POP ART KINO - Wolfsburg - Kunstmuseum Wolfsburg

30.10.2016 - brechender Multimedia-Installation „Fun House“, realisiert für die ... Gegenstück zu Richard Hamiltons Installation „Fun House“ ... mystery tour“.
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A Hard Day's Night, 1964

POP ART KINO

Rainbow Dance, 1936

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt der soziale Realismus eine Wiederentdeckung im europäischen Kino, das auch auf der Insel seinen eigenen „Neo-Realismus“ hervorbrachte. Die Bewunderung für die Schönheiten des Alltags verbindet sich mit einer durchaus kritischen Neugier auf die Konsumwelt und einem vielstimmigen Plädoyer für die neue Jugendkultur: die Wiege des Pop! Seit Mitte der Sechzigerjahre findet die künstlerische Umformung des Lebens durch die Musik- und Popkultur in Spielfilmklassikern wie „A Hard Day’s Night“, „Blow Up“ und „Performance“ ihren ultimativen Ausdruck. Zugleich entdecken bildende Künstler wie Richard Hamilton und David Hockney den Film als Ausdrucksmedium in Dokumentarfilmen, die selbst Kunstcharakter haben.

Genau 60 Jahre nach Richard Hamiltons bahnbrechender Multimedia-Installation „Fun House“, realisiert für die Ausstellung „this is tomorrow“ 1956 in London, vereint die retrospektive Überblicksschau „This Was Tomorrow“ im Kunstmuseum Wolfsburg (30.10.16 - 19.2.17) in einer multimedialen Rauminszenierung Malerei, Skulptur, Collage, Architektur, Zeichnung, Installation, Film, Musik, Fernsehen und Fotografie zu einem umfassenden Panorama der Pop Art in Großbritannien. Wie Pop ins Kino kam, zeigt die Filmreihe im Hallenbad-Kino, kuratiert von Daniel Kothenschulte, organisiert vom Kunstmuseum Wolfsburg in Kooperation mit dem Internationalen Filmfest Braunschweig. Hallenbad – Kultur am Schachtweg Schachtweg 31, 38440 Wolfsburg Kino im Hallenbad, Eintritt 5 € Reservierung leider nicht möglich Einlass 30 Minuten vor Beginn www.hallenbad.de

KUNSTMUSEUM WOLFSBURG Hollerplatz 1 38440 Wolfsburg Telefon + 49 (0) 5361-2669-0 Telefax + 49 (0) 5361-2669-66 [email protected] www.kunstmuseum-wolfsburg.de Veranstaltungsreihe in Kooperation mit

1.12.16 / 20 Uhr

19.1.17 / 20 Uhr

16.2.17 / 20 Uhr

Lindsay Anderson O Dreamland (1953) 13 Min

Peter Clifton Procol Harum: A Whiter Shade of Pale (1967) 4 min

James Scott Richard Hamilton (1969) 25 min

Tony Richardson A Taste of Honey (1961) 105 Min

Michelangelo Antonioni Blow Up (1966) 111 Min

Jack Hazan A Bigger Splash (1973) 106 Min

Die britische Pop Art hat einige ihrer Wurzeln im sozialen Realismus, der ebenso die Filmgeschichte des Landes prägte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrten Filmemacher der künstlichen Studiowelt den Rücken. Lindsay Anderson und Tony Richardson sprachen vom Free Cinema, als sie ihre 16mm-Handkameras auf die unbesungenen Schönheiten des Alltags richteten. 1953 tauchte Anderson in die Halbwelten des Dreamland-Vergnügungsparks in Kent ein. Erst 1956 uraufgeführt, ist „O Dreamland“ ein filmisches Gegenstück zu Richard Hamiltons Installation „Fun House“ aus demselben Jahr. Im großen Spielfilm gelang Tony Richardson 1961 ein Meisterwerk dieses neuen Realismus, das zugleich die Moralvorstellungen der Zensur für obsolet erklärte: Im Mittelpunkt der Theateradaption „A Taste of Honey“ („Bitterer Honig“) spielt Dora Bryan eine Minderjährige, die als junge Mutter eine Lebensgemeinschaft mit einem Homosexuellen gründet.

Bevor man Popsongs als Musikvideos visualisierte, schickten Bands sogenannte Promofilme um die Welt. Gleich zwei entstanden zur heute klassischen Ballade „A Whiter Shade of Pale“: Der erste, Peter Cliftons Anklage gegen den Vietnamkrieg, wurde von der BBC boykottiert. So ersetzte man ihn durch seltsame Posen der Musiker in einem englischen Park. Eine andere wichtige Beatband, The Yardbirds, hatte in Antonionis „Blow Up“, einem der großen Klassiker der Filmkunst, einen Kurzauftritt. Aber das allein macht diesen lyrischen Thriller noch nicht zum wohl bekanntesten filmischen Ausdruck der Pop-Ästhetik: Vor der Kulisse des Swinging London führt er geradewegs ins Niemandsland zwischen Fotografie und Wahrheit und ist Feier des Hedonismus wie memento mori zugleich.

Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass Filme über Künstler selbst Kunstwerke sein können. James Scotts Richard-Hamilton-Porträt begann mit Tonband-Interviews, die seine Einflüsse aufzeigen. Als sich herausstellte, dass er den Hollywoodfilm „Shock Proof“, aus dem er ein Standbild zu einem Gemälde verarbeitet hatte, gar nicht kannte, zeigte ihm Scott das Werk – und inspirierte damit wiederum Richard Hamilton.

8.12.16 / 20 Uhr Richard Lester The Running Jumping & Standing Still Film (1959) 11 MIN A Hard Day’s Night (1964) 87 Min Der Amerikaner Richard Lester galt als Wunderkind, das bereits mit 15 Jahren an die Universität ging und dabei seine Liebe zum britischen Kino entdeckte. Berühmt wurde er als filmischer Geburtshelfer der Beatle-Mania. Die als anspruchsloser Musikfilm geplante Billigproduktion „A Hard Day’s Night“ verwandelte er in eines der großen anarchischen Filmkunstwerke. Doch schon bevor er den Humor der Pilzköpfe in improvisiert wirkende Sequenzen goss, gelang ihm der wohl erste echte Pop-Art-Film. „The Running Jumping & Standing Still Film“ ist ein filmisches Gegenstück zu den Pop-Art-Collagen Eduardo Paolozzis.

A Hard Day’s Night, 1964

12.1.17 / 20 Uhr Len Lye Colour Box (1935) 5 Min Rainbow Dance (1936) 5 Min George Dunning Three Blind Mice (1945) 5 Min John Halas Automania 2000 (1963) 9 Min Lindsay Anderson The White Bus 47 MIN Der berühmteste britische Pop-Art-Film, George Dunnings Animation „Yellow Submarine”, ist leider aus kommerziellen Gründen für Kinoeinsätze gesperrt. Umso mehr lohnt Dunnings animiertes Frühwerk eine Entdeckung: „Three Blind Mice“ ist eine trotzige Lebenshilfe aus der späten Kriegszeit. Die psychedelischen Farben des späteren Beatlesfilms finden sich dagegen bereits 1935 in Len Lyes handgemachtem Musikfilm „Colour Box“. Englands Trickfilmkönig John Halas („Die Farm der Tiere“) warnt in „Automania 2000“ vor der mobilen Zukunft, während Lindsay Anderson das utopische Potential einer Busreise auslotet: Das Road-Movie „The White Bus“ ist eine semi-dokumentarische „magical mystery tour“.

Jack Hazan tauchte mit „A Bigger Splash“ nicht nur in die Bildwelten des Malers David Hockney ein, er arbeitete auch sein Beziehungsleben zum Model Peter Schlesinger und seine Rolle im Kunstbetrieb in ein Zeitbild ein, so intim, dass es Hockney selbst schockierte. Storytime, 1967

9.2.17 / 20 Uhr Terry Gilliam StoryTime (1967) 9 Min Nicolas Roeg Performance (1970) 105 Min Bevor Terry Gilliam Meisterwerke wie „Brazil” schuf, war er bei „Monty Python’s Flying Circus“ für die aberwitzig-komischen Collagen und Animationen zuständig. Sein tricktechnisches Meisterstück aber ist „Storytime“, die traurige Saga von der Kakerlake Don und dem Mann, der sie zertritt. Nicolas Roegs „Performance“ hält sich dagegen an die Wirklichkeit – jedenfalls wie sie sich nach Einnahme halluzinogener Pilze zu erkennen gibt. Mick Jagger spielt einen introvertierten Rockstar, an seiner Seite die selbst bei nüchterner Sicht betörende Anita Pallenberg.