Themenblatt 11: Agrarhandel

sie einhält, verbessert zudem seine Wettbewerbsfähigkeit. Neben nachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen, Investi- tionen in technische Infrastruktur sowie ...
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Agrarhandel Welche Bedeutung hat Agrarhandel für ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung?

benin. Ökologische cashew-nüsse werden für den deutschen markt verpackt. die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt kleinbäuerinnen und kleinbauern in westafrika bei einer wettbewerbsfähigen cashew-Produktion. foto: © klaus wohlmann

Für die Entwicklung der ländlichen Räume muss insbesondere die ländliche Wirtschaft gestärkt werden. In ihrem Zentrum steht in den meisten Ländern die Landwirtschaft. Sie dient der ländlichen Bevölkerung unmittelbar zur Ernährungssicherung und sie schafft über die Vermarktung von Agrarprodukten Einkommen für Kleinbauern. Dieses Einkommenspotenzial wird in vielen Entwicklungsländern nur unzureichend genutzt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Unter anderem fehlt es an leistungsfähigen Strukturen für Verarbeitung und Vermarktung. Hinzu kommen Risiken durch starke Preisschwankungen auf den Exportmärkten. Und schließlich bremsen protektionistische Maßnahmen wie Zölle sowie andere Hemmnisse, beispielsweise aufwändige Grenzverfahren oder unterschiedliche Produktstandards, im regionalen und internationalen Handel die Vermarktung. Zwar werden Regularien und Standards zur Lebensmittelsicherheit und -qualität mit sozialen und ökologischen Anforderungen an Agrarprodukte und deren Erzeugung von vielen Entwicklungsländern als Marktzugangsbarrieren betrachtet. Doch solche hohen Standards sind aus entwicklungspolitischer Sicht nicht primär Handelshemmnisse. Sie gelten vielmehr als gesundheitspolitisch oder ökologisch sinnvoll. Wer sie einhält, verbessert zudem seine Wettbewerbsfähigkeit. Neben nachhaltiger Nutzung natürlicher Ressourcen, Investitionen in technische Infrastruktur sowie Verbesserung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, ist Agrarhandel ein oft unzureichend genutzter Motor für wirtschaftliche Entwicklung im ländlichen Raum. Je mehr regional und international gehandelte Agrargüter in einem Land oder einer Region wettbewerbsfähig produziert werden können, umso wichtiger ist es für die ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung, dass Handelshindernisse abgebaut und Zugänge zu Märkten geschaffen werden.

Hintergrund Für den internationalen Handel spielt die 1994 gegründete Welthandelsorganisation (World Trade Organisation, WTO) eine maßgebliche Rolle. Die WTO basiert auf dem General Agreement on Tariffs and Trade (GATT), einem 1947 geschlossenen Abkommen für einen freien Welthandel. Sie soll durch den Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten fördern. Die seit 2001 laufende Doha-Verhandlungsrunde 1 der WTO soll auch den Bedürfnissen der Entwicklungsländer Rechnung tragen. Entwicklungs- und Schwellenländer drängen in den Verhandlungen darauf, dass die USA und Europa ihre Agrarmärkte öffnen. Den Industrienationen geht es hauptsächlich um bessere Exportchancen in schnell wachsende Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Problematisch sind unterschiedliche Interessen und Positionen der EU und USA auf der einen und einer Gruppe exportorientierter Schwellenländer auf der anderen Seite. Die EU und die AKP-Staaten 2 wollen seit 2007 mit den sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPA) den gegenseitigen Marktzugang entsprechend den WTO-Regeln gestalten. Damit sollen vorherige einseitige Handelspräferenzen konform mit den WTO-Regeln gehen. Zudem sollen diese Abkommen auch die 1 benannt nach doha, der hauptstadt von katar, wo die derzeit laufende Verhandlungsrunde der wirtschaftsminister der wTo-mitgliedsstaaten 2001 begann. 2 afrika, karibik, Pazifik. die 79 akP-staaten sind in der mehrzahl ehemalige kolonien europäischer länder in afrika, der karibik und im südpazifik.

InformaTIonsblaTT ländlIchE EnTwIcklung und ErnährungssIchErung | Agrarhandel

regionale Integration innerhalb der AKP-Ländergruppen stärken. Die AKP-Staaten haben großes Interesse am Zugang zum EU-Markt. Sie befürchten jedoch negative Folgen, wenn sie ihre eigenen Märkte rasch für Importe aus der EU öffnen. Die EU strebt neben dem Abbau von Handelshemmnissen für ihre Exporte auch einen besseren Zugang zu Rohstoffen sowie die Stärkung der Präsenz europäischer Unternehmen in diesen Ländern an.

Unser Beitrag zu einem entwicklungsförderlichen Agrarhandel Für die deutsche Entwicklungspolitik ist es von großer Bedeutung, dass Strategien zu Handel und Entwicklung kohärent sind. Handelsliberalisierung, die von der WTO, den EPAs sowie anderen Freihandelsabkommen angestrebt werden, müssen daher immer die Situation im jeweiligen Partnerland berücksichtigen und einen Beitrag zur nachhaltigen sozio-ökonomischen Entwicklung des Landes leisten. Dazu müssen die Partnerländer entsprechende eigene Strategien zum Agrarhandel entwickeln und ihre Ziele und Interessen bei den Verhandlungen zu Handelsliberalisierung einbringen. Die

deutsche Entwicklungspolitik unterstützt und berät ihre Partner in den Entwicklungsländern daher beim Ausbau ihrer Kompetenzen, bei der Mitwirkung an regionalen und internationalen Handelsabkommen sowie beim Umgang mit Regularien und Standards. Nachhaltige Erfolge im Agrarhandel werden dadurch erreicht, dass fachliches Wissen und die Verhandlungskompetenz politischer Entscheidungsträger gestärkt und Produzenten, ihre Organisationen sowie Unternehmen an der Formulierung und Umsetzung von Agrarhandelsstrategien beteiligt werden. Daher unterstützt das BMZ z.B. die Bildung von Kleinbauernzusammenschlüssen, die zur Vertretung der Interessen gegenüber der Politik beitragen. Je mehr sich die Agrarproduktion an den Märkten orientiert, umso stärker kann der Agrarhandel zur Versorgung im Land beitragen, aber auch am regionalen und internationalen Handel partizipieren. Der weltweite Handel mit Agrarprodukten wird allerdings auch durch die Förderpolitik der Industriestaaten beeinflusst, vor allem durch Subventionen für die landwirtschaftliche Produktion. Daher engagiert sich das BMZ für eine mit der Entwicklungspolitik kohärente Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik.

Ein Beispiel aus der Praxis Freier Handel statt Schmuggel in Süd-Kenia In Rombo, einem Landkreis in der Nähe des Kilimandscharo, gab es früher etwa 400 Schmuggelwege, sogenannte „Panya-Routes“. Obwohl solche illegalen Geschäfte für die Händler risikoreich waren, blühte der Schmuggel ins benachbarte Tansania, denn der legale Handel war durch Zölle, Steuern, Bestechungsgelder und lange Wartezeiten an den Grenzen kostspielig. Schmuggel nutzt allerdings nur wenigen – ein funktionierender regionaler Handel belebt dagegen die Wirtschaft und bekämpft ganz konkret die Armut. Bei offenem und transparentem Handel können sich die Länder Ostafrikas, deren

Agrarsektoren vielfältig und unterschiedlich wettbewerbsfähig sind, gegenseitig helfen und zum Beispiel Versorgungsengpässen entgegenwirken. Seit Juni 2010 sind die Handelsbarrieren zwischen den Staaten Ostafrikas formal gefallen. Möglich gemacht hat das der 1999 gegründete politisch-wirtschaftliche Zusammenschluss ostafrikanischer Länder zum „Gemeinsamen Markt der Ostafrikanischen Gemeinschaft“ (East African Community, EAC). Das BMZ unterstützt und berät die EAC und ihre Mitgliedsländer. Der funktionierende grenzüberschreitende Handel lässt inzwischen in den Kleinstädten entlang der Grenze zu Tansania zahlreiche neue Jobs entstehen. Die alten Schmuggelpfade werden dagegen kaum noch genutzt.

Zum Weiterlesen: → BMZ-Themenseite: [http://www.bmz.de/agrarhandel] → GIZ-Themenseite: „Agrarhandel und Standards“: [http://www.giz.de/Themen/de/33336.htm] → „Entwicklung und Perspektiven des Welthandels: Fokus Entwicklungspolitik“ KfW-Entwicklungsbank, 2012 [https://www.kfw-entwicklungsbank.de/DownloadCenter/PDF-Dokumente-Development-Research/2012_02_ FE_Raschen-Welthandel_D.pdf]

→ „Sonderrolle der Landwirtschaft: Einsichten aus der Agonie der Doha-Runde für eine entwicklungsfreundliche Agrarhandelspolitik. – Analysen und Stellungnahmen“ Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE), 2011 [http://www.die-gdi.de/CMS-Homepage/openwebcms3. nsf/(ynDK_contentByKey)/ANES-8LVC24/$FILE/AuS%20 13.2011.pdf]

kontakt: referat 314 ländliche Entwicklung; landwirtschaft; Ernährungssicherung E-mail: [email protected]