Themenblatt 12: Preisvolatilität

Landwirtschaft, die auf lange Sicht wiederum die Nahrungs- mittelpreise stabilisieren. Unkalkulierbare und schwankende. Preise indes wirken sich nachteilig ...
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Preisvolatilität Welche Bedeutung haben stark schwankende Agrarund Nahrungsmittelpreise für ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung? Stark schwankende Nahrungsmittelpreise sind ein großes Problem für Produzenten, aber auch für Konsumenten in Entwicklungs- und Schwellenländern. Saisonale Preisschwankungen gehen vornehmlich auf fehlende Lagermöglichkeiten nach der Ernte zurück: Viele Kleinbauernfamilien müssen ihre Produkte bald nach der Ernte zu niedrigen Preisen verkaufen – das hohe Angebot lässt die Marktpreise sinken. Außerhalb der Erntesaison müssen die Bauern Nahrungsmittel hinzukaufen – höhere Nachfrage bei geringerem Angebot führt zu steigenden Preisen. Auch Missernten durch Dürren oder Überschwemmungen können Preisausschläge auslösen, genauso wie Anbauentscheidungen von Bauern, die auf Unkenntnis der Nachfrage (also auf mangelhafter Information über den Markt) beruhen. Neben diesen gängigen lokalen Preisschwankungen unterliegen zunehmend auch die Preise auf internationalen Nahrungsmittelmärkten starken Veränderungen. Die Auswirkungen auf die Ernährungslage in Entwicklungs- und Schwellenländern ist dramatisch, wie die Nahrungsmittelpreiskrise 2008 und die wiederholten Preissteigerungen 2010/2011 gezeigt haben. Langfristig und stetig steigende Preise kommen landwirtschaftlichen Produzenten grundsätzlich zugute. Sie geben Anreize für Investitionen und Produktionssteigerungen in der Landwirtschaft, die auf lange Sicht wiederum die Nahrungsmittelpreise stabilisieren. Unkalkulierbare und schwankende Preise indes wirken sich nachteilig auf Kleinbäuerinnen und Kleinbauern aus, insbesondere auf Erstere, die in den meisten Fällen für die Ernährung der Familie zuständig sind. Besonders betroffen sind zudem Landlose, die selbst keine Nahrung produzieren können und von der Lohnarbeit auf den Feldern abhängig sind. Schwankungen erhöhen ihr Einkommensrisiko und bedrohen die Ernährungssicherheit. Zudem lassen volatile (stark schwankende) Preise kleinbäuerliche Betriebe vor Investitionen zurückschrecken, da sie nicht sicher sein können, ob sich ihre Investition überhaupt amortisiert.

Hintergrund Der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge wird die hohe Preisvolatilität auf den Weltmärkten anhalten und schwerwiegende Folgen für die arme Bevölkerung in von Ernährungsunsicherheit betroffenen Ländern haben. In der Regel sind diese Menschen zu arm und es fehlt an Sozialsystemen, um die Folgen von extremen Sprüngen der Nahrungsmittelpreise abzufedern. Am stärksten betroffen sind Haushalte, die bereits jetzt einen Großteil ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben und ihre Ernährung dennoch kaum sichern können. Für die zunehmende internationale Preisvolatilität gibt es verschiedene Gründe: Die Weltbevölkerung wird bis 2050 vorrausichtlich auf neun Milliarden Menschen anwachsen, entsprechend steigt die Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Die landwirtschaftliche Produktivität hält bislang damit nicht Schritt, weil die Landwirtschaft in vielen Entwicklungsländern über lange Jahre vernachlässigt wurde und die natürlichen Ressourcen degradiert und knapp geworden sind. Gleichzeitig führen geänderte Konsumgewohnheiten und die Wirtschaftsentwicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern dazu, dass mehr und mehr Agrarrohstoffe, Energie- und Futterpflanzen angebaut werden und zunehmend mit dem Nahrungsmittelanbau um Boden und Wasser konkurrieren. Die ohnehin angespannte Marktsituation wird dadurch verschärft, dass internationale Lagerkapazitäten abgebaut werden und die Exporte in den Händen weniger Nationen und Händler konzentriert sind. Zusätzlich preistreibend wirken sich die wachsenden Einwirkungen anderer Märkte auf den Nahrungsmittelmarkt aus, etwa des Energiemarktes (steigende Nachfrage nach Bioenergie) oder der Finanzmärkte (Aktivitäten großer Finanzinvestoren an den internationalen Rohstoffbörsen). Vor diesem Hintergrund können kurzfristige Angebotsveränderungen starke Preisschwankungen auslösen: Dazu zählen Ernteausfälle durch extreme Wetterereignisse ebenso wie politisch verursachte Änderungen von Angebot und Nachfrage, zum Beispiel durch den Auf- oder Abbau staatlicher Lagerbestände oder durch kurzfristige Handelsbeschränkungen.

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Unser Beitrag zur Eindämmung der Schwankungen von Agrar- und Lebensmittelpreisen Um den Hunger weltweit zu reduzieren, unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Verbesserung der landwirtschaftlicher Produktivität und der Marktanbindung von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Sie fördert Ansätze und Strategien, die die sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Preisschwankungen abfedern und sprunghafte Anstiege von Nahrungsmittelpreisen verhindern. Partnerregierungen werden bei der Reform des Agrarsektors und beim Aufbau landwirtschaftlicher Beratungsdienste unterstützt. Außerdem werden landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten und Kooperationen mit der Privatwirtschaft gefördert, die kleinbäuerliche Landwirtschaft bei der Anpassung an den Klimawandel sowie bei der Entwicklung

von besseren Lagermöglichkeiten unterstützt. Gefördert werden zudem Kreditsysteme und Ernteversicherungen sowie die ländliche Infrastruktur, also zum Beispiel Bewässerungsanlagen, Straßen und Kommunikation. Krisen und Notsituationen begegnet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit direkten Hilfslieferungen. Außerdem fördert sie die langfristige Einrichtung sozialer Sicherungssysteme. Die deutsche Entwicklungspolitik unterstützt zudem die Forderung der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer und der EU (G20) nach einer Regulierung der Märkte für Rohstoffderivate (also des Handels mit Termingeschäften). Dabei geht es um eine bessere Transparenz sowie angemessene Aufsicht und Regulierung im Derivatehandel. Auch die G20-Initiative Agricultural Market Information System (AMIS) wird von der Bundesregierung unterstützt.

Ein Beispiel aus der Praxis RIICE in Südostasien: Mit Satellitenhilfe gegen Missernten versichern In den Hauptanbaugebieten für Reis in Südostasien sollen sich mehr als fünf Millionen Kleinbauernfamilien künftig gegen Ernteausfälle bei Naturkatastrophen versichern können. Die Bauern werden dabei beraten, ertragreichere und widerstandsfähigere Reissorten anzubauen. Regierungsbehörden werden bei der Genehmigung der Ernteversicherungen unterstützt und bei der Planung der Vorratshaltung und des Reishandels beraten. Parallel entsteht ein neuartiges, satellitengestütztes System, das weitaus präzisere Ernteprognosen erlaubt als bisher und auch Ernteschäden durch Naturkatastrophen schnell erfasst. Da sie auf diese Weise die mögliche Schadenshöhe und damit die Entschädigungssumme im Falle eines Ernteverlustes schneller kalkulieren können, können Versicherungsgesellschaften den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern individuelle Mikroversicherungen anbieten.

Der Name des Projektes – RIICE – steht für „Remote sensingbased information and insurance for crops in emerging economies“ („satellitengestützte Informationen und Versicherungen für Nutzpflanzen in Schwellenländern“). Es zielt darauf ab, den Reismarkt transparenter und vorhersehbarer machen und damit einen dramatischen Anstieg des Reispreises wie zuletzt 2008 zu verhindern. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat sich dazu mit der schweizerischen Entwicklungskooperation, mit den Schweizer Versicherungsunternehmen AllianzRe Switzerland und Sarmap SA und mit dem Internationalen Reisforschungsinstitut IRRI zusammen getan. Rund 30 Millionen Menschen können so in Bangladesch, Kambodscha, Indien, Indonesien, Thailand, auf den Philippinen und in Vietnam mehr wirtschaftliche Sicherheit finden. Gleichzeitig erhalten die Regierungen dieser Ländern Informationen über die Entwicklung der Reismärkte und können dadurch Importe und Exporte sowie die Lagerung von Vorräten genauer planen.

Zum Weiterlesen: → BMZ-Themenseite: [http://www.bmz.de/preisvolalität] → “Price volatility in food and agricultural markets: policy responses”. Policy report including contributions by FAO, IFAD, IMF, OECD, UNCTAD, WFP, the World Bank, the WTO, IFPRI and the UN HLTF, 2 June 2011: [http://www.oecd.org/dataoecd/40/34/48152638.pdf] → FAO (2011): “The State of Food Insecurity in the World 2011: How does international price volatility affect domestic economies and food security?”: [http://www.fao.org/publications/sofi/en/]

→ Hans H. Bass: „Finanzmärkte als Hungerverursacher?“ Studie für die Deutsche Welthungerhilfe e.V., 2011: [http://www.welthungerhilfe.de/fileadmin/user_upload/ Mediathek/Studie_Nahrungsmittelspekulation_Bass.pdf] → Rural 21, The International Journal of Rural Development Vol. 45 Nr. 5/2011: “Price trends on world agricultural markets”: [http://www.rural21.com/english/archiv/archive201105en/]

kontakt: referat 314 ländliche Entwicklung; landwirtschaft; Ernährungssicherung E-mail: [email protected]