vervielfältigung, Verbreitung, Veröffentlichung, öffentliche Wiedergabe und öffentliche Zugänglichmachung im Internet.15 Jeder andere benötigt für die Vornahme einer unter den Schutz fallende Handlung entweder die Zustimmung des Berechtigten oder einen gesetzlichen Gestattungstatbestand, der im Urheberrecht als Schranke bezeichnet wird. Bei gravierenden Eingriffen zu Lasten des Urhebers wird, ähnlich wie bei der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung im Recht der staatlichen Ersatzleistungen bei eigentumsrelevanten Hoheitsakten, eine Entschädigung vorgesehen, die häufig in die Hände einer Verwertungsgesellschaft gelegt ist. Bei der Schranke des Zitatrechts ist aufgrund des nur geringfügigen Eingriffs in die Rechtsposition des Urhebers keine Entschädigung bzw. Vergütung vorgesehen.16 Zitatrecht im Sinne des § 51 UrhG ist die zweckgebundene gesetzliche Erlaubnis für jedermann, kleine Teile eines Werks, in bestimmten Fällen sogar das gesamte fremde Werk, in unveränderter Form in die Dienste eines neugeschaffenen Werks des Zitierenden zu stellen. Legitime Zitatzwecke sind insbesondere Beleg- oder Erläuterungsfunktion, auch die kritische Auseinandersetzung bzw. Abgrenzung des eigenen Standpunkts des Zitierenden mit dem zitierten Werk.17 Auch hierbei handelt es sich um ein Lehenswort aus der lateinischen Sprache. „citare“ hat die Bedeutung von „anrufen“, „herbeirufen“, auch im Sinne von „die Götter um Beistand anrufen“18. In der römischen Gerichtssprache wurde es für den Aufruf der Prozessparteien oder Zeugen ins Forum verwendet.19 Wer zitiert, nutzt zumindest ausschnittsweise ein fremdes Werk, indem er es z.B. in einer Rede vor Publikum wiedergibt, in Text, Bild oder anderer Darstellung übernimmt. Die Übernahme ist stets mit einer Vervielfältigung, im Internet mit einer öffentlichen Zugänglichmachung, bei Angebot des Werkes des Zitierenden in der Öffentlichkeit auch mit einer Verbreitung verbunden, stets sind es Handlungen, die nach dem gesetzlichen Grundmodell ausschließlich dem Urheber vorbehalten bleiben sollen. Sogar die Verwendung eines einzigen Satzes kann hier relevant sein, es genügt bereits, dass der übernommene Textausschnitt schöpferische Individualität aufweist.20 Vergegenwärtigt man sich, dass der Aphorismus seit der Antike als eigenständige Kunstform gewürdigt wird, dürfte kein Zweifel an der Erfüllung dieses Kriteriums bei dem Weltmeisterschaftsmotto bestehen. Ohne Zustimmung des Autors Quadbeck-Seeger bzw. des Wiley-Verlags als Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts oder Vorliegen eines andere Rechtfertigungsgrundes hätte der Satz weder ins Internet gestellt oder im „Focus“ bzw. in der „Rheinpfalz“ gedruckt werden dürfen.

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Hätten sich Joachim Löw oder Hans Flick hier mit Erfolg auf das Zitatrecht berufen können? Die isolierte Verwendung des Satzes als Leitmotto lässt sich nicht durch § 51 UrhG rechtfertigen, denn das Zitatrecht setzt stets ein eigenständiges schutzfähiges Werk des Zitierenden voraus, in dem das Zitat mit dienender Funktion integriert ist.21 Bei den Texten soll das Leitmotto belegen, dass die Arbeit im Trainingslager einer klaren, auch durch Mentaltraining vermittelten Strategie folgt. Damit dürfte ein legitimer Zitatzweck gegeben sein. Nach alledem handelt es sich beim Zitatbegriff des § 51 UrhG nicht um eine Pflicht des Zitierenden, allenfalls um eine Pflicht des Zitierten, das erlaubte Zitat zu dulden. Was ist also gemeint, wenn im Alltag von einem „Zitiergebot“ gesprochen wird? D. Die Pflicht zur Quellenangabe nach § 63 UrhG Bei der Ausübung seines Zitierrechts nach § 51 UrhG ist der Zitierende keineswegs frei, er muss das Änderungsverbot und das Quellenangabegebot des § 63 UrhG beachten. Letzteres wird, begrifflich irreführend, weil den Zusammenhang verkürzend, gleichwohl aber inhaltlich zutreffend, als „Zitatpflicht“ bezeichnet. Zur Quellenangabe gehören schon aus Gründen des Urheberrechts zumindest der Name des zitierten Autors, um sicherzugehen, aber auch die Fundstelle mit den zum Auffinden erforderlichen bibliographischen Angaben.22 Unverzichtbar ist es, beim Zitat eines Sprachwerks den aufgenommenen Fremdtext drucktechnisch zu kennzeichnen und damit vom Eigentext abzugrenzen.23 Da im Beispielfall das Trainerteam den Autor an keiner Stelle genannt hat, haben sie nicht nur die Pflicht zur Quellenangabe, sondern auch den Anspruch Quadbeck-Seegers auf Anerkennung seiner Urheberschaft aus § 13 UrhG verletzt.24 Fraglich ist aber, ob eine Verletzung der Quellen15

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Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 16. Götting in: Loewenheim, Handbuch Urheberrecht, 2. Aufl. 2010, § 30 Rn. 14. Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberecht, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 4. Duden, Das große Fremdwörterbuch, 3. Aufl. 2003, S. 1436. Georges, Lateinisch-Deutsches Handwörterbuch, 1962, S. 1182. BGH, Urt. v. 17.10.1958 - I ZR 180/57 - BGHZ 28, 234, 237. Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 51 Rn. 39. Götting in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl. 2010, § 32 Rn. 11. Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, § 51 Rn. 17. Dussmann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl. 2008, § 63 Rn. 4.

JM 01 | angabepflicht den Gestattungstatbestand des Zitatrechts entfallen lässt, die Nutzung eines fremden Werks im Rahmen des Zitatrechts also nicht nur die Wahrung der Grenzen des § 51 UrhG, sondern auch die Erfüllung der Pflicht des § 63 UrhG voraussetzt. Während man früher den Verstoß gegen die Verpflichtung zur Quellenangabe als eigenständige Pflichtverletzung ansah, die sich nicht weiter auf das Zitatrecht auswirken solle25, hat sich unter dem Einfluss des Europäischen Gemeinschaftsrechts mehr und mehr die Auffassung durchgesetzt, dass ein Zitat ohne Quellenangabe auch die Berufung auf § 51 UrhG zugunsten des Zitierenden ausschließt.26 Somit stellen die Zitate mangels Quellenangabe Urheberrechtsverletzungen dar. Die Äußerung von Quadbeck-Seeger, dass man gut daran getan hätte, die Quelle auch zu nennen, ist rechtlich somit zutreffend. E. Besonderheiten bei wissenschaftlichen und amtlichen Texten Betrachtet man die spektakulären und breit in der Öffentlichkeit diskutierten Plagiatsfälle, so weisen sie die Gemeinsamkeit auf, dass es sich praktisch ausschließlich um wissenschaftliche Werke, fast immer Dissertationen, handelt. Auch wenn ein funktionaler Text, z.B. eine wissenschaftliche Abhandlung, im Schutzumfang grundsätzlich einem fiktionalen Text, etwa z.B. einem Roman in seiner Eigenschaft als Sprachwerk völlig gleichgestellt ist, ist der Schutzumfang verschieden. Während dieser beim fiktionalen Text relativ weit gefasst ist, so dass selbst Handlungsgeflecht, Kulisse und Personenensemble noch allein der Disposition des Schöpfers vorbehalten sind27, sind beim funktionalen Text, bei dem wesentliche Grundzüge durch die Sach- und Fachregeln oder durch wissenschaftliche Erkenntnisse vorgeprägt sind, die daher zum Allgemeingut gehören, lediglich Auswahl, Strukturierung und Präsentation des Stoffs Ausdruck individueller Kreativität und daher Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes.28 Daraus erklärt sich, dass bereits kleine Abweichungen, Umformulierungen oder ein anderer Zugang zum Thema genügen, um ein neues, unabhängiges Werk zu schaffen, ohne dass der vorhergehende Autor dagegen auf urheberrechtlicher Grundlage vorgehen oder gar den Vorwurf des Plagiats erheben könnte. Bei Fundstellenangaben in solchen Fällen handelt es sich um Hinweise, nicht um Zitate im urheberrechtlichen Sinn des § 51 UrhG. An den Werken, die in § 5 Abs. 1 UrhG abschließend aufgezählt sind, amtliche Bekanntmachungen, in den amtlichen Verkündungsblättern vorgenommene Publikationen von Rechtsnormen sowie Urteilstexte in amtlicher Fassung, besteht überhaupt kein Urheberrechtsschutz, so dass sie auch nicht der Schrankenbestimmung des Zitats unterlie-

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gen.29 Für die in § 5 Abs. 2 UrhG umschriebenen weiteren amtlichen Publikationen gelten immerhin das Quellenangabegebot und das Änderungsverbot. Diesen zitierten Fundstellen darf kein Inhalt unterschoben werden, den sie nicht haben. Ungeachtet dessen kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass die Nutzung fremder Ergebnisse bei wissenschaftlichen Abhandlungen schon bei geringfügigen Textmodifikationen nicht mehr als Zitat im urheberrechtlichen Sinne gem. § 51 UrhG, sondern vielmehr regelmäßig als freie Benutzung nach § 24 UrhG zu qualifizieren ist. Das erklärt auch den vielfach früher unter Diplomanden und Doktoranden kursierenden Spruch, „wenn man nicht gerade wörtlich andere Quellen abschreibt, braucht man nicht zitieren“. Gleichwohl blendet die auf das Urheberrecht reduzierte Perspektive die auf Prüfungsrecht beruhende Pflicht aus, „alle benutzten fremden Quellen als solche kenntlich gemacht zu haben“, die eingehalten zu haben Prüfungsbewerber im Zusammenhang mit der Versicherung eigenständiger Abfassung regelmäßig bei Einreichung der Abhandlung zu erklären haben. Zweck dieser Regelung ist es, denjenigen, die die Leistung von Prüfungsbewerbern zu begutachten und zu bewerten haben, zur Wahrung der Chancengleichheit eine Identifizierung der individuellen Leistung der Bewerber zu ermöglichen. Entspricht diese Erklärung nicht der Wahrheit, so steht der Vorwurf der Täuschung im Raum, der, sofern bewiesen, zur Rücknahme des Prüfungszeugnisses als begünstigendem Verwaltungsakt nach § 48 VwVfG berechtigt. Da wissenschaftliche Arbeit wesentlich auf dem inneren Dialog mit den Erkenntnissen anderer beruht, gestaltet sich die Abgrenzung zwischen Nutzung fremder Quelle und eigenem Beitrag oft sehr schwierig. Auch die wiederholt bemühten ethischen Grundsätze der wissenschaftlichen Fachgesellschaften kommen an dieser Stelle über generalklauselähnliche Formulierungen nicht hinaus, möglicherweise hilft hier nur eine „Rechtsethik des Kopierens“30. F. Fazit Bereits der Fall des Leitmotivs für die DFB-Mannschaft zeigt, wie leicht die mit dem Urheberrecht verbundenen Probleme unterschätzt und wie leicht ein scheinbar belangloses Alltagsverhalten zu einer Verletzung fremden Immaterialgüterrechts führen kann, die zumindest einen 25 26 27 28

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Bullinger in: Wandtke/Bullinger, 4. Aufl. 2014, § 63 Rn. 31. Dietz/Spindler in: Schricker, Urheberecht, 4. Aufl. 2010, § 63 Rn. 20. BGH, Urt. v. 29.04.1999 - I ZR 65/96 - GRUR 1999, 984, 987. Bullinger in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 50. Obergfell in: Mestmäcker/Schulze, Urheberrecht, 2011, § 5 Rn. 44. Dreier, NJW-aktuell 35/2014, S. 12.

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Die Monatszeitschrift

Unterlassungsanspruch, verbunden mit einer kostenauslösenden Abmahnung zur Folge haben kann. Meist wird hingegen der Vorwurf des Plagiats unberechtigt sein, da es an einer bewussten Rechtsverletzung und der Anmaßung eigener Urheberschaft fehlen wird. Bei der Nutzung fremder funktionaler Texte, wie z.B. technischen Beschreibungen oder wissenschaftlichen Abhandlungen, genügen geringfügige Veränderungen, um die urheberrechtliche Zitat-

pflicht entfallen zu lassen. Bei Erstellung von Werken besteht gleichwohl unabhängig vom Urheberrecht stets eine Verpflichtung zur Kennzeichnung und Angabe aller benutzten fremden Quellen auf rein prüfungsrechtlicher, also verwaltungsrechtlicher Grundlage. In den aktuellen Diskussionen wird oft beides miteinander vermischt und vermengt, ebenso das urheberrechtliche Zitatrecht und seine Bindung an die Pflicht zur Quellenangabe.

Macht und Recht der Mediaagenturen – Der Streit um die TV-Freispots als Treugut oder Handelsware Univ.-Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, M.C.J. (New York Univ.), Hon.-Prof. (Johannesburg)

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A. Die enormen Renditen der Mediaagenturen

B. Die TV-Freispots als „Zankapfel“

Wenn nicht alles täuscht, tickt hinter dem Begriff „Mediaagenturen“ eine wirtschafts- und gesellschaftspolitische, aber auch eine juristische Zeitbombe – von der niemand weiß, wann sie „hochgeht“. Lange kann es wohl nicht mehr dauern, wenn man dem Fernsehbericht im NDR-Medienmagazin ZAPP vom 24.09.2014 glauben darf.1 Er trug den Titel: „Einflussreich. Die Macht der Mediaagenturen.“ Danach werden 90 % der Werbung in TVund Radiosendern, in Zeitschriften und Magazinen von Mediaagenturen im Auftrag der Unternehmen der werbenden Wirtschaft geschaltet, davon der Löwenanteil von den „big five“.2 Angeblich sollen die Mediaagenturen Renditen von 30 bis 40 % erzielen, was in keinem Wirtschaftsbereich, abgesehen vom Diamanten- oder vom Zigarettenhandel, vielleicht auch noch vom Kunst- oder Waffenhandel, auch nur annähernd erreicht werde. Als wohl wichtigste Einnahmequelle werden dort die TV-Freispots (freie Sendezeiten) und andere Rabatte dargestellt, die die Mediaagenturen von den Medien erhalten und eigenständig vermarkten. Vom „Vorbild Frankreich“ ist die Rede, wo es schon seit 1993 ein Gesetz (Loi Sapin) gibt, „das den Einfluss der Agenturen eindämmt“ und wonach die Mediaagenturen „wieder auf ihre Rolle als reine Dienstleister zurückgeworfen (werden), die über Provisionen bezahlt werden“. „Die Macht der Mediaagenturen nimmt seit Jahren zu. Darüber offen reden will kaum jemand.“3 Unsere jurisMonatszeitschrift will darüber reden. Außer den Brancheninsidern weiß man viel zu wenig über Mediaagenturen. Was ist ihr Tätigkeitsbereich? Welche Rechtsbeziehungen sind damit verbunden? Was hat es mit der Macht der Mediaagenturen auf sich und was sagt die Rechtsordnung dazu?

Im Mittelpunkt der explosiven Kontroverse über die Mediaagenturen steht ein handfester, buchstäblich milliardenschwerer Streit im Bereich der TV-Werbung: Es geht um die Behandlung von Freispots in der Leistungsabrechnung zwischen den modernen Mediaagenturen und ihren werbungtreibenden Kunden. Die modernen Mediaagenturen sind aus den früheren Werbeagenturen hervorgegangen; ihre Spitzengruppe bilden die fünf größten, international verflochtenen und hochprofessionellen Mediaagenturnetworks. Solche Mediaagenturen können, abhängig von ihrer Nachfragemacht bzw. dem Auftragsvolumen der „geschalteten“ Werbung, von den Medien (den Fernsehsendern bzw. ihren Vermarktern) im Rahmen ihrer Media-Einkaufskonditionen freie Sendezeiten als – kundenbezogene oder agenturbezogene – Freispots eingeräumt erhalten.

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Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Machtder-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit einem Bericht von Grimberg und dem abspielbaren Originalbeitrag – zuletzt abgerufen am 23.11.2014. Derzeit halten fünf große Mediaagenturnetworks 96 % des Billingvolumens. Dabei kommt dem Marktführer Group M ein Marktanteil von 44 % zu; es folgen Dentsu Aegis mit 16 %, Omnicon mit 16 %, Vivaki/Publicis 13 % und Interpublic mit 7 %. Die größte Mediaagentur ist die zur Group M gehörende MediaCom mit einem Marktanteil von 19,7 %. Als erste, nicht zu einer internationalen Holding gehörende Agenturgruppe (als „Independent“) liegt die größte deutsche unabhängige Agenturgruppe Mediaplus mit einem Marktanteil von 6,3 % auf dem siebten Platz des Recma-Rankings 2012, abgedruckt in Horizont Nr. 31 vom 01.08.2013, S. 18. Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Machtder-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit einem Bericht von Grimberg und dem abspielbaren Originalbeitrag – zuletzt abgerufen am 23.11.2014.

JM 01 | Seit den frühen Zeiten des Mediengeschäfts vor einigen Jahrzehnten kaufen Medienagenturen zudem Werbezeiten von den Medienunternehmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie auf der Grundlage mehr oder weniger bindender „Verpflichtungen“ oder doch Schätzungen ihrer Kunden. Nicht selten erwerben („kaufen“) die Mediaagenturen auch unmittelbar und auf eigenes Risiko von den TV-Medien ein „Inventar“ von Werbezeiten, das sie in ihre Dispositionen unternehmerisch einbeziehen und selbständig vermarkten. Bisweilen nutzen die Mediaagenturen das unabhängig und auf eigenes Risiko hinzuerworbene Werbeinventar dazu, das von einem TV-Vermarkter vorgegebene Mindestvolumen für die Gewährung von bestimmten Rabatten zu erreichen. Die Verwendung und Behandlung solcher Freispots ist seit vielen Jahren zwischen den werbungtreibenden Unternehmen und den Mediaagenturen auf dem deutschen Markt umstritten, insbesondere soweit es um die Entgeltabrechnung geht. Werbungtreibende und Mediaagenturen zanken insbesondere darüber, ob für agenturbezogene Freispots ein pro rataWeiterleitungsanspruch des werbungtreibenden Kunden besteht. Das dahinterstehende Kernproblem lässt sich wie folgt formulieren: Sind die agenturbezogenen Freispots nach den Vertragsbeziehungen der Parteien als fremdnützig anvertrautes Treugut anzusehen, das die Media-Handelsunternehmen nur im Interesse und nach Weisung ihres Kunden verwenden dürfen und letztlich herauszugeben haben, oder sind diese Freispots als autonom verfügbare Handelsware der Media-Handelsunternehmen zu verstehen, über die sie unternehmerisch selbständig, ungebunden und weisungsfrei disponieren können? Gewiss, die Lage ist eindeutig, wenn der Mediaagenturvertrag (Media Agency Services Agreement) unmissverständlich eine Weiterleitungspflicht für „media discounts“ bzw. „agency volume benefits“ vorsieht, wie in dem Fall, der der sogenannten „Danone“-Entscheidung des OLG München von 2009 zugrunde liegt.4 Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, aus der keine allgemeine Weiterleitungspflicht für Freispots ohne jede dahingehende Vereinbarung hergeleitet werden kann. Der Urteilstenor dieser Entscheidung konnte nur deshalb eine weitreichende Weiterleitungspflicht bestimmen, weil in diesem besonderen Fall eine Sonderregelung mit genau diesem spezifischen Wortlaut Vertragsbestandteil war. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass außerhalb solcher spezieller Sonderregelungen keine Weiterleitungsansprüche bestehen. Genau hierüber aber wird erbittert gestritten. Mangels einer ausdrücklichen Weiterleitungspflicht hilft der Hinweis auf § 346 HGB nicht weiter, wonach für Handelsverträge zwischen Kaufleuten (beidseitige Handelsverträge), zu denen Mediaagenturverträge gehören, auf die im

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Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen ist. Jedenfalls lässt sich keinerlei Verkehrssitte oder Handelsbrauch ausmachen, wonach etwa „agenturbezogene“ oder „kundenbezogene“ Freispots, agency volume benefits oder media discounts an den werbungtreibenden Kunden abzuführen bzw. weiterzuleiten seien. Wenn, wie nur allzu oft, eine ausdrückliche Weiterleitungspflicht im Vertrag fehlt, ist an eine ergänzende Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157, 242 BGB zu denken. Die dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt vor, wenn die Parteien die Behandlung, Verwendung und Abrechnung von Freispots in ihrem Vertrag nicht angesprochen und ungeregelt gelassen haben und sie bei Kenntnis und im Bewusstsein der Freispot-Problematik durchaus eine Regelung getroffen hätten. Dabei darf aber eine Lückenausfüllung nicht gleich durch einen Rekurs auf den hypothetischen Parteiwillen bei Vertragsabschluss angegangen werden. Vielmehr ist eine Lückenfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in erster Linie durch eine Heranziehung des dispositiven Rechts zu bewerkstelligen. Die Lösung der zwischen den Mediaagenturen und den Werbungtreibenden umstrittenen Probleme ist in den Rechten und Pflichten suchen, die das dispositive Gesetzesrecht für einen Vertrag zwischen einer Mediaagentur und einem werbungtreibenden Unternehmen vorsieht. Hiervon kann man sich eine grundsätzliche Klärung der Kernfrage versprechen, ob die Freispots als fremdnützig anvertrautes Treugut oder als autonom verfügbare Handelsware der Mediaagenturen anzusehen sind. C. Die Mediaagenturen und ihre Partner im Werbemarkt Die grundsätzliche Klärung verlangt zunächst eine Besinnung darauf, dass im modernen Werbegeschäft den Mediaagenturen einmal die werbungtreibenden Unternehmen, dann die werbungdurchführenden Medien bzw. deren Vermarkter5 und auch die Kreativagenturen in vertragsrechtlichen Beziehungen gegenüberstehen; diese sind die vier „main players“ auf den Werbemärkten. Dabei können hier die Kreativagenturen vernachlässigt werden; sie nehmen aufgrund von Werbegestaltungsverträgen im Auftrag der Mediaagenturen die künstlerische und technische Herstellung einer schaltbaren Werbung (z.B. eines

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OLG München, Urt. v. 23.12.2009 - 7 U 3044/09. Seebohn, Gabler Kompaktlexikon Werbung, 11. Aufl. 2013, S. 252; da in den meisten Fällen die Vermarkter zumindest auf Rechnung, wenn nicht auch im Namen der werbungdurchführenden Medien handeln, kann man hier die Begriffe Vermarkter und werbungdurchführendes Medium synonym verwenden.

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Werbespots) vor.6 Die juristisch brisanten und umstrittenen Probleme spielen sich zum einen im Verhältnis zwischen werbungtreibendem Unternehmen und Mediaagentur ab; diese Parteien schließen einen so genannten Mediaagenturvertrag oder Mediabetreuungsvertrag (Media Agency Services Agreement) ab. Zum anderen sind sie im Verhältnis zwischen werbungdurchführendem Medium bzw. dessen Vermarkter und Mediaagentur angesiedelt; hier kommt ein so genannter Werbeschaltvertrag oder moderner Mediaeinkaufsvertrag zustande. D. Das Verhältnis der Mediaagenturen zu den werbungtreibenden Unternehmen I. Mediaagenturen in Nachfolge der Full-ServiceAgenturen Beim Mediaagenturvertrag verpflichtet sich die Mediaagentur zur Mediaberatung, -planung, -forschung, zum Mediaeinkauf und der Mediaabwicklung gegen Entgeltzahlung von Seiten des werbungtreibenden Unternehmens.7 Neben diesen essentialia negotii können die einzelnen vertraglichen Pflichten von Fall zu Fall stark variieren. Einen Mediaagenturvertrag „als solchen“ gibt es nicht. Die einzelnen Verträge werden individuell nach den Bedürfnissen der Vertragspartner ausgehandelt und meist in detailliert ausformulierten Vertragswerken festgehalten. Trotz detailliert ausgehandelter Rechte und Pflichten haben alle Mediaagenturverträge einen gewissen Rahmenvertragscharakter. Dem eigentlichen Vertragsabschluss folgen weitere Einzelabsprachen zwischen den Vertragspartnern, die zur erfolgreichen Zusammenarbeit auf dem Medienmarkt notwendig sind, denn der Medienmarkt ist in ständiger hektischer Bewegung und verlangt allen Beteiligten höchste Flexibilität und Reagibilität ab; ohne die Ergänzungsabsprachen kann ein Mediaplan weder entstehen noch umgesetzt werden. Vorgänger der Mediaagenturen sind die Full-Service-Agenturen, aus deren Werbeagenturverträgen heraus sich die Mediaagenturverträge entwickelt haben. Schon die FullService-Agenturen verpflichteten sich in den Werbeagenturverträgen zur Mediaberatung, -planung, -forschung, zum Mediaeinkauf und der Mediaabwicklung gegen Entgeltzahlung von Seiten der werbungtreibenden Unternehmen, wobei diese Hauptleistungspflichten um die wichtige Pflicht der kreativen Gestaltung des Werbemittels ergänzt waren; die Full-Service-Agenturen waren zugleich „Kreativagenturen“. Rechte und Pflichten der Werbeagenturverträge waren jedoch zu atypisch, um sie ohne weiteres unter einen der klassischen handels- oder zivilrechtlichen Verträge zu subsumieren. Die Rechtswissenschaft kämpfte bei der Vertragsnaturbestimmung vor allem mit folgenden

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drei medienspezifischen Besonderheiten: Erstens das Handeln der Full-Service-Agenturen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung (und nicht im Namen und auf Rechnung der werbungtreibenden Kunden)8; zweitens die atypischen Vergütungsstrukturen, nach denen die Agentur über die 15 %ige AE‑Provision9 ein Entgelt auch von der Marktgegenseite, den Medien, erhielt; drittens die damit im Zusammenhang stehende Preislistentreue, zu der die Agenturen gegenüber den Medien verpflichtet waren. II. Handeln auf eigene Rechnung, AE-Provision und Preislistentreue Die Tradition des Handelns der Full-Service-Agenturen auf eigene Rechnung geht dabei zurück bis in die Anfangsjahre des 20. Jahrhunderts. Zwar wurde in der Literatur versucht, dieses Handeln als eines „auf fremde Rechnung“ zu konstruieren, um eine klassische geschäftsbesorgungsrechtliche Situation zu schaffen, jedoch scheiterten diese Versuche an den tatsächlichen Gegebenheiten; die FullService-Agenturen trugen die wirtschaftlichen Risiken, die sich aus ihrem Handeln ergaben, und nahmen die Möglichkeit wahr, unternehmerische Chancen zu realisieren. Die Preislistentreue hat ihren Ursprung in der Praxis der werbungdurchführenden Medien bzw. deren Vermarkter, in regelmäßigen Abständen „Listen“ zu veröffentlichen, in denen sie detailgetreu festlegen, zu welchen Preisen die im Einzelnen genau bestimmten Werbemittel geschaltet und welche Rabatte und Vergünstigungen für die Schaltungen unter welchen Voraussetzungen gewährt werden

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Vgl. dazu Martinek in: Festschrift für Elmar Wadle, 2008, S. 551 ff. (555); Kloss, Werbung – Handbuch für Studium und Praxis, 5. Aufl. 2012, S. 248. Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertragsund Werbekartellrecht, Schriftenreihe Information und Recht, hrsg. von Thomas Hoeren u.a., Band 84, 2014, insbes. S. 33 ff.; Wegner in: Wegner, Handbuch Medienmanagement – Geschäftsmodelle in TV, Hörfunk, Print und Internet, 2007, S. 21; Gläser, Medienmanagement, 2. Aufl. 2012, S. 73; Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte – Medienrabatte zwischen Weiterleitungspflicht und Kommerzialisierbarkeit im Strukturwandel der Mediaagenturen zu Media‑Handelsunternehmen, 2008, S. 2; Schweiger/Schrattenecker, Praxishandbuch Werbung, 8. Aufl. 2013, S. 185 f. Zum Handeln der Mediaagenturen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung vgl. BGH, Beschl. v. 09.04.1970 - KRB 2/69 (KG); OLG München, Urt. v. 19.12.1984 - 7 U 4089/84; BGH, Urt. v. 11.11.1993 I ZR 225/91; LG Stuttgart, Urt. v. 10.11.1992 - 10 KfH O 154/92; OLG München, Urt. v. 23.12.2009 - 7 U 3044/09; Fabricius, WRP 1969, 305-340 (321 f.) hielt noch ein Handeln auf eigene Rechnung für unvereinbar mit dem Geschäftsbesorgungsrecht; vgl. auch Heider, Das Recht der Werbeagentur, 1964, S. 35 ff. Die „AE-Provision“, auch Agenturvergütung oder Mittlervergütung genannt, leitet ihren Namen von dem früheren Entgelt für die „Annoncen-Expedition“ von Werbeagenturen ab.

JM 01 | können (z.B. nach bestimmten Mindestwerbevolumen).10 Sie statuierte das Verbot für die Full-Service-Agenturen, in ihren geschäftlichen Beziehungen zu Werbungtreibenden von diesen Listenpreisen abzuweichen. Sie sollte die Stellung der Agenturen als unabhängiger, objektiver, nicht ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachter, sondern vor allem im Fremdinteresse tätiger Mittler bekräftigen. Zudem sollte sie für höhere Transparenz im Werbegeschäft sorgen. Aus diesem System der Preislisten erklärt sich die AE-Provision, die in Höhe von 15 % von den Medien an die Agenturen gezahlt wurde und die jahrzehntelang die finanzielle Grundlage der Full-Service-Agenturen bildete und die zunehmend zur Haupteinnahmequelle wurde. Ausgehend von dem in den Preislisten ausgewiesenen Bruttopreis wurden zunächst die vom Vermarkter gewährten tariflichen Rabatte, wie Mengen- und Malrabatte, abgezogen. Dieses Kundennetto stellten die Agenturen den werbungtreibenden Unternehmen in Rechnung, leiteten aber nur das Kundennetto abzüglich 15 % AE-Provision an die Werbungtreibenden weiter, so genanntes Agenturnetto, von dem wiederum bei besonders früher Zahlung nochmals 2 % Skonto abgezogen werden konnten. Dadurch bezahlte im Ergebnis das werbungdurchführende Medium bzw. dessen Vermarkter die Full-Service-Agentur für Leistungen, die diese aufgrund der Beauftragung durch die werbungtreibenden Unternehmen, also durch die Marktgegenseite, erbrachte.11

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lung eines Entgelts verpflichtet. Zentrales Element ist dabei stets die weisungsgebundene Wahrung fremder Vermögensinteressen. Zwar konfligierten die medienspezifischen Besonderheiten des Handelns im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie die atypischen Vergütungsstrukturen mit der Vergütung durch die Marktgegenseite und mit der Preislistentreue Mitte des 20. Jahrhunderts noch stark mit dem seinerzeitigen orthodoxen Geschäftsbesorgungsverständnis, doch Ende der sechziger Jahre brach sich im Zuge der rechtlichen Untersuchung des Kfz-Vertragshändlers die Einsicht Bahn, dass weder ein Handeln auf eigene Rechnung noch eine Entgeltleistung durch einen anderen Marktbeteiligten im Widerspruch zu geschäftsbesorgungsvertraglichen Eigenschaften stehen, solange die Interessenwahrung für den Geschäftsherrn das Zentrum der Vertragsbeziehungen ist.13 Mit dieser rechtswissenschaftlichen „Entdeckung“ war die Einordnung des Werbeagenturvertrags als Geschäftsbesorgungsvertrag mit den atypischen Elementen des Handelns auf eigene Rechnung und den medienspezifischen Vergütungsstrukturen vereinbar. Diese Rechtsnaturbestimmung der Werbeagenturverträge ist auf die modernen Mediaagenturverträge als Nachfolger der früheren Werbeagenturverträge übertragbar. Auch moderne Mediaagenturverträge sind atypische Geschäftsbesorgungsverträge i.S.d. §§ 675 ff. BGB.14 10

III. Mediaagenturverträge als atypische Geschäftsbesorgungsverträge Aufgrund erstens des Handelns für eigene Rechnung, aufgrund zweitens der atypischen Vergütungsstrukturen mit der 15 %igen AE-Provision und aufgrund drittens der Preislistentreue der Agenturen lassen sich die Werbeagenturverträge – entgegen vereinzelten Ansichten – nicht als Handelsvertreter-, Handelsmakler-, Speditions-, Fracht-, Kommissions- oder Kommissionsagentenverträge klassifizieren.12 Sie sind auch keine treuhänderischen Mittlungsverträge sui generis, im Rahmen derer die Full-ServiceAgentur eine doppelte Treuhänderstellung innehätte, indem sie sowohl an das werbungtreibende Unternehmen als auch an das werbungdurchführende Medium bzw. dessen Vermarkter treuhänderisch gebunden wäre. Allein die interessenwahrenden Tätigkeiten der Agentur reichen nicht zur Begründung einer echten Treuhänderschaft aus, da ihr gerade keine Vermögensrechte bzw. kein Treugut von Seiten ihrer Kunden übertragen wurden. Werbeagenturverträge sind vielmehr atypische Geschäftsbesorgungsverträge i.S.d. §§ 675 ff. BGB und damit Subordinationsverträge, bei denen sich der eine Teil zur Ausführung einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Wahrung fremder Vermögensinteressen und der andere Teil zur Zah-

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Zur Bedeutung der Preislistentreue für die Verträge der Full-ServiceAgenturen als Vorgänger der Mediaagenturen vgl. z.B. Fikentscher, Die Preislistentreue im Recht der Werbeagenturen, 1968, insbes. S. 20; Schneider, WuW 1962, 260-273 (261); Kolonko in: Paschke/ Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 2. Aufl. 2012, Abschnitt 56, Rn. 88. Das Vergütungssystem der Mediaagenturen findet sich ausführlich beschrieben in LG Wiesbaden, Urt. v. 12.05.2009 - 6 KLs - 1160 Js 26113/05; vgl. auch Graf Lambsdorff/Skora, Handbuch des Werbeagenturrechts, 1975, S. 122 ff.; Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, S. 7; Marx, Media für Manager, Alles was Sie über Medien und Media-Agenturen wissen müssen, 2. Aufl. 2012, S. 33; OWM, Agenturvergütungsmodelle – Die wichtigsten Honorarmodelle für Leistungen von Agenturen und Beratungsunternehmen aus Marketing, Werbung und Media, Berlin 2012, S. 16 ff.; Kolonko in: Hamburger Kommentar (Fn. 10), Abschnitt 56, Rn. 74 spricht von einem „unübersichtlichen Dickicht“. Vgl. zu den zahlreichen verfehlten und gescheiterten Bemühungen um eine Rechtnaturbestimmung der Werbeagenturversuche insbes. die Darstellung von Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 33 ff.; vgl. auch Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 35 ff. Dazu am Beispiel des Vertragshändlers grundlegend: Ulmer, Der Vertragshändler – Tatsachen und Rechtsfragen kaufmännischer Geschäftsbesorgung beim Absatz von Markenwaren, 1969, insbes. S. 206. Vgl. ausführlich dazu Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 33 ff.; Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 38 ff.; Martinek in: Festschrift für Elmar Wadle, 2008, S. 551 ff. (576 ff.).

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Die Änderungen im Aufgabenbereich der modernen Mediaagenturen im Vergleich zu den früheren Full-ServiceAgenturen vermögen keine Rechtsnaturänderung herbeizuführen. Zwar wurden die Aufgaben der „kreativen“ Aufbereitung des Werbematerials zu „Kreativagenturen“ ausgelagert und im Gegenzug die Mediaaufgaben differenzierter, vielfältiger und komplexer, wodurch eine deutliche Schwerpunktverlagerung stattfand. Dies führte jedoch nicht zu einer gravierenden Änderung der Hauptleistungspflichten: Die Mediaagentur verpflichtet sich zur Mediaberatung, -planung, -forschung, zum Mediaeinkauf und der Mediaabwicklung, lediglich ohne die frühere Zusatzaufgabe des „kreativen“ Bereichs. Es fand bzw. findet keine Umgestaltung, sondern nur eine veränderte Gewichtung statt, wobei sich keine der einzelnen Aufgaben so sehr in den Vordergrund drängt und damit als so wesentlich angesehen werden muss, dass sie allein dem Vertrag ihr Gepräge gibt. Auch die Weiterentwicklungen bei den Vergütungsmodalitäten ändern diese Rechtsnaturbestimmung nicht. Zwar wurden AE-Provision und Preislistentreue ihrer ursprünglichen Funktionen weitgehend beraubt und immer weiter aufgeweicht, wodurch sich insbesondere die AE-Provision zum Durchreichposten entwickelt hat, doch haben dafür die so genannten AT‑Vergünstigungen deren Platz eingenommen. AT-Vergünstigungen sind Rabatte, Bonifikationen und Vergünstigungen, welche die Vermarkter den Agenturen auf der Grundlage ihrer Einkaufskonditionen in jeweils individuell ausgehandelten Vertragsbestandteilen gewährleisten und die daher nicht in den Preislisten oder AGB der Vermarkter auftauchen. Sie können „agenturbezogen“ oder „kundenbezogen“ gewährt werden. Agenturbezogene Vergünstigungen werden anhand der Aufträge aus dem gesamten Agenturkontingent berechnet, während kundenbezogene Vergünstigungen für die Aufträge von genau bezeichneten Werbekunden gewährt werden. Beide können als Cash- oder Naturalrabatte, also Freispots, Freizeiten oder Freiplätze, ausgezahlt werden. Dabei sagt diese Zuordnung als agentur- oder kundenbezogen noch nichts darüber aus, wem die Rabatte am Ende zustehen. Dafür ist entscheidend, ob sie kundenbestimmt sind und die werbungtreibenden Unternehmen somit die Rabatte herausverlangen können oder ob die Rabatte agenturbestimmt sind und die Agenturen sie folglich einbehalten dürfen. Die Agenturen versuchen, die Rabatte möglichst als agenturbestimmt zu deklarieren, um so ihre Gewinnmargen zu erhöhen. Die Vorstellungen der Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM)15 in ihrem „Code of Conduct“ und ihrem „Mustervertrag“, die immer noch eine Treuhänderstellung der Agenturen festschreiben wollen, gehen daher weitgehend an der Realität

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vorbei und haben sich auf den Werbemärkten nicht durchsetzen können. Die Gewinnmaximierung durch Rabatte hat für die Mediaagenturen große Bedeutung. Sie wehren sich generell gegen eine Weiterleitungspflicht der AT‑Vergünstigungen und sind daher bemüht, diese als agenturbestimmt zu deklarieren. Eine Weiterleitungspflicht an das werbungtreibende Unternehmen lässt sich weder für agenturbezogene noch für kundenbezogene Rabatte aus den Regelungen des Geschäftsbesorgungsrechts herleiten. Im Fall des atypischen Geschäftsbesorgungsvertrags, wie ihn der moderne Mediaagenturvertrag darstellt, sind die geschäftsbesorgungsrechtlichen Normen teleologisch zu reduzieren und die §§ 666, 667 BGB nicht anwendbar. Die Regelung des § 667 Alt. 2 BGB, nach der i.V.m. § 675 Abs. 1 BGB der Geschäftsherr vom Geschäftsführer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herausverlangen kann, dient dem Zweck, die für übliche und typische Geschäftsbesorgungsverhältnisse charakteristische Vermögensneutralität zu gewährleisten. Er kann daher gerade auf atypische Verträge wie die Mediaagenturverträge nicht angewandt werden, da hierin dem Geschäftsführer durch die Erlaubnis des Handelns auf eigene Rechnung explizit das Recht eingeräumt wird, eine Handelsspanne zu realisieren, so dass die Mediaagenturverträge insoweit ausdrücklich nicht vermögensneutral wirken sollen. Gleiches gilt für eine Offenlegungspflicht nach § 666 BGB, der untrennbar mit § 667 BGB verknüpft ist. Es besteht jedoch die Möglichkeit, individualvertraglich Weiterleitungs- und Offenlegungsklauseln in den Mediaagenturvertrag zu implementieren, die dann im Streitfall einer Auslegung auf der Grundlage der §§ 133, 157 BGB bedürfen. Eine Einordnung der Mediaagenturverträge als Werkverträge nach §§ 631 ff. BGB ist demgegenüber nicht haltbar. Hintergedanke dieses Qualifizierungsversuchs für moderne Mediaagenturverträge ist ein Vergleich mit dem – ebenfalls nicht als eigenständiger Vertragstyp im BGB oder HGB normierten – Architektenvertrag, der von der ganz herrschenden Meinung als Werkvertrag angesehen wird.16 Das Hauptargument für diese Vertragsnaturbestimmung beim Architektenvertrag lässt sich jedoch nicht auf die modernen Mediaagenturverträge übertragen: Die Media planende Tätigkeit steht keines15

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Die OWM ist eine Unterorganisation des Markenverbands, in dem die bedeutendsten Markenartikelhersteller ihre Interessen zur effizienteren Wahrnehmung bündeln. Für eine Analogie der Werbeagenturverträge zu den Architektenverträgen und damit für eine werkvertragliche Rechtnaturbestimmung spricht sich insbes. Kolonko, Archiv für Presserecht 2009, S. 18 ff. (21 ff.), aus; dagegen aber zu Recht Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 33 ff.

JM 01 | wegs im Mittelpunkt des modernen Mediaagenturvertrags; er drängt sich nicht derart in den Vordergrund, dass er als wesentlich genug anzusehen ist, um dem Vertrag sein Gepräge zu geben. Mediaberatung, Mediaforschung, Mediaeinkauf und Mediaabwicklung spielen gewiss nicht nur untergeordnete Nebenrollen. Zudem gehören die Tätigkeiten der Agentur bei der Bewerbung der Produkte des werbungtreibenden Unternehmens zu den originären Aufgaben des Unternehmens, die nicht erst durch die Einschaltung der Mediaagentur entstehen. IV. Trading, Targeting und Bidding Begünstigt durch zahlreiche Innovationen und Wandlungen in der Medienlandschaft haben in der jüngeren Vergangenheit drei wichtige Neuerungen Einzug in die Mediaagenturverträge gefunden: Trading, Targeting und (RealTime-)Bidding17. Trading bezeichnet eine Form der Mediaagenturtätigkeit, bei der die Agenturen, unabhängig von einem werbungtreibenden Kunden und auf eigenes Risiko, besonders günstig Werbeinventar pauschal von den Vermarktern einkaufen und dies dann mit Aufschlag an ihre Kunden weiterreichen. Die Agenturen werden dadurch zu (Eigen-)Händlern, die auf einer eigenen Wirtschaftsstufe stehend auf der einen Marktseite eigenständig und unabhängig Werbeinventar einkaufen (erster Kaufvertrag – Media Einkauf), um dieses dann auf der anderen Marktseite zu vertreiben (zweiter Kaufvertrag – Media Verkauf), dass so ein möglichst hoher Gewinn als Handelsspanne erwirtschaftet werden kann. Tradingvereinbarungen üben einen maßgeblichen Einfluss auf die Rechtsnaturqualifizierung der modernen Mediaagenturverträge aus. Sie betonen den atypischen Charakter der modernen geschäftsbesorgungsvertraglichen Mediaagenturverträge. Deren Rahmenvertragscharakter erfährt durch die ausfüllenden kaufvertraglichen Transaktionen zum Tradinginventar eine Stärkung der Komponente der eigenunternehmerischen Selbständigkeit und eine Schwächung der Komponente der treuhänderischen Interessenwahrung. Insbesondere Trading unterliegt als Rechtskauf dem kaufrechtlichen Regelungssystem der § 453 BGB i.V.m. §§ 433 ff. BGB, die im Lichte des geschäftsbesorgungsrechtlichen Rahmenvertrags auszulegen sind. Die Pflicht der Mediaagentur aus dem zweiten Kaufvertrag (Media Verkauf) besteht darin, dem Werbungtreibenden nach §§ 453, 433 BGB die Inhaberschaft an der Forderung zu verschaffen, welche die Agentur aus ihrem modernen Mediaeinkaufsvertrag mit dem Vermarkter, dem ersten Kaufvertrag, besitzt und die den Anspruch auf die Veröffentlichung des Werbemittels beinhaltet. Bei dem zweiten Kaufvertrag zwischen Agentur und Kunde handelt es sich um einen Forderungskauf mit anschließender Abtre-

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tung der Forderung der Agentur gegen den Vermarkter an den werbungtreibenden Kunden und nicht um eine vollständige Vertragsübernahme des ersten Kaufvertrags durch den Kunden. Es fehlt bei den Tradinggeschäften gerade das für einen Geschäftsbesorgungsvertrag typische Über-/Unterordnungsverhältnis, da die Agentur hier beim Mediaeinkauf unabhängig von einem Kunden tätig wird und das gekaufte Inventar zum Zeitpunkt der Beschaffung noch nicht der Realisierung eines bestimmten Plans und damit gerade nicht den Interessen eines Werbungtreibenden dient. Die Agentur möchte durch Trading nur die eigenen Gewinnmargen erhöhen und damit lediglich eigene Vermögensinteressen realisieren. Durch die kaufvertragliche Ausgestaltung des Trading unterliegen die von der Mediaagentur erzielten Gewinne keiner Weiterleitungspflicht, da die geschäftsbesorgungsrechtlichen Vorschriften der §§ 675, 666, 667 BGB von vornherein unanwendbar sind. Weitere Abweichungen zwischen Geschäftsbesorgungsrecht und Kaufrecht wie Unterschiede bei der Mängelgewährleistung und Verjährung spielen in der Praxis kaum eine Rolle. Trading trifft gerade in der Onlinewerbung oft mit Targeting zusammen. Targeting bezeichnet die Methode der zielgruppenorientierten Aussteuerung von Werbung. Es stärkt entweder das dienstvertragliche Element der modernen Mediaagenturverträge oder füllt den geschäftsbesorgungsrechtlichen Rahmenvertrag durch einen eigenständigen Vertrag aus, der als Dienstvertrag i.S.d. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren ist. Vermischen sich jedoch Trading und Targeting und wird das Targeting benutzt, um Tradingaktivitäten zu verschleiern, die nicht Bestandteil des Mediaagenturvertrags sind, kann dies als eine Praxis angesehen werden, die dem Willen und den Weisungen des Werbungtreibenden widerspricht, eine Verletzung des Rahmenvertrags begründet sowie Schadensersatzansprüche nach sich zieht. Das (Real-Time-)Bidding, bei dem das Einbuchen von Werbung über Versteigerungsplattformen erfolgt, hat keinen Einfluss auf die Rechtsnatur der modernen Mediaagenturverträge.18 Für die Agenturen ist dies nur ein weiterer Weg, sich Werbeinventar von den werbungdurchfüh-

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Vgl. dazu im Einzelnen näher Hans, Die Auswirkungen des Medienwandels auf das Werbevertrags- und Werbekartellrecht, 2014, insbes. S. 76 ff. und 111 ff. Real-Time-Bidding findet sich in der medialen Diskussion auch unter den Stichworten Real-Time-Advertising und Big Data. Insbesondere im Zusammenhang mit der gesellschaftspolitischen Diskussion rund um das Datensammeln durch Firmen und Geheimdienste und den Eingriff in die Privatsphäre der Bürger ranken sich gesellschaftspolitische Diskussionen bzgl. Big Data auch im Werbegeschäft, vgl. z.B. Mayer-Schöneberger/Cukier, Big Data – Die Revolution, die unser Leben verändert, 2013.

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renden Medien bzw. deren Vermarktern zu beschaffen, und hat daher keine Auswirkungen auf die Vertragsausgestaltung im Verhältnis zum werbungtreibenden Unternehmen. Ebenso würde eine Rückkehr der Medienwirtschaft zum früheren Geschäftsmodell der Full-ServiceAgentur nichts an der Rechtsnatur der modernen Mediaagenturverträge ändern, da bereits die Full-Service-Agenturen als Vorgänger der Mediaagenturen atypische Geschäftsbesorgungsverträge mit ihren werbungtreibenden Kunden abgeschlossen hatten. Das Verhältnis der modernen Mediaagenturen zu den Unternehmen der werbungtreibenden Wirtschaft zeigt eindeutig: Das moderne Mediaagenturgeschäft ist von einer Händlerprofessionalität beherrscht. Die Mediaagenturen haben sich zu selbständigen Mediahandelsunternehmen entwickelt, die eine rechtlich und wirtschaftlich selbständige Stellung einnehmen. Das Selbstverständnis der Agenturen ist von einer Eigenhändlerstellung im Markt bestimmt. Pointiert ausgedruckt: Die Media„agenturen“ sind in Wirklichkeit gar keine „Agenturen“ mehr; sie sind längst Media-Handelsunternehmen.19 E. Das Verhältnis der Mediaagenturen zu den Media-Vermarktern I. Mediaeinkaufsverträge als Werkverträge Mit den werbungdurchführenden Medien bzw. deren Vermarktern schließen die Mediaagenturen Werbeschaltverträge bzw. moderne Mediaeinkaufsverträge ab. Grundlage dieser Verträge sind die meist über mehrere Jahre beinahe gleichlautend aufrechterhaltenen AGB der Vermarkter bzw. des Mediums und die jährlich aktualisierten Preislisten. Auch hier handelt die Mediaagentur im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die modernen Mediaeinkaufsverträge sind Werkverträge i.S.d. §§ 631 ff. BGB, die durch die Absatzförderung der Mediaagentur für das Medienunternehmen sowie durch die Absatzförderungsvergütung des Werbungdurchführenden ein atypisches Gepräge erhalten.20 Die vertraglichen Hauptleistungspflichten bestehen in der Veröffentlichung des Werbemittels durch den Vermarkter bzw. das Medium in der vereinbarten Form, zum vereinbarten Zeitpunkt, im vereinbarten werblichen Umfeld und Verbreitungsgebiet sowie in der vereinbarten Qualität gegen Entgeltzahlung der Mediaagentur. Entscheidend ist, dass das Werbemittel einem bestimmten Adressatenkreis zugänglich gemacht wird (so genannter Publikationseffekt). Dabei ist wichtig, dass eine bestimmte Anzahl an Rezipienten der Zielgruppe potentiell erreicht werden kann. Es wird daher eindeutig ein „Ergebnis“ und ein „Erfolg“ geschuldet. Dies gilt sowohl für die Schaltung von Werbung in den klassischen Medien als auch für die Schaltung von Bannerwerbung im Internet. Werbeban-

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nerverträge unterliegen nicht den mietvertragsrechtlichen Regelungen der §§ 535 ff. BGB. Ebenso wie die Mediaagenturverträge enthalten die modernen Mediaeinkaufsverträge atypische Komponenten durch die medienspezifischen Vergütungsstrukturen, also Preislistentreue, AE-Provision und AT-Vergünstigungen. Diese medienspezifischen Vergütungsstrukturen ergeben sich aus der Bereitschaft der Vermarkter bzw. Medien, eine Entgeltzahlung an die von den Werbungtreibenden eingesetzten Mediaagenturen zu leisten, da diese den Werbungdurchführenden den Markt erst in seiner vollen Bandbreite erschließen bzw. erschlossen halten. Diese besondere Rolle der Mediaagentur entspringt jedoch nur ihrer werkvertraglichen Nebenleistungspflicht. Sie begründet kein zweites, eigenständiges Vertragsverhältnis, da die Interessenwahrungspflichten der Mediaagenturen für die Medien bereits untrennbar mit den Werbeschaltverträgen verbunden sind. Die Vergütung wurde früher über die sich auch aus der Preislistentreue ergebende AE‑Provision geleistet. Sowohl die Nebenleistungspflicht der Preislistentreue als auch die der AE-Provision hat sich seit der Umstrukturierung der Agenturlandschaft in den siebziger Jahren immer mehr aufgelöst. Sie wurden ihrer früheren Funktionen beraubt und auf rein formale Orientierungspunkte reduziert. In der Beziehung zwischen Mediaagenturen und werbungdurchführenden Medien sind die außertariflichen AT-Vergünstigungen an die Stelle der früheren AE-Provision getreten. Werbeschaltverträge sind rechtlich nicht als Dienstverträge i.S.d. §§ 611 ff. BGB zu qualifizieren. Der zu erzielende Erfolgseintritt (Publikationseffekt) gibt dem Vertrag sein Gepräge; sein Eintritt ist nicht ungewiss und liegt vollkommen in der Hand des Mediums bzw. des Vermarkters. Wie genau die werbungdurchführenden Medien diesen Erfolg erreichen, ist von nachrangiger Bedeutung. Allein die Bemühung, das Werbemittel zu veröffentlichen, genügt nicht zur Vertragserfüllung. Werbeschaltverträge sind auch kei19

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Martinek, Mediaagenturen und Medienrabatte, 2008, S. 49; Kleist, Der Werbeschaltvertrag im deutschen Rundfunk – Rechtstatsachen im Spannungsfeld zwischen Vermarktern, Mediaagenturen und werbungtreibender Wirtschaft, Diss. Saarbrücken 2012, S. 154; Graf Lambsdorff/Skora, Handbuch des Werbeagenturrechts, 1975, S. 212. BGH, Beschl. v. 09.04.1970 - KRB 2/69; OLG Hamm, Urt. v. 20.11.1987 - 26 U 243/86; LG Tübingen, Urt. v. 22.02.1993 - 1 S 310/ 92; OLG München, Urt. v. 19.12.1984 - 7 U 4089/84; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB-Komm., 15. Bearb. 2013, Vorbem. §§ 631 ff. Rn. 33; Busche in: MünchKomm-BGB, 6. Aufl. 2012, § 631 Rn. 236; Kolonko in: Hamburger Kommentar (Fn. 10), Abschnitt 56, Rn. 10 ff.; Rath‑Glawatz/Dietrich, Archiv für Presserecht 2000, S. 505 ff. (506); Löffler, Betriebsberater 1978, S. 921 ff. (921); im Einzelfall ist freilich nicht ausgeschlossen, dass auch ein Vertrag mit tätigkeitsbezogenen Pflichten ausgehandelt wird, der dann als Dienstvertrag zu qualifizieren wäre.

JM 01 | ne Geschäftsbesorgungsverträge mit werkvertraglichem Charakter. Insofern mangelt es an dem für den Geschäftsbesorgungsvertrag charakteristischen und unverzichtbaren Element der Subordination. Die werbungdurchführenden Medien oder die Vermarkter haben kein Weisungsrecht gegenüber der Agentur, kein Recht darauf, Rechenschaft zu fordern, und kein Recht auf ständige Benachrichtigung. Allein die Tatsache, dass die Agentur auch wirtschaftliche Interessen des Vermarkters bzw. des Mediums bedient, macht die modernen Mediaeinkaufsverträge noch nicht zu Geschäftsbesorgungsverträgen. Ebenso wenig sind es Kaufverträge nach §§ 433 ff. BGB oder Pachtverträge nach §§ 581 ff. BGB. Mag eine pachtvertragliche Einordnung zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts noch teilweise einschlägig gewesen sein, so ist sie in Bezug auf die modernen Mediaeinkaufsverträge nicht mehr haltbar, da die Veröffentlichung des Werbemittels zur Hauptleistungspflicht wurde. II. Und wieder: Trading, Targeting und Bidding Auch die neuesten Entwicklungen im Werbegeschäft – Trading, Targeting und (Real‑Time-)Bidding – führen nicht zu einer Änderung der Vertragsnatur der modernen Mediaeinkaufsverträge. Beim Trading kommt es im Verhältnis zwischen Mediaagentur und Vermarkter bzw. Medium nicht zum Abschluss von Kaufverträgen. Hier findet kein einmaliger synallagmatischer Leistungsaustausch statt, wie er für den Kaufvertrag i.S.d. § 433 BGB konstituierend ist; der Vermarkter übernimmt auch beim Trading weiterhin die Abwicklung des Schaltvorgangs und schuldet die Veröffentlichung des Werbemittels, den Publikationseffekt. Die Hauptleistungspflichten unterscheiden sich bei Trading-Transaktionen nicht von denen im klassischen Geschäft. Es führt auch nicht zu Auswirkungen auf die Vertragsnatur, wenn es im Rahmen des Trading zur Vereinbarung einer Put-Option kommt, wonach der Vermarkter bzw. das Medium das Recht hat, Werbeinventar zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu einem bestimmten Preis an den Vertragspartner zu veräußern, jedoch nicht die Pflicht, dies auch tatsächlich zu tun. Die Put-Option kann in einem eigenen Optionsvertrag i.S.e. Vorvertrags zum späteren Hauptvertrag (Werbeschaltvertrag) oder als Teil des Hauptvertrags, so genannter „Hauptvertrag mit Optionsvorbehalt“, vereinbart werden. Ebenso führt Targeting nicht zu einer Änderung der Rechtsnatur i.S.e. mietvertraglichen Einordnung. Der Erfolg des Publikationseffekts steht weiterhin im Mittelpunkt des Vertrags, selbst wenn es um Werbebannerverträge geht. Das Targeting kann nicht als unterstützendes Argument für eine dienst- oder mietvertragsrechtliche Einordnung dieser Verträge herangezogen werden. Beim (Real-Time-)

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Bidding zeigt ein Vergleich mit der eBay-Auktion, dass dies keine Änderung der Rechtsnatur des Geschäfts nach sich zieht. Bei der Versteigerung über eine Onlineplattform handelt es sich lediglich um eine Änderung der Modalitäten des Vertragsschlusses; die Hauptleistungspflichten der Parteien bleiben dieselben. Auch das Verhältnis der Mediaagenturen zu den MediaVermarktern zeigt: Das moderne Mediaagenturgeschäft ist von einer Händlerprofessionalität beherrscht. Die Mediaagenturen haben sich zu selbständigen Mediahandelsunternehmen entwickelt, die eine rechtlich und wirtschaftlich selbständige Stellung einnehmen. Das Selbstverständnis der Agenturen ist von einer Eigenhändlerstellung bestimmt. Erneut ist der Befund zu vermerken: Die Media „agenturen“ sind in Wirklichkeit gar keine „Agenturen“ mehr; sie sind längst Media-Handelsunternehmen. F. Freispots: Kein Treugut, sondern freie Handelsware I. Teleologische Reduktionen des Geschäftsbesorgungsrechts Die vorstehenden Überlegungen zeigen: Für die ergänzende Vertragsauslegung der Mediaagenturverträge nach §§ 133, 157, 242 BGB zum Zweck der Ausfüllung der „planwidrigen Regelungslücke“ erweist sich deren Qualifizierung und Rechtsnatur als Lösungsschlüssel zur Beantwortung der heute in der Mediabranche umstrittenen Fragen. Der Mediaagenturvertrag ist rechtsdogmatisch als atypischer Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. §§ 675 ff. BGB (teils dienst-, teils werkvertraglichen Charakters nach §§ 611 ff. und 631 ff. BGB) mit dem zentralen Element der weisungsgebundenen Wahrnehmung der Vermögensinteressen des Werbungtreibenden zu qualifizieren. Sein atypisches Gepräge erhält der Vertrag durch die medienspezifischen Besonderheiten des Handelns im eigenen Namen und auf eigene Rechnung sowie die atypischen Vergütungsstrukturen mit einer Vergütung auch durch die Marktgegenseite. Zu den Vergütungen durch die Marktgegenseite, die die werbungtreibenden Unternehmen den Mediaagenturen als zusätzliche Verdienstmöglichkeit entsprechend der wirtschaftlichen und rechtlichen Stellung der modernen Media-Handelsagenturen einräumen, gehören die Freispots. Die werbungtreibenden Unternehmen sind sich bewusst, dass die Mediaagenturen von den Vergütungen, die sie von ihnen erhalten, „nicht leben“, jedenfalls keinen Profit erwirtschaften können, und erlauben den Mediaagenturen daher in gewissem Umfang eine eigenunternehmerische Tätigkeit, insbesondere was die eigene Vermarktung von Freispots angeht. Die Freispots, die die TV-Vermarkter in jeweils individuell ausgehandelten Vertragsbestandteilen der Mediaeinkaufsverträge ge-

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währleisten und die nicht notwendig in den Preislisten oder AGB der Vermarkter auftauchen, werden für die Absatzmittlungstätigkeiten gewährt, die die Mediaagentur für die Werbungdurchführenden wahrnimmt; sie sind an die Stelle der früheren 15 %igen AE-Provision getreten. Die AE-Provision wird zwar heute noch in den Abrechnungen erfasst, bildet aber keine reelle Vergütung für die Agentur mehr, sondern bildet nur noch einen Durchlaufposten. Die wahre Vergütung sind die Freispots. Diese Freispots stehen allein den Mediaagenturen zu. Eine Weiterleitungspflicht der Mediaagenturen gegenüber dem Werbungtreibenden für die umstrittenen agenturbezogenen Freispots lässt sich auch aus den Regelungen des dispositiven Geschäftsbesorgungsrechts nicht herleiten; im Gegenteil: Das Geschäftsbesorgungsrecht weist die Freispots der Mediaagentur zu. Denn bei einem atypischen Geschäftsbesorgungsvertrag, wie ihn der moderne Mediaagenturvertrag darstellt, sind die geschäftsbesorgungsrechtlichen Normen teleologisch zu reduzieren und die §§ 666, 667 BGB nicht anwendbar: Die Regelung des § 667 Alt. 2 BGB, wonach i.V.m. § 675 BGB der typische Geschäftsherr vom Geschäftsführer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte herausverlangen kann, dient dem Zweck, die Vermögensneutralität bei geschäftsbesorgungsrechtlichen Geschäften zu gewährleisten. Die Vorschrift kann daher auf einen Mediaagenturvertrag nicht angewandt werden, weil darin der Werbungtreibende, der Geschäftsherr, der Mediaagentur, dem atypischen Geschäftsführer, durch die Gestattung des Handelns auf eigene Rechnung das Recht einräumt, eine Handelsspanne zu realisieren, und die Geschäftsbesorgung somit bewusst nicht vermögensneutral ausgestaltet ist. Diese Chance der Gewinnerzielung durch eigenunternehmerische Tätigkeit versteht sich als Teil der Vergütung, die der Werbungtreibende medienagenturvertraglich gewährt. Unanwendbar ist auch die mit § 667 BGB verbundene Regelung zur Offenlegungs- und Informationspflicht nach § 666 BGB. II. Mediaagenturen als Media-Handelsunternehmen Die Freispots stellen sich mithin als autonom verfügbare Handelsware und als eigenes Wirtschaftsgut der Mediaagenturen. Sie sind nicht als ein fremdnützig zu verwaltendes oder fremdnützig anvertrautes Treugut anzusehen. Sie repräsentieren den eigenunternehmerischen und selbstbestimmten Handlungsspielraum, den die Mediaagentur gestaltend in Wahrnehmung ihrer kommerziellen Eigeninteressen als unabhängiges Wirtschaftsunternehmen ausnutzen kann. Nicht nur das Freispotinventar, sondern auch und erst recht das Media-Tradinginventar, das im Zusammenhang mit der TV-Werbung für einen Werbungtreibenden zur Erfüllung der vertraglichen Vorgaben zum Einsatz

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gebracht wird, ist jedem Zugriff und jeder Weisung des Werbungtreibenden entzogen. Wenn und soweit die Mediaagentur bei den Medienunternehmen unabhängig von einem werbungtreibenden Kunden auf eigenes Risiko Werbeinventar vom Vermarkter einkauft, bleibt damit die Freiheit verbunden, dieses Werbeinventar etwa zur Erwirtschaftung von Mindestwerbevolumen einzusetzen oder es mit Aufschlag an die Kunden weiterzureichen. Die modernen Mediaagenturen haben gerade insoweit die wirtschaftliche und rechtliche Stellung von (Eigen-)Händlern. Das Trading macht besonders deutlich, dass die Mediaagenturen auf einer eigenen Wirtschaftsstufe stehen und rechtlich nicht als „vermittelnde Agenturen“, sondern als Media-Handelsunternehmen anzusehen sind. Sie sind nicht daran gehindert, auf der einen Marktseite eigenständig, eigennützig und unabhängig Werbeinventar einzukaufen, um dieses dann auf der anderen Marktseite so zu vertreiben, dass ein möglichst hoher Gewinn erwirtschaftet werden kann. G. Der Kommentar des Bloggers „Sozialistendenken“ Zu dem einleitend zitierten Beitrag von Steffen Grimberg und zu der NDR-Fernsehsendung im ZAPP-Medienmagazin vom 24.09.2014 hat sich auf der einschlägigen NDR-Website ein Blogger namens „Peter S.“ mit dem Internet-Pseudonym „Sozialistendenken“ zu Wort gemeldet.21 Der Mann schreibt dort: „Was soll man dazu sagen. Die, die Unsummen mit Werbung verdienen und dadurch groß wurden, beschweren sich über eine Branche, die ihnen viel Arbeit im Vorfeld abnimmt (wieviel Personal wäre denn notwendig, wenn die Medien mit jedem Wirtschaftsbetrieb einzeln verhandeln wollten?). Da würde ein höherer Werbebeitrag durch Personalkosten und weiteres wieder aufgefressen. Das fast insolvente und sozialistisch orientierte Frankreich als gutes Beispiel darzustellen(,) zeigt schon, woher der Wind bei den Kritikern weht. Ja, lasst uns doch noch ein Gesetz beschließen, welches die freie Marktwirtschaft, die unseren Staat groß gemacht hat aushebelt. Ich möchte betonen, dass ich nicht der Mediabranche angehöre, mich aber seit Jahren die Gutmenschen und ‚alles gleich Macher‘ ankotzen. Merkt Euch einfach: Der Markt regelt sich selbst! Wenn Mediaagenturen nicht mehr gebraucht werden, verschwinden sie von selbst, dafür benötigt man kein Gesetz(,) und wenn ihre Dienstleistung gerne in Anspruch genommen wird, benötigt man eben mehr. Peter S.“ Hat der Mann nicht Recht? 21

Vgl. www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/Einflussreich-Die-Machtder-Mediaagenturen,mediaagenturen104.html – mit dem Kommentar von „Peter S“ unter der Überschrift „Sozialistendenken schrieb am 26.09.2014 17:09 Uhr“ – zuletzt abgerufen am 23.11.2014.

JM 01 | Die Erheblichkeit der Pflichtverletzung BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Prof. Dr. Michael Jaensch A. Problemstellung Behebt der Verkäufer einen Mangel nicht innerhalb der ihm gesetzten angemessenen Frist, hat der Käufer die Wahl. Er kann entweder die Kaufsache zurückgeben und den ihm entstandenen Schaden ersetzt verlangen (sog. großer Schadensersatz). Stattdessen kann er die Sache behalten und den mangelbedingten Minderwert liquidieren (sog. kleiner Schadensersatz) oder den Kaufpreis mindern. Da der große Schadensersatz wirtschaftlich auf eine Kombination von Rücktritt und Schadensersatz hinausläuft, sind dessen Voraussetzungen mit denen des Rücktritts weitgehend identisch.1 Sowohl für den großen Schadensersatz als auch den Rücktritt vom Vertrag ist erforderlich, dass die Pflichtverletzung nicht unerheblich, d.h. der Mangel nicht geringfügig ist,2 §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB. Auch das alte Recht kannte eine Unerheblichkeitsschwelle. Aufgrund § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. war bei einer unerheblichen Minderung des Wertes oder der Tauglichkeit der Sache die Gewährleistung jedoch insgesamt ausgeschlossen. Das neue Recht kommt insofern dem Käufer entgegen, als er bei geringfügigen Mängeln seine Gewährleistungsrechte behält und ihm nur der große Schadensersatz und Rücktritt verwehrt sind. Nach altem Recht wurde eine Wertminderung von 3 % bis 4 % als unerheblich angesehen.3 Der BGH hatte für das neue Recht bisher offen gelassen, wann ein Mangel nicht mehr eine unerhebliche Pflichtverletzung darstellt.4 Nunmehr gibt er für das Rücktrittsrecht (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) erstmalig einen Regelwert vor. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. Der Kläger erwarb von der Beklagten ein Fahrzeug mit Einparkhilfe. Nach Übergabe stellte sich heraus, dass die akustische Warnfunktion unzuverlässig funktionierte. Eine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung, deren Kosten 6,5 % des Kaufpreises entsprochen hätten, verstrich erfolglos. Daraufhin erklärte der Kläger den Rücktritt. Das Berufungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Mangelbeseitigungsaufwand von unter 10 % des Kaufpreises stelle eine unerhebliche Pflichtverletzung nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB dar. Der BGH hat der Revision stattgegeben und die Sache zurückverwiesen. II. Der Gerichtshof stellt fest, dass bei behebbaren Mängeln nach umfassender Interessenabwägung im Einzelfall die Pflichtverletzung in der Regel nicht mehr unerheblich

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i.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, wenn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Aufwand zur Mangelbeseitigung 5 % des Kaufpreises übersteigt. Abzustellen sei auf die Mangelbeseitigungskosten und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung.5 Zur Begründung greift der Gerichtshof auf die ins neue Recht übertragene Vorgängerregelung § 459 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F.6 zurück. Da der Rücktritt den Verkäufer in der Regel stärker belaste als andere Rechtsbehelfe, schließe die Vorschrift bei geringfügigen Mängeln den Rücktritt aus, um den Verkäufer vor unverhältnismäßigen Folgen seiner Schlechtleistung zu bewahren. Mit einer Erheblichkeitsschwelle von 5 % sei der Verkäufer hinreichend geschützt, zumal er aufgrund des Vorrangs der Nacherfüllung die Möglichkeit habe, den Rücktritt abzuwenden. Ausführlich wendet sich der BGH gegen die Stimmen, die eine deutlich höhere Schwelle von etwa 10 % fordern.7 Bei Mangelbeseitigungskosten von 10 % oder höher könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Leistungsinteresse des Käufers im Grunde nicht gestört sei, so dass er am Vertrag festhalten müsse. Die Rechtsprechung zum Kraftstoffmehrverbrauch8 sowie zur Wohnflächenabweichung9, die jeweils von einer 10 %-Grenze ausgeht, lasse sich nicht auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen. Während letztere eine spezielle Fallgestaltung des Mietrechts darstellt, führt ein um weniger als 10 % erhöhter Kraftstoffverbrauch zu einer geringen Minderung des Fahrzeugwertes und damit zu einer unerheblichen Pflichtverletzung. Die 5 %-Grenze stehe im Einklang mit Art. 3 Abs. 6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie,10 der durch § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB umgesetzt wurde.11 Der Richtlinienwortlaut, der von einer geringfügigen Vertragsverletzung spricht, deute auf eine niedrig anzusetzende Schwelle hin. Schließlich ließen sich auch die Maßstäbe von Art. 49 Abs. 1 lit. a), 25 CISG nicht auf § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB übertragen, da die bei-

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Jaensch, ZGS 2004, 1, 3 f. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 1043. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19. So aber BGH, Urt. v. 05.11.2008 - VIII ZR 166/07 Rn. 19 ff.; Ayad, BB 2014, 2003. RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 222 f., 231. OLG Bamberg, Urt. v. 10.04.2006 - 4 U 295/05 Rn. 38; Reinking/ Eggert, Der Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn. 1042; bis zu 50 % Ernst in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 323 Rn. 243e. BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05 Rn. 3. BGH, Beschl. v. 10.11.2010 - VIII ZR 306/09 Rn. 14. RL 1999/44/EG v. 25.05.1999, AmtsBl. EG L 171 v. 07.07.1999, 12 ff. (kurz: die Richtlinie). RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 223.

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den Regelwerke einer unterschiedlichen Systematik folgen. Gemäß den Regeln des BGB sei der Käufer grundsätzlich zum Rücktritt berechtigt, der ihm nur bei geringfügigen Mängeln verwehrt ist. Nach der Konzeption des CISG stehe hingegen die Aufrechterhaltung des Vertrages im Vordergrund. Dessen Rückabwicklung diene als letzte Möglichkeit, sofern die Vertragsverletzung derart erheblich ist, dass das Erfüllungsinteresse des Käufers im Wesentlichen entfallen ist. Das Regel-Ausnahme-Verhältnis von BGB und CISG sei somit entgegengesetzt. Rückschlüsse ließen sich aus dem CISG für die Erheblichkeitsschwelle des BGB nicht ziehen. C. Bewertung I. Für die Frage, wann ein Mangel nicht mehr geringfügig und die Pflichtverletzung somit nicht mehr unerheblich i.S.v. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, lässt sich die Rechtsprechung des BGH in vier Fallgruppen unterscheiden: Wertminderung aufgrund unbehebbarer Mängel, Mangelbeseitigungsaufwand bei behebbaren Mängeln, Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung und arglistiges Verschweigen von Mängeln. 1. Hatte der Gerichtshof zunächst erwogen, in einem unbehebbaren Mangel stets eine erhebliche Pflichtverletzung zu sehen,12 hält er daran nicht mehr fest.13 Die Abweichung des Kraftstoffverbrauchs um weniger als 10 %14 ist demnach ebenso wenig eine erhebliche Pflichtverletzung wie der merkantile Minderwert eines Unfallwagens von unter 1 % des Kaufpreises.15 Denn in beiden Fällen ist der Wert der Kaufsache aufgrund des unbehebbaren Mangels nur geringfügig gemindert. Höchstrichterlich ungeklärt ist bisher, ab welcher Wertminderung ein unbehebbarer Mangel zu einer erheblichen Pflichtverletzung führt. 2. Für behebbare Mängel legt der BGH zum ersten Mal einen Regelschwellenwert fest. Er ist erreicht, wenn der Aufwand zur Mangelbeseitigung über 5 % des Kaufpreises liegt. In den bisher zu entscheidenden Fällen lag der Aufwand lediglich bei bis zu 1 %, was der Gerichtshof ohne nähere Prüfung als unerheblich abtat.16 3. Primär auf die Mangelbeseitigungskosten abzustellen, wird als Widerspruch zum subjektiven Mangelbegriff gewertet.17 Dieser Vorwurf wird durch die dritte Fallgruppe entkräftet. Besteht der Mangel in der Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung (z.B. Wagenfarbe, fabrikneues Fahrzeug), so liegt in der Regel eine erhebliche Pflichtverletzung vor.18 Das Gleiche muss gelten, sofern für die Abwesenheit eines Mangels eine Garantie übernommen wurde.19 4. Schließlich geht der BGH von einer erheblichen Pflichtverletzung aus, sofern der Verkäufer den Mangel – selbst

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einen geringfügigen – arglistig verschwiegen hat.20 Hiergegen wenden sich zu Recht Stimmen der Literatur.21 § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bezieht sich nur auf leistungsbezogene Pflichten. Die arglistige Täuschung verletzt hingegen eine nicht leistungsbezogene Pflicht und ist über die §§ 123 BGB, 438 Abs. 3 BGB und §§ 440 Satz 1, 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB22 hinreichend sanktioniert. II. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB setzt die Vorgaben von Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie um. Soweit ersichtlich, hat der BGH zum ersten Mal die Norm richtlinienkonform ausgelegt. Den EuGH zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV zu ersuchen, hat er nicht erwogen. Da über die Auslegungsfrage letztinstanzlich entschieden wurde, wäre er zur Vorlage verpflichtet gewesen, sofern die Frage entscheidungserheblich ist. Denn weder hat der EuGH die Frage bereits entschieden, noch ergibt sich die Erheblichkeitsschwelle eindeutig aus der Richtlinie,23 so dass nach der acte-claireDoktrin24 von einer Vorlage hätte abgesehen werden dürfen. Im vorliegenden Fall ist die Auslegungsfrage jedoch nicht entscheidungserheblich, denn auch bei einer abweichenden Einschätzung des EuGH wäre es den Mitgliedstaaten gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie gestattet, das Schutzniveau für Verbraucher höher anzusetzen. Eine Vorlage wäre aber in den Fällen erforderlich gewesen, in denen dem Verbraucher das Rücktrittsrecht verwehrt wurde.25 Die Klärung durch den EuGH wird noch einige Zeit auf sich warten lassen. 12

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BGH, Urt. v. 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 Rn. 23; ebenso Schmidt in: BeckOK, BGB, Stand: 01.08.2014, Ed.: 32, § 323 Rn. 39; differenzierend Faust, JuS 2009, 373, 374. BGH, Urt. v. 12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22. BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05 Rn. 3 f. BGH, Urt. v. 12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19; BGH, Urt. v. 14.09.2005 - VIII ZR 363/04 Rn. 43. Höpfner, NJW 2011, 3693, 3695. BGH, Urt. v. 06.02.2013 - VIII ZR 374/11 Rn. 16; BGH, Urt. v. 17.02.2010 - VIII ZR 70/07 Rn. 23. RegBegr., BT-Drs. 14/6040, S. 223. BGH, Urt. v. 24.03.2006 - V ZR 173/05 Rn. 7 ff. - BGHZ 167, 19. Lorenz, NJW 2006, 1925 ff.; Looschelders, JR 2007, 309 ff.; Otto/ Schwarz in: Staudinger, BGB, Neubearb. 2009, § 323 Rn. C 26; a.A. Rösler, AcP 207 (2007), 564, 593 ff.; Grüneberg in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 323 Rn. 32; Schmidt in: BeckOK, BGB, Stand: 01.08.2014, Ed. 32, § 323 Rn. 39. Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen Unzumutbarkeit bei arglistigem Verschweigen des Mangels entweder aufgrund § 440 Satz 1 BGB (Kulke, ZGS 2007, 89, 91 f.) oder § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (BGH, Beschl. v. 08.12.2006 - V ZR 249/05 Rn. 12 ff.). Vgl. hierzu BGH, Urt. v. 28.05.2014 - VIII ZR 94/13 Rn. 43 f. EuGH, Urt. v. 06.10.1982 - 283/81 Rn. 16 ff. „CILFIT“. BGH, Urt. v. 29.06.2011 - VIII ZR 202/10 Rn. 19; BGH, Urt. v. 12.03.2008 - VIII ZR 253/05 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 08.05.2007 - VIII ZR 19/05 Rn. 3 f.; BGH, Urt. v. 14.09.2005 - VIII ZR 363/04 Rn. 43.

JM 01 | III. Zustimmung verdient die Entscheidung hinsichtlich des zu Art. 49 Abs. 1 lit. a), 25 CISG angestellten Vergleichs. Zwar wurde das Leistungsstörungsrecht durch die Schuldrechtsreform dem CISG angeglichen, identisch sind die beiden Regelwerke aber nicht. Im internationalen Handelskauf kann der Käufer erst dann Rückabwicklung verlangen, wenn sein Erfüllungsinteresse im Wesentlichen gestört ist, wofür er die Beweislast trägt.26 Nach den allgemeinen Regeln des BGB kann er sie nur dann nicht verlangen, wenn die Störung unerheblich ist, was der Verkäufer zu beweisen hat.27 D. Auswirkung für die Praxis Aufgrund des Gleichlaufs von Rücktritt und Schadensersatz28 gelten die für § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB entwickelten Fallgruppen und Grenzwerte auch für den großen Schadensersatz, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB. Sollte der EuGH den Begriff der „geringen Vertragsverletzung“ in Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie zugunsten des Verbrauchers strenger auslegen, wären diese Maßstäbe auf alle Fälle der Leistungsstörung in §§ 281 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB zu übertragen. Denn der Gesetzgeber hat die Richtlinie überschießend umgesetzt, und Gründe für eine gespaltene Auslegung sind nicht ersichtlich. 26

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Müller-Chen in: Schlechtriem/Schwenzer, CISG, 6. Aufl. 2013, Art. 49 Rn. 13. Ernst in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2012, § 323 Rn. 243h. S. oben unter A.

Voraussetzungen für die Einräumung eines Umgangsrechts des leiblichen, nicht rechtlichen Vaters OLG Bremen, Beschl. v. 10.10.2014 - 5 UF 89/14 RiAG Dr. Petra Pheiler-Cox

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regelung mit § 167a Abs. 2 FamFG in verfahrensrechtlicher Hinsicht auch die Möglichkeit der inzidenten Klärung der Vaterschaft im Umgangsverfahren vor. Das OLG Bremen hatte nun als erstes Obergericht darüber zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen dem leiblichen Vater nach der gesetzlichen Neuregelung ein Recht auf Umgang zusteht. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Antragsteller begehrt als potentieller leiblicher Vater Umgang mit der heute 7-jährigen X. In der Empfängniszeit hatte er mit der Kindesmutter, der Antragsgegnerin, eine kurze Affäre. Als der Antragsteller von der Schwangerschaft und seiner möglichen Vaterschaft erfuhr, brach er den Kontakt zu der Antragsgegnerin ab. Die Antragsgegnerin war zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet. Die Vaterschaft des Ehemannes hat die Antragsgegnerin erfolgreich angefochten mit dem Argument, sie habe in der Empfängniszeit ausschließlich Kontakt mit dem Antragsgegner gehabt. Der Antragsgegner hat die Vaterschaft für X anerkannt. Es gibt auch eine gemeinsame Sorgeerklärung. Eine Abstammungsuntersuchung fand nicht statt. Seit der Trennung der Antragsgegnerin und des Antragsgegners lebt X bei dem Antragsgegner, ihrem rechtlichen Vater. Aufgrund räumlicher Entfernung findet der bis zum Umzug praktizierte tägliche Kontakt zu der Antragsgegnerin und Mutter nicht mehr statt. Der Antragsteller hat mittlerweile drei weitere Kinder. Dies habe in ihm den Wunsch erweckt, auch zu X eine Beziehung aufzubauen. Das AG hat den Antrag des Antragstellers auf Einräumung des Umgangsrechts zurückgewiesen. Das OLG Bremen hat die von dem Antragsteller begehrte Verfahrenskostenhilfe für die Durchführung der Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussicht verweigert.

A. Problemstellung

I. Zulässigkeit des Antrages

Die Rechte der leiblichen, nicht rechtlichen Väter sind durch das Gesetz zur Stärkung der Rechte der leiblichen Väter vom 13.07.2013 umfassend neu geregelt worden.1

Gescheitert ist der Antragsteller bereits an der Zulässigkeit des Antrages auf Umgang. Denn es fehlte seine Versicherung an Eides statt – geregelt in § 167a Abs. 1 FamFG2 –, dass er der Mutter in der Empfängniszeit beigewohnt hat, nach Auffassung des OLG zwingende Zulässigkeitsvoraus-

Kernvorschrift der Neuregelung bildet § 1686a Abs. 1 BGB. Danach hat der leibliche Vater – während die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes besteht – unter bestimmten Umständen ein Recht auf Umgang mit dem Kind. Steht nicht fest, ob der Mann, der den Umgang begehrt, auch der biologische Vater ist, sieht die gesetzliche Neu-

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Vgl. hierzu Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2464 ff.; Pheiler-Cox, jM 2014, 141 ff. Neu eingefügt im Zuge der gesetzlichen Neuregelung.

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setzung und nicht nur bloßer Bestandteil der Begründetheit des Antrags nach § 1686a BGB. II. Begründetheit des Antrages Daneben hat das OLG auch die Begründetheit des Antrages verneint. Im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Antrages auf Einräumung des Umgangs müssen kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein: 1. die Vaterschaft eines anderen Mannes muss bestehen, 2. der Antragsteller muss der biologische Vater sein, 3. der Antragsteller muss „ernsthaftes Interesse“ an dem Kind gezeigt haben und 4. der Umgang muss dem Kindeswohl dienen. Das OLG hat zunächst klargestellt, dass die Prüfungsreihenfolge der Anspruchsvoraussetzungen im Ermessen des Gerichts liegt. Dient die Einräumung des Umgangs nicht dem Kindeswohl und kann auch kein ernsthaftes Interesse an dem Kind festgestellt werden, kann ungeklärt bleiben, ob der Antragsteller der biologische Vater des Kindes ist. So sah das Gericht den Fall hier. Es ließ den Anspruch bereits am mangelnden ernsthaften Interesse und fehlender Kindeswohldienlichkeit scheitern. Die Klärung der biologischen Vaterschaft unterblieb, um die soziale Familie nicht unnötig zu belasten. Das OLG hat damit zugleich klargestellt, dass § 167a FamFG keine eigenständige Anspruchsgrundlage zur Klärung der biologischen Vaterschaft ist. Zwei Fragen hat das Gericht bei der Prüfung des behaupteten Interesses am Kind zu beachten: Woran macht sich das Interesse im konkreten Einzelfall fest und ist das Interesse manifest geworden? Unter Bezugnahme auf die Kriterien, die die Gesetzesbegründung nennt3 (z.B. Begleitung zu Vorsorgeuntersuchungen und zur Entbindung, wiederholte Äußerung des Wunsches auf Umgang, Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung auch in finanzieller Hinsicht) macht das OLG deutlich: Der mutmaßliche Vater muss sich zügig, in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Kenntnis von seiner möglichen Vaterschaft darum kümmern, sein Kind kennen lernen zu wollen. Konsequent hat das OLG das ernsthafte Interesse des Antragstellers unter Hinweis darauf, dass er etwa 7 Jahre lang „abgetaucht“ war, verneint. Es sei auch kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, warum er so viel Zeit verstreichen ließ. Im Rahmen der Prüfung der Kindeswohldienlichkeit müssen die Vorteile für das Kindeswohl die Nachteile überwiegen.4 Wann das der Fall ist, ist sehr individuell zu bestim-

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men. Die familiäre Situation, Stabilität und Belastbarkeit des Familienverbands, Beziehungskonstellation bzw. Konfliktniveau zwischen den betroffenen Erwachsenen, Alter und Resilienz des Kindes, Grad der Bindung des Kindes an seine rechtlich-sozialen Eltern und Dauer der Existenz eines biologischen Vaters spielen eine Rolle.5 Zu berücksichtigen ist auch, wie der Umgang im Interesse einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung des Kindes zu bewerten ist.6 Ebenso ist die mögliche Verunsicherung und seelische Belastung des Kindes durch Umgangskontakte mit einem zweiten, ausschließlich auf der biologischen Abstammung beruhenden Vater zu beachten.7 Unter Berücksichtigung dieser Kriterien konnte das OLG nicht erkennen, dass die Vorteile eines Umgangs mit dem Antragsteller für das Kindeswohl die Nachteile überwiegen. Bereits durch den Wegzug der Mutter und Antragsgegnerin seien gravierende Änderungen in der Lebenssituation des Kindes eingetreten. Mit zusätzlicher Verunsicherung des Kindes sei zu rechnen, wenn durch Umgangskontakte mit dem leiblichen Vater auch noch die Stellung ihres Vaters, der Hauptbezugsperson ist, infrage gestellt würde. C. Kontext der Entscheidung Die Neuregelung der Rechte des biologischen Vaters auf Umgang ist im Zusammenhang mit mehreren Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus den Jahren 2010 bis 2012 zu sehen.8 Dieser sah den mutmaßlichen biologischen Vater, der bislang keine sozial-familiäre Beziehung zu dem Kind hatte, durch die alte gesetzliche Regelung in seinen Rechten aus Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt. Denn nach der alten Gesetzeslage stand ihm auch dann kein Anspruch auf Umgang zu, wenn ihm der Umstand, dass eine sozial-familiäre Beziehung nicht aufgebaut wurde, nicht zuzurechnen war. Der Gesetzgeber hat also reagiert und die Rechte der potentiellen leiblichen Väter geregelt. Ein eigenes Recht auf Klärung der Abstammung für den potentiellen leiblichen Vater hat der Gesetzgeber dabei – wie auch das OLG Bremen noch mal klarstellt – nicht geschaffen. Die gesetzliche Regelung des § 167a FamFG er3 4 5 6 7 8

BT-Drs. 17/12163, S. 13. Götz in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 1686a Rn. 4. BT-Drs. 17/12163, S. 13. BT-Drs. 17/12163, S. 13. Vgl. zur alten Rechtslage: Clausius, MDR 2013, 685. Vgl. hierzu ausführlich: Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465.

JM 01 | möglicht lediglich die inzidente Prüfung der Abstammung im Rahmen des Umgangsverfahrens.9 Eine Gleichstellung mit rechtlichen Vätern ist durch die Neuregelung auch nicht vollzogen worden. Die gesetzliche Vermutung des § 1626 Abs. 3 BGB – dass der Umgang grundsätzlich dem Kindeswohl dient – gilt hier nämlich nicht. Damit hat der Gesetzgeber gleichzeitig die Grundentscheidung getroffen, dass der bereits existierenden sozialen Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind im Zweifel der Vorzug einzuräumen ist. D. Auswirkungen für die Praxis Das Gesetz zur Stärkung der Rechte der leiblichen Väter hat durch die Entscheidung des OLG Bremen eine erste obergerichtliche Konkretisierung erfahren, die sich auf die weitere Auslegung durch die Instanzgerichte auswirken wird.10 Die Entscheidung bewegt sich auf der Linie des Gesetzgebers und der bislang in der Literatur vertretenen Auffassungen, dass der existierenden sozialen Familie ein hoher Stellenwert zukommt.11 Die Hürden, die der potentielle leibliche Vater überwinden muss, um Umgang mit seinem Kind zu haben, sind danach – wie erwartet – sehr hoch. Die Entscheidung räumt den Richtern einen weiten Gestaltungsspielraum ein, in dem die Prüfungsreihenfolge der Anspruchsvoraussetzungen dem Ermessen des Richters vorbehalten bleibt. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das OLG Bremen dem Problem einer möglichen Verunsicherung des Kindes durch das Verfahren begegnet, indem es von einer persönlichen Anhörung des Kindes abgesehen hat. Auch eine Aufklärung des Kindes über Zweifel an seiner Abstammung durch Jugendamt und Verfahrensbeistand ist unterlassen worden. Das OLG Bremen hat hier einen möglichen Weg aufgezeigt. Daraus wird aber für die Praxis nicht der Rückschluss gezogen werden können, dass hierauf regelmäßig verzichtet werden kann. Denn ob diese Vorgehensweise den Anforderungen standhält, die das BVerfG aufstellt, wenn es um die Anhörungspflichten von Kindern geht, erscheint zweifelhaft.12 Anwälte sollten sich im Rahmen ihrer Tätigkeit und in der Beratung bewusst sein, dass ein erhöhter Begründungsaufwand erforderlich sein wird, um die hohen Hürden, die der Mandant bis zum Umgang mit seinem Kind überspringen muss, zu nehmen. Ob und in welcher Form der Mandant ein ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat, wird er mit dem Mandanten gemeinsam sorgfältig herausarbeiten und darstellen müssen.13

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Ebenfalls ist es erforderlich, sehr zügig die entsprechenden Anträge zu stellen bzw. nach außen sichtbar zu dokumentieren, dass der Vater Umgang mit seinem Kind wünscht. Denn die Entscheidung des OLG Bremen zeigt, dass Versäumnisse später nicht mehr nachzuholen sind. Obwohl die Situation für Kind, rechtliche Eltern und potentiellen Vater in dem Fall des OLG Bremen nun geklärt zu sein scheint, bleibt doch etwas Unbehagen zurück. Das Verfahren hat viele Fragen aufgeworfen, die unbeantwortet geblieben sind. Nachdem in dem Anfechtungsverfahren, das die Mutter nach der Geburt durchgeführt hat, schon keine positive Feststellung der Abstammung stattgefunden hat, ist die Frage, wer leiblicher Vater ist, auch weiterhin ungeklärt. Auch diese Unsicherheit kann zu Belastungen der Beziehung zwischen rechtlichem Vater und Kind führen. Einen Königsweg wird es hier nicht geben. Individuell wird in jedem Einzelfall abzuwägen sein, welcher Weg für alle Beteiligten die geringsten Belastungen mit sich bringt. Dass das OLG den Instanzgerichten mit seiner Entscheidung einen weiten Gestaltungsspielraum eröffnet hat, ist sehr zu begrüßen. 9

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Die Forderung des DAV, dem biologischen Vater ein eigenes Anfechtungsrecht zu geben, hat der Gesetzgeber nicht umgesetzt. Vgl. zur Rolle der Präjudizien: Deckert, Folgenorientierung in der Rechtsanwendung, 1995, S. 53; Schlüter, Das Obiter dictum, 1973, S. 24 f. Peschel-Gutzeit, NJW 2013, 2465 ff.; Büte, FuR 2013, 676 ff.; Lang, FPR 2013, 233 f. BVerfG, Beschl. v. 14.07.2010 - 1 BvR 3189/09. Vgl. auch den Musterantrag auf Regelung des Umgangs von Clausius, MDR 2013, 685, 688.

Sozialrecht

Die Gleichstellung behinderter Menschen mit schwerbehinderten Menschen nach § 2 Abs. 3 SGB IX BSG, Urt. v. 06.08.2014 - B 11 AL 16/13 R; B 11 AL 5/14 R RiSG Matthias Bernzen, z.Zt. Wiss. Mit. beim BSG A. Problemstellung Das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) über die Teilhabe und Rehabilitation behinderter Menschen ist mit dem Anspruch implementiert worden, „so weitgehend wie immer möglich die eigenen Fähigkeiten zur Selbstbestimmung – und damit auch zur Selbsthilfe – zu stärken, zu unterstützen und eine möglichst selbstständige Lebensfüh-

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rung zu ermöglichen.“1 Also muss neben der sozialen vor allem die berufliche Rehabilitation in den Fokus der Aufmerksamkeit treten, weil sie echte, erwerbswirtschaftlich begründete Autonomie sicherstellen kann. Folgerichtig widmet sich diesem Anliegen bereits die zweite Norm des SGB IX. § 2 Abs. 3 SGB IX lautet: „Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50, aber wenigstens 30, (…), wenn sie infolge ihrer Behinderung ohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des § 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte behinderte Menschen).“ Damit eröffnet allein der qualifizierte Bezug zum Erwerbsleben den genannten behinderten Menschen Zugang zu beinahe sämtlichen Schutzvorkehrungen, die der Teil 2 SGB IX für schwerbehinderte Menschen und deren Rehabilitationsbedarf vorsieht (Schwerbehindertenrecht). Nach § 68 Abs. 3 SGB IX werden auf gleichgestellte behinderte Menschen die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme der §§ 125, 145-154 SGB IX angewendet, also reduziert um den Anspruch auf zusätzlichen Erholungsurlaub (§ 125 SGB IX) und die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr (§§ 145 ff. SGB IX). Es verbleiben von großer Bedeutung der besondere Kündigungsschutz nach den §§ 85 ff. SGB IX, besondere Einstellungs-/Beschäftigungsanreize für Arbeitgeber durch Anrechnung auf die Beschäftigungspflicht, §§ 71 ff. SGB IX, die Einbeziehung in die Schwerbehindertenvertretung, §§ 94 ff. SGB IX, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben über § 33 SGB IX hinaus, insbesondere Hilfen zur Arbeitsplatzausstattung nach § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX, sowie die Betreuung durch spezielle Integrationsfachdienste nach den §§ 109 ff. SGB IX. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidungen I. Gleichstellung, um einen geeigneten Arbeitsplatz behalten zu können (§ 2 Abs. 3 Alt. 2 SGB IX) B 11 AL 16/13 R Der 1957 geborene Kläger steht seit Oktober 1987 in einem Vollzeitarbeitsverhältnis. Bei ihm wurde ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Anfang November 2010 beantragte der Kläger bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit (BA) die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen. Er könne seine derzeitige Tätigkeit mit behinderungsbedingten Einschränkungen zwar weiterhin ausüben, dürfe aber nicht mehr schwer heben. Sein Arbeitsplatz sei gefährdet, auch wenn das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestehe: Denn er habe keinen besonderen Kündigungsschutz. Auf Anfrage teilte der Arbeitgeber der Beklagten mit, der Kläger sei als Umspuler eingesetzt. Er länge Kabel nach Kundenwunsch ab und

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spule sie auf Trommeln oder Ringe um. Die gesundheitlichen Einschränkungen seien bekannt und wirkten sich durch häufige Fehlzeiten aus. Eine innerbetriebliche Umsetzung sei nicht möglich. Das Arbeitsverhältnis sei zwar ordentlich kündbar, eine Kündigung aber nicht ausgesprochen worden. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen ab. Eine Gleichstellung könne nur erfolgen, wenn der Arbeitsplatz konkret gefährdet sei. Dies sei nicht der Fall. Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, ihn durch feststellenden Verwaltungsakt einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers die angefochtenen Bescheide sowie die Entscheidung des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Das BSG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung stellt es heraus, dass als geeigneter Arbeitsplatz im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB IX auch ein solcher in Betracht komme, der durch weitere Leistungen der Rehabilitationsträger oder des Arbeitgebers im konkreten Einzelfall erst noch „geeignet gemacht werden“ müsse, dies aber auch könne. Hierzu seien der konkret besetzte Arbeitsplatz zu betrachten und insbesondere Ansprüche auf Rehabilitationsleistungen nach § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX in den Blick zu nehmen (gleichsam vorgreiflich, weil diese erst dem bereits Gleichgestellten zustehen). Ob der behinderte Mensch infolge seiner Behinderung den geeigneten Arbeitsplatz nicht behalten könne, beantworte eine Kausalitätsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung: Die Behinderung müsse für diesen Umstand zumindest eine wesentliche Mitursache sein. Könne der Arbeitsplatz durch die Gleichstellung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit sicherer gemacht werden, sei die Gleichstellung als im Sinne des Konditionalsatzes in § 2 Abs. 3 SGB IX erforderlich anzusehen („(…) gleichgestellt werden sollen (…), wenn sie (…).“). Ob dies der Fall sein werde, sei weder anhand einer abstrakten Betrachtung der Vorteile einer Gleichstellung zu bemessen, noch sei das Eintreten einer konkreten Gefährdung des Arbeitsplatzes im Sinne der Vorbereitung beschäftigungsbeendender Maßnahmen seitens des Arbeitgebers abzuwarten.2 Ent1 2

Gesetzesbegründung BT-Drs. 14/5074, S. 8, 98; BT-Drs. 14/5531, S. 5. Das Urteil unterstreicht dies mit einem Hinweis auf die jüngere Rechtsprechung des BAG, Urt. v. 18.11.2008 - 9 AZR 643/07 - AP Nr. 16 zu § 81 SGB IX = EzA SGB IX § 81 Rn. 19, wonach den Arbeitgeber keine Pflichten nach dem SGB IX gegenüber Personen treffen, deren Gleichstellung ihm noch nicht bekannt ist, so dass der Kündigungsschutz in aller Regel leerliefe, wollte man den um Gleichstellung Ersuchenden erst auf das unmittelbare Drohen einer Kündigung und damit auch auf das ernstliche Risiko deren Eintritts verweisen.

JM 01 | scheidend sei, ob sich der konkrete bisherige arbeitsrechtliche (dienstrechtliche) Sicherungsstatus des behinderten Menschen durch die Gleichstellung verbessere. Hiervon sei im vorliegenden Fall durch die Verstärkung des Kündigungsschutzes auszugehen. II. Gleichstellung, um einen geeigneten Arbeitsplatz erlangen zu können (§ 2 Abs. 3 Alt. 1 SGB IX) B 11 AL 5/14 R Die achtundzwanzigjährige Klägerin ist seit 2002 als Justizfachangestellte im mittleren Landesministerialdienst unbefristet beschäftigt. Seit Juli 2010 ist bei ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Zuvor hatte sich die Klägerin bei ihrem Dienstherrn um eine Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin (gehobener Dienst) beworben. Dies scheiterte – nach erfolgreichem Vorstellungsgespräch – schließlich daran, dass der amtsärztliche Dienst die für die damit verbundene Aufnahme in das Beamtenverhältnis auf Widerruf erforderliche gesundheitliche Eignung der Klägerin absprach. Das hiergegen nach erfolglosem Vorund Klageverfahren geführte Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht ist noch anhängig. Den im September 2010 gestellten Antrag der Klägerin, bei ihr die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen festzusetzen, lehnte die Beklagte ab. Das Sozialgericht (SG) hat die auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen gerichtete Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Klägerin die angefochtenen Bescheide und das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Klägerin einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen. Das BSG hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, das Tatbestandsmerkmal des „Erlangens“ werde allein dadurch hinreichend ausgefüllt, dass der behinderte Mensch einen konkreten anderen Arbeitsplatz anstrebe. Demgegenüber überdehnte es den Zweck der Gleichstellung, wenn man bereits die abstrakte Existenz irgendeines denkbaren Arbeitsplatzes, der mit der Gleichstellung erreicht werden könnte, für ausreichend hielte. Auf der anderen Seite könne einem behinderten Menschen, der sich um einen konkreten anderen Arbeitsplatz bemühe, nicht entgegengehalten werden, dass er bereits einen geeigneten Arbeitsplatz innehabe. Das mit der Gleichstellung verfolgte Rehabilitationsziel schließe die berufliche Veränderung ein. Wegen der weiteren Voraussetzungen könne auf die Entscheidung in dem Parallelverfahren B 11 AL 16/13 R verwiesen werden (siehe zu B.I., also Kausalitätsprüfung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, Erforderlichkeit der Gleichstellung bei konkreter Verbesserung der Wettbewerbschancen). Es sei im entschiedenen Fall davon auszugehen, dass die vorzuneh-

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mende Gleichstellung nach den Regelungen des einschlägigen Landesbeamtenrechts eine Aufnahme in die gewünschte Laufbahn ermögliche, weil dann verminderte Gesundheitsanforderungen gölten. C. Kontext der Entscheidungen Das letzte Urteil des BSG zum Recht der Gleichstellung nach § 2 Abs. 3 SGB IX rührt vom 01.03.20113 und fiel in die Zuständigkeit des damals ebenfalls mit dem Recht der Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 104 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX (die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme) befassten 7. Senats. Dort hatte das BSG erkannt, die Gleichstellung diene dazu, die ungünstige Konkurrenzsituation des Behinderten am Arbeitsplatz und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern und somit den Arbeitsplatz sicherer zu machen (Behaltensvariante) oder seine Vermittlungschancen zu erhöhen (Erlangensvariante). Während die dort aufgezeichneten Maßgaben einer Arbeitsplatzsicherung durch das vorliegend besprochene Urteil in der Sache B 11 AL 16/13 R im Wesentlichen übernommen und an die gegenwärtige Rechtsprechung des BAG zum arbeitsrechtlichen Kündigungs(schutz)verfahren angepasst worden sind, nimmt der nunmehr für das Recht der Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit nach § 104 Abs. 1 Nr. 5 SGB IX (die Gleichstellung, deren Widerruf und Rücknahme) allein zuständige 11. Senat zur Ausformung der Erlangensvariante einen Kurswechsel vor. Denn der 7. Senat leitete aus dem Zweck des Ausgleichs von Wettbewerbsnachteilen auf dem Arbeitsmarkt ab, dass es für die Vornahme einer auf Arbeitsplatzerlangung gerichteten Gleichstellung entscheidend auf die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des behinderten Menschen auf dem gesamten Arbeitsmarkt ankomme, nicht etwa nur auf Nachteile bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz.4 Mitunter wurde auch davon ausgegangen, dass die Gleichstellungsentscheidung nicht nur für die Erlangensvariante5, sondern in jedem Fall allgemein und damit nicht nur im Hinblick auf einen bestimmten Arbeitsplatz erfolge.6 3

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BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, S. 4 ff. = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4; SozR 4-3250 § 73 Nr. 1. BSG, Urt. v. 01.03.2011 - B 7 AL 6/10 R - BSGE 108, S. 4 ff. = SozR 4-3250 § 2 Nr. 4; SozR 4-3250 § 73 Nr. 1; Fortführung von BSG, Urt. v. 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - BSGE 86, S. 10 ff. = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1, ergangen zu § 2 SchwbG, wonach eine Gleichstellung zur Erlangung eines Arbeitsplatzes kein konkretes Arbeitsplatzangebot voraussetzte. Dem 7. Senat folgend Oppermann in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Aufl. 2012, § 2 Rn. 64. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 09.11.2011 - L 3 AL 1949/11; Joussen in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 2 Rn. 20; jedenfalls innerhalb des gesamten Betriebs wohl Luthe in: jurisPK-SGB IX, § 2 Rn. 101 f., Stand 08.10.2014.

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Die Festschreibung, dass die Teilhabe behinderter Menschen nicht vor der beruflichen Veränderung und damit auch nicht vor dem beruflichen Aufstieg halt macht, mutet selbstverständlich an, ist aber angesichts gelegentlich anderslautender Stimmen7 als notwendige Klarstellung anzusehen. D. Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung B 11 AL 16/13 R (Behaltensvariante) bestärkt die bisherige Lesart der Norm, so dass über die angepassten Anforderungen an die Gefährdung des Arbeitsplatzes hinausgehende Effekte der Entscheidung nicht nennenswert sind. Die Auswirkungen der Entscheidung B 11 AL 5/14 R (Erlangensvariante) sollten dagegen nicht unterschätzt werden. Sie wird wegen der Ausrichtung auf einen konkreten Arbeitsplatz(wunsch) Petenten Zugang zur Gleichstellung verschaffen, die bislang auf dem gesamten Arbeitsmarkt nicht als gleichstellungsbedürftig galten, und umgekehrt. Die nächste zu klärende Frage wird sein, in welcher Gestalt sich der zu erlangende neue Arbeitsplatz zu präsentieren habe – als Arbeitsplatzangebot, als bereits mit einer Bewerbung adressierter oder als lediglich begehrter Arbeitsplatz. Wegen ihrer öffentlich-dienstrechtlichen und beamtenrechtlichen Einkleidung musste die Entscheidung B 11 AL 5/14 R diese Frage nicht aufwerfen. Gleichwohl rührt sie an den Kern des vorgenommenen Kurswechsels. Der 7. Senat hatte das Erfordernis eines konkreten Arbeitsplatzangebots abgelehnt, weil er den widersinnigen Fall vor Augen hatte und vermeiden wollte, dass einem behinderten Menschen ein Arbeitsplatz gerade wegen der Behinderung (zunächst) gar nicht angeboten werden kann.8 Die Entscheidung B 11 AL 5/14 R wiederum führt für die nun festgeschriebene konkrete Betrachtungsweise an, dass die Gleichstellung kaum noch versagt werden könne, wenn es ausreiche, irgendwelche denkbaren Arbeitsplätze zu benennen, die mit der Gleichstellung erlangt werden könnten, so dass sie einen im Gesetz nicht angelegten Automatismus zu vermeiden sucht. Die Entscheidung spricht auch nicht von einem Arbeitsplatzangebot, sondern nur von einem konkreten anderen Arbeitsplatz, den der behinderte Mensch erlangen wollen oder anstreben müsse. Damit wird die angesprochene Problematik indes auf die Frage verlagert, ob die Gleichstellung auch erforderlich ist, ob also mit der Gleichstellung ein anderer Arbeitsplatz mit hinreichender Wahrscheinlichkeit besser oder eher erlangt werden kann. Denn dies kann bei konkreter Betrachtungsweise nur bejaht werden, wenn der Anbieter des zu erlangenden konkreten Arbeitsplatzes nicht nur – wie in

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B 11 AL 5/14 R – zur Besetzung öffentlich-rechtlich verpflichtet, sondern in sonstigen Fällen, und sei es erst nach Gleichstellung, auch konkret dazu bereit ist. Andernfalls würde es wieder ausreichen, irgendeinen Arbeitsplatz zu benennen, der gerade einem unbestimmten Kreis von Interessenten angeboten und mit der Gleichstellung wahrscheinlich besser erreicht werden kann, um eine Gleichstellung zu erwirken, so dass diese bei ausreichender Recherche der Petenten wiederum kaum verwehrt werden könnte. Hinzu tritt, dass auch die Frage der Geeignetheit des konkreten Arbeitsplatzes einschließlich etwaig erforderlicher Maßnahmen nach § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX im Nachgang sinnvollerweise nur im Dialog mit dem begehrten Arbeitgeber beantwortet werden kann. Im Ergebnis könnte den behinderten Menschen somit durch die konkrete Arbeitsplatzbetrachtung bei der Arbeitsplatzsuche ein Mehr an Vorfeldabfrage und vorausfragender Rückabsicherung beim angestrebten Arbeitgeber über eine Einstellung bei Gleichstellung abverlangt werden, das nichtbehinderten Mitmenschen so nicht abverlangt wird. Dies stünde dem Charakter der Gleichstellung als einer nachteilsausgleichenden Teilhabeleistung zunächst entgegen. Ob dies dadurch aufgewogen wird, dass der Kreis der potentiellen MitbewerberInnen mit Gleichstellung durch die konkrete Betrachtung bezogen auf den jeweiligen Arbeitsplatz zugleich verkleinert wird, muss einer nachfolgenden Arbeitsmarktbeobachtung anheimgestellt bleiben und sich daher erst noch zeigen. In jedem Fall ist zu wünschen, dass diesbezügliche Klarheit durch zugelassene und eingelegte Revisionen alsbald hergestellt werden kann. Der Verwaltung stellt sich dagegen schon jetzt die Frage, ob die Gleichstellungsbescheide nunmehr nicht insgesamt im Gleichstellungstenor den Bezug zu einer konkreten Arbeitsstelle aufweisen sollten. Denn wenn es keine allgemeine Gleichstellung zur Erlangung (irgend)eines anderen Arbeitsplatzes mehr gibt, könnte dies zur Vermeidung von Rücknahmen und Widerrufen nützlich sein, die nunmehr sonst nach § 116 Abs. 2 Satz 2 SGB IX bei jedwedem Verlust oder Wechsel eines zuvor mit der Gleichstellung erlangten Arbeitsplatzes vorzunehmen sind.9 7

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Etwa Götz in: Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 3. Aufl. 2009, § 2 Rn. 17; Neumann in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 2 Rn. 50 mit Verweis auf OVG Rheinland-Pfalz vom 25.03.1970. BSG, Urt. v. 02.03.2000 - B 7 AL 46/99 R - Rn. 19 a.E. - BSGE 86, S. 10 ff. = SozR 3-3870 § 2 Nr. 1. Vgl. schon zu dem bisherigen Meinungsstand, wonach selbst die für den allgemeinen Arbeitsmarkt ausgestellte Gleichstellungsentscheidung mit dem Wegfall ihrer Voraussetzungen im Regelfall aufgehoben werden soll, Dau in: Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 116 Rn. 10 ff.

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Private Veräußerungsgeschäfte bei Immobilien – steuerliche Fallstricke beachten! RiBFH Dr. Nils Trossen Mit den in den letzten fünf Jahren in weiten Teilen des Bundesgebiets stark gestiegenen Immobilienpreisen rückt das private Veräußerungsgeschäft bei Immobilien verstärkt in den Vordergrund, das nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Besteuerung unterfällt. Private Grundstückseigentümer und ihre Berater haben daher bei Übertragung oder Veräußerung einer Immobilie stets zu prüfen, ob der Vorgang als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung unterfällt. Die dadurch ausgelöste Steuer kann erheblich sein, insbesondere dann, wenn der Eigentümer durch Sanierungen oder Umbau eine erhebliche Wertsteigerung des Objekts herbeigeführt hat. Zudem kann ein privates Veräußerungsgeschäft auch „versehentlich“ ausgelöst werden, z.B. im Rahmen einer Erbauseinandersetzung oder Scheidungsvereinbarung. Anders als die (in vielen Bundesländern mittlerweile stark erhöhte) Grunderwerbsteuer,1 die den Käufer trifft, trägt die mit der Erfassung als privates Veräußerungsgeschäft verbundene Einkommensteuer der Verkäufer. Da seit der Verlängerung der Frist für private Veräußerungsgeschäfte bei Immobilien von zwei auf zehn Jahre im Jahr 1999 durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 (BGBl I 1999, 402) nunmehr mehr als 15 Jahre vergangen sind, unterfallen auch die Veräußerungsgewinne in vollem Umfang der Besteuerung. Eine Aufteilung in einen steuerbaren und einen nicht steuerbaren Teil, der auf die Wertsteigerung in der Zeit vor Verlängerung der Frist entfällt, ist regelmäßig nicht mehr vorzunehmen. A. Besteuerung von Wertsteigerungen bei Immobilien Private Veräußerungsgeschäfte werden – anders als Wertsteigerungen im Betriebsvermögen – nur ausnahmsweise besteuert. Denn nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes sind private Veräußerungsgewinne grundsätzlich steuerfrei.2 Von diesem Grundsatz gibt es aber (mittlerweile zahlreiche) Ausnahmen. So unterwirft das Einkommensteuergesetz z.B. die Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG der Besteuerung. Die Veräußerung von Wertpapieren ist seit Inkrafttreten der Abgeltungssteuer

zum 01.01.2009 nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar. Und eben die Veräußerung von „Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen“ wird nach § 22 Nr. 2, § 23 Nr. 1 EStG als „sonstige Einkünfte“ besteuert, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Auf den Grund der Anschaffung oder Veräußerung oder die Motivation des Steuerpflichtigen (z.B. Spekulationsabsicht, Alter, drohende Enteignung, Arbeitsplatzwechsel) kommt es nicht an.3 I. Grundsatz: steuerfreie Wertsteigerung Dem Grunde nach sind bei Grundstücken (dazu gehören auch die darauf befindlichen Gebäude) im Privatvermögen Wertsteigerungen steuerfrei. Beispiel: Privatperson P erwirbt im Jahr 1995 eine Eigentumswohnung in Hamburg für 200.000 €. Anschließend wird die Wohnung vermietet. Im Jahr 2010 wird die Wohnung zum Preis von 350.000 € wieder veräußert. Die zwischenzeitlich erzielte Wertsteigerung unterliegt als Vermögensmehrung im privaten Bereich nicht der Besteuerung. Grund und Boden und Gebäude sind zwar steuerlich und bilanziell zwei verschiedene Wirtschaftsgüter. § 23 EStG beruht jedoch auf BGB-Recht und behandelt Gebäude grundsätzlich als wesentliche Bestandteile des Grund und Bodens (§ 94 BGB). Daher läuft für die isolierte Gebäudeherstellung keine besondere Frist nach § 23 EStG.4 Vielmehr sind Gebäude und auch Außenanlagen mit ihren Herstellungskosten in die Ermittlung des Gewinns einzubeziehen, wenn sie innerhalb der Zehnjahresfrist errichtet, ausgebaut oder erweitert werden. Dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 1

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In Nordrhein-Westfalen tritt zum 01.01.2015 eine Erhöhung von gegenwärtig 5 % auf 6,5 % ein. Auch das Saarland plant eine Erhöhung von 5,5 % auf 6,5 %. Vgl. zur Systematik Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 1. Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171. Vgl. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 33. Aufl., Rn. 13.

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Nr. 1 Satz 2 EStG). Eine Ausnahme gilt nur für den Fall der Bestellung eines Erbbaurechts (§ 94 Abs. 1 Satz 2 BGB).5 Beispiel: Bauherr B erwirbt 2002 ein unbebautes Grundstück für 100.000 €. 2008 lässt er es durch ein Bauunternehmen schlüsselfertig mit zwei Doppelhaushälften bebauen, für die er Herstellungskosten von jeweils 200.000 € aufwendet. 2009 verkauft er die Doppelhaushälften für jeweils 300.000 €. Weitere Grundstücksgeschäfte tätigt B, der auch ansonsten nicht auf dem Grundstücksmarkt tätig ist, nicht. B muss den Unterschiedsbetrag zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten (insgesamt 300.000 €) und Veräußerungserlös (600.000 €), also 300.000 € versteuern. II. Ausnahme: privates Veräußerungsgeschäft Die Wertsteigerung unterliegt jedoch der Besteuerung, wenn ein privates Veräußerungsgeschäft vorliegt. Ein privates Veräußerungsgeschäft liegt vor, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung eines Grundstücks nicht mehr als 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG).6 Maßgeblich für die Berechnung der Frist sind die privaten Veräußerungsgeschäfte, also Anschaffung und Veräußerung,7 bzw. die Abgabe des Meistgebots bei der Versteigerung, die Ausübung (nicht die Einräumung) eines Vorkaufsrechts, die Ausübung einer Option oder ein beidseitig bindender Vorvertrag.8 Auch eine Übertragung nach § 1383 BGB kann ein privates Veräußerungsgeschäft auslösen.9 Anschaffung ist jeder entgeltliche Vorgang, der auf Erwerb des (wirtschaftlichen) Eigentums gerichtet ist. Eine Veräußerung liegt nur vor, wenn das Grundstück oder grundstückgleiche Recht entgeltlich auf einen Dritten übertragen wird.10 Erfasst werden nur entgeltliche Vorgänge.11 Ein formunwirksamer, aber tatsächlich vollzogener Vertrag reicht grundsätzlich aus. Unentgeltliche Vorgänge fallen nicht unter die Vorschrift, teilentgeltliche Vorgänge entsprechend anteilig.12 Die Übernahme von Verbindlichkeiten führt zu einem Entgelt. Beispiel: X hat am 01.02.2008 fremdfinanziert für 100.000 € eine Eigentumswohnung erworben und fremdvermietet. Am 01.02.2010 überträgt er die Wohnung auf seinen Sohn S im Wege der vorweggenommenen Erbfolge durch Schenkung. Im Übertragungszeitpunkt valutiert das zum Erwerb aufgenommene Darlehen noch mit 80.000 €. S übernimmt das Darlehen und leistet ab der Übergabe Zins- und Tilgungsleistungen. Der Wert der Wohnung beträgt zwischenzeitlich 120.000 €. Da S die Wohnung gegen Übernahme der Verbindlichkeiten übernimmt, handelt es sich um einen teilentgeltlichen Vorgang. S erwirbt in

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Höhe von 80.000 € (= 2/3 des Verkehrswerts) entgeltlich und in Höhe von 40.000 € (= 1/3 des Verkehrswerts) unentgeltlich. Da ein zu 2/3 entgeltliches und zu 1/3 unentgeltliches Geschäft vorliegt, muss X 2/3 des erzielten Veräußerungsgewinns (zuzüglich eines Drittels der geltend gemachten Absetzungen für Abnutzungen und abzüglich der Übertragungskosten) als Gewinn aus einem privaten Veräußerungsgeschäft versteuern. Eine Anschaffung oder Veräußerung liegt auch vor, wenn die Vertragspartner innerhalb der Frist Verhältnisse schaffen, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen. Dies gilt insbesondere, wenn das wirtschaftliche Eigentum bereits vor Vertragsschluss übergeht oder die zivilrechtliche Wirksamkeit von einem Umstand abhängt, auf den keine der beteiligten Vertragsparteien einen Einfluss hat.13 So kann in einem rechtlich bindenden Veräußerungsangebot innerhalb der Frist eine Veräußerung gesehen werden, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits das wirtschaftliche Eigentum übergeht.14 Beispiel: X hat am 01.07.2002 eine Eigentumswohnung für 100.000 € angeschafft und an Y vermietet. Am 01.08.2010 tritt Y an X heran und möchte die Wohnung erwerben. Y ist bereit, einen Preis in Höhe von 200.000 € zu zahlen. Aufgrund des sehr günstigen Preises möchte X veräußern, gleichzeitig aber das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts vermeiden. X gibt daher am 01.09.2010 unbefristet ein notarielles Verkaufsangebot ab, das Y ab dem 01.08.2012 das Recht einräumt, die Wohnung zu erwerben. Zugleich wird Y über eine Vormerkung im Grundbuch abgesichert. Zudem vereinbaren X und Y, dass Letzterer auch ab dem 01.09.2010 die mit dem Grundstück verbundenen Lasten und das Risiko einer wesentlichen Verschlechterung bzw. des Untergangs des Gebäudes zu tragen hat. Da in diesem Fall das wirtschaftliche Eigentum bereits am 01.09.2010 und nicht erst nach Annahme des Angebots und Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrags übergegangen ist, liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor.

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Vgl. näher dazu Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240 f. Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 1. Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171. Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 17; Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 241 f. Vgl. Feuersänger, FamRZ 2003, 645, 647 f.; a.A. Schröder, FamRZ 2002, 1010. Vgl. Tiedtke/Wälzholz, RNotZ 2001, 380, 382. Vgl. BFH, Urt. v. 13.12.2005 - IX R 14/03 - BFHE 212, 127. Vgl. Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237. Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567 und BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171. Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567.

JM 01 | Beispiel: A hat am 01.03.2003 ein unbebautes Grundstück für 50.000 € erworben. Am 30.09.2012 veräußert A das Grundstück, das mittlerweile im Flächennutzungsplan als Wohnbaufläche ausgewiesen ist, für 300.000 € mit notariellem Kaufvertrag an B. Der Kaufvertrag steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Gemeinde von ihrem Vorkaufsrecht nach den §§ 24 ff. BauGB keinen Gebrauch macht. Am 15.08.2013 erklärt die Gemeinde, von ihrem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen. Da alle Vertragsbeteiligten bereits im September 2012 alles aus ihrer Sicht Nötige für die Vollziehung des Geschäfts erbracht haben und der endgültige Vollzug nur noch von der – nicht beeinflussbaren – Entscheidung eines Dritten abhängt, erfolgte der Verkauf innerhalb der Zehnjahresfrist und ist als privates Veräußerungsgeschäft steuerbar. Beispiel: K erwirbt am 01.07.2002 eine vermietete Eigentumswohnung für 100.000 €. Mit notariellem Vertrag vom 15.06.2012 veräußert sie die Wohnung für 200.000 € an E. Beide Vertragsparteien traten vor dem Notar nicht persönlich auf, sondern wurden vollmachtslos durch eine Notariatsangestellte vertreten. Beide Vertragsparteien genehmigten den Vertrag mit notariell beurkundeter Erklärung am 15.07.2012. Besitz, Nutzen und Lasten der Wohnung sollten nach den vertraglichen Vereinbarungen erst am 01.09.2012 übergehen. Da hier auf beiden Seiten ein vollmachtloser Vertreter gehandelt hat, war das Geschäft zunächst schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB). Da die Genehmigung erst nach Ablauf der Zehnjahresfrist erfolgt war und auch das wirtschaftliche Eigentum erst danach übergegangen war, liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Die Rückwirkung nach § 184 Abs. 1 BGB spielt keine Rolle.15

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vorgängers ein. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung kann ein zu einem entgeltlichen Erwerb führender Vorgang dann vorliegen, wenn ein Spitzenausgleich erfolgt.20 Beispiel: Erblasser E hatte am 01.07.2005 ein bebautes Grundstück für 200.000 € erworben und anschließend fremdvermietet. Am 01.08.2010 verstirbt E und wird von seinen beiden Kindern A und B jeweils zur Hälfte beerbt. Sonstiges Vermögen außer dem vermieteten Grundstück ist nicht vorhanden. Zum Todeszeitpunkt hat das Grundstück einen Wert in Höhe von 300.000 €. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung zahlt A an B 150.000 €, um das Grundstück zu übernehmen. Aufgrund des unentgeltlichen Erwerbs treten A und B in die Veräußerungsfrist des E ein. Mit dem Erbfall erwerben A und B das Grundstück zunächst in ungeteilter Erbengemeinschaft unentgeltlich jeweils zur Hälfte. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung erwirbt A eine Hälfte des Grundstücks entgeltlich von B. B verwirklicht hinsichtlich seines (ideellen) hälftigen Grundstücksanteils ein privates Veräußerungsgeschäft.21 Auch Übertragungen zur Abgeltung des Zugewinnausgleichs im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung können ein privates Veräußerungsgeschäft auslösen.22 Dies gilt auch, wenn nicht nur die Zugewinnausgleichsforderung durch Übertragung eines Grundstücks erfüllt wird, sondern auch wenn Unterhaltsforderungen damit pauschal abgegolten werden.23 Beispiel: A und B haben am 01.10.2005 geheiratet. A besaß zu diesem Zeitpunkt eine Eigentumswohnung im Wert von 100.000 €, die fremdvermietet war. Im Jahr 2010 wird die Ehe wieder geschieden. B steht ein Zugewinnaus-

B. 10-Jahres-Frist und Gestaltungsmöglichkeiten I. Berechnung der Frist Für die Berechnung der gesetzlichen Veräußerungsfrist gelten § 108 Abs. 1 und 2 AO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 und 3 BGB.16 § 108 Abs. 3 AO und § 193 BGB finden keine Anwendung.17 Als Faustregel gilt, dass die Steuerbarkeit erst entfällt, wenn die Haltefrist den kalendarischen Erwerbszeitpunkt um einen Tag überschreitet.18 Maßgebend sind die schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfte Auf einen früheren Zeitpunkt kann es nur ankommen, wenn das wirtschaftliche Eigentum bereits vor Vertragsschluss übergegangen ist. Der Zuflusszeitpunkt des Veräußerungserlöses spielt für die Fristberechnung keine Rolle.19 War das Grundstück zuvor unentgeltlich durch Rechtsnachfolge erworben (Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung) worden, tritt der Rechtsnachfolger nach § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG in die noch laufende Veräußerungsfrist des Rechts-

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Vgl. BFH, Urt. v. 02.10.2001 - IX R 45/99 - BFHE 196, 567. Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 17. Vgl. Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 161. Vgl. Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 161. Er spielt nur eine Rolle dafür, in welchem Veranlagungszeitraum (Jahr des Zuflusses) er zu versteuern ist. Vgl. BFH, Urt. v. 22.09.1987 - IX R 15/84 - BFHE 151, 143 und BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171; Blümich/Glenk, § 23 EStG, Rn. 101; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 96. Zur Berechnung bei der teilentgeltlichen Übertragung vgl. Blümich/ Glenk, § 23 EStG, Rn. 98. Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 11; Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 27.02.2014 - S 2256 A – 16 – St 224; Sagmeister, DStR 2011, 1589; a.A. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, § 23 Rn. 42; Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 238 f.; Tiedtke, DB 2003, 1471, 1474. Vgl. insbesondere auch zum Sonderausgabenabzug Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 27.02.2014 - S 2256 A – 16 – St 224.

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gleichsanspruch gegen A i.H. von 150.000 € zu. A überträgt B zur Abgeltung des Zugewinnausgleichsanspruchs die Eigentumswohnung, die zu diesem Zeitpunkt einen Wert von 150.000 € hatte. Da der Zugewinnausgleich (§ 1378 BGB) eine auf Geld gerichtete persönliche Forderung an den geschiedenen Ehegatten ist, wird diese anstelle einer Erfüllung in Geld an Erfüllungs statt (§ 364 BGB) durch Übertragung des Grundstücks erfüllt. Dies ist nicht anders als eine Veräußerung zu beurteilen. Denn wird ein Grundstück von dem Eigentümer an einen Dritten zur Tilgung einer Geldforderung übereignet, liegt eine Veräußerung i.S. des § 23 EStG vor. Da hier die Eigentumswohnung innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert wurde, liegt ein privates Veräußerungsgeschäft vor.24 II. Gestaltungsmöglichkeiten Vorsicht ist geboten, wenn der Kaufvertrag im Hinblick auf die (in Kürze) ablaufende Zehnjahresfrist ausdrücklich unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen werden soll. Denn aufschiebend bedingte Rechtsgeschäfte sind grundsätzlich bereits mit schuldrechtlichem Vertragsabschluss und damit bereits vor Eintritt der Bedingung verwirklicht. Denn das bedingte Rechtsgeschäft ist bereits mit Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags vollendet. Lediglich die Rechtswirkungen des Vertrags befinden sich bis zum Bedingungseintritt in der Schwebe. Beispiel: A hat eine Eigentumswohnung am 01.07.2005 erworben und vermietet. Im März 2014 tritt sein Mieter M an ihn heran und möchte die Wohnung erwerben. Der Abschluss eines Kaufvertrags bereits im Frühjahr 2014 unter der aufschiebenden Bedingung des Ablaufs der Spekulationsfrist mit Ablauf des 01.07.2015 verhindert nicht das Entstehen eines privaten Veräußerungsgeschäfts. Beispiel:25 Y hat am 01.07.2003 ein bebautes Grundstück erworben. Am 01.02.2013 findet er X als Käufer. Am 15.02.2013 gibt Y ein bindendes Angebot ab. Zugleich kombinieren X und Y dies mit einem Kredit des Käufers X an Y in Höhe des zukünftigen Kaufpreises. Das Angebot kann frühestens am 02.07.2013 – also nach Ablauf der Frist – angenommen werden. Bei Nichtannahme des Angebots wird eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Viertel des Kaufpreises fällig. Der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen soll mit dem späteren Kaufpreis verrechnet werden. Besitz, Nutzen und Lasten gehen bereits im Februar 2013 an X über, der das Grundstück auch belasten darf. Begleitend wird ein Mietvertrag abgeschlossen und die Mietzahlungen auf das Darlehen bzw. den späteren Kaufpreis angerechnet. In diesem Fall schaffen die Beteiligten bereits Verhältnisse, die wirtschaftlich einem Kaufvertrag gleichstehen, zumal X

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hier bereits vor Ablauf der Spekulationsfrist das wirtschaftliche Eigentum erlangt. Ein privates Veräußerungsgeschäft ist verwirklicht. Als taugliche Gestaltungsmöglichkeit erweist sich in diesem Fall die Einräumung eines Vorkaufsrechts kombiniert mit einem Mietvertrag. Denn eine Veräußerung liegt noch nicht vor, solange der spätere Erwerber ein Grundstück aufgrund eines Mietvertrags nutzt und ihm lediglich ein Vorkaufsrecht hinsichtlich des Grundstücks eingeräumt wurde. Denn das Vorkaufsrecht schränkt nicht die Verfügungsbefugnis des Eigentümers über das Grundstück ein. Unabhängig davon kann er frei entscheiden, ob er einen Kaufvertrag mit einem Dritten abschließt und damit erst die Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts schafft.26 C. Ausnahme: Eigennutzung zu Wohnzwecken Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt kein Veräußerungsgeschäft vor, wenn ein bebautes Grundstück veräußert wird, soweit es • im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung (1. Alt.) oder • im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen zwei Jahren (2. Alt.) ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken im Jahr der Veräußerung und in den beide vorangegangenen Jahren i.S. der 2. Alt. liegt bei einem zusammenhängenden Zeitraum innerhalb der letzten drei Jahre, der nicht die vollen drei Kalenderjahre umfassen muss, vor.27 Eigene Wohnzwecke setzen die persönliche Nutzung als rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer voraus. Die Wohnung muss daher vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer bewohnt werden.28 Die Nutzung beginnt grundsätzlich mit dem Einzug in die bezugsfertige Wohnung.29 Beispiel: C erwirbt am 01.03.2012 ein Einfamilienhaus. Er nutzt es anschließend zu eigenen Wohnzwecken. Am 24

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So auch Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M., Rundverfügung vom 27.02.2014 - S 2256 A – 16 – St 224. Nach Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240. Vgl. BFH, Urt. v. 08.04.2003 - IX R 1/01 - BFH/NV 2003, 1171, m.w.N.; Tiedtke/Wälzholz, NotBZ 2000, 237, 240. Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 25. Zur Darlegungslast vgl. FG Münster, Urt. v. 18.06.2007 - 1 K 3749/ 05 E - EFG 2007, 1605, bestätigt durch BFH, Beschl. v. 15.04.2008 IX B 159/07 - BFH/NV 2008, 1341. Vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2006 - IX R 18/03 - BFH/NV 2006, 936 zu den notwendigerweise anfallenden Übergangzeiten.

JM 01 | 01.06.2014 zieht C wegen eines Arbeitsplatzwechsels wieder aus und veräußert am 02.11.2014 das Einfamilienhaus. Da C das Einfamilienhaus im Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung selbst genutzt hat, unterliegt ein erzielter Veräußerungsgewinn nicht der Besteuerung. Ein Leerstand vor Beginn der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist unschädlich, wenn er mit der beabsichtigten Nutzung zu eigenen Wohnzwecken in Zusammenhang steht (z.B. Durchführung von notwendigen Renovierungsund Erhaltungsaufwendungen).30 Auch ein Leerstand zwischen der Beendigung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken und der Veräußerung des Gebäudes ist unschädlich, wenn der Zeitraum für die Veräußerung benötigt wurde.31 Eine Immobilie wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn sie vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht. Dies gilt z.B. für Wohnungen, die im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung genutzt werden. Dies gilt aber auch für eigengenutzte (nicht für fremdvermietete) Ferienwohnungen und Ferienhäuser.32 Liegt nicht im gesamten Zeitraum die Eigennutzung vor, ist die Veräußerung in vollem Umfang steuerpflichtig. Es ist keine Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf den Zeitraum der Eigennutzung und den übrigen Zeitraum vorzunehmen. Beispiel: A erwirbt eine (vermietete) Eigentumswohnung in 2006 für 200.000 €. Im Jahr 2007 kündigt er dem Mieter berechtigt wegen Eigenbedarfs. Anschließend nutzt er die Wohnung ab dem 01.04.2007 zu eigenen Wohnzwecken. Am 30.11.2008 verkauft er die Wohnung für 300.000 €. Der Veräußerungsgewinn ist in vollem Umfang steuerpflichtig, da A nicht die Wohnung im Jahr der Veräußerung (2008) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2006, 2007) in einem durchgängigen Zeitraum für eigene Wohnzwecke genutzt hat. I. Überlassung an Angehörige Als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken gilt nicht nur die Nutzung durch den Steuerpflichtigen selbst, sondern auch die Nutzung durch die mit ihm in Haushaltgemeinschaft lebenden Familienangehörigen und Lebenspartner.33 Die Finanzverwaltung behandelt als Eigennutzung auch die unentgeltliche Überlassung an Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag besteht.34 Die Überlassung an einen getrennt lebenden Ehepartner stellt hingegen keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken dar. Beispiel: X erwirbt eine Studentenwohnung am 01.03.2007 für 80.000 € und überlässt sie unentgeltlich an seine studierende, 21-jährige Tochter. X erhält das Kindergeld für

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seine Tochter ausbezahlt. Diese nutzt die Wohnung bis zu ihrem Studienabschluss am 30.06.2011. Im Juli 2011 veräußert X die Wohnung für 110.000 €. Aufgrund der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung an die Tochter durch den kindergeldberechtigten X gilt der Zeitraum als Eigennutzung. Da diese ununterbrochen vom Erwerb bis zur Veräußerung in 2011 bestanden hatte, liegt kein privates Veräußerungsgeschäft vor. Beispiel:35 Die Eheleute A und B leben seit März 2009 getrennt. Sie haben zwei gemeinsame minderjährige Kinder. Dem Ehemann A gehörte die 2005 angeschaffte und bisher zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung allein. Im September 2010 wird die Ehe geschieden. Zur Begleichung des Zugewinnausgleichsanspruchs muss A die Wohnung im November 2010 veräußern. Bis dahin wurde die Wohnung von der getrennt lebenden Ehefrau und den gemeinsamen Kindern genutzt. Zwar führt die Überlassung an den getrennt lebenden Ehepartner nicht zur Annahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken. Insoweit sind aber die Wertungen des § 1568a Abs. 1 BGB zu berücksichtigen. Denn da die Wohnung zugleich von den Kindern genutzt wird, sind die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt.36 Beispiel:37 Die Eheleute A und B haben 2006 gemeinsam ein Wohnhaus für 450.000 € erworben. Im März 2008 zieht A aus. Im November 2009 kommt es zur Scheidung. Im Januar 2010 wird das Haus veräußert, weil B nicht mehr in der Lage ist, die laufenden Raten zu begleichen. Hier liegt ein privates Veräußerungsgeschäft in der Person von A hinsichtlich seines Miteigentumsanteils vor. Denn A hat die Immobilie nicht im Jahr der Veräußerung und den beiden vorangegangenen Jahren in einem zusammenhängenden Zeitraum selbst genutzt. B hingegen ist bis zur Veräußerung wohnen geblieben und kann sich hinsichtlich seines Miteigentumsanteils auf § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG berufen. Bei einem Getrenntleben in der Ehe30 31

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Vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2006 - IX R 18/03 - BFH/NV 2006, 936. Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 25. Die Finanzverwaltung verlangt den Nachweis der Veräußerungsabsicht. Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 22; Musil in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 130. Vgl. Kube in: Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 23 Rn. 6. Vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.10.2000 - IV C 3-S 2256-263/00, BStBl I 2000, 1383, Rn. 23. Vgl. Tiedtke/Wälzholz, RNotZ 2001, 380, 386. Vgl. Feuersänger, FamRZ 2003, 645, 645 f.; Sagmeister, DStR 2011, 1589, 1591; Tiedtke/Wälzholz, DStZ 2002, 9, 14. Vgl. Karasek, FamRZ 2002, 590, 592.

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wohnung nach § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB bis zur Veräußerung hatte A sich auch auf eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken berufen können. II. Steuerfalle Vermietung an studierende Kinder? Wird an unterhaltsberechtigte Kinder unter Beachtung der 66 %-Grenze in § 21 Abs. 2 EStG vermietet, liegt keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vor. Dies stellt eine häufige Falle dar, wenn auf Anraten des Steuerberaters vergünstigt vermietet wird und die Wohnung dann nach Studienabschluss des Kindes wieder veräußert wird. Aufgrund des sich nur auf wenige Jahre erstreckenden Nutzungszeitraums kann das Finanzamt in diesen Fällen zusätzlich auch zur Annahme einer ertragsteuerlichen Liebhaberei kommen und für die Zeit der Vermietung die Überschusserzielungsabsicht aberkennen. Dann ist nicht nur der Veräußerungsgewinn steuerbar. Vielmehr wird auch der steuerwirksame Abzug der Verluste aus Vermietung und Verpachtung bei den Eltern rückwirkend rückgängig gemacht. Eine steuerlich gut gemeinte Gestaltung kann sich dann im Nachhinein als steuerlich erheblich nachteilig herausstellen. Beispiel: Y erwirbt vollständig fremdfinanziert eine Studentenwohnung für 100.000 €, davon entfallen 20.000 € auf den Grund- und Boden-Anteil. Die erzielbare monatliche Marktmiete laut Mietspiegel beträgt 400 € kalt. Y vermietet ab 01.03.2007 die Wohnung an seinen Sohn für 300 € monatlich (= 75 % der Marktmiete). Y hat von Beginn an vor, die Wohnung nach Ende des Studiums seines Sohns wieder zu veräußern. Die Finanzierungszinsen für die Wohnung betragen monatlich 250 €. Die Absetzungen für Abnutzung belaufen sich jährlich auf (2 % von 80.000 € =) 1.600 €. An den Hausverwalter zahlt er 200 € jährlich. Y erzielt daher aus der Vermietung folgende jährliche Einkünfte (umlagefähige Kosten bleiben aus Vereinfachungsgründen außer Betracht): Einnahmen

12 × 300 €

3.600 €

2 % von 80.000 €

1.600 €

250 € × 12

3.000 €

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III. Steuerfalle bei längerer Immobiliensuche? Die Ausnahme einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken greift auch dann nicht, wenn die Wohnung vor dem Verkauf für einige – ggf. auch kurze – Zeit vermietet wird. Denn auch in diesem Fall ist der gesetzliche Ausnahmetatbestand vom privaten Veräußerungsgeschäft – Eigennutzung von Anschaffung bis Veräußerung bzw. im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen beiden Kalenderjahren – nicht erfüllt. Dieser Fall tritt häufig ein, wenn Personen aus beruflichen Gründen umziehen, am neuen Tätigkeitsort aufgrund des geringen Angebots auf dem Immobilienmarkt aber zunächst kein passendes Erwerbsobjekt finden und unter Vermietung ihres bisherigen Objekts auf den Mietmarkt ausweichen. Beispiel: A und B wohnen in der von ihnen am 01.07.2004 erworbenen selbstgenutzten Eigentumswohnung in Hamburg. Aufgrund des beruflichen Wechsels von B nach Stuttgart am 01.07.2006 mieten sie zunächst eine Wohnung in Stuttgart und ziehen um. Die Wohnung in Hamburg vermieten sie zunächst an C. Anfang 2008 finden A und B nach längerer Immobiliensuche ein Objekt in Stuttgart, das sie am 01.03.2008 erwerben. Gleichzeitig verkaufen sie am 15.03.2008 das Objekt in Hamburg an ihren Mieter C. Da die Eigennutzung nicht durchgängig von Anschaffung bis Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen Jahren von A und B eigengenutzt war, unterliegt der Veräußerungsgewinn der Einkommensteuer. D. Verlust der erbschaft- und schenkungssteuerlichen Befreiung

200 € 4.800 €

Veräußert Y die Wohnung nach Ende des Studiums am 01.10.2011 für 150.000 €, muss er nicht nur den Veräußerungsgewinn versteuern. Da er von Beginn der Vermietung an nicht die Absicht hatte, dauerhaft Überschüsse aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen, wird das Finanzamt ihm in den Jahren 2007 bis 2011 auch die Geltendmachung der Verluste aus Vermietung und Verpachtung versagen. Eine Vermietung an studierende Kinder erweist sich daher nur dann als steuerlich vorteilhaft, wenn nach Beendigung des Studiums die Wohnung weitervermietet, also weiterhin zur Erzielung von Mieteinkünften, genutzt wird.

4.800 € ./. 1.200 €

Der Verkauf einer Immobilie kann zudem neben der Verwirklichung eines privaten Veräußerungsgeschäfts ggf. den Verlust der (erbschaft- und schenkungssteuerlichen) Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b und Nr. 4c des Erbschaft- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) nach sich ziehen.

JM 01 | I. Erbschaft- und schenkungssteuerliche Behandlung von eigengenutzten „Familienheimen“ Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG kann ein Ehegatte dem anderen Ehegatten eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung (Familienheim) steuerfrei zuwenden. Die Steuerfreiheit ist weder an eine Behaltensfrist geknüpft noch ist die Größe oder der Wert des Objekts der Höhe nach beschränkt.38 Die Übertragungsmöglichkeit besteht auch zwischen Lebenspartnern. Sie kann beliebig oft genutzt werden, insbesondere wird für die Voraussetzung der Eigennutzung kein bestimmter Zeitraum vorausgesetzt. Die Begünstigung gilt allerdings nur unter Lebenden und nur während einer bestehenden Ehe. Sie kann daher auch noch im Rahmen von Scheidungsvereinbarungen bis zur Rechtskraft der Scheidung vorgenommen werden.39 Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist der Erwerb von Todes wegen einer Immobilie durch den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner ebenfalls steuerfrei, soweit der Erblasser diese zu eigenen Wohnzwecken genutzt hatte und die Immobilie beim Erwerber unverzüglich zu eigenen Wohnzwecken bestimmt wird. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung auf den Übertragungszeitpunkt weg, wenn der (oder die) Erwerber die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken nutzt. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn er aus zwingenden Gründen (z.B. Aufenthalt in einem Pflegeheim) an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist der Erwerb von Todes wegen einer Immobilie durch Kinder (auch Stiefkinder) steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und die Immobilie bei dem erwerbenden Kind (oder den erwerben-

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den Kindern) unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist. Die Steuerfreiheit ist auf eine Größe der Wohnfläche von 200 qm begrenzt (Freibetrag). Auch hier fällt die Steuerfreiheit mit Rückwirkung weg, wenn die Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt wird, z.B. durch Verkauf, Vermietung, unentgeltliche Überlassung oder Leerstand.40 Eine Ausnahme wird auch hier gemacht, wenn aus zwingenden Gründen (z.B. Aufenthalt in einem Pflegeheim) eine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht möglich ist. II. Wegfall der Vergünstigung durch Veräußerung Die Steuerbefreiung für ein Familienheim, das durch Erbfall erworben wurde, fällt daher weg, wenn dieses durch den erbenden Ehegatten oder die erbenden Kinder entweder nicht selbstgenutzt wird oder – im Fall der Selbstnutzung – innerhalb von zehn Jahren nach dem Erbfall veräußert wird. Wenn der Erblasser die Wohnung selbstgenutzt hatte und dies auch beim Ehegatten bzw. den Kindern der Fall war, scheidet zwar die Annahme eines privaten Veräußerungsgeschäfts wegen § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG (Nutzung zu eigenen Wohnzwecken von Erwerb bis Veräußerung bzw. im Jahr der Veräußerung und in den vorangegangenen zwei Jahren) aus. Gleichwohl wird der Erwerb nachträglich mit Erbschaft- und Schenkungssteuer belastet, soweit der allgemeine Freibetrag für Ehegatten (500.000 €) und Kinder (400.000 € je Kind) ggf. durch Einbeziehung von sonstigem Vermögen überschritten wird. 38 39 40

Vgl. Geck: in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 38.4. Marco Schmitt in: Tiedtke, ErbStG, 2009, § 13 Rn. 86. Vgl. Geck: in Kapp/Ebeling, ErbStG, § 13 Rn. 39.6.

Strafrecht

Die Todesstrafe – eigentlich kein Thema? Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Franz Streng* A. Einleitung Über die Todesstrafe zu schreiben, erscheint in Deutschland nachgerade überflüssig, nachdem Art. 102 GG besagt „Die Todesstrafe ist abgeschafft“ und derzeit auch keine demoskopische Befundlage existiert, von welcher aus eine Diskussion über eine Wiedereinführung der Todesstrafe wirklich naheliegt. So hatte der Verfasser in einer Serie von Studierendenbefragungen vor allem zu kriminalitätsbezogenen Themen, die ab 1989 in Konstanz und ab 1993

in Erlangen durchgeführt wurde, die Frage nach der Todesstrafe zunächst überhaupt nicht gestellt. Denn in einer früheren Befragung in Heidelberg hatten sich gerade noch rd. 12 % der befragten Studienanfänger und Rechtsreferen-

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Bis 2013 Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Kriminologie der Universität Erlangen-Nürnberg, seither dort Leiter der Forschungsstelle für Kriminologie und Sanktionenrecht.

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dare für diese Sanktion ausgesprochen.1 Ein Umdenken war freilich angesagt, als sich zu einem anderen Thema, nämlich zur Akzeptanz der lebenslangen Freiheitsstrafe, bemerkenswerte Tendenzen zeigten. Ab 1997 hielt gut ein Viertel der befragten Studienanfänger die lebenslange Freiheitsstrafe bezüglich mancher Delikte für eine zu milde Sanktion.2 Dies veranlasste dazu, das Thema der Todesstrafe in späteren Befragungsterminen wieder aufzugreifen. An die daraus gewonnenen Befunde seien im Folgenden einige historische, kriminalpolitische und auch sozialpsychologische Überlegungen angeknüpft.

dann bereits 1952 eine Bundestagsdebatte darüber gegeben, die Todesstrafe wieder einzuführen. Die Befürworter der Todesstrafe verfehlten freilich die einfache und erst recht die qualifizierte Mehrheit, die zur Verfassungsänderung notwendig gewesen wäre.12 Ein prominenter konservativer Bundestagsabgeordneter, der kurze Zeit auch Bundesjustizminister war, hatte sich dann nochmals in den 1960er Jahren für eine Wiedereinführung der Todesstrafe ausgesprochen.13 Richard Jäger („Kopf ab“-Jäger) erntete dabei nur noch wenig Zustimmung und viel Spott.14

B. Die Todesstrafe in Deutschland Mit dem Inkrafttreten des am 23. Mai 1949 verkündeten Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wurde durch Art. 102 GG eine Sanktionsform aufgegeben, die bis dahin nachgerade selbstverständlich als legitime, besonders symbolträchtige Strafe anerkannt war. Das Ende der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland ergab sich erst als Folge des Tötungsexzesses im „Dritten Reich“. Von den Nationalsozialisten war die Todesstrafe nicht nur für Tötungs- und für Staatsschutzdelikte, sondern in bestimmten Zusammenhängen auch für weniger schwere Taten vorgesehen und verhängt worden. In der Kriegszeit wurden Todesstrafen auch eingesetzt, wenn in einer durchaus leichten Tat eine spezifische Verwerflichkeit gesehen wurde (vgl. die „Volksschädlings“-Verordnung)3 oder wenn die Taten von Angehörigen fremder Volkszugehörigkeit begangen wurden (vgl. die „Polenstrafrechtsverordnung“)4. Man geht für den Zeitraum von 1934 bis 1945 von 16.560 Todesurteilen durch die Allgemeine Gerichtsbarkeit aus, davon allein ca. 15.900 in den Kriegsjahren 1940-1945.5 Hinrichtungen wurden auch auf Befehl von hohen Polizeiführern angeordnet, wenn aus deren Sicht die Gerichte zu milde geurteilt hatten.6 Außerordentlich viele Todesurteile wurden zudem von der Wehrmachtsjustiz ausgesprochen. Man geht von letztlich ca. 50.000 Todesurteilen der Wehrmachtsjustiz zwischen 1939 und 1945 aus, wovon ca. zwei Drittel auch vollstreckt wurden.7 Im Vordergrund standen insbes. Fahnenflucht und „Wehrkraftzersetzung“8, welche etwa schon bei am „Endsieg“ geäußerten Zweifeln bejaht wurde.9 Die Häufigkeit der militärgerichtlichen Todesurteile stand in krassem Gegensatz zu der sehr großen Zurückhaltung der Militärjustiz im 1. Weltkrieg.10 Angesichts derartigen Missbrauchs der Todesstrafe während des Nationalsozialismus hat der Parlamentarische Rat, der nach dem Untergang des „Dritten Reichs“ die neue Verfassung beriet, mit großer Mehrheit die Todesstrafe aufgegeben.11 Kurz nach Abschaffung der Todesstrafe war man sich aber durchaus nicht sicher, ob diese Errungenschaft als gesichert gelten darf. Tatsächlich hat es

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Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 41, 94. Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 51 f., 115. Dazu Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 233 ff.; ferner Messerschmidt/Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus – Zerstörung einer Legende, 1987, S. 169 ff. Dazu R. Schmid, Gewerkschaftliche Monatshefte 11/1958, 660, 666; Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 371 ff., 395. Quantifizierungen bei Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 219; Kubink, Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, 2002, S. 267 f.; ferner Kaiser, Kriminologie. Ein Lehrbuch, 3. Aufl. 1996, § 94 Rn. 23 f. (Tabelle 55). Dazu Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 577 ff. Vgl. Messerschmidt/Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus – Zerstörung einer Legende, 1987, S. 72 ff., 87; vgl. auch Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 220 f. Vgl. Messerschmidt/Wüllner, Die Wehrmachtjustiz im Dienste des Nationalsozialismus – Zerstörung einer Legende, 1987, S. 90 ff., 132 ff. Letzteres betraf auch die Zivilbevölkerung; vgl. etwa Kubink, Strafen und ihre Alternativen im zeitlichen Wandel, 2002, S. 267 f.; Werle, Justiz-Strafrecht und polizeiliche Verbrechensbekämpfung im Dritten Reich, 1989, S. 210 ff. Vgl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 198 f., 220 f. Ausführl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 276 ff., 282, 285; ferner Koch, Recht und Politik 41 (2005), 230, 232 f. Ausführl. Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 327 ff., 332 f.; Koch, Recht und Politik 41 (2005), 230, 233 f. Vgl. dazu Der Spiegel Nr. 17/1961: „Soll wieder gehenkt werden? Gespräch über die Todesstrafe mit Bundestagsvizepräsident Dr. Richard Jäger“. Dass die Debatte um die Todesstrafe damals auch von anderer Seite aus als noch nicht abgeschlossen galt, lässt sich etwa anhand des 1962 von J. Schlemmer herausgegebenen Sammelbandes „Die Frage der Todesstrafe. Zwölf Antworten“ ersehen, zu welchem u.a. Maurach, Eb. Schmidt, Jescheck und Bockelmann Beitrage leisteten. Vgl. Der Spiegel Nr. 21/1998: „Gestorben: Richard Jäger“.

JM 01 | In der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verlief die Entwicklung anders. Wie in den Ländern des Ostblocks üblich, wurde die Todesstrafe auch nach dem Zusammenbruch des „Dritten Reichs“ weiter verhängt und exekutiert. Dies endete erst am 17. Juli 1987, wobei die DDR sich als kriminalpolitischer Vorreiter immerhin im Warschauer Pakt erwies.15 Den Schlussstrich unter das Kapitel Todesstrafe zog für die Mitgliedsstaaten des Europarats das „Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe“ vom 3. Mai 2002.16 C. Argumente gegen die Todesstrafe Nicht nur der ungeheuerliche Missbrauch der Todesstrafe als Terrorinstrument sprach nach dem „Dritten Reich“ für die Abschaffung der Todesstrafe. Auch an die ohnehin seit Längerem in der Diskussion befindlichen Hauptargumente gegen die Todesstrafe sei erinnert: Irdische Gerechtigkeit ist fehleranfällig. Nach Vollstreckung einer Todesstrafe kann ein falsches Urteil nicht mehr wirksam berichtigt werden. Etwa das neue Beweismittel der DNA-Analyse hat in den USA eindrucksvoll gezeigt, welch hohes Maß an Justizirrtümern auch bei Kapitaldelikten möglich ist.17 Dass in Ländern mit anderen Verfahrensordnungen eine niedrigere Fehlerquote denkbar ist18, entschärft das Problem des Fehlurteilsrisikos allenfalls begrenzt. Die Todesstrafe relativiert den Wert menschlichen Lebens. Daher wird das Ziel, durch eine hohe Strafe für Mord den Wert menschlichen Lebens hervorzuheben, durch die Todesstrafe konterkariert.19 Dieses Argument gegen die Todesstrafe wird in der kriminalpolitischen Diskussion in Deutschland vor allem unter dem Aspekt des Menschenwürdeschutzes angesprochen.20 Die staatliche Aufgabe, die Menschenwürde zu schützen (Art. 1 Abs. 1 GG), sieht man als zentrales verfassungsrechtliches Argument dafür an, dass die Wiedereinführung der Todesstrafe ganz unabhängig von einer Abänderbarkeit von Art. 102 GG für die Zukunft ausscheiden muss.21 D. Strafzwecküberlegungen und Todesstrafe Wie gezeigt, sprechen einige Argumente nachdrücklich gegen die Todesstrafe. Zugleich lässt sich herausarbeiten, dass unter Strafzweckaspekten denkbar wenig für die Todesstrafe spricht. I. Generalpräventive Abschreckung Das in der allgemeinen Diskussion über die Sinnhaftigkeit hoher Strafen gerne genutzte Argument von einer starken

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Abschreckungswirkung gegenüber Kapitaldelikten erfährt keine Unterstützung durch die Generalpräventionsforschung. Es hat sich zeigen lassen, dass es für strafrechtliche Abschreckung vor allem auf die Entdeckungswahrscheinlichkeit ankommt, kaum aber auf die erwartete Strafhöhe.22 Die Studien speziell zur generalpräventiven Wirkung der Todesstrafe, die sich zumeist auf die Einführung oder Abschaffung der Todesstrafe in Staaten der USA beziehen, unterstützen das Abschreckungsargument letztlich nicht. Tatsächlich ist der ursprüngliche Anschein eines für die USA errechenbaren Abschreckungseffekts inzwischen im Rahmen komplexerer Berechnungen überwiegend widerlegt oder zumindest in Zweifel gezogen worden.23 II. Spezialpräventive Sicherung Der spezialpräventive Sicherungszweck im Sinne einer Verhinderung von weiteren Kapitaldelikten oder sonstigen schweren Gewalttaten des Verurteilten kann auch durch langjährige Inhaftierung verwirklicht werden.24 Tatsächlich hat sich in Deutschland eine in den letzten Jahren angestiegene sicherungsorientierte Punitivität25 für die Reak-

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Vgl. Koch, JZ 2007, 719, 722. Vgl. BGBl II 2004, 983. Vgl. etwa Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 322; Gross/Schaffer, Exonerations in the United States, 1989-2012. Report by the National Registry of Exonerations (Internet-Veröffentlichung), Juni 2012, S. 18 ff.; vgl. auch schon Dreher, ZStW 70 (1958), 543, 559 ff. Vgl. zu Japan Ida in: Festschrift für Kühl, 2014, S. 762, 769 f.; zu erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren gegen verhängte Todesstrafen vgl. K. Kato, ZIS 8/2006, 354 ff. Vgl. auch Jescheck/Weigend, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 71 I 2; Kreuzer, ZIS 8/2006, 320 ff., 322; zu kontraproduktiven Effekten R. Schmid, Gewerkschaftliche Monatshefte 11/1958, 660, 668 f. Vgl. dazu etwa BGH, Urt. v. 16.11.1995 - 5 StR 747/94 - BGHSt 41, 317, 325; Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 17; relativierend aber Dreher, ZStW 70 (1958), 543, 562 ff. Vgl. dazu etwa Jescheck/Weigend, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1996, § 71 I 1; Sachs, Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2011, Art. 102 Rn. 7; Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz. Kommentar, 65. Aufl. 2012, Art. 102 Rn. 29 ff.; Kunig in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz. Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 102 Rn. 18. Vgl. Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 59 ff. – m.w.N. Dazu näher Kreuzer in: Gedächtnisschrift für Vogler, 2004, S. 163, 165 ff.; Hermann in: Festschrift für Schöch, 2012, S. 791 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 62. Vgl. auch Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 44. Vgl. zum Einfluss des Sicherungsdenkens auf die Punitivität Streng in: Dessecker/Sohn (Hrsg.), Rechtspsychologie, Kriminologie und Praxis, 2013, S. 495, 505 ff.; Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 49, 53.

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tion auf schwere Gewalt- oder Sexualdelikte in einer zunehmend häufigen Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe in Mordfällen26, in (geforderten und verhängten) längeren Freiheitsstrafen und in wieder vermehrter bzw. längerer Anwendung von Sicherungsverwahrung als Maßregel der Sicherung und Besserung manifestiert.27 III. Genugtuungsbedürfnisse Die im Strafrecht neuerdings stärker gewordene Opferorientierung hat zu der Frage geführt, inwieweit Opferinteressen bzw. die Interessen von Opferangehörigen die Sanktionierung beeinflussen dürfen. So fragt sich, ob die Todesstrafe durch ein Genugtuungsinteresse von Angehörigen des Ermordeten legitimiert werden soll. Die Antwort kann nur eine ablehnende sein. Das Realisieren von Rachebedürfnissen der Hinterbliebenen eines Getöteten gerade durch Exekution der Todesstrafe ist nicht Staatsaufgabe. Dies gilt auch dann, wenn man die Kanalisierung von Reaktionsbedürfnissen auf Kriminalität zunächst mit guten Gründen als relevante Aufgabe staatlicher Justiz ansieht.28 Private Racheaktionen würden die öffentliche Sicherheit und Ordnung ganz erheblich stören und dem gesellschaftlichen Gerechtigkeitsanliegen zuwiderlaufen. Das Befriedigen von Genugtuungsinteressen unmittelbarer oder mittelbarer Deliktsopfer ist in der staatlichen Strafe enthalten − aber eben nur im Rahmen der von der Allgemeinheit getragenen gerechten Strafe. Das an der gesellschaftlichen Aufgabe der allgemeinen Normbestätigung ausgerichtete Strafrechtssystem darf schon wegen dieser Aufgabe irgendwelche extremen Reaktionsinteressen einzelner Bürger nicht zum Maßstab nehmen. Dieses Postulat wird durch die Beobachtung unterstützt, dass eine langjährige oder lebenslange Freiheitsstrafe genug für die Verarbeitung von emotionalen Reaktionen sogar in der Folge von Mordtaten leistet.29 Belegen lässt sich das etwa mit den Reaktionen der Bevölkerung auf die Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland und sonst in Europa. E. Die Todesstrafe in der Sicht der Bevölkerung I. Die Entwicklung Die Abschaffung der Todesstrafe durch das Grundgesetz bedeutet nicht, dass in der Öffentlichkeit keinerlei Unterstützung für die Todesstrafe erfragbar wäre. Demoskopische Untersuchungen haben für 1949 eine Todesstrafe-Befürwortung bei 74 % der in einer Repräsentativbefragung Interviewten gefunden30 und noch in den 1950er Jahren

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lag die Zustimmung bei etwas über 50 % der Befragten. In den letzten drei Jahrzehnten lag die Zustimmungsrate in Westdeutschland durchschnittlich bei knapp 30 %, in Ostdeutschland (ehemalige DDR) aber jeweils rund 10 Prozentpunkte höher.31 Im Jahre 2009 war dann der Zustimmungswert in Westdeutschland mit 15 % außergewöhnlich niedrig, wie das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelt hat.32 Repräsentativbefragungen mit Differenzierungsmöglichkeit (voll/eher) bei der Zustimmung zur Todesstrafe für „grausame Verbrechen“ erbrachten im Jahr 2010 in den alten Bundesländern insgesamt 34 %, in den neuen Bundesländern insgesamt 51 % Zustimmung.33 Anonym durchgeführte schriftliche Befragungen von Studierenden der Rechtswissenschaft in den alten Bundesländern haben Raten der Zustimmung zur Todesstrafe nachgewiesen, die inzwischen denen aus Repräsentativbefragungen ganz ähnlich sind, also bei 30 % liegen.34 Ende der 1970er Jahre war das allerdings noch durchaus anders. Die Studierenden und auch die parallel dazu befragten Rechtsreferendare in Heidelberg standen damals der Todesstrafe mit einer Zustimmungsquote von jeweils nur

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Zur lebenslangen Freiheitsstrafe als Surrogat der Todesstrafe vgl. Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 12 f.; Laubenthal, Festschrift für Weitzel, 2014, S. 725, 726 ff.; ferner Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 47; Schöch in: Festschrift für Jung, 2007, S. 865, 870. Nachweise bei Streng, ZJJ 2012, 148, 149 f., 151 ff. Dazu näher Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 47 f.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 27 ff.; Kaspar, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz im Präventionsstrafrecht, 2014, S. 654 f. Vgl. Kett-Straub, Die lebenslange Freiheitsstrafe, 2011, S. 12 f.; Laubenthal, Festschrift für Weitzel, 2014, S. 725, 726 ff.; ferner Rössner in: Nickolai/Reindl (Hrsg.), Lebenslänglich. Kontroverse um die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe, 1993, S. 47; Schöch in: Festschrift für Jung, 2007, S. 865, 870. Nachweis bei Düsing, Abschaffung der Todesstrafe in der Bundesrepublik Deutschland, 1952, S. 294. Dazu auch Kreuzer, Kriminalistik 1993, 763, 768. Detaillierte Nachweise bei Köcher (Hrsg.), Allensbacher Jahrbuch der Demoskopie 2003-2009, Band 12, 2009, S. 182. – Vgl. ferner Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 325 (Graphik 1). Vgl. Reuband in: Festschrift für Kerner, 2013, S. 191, 201 (Tabelle 3). Vgl. Streng, ZJJ 2012, 148, 150 (Tabelle 2); Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 60, 133. – Wegen anderer Frageformulierung nicht ganz vergleichbar sind die Daten bei Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 325 (Graphik 2) und bei Meier in: Oppermann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 47, 53 (Tabelle 1).

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rund 12 % (N = 195) deutlich ablehnender gegenüber als der Rest der Bevölkerung.35

II. Bedeutung und Hintergründe der TodesstrafeBefürwortung

Bestätigt werden diese Daten durch Befunde aus den von Kreuzer durchgeführten Gießener Delinquenzbefragungen an Jurastudenten. Dort hatte die Rate dezidierter Ablehnung der Todesstrafe seit den 1970er Jahren bis 2003 um rund 30 %-Punkte abgenommen und es nahmen dementsprechend die Zustimmung zur Todesstrafe und die Angabe, bezüglich dieser Frage unentschieden zu sein, kontinuierlich zu.36

1. Divergente Befunde und ihre Bedeutung

Die Befragungen von Mitte/Ende der 1970er Jahre waren in einer Epoche durchgeführt worden, in welcher hohe Strafen insgesamt in Frage gestellt wurden. So hatte damals das Bundesverfassungsgericht über die lebenslange Freiheitsstrafe zu entscheiden gehabt. Mit Urteil vom 21. Juni 1977 bejahte es zwar deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit, forderte zugleich aber einen Ausbau der rechtlichen Garantien für die Gefangenen, insbesondere bezüglich Strafrestaussetzung zur Bewährung.37 In der kurz vor diesem Urteil durchgeführten Befragung der Heidelberger Jurastudenten und Rechtsreferendare wollten 29,7 % der 195 Befragten die lebenslange Freiheitsstrafe ganz abgeschafft sehen, nämlich 34,6 % der Studienanfänger und 24,2 % der Rechtsreferendare.38 Diese Zahlen gewinnen ihre besondere Bedeutung durch einen Vergleich mit den aktuellen Studierendenbefragungen etwa zwischen 1999 und 2012, in welchen für eine Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe gerade noch 2 % der Befragten votierten.39 Und ganz in diesem Trend einer hohen Akzeptanz für harte Strafen liegt auch die Entwicklung bei der Todesstrafe-Befürwortung. Unter methodischem Aspekt ist bezüglich derartiger Befragungsdaten freilich einzukalkulieren, dass es sich bei dem Drittel Todesstrafe-Befürworter in der Bevölkerung wie unter den Studierenden nur zum Teil um wirklich ernsthaft in der Sache Engagierte handeln dürfte. Viel spricht dafür, dass Antworten oft spontan und auch beiläufig gegeben werden, ohne dass das derzeitige Fehlen der Todesstrafe die Bürger ernsthaft beschäftigen würde. Bestätigt wird dies durch Befunde aus anderen Studien, wonach bei konfrontativem Nachfragen viele Befürworter der Todesstrafe dann in das Lager der Todesstrafegegner wechseln, während derartige Meinungswechsel bei den ursprünglichen Todesstrafegegnern eher selten auftreten.40 In Japan hat sich zeigen lassen, dass die Befunde davon abhängig sind, wie differenziert gefragt worden ist und in welchem Umfang die Befragten vorher über die Todesstrafe informiert wurden.41

Die Tatsache, dass die Todesstrafe in Deutschland seit 65 Jahren abgeschafft ist und die Zustimmung zur Todesstrafe in Repräsentativbefragungen seither fast kontinuierlich zurückging, lässt es als bemerkenswert einstufen, wenn bei den Jura-Studienanfängern sich zwischen 1977 und 2007/10 eine gegenläufige Bewegung abgezeichnet hat, wie Befragungen an den Universitäten Heidelberg/Erlangen und auch an der Universität Gießen belegen. Zunächst stellt sich hier die Frage, ob sich etwa bei den jüngeren Mitbürgern insgesamt ein Gesinnungswandel andeutet, der später die ganze Bevölkerung erfassen wird oder zumindest kann. Immerhin dafür, dass es sich nicht um ein isoliertes „Juristenproblem“ handelt, existieren eindeutige Belege. Denn im deutschen „Studierendensurvey“, bei welchem Studenten verschiedener Studiengänge an mehreren deutschen Hochschulen zwischen 1985 und 2007 befragt worden waren, trat eine deutlich zunehmende Forderung nach „harter Bestrafung der Kriminalität“ hervor.42 Der bei den jüngeren Altersgruppen mit guter Schulausbildung insgesamt erkennbare Trend zu härteren Sanktionen einschließlich der Todesstrafe kann in seiner Bedeutung für die zu erwartende allgemeine Entwicklung freilich nur schwer eingeschätzt werden. Immerhin ist es denkbar, dass es sich dabei um eine nur oder vor allem die junge Generation erfassende „Modeerscheinung“ handelt, die bald einem anderen Mainstream weicht. Für eine abweichende Interpretation spricht freilich, dass junge Menschen gerade dieser Entwicklungsphase sich in einer intensiven Prägungsphase befinden, wel-

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Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 41, 94. Vgl. Kreuzer, ZIS 8/2006, 320, 325; vgl. auch Kreuzer in: Gedächtnisschrift für Vogler, 2004, S. 163, 177. Vgl. BVerfG, Urt. v. 21.06.1977 - 1 BvL 14/76 - BVerfGE 45, 187 ff. Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 94 f. Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 115. Vgl. Reuband in: Festschrift für Kreuzer, 2. Band, 2. Aufl. 2009, S. 639, 651 ff.; zu Effekten des Anbietens von Alternativen vgl. auch Kreuzer in: Gedächtnisschrift für Vogler, 2004, S. 163, 176. Vgl. Sato, MschrKrim 95 (2012), 363, 370 ff.; zur Bedeutung eines unzulänglichen Informationsstands vgl. auch Meier in: Oppermann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 56 f. Vgl. Bargel, Wandel politischer Orientierungen und gesellschaftlicher Werte der Studierenden, Bonn 2008, S. 17: Anstieg starker Zustimmung von 29 % auf 52 %.

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che auf ihre Werthaltungen und Einstellungen womöglich dauerhaft ausstrahlt.43 2. Die Hintergründe Für die Untersuchung der Hintergründe einer TodesstrafeBefürwortung lassen sich die Daten der Erlanger Studierendenbefragung von 2007 und 2010 nutzen, in welcher den Studienanfängern u.a. die Frage nach der Todesstrafe gestellt worden war. Für das Errechnen eines optimalen Erklärungsmodells konnten die Angaben der in diesen beiden Jahren insgesamt 476 Befragten verwertet werden. Es erwies sich, dass diejenigen die Todesstrafe signifikant häufiger befürworteten, die sich durch Kriminalität persönlich bedroht fühlten, die die Strafzwecke der Sicherung vor dem Täter und der Vergeltung/Sühne hochschätzten, hingegen Resozialisierung als eher wenig wichtig einstuften. Für die Todesstrafe votierten schließlich signifikant seltener diejenigen, die als Studienmotiv für Jura „Neigung“ benannten.44 Die in den Berechnungen erkennbare Relevanz der Kriminalitätsfurcht darf freilich nicht überinterpretiert werden. Der hier berechnete individualpsychologische Zusammenhang ist nicht etwa mit einem gesellschaftlichen Entwicklungsverlauf der Art identisch, dass eine zunehmende Verunsicherung auch zu extremeren Sanktionsanforderungen führen muss. Zum Beispiel hielten von den 1977 befragten Studienanfängern 23,1 % die Kriminalitätssituation für so bedrohlich, dass sie sich als persönlich „eher hoch“ gefährdet ansahen;45 in den Jahren 2007/2010 lautete der entsprechende Wert hingegen nur noch 15,1 %.46 Gleichwohl fand die Todesstrafe unter der sich sicherer fühlenden Population 2007/2010 fast dreimal so starken Zuspruch wie unter den früher Befragten mit höherer Kriminalitätsfurcht. Dieser Befund, dass eine unter den Befragten abnehmende Kriminalitätsfurcht einen Punitivitätsanstieg nicht verhindert hat, dass also „Zeitgeist“ erklärungsstärker ist als Veränderungen in der durchschnittlichen Kriminalitätsfurcht-Rate oder auch in der Rate direkter Betroffenheit durch Viktimisierung, ließ sich auch hinsichtlich anderer Sanktionsformen in den von 1989 bis 2012 durchgeführten Studierenden-Befragungen sichern.47 Die für die Analyse der Hintergründe einer Todesstrafe-Befürwortung nutzbaren beiden Befragungen 2007 und 2010 belegen, dass die Stellungnahmen zur Todesstrafe nicht etwa zufällige oder rein „modebedingte“ sind, sondern zumindest teilweise persönlichkeitsspezifische. Allerdings fällt die Erklärungsleistung der multiplen Regressionsanalysen (d.h. einer Berechnung unter gleichzeitiger Einbeziehung aller aussagekräftigen Erklärungsvariablen) mit rd. 17 % recht begrenzt aus.

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F. Conclusio Es hat sich zeigen lassen, dass die deutsche Bevölkerung nach dem Missbrauch der Todesstrafe im „Dritten Reich“ willens war, diese extreme Sanktionsform aufzugeben, obwohl sie bis dahin in der Strafpraxis wie auch in der klassischen Straftheorie nachgerade selbstverständlicher Bestandteil des deutschen Strafrechts war. Über die Jahrzehnte hinweg hat die Zustimmung zur Todesstrafe dann immer weiter abgenommen. Repräsentativbefragungen legten die Erwartung nahe, dass die Quote der Todesstrafe-Befürworter in absehbarer Zeit gegen Null tendieren würde. Ein entschiedener kultureller Fortschritt und speziell des Rechtsbewusstseins schien gesichert. Neuere Befragungen der akademischen Jugend, insbesondere von Jurastudenten, haben freilich eine Gegenbewegung deutlich gemacht. Im Zusammenhang mit einer zunehmenden Bereitschaft, härtere Strafen für angemessen zu halten, fand auch der Ruf nach der Todesstrafe seinen Platz. Dass dies nicht etwa als Reaktion auf eine sich zuspitzende Kriminalitätssituation zu verstehen ist, ließ sich sichern. Gleichwohl spielen Bedrohungsgefühle eine Rolle. Entsprechendes gilt für spezifische Strafzweckpräferenzen. Man mag die dargestellte Entwicklung als letztlich wenig besorgniserregend einstufen. Denn Art. 102 GG zur Abschaffung der Todesstrafe, der in Art. 1 GG verankerte Grundsatz des Menschenwürdeschutzes und auch internationale Verträge lassen eine Wiedereinführung der Todesstrafe in Deutschland zumindest für die nahe Zukunft als illusionär erscheinen. Freilich zeigt ein Blick in andere Teile der Welt, und dort auch in rechtsstaatlich verfasste Länder wie Japan oder die USA, dass die Todesstrafe noch lange nicht der Vergangenheit angehört.48 Ein Wiederaufleben dieser Extremsanktion in Zeiten großer gesellschaftlicher Krisen oder in Zeiten des Krieges auch in Ländern, in welchen derzeit die Todesstrafe nicht zulässig ist, kann nicht ausgeschlossen werden. Und dies gilt besonders für Gesellschaften, in denen die Todesstrafe im Denken der Bürger ein gewisses Maß an Reputation behalten oder wiedergewonnen hat. Von daher kann einen der derzeitige Ansehensgewinn der Todesstrafe unter den jungen, schu-

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Vgl. auch Reuband, Soziale Probleme 18 (2007), 186, 199 f. Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 61 f. Vgl. Streng, Strafmentalität und juristische Ausbildung, 1979, S. 93. Vgl. Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 116. Dazu näher Streng, Kriminalitätswahrnehmung und Punitivität im Wandel, 2014, S. 75 f. Zu Japan vgl. etwa Asada in: Festschrift für Frisch, 2013, S. 1107, 1108 f.; Ida in: Festschrift für Kühl, 2014, S. 763 ff.

JM 01 | lisch gut ausgebildeten Studierenden nicht gleichgültig lassen. Zu bedenken sind auch mögliche mittelbare Effekte: Wer sich daran gewöhnt, die Todesstrafe für akzeptabel zu halten, wird konsequenterweise die für schwerste Delikte alternativ in Frage kommenden langjährigen Freiheitsstrafen, insbesondere die lebenslange Freiheitsstrafe, für unzulänglich halten.49 Es besteht die Gefahr, dass positive Stellungnahmen zu einer Extremsanktion sich auf die Einschätzung des gesamten Strafsystems auswirken. Die kriminologisch erhärtete Erkenntnis von der präventiven Sinnhaftigkeit zurückhaltenden Strafens50 gerät so in Gefahr, an kriminalpolitischem Gewicht zu verlieren. Abschließend lässt sich empfehlen, auch in Deutschland wieder über die Todesstrafe zu reden! Denn es hat die Abschaffung der Todesstrafe offenbar dazu geführt, dass

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diese Sanktionen in der öffentlichen Meinung und in den Schulen und den Universitäten kaum oder gar nicht mehr problematisiert wird.51 Dies für unglücklich zu halten, legen Befunde aus Befragungsstudien nahe, in denen sich hat zeigen lassen, dass mit zunehmender Information über die Todesstrafe die Akzeptanz der Todesstrafe nachlässt.52

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Vgl. dazu den Text bei Fn. 38 bis 39. Vgl. etwa H.-J. Albrecht, Strafzumessung bei schwerer Kriminalität, 1994, S. 66 ff.; Streng, Strafrechtliche Sanktionen, 3. Aufl. 2012, Rn. 331 ff. – m.w.N. Für Folgerungen daraus vgl. Meier in: Oppermann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 63. Vgl. dazu Sato, MschrKrim 95 (2012), 363, 370 ff.; zur Bedeutung eines unzulänglichen Informationsstands vgl. auch Meier in: Oppermann (Hrsg.), International Legal Studies II, 2013, S. 56 f.

Spendensammeln durch kommunale Wahlbeamte: eine rechtliche Grauzone zwischen erwünschter Kooperation und strafbarer Korruption Ri Dr. Stefan Weiland, LL.M. A. Einführung In Zeiten angespannter oder gar defizitärer Haushaltslagen und eines zugleich wachsenden kommunalen Aufgabenkanons schrumpft der Spielraum für die Bereitstellung kommunaler Leistungen und Angebote, insbesondere im Bereich der sog. freiwilligen Daseinsvorsorge.1 Zugleich ist ein Absinken der gesellschaftlichen Erwartungshaltung daran, was Kommunalpolitik für das Leben in der örtlichen Gemeinde leisten soll, nicht festzustellen oder zu erwarten.2 Dies wird zum Anlass genommen, auch alternative Finanzierungswege jenseits der originären Steuer-, Beitrags- und Gebührenerhebung zu gehen.3 Was liegt dabei näher, als beispielsweise in der Kommune angesiedelte oder infolge rechtlicher oder geschäftlicher Beziehungen auf ein gesundes „Klima“ mit der Kommune und deren Verwaltung bedachte Gewerbetreibende für die finanzielle Unterstützung sozialer oder kultureller Zwecke zu gewinnen zu versuchen? Eine darauf ausgerichtete Amtsführung birgt jedoch in Anbetracht des durch das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13.08.19974 erheblich ausgeweiteten Anwendungsbereichs der Korruptionstatbestände (§§ 331 ff. StGB) Strafbarkeitsrisiken in sich. In der Literatur wird zutreffend von einem Spannungsfeld

zwischen den „Ziele(n) [d. Verf.], zusätzliche materielle Ressourcen zu erschließen und dabei die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes nicht zu gefährden“, gesprochen.5 Wenn das Kommunalrecht einzelner Bundesländer den kommunalen Wahlbeamten zwischenzeitlich ausdrücklich die Aufgabe zuweist, alternative Finanzierungsquellen zu erschließen6, so erfährt insbesondere die Diskussion um

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Der Begriff der „freiwilligen Daseinsvorsorge“ soll vorliegend die Tätigkeiten und Leistungen einer Kommune umschreiben, die über die gesetzlich festgeschriebenen Pflichtaufgaben hinausgehen und deren Erbringung allenfalls im pflichtgemäßen, dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit unterliegenden Ermessen der Kommune liegen. Vgl. dazu Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 5. Das Spektrum der alternativen Finanzierungsinstrumente reicht von klassischen Spendensammlungen über Sponsoringvereinbarungen bis hin zu Fundraising etc., vgl. dazu Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 214 ff. BGBl I 1997, 2038. Schröder, NJW 2004, 1353. Vgl. etwa § 111 Abs. 7 NKomVG.

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die Weite des Tatbestandes der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB und die damit verbundenen Strafbarkeitsrisiken für kommunale Wahlbeamte eine weitere Dimension. Vor dem Hintergrund der gesetzlich vielfältigen Ausgestaltung der Aufgaben kommunaler Wahlbeamter sowie des Umstandes, dass die (straf-)rechtliche Beurteilung eines privatfinanzierte Mittel erschließenden Handelns eines kommunalen Wahlbeamten stets einzelfallabhängig ist, bewegen sich jene Wahlbeamte, die sich für ein solches Handeln und eine darauf gerichtete Amtsführung entschließen, in einer rechtlichen Grauzone.7 Gleiches gilt für private Investoren, Finanziers und Spender in Anbetracht des zu § 331 Abs. 1 StGB spiegelbildlich ausgestalteten Tatbestandes der Vorteilsgewährung gem. § 333 Abs. 1 StGB. Der vorliegende Beitrag dient zur Erörterung der Frage, ob und inwieweit unter Berücksichtigung einschlägiger oder zumindest übertragend heranzuziehender Rechtsprechung sowie zwischenzeitlich vereinzelt geschaffener landesspezifischer Vorschriften auch untergesetzliche Regelungen Gestaltungsspielraum bieten und dazu beitragen können, Rechtssicherheit für kommunale Wahlbeamte zu schaffen. B. Das Strafbarkeitsrisiko kommunaler Wahlbeamter im Falle finanzieller (Dritt-)Zuwendungen I. Rechtliche Grundlagen Kommunale Wahlbeamte sehen sich dem Risiko einer Korruptionsstrafbarkeit bzw. zumindest dem Verdacht strafbaren Handelns ausgesetzt, wann immer sie mit finanziellen (Dritt-)Zuwendungen in Kontakt kommen. Ein solcher Kontakt kann sich in der täglichen Arbeitspraxis eines kommunalen Wahlbeamten in vielfältiger Weise ergeben. Das Spektrum reicht von der Annahme von Zuwendungen und Geschenken anlässlich bzw. als Gegenleistung für die Wahrnehmung repräsentativer Aufgaben über den Abschluss von Sponsorenvereinbarungen bis hin zu dem Einwerben, Annehmen und/oder Vermitteln von Geldern für kommunale oder soziale Aufgaben und Projekte. Verschiedene Konstellationen dieser Fallgruppen haben die Judikatur in den vergangenen Jahren bereits beschäftigt.8 Besondere Bedeutung nahmen Fälle ein, in denen kommunale Wahlbeamte gegenüber privaten, in geschäftlichen Beziehungen zur Kommune stehenden Investoren Spenden an kommunale Einrichtungen sowie kommunale oder private Vereine eingefordert, vermittelt sowie angenommen oder sich zumindest hatten versprechen lassen.9 Casus cnacsus bei der Beurteilung einer Strafbarkeit gem. § 331 Abs. 1 StGB bzw. einer spiegelbildlichen Strafbarkeit gem. § 333 Abs. 1 StGB war dabei stets die Frage nach der Verknüpfung zwischen eingefordertem, versprochenem

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oder gewährtem Vorteil und dem Amt des kommunalen Wahlbeamten.10 Der Vorteilsannahme gem. § 331 Abs. 1 StGB macht sich ein Amtsträger strafbar, der für seine Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt. In seiner durch das „Gesetz zur Bekämpfung der Korruption“ vom 13.08.199711 neu gefassten und im Interesse einer wirksamen Bekämpfung der Korruption12 in ihrem Anwendungsbereich erheblich ausgeweiteten Fassung setzt die Vorschrift des § 331 Abs. 1 StGB nicht mehr voraus, dass die Gewährung eines Vorteils anlässlich einer konkreten Diensthandlung erfolgt. Es genügt, dass der Vorteil von Vorteilsgeber und Vorteilsnehmer allgemein im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses mit der Dienstausübung des Amtsträgers verknüpft wird.13 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen auch Handlungsweisen unter Strafe gestellt werden, durch die der Vorteilgeber sich das generelle Wohlwollen des Amtsträgers erkaufen bzw. allgemein „Klimapflege“ betreiben will.14 Unter der „Dienstausübung“ des Amtsträgers ist dabei grundsätzlich jede Tätigkeit zu verstehen, die ein Amtsträger zur Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben entfaltet.15 Dies schließt alle Aufgaben ein, die ein Amtsträger nur aufgrund seines Amtes wahrnehmen kann und die in den Bereich seiner amtlichen Funktionen fallen.16 Dienstausübung und Vorteil müssen aber im Wege eines normativen Korrektivs „inhaltlich verknüpft“ sein.17 Es muss ein Gegenseitigkeitsverhältnis in dem Sinne beste-

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Vgl. Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 214. Eine beispielhafte Darstellung verschiedener, die Strafrechtspraxis beschäftigender Konstellationen findet sich bei: Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009. Vgl. insbesondere BGH, Urt. v. 11.05.2006 - 3 StR 389/05. Zur zentralen Bedeutung der sog. Unrechtsvereinbarung bei der Prüfung und Anwendung der Korruptionsdelikte vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1992 - 4 StR 456/92 - BGHSt 39, 45, 46; BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306 f.; Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 35 ff. BGBl I 1997, 2038. Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 15. Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - BGHSt 53, 6, 14 f. Vgl. BT-Drs. 13/8079, S. 15; zu dem damit verbundenen Verlust an Trennschärfe vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 37. Vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1983 - 4 StR 375/82 - BGHSt 31, 264, 280. Vgl. BGH, Urt. v. 03.12.1987 - 4 StR 554/87 - BGHSt 35, 128, 132. Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 31.

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hen, dass der Vorteil nach dem ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnis der Beteiligten seinen Grund gerade in der Dienstausübung findet.18 Die Beteiligten müssen demnach im Rahmen einer sog. Unrechtsvereinbarung darin übereinstimmen, dass der Vorteil entweder dem Zweck dient, auf die künftige Dienstausübung des Amtsträgers Einfluss zu nehmen oder eine vergangene Dienstausübung zu belohnen.19

Die einschlägige Rechtsprechung bestätigt jedoch, was unter Berücksichtigung der Ratio der Korruptionstatbestände nicht sein kann und auch nicht sein darf. Privatfinanzierte Mittel generierendes Handeln kommunaler Wahlbeamter ist – anders als teilweise befürwortet29 – nicht per se dem Anwendungsbereich der Tatbestände der §§ 331, 333 StGB und damit einer potentiellen Strafbewehrung entzogen.30

Eine zweite mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vom 13.08.199720 einhergehende Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Tatbestandes der Vorteilsannahme liegt in der Einbeziehung sog. Drittvorteile.21 In seiner geltenden Fassung verlangt § 331 Abs. 1 StGB22 nicht zwingend, dass der Amtsträger den Vorteil für sich selbst beansprucht. Ein auf die Erlangung eines Vorteils durch einen Dritten bezogenes Handeln reicht aus.

Dies verdient mit Blick auf den durch die Korruptionsvorschriften und insbesondere deren Weite bezweckten Schutz des Vertrauens in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes Zustimmung.

Aufgrund dieser Weite erfasst der Straftatbestand der Vorteilsannahme in seiner geltenden Fassung – auch über den Tätigkeitsbereich kommunaler Wahlbeamter hinausgehend – vordergründig Handlungen und Sachverhalte, deren Strafwürdigkeit in Teilen in Zweifel gezogen wird.23 Auf den ersten Blick mag die zwischenzeitlich in vereinzelten Kommunalgesetzen verankerte Zuweisung einer Art „Fundraiser-Funktion“ an kommunale Wahlbeamte24 eine Strafbarkeitsrisiken begründete Verknüpfung von Amtsführung und Generierung geldwerter Vorteile zusätzlich intensivieren. Bei näherer Betrachtung liegt in einer funktionalen Aufgabenzuweisung und der Einrichtung transparenter Anzeige- und Genehmigungsverfahren ein geeignetes Mittel, den Anwendungsbereich der Korruptionstatbestände auf einen ihrem Schutzzweck entsprechenden Umfang zu begrenzen, Rechtssicherheit zu schaffen und auf diese Weise Strafbarkeitsrisiken für (kommunale) Amtsträger einzuschränken. Denn kommunalen Wahlbeamten eine generelle Unbedenklichkeit einer privatfinanzierte Drittmittel erschließenden Amtsführung zu bescheinigen, erscheint de lege lata gewagt.25 II. Keine generelle Einschränkung der §§ 331, 333 StGB im Falle privater Zuwendungen an oder auf Geheiß von Kommunen bzw. deren Wahlbeamte

Die Grenzen der vorrangig Bedeutung entfaltenden Tatbestände der Vorteilsannahme und der Vorteilsgewährung sind im Wege der teleologischen Reduktion zu finden. Ausgangspunkt sind dabei die durch die §§ 331 ff. StGB zu schützenden bezweckten Rechtsgüter, namentlich die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und das Vertrauen der Allgemeinheit in eben diese.31 Eine Strafbarkeit nach § 331 Abs. 1 StGB scheidet nur dann aus, wenn nach den kon-

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Angesichts der Weite der geltenden Korruptionsvorschriften ist anerkannt, dass diese einer interessengerechten Beschränkung bedürfen, um ein Ausufern der Strafbarkeit zu vermeiden und Rechtsklarheit zu schaffen.26 Literatur27 und Rechtsprechung28 sind gleichermaßen bestrebt, dem Anwendungsbereich der Korruptionstatbestände Konturen zu verleihen und das ausschlaggebende Tatbestandsmerkmal der „Unrechtsvereinbarung“ zu konkretisieren.

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Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - BGHSt 53, 6, 16. Vgl. Schlösser/Nagel, wistra 2007, 211, 212. BGBl I 1997, 2038. Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 266. Das Gleiche gilt für den spiegelbildlich ausgestalteten Tatbestand des § 333 StGB. Zu Zweifeln an der Strafwürdigkeit bestimmter, durch die Tatbestände der Vorteilsannahme und -gewährung erfasster Handlungen im Bereich der sog. Drittmittelforschung vgl. Ambos, JZ 2003, 345, 350; Michalke, NJW 2002, 3381, 3382. Vgl. etwa § 78 Abs. 4 Satz 2 GemO Baden-Württemberg, § 94 Abs. 3 Sätze 1 u. 4 RhPfGO, § 111 Abs. 7 Sätze 1 u. 2 NKomVG. Auch das in § 331 Abs. 3 StGB festgeschriebene Genehmigungsverfahren ist nicht geeignet, eine generelle Unbedenklichkeit einer Drittmittel erschließenden Amtsführung zu begründen; vgl. dazu umfassend Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 249 ff. Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 37. Vgl. beispielhaft Rönnau, Jus 2003, 232, 236 f.; Ambos, JZ 2003, 343, 350; Kuhlen, JR 2003 231, 233 f. Vgl. beispielhaft BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 307 ff. Vgl. etwa Winkelbauer/Felsinger, BWGZ 1999, 291, 292 ff. sowie Dannecker, BWGZ 2001, 555 ff. jeweils mit unterschiedlichem Begründungsansatz. Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - Rn. 16 f. Zu den durch die Korruptionstatbestände geschützten Rechtsgütern vgl. RG, Urt. v. 05.10.1906 - V 483/06 - RGSt 39, 193; BGH, Urt. v. 25.07.1960 - 2 StR 91/60 - BGHSt 15, 88; BGH, Urt. v. 31.05.1983 1 StR 772/82 - NStZ 1984, 24 sowie Fischer, StGB, § 331 Rn. 3 und Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 267, jeweils m.w.N.

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kreten Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung außerstrafrechtlicher Normen der Anschein einer Käuflichkeit vermieden wird.32 Selbstredend dürfen die strafrechtlichen Korruptionstatbestände nicht dazu führen, dass einem Amtsträger sowohl ein privates Engagement zu wohltätigen Zwecken als auch eine die (finanziellen) Interessen seiner Gemeinde wahrende Amtsausführung verwehrt sind. Die Grenze liegt jedoch dort, wo privates (mildtätiges) Engagement und die Stellung als öffentlicher Amtsträger derart verknüpft werden, dass der Amtsträger die ihm kraft Amtes innewohnende (Macht-)Position zum Anlass nimmt, Vorteile, sei es zu eigenen Gunsten oder zugunsten Dritter, zu erlangen, und sich dieses Handeln mangels Wahrung öffentlicher Verfahren, der damit verbundenen Transparenz sowie des Verstoßes gegen (beamten-)rechtliche Vorgaben als Ausnutzen der besonderen Stellung als Amtsträger darstellt. Diese Grenze ist durch die Ratio der Korruptionsvorschriften determiniert. Eine solche an dem Sinn und Zweck der Korruptionsvorschriften orientierte Auslegung schränkt den Raum weder für ein wohltätiges privates Engagement auch solcher Personen, die ein öffentliches Amt bekleiden noch für eine im Wege des Fundraising verstandene, in Teilen gesetzgeberisch erwünschte Amtsführung unzulässig ein. Einem Amtsträger ist es zum einen unbenommen und auch ohne weiteres möglich, ein privates wohltätiges Engagement zu entfalten, ohne dies mit seiner amtlichen Stellung und den damit verbundenen Funktionen, Zuständigkeiten und Befugnissen zu verknüpfen. Zum anderen ist es ihm ebenso unbenommen, eine Drittmittel generierende Amtsführung nur insoweit auszuüben, als ihm diese Aufgabe zugewiesen ist, und in diesem Fall die gebotene Transparenz durch Einhaltung etwaiger Anzeige- oder Genehmigungsverfahren zu wahren. Dass dies bedeutet, ein Drittmittel generierendes Handeln nicht in einen situativen und inhaltlich verknüpfenden Zusammenhang mit der Dienstausübung oder gar einer konkreten Diensthandlung gegenüber dem Zuwendenden zu stellen, ist wünschenswert und war im Übrigen bereits vor Erweiterung des Tatbestandes der Vorteilsannahme durch das Korruptionsbekämpfungsgesetz strafbewehrt.33 Auch eine verwaltungsakzessorische Auslegung der Korruptionstatbestände in Anlehnung an die einschränkende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Fallkonstellationen aus den Bereichen der Drittmittelforschung und der Parteispendeneinwerbung begründet keine generelle Ausnahme vom tatbestandlichen Unrechtswert der Vorteilsannahme im Falle einer mit der Dienstausübung verknüpften Erschließung privater Finanzierungsquellen.

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Zwar mögen die angespannte Finanzlage der öffentlichen Haushalte und ein damit verbundener gesteigerter privater Finanzierungsbedarf bei der Finanzierung und Förderung sozialer und kultureller Lebensbereiche ein Bedürfnis der Kooperation mit privaten Investoren, Mäzenen und Sponsoren schaffen, das eine der Drittmittelforschung im Bereich der Hochschulen vergleichbare Situation begründet. Diese Vergleichbarkeit schafft jedoch keine dem Anwendungsbereich des materiellen Strafrechts entzogenen Parallelsphären, sondern bedeutet allenfalls, dass ein private Finanzierungsquellen erschließendes Handeln kommunaler Wahlbeamter dann nicht der tatbestandsmäßigen Strafbarkeit der Vorteilsannahme unterliegen kann, wenn ein solches Handeln – dem Schutzzweck der Korruptionstatbestände entsprechend – dem Vertrauen der Öffentlichkeit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes im Einzelfall nicht zuwiderläuft. Ausschließlich die Vermeidung gesetzlich angelegter Pflichtenkollision und gesetzlicher Wertungswidersprüche diente dem Bundesgerichtshof als Begründung zur tatbestandlichen Einschränkung des Tatbestandes der Vorteilsannahme im Fall der Drittmittelforschung34 sowie als Argument bei den von ihm angestellten Überlegungen zur Parteispendeneinwerbung durch kommunale Wahlbeamte35. Ein private Finanzierungsquellen erschließendes Handeln kommunaler Wahlbeamter kann unter Berücksichtigung dieser Maßgaben sowie des Schutzzwecks der bewusst weit gefassten Korruptionstatbestände nicht per se dem Anwendungsbereich der Vorteilsannahme entzogen sein. Es ist zwar konsequent und geboten, dass dort, wo ein Amtsträger dazu berechtigt oder gar berufen ist, private Drittmittel einzuwerben und anzunehmen, ein diesem Auftrag entsprechendes Verhalten – sofern die gesetzlichen Vorgaben eingehalten sein sollten – keine Strafbarkeit begründen kann.36 Im Bereich der hochschulrechtlichen Drittmittelforschung etwa hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass einem Amtsträger das Einwerben von privatfinanzierten Drittmitteln zur Förderung von Forschung und Lehre dann nicht strafrechtlich angelastet werden kann, soweit eine solche

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Vgl. Heine/Eisele in: Schönke/Schröder, StGB, § 331 Rn. 39. Vgl. BGH, Urt. v. 23.10.2002 - 1 StR 541/01 - Rn. 36. Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306. Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - NJW 2007, 3446-3449. Vgl. Gorf in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 10, § 331 Rn. 105.

JM 01 | Tätigkeit die hochschulrechtlich verankerte Aufgabe des Amtsträgers darstellt und dem Schutzgut der Strafvorschrift, dem Vertrauen in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes, durch die Einhaltung der hochschulrechtlich vorgesehenen Anzeige- und Genehmigungsverfahren und die damit verbundene Transparenz hinreichend Rechnung getragen ist.37 Auch das beamtenrechtliche Verbot des § 42 Abs. 1 BeamtStG bestätigt den Grundsatz, dass kommunale Wahlbeamte ihre Amtsführung an den durch die Korruptionsvorschriften gesetzten Grenzen zu orientieren haben. Gem. § 42 Abs. 1 BeamtStG, der gem. §§ 1 und 6 BeamtStG auf kommunale Wahlbeamte als Beamte auf Zeit Anwendung findet, ist es einem Beamten grundsätzlich untersagt, Zuwendungen anzunehmen. Diesem Verbot unterliegen auch Zuwendungen Privater an Dritte, wie beispielsweise privatrechtliche Vereine.38 In der amtlichen Begründung zu § 42 BeamtStG hat der Gesetzgeber unter Verweis auf § 331 StGB ausdrücklich ausgeführt, dass es einem Beamten verwehrt ist, für sich oder Dritte Vorteile jeglicher Art zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen.39 Anderes folgt letztlich auch nicht aus der in den steuerrechtlichen Begünstigungstatbeständen der §§ 10b EStG und 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG zum Ausdruck kommenden legislativen Anerkennung gemeinnütziger Spenden. Dem Grunde nach ist das Instrument der Spende gesetzlich anerkannt und gebilligt. Das Steuerrecht weist der Spende die Funktion zu, die Gemeinwohlverwirklichung durch private Förderung zu ergänzen, und begünstigt aus diesem Grund für Spenden aufgewandte Ausgaben.40 Charakter einer Spende ist jedoch deren Uneigennützigkeit, d.h. sie darf nicht mit einer wirtschaftlichen Gegenleistung in Verbindung stehen. Jedenfalls dann, wenn als Spenden deklarierte Zahlungen angeboten, gefordert und/oder angenommen werden, deren gegebenenfalls verschleierter Hintergrund jedoch (zumindest auch) darin besteht, auf die Amtsführung des Amtsträgers einzuwirken, liegt ein Entgeltcharakter vor, der den Anschein der Käuflichkeit und eine den Anwendungsbereich der Vorteilsannahme eröffnende Unrechtsvereinbarung zwischen Amtsträger und Zuwendendem begründet.41 Diese Grenze zwischen straffreiem und strafbarem Verhalten erschließt sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Parteispendeneinwerbung durch kommunale Wahlbeamte. Danach entsteht der eine Strafbarkeit nach § 331 StGB begründende Anschein der Käuflichkeit dann, wenn (übereinstimmender) Zweck der Spende nicht bloß eine Förderung der politischen Zielsetzungen des Amtsträgers ist, mit denen der Zuwendende sympathisiert bzw. von denen er im Allgemeinen profitiert, sondern darin besteht, die Gewogenheit des Amtsträgers mit Blick auf eigene Individual-

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interessen bei einzelnen – wenn auch noch unbestimmten – Entscheidungen zu fördern.42 Demzufolge ist es weder mit den geltenden gesetzlichen Vorgaben vereinbar noch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Korruptionstatbestände geboten, ein privatfinanzierte Drittmittel erschließendes Handeln kommunaler Wahlbeamter generell aus dem Anwendungsbereich dieser Straftatbestände auszuklammern. Auch hier gilt allerdings der Erfahrungssatz: Dem Grundsatz wohnt stets die Ausnahme inne. Anerkennend, dass die Weite des Tatbestandes der Vorteilsannahme einer Einschränkung bedarf, zeigt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Drittmittelforschung sowie zur Parteispendeneinwerbung in ihrem der Abstraktion zugänglichen Kerngehalt Raum für eine solche Einschränkung auf, die allerdings einer regelungstechnischen Manifestation bedarf. C. Einfluss außerstrafrechtlicher Regelungen auf den Tatbestand der Vorteilsannahme I. Das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung als Anknüpfungspunkt einer einschränkenden Auslegung Eine Strafbarkeit wegen Vorteilsannahme infolge einer dem Anwendungsbereich dieses Straftatbestandes nicht per se entzogenen, im Zusammenhang mit der Amtsführung stehenden Erschließung privatfinanzierter Drittmittel hängt im Einzelfall davon ab, ob zwischen der Vorteilsannahme43 und der Dienstausübung eine inhaltliche Verknüpfung im Sinne einer Unrechtsvereinbarung besteht. Das Vorliegen einer solchen Unrechtsvereinbarung ist Tatfrage, die anhand aller fallbezogenen Umstände und Indizien – insbesondere der gesamten Interessenlage der Beteiligten – zu beantworten ist.44 Diese Einzelfallbezogen-

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Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295, 306. Vgl. Plog/Wiedow, § 42 BeamtStG Rn. 1. Vgl. BT-Drs. 16/4027, Begründung zu § 43 BeamtStG-Entwurfsfassung. Vgl. Quambusch, Spenden als Gegenleistung für Beamtenhandeln, Die Personalvertretung 2008, 56, 57; BFH, Urt. v. 02.08.2006 - XI R 6/03 - BStBl II 2007, 8. Vgl. Quambusch, Spenden als Gegenleistung für Beamtenhandeln, Die Personalvertretung 2008, 56, 57. Vgl. BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07 - Rn. 15 ff. Der Begriff der Vorteilsannahme wird im Interesse einer gebotenen (stilistischen) Vereinfachung als Oberbegriff für die Tat- und Handlungsalternativen des § 331 Abs. 1 StGB verwendet. Vgl. BGH, Urt. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 31 f.

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heit bedingt dem Grunde nach, dass das Merkmal der Unrechtsvereinbarung kaum trennscharfe Konturen aufweist.45 Dass an den mit dieser Einzelfallprüfung verbundenen Unwägbarkeiten nichts zu ändern ist46, kann allerdings nur bedingt Geltung beanspruchen. Die Notwendigkeit, das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung anhand aller Umstände und Indizien des Einzelfalles zu beurteilen, was die Berücksichtigung außerstrafgesetzlicher Wertungen einbezieht47, bedingt, dass der Tatbestand des § 331 StGB48 auch einer an diesem Tatbestandsmerkmal anknüpfenden, einschränkenden Auslegung zugänglich ist.49 Nichts anderes besagt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Drittmittelforschung und zur Parteispendeneinwerbung, die eine Einschränkung des Tatbestandes der Vorteilsannahme anerkennt, soweit infolge der Existenz und Einhaltung Transparenz wahrender Verfahren sowie eines Handelns innerhalb amtlicher Befugnisse und Zuständigkeiten eine Unrechtsvereinbarung nicht angenommen werden könne.50 II. Die Heranziehung untergesetzlicher Regelungen im Rahmen der das Vorliegen einer Unrechtsvereinbarung betreffenden tatrichterlichen Überzeugungsbildung Auf die Situation kommunaler Wahlbeamter übertragen, würden die von der Rechtsprechung zur sog. Drittmittelforschung aufgestellten Grundsätze in ihrem der Abstraktion zugänglichen Kerngehalt bedeuten, dass ein privatfinanzierte Drittmittel erschließendes Handeln kommunaler Wahlbeamter (nur) dann nicht der tatbestandsmäßigen Strafbarkeit der Vorteilsannahme unterläge, wenn und soweit ein solches Handeln in den Bereich der amtlich veranlassten Aufgaben des Amtsträgers fiele und eine den Schutzzweck der Korruptionsvorschriften wahrende Transparenz aufzeigen würde.51 Die Bundesregierung brachte demzufolge in ihrer Antwort vom 16.02.200752 auf eine Kleine Anfrage mehrerer Mitglieder der Fraktion der FDP im Bundestag53 zum Ausdruck, dass sie keine Erforderlichkeit sehe, die Tatbestände der §§ 331 ff. StGB einzuschränken, da mit außerstrafrechtlichen Regelungen zu einem transparenten Genehmigungsverfahren erwünschte Spenden und deren Einwerbung oder Annahme durch kommunale Wahlbeamte aus dem Anwendungsbereich der Korruptionstatbestände ausgenommen werden könnten, sofern die betroffenen Amtsträger die außerstrafrechtlich festgeschriebenen Genehmigungsverfahren, für deren Einführung die Bundesregierung einen Bedarf erkannte, einhielten.54

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Inwieweit eine entsprechende Aufgabenzuweisung im Falle kommunaler Wahlbeamter amtsimmanent ist55, mag dahinstehen. Jedenfalls mangelt es derzeit (noch) an einer flächendeckenden Existenz von Regelungen, die Transparenz wahrende Anzeige- oder Genehmigungsverfahren vorsehen. Auf Bundes- und Landesebene sowie in einzelnen Bundesländern auch im Hinblick auf die Situation kommunaler Amtsträger hat man die Rechtsprechung zur sog. Drittmittelforschung zum Anlass genommen, Regelungen einzuführen, die das Einwerben und Annehmen von Spenden als Dienstaufgabe bestimmter Bundes-, Landes- oder Kommunalbeamter festschreiben und in ein Transparenz garantierendes Anzeige- und Genehmigungsverfahren einbetten. Beispielhaft seien insoweit für die Bundesebene die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Inneren zur Förderung von Tätigkeiten des Bundes durch Leistungen Privater („Sponsoring, Spenden und sonstige Schenkungen“) vom 07.07.200356, für die Landesebene die Rahmenrichtlinie „Grundsätze für Sponsoring, Werbung, Spenden und mäzenatische Schenkungen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben“ der Innenministerkonferenz der Länder57 sowie auf kommunaler Ebene beispielsweise § 78 Abs. 4 GemO Baden-Württemberg, § 94 Abs. 3 RhPfGO i.V.m. § 58 Abs. 3 RhPfKreisO, § 111 Abs. 7 NKomVG angeführt. Das Kommunalrecht anderer Länder verzichtet dahingegen bis dato (noch) auf entsprechende Regelungen.58

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So auch BGH, Urt. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 34. Vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2004 - 3 StR 301/03 - BGHSt 49, 275, 296. Vgl. Ambos, JZ 2003, 345, 350 ff.; Busch, NJW 2006, 1100, 1102 zum Schulsponsoring durch sog. Fotoaktionen. Gleiches gilt für den spiegelbildlich ausgestalteten Tatbestand des § 333 StGB. So auch Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 244 m.w.N. Vgl. BGH, Urt. v. 23.05.2002 - 1 StR 372/01 - BGHSt 47, 295-311; BGH, Urt. v. 28.08.2007 - 3 StR 212/07. Vgl. Glauben, LKRZ 2008, 81, 84 f. sowie arg e contr aus BGH, Urt. v. 25.02.2003 - 5 StR 363/02 - Rn. 34. Vgl. Antwort der Bundesregierung vom 16.02.2007, BT-Drs. 16/4333, S. 10. BT-Drs. 16/4227. Vgl. Glauben, LKRZ 2008, 81, 82. So wohl Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 270. Zur Amtsimmanenz bestimmter Aufgaben vgl. auch Trüg, NJW 2009, 196, 197 f. BAnz Nr. 126, 11.07.2003, S. 14906. www.antikorruption.brandenburg.de/sixcms/detail.php?gsid=bb1. c.181548.de (abgerufen am 28.11.2014). So ist dem saarländischen Kommunalrecht beispielsweise eine private Kofinanzierung fremd. § 11 des Kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes des Saarlandes regelt, dass die Gemeinden ihre Finanzwirt-

JM 01 | Dieser Befund föderal divergierender, kommunalrechtlicher Gesetzeslagen bedingt die Fragen, ob erstens landesrechtliche (Verwaltungs-)Vorschriften Einfluss auf den Anwendungsbereich des bundesgesetzlichen Strafrechts nehmen können59 und zweitens in Konsequenz dessen die strafrechtliche Beurteilung eines bestimmten Verhaltens innerhalb des einem einheitlich Geltung beanspruchenden Strafrecht unterliegenden Bundesgebiets divergieren kann. Im Ergebnis ist, sofern das Einwerben, Annehmen oder Vermitteln von Spenden zu den amtsimmanenten60 oder gesetzlich verankerten Aufgaben eines kommunalen Wahlbeamten gehört, ein Transparenz sicherstellendes Anzeigeund/oder Genehmigungsverfahren geeignet, dem Anschein der Käuflichkeit entgegenzuwirken und die Annahme einer Unrechtsvereinbarung auszuschließen.61 Ohne Einfluss ist dabei, ob das jeweilige Anzeige- und/oder Genehmigungsverfahren in gesetzlichen oder bloß untergesetzlichen Regelungen verankert ist, sofern es eine abstrakte Eignung aufweist, die einem Anschein der Käuflichkeit entgegentretende Transparenz sicherzustellen, und im konkreten Einzelfall auch eingehalten wurde. Maßstab für die Beurteilung, ob eine Regelung über ein Verfahren bei der Einwerbung und Annahme von privaten Zuwendungen geeignet ist, auf die Strafbarkeit gem. § 331 StGB, konkreter die tatrichterliche Beurteilung, ob und inwieweit eine Zuwendung von einer Unrechtsvereinbarung getragen ist, Einfluss zu nehmen, kann allein der Schutzzweck der Korruptionsvorschriften darstellen. Entscheidend ist demnach die Frage, ob eine Regelung über das Einwerben und Annehmen von privatfinanzierten Mitteln geeignet ist, Gefahren im Hinblick auf das Rechtsgut des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Lauterkeit der öffentlichen Verwaltung entgegenzuwirken. Sofern dies zu bejahen ist, stehen die entsprechende Regelung und die Einhaltung des durch sie vorgeschriebenen Verfahrens der Annahme einer Unrechtsvereinbarung entgegen. Dies begründet keinen Verstoß gegen die Rechtsnormenhierarchie, da es letztlich ausschließlich um die tatrichterliche Beurteilung geht, ob das Tatbestandsmerkmal der Unrechtsvereinbarung erfüllt ist. Hierbei landesgesetzliche Regelungen oder gar bloße Landesverwaltungsvorschriften heranzuziehen, begegnet keinen Bedenken. Mit Blick auf das durch die Strafvorschriften der §§ 331 ff. StGB geschützte Rechtsgut sowie das Gebot der umfassenden Wertung aller Umstände und Indizien ist nicht der Rechtscharakter der zur einschränkenden Bestimmung der Unrechtsvereinbarung herangezogenen Regelung entscheidend, sondern allein die von dieser Regelung ausgehenden, für die Öffentlichkeit ersichtlichen Auswirkungen.62 Soweit in die tatrichterliche Würdigung die Umstände der

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einzelnen Vorteilsgewährung, d.h. insbesondere auch die Transparenz der Vorgehensweise, einzufließen haben63, sind Maßgaben über Transparenz gewährende Anzeigeoder Genehmigungsverfahren gleich ihres rechtlichen Charakters64 geeignet, das Vertrauen in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes zu wahren, sofern sie denn im Einzelfall Beachtung finden. Der Umstand, dass allein das Fehlen einer landesgesetzlichen Aufgabenzuweisung, sei es in Versäumnissen oder aber in einer bewussten Entscheidung begründet, ausschlaggebend dafür ist, dass spendengenerierendes Handeln kommunaler Wahlbeamter in Teilen des einem einheitlich Geltung beanspruchenden Strafrecht unterliegenden Bundesgebiets strafbar und in anderen Teilen straffrei sein kann, ist hinzunehmen, da der bundesstaatlichen Ordnung immanent ist, dass rechtliche Vorfragen je nach der zu beachtenden Gesetzeslage unterschiedlich zu beantworten sein können.65 Soweit demnach eine Drittmittel erschließende Amtsführung kommunaler Wahlbeamter zum Leitbild erklärt werden und erwünscht sein sollte, steht es den politisch verantwortlichen Akteuren frei, ein solches Handeln in Regelungen einzubetten, deren Einhaltung die Annahme einer Unrechtsvereinbarung ausschließt und den Beteiligten über den Einzelfall hinaus Rechtssicherheit gewährleistet. Aus der verfassungsrechtlich verankerten, beamtenrecht-

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schaft in eigener Verantwortung regeln und hierzu das Recht haben, Steuern und sonstige Abgaben nach Maßgabe der Gesetze zu erheben. Soweit die eigenen Einnahmen nicht ausreichen, sichert das Land den Gemeinden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu. Korrespondierend legt § 83 Abs. 2 des Kommunalen Selbstverwaltungsgesetzes als Grundsatz der Finanzmittelbeschaffung fest, dass eine Kommune die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Finanzmittel soweit vertretbar und geboten aus Entgelten für die von ihr erbrachten Leistungen und im Übrigen aus Steuern zu beschaffen hat. Eine Ermächtigung oder gar Aufgabenzuweisung an den Hauptwahlbeamten zur Spendeneinwerbung und -annahme enthält das Kommunale Selbstverwaltungsgesetz nicht. Vgl. bspw. Ambos, JZ 2003, 345, 353 m.w.N. So wohl Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 270. So im Ergebnis auch Glauben, LKRZ 2008, 81, 84 sowie Kalbfell, Kommunale Mandatsträger und Wahlbeamte im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Korruption – Eine Untersuchung der Reichweite von §§ 331 ff. StGB, Tübingen 2009, S. 273 ff. und 277 ff. So auch Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 273; Rudolphi/Stein in: SK, § 331 Rn. 29; Michalke, NJW 2002, 3381, 3382. Vgl. BGH, Urt. v. 14.10.2008 - 1 StR 260/08 - Rn. 32. Zu materiellen Anforderungen an eine einschränkende Auslegung ermöglichende landesgesetzliche Regelungen und deren Grenzen vgl. Glauben, LKRZ 2008, 81, 83; Mansdörfer, VBlBW 2007, 406, 409 ff. Vgl. BGH, Urt. v. 26.05.2011 - 3 StR 492/10 - Rn. 22.

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lichen Fürsorgepflicht66 mag man gar eine Verpflichtung ableiten, Rechtssicherheit gewährende Maßnahmen zu ergreifen, soweit Beamten eine Strafbarkeitsrisiken bergende Amtsführung auferlegt wird. Mit Blick auf den Schutzzweck der Korruptionsvorschriften kann eine solche Rechtssicherheit gewährende Einschränkung über eine funktionale Aufgabenzuweisung sowie die Einrichtung Transparenz wahrender Anzeige- und Genehmigungsverfahren erfolgen. Dass insoweit im Falle privater (Ko-)Finanzierung kommunaler oder sozialer Angebote etwas anderes gelten soll als im Bereich der Drittmittelforschung, ist weder ersichtlich noch plausibel.67 D. Fazit In Anbetracht der derzeit bestehenden Rechtslage und der damit verbundenen Strafbarkeitsrisiken ist kommunalen Wahlbeamten bei der im Zusammenhang mit ihrem Amt stehenden Einwerbung oder Annahme von Zuwendungen zugunsten der Kommune oder auch Dritter zu äußerster Vorsicht zu raten. Soweit gesetzgebende Organe und Verwaltung die Erschließung zusätzlicher materieller Ressourcen infolge privater Finanzierungen kommunaler oder sozialer Aufgaben vorantreiben wollen, sind sie gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen und den zwischen der Weite der Korruptionsdelikte und der an die Kommunen gerichteten Forderung, durch Generierung privater Mittel zur Sicherstellung der Finanzierung kommunaler und sozialer Aufgaben beizutragen, bestehenden Widerspruch aufzulösen.68 Dies gebieten der Schutz der Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und die Wahrung des daran anknüpfenden, demokratisch unverzichtbaren Vertrauens in eben diese Lauterkeit ebenso wie die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Der durch den Schutzzweck der Korruptionsvorschriften vorgegebene Weg, eine solche

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Rechtssicherheit zu erlangen, besteht darin, dem Vorbild vereinzelter Kommunalrechtsordnungen folgend, ein spendengenerierendes Handeln als Teil der Amtsaufgaben kommunaler Wahlbeamter festzuschreiben und in ein Transparenz wahrendes Anzeige- und/oder Genehmigungsverfahren einzubetten, sei es durch gesetzliche oder bloß untergesetzliche Regelungen. In beiden Fällen werden Ermittlungsbehörden und Strafgerichte die Möglichkeit erhalten, durch Überprüfung der Einhaltung vorgesehener Anzeige- und/oder Genehmigungsverfahren einfach und frühzeitig Tatsachen zu erforschen, die starke indizielle Bedeutung bei der Beurteilung eines Tatverdachts oder auch der abschließenden Entscheidungs-/Urteilsfindung erlangen.69 Infolge der damit verbundenen Steigerung der Rechtssicherheit werden lauter handelnde Amtsträger sich auf eine dem Gemeinwohl verpflichtete Amtsführung konzentrieren können und private, lautere Absichten verfolgende Finanziers in der Lage sein, die mit Blick auf den sie adressierenden Tatbestand des § 333 Abs. 1 StGB bestehenden Risiken abzuschätzen.

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Diese folgt für Beamtinnen und Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände aus Art. 33 Abs. 4 GG, einfachgesetzlich konkretisiert durch § 45 Beamtenstatusgesetz i.V.m. den einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265, 272; Gorf in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, Kap. 10, § 331 Rn. 124 ff. m.w.N. Vgl. Schreiber/Rosenau/Combé/Wrackmeyer, GA 2005, 265. So für das Stadium des Ermittlungsverfahren auch Glauben, LKRZ 2008, 81, 85.

BÜCHERSCHAU Arno Buschmann, Mit Brief und Siegel. Kleine Kulturgeschichte des Privatrechts C.H. Beck, München 2014, ISBN 978 3 406 6444 3 6, Taschenbuch – Paperback, 276 Seiten (davon 12 Seiten Personen- und Sachregister), 14,95 Euro (Kindle Edition: 11,99 Euro)

Michael Martinek Ganzseitig und farbenprächtig hat die NJW in der Vorweihnachtszeit dieses schmucke Taschenbuch beworben, in dem Arno Buschmann, emeritierter o. Professor für Rechtsgeschichte und Privatrecht an der Universität Salzburg, die „Verbindung zwischen der Geschichte des Privatrechts und der Kulturgeschichte in einem ersten Überblick vor Augen zu stellen“ versucht (Vorwort), denn die „Erkenntnis, dass das Recht eine Kulturerscheinung und die Rechtsgeschichte ein Bestandteil der Kulturgeschichte ist, wird zwar in der rechtshistorischen Forschung häufig betont, in ihr jedoch methodisch kaum umgesetzt“ (S. 18). Nach einer programmatischen Einleitung zur Privatrechtsgeschichte als Kulturgeschichte (S. 13-23) behandelt Arno Buschmann in sechs Kapiteln die Anfänge des modernen Privatrechts im Hochmittelalter (S. 24-58), Gelehrtes Recht und gelehrte Rechtskultur im Heiligen Römischen Reich (S. 59-84), Wandlungen der gelehrten Privatrechtskultur im 18. und 19. Jahrhundert (S. 85-122), Neue Grundlagen der gelehrten Privatrechtskultur im 18. Jahrhundert (S. 123165), Grundlegung der modernen Privatrechtskultur im 19. Jahrhundert (S. 166-218) und schließlich Privatrecht und Privatrechtswissenschaft im 20. Jahrhundert (S. 219259). So spannt er den Bogen einer tausendjährigen deutschen Rechtsgeschichte mit Schwerpunkt auf der Geschichte der Rezeption des römischen Rechs. So unterrichtet er den Leser etwa über die Rechtsschule von Bologna, die päpstliche Dekretalengesetzgebung, das gelehrte Rechtsstudium der deutschen Scholaren, die Gelehrten Juristen in der Gesetzgebung in Reich, Territorien und Städten. So bringt er dem Leser beispielsweise die humanistischen Reformen in Lehre, Gesetzgebung und Gerichtswesen, den Rationalismus und die Renaissance des Naturrechts im 17. Jahrhundert, die Vernunftrechtslehre und den Usus Modernus Pandectarum oder die preußische Kodifikation von 1794 näher. So schildert er den berühmten Kodifikationsstreit und die Historische Rechtsschule oder die Entstehungsgeschichte des schweizerischen Obligationenrechts und unseres BGB. Und so berichtet er etwa über die nationalsozialistische Rassengesetzgebung, über die Privatrechtsentwicklung in der DDR oder über den Einfluss des Grundgesetzes mit seiner Wertordnung auf das BGB. Arno Buschmann bereitet den Stoff mit tiefer Sachkunde und einfühlsamer Anschaulichkeit auf. Er sorgt beim Leser für ein erquickliches Bildungserlebnis von ausgepräg-

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ter juristischer Intellektualität und zugleich für eine kurzweilige und oft sogar vergnügliche Läuterung. Dass das Werk, wie der Verlag meint, auch für „juristische Laien“ zugänglich ist, darf man freilich bezweifeln. Den größten Gewinn von der Lektüre dürften gestandene Juristen erzielen, die einmal den Blick vom juristischen Alltagsgeschäft erheben und über die zurückliegenden Jahrhunderte der Rechtsentwicklung mit ihren Höhen und Tiefen streifen lassen wollen, um sich an der gewordenen Würde ihres Fachs zu erbauen. Sie werden sich dabei vielfach an die Vorlesung „Privatrechtsgeschichte der Neuzeit“ aus ihren früheren Semestern erinnert fühlen. Denn – offen gesagt – Arno Buschmann präsentiert doch in erster Linie eine recht klassische kurzgefasste Privatrechtsgeschichte, bei der ein spezifisch „kulturgeschichtlicher“ Bezug oft schwer erkennbar ist oder gar (etwa in den Überschriften) ein wenig „aufgesetzt“ wirkt. Das Buch erzählt über weite Strecken Wissenschaftsgeschichte und Gesetzgebungsgeschichte, Ideen- und Prinzipiengeschichte, gewiss auch Methoden- und ansatzweise Dogmengeschichte. Unter einer (auch „kleinen“) Kulturgeschichte des Privatrechts aber stellen sich vielleicht viele Leser eher eine nähere Betrachtung des Rechtsalltags der Bevölkerung, eine deutlichere Hinwendung zu den Lebensformen rechtlicher Sitten und Gebräuche der Leute vor. Sollte sich eine Kulturgeschichte des Privatrechts nicht zumindest auch mit der Erforschung und Darstellung, dem Erklären und Verstehen der Rechtswirkungen und der Rechtswirklichkeit in den Institutionen der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Verwaltung befassen? Sollten nicht Überlegungen zur Bedeutung der sich wandelnden normativen Regelungsprogramme des Privatrechts etwa für Eheschließungen, für den ehelichen Alltag, für das Familienleben, für die Arbeitswelt, für Vererbungen oder für den Handelsverkehr einbezogen werden? Sollte man in einer Kulturgeschichte des Privatrechts nicht auch epochenspezifisch das Rechtsbewusstsein oder die Rechtsmentalitäten verschiedener Bevölkerungskreise, etwa des Klerus oder der Kaufleute, beleuchten? Und gehören zu einer Kulturgeschichte des Privatrechts nicht möglicherweise auch die Auswirkungen des Privatrechts auf Sprache und Literatur, auf Kunst und Wissenschaft? Buschmann bleibt hingegen weithin der normativen Ebene verhaftet, konzentriert seine Rechtskulturgeschichte eher auf Gedankendinge und Geisteswerke als auf die rechtliche Gestaltung von Lebensformen. Dies ist jedenfalls ein höchst bemerkenswerter und verdienstvoller Anfang. Er lässt ein gewaltiges Forschungsprogramm erkennen. In der Tat: „Eine umfassende Kulturgeschichte des Privatrechts, in der eine Verbindung zwischen der allgemeinen Entwicklung der Kultur und der des Privatrechts hergestellt wird, steht nach wie vor aus.“ (S. 22)

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Dr. rer. nat. Jan Fritz Geiger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht Studium der Physik in Kaiserslautern und Studium der Rechtswissenschaft in Saarbrücken, Promotion zum Dr. rer. nat. an der Universität Tübingen, im Anschluss daran in einem Industrieunternehmen als Physiker beschäftigt. Zunächst am Institut für Rechtsinformatik der Universität des Saarlandes (Lehrstuhl Prof. Dr. Herberger) mit dem Schwerpunkt „Geistiges Eigentum“ tätig, seit 2003 Lehrbeauftragter. Ab 2002 Tätigkeit als Rechtsanwalt, seit 2008 auch Fachanwalt für Arbeitsrecht und für Bau- und Architektenrecht.

Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek Professor an der Universität des Saarlandes Seit 1986 Professor für deutsches und internationales Privat- und Wirtschaftsrecht sowie Rechtsvergleichung an der Universität des Saarlandes. Dort auch Co-Direktor des Instituts für Europäisches Recht. Honorar-Professor in Johannesburg. International bekannt durch mehr als 30 Bücher und rund 300 Aufsätze und Beiträge. Zu seinen akademischen Titeln aus vier Kontinenten zählen sieben Doktortitel. Mit-Herausgeber des Juris-Praxiskommentars zum BGB.

Dr. Nils Trossen Richter am Bundesfinanzhof Nach Studium und Referendariat in Bayern Tätigkeit in der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen. Seit 2002 Richter am Finanzgericht Düsseldorf, von 2007 bis 2010 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht. Seit Oktober 2013 Richter am Bundesfinanzhof. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Ertrags- und Unternehmenssteuerrecht sowie zum steuerlichen Verfahrensrecht. Daneben Vortragstätigkeit im Rahmen der Fortbildung für Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer.

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DIE AUTOREN

Dr. Stefan Weiland, LL.M. Richter Studium der Rechtswissenschaften und Promotion an der Rechtsund Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität des Saarlandes im Zeitraum von 2003 bis 2009. Nach Abschluss der Referendarausbildung Aufnahme eines LL.M. Studiums (Anwaltsrecht und Anwaltspraxis) an der Fernuniversität Hagen und Eintritt in den Justizdienst des Saarlandes. Dort zunächst Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Saarbrücken und derzeit Richter beim Landgericht Saarbrücken. IMPRESSUM Herausgeber: Vors. Richter am BSG Prof. Dr. Thomas Voelzke, Kassel Richterin am BFH Prof. Dr. Monika Jachmann, München Vizepräsident des LG Holger Radke, Mannheim Prof. Dr. Stephan Weth, Universität des Saarlandes, Saarbrücken Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Winterhoff, Hamburg Expertengremium: Vors. Richter am BGH a.D. Wolfgang Ball, Lemberg Rechtsanwalt Prof. Dr. Guido Britz, Homburg Richter am BVerwG Prof. Dr. Harald Dörig, Leipzig Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Martinek, Universität des Saarlandes, Saarbrücken Weiterer aufsichtsführender Richter am AG Dr. Wolfram Viefhues, Oberhausen Redaktion: Rechtsanwalt Dennis Reschke Medieninhaber und Verlag: juris GmbH, Juristisches Informationssystem für die Bundesrepublik Deutschland, Gutenbergstraße 23, 66117 Saarbrücken, Tel.: 0681 5866-0, Fax: 0681 5866-239, E-Mail: [email protected] Geschäftsführer: Samuel van Oostrom, Johannes Weichert, Aufsichtsratsvorsitzender: Ministerialdirektor a.D. Gerrit Stein Manuskripte: Der Verlag haftet nicht für Manuskripte, die unverlangt eingesendet werden. Mit Annahme der Veröffentlichung erwirbt der Verlag das ausschließliche Verlagsrecht, insbesondere auch das Recht zur Herstellung elektronischer Versionen sowie das Recht zu deren Vervielfältigung online oder offline ohne zusätzliche Vergütung. Urheber- und Verlagsrechte: Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Das gilt auch für die Leitsätze der Gerichtsentscheidungen, soweit sie vom Autor bearbeitet wurden. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Eine Reproduktion oder Übertragung in maschinenlesbare Sprache ist – außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes – nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags gestattet. Erscheinungsweise: 11 Ausgaben jährlich, davon ein Doppelheft (August/ September), sowie als Beilage zum Anwaltsblatt Bezugspreis: Im Jahresabonnement 180,- Euro zuzüglich Versandkosten incl. Online-Zugang unter juris.de Das Jahresabonnement verlängert sich um ein Jahr, wenn es nicht sechs Wochen vor Jahresende gekündigt wird. Bestellungen: Über jede Buchhandlung und beim Verlag Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, Neustädter Str. 1-4, 99947 Bad Langensalza Druck: L.N. Schaffrath GmbH & Co.KG Druck Medien, Marktweg 42-50, 47608 Geldern ISSN: 2197-5345

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