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19.11.2017 - Flocken. Soweit Julia Weigelt. In der israelischen Negev-Wüste haben sich rund zwei Wochen lang Kampf- ... Deutsche. Soldaten in Israel: Das ist eine sensible Angelegenheit. Wenn sie ins Land kommen, dann gibt es immer einen Pflichttermin: Einen Besuch der Holocaust-. Gedenkstätte Yad Vaschem.
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Das Forum

18.11.2017 /19.20-19.50 Uhr

STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN

19.11.2017 /12.30-13.00 Uhr

Andreas Flocken

E-Mail: [email protected] www.ndr.de/streitkraefte

Inhalt:    

PESCO – Durchbruch für die EU-Verteidigungspolitik? Studium an Bundeswehr-Universität – Auch für Soldaten, die nicht Offizier werden wollen? Bundeswehr-Soldaten in Israel – Auf dem Weg zur normalen Militärkooperation? Ein Jahr Friedensvertrag – Kolumbiens schwieriger Weg zur Aussöhnung

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Willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe, es begrüßt Sie Andreas Flocken. Diesmal geht es um folgende Themen:

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Studium an Bundeswehr-Universität – Auch für Soldaten, die nicht Offizier werden wollen?

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Bundeswehr-Soldaten in Israel – Auf dem Weg zu einer normalen Militärkooperation? Und:

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Ein Jahr Friedensvertrag – Kolumbiens schwieriger Weg zur Aussöhnung

Zunächst jedoch zur EU-Verteidigungspolitik. Auf diesem Gebiet will jetzt eine Koalition der Willigen intensiv zusammenarbeiten. PESCO heißt das vermeintliche Zauberwort. Die Abkürzung PESCO steht für „permanent structured cooperation“, also ständige strukturelle Zusammenarbeit. Dazu haben sich 23 der 28 EU-Staaten Anfang dieser Woche vertraglich verpflichtet. Glaubt man den Außen- und Verteidigungsministern, ist jetzt eine neue Epoche angebrochen. Außenminister Gabriel:

O-Ton Gabriel „Das ist ein großer Schritt in Richtung Selbständigkeit und Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union, ich glaube wirklich, ein Meilenstein in der europäischen Entwicklung.“ Die Unterzeichner-Staaten wollen u.a. stetig die Verteidigungsausgaben erhöhen. Für Ursula von der Leyen ist der Weg nun frei, zahlreiche gemeinsame Vorhaben umzusetzen.

O-Ton von der Leyen „Das Leben erfüllt die europäische Sicherheits- und Verteidigungsunion durch die Projekte. Nämlich, dass wir ganz konkret werden, dass wir versuchen, eine gemeinsame Truppe auf die Beine zu stellen, dass wir ein gemeinsames europäisches Sanitätskommando aufstellen, dass wir dafür sorgen, dass die Verlegefähigkeit innerhalb Europas schnell ist. Wenn eine Krise kommt, dann muss Europa bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Europa muss handlungsfähiger werden. Europa muss sich besser organisieren." Allerdings gibt es bereits eine gemeinsame EU-Truppe. Vor mehr als zehn Jahren wurden die sogenannten EU-Battlegroups aufgestellt. Zwei rund 1.500 Soldaten starke multinationale Eingreifverbände, die innerhalb weniger Tage in Marsch gesetzt werden können. Eingesetzt wurden diese Gefechtsverbände allerdings noch nie. Auch nicht, als vor vier Jahren islamistische Milizen aus dem Norden Malis versuchten, den Südteil des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen.

Die besten militärischen Instrumente der EU sind allerdings wirkungslos, wenn wie bisher von den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Interessen verfolgt werden und es an einvernehmlichen politischen Konzepten mangelt. Denn einem bewaffneten Einsatz von Bundeswehr-Soldaten müsste der Bundestag zustimmen – auch wenn sie Teil einer EU-Truppe sind.

Keineswegs sicher ist zudem, dass durch die ständige strukturelle Zusammenarbeit PESCO Rüstungsvorhaben weniger kosten werden. Das Transportflugzeug A400M, der Eurofighter, der NH90-Hubschrauber und andere Waffensysteme sind bereits multinationale Rüstungsprojekte. Günstiger wurden sie dadurch nicht. Im Gegenteil. Die Systeme wurden regelmäßig teurer als ursprüng-

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lich geplant. Ob also PESCO wirklich ein Durchbruch für die EUVerteidigungspolitik sein wird, das muss sich erst noch zeigen.

Mehr zum Thema auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/streitkraefte.

Zu unserem nächsten Thema.

Im vergangenen Monat haben wir über Studienabbrecher an den beiden Bundeswehr-Universitäten berichtet. Ein Studium ist dort bisher nur für junge Leute möglich, die Offizier werden wollen. Inzwischen wird aber der Ruf lauter, die Bundeswehr-Universitäten auch für andere Soldaten-Laufbahnen zu öffnen. Zu den Hintergründen Julia Weigelt:

Manuskript Julia Weigelt

Immatrikulationsfeier an der Universität der Bundeswehr in Hamburg.

Atmo Stimmengewirr

Luftwaffe, Heer, Marine - die Uniformen der Studierenden unterscheiden sich. Doch eines haben die jungen Männer und Frauen gemeinsam: Sie haben alle die Laufbahn des Offiziers eingeschlagen.

Wenn es nach Hans-Peter Bartels geht, sollen sich die BundeswehrUniversitäten in Hamburg und München in Zukunft auch für Nicht-Offiziere öffnen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages brachte vor der Sommerpause im politischen Berlin einen Vorschlag ein, der seitdem vor allem Bundeswehrintern emotional diskutiert wird. Bartels will, dass künftig auch Unteroffiziere bei der Bundeswehr einen Bachelor-Abschluss machen dürfen, wenn sie das wollen. Seine Begründung: Die Ausbildungslandschaft habe sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verändert - und die Bundeswehr hinke deutlich hinterher. Hans-Peter Bartels:

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O-Ton Bartels „Als die Bundeswehr-Universitäten eingeführt wurden, ging es ja Anfang der 70er Jahre darum, den Offizieren ein akademisches Studium zu ermöglichen, so dass sie auf dem selben Stand sind wie die fünf Prozent Akademiker, die es damals in der westdeutschen Gesellschaft gab.“ Studieren, das sei vor allem eine Statusfrage gewesen. Heute ist das anders, weiß der Wehrbeauftragte:

O-Ton Bartels „Inzwischen haben wir gesamtgesellschaftlich eine ganz andere Situation: Weit über 50 Prozent eines Jahrgangs erwerben eine Studienberechtigung oder Fachhochschulreife, etwa die Hälfte eines Jahrgangs will studieren und fängt das auch an. Etwa 50 Prozent der jungen Leute geht einen akademischen Weg.“ Eine Entwicklung, auf die Streitkräfte nicht vorbereitet seien:

O-Ton Bartels „Die Bundeswehr bietet aber nur für 13 Prozent ihres Nachwuchses, den sie braucht, ein akademisches Studium an.“ 87 Prozent des Personals werden also aus den anderen 50 Prozent eines Jahrgangs gewonnen, der nicht studieren will.

Bei der Bundeswehr können junge Frauen und Männer kostenlos studieren, unter guten Bedingungen, sie bekommen sogar ein Gehalt. Doch dafür müssen sie die Offizierslaufbahn einschlagen. Allerdings besteht nicht jeder die Aufnahmeprüfung. Außerdem möchte auch nicht jeder, der studieren möchte, Offizier werden. Denn das bedeutet oft auch viel Bürokratie und Verantwortung. O-Ton Bartels „Insofern glaube ich, wenn man in Zukunft eine Freiwilligenarmee rekrutieren will, die auf der Höhe der Zeit ist und die Anreize setzt, die die jungen Leute erwarten, dann wird man mehr Studienmöglichkeiten bei der Bundeswehr anbieten müssen, auch für diejenigen, die nicht Offizier werden wollen.“ Das hochwertige Studium bei der Bundeswehr soll nach dem Willen des Wehrbeauftragten also auch Feldwebeln und sogenannten Fachoffizieren offenstehen, die zunächst die Unteroffizierslaufbahn eingeschlagen hatten. Dabei könnten sich die Streitkräfte ein Vorbild an der Polizei nehmen, sagt Bartels. 4

O-Ton Bartels „Bei der Polizei ist man diesen Weg längst gegangen. Die Polizei hat vor Jahrzehnten umgestellt auf die Fachhochschulausbildung von Polizisten, also der ganz normale Polizist hat ein Studium abgeschlossen an einer Verwaltungshochschule der Polizei.“ Die Bundeswehr gehe jedoch immer noch von einem System der Gesellen und Meister aus - eine Struktur, die es in Deutschland immer weniger gebe. Mit schwerwiegenden Folgen:

O-Ton Bartels „Ich glaube, der Bundeswehr gehen eine ganze Menge Bewerber verloren, weil sie eben dieses akademische Angebot eines Bachelors gar nicht macht.“ Studieren bei der Bundeswehr, auch wenn man die Offizierslaufbahn nicht einschlagen kann oder möchte. Das wäre ein Weg, um mehr Bewerber zu rekrutieren, ist sich Bartels sicher. Denn die Bundeswehr braucht dringend Nachwuchs und hat ein großes Problem, die angestrebten Personalzahlen zu erreichen.

O-Ton Bartels „Es ist ein Arbeitsmarkt, auf dem auch die Polizei ihren Nachwuchs sucht, und auch die Polizei will größer werden, und alle privaten Unternehmen - wie auch der Rest des öffentlichen Dienstes - und das bei kleiner werdenden Jahrgängen.“ Hans-Peter Bartels hat seinen Vorschlag auf seinem Jahresempfang vor der Sommerpause erläutert. Auch bei Truppenbesuchen sei das Studium für Unteroffiziere immer wieder Thema gewesen. Das Echo war zweigeteilt, berichtet der Wehrbeauftragte:

O-Ton Bartels „Manche sagen: Das brauchen wir nicht, wir brauchen die Kämpfer, wir brauchen die Ausbildung, die auch für die physische Belastbarkeit entscheidend ist, wir brauchen handwerkliche Fachkenntnisse – was ja alles auch richtig ist, braucht man auch.“ Andere hätten jedoch das Bedürfnis vieler Schulabgänger nach einem Studium erkannt. Zudem stimmten viele Bartels zu, dass ein zielgerichtetes Studium in technischen Bereichen hilfreich sei.

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Die zusätzliche akademische Ausbildung würde zwar mehr Zeit in Anspruch nehmen, räumt Bartels ein. Doch die Verpflichtungsdauer von Zeitsoldaten gehe immer weiter nach oben, und auch die Zahl der Berufssoldaten steige stetig. Eine gute Ausbildung würde sich da lohnen, ist sich Bartels sicher.

Studieren in der Bundeswehr, auch als Unteroffizier? Hauptmann Florian Kling unterstützt diesen Vorschlag.

Der Offizier ist Sprecher des Arbeitskreises

Darmstädter Signal, einem kritischen Forum für Soldaten.

O-Ton Kling „Das Unteroffizierkorps ist das Rückgrat der Bundeswehr, und dem sollte man selbstverständlich auch die Möglichkeit einräumen, einen Studienabschluss abzulegen und dann auf diesem Dienstposten trotzdem weiter dienen zu können und nicht unbedingt ins Offizierskorps aufrücken zu müssen.“ Kling fordert: Die Bundeswehr müsse die Laufbahnen deutlich flexibler machen. Der Hauptmann war bereits in den Niederlanden stationiert und hat dort erlebt, wie leicht der Wechsel zwischen Offiziers- und Unteroffizierslaufbahn in allen Richtungen funktionieren könne.

O-Ton Kling „Eigentlich wissen unsere Soldaten und die Menschen, denen wir Arbeit geben, sehr genau, was gut für sie selbst ist. Und das sollte man nicht verhindern, indem man nur ganz starre Karrierewege erlaubt.“ Der Vorschlag des Wehrbeauftragten ist nach Ansicht von Florian Kling durchaus geeignet, um mehr Nachwuchs für die Truppe gewinnen zu können. Der Sprecher des Darmstädter Signals warnt allerdings auch:

O-Ton Kling „Wir sollten auf jeden Fall nicht den Eindruck erwecken, dass Studenten und Studierende wichtiger sind oder ehrenwertere Arbeit machen, als Soldaten oder Menschen, die kein Studium haben.“ Kling weiß: Akademiker innerhalb der Bundeswehr, das ist ein emotionales Thema, bei dem schon lange eine Trennlinie durch die Truppe gehe.

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O-Ton Kling „Die gleichen Vorbehalte gibt es auch, wenn Rekruten in die Bundeswehr kommen, Abitur haben, und ihre Ausbilder und die Unteroffiziere kein Abitur haben. Und da muss man aufpassen. Dieses Problem darf man auch überhaupt nicht kleinreden.“ Hauptmann Andreas Steinmetz steht einer möglicherweise zunehmenden Akademisierung der Bundeswehr mit gemischten Gefühlen gegenüber. Steinmetz ist stellvertretender Vorsitzender des Bundeswehrverbandes, der Interessenvertretung der Soldaten. Er findet Weiterbildung grundsätzlich gut, bezweifelt aber, ob ein höherer Akademisierungsgrad der Bundeswehr helfe. Vielmehr müssten bereits durchgeführte Weiterbildungen so zertifiziert werden, dass sie auch nach der Dienstzeit im Zivilleben anerkannt würden.

O-Ton Steinmetz „Da hat nicht nur die Bundeswehr, sondern der öffentliche Dienst im Allgemeinen zu verzögert regiert auf den Bologna-Prozess und auch den KopenhagenProzess.“ Vereinbarungen, bei denen es um die europäische Vergleichbarkeit von Studienabschlüssen und Weiterbildungsmaßnahmen geht. In der zivilen Wirtschaft bedeute mehr Weiterbildung oft auch mehr Gehalt. In der Bundeswehr sei das anders, erklärt Andreas Steinmetz:

O-Ton Steinmetz „Weil bei uns die Bezahlung am Dienstgrad hängt, kann bei uns der beste Fluggerät-Mechaniker nicht mehr Geld bekommen. Für einen Aufstieg innerhalb der Bundeswehr muss er einen Laufbahnwechsel machen. Also er muss dann von der Unteroffiziers- in die Offizierslaufbahn. Er macht dann aber etwas ganz anderes. Da haben dann beide verloren - die Bundeswehr hat einen guten Techniker verloren, und der Mann, die Frau macht dann was, was gar nicht ihren Neigungen entspricht.“ Den Vorschlag des Wehrbeauftragten umzusetzen, wird nicht einfach sein, sollte er denn in der Politik mehrheitsfähig sein. Von den Parteien habe Bartels bislang keine Rückmeldung zu seinem Vorschlag erhalten, im Verteidigungsausschuss war er bis jetzt kein Thema. Der Wehrbeauftragte regt deswegen an, sich im Koalitionsvertrag auch auf eine Ausbildungskommission zu verständigen, die sich die gesamte Ausbildung in den Streitkräften anschaut. Da-

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bei könnte dann auch das Thema „Studium für Feldwebel“ eine Rolle spielen. Schließlich sei es Zeit für eine grundlegende Reform:

O-Ton Bartels „Denn da ist inzwischen vieles aufgelaufen. Vieles von dem, was die Bundeswehr heute tut, tut sie, weil sie es schon immer so gemacht hat.“ Einen Bedarf gebe es jedenfalls - nicht nur bei jungen Rekruten, sondern auch bei langjährigen Zeitsoldaten. Der Wehrbeauftragte hat auch mit Feldwebeln im Kommando Spezialkräfte gesprochen. Dort habe er Zustimmung für seinen Vorschlag erfahren.

O-Ton Bartels „Da sitzt dann einer dabei, der sagt: Ja, hätte mir geholfen. Ich mache im Moment gerade auf einem Fernkurs meinen Bachelor. Neben dem Dienst, zusätzlich, extra Belastung. - Das ist attraktiv. Das wollen die jungen Leute. Und manche, die das wollen, kommen ja gar nicht erst zur Bundeswehr.“ Ob und wie diese höhere Qualifikation sich am Ende auf die Bezahlung auswirken könnte, bleibt indes unklar. Ein Weg wären möglicherweise Zulagen. Damit kennt sich die Bundeswehr ja schon jetzt bestens aus.

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Flocken Soweit Julia Weigelt.

In der israelischen Negev-Wüste haben sich rund zwei Wochen lang Kampfflugzeuge aus mehreren Staaten ein Stelldichein gegeben. Anlass war die Militärübung „Blue Flag“. Ebenfalls dabei waren diesmal mehrere Eurofighter der Bundeswehr. Eine Premiere. Denn das deutsch-israelische Verhältnis ist weiterhin vor allem durch die Vergangenheit geprägt. Zeichnet sich bei der Militärkooperation inzwischen eine Normalisierung ab? Unser Korrespondent in Tel Aviv, Benjamin Hammer, ist dieser Frage nachgegangen:

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Manuskript Benjamin Hammer

Atmo Eurofighter Die Startbahn „20 rechts“ auf dem Flughafen von Uvda im Süden Israels. Vier Kampfflugzeuge vom Typ Eurofighter sind startbereit. Ein Vorgang, den deutsche Diplomaten als „historisch“ bezeichnen. Es ist das erste Mal, dass deutsche Kampfjets in Israel fliegen. 72 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Holocaust.

Atmo Eurofighter Die Piloten nehmen in Israel an der Übung „Blue Flag“ teil, zusammen mit sieben weiteren Nationen. Das besondere Verhältnis zwischen Deutschland und Israel: Es ist ein beherrschendes Thema in Uvda. Auf den deutschen Eurofightern prangen eiserne Kreuze. Wir sprechen mit dem Kommandeur des Luftwaffenstützpunktes. Sein Vorname: Itamar. Als wir ihn fragen, welche Gefühle das deutsche Wort „Luftwaffe“ in ihm auslöst, wird er kurz nachdenklich. Und dann sagt er:

O-Ton Itamar (overvoice) „Jede Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Israel ist emotional. Und das gilt auch für dieses Projekt. Ich war dabei, als die sechs Eurofighter in unsere Hangars rollten. Das hat in mir gearbeitet. Die Vergangenheit können wir nicht auslöschen. Aber wir schauen nach vorne. Und das Verhältnis unserer Luftwaffen basiert auf Vertrauen.“ Die Vertreter Deutschlands, so ist zu hören, haben sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, deutsche Kampfflugzeuge nach Israel zu schicken. Deutsche Soldaten in Israel: Das ist eine sensible Angelegenheit. Wenn sie ins Land kommen, dann gibt es immer einen Pflichttermin: Einen Besuch der HolocaustGedenkstätte Yad Vaschem. Hellmut Königshaus kennt sich aus. In Israel. Und in der Bundeswehr. Der FDP-Politiker war bis vor zwei Jahren Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages. Heute ist er der Präsident der DeutschIsraelischen Gesellschaft.

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O-Ton Königshaus „Es ist natürlich schon etwas Besonderes. Gerade für deutsche Soldatinnen und Soldaten. In Israel nicht nur eingeladen zu sein, sondern auch an den Übungen entsprechend beteiligt zu sein. Und ich glaube: Das ist nach wie vor ein großes Wunder. Dieses große Vertrauen, das uns von der israelischen Seite auch entgegengebracht wird.“ Itamar, der Kommandeur von Uvda, sieht das so: Die deutschen Soldaten sind seine Freunde. Vor dem Start der Übung „Blue Flag“ sollte ein Pilot der Gastnationen eine Rede halten. Nur einer. Die Israelis entschieden sich für einen Piloten aus Deutschland. Ausdruck einer Offenheit, die deutsche Soldaten auch außerhalb der Armeestützpunkte erleben, so sieht das Hellmut Königshaus.

O-Ton Königshaus „Zu meiner großen Überraschung sind die Israelis gegenüber deutschen Soldaten, auch wenn sie in Uniform auftreten, in großem Maße unbefangen. Am Anfang war es ja so, dass deutsche Soldaten, wenn sie beispielsweise Yad Vaschem oder andere Orte besucht haben, dann bemüht waren, möglichst nicht Deutsch zu sprechen oder möglichst leise zu sein. Da wurde denen gesagt: Nein. Das müsst Ihr nicht. Wir sind inzwischen auch davon überzeugt, dass wir mit Deutschland ein freundschaftliches, ein vertrauensvolles Verhältnis haben. Und dass dieses Deutschland eben ein anderes ist als das, was man natürlich immer in trauriger Erinnerung hält.“ Shlomo Shpiro geht noch ein Stück weiter: Die Zusammenarbeit von Bundeswehr und Israels Armee sei längst zur Normalität geworden. Shpiro ist Politologe und Professor an der Bar-Ilan Universität. Mehrfach hat er in Deutschland geforscht. Shpiro unterhält enge Kontakte zur israelischen Armee und den Geheimdiensten.

O-Ton Shpiro „Die deutsch-israelischen Beziehungen entwickelten sich auf zwei parallelen, aber nicht immer tangierenden Ebenen. Die erste, das sind die öffentlichen, diplomatischen Beziehungen, die erst seit 1965 überhaupt existieren und wirklich erst in den letzten 20 Jahren zur Normalität geworden sind. Aber die parallele Schiene, die unsichtbare Schiene, die militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit, läuft schon seit über 60 Jahren.“ Laut Shpiro hat also ausgerechnet das Militär den Grundstein für die Beziehungen Deutschlands und Israels nach dem Zweiten Weltkrieg gelegt. Im Sommer 1957 fährt ein gewisser Schimon Peres von Paris nach Bonn. Später 10

wird Peres Israels Staatspräsident. Der junge Israeli ist in geheimer Mission unterwegs. Er soll die Deutschen überzeugen, Waffen an Israel zu liefern. Peres trifft auf Franz Josef Strauß, damals Verteidigungsminister. Der Mann aus Bayern lässt sich überzeugen: Deutschland liefert Israel nicht nur Waffen, sondern übernimmt auch einen Teil der Kosten. Eine Praxis, die bis heute anhält. Israels Marine hat drei weitere U-Boote der Dolphin-Klasse von ThyssenKrupp Marine Systems bestellt. Deutschland übernimmt ein Drittel der Kosten, vor wenigen Wochen gab die Bundesregierung grünes Licht. Der Deal wird allerdings von einem möglichen Korruptionsskandal in Israel überschattet. In einem entsprechenden Memorandum wurde festgehalten, dass die U-Boote nur dann geliefert werden, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt. Der Verkauf von Rüstungsgütern – das ist längst keine Einbahnstraße mehr. Die Bundeswehr setzt auf Aufklärungsdrohnen aus Israel. Auch hier kam die Zusammenarbeit zuletzt ins Stocken: Für neue Drohnen des Typs „Heron TP“, die auch bewaffnet werden können, gab es bisher keine politische Mehrheit.

Atmo Eurofighter

Kurz nach den deutschen Eurofightern starten in Uvda F15-Kampfflugzeuge der Israelis. Die Piloten der acht Nationen simulieren über der Negev-Wüste Israels Luftkämpfe. Und sie lernen, wie sie mit Boden-Luft-Raketen umgehen. Gemeinsam üben und lernen: Das ist ein Pfeiler der deutsch-israelischen Militärkooperation. In diesem Jahr gab es bereits 80 gemeinsame Übungen, 20 davon in der Luft. Soldaten des Heeres trainieren seit Jahren in Israel den Häuserkampf. Und dann ist da noch die Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg: Israelische Offiziere nahmen hier schon in den 80er-Jahren an Lehrgängen teil. Profitiert eine Seite mehr als die andere? Vertreter beider Nationen streiten das ab. Klar scheint jedoch: Die Israelis haben in vielen Bereichen mehr Erfahrung. Das sieht auch der frühere Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus so.

O-Ton Königshaus „Natürlich können wir auch viel davon lernen, dass Israel leider immer wieder sich auch in seiner Existenz neu auch bewähren muss. Und das ist etwas, was natürlich Erfahrung bringt. Auch, wenn man das natürlich wieder vermieden 11

hätte, dass man solche Erfahrungen machen muss. Und wir sind gut beraten, wenn wir uns diese Erfahrungen dann auch zu Nutze machen.“ Erfahrungen, die Israel auch im Cyberbereich gemacht hat. Gegenüber Journalisten geben sich beide Seiten verschwiegen. Sie bestätigen jedoch, dass es zwischen Israel und Deutschland enge Kontakte gibt. Vor kurzem besuchte eine hochrangige Delegation des neu aufgestellten Cyberkommandos der Bundeswehr Israel. Können auch die Israelis von den Deutschen profitieren? Ja, sagt Jonathan Conricus. Er ist der Sprecher der israelischen Armee.

O-Ton Conricus (overvoice) „Da ist die Kampferfahrung in Afghanistan. Welche Konsequenzen ziehen die Deutschen? Wie hat das mit der Logistik geklappt? Wie operierten sie in den Bergen? Wie haben sie versucht, die Zivilbevölkerung für sich zu gewinnen? Wie lief die Zusammenarbeit mit Verbündeten? In diesen Bereichen haben wir Israelis weniger Erfahrungen. Und da wollen wir von den Deutschen lernen.“ Atmo Flugzeuge

In Uvda wehen während der Übung viele Flaggen: Die israelische zum Beispiel, die deutsche, aber auch die Flagge von Indien. Ein Land, das ebenfalls zum ersten Mal an „Blue Flag“ teilnimmt und lange Jahre ein eher angespanntes Verhältnis zu Israel hatte. Die Luftwaffenübung der Israelis wird begleitet von einem sorgsam orchestrierten Programm der Presseabteilung der israelischen Armee. Israel ist geographisch isoliert. Und auch seine engsten Verbündeten kritisieren das Land für die israelische Besatzung des palästinensischen Westjordanlandes. Die Botschaft der Übung im Süden Israels ist klar: Israels Allianzen sind enger denn je. Politisch hatte sich das deutsch-israelische Verhältnis zuletzt etwas abgekühlt. Im April traf sich Außenminister Sigmar Gabriel u.a. mit ehemaligen israelischen Soldaten, die die Besatzung kritisieren. Israels Premier Netanyahu weigerte sich daraufhin, den Gast aus Deutschland zu treffen. Ein Vorfall, der auf die Zusammenarbeit der Armeen keinen Einfluss hatte.

O-Ton Conricus (overvoice) „Die Politik kommentiere ich nicht.“

...sagt Armeesprecher Conricus. 12

O-Ton Conricus (overvoice) „Aber ich sage das hier: Die Armeen beider Länder haben ein gutes, ein stabiles und professionelles Verhältnis. Vielleicht liegt es daran, dass wir klar definierte Ziele haben. Ja, vielleicht sind die Dinge in der Politik etwas komplexer. Beim Militär fokussieren wir uns auf die gemeinsamen Ziele und wie wir sie erreichen können.“ In zwei Jahren laden die Israelis zu einer neuen Ausgabe des Luftwaffenmanövers „Blue Flag“. Wir würden uns freuen, sagt der Armeesprecher, wenn die Deutschen dann wieder mit dabei sind.

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Flocken Ein Bericht von Benjamin Hammer.

Jahrzehntelang herrschte in Kolumbien ein grausamer Bürgerkrieg. Vor einem Jahr haben die Konfliktparteien einen Friedensvertrag unterzeichnet. Präsident Santos bekam dafür den Friedensnobelpreis. Die Vereinbarung musste allerdings nachgebessert werden, weil der zunächst präsentierte Friedensschluss bei einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit abgelehnt wurde. Über den Friedensprozess in Kolumbien – Ivo Marusczyk.

Manuskript Ivo Marusczyk

O-Ton Santos (overvoice) „Auf der Welt gibt es jetzt einen Krieg weniger - und zwar den in Kolumbien". Vor gut einem Jahr unterzeichneten Kolumbiens Präsident Santos und Rebellenführer „Timoshenko“ den Vertrag, der 50 Jahre Bürgerkrieg beilegen sollte. Doch die Wähler akzeptierten den Text nicht, der Präsident und die FARCRebellen mussten eilig nachbessern und einen zweiten Vertrag unterschreiben.

O-Ton Timoshenko (overvoice) „Von nun an soll das Wort die einzige Waffe der Kolumbianer sein." ...sagte der FARC-Kommandant, der jetzt als Präsidentschaftskandidat antritt, beim zweiten Anlauf zum Frieden. Doch heute, ein Jahr später ist klar: Nicht 13

nur auf dem Weg zum Abkommen, sondern auch auf dem Weg zum Frieden selbst, liegen Hindernisse und Stolpersteine, mit denen niemand gerechnet hatte.

O-Ton Avila (overvoice) „Die Bilanz fällt sozusagen bittersüß aus. Denn einiges funktioniert ganz gut, manches so lala und es gibt auch Punkte, die sehr schlecht funktionieren.“ Ein bittersüßer Frieden, findet Ariel Avila also. Der Anwalt und Politikwissenschaftler leitet die Stiftung „Frieden und Versöhnung". Tatsächlich ist Kolumbien in diesem Jahr friedlicher geworden - nur von einer Versöhnung ist das Land noch sehr weit entfernt. O-Ton Avila (overvoice) „Was hat gut funktioniert? Dass es die FARC nicht mehr als illegale Rebellengruppe gibt, dass sie ihre Waffen abgegeben hat, das ist sehr gut gelaufen. Die Entwaffnung war ein immenser Fortschritt. Und auch, dass es jetzt - zumindest in manchen Gegenden - weniger Gewalt, weniger Morde, Vertreibungen, weniger Opfer von Landminen und Entführungen gibt. Da sind wir ziemlich weit gekommen.“ Die FARC-Rebellen haben sich nach 50 Jahren im Untergrund erstaunlich diszipliniert an das Abkommen gehalten, ihre Stellungen verlassen und ihre Waffen an die Vereinten Nationen übergeben. Jean Arnault, der Leiter der UNMission in Kolumbien, hat den früheren Rebellen dafür ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt. Die zuletzt rund 7.000 FARC-Kämpfer haben seinen Beobachtern fast 9.000 Schusswaffen und 38 Tonnen Sprengstoff übergeben.

O-Ton Arnault (overvoice) „Die UN-Mission stellt fest, dass Waffen von hoher Qualität und Einsatzfähigkeit abgegeben wurden. Und dass bei dieser Entwaffnung wesentlich mehr Waffen pro Kämpfer übergeben wurden, als in anderen Demobilisierungen unter internationaler Aufsicht.“ Doch zuletzt gab es vor allem schlechte Nachrichten aus Kolumbien. Der Anbau von Koka - und damit auch der Drogenhandel - gehen nicht zurück, sondern breiten sich immer weiter aus. Im Süden des Landes gibt es Unruhen, weil der Staat diese Koka-Plantagen mittlerweile mit Gewalt ausrotten will. Und der Regierung ist es nicht gelungen, die effektive Kontrolle über die Gebiete zu übernehmen, in denen früher die Rebellen das Sagen hatten. Im Gegensatz zu 14

den FARC-Kämpfern hat der kolumbianische Staat seine Versprechen nicht eingehalten, sagt Avila.

O-Ton Avila (overvoice) „Der Kongress hat noch nicht einmal mit den Debatten über die versprochene Landreform begonnen, es gibt keine Mittel für die versprochenen regionalen Entwicklungsprogramme, es gibt keine Fortschritte in den Risikogebieten. Eigentlich waren 27 Gesetze oder sogar Verfassungsänderungen vorgesehen, um das Friedensabkommen umzusetzen. Aber bis jetzt wurden erst acht davon beschlossen.“ International erregt aber vor allem die rasante Zunahme der Kokain-Produktion Entsetzen. Durch steigende Nachfrage aus den USA, Europa und Brasilien und durch die Aufwertung des Dollars, ist der Preis für Kokablätter in den letzten vier Jahren um 30 Prozent gestiegen. Und die Ernte erreicht deswegen immer neue Rekorde.

O-Ton Avila (overvoice) „Heute wird auf einer Fläche von 140.000 Hektar Koka angebaut. Damit erreichen wir fast wieder das gleiche Niveau wie im Jahr 1996. Das heißt, 21 Jahre, nachdem der sogenannte ‚Plan Colombia‘, der Krieg gegen Drogen ausgerufen wurde, stehen wir fast wieder am Anfang. Das zeigt, dass der Krieg gegen die Drogen in einer ernsten Krise steckt.“ Der Staat will die Bauern dazu bringen, statt Koka andere Pflanzen anzubauen: Kaffee, Bananen, Yuca oder Kakao. Und er fördert diese Ersatzpflanzungen auch - mit Subventionen, aber auch mit Armee-Einsätzen gegen Kokaplantagen. Die Koka-Bauern wehren sich dagegen - denn an Koka verdienen sie wesentlich besser. Ein Kampf, der immer häufiger in Gewalt ausartet. Miguel Mangos, ein Koka-Bauer aus dem Dorf La Paz im Amazonas-Tiefland sagt:

O-Ton Mangos (overvoice) „Der Staat muss uns eine echte Alternative anbieten. Sonst geben wir den Kokaanbau nicht auf. Wir lassen uns vom Staat nicht einschüchtern, wir geben auch unser Leben dafür. Sollen sie uns doch umbringen. Wir werden nicht zurückweichen.“ Und das ist nicht nur so dahin gesagt. In der Region Tumaco, an der Pazifikküste, wurden im Oktober sieben Kleinbauern erschossen, die gegen die Vernichtung ihrer Koka-Felder protestierten. Andere Quellen sprechen sogar von 15

neun Toten und mehr als 50 Verletzten. Was genau passiert ist, ist noch nicht aufgeklärt. Augenzeugen sagen, die Polizei habe auf die protestierenden Bauern geschossen.

O-Ton Augenzeuge (overvoice) „Die kamen von allen Seiten und haben geschossen und auf die Menschen eingeprügelt, alle sind weggelaufen, aber es gab Tote und Verletzte.“ Diese Vorkommnisse rufen wiederum die ELN auf den Plan. Im Gegensatz zu den FARC hat diese Rebellengruppe noch keinen Friedensvertrag mit der Regierung abgeschlossen, sondern sich nur zu einer vorläufigen Waffenruhe bis Mitte Januar bereit erklärt. Und jetzt droht sie, diesen Waffenstillstand nicht zu verlängern, wenn der Staat weiter gegen die Koka-Bauern vorgeht. Pablo Beltrán, der Chef-Unterhändler der Rebellengruppe, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung.

O-Ton Beltrán (overvoice) „30 Polizisten und 14 Soldaten haben das Feuer eröffnet und so kam es zu neun Toten und 55 Verletzten. Erst haben sie es abgestritten, dann werden die Schuldigen nicht bestraft. Und das Problem besteht weiter, denn wenn die Regierung weiterhin Pflanzungen mit Gewalt vernichtet, dann wird es noch viele ähnliche Massaker geben wie in Tumaco.“ Und die toten Kleinbauern sind bei weitem nicht die einzigen Toten. Seit dem Beginn des Friedensprozesses wurden in Kolumbien rund 200 „líderes sociales" ermordet. Darunter versteht man Aktivisten von Menschenrechtsgruppen, Stammesführer oder Dorf-Älteste, die sich für ihre Rechte eingesetzt hatten - und damit denen in die Quere gekommen sind, die sich in den früheren FARC-Gebieten breit gemacht haben. Denn der Staat hat das Machtvakuum nach dem Abzug der Rebellen nicht ausgefüllt. Jetzt haben in diesen Regionen Drogenbanden, andere Rebellengruppen oder abtrünnige FARC-Kämpfer das Sagen. Carlos Negret, Kolumbiens Volksanwalt - also eine Art Ombudsmann ist über diese Vorfälle sehr besorgt.

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O-Ton Negret (overvoice) „Diese Menschenrechts-Aktivisten wurden ermordet, weil sie für Wasserrechte gekämpft haben. Oder gegen illegale Goldwäscher vorgegangen sind oder gegen die Rekrutierung von Kämpfern oder gegen den Kokaanbau in ihren Gebieten. Deswegen wurden sie ermordet, und wir müssen unbedingt herausfinden, wer sie getötet hat. Der Krieg darf nicht nach Kolumbien zurückkehren.“ Und diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Denn die ehemaligen FARC-Kämpfer fürchten jetzt ebenfalls um ihr Leben. Die FARC will bei der Kongresswahl im März erstmals als politische Partei antreten. Die meisten Kämpfer halten sich aber noch immer in den Übergangszonen auf - provisorischen Lagern in abgelegenen Gebieten, wo sie sich vertragsgemäß zur Entwaffnung versammelt hatten. So wie Jorge Taverich, ein früherer FARCKämpfer, der noch immer in einer Übergangszone in Putumayo, im Süden des Landes, abwartet, wie sich die Situation entwickelt.

O-Ton Taverich (overvoice) „Wir machen uns Sorgen, weil es keine Sicherheitsgarantien dafür gibt, dass wir diese Zonen verlassen und eine normale Arbeit aufnehmen können. Es wurden schon so viele Bauern und Sozialaktivisten ermordet. Das macht uns schon Sorgen.“ Für die Eingliederung der früheren Rebellen in die Gesellschaft gibt es ohnehin nur vage Ideen. Es besteht die Gefahr, dass sie ihre Zukunft doch wieder im Untergrund suchen. Und wie es mit dem Friedensprozess weitergeht, ist ebenfalls fraglich – denn die Zeit von Friedensnobelpreisträger Santos läuft ab: Im März wählen die Kolumbianer ihr Parlament neu, im Mai wird dann ein neuer Präsident bestimmt. Und es könnte passieren, dass die rechtskonservativen Kräfte um Ex-Präsident Uribe sich durchsetzen. Sie hatten Santos und seine Kompromisse auf dem Weg zum Frieden von vornherein bekämpft und würden wahrscheinlich versuchen, das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Dann würde Kolumbiens Frieden wohl nicht mehr bittersüß, sondern endgültig bitter schmecken. ***

Flocken Ivo Marusczyk berichtete.

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Soviel für heute in Streitkräfte und Strategien. Die Sendung können Sie als Podcast herunterladen unter ndr.de/streitkraefte. Dort können Sie auch unseren Newsletter abonnieren. Wir schicken Ihnen dann das aktuelle Manuskript der Sendung per E-Mail zu. Ein schönes Wochenende wünscht Andreas Flocken.

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