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26.03.2017 - Es droht eine humanitäre Katastrophe. Saudi-Arabien will das Vordringen seines Erzfeindes Iran in der Region verhin- dern. Die Regierung in ...
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NDR Info

Das Forum

25.03.2017 /19.20-19.50 Uhr

STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN

26.03.2017 /12.30-13.00 Uhr

Andreas Flocken

E-Mail: [email protected] www.ndr.de/streitkraefte

Inhalt:    

Transportflugzeug A400M – ein Ladenhüter Cyber-Kommando der Bundeswehr – mehr Schein als Sein? Schulter an Schulter – Japan und die USA üben neue Rollenverteilung Krieg im Jemen – ein vergessener Konflikt?

Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.

Willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe, am Mikrofon begrüßt Sie Andreas Flocken.

Und das sind unsere Themen:

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Cyber-Kommando der Bundeswehr – mehr Schein als Sein?

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Schulter an Schulter - Japan und die USA üben neue Rollenverteilung. Und:

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Krieg im Jemen – ein vergessener Konflikt?

Zunächst jedoch zu dem umstrittenen Transportflugzeug A400M. Der rund 180 Millionen Euro teure Flieger bereitet der Bundeswehr weiterhin große Probleme. Von den derzeit vorhandenen acht Transportern ist gerade mal einer einsatzbereit. In der Öffentlichkeit wenig bekannt ist, dass die Bundeswehr zwar nur 40 Maschinen benötigt, trotzdem aber 53 Flugzeuge bei Airbus gekauft hat. Ein Kompromiss, nachdem das Rüstungsprojekt damals vor dem Aus stand. Die 13 nicht benötigten Maschinen sollen von der Bundeswehr weiterverkauft werden – so der vor einigen Jahren gefasste Plan. In der vergangenen Woche hat das Verteidigungsministerium jedoch eingeräumt, dass man sich verspeku-

liert hat. Denn der Flieger ist ein Ladenhüter – keiner will ihn kaufen. Die Konsequenz: Die Bundeswehr wird die nicht benötigten 13 Flugzeuge notgedrungen behalten - für einen europäischen Transportverband, so der neue Plan. Doch ist das auch realistisch? Der Verteidigungsexperte der Grünen, Tobias Lindner, hat da so seine Zweifel:

O-Ton Lindner „Man darf sich nichts vormachen: das wird natürlich eine Menge an Mehrkosten verursachen - nicht nur durch den Betrieb der Flugzeuge, sondern man braucht auch Infrastruktur. Nach allem was wir wissen, kann man die zusätzlichen Maschinen nicht in Wunstorf abstellen, sondern man wird wohl nach Lechfeld in Bayern gehen. Und da werden dann wohl weitere Kosten für die Infrastruktur notwendig. Und die Frage, wer sich in Europa an den Kosten in welchem Umfang beteiligt, die ist völlig ungeklärt.“ Die Kosten werden mindestens eine halbe Milliarde Euro betragen, wie das Verteidigungsministerium einräumt.

Es ist fraglich, ob sich andere Nationen an einem multinationalen A400MTransportverband beteiligen werden. Nicht zuletzt, weil es im niederländischen Eindhoven bereits seit rund sieben Jahren ein europäisches Lufttransportkommando gibt. Und im vergangenen Monat hat Verteidigungsministerin von der Leyen angekündigt, Deutschland werde zusammen mit Frankreich einen gemeinsamen Lufttransportverband aufstellen. Deutschland werde dafür vier bis sechs US-Flugzeuge vom Typ Hercules kaufen, Frankreich bis zu acht Maschinen.

Seit mehr als zwei Jahren bemüht sich die Bundeswehr zudem, einen multinationalen Hubschrauberverband mit NH90-Helikoptern aus der Taufe zu heben. Eine Folge des damals mit Airbus geschlossenen sogenannten „HubschrauberDeals“:

O-Ton Lindner „Das ist ja auch eine Idee, wo man sagen kann: vom Prinzip her richtig gedacht. Nur: der Anlass ist, dass man ein paar Hubschrauber zu viel hat, und nicht, dass da irgendwie von vornhinein der Bedarf besteht, das europäisch zu machen (…). Also die Bundeswehr, respektive der Generalinspekteur, die klopfen natürlich dann bei anderen Partnern an und fragen: Habt ihr Interesse? Aber spruchreif ist da leider noch nichts geworden.“ 2

Sagt der Vereidigungspolitiker Tobias Lindner. Keine guten Vorzeichen für eine europäische A400M-Flotte.

Themenwechsel.

In der kommenden Woche bekommt die Bundeswehr neben Heer, Marine und Luftwaffe praktisch eine weitere Teilstreitkraft. Am 1. April wird das vor einiger Zeit angekündigte Cyber-Kommando aufgestellt. Das Verteidigungsministerium spricht allerdings lieber vom „Kommando Cyber- und Informationsraum“. Der neue Bereich soll künftig eine Stärke von rund 14.000 Soldaten und Zivilisten haben. Die von der Verteidigungsministerin geweckten Erwartungen an diese Cyber-Truppe sind groß – vermutlich zu groß. Denn es gibt weiterhin noch viele offene Fragen. Björn Müller weiß mehr:

Manuskript Björn Müller In wenigen Tagen erhält die Bundeswehr einen neuen Organisationsbereich. Der Cyber-Informationsraum, kurz CIR, ist das persönliche Prestigeprojekt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Damit will sich die CDUPolitikerin beim Trendthema „Cyber“ als die Zukunft gestaltende Wehrpolitikerin präsentieren. Das Projekt kündigte von der Leyen bereits im September 2015 an:

O-Ton von der Leyen „Wir leben in einer immer stärker vernetzten Welt. Allerdings bringt das mit sich, dass wir auch verwundbarer werden für Angriffe von außen. Wir haben alleine 15.000 Dienstposten, die sich mit dem Thema Cyber-IT beschäftigen. Aber das ist alles zerstreut über die gesamte Bundeswehr. Wir wollen deshalb ein Cyber-Informationsraum-Kommando gründen; damit wir diese ganzen Kompetenzen bündeln; damit zeitgemäß sind, moderner und sehr viel effektiver werden können.“ Mit dem Kommando soll die Bundeswehr also fit gemacht werden für Konflikte der digitalisierten Welt. Bislang ist die Truppe ein Nachzügler. Erst 2006 hat sie damit begonnen, eine einheitliche IT-Infrastruktur aufzubauen. In Zukunft soll nun alles vom Feinsten sein. Das Ziel sind kompetente IT-Spezialisten, in kurzen Abständen immer wieder erneuerte IT-Strukturen, außerdem will man po3

tenzielle Angreifer auch mit offensiven Fähigkeiten für Cyber-Operationen beeindrucken. So heißt es in der Strategischen Leitlinie Cyberverteidigung:

Zitat „Es müssen Wirkmöglichkeiten vorhanden sein. Dazu können auch zielgerichtete und koordinierte Maßnahmen zur Beeinträchtigung von fremden Informations- und Kommunikationssystemen sowie der darin verarbeiteten Informationen dienen.“ Doch sind diese Ambitionen der Bundeswehr, zur Spitzen-IT-Streitmacht zu werden, auch realistisch?

Das Cyber-Kommando mit Sitz in Bonn startet unter seinem Inspekteur, Luftwaffen-General Ludwig Leinhos, mit einem Kommandostab von circa 230 Mann. Bis zum Sommer sollen dem Cyber-Kommando 13.500 Soldatinnen und Soldaten unterstellt sein. Allerdings sind die meisten davon gar keine ITSpezialisten – die Soldaten haben lediglich Berührungspunkte mit dem Thema Cyber. Es sind beispielsweise Fernmelder mit Wissen über Funkverbindungen und Elektronik- oder Geodaten-Spezialisten.

Mehr Cyber-Personal zu rekrutieren, ist daher aus Sicht der Bundeswehr die dringendste Herausforderung. Noch im Mai vergangenen Jahres äußerte Gundbert Scherf, damals Beauftragter für Strategische Rüstungssteuerung im Verteidigungsministerium, in einem Interview mit der Zeitschrift „Wired“, die Bundeswehr habe schon Probleme, den 24-Stunden Schichtdienst ihres Computer-Emergency-Response-Teams zu gewährleisten. Diese Einheit mit rund 40 Experten sorgt für den Schutz der Bundeswehr-Computer vor Angriffen aus dem Internet. Im IT-Bereich Personal zu rekrutieren, sei für die Bundeswehr extrem schwierig, sagt Marcel Dickow, Experte für Cybersicherheit an der Stiftung Sicherheit und Politik in Berlin:

O-Ton Dickow „Die Ausgangsbedingungen für die Bundeswehr sind sicherlich schlechter als in der Privatwirtschaft. Die Gehälter sind bei weitem nicht so hoch. Die Bundeswehr konkurriert da ja selbst mit anderen Sicherheitsbehörden in Deutschland, wie dem BSI, dem Innenministerium. Problematisch ist sicherlich, dass es viele junge Menschen gibt, die sich einfach nicht vorstellen können, für die

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Bundeswehr zu arbeiten, weil es einfach nicht in ihr ideologisches Schema passt.“ Diese ungünstige Konkurrenzsituation verschärft sich für die Bundeswehr wohl noch. Der Bedarf nach IT-Experten wird generell massiv steigen, glaubt Jakob Kullik, Experte für Cybersicherheitspolitik an der Technischen Universität Chemnitz:

O-Ton Kullik „Hier sehe ich ganz klar, dass der Personalbedarf weiter steigen wird. Erstens durch die Zunahme der Angriffe. Zweitens durch die Zunahme der Meldungen, die durch das neue IT-Sicherheitsgesetz erforderlich werden. Drittens durch den erhöhten Kooperationsbedarf und natürlich durch den erhöhten Strafverfolgungsbedarf.“ Vor einem Jahr startete die Bundeswehr das Rekrutierungsprogramm „Digitale Kräfte“, als Schwerpunkt seiner Nachwuchskampagne „Mach, was wirklich zählt“. Die Anfrage von NDR Info, wie viel IT-Nachwuchs auf diese Weise bis jetzt gewonnen werden konnte, wollte die Bundeswehr nicht beantworten. Wohl ein Indiz dafür, dass die Rekrutierung schleppend verläuft. Für die Truppe ist es zudem extrem schwierig, IT-Personal zu halten. Tausend Euro Prämie pro Jahr darf die Bundeswehr an IT-Zeitsoldaten zahlen, die weitermachen, so der gesetzliche Rahmen. Nicht viel, wenn man bedenkt, dass schon Berufseinsteiger in der IT-Branche ein Jahresgehalt von 35.000 Euro erhalten.

Damit die Informationstechnik sicher ist, will die Bundeswehr künftig regelmäßig die neueste Hard- und Software anschaffen. Der Innovationszyklus von ITAusstattungen liege nur bei rund zwei Jahren. Dem müsse die Bundeswehr gerecht werden, so ein Sprecher der Bundeswehr aus Bonn gegenüber NDR Info. Damit das funktioniert, soll eine neue Abteilung Cyber-IT im Ministerium im verschachtelten IT-Beschaffungswesen der Bundeswehr künftig das Sagen haben - und zwar in allen Bereichen der Streitkräfte. Jakob Kullik, Experte für Cyber-Sicherheitspolitik, hat da allerdings Zweifel:

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O-Ton Kullik „Auch hier klafft der Anspruch mit der Realität wieder auseinander. Sei es Lufttransport, sei es Marine. Die müssen ja alle irgendwo mit Kommunikationsstrukturen ausgestattet sein, die IT-Sicherheit berücksichtigen. Da haben wir in den letzten Jahren eigentlich nur Verzögerungen erlebt. Deshalb bin ich da relativ skeptisch, auch was die eingefahrenen Strukturen zwischen den Beschaffungsämtern in der Bundeswehr angeht und den entsprechenden Unternehmen.“ Was eine laufende IT-Erneuerung zudem erschwert, ist, dass auch externe Behörden mitreden. So bestimmt z.B. das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, kurz BSI, unter Führung des Innenministeriums über die ITSicherheitsstandards deutscher Behörden. So läuft auf Bundeswehr ServicePCs mit Internetanschluss immer noch das Betriebssystem Windows 7. Für ein Upgrade auf Windows 8 gab es keine Festplattenverschlüsselung, die dem BSI genehm war.

Teil der Bundeswehr Cyber-Pläne ist es auch, beeindruckende Operationsfähigkeiten für den Cyberraum zu erlangen. Für das Hacken in fremde Systeme verfügte die Bundeswehr bis dato über eine Gruppe von Spezialisten - nun soll ein Zentrum Cyber-Operationen entstehen. Offiziell werden die Cyber-Angriffe nur im Labor geübt; zum Zurückschlagen, für den Tag X im Verteidigungsfall. Jakob Kullik von der Technischen Universität Chemnitz sieht hierin einen gravierenden Schwachpunkt:

O-Ton Kullik „Jetzt mal nur aus militärischer Sicht gesprochen, nicht juristisch: Sie müssten eigentlich regelmäßig üben, in andere Computernetze einzudringen, sei es in die von Staaten oder auch in Firmen und dererlei mehr, um das wirklich unter realen Bedingungen üben zu können.“ Anscheinend sieht das die Bundeswehr – im Widerspruch zur offiziellen Position - ähnlich. Das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL hatte im September berichtet, dass die Bundeswehr-Hackertruppe „Computernetzwerk-Operationen“ bereits 2015 in das Netz eines afghanischen Mobilfunknetzbetreibers eingedrungen war, um den Entführern einer deutschen Entwicklungshelferin auf die Spur zu kommen. Eigentlich eine Operation für Polizei und Geheimdienste, sicher kein Verteidigungsfall. Auf Anfrage von NDR Info wollte die Bundeswehr hierzu nicht Stellung nehmen. Der Fall verweist auf ein grundlegendes Defizit 6

des Projekts Cyber-Kommando. Marcel Dickow, Experte für Cybersicherheit an der Stiftung Sicherheit und Politik in Berlin:

O-Ton Dickow „Die Gesamtstrategie, also sozusagen die Cyber-Sicherheitsstrategie, die fehlt auf jeden Fall. Wir hatten uns erhofft, dass es die mit der Neuauflage der Cybersicherheitsstrategie der Bundesregierung gibt. Die verbessert einiges, aber sie lässt viele Dinge offen. Also sie lässt offen, die Balance zwischen Angriff und Verteidigung im Cyber-Raum, lässt offen, wer im Grunde genommen in den unterschiedlichen Szenarien der richtige Akteur ist.“ Probleme in der Personalrekrutierung und bei der Technik, sowie keine klare Strategie - damit das Großprojekt Cyber-Kommando der Bundeswehr ein Erfolg wird, bräuchte es in den kommenden Jahren kontinuierliches politisches Engagement. Sollte Ursula von der Leyen nach den Wahlen im September aber nicht mehr im Amt sein, droht ihrem Prestigeprojekt das Schicksal vieler anderer Bundeswehr-Reformprojekte. Die geraten schnell ins Hintertreffen, weil der nächste Verteidigungsminister den Streitkräften sein eigenes Leuchtturmprojekt verordnet.

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Flocken Mehr zum Cyber-Kommando der Bundeswehr auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/streitkraefte.

Der neue US-Präsident hat in der internationalen Politik und insbesondere bei den Verbündeten für große Verunsicherung gesorgt. Nicht nur in Europa, sondern auch in Asien – dort vor allem in Japan. Denn Donald Trump hält nichts vom Freihandel, und der Regierung in Tokio hatte er im Wahlkampf nahegelegt, auf eigene Atomwaffen zu setzen. Inzwischen preist Trump zwar wieder die Beziehungen zu Japan. Doch das könnte sich bei dem sprunghaften USPräsidenten wieder schnell ändern. Jürgen Hanefeld über die neue Rollenverteidigung zwischen Japan und den USA:

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Manuskript Jürgen Hanefeld

O-Ton Trump (overvoice) „Ich möchte nur, dass jeder versteht und in vollem Umfang zur Kenntnis nimmt: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen hinter Japan, ihrem großartigen Alliierten, zu einhundert Prozent.“ US-Präsident Donald Trump am 12. Februar in Anwesenheit des japanischen Premierministers Shinzo Abe. Das Bekenntnis folgte auf einen weiteren Raketentest durch Nordkorea, just beim Besuch des Japaners in Amerika. Es war nicht das erste Treffen der Beiden. Schon lange vor Trumps Amtseinführung, im November 2016, war Shinzo Abe eilfertig nach New York gereist, um - wie die japanischen Medien ausführlich berichteten - als „erster Regierungschef der Welt“ dem Wahlsieger zu gratulieren. Nun aber hatte Abe sein Ziel erreicht:

O-Ton Abe (overvoice) „Ich bin mit Präsident Trump einig, dass wir unsere Allianz enger und stärker machen müssen.“ In zweierlei Hinsicht war Abe zuvor besorgt gewesen: Trump weigerte sich, das Pazifische Zoll- und Handelsabkommen TPP zu unterzeichnen. Und: Er stellte Amerikas Rolle als Schutzmacht Japans - zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg - in Frage. Die Wirtschaftsthemen sind bis heute nicht geklärt, doch die

Sicherheitspolitik

hat

sich

wieder

stabilisiert.

Der

neue

US-

Verteidigungsminister Mattis hatte sich schon Anfang Februar in Tokio zu einer - so wörtlich – „eisernen Verpflichtung" bekannt:

O-Ton Mattis (overvoice) „Damit es kein Missverständnis gibt während des Stabwechsels in Washington, versichere ich Ihnen, Herr Premierminister, dass wir fest zu Ihnen und dem japanischen Volk stehen - Schulter an Schulter.“ Die ersten Äußerungen Trumps hatten vermuten lassen, ihm sei der Schutz Ostasiens zu teuer: Japan möge mehr für die eigene Sicherheit ausgeben, einen höheren Anteil an den Kosten für die Stationierung der 54.000 USSoldaten übernehmen oder gar eigene Atomwaffen anschaffen. Die traditionelle Formel, Japan brauche keine atomare Abschreckung, weil es unter dem Schirm der USA stehe, schien obsolet. Doch nun erklärte Mattis die Tatsache, 8

dass ihn seine erste Auslandsreise nach Asien geführt habe, mit der Sorge über die Sicherheitslage in der Region. Professor Toshihiro Nakayama, Politikwissenschaftler

an

der

Keio-Universität

und

Spezialist

für

japanisch-

amerikanische Beziehungen, nennt die Sorgenkinder beim Namen:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Nordkorea ist sicherlich kurzfristig eine große Bedrohung für Japan. Die geographische Lage sorgt dafür, dass alles, was auf der koreanischen Halbinsel passiert, Japan beeinflusst. Aber mittel- und langfristig gesehen ist China das Land, das große Probleme bereitet.“ Diese Meinung teilt auch Yoshifumi Hibako. Er war bis 2011 Stabschef der sogenannten „Selbstverteidigungskräfte des Heeres", also der höchstrangige Soldat der japanischen Bodentruppen.

O-Ton Hibako (overvoice) „Früher mussten wir uns nur selbst verteidigen können. Aber in jüngster Zeit hat sich die internationale Lage verschärft. China rüstet massiv auf, Nordkorea droht mit Raketen und Atomwaffen, der Terrorismus verbreitet sich über die ganze Welt. Da müssen wir uns behaupten. Deswegen hat Premierminister Abe die Verteidigungsstrategie verändert und ist dabei, die Armee aufzurüsten.“ Der Ex-General erinnert an Barack Obama, der Asien als Dreh- und Angelpunkt seiner Außenpolitik bezeichnet hatte.

O-Ton Hibako (overvoice) „Zunächst hatten wir befürchtet, Trump würde sich von Obamas Politik verabschieden. Das ist nicht der Fall. Aber natürlich rechnen wir damit, dass die neue US-Administration mehr von uns verlangt, finanziell, materiell und personell. Trotzdem bleibt die Allianz mit den USA der Grundstein unserer Verteidigung.“ Das heißt: Einerseits garantieren die USA weiterhin den Schutz Japans, etwa durch den Atom-Schirm, andererseits verpflichten sie Japan zu mehr Eigenleistung - worüber Abe keineswegs traurig ist. Im Gegenteil. Für einen nationalistischen Falken wie ihn ist Trumps neue Bündnispolitik ein idealer Vorwand, um sein Land von den Fesseln seiner pazifistischen Verfassung zu befreien. Auch privat scheinen sich die beiden autoritären Charaktere blendend zu verstehen. Vom Händetätscheln bis zur Golfplatzdiplomatie, Trump scheint in Abe seinen 9

ersten Freund auf internationaler Bühne gefunden zu haben. Sogar ihre Slogans ähneln sich: Trumps Parole „Make America great again" unterscheidet sich kaum von Abe's Wahlkampf-Motto „Für ein starkes Japan". Es ist das Image der Macher, das die beiden verbindet. Professor Nakayama sagt:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Ich habe den Eindruck, dass die Abe-Regierung alle Aufgaben, die die Vorgänger-Regierungen nicht angepackt haben, in die Tat umsetzt, vom Recht auf kollektive Selbstverteidigung bis zu den nationalen Sicherheitsgesetzen, alles gebündelt in seinem Amt.“ Ein praktisches Beispiel ist die Teilnahme der japanischen Marine an Manövern, die mit dem Auftrag der ausschließlichen Landesverteidigung, wie es die japanische Verfassung vorschreibt, nur schwer unter einen Hut zu bringen sind. Doch dieses Argument schüttelt der Professor ab:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Artikel 9, der es Japan verbietet, etwas anderes zu tun als sich selbst zu verteidigen, ist nur ein Gelübde. Es gibt Leute, die ihn als heilige Schrift betrachten. Auf krankhafte Weise mischen sie ihre eigenen Gefühle in die Interpretation. Es wird Zeit, dass dieser Artikel losgelöst von sentimentalen Auslegungen verstanden wird.“ Ganz unsentimental wird im Mai zum ersten Mal das größte und modernste Kriegsschiff Japans zu einer dreimonatigen Reise fern der Heimat aufbrechen. Der Hubschrauber-Träger „Izumo" hat nicht die Aufgabe, Japans Küsten zu bewachen, sondern im Südchinesischen Meer zu patrouillieren, Singapur, Indonesien und die Philippinen anzulaufen und sich dann zu einer Militärübung mit Schiffen der indischen und US-amerikanischen Marine zu treffen. Der Auftrag lautet: Flagge zeigen. Ein Zeichen gewachsenen Selbstbewusstseins gegenüber China, das inzwischen praktisch das gesamte Seegebiet im Süden und Osten für sich beansprucht und dort sogar Landebahnen auf Sandbänke setzt, um seine Souveränität zu behaupten. Auch der Streit um die unbewohnten Senkaku-Inseln, aus der Ferne betrachtet lächerlich, hat für Professor Nakayama Symbolwirkung:

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O-Ton Nakayama (overvoice) „Wenn Japan bei den Senkaku-Inseln nachgibt, heißt das, es akzeptiert die Haltung Chinas. Und die basiert auf dem Sinozentrismus, also der überragenden Bedeutung Chinas allen Nachbarn gegenüber. Deswegen will Japan unbedingt an seiner eigenen Position festhalten.“ Und deswegen hat Japan von den USA verlangt - und zugesagt bekommen -, dass sich ihr Schutz auch auf die verlorenen Felsen im Meer erstreckt. Der ehemalige General Hibako:

O-Ton Hibako (overvoice) „Natürlich war ich erleichtert zu erfahren, dass uns die USA weiterhin als Bündnispartner betrachten. Aber ich denke, wir müssen mehr tun, nicht nur nehmen, sondern auch geben. Wir müssen eine gleichberechtigte, erwachsene Beziehung zu den Amerikanern aufbauen.“ Doch wie weit geht die Gleichberechtigung? Braucht Japan zum Beispiel THAAD, das hochentwickelte Raketenabwehrsystem, das die USA jetzt in Südkorea aufstellen?

O-Ton Hibako (overvoice) „Wenn wir das bezahlen können, sollten wir das tun. Aber wir sollten vor allem eigene Lenkwaffenraketen entwickeln. Das Problem Nordkorea ist anders nicht in den Griff zu kriegen.“ Kim Jong-un hat seinen Gegnern - absichtlich oder nicht - einen Gefallen getan, indem er bei den jüngsten Raketentests gleich beide Länder ins Visier genommen hat: Gezielt auf amerikanische Stellungen in Japan.

Wie

weit

wollen

Japans

Militärs

gehen?

Wie

wäre

es

mit

einer

Erstschlagsoption? Wie wäre es mit Atomwaffen? Das werde das Volk nicht mitmachen, meint der General a.D. Und der Politikwissenschaftler Nakayama sagt:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Wie Sie wissen, ist Japan das einzige Land der Welt, das eine Atombombe erlebt hat. Deswegen war das Thema, eigene Kernwaffen zu besitzen, immer tabu. Seit einigen Jahren wird es aber nun doch diskutiert. Militärisch gesehen

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ist es aber nicht vernünftig, solange die japanisch-amerikanische Allianz funktioniert. Sollte sie irgendwann zerbrechen, müsste man die Lage ganz neu bewerten und auch eine Nuklearbewaffnung diskutieren.“ ***

Flocken Ein Bericht von Jürgen Hanefeld.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet führt Saudi-Arabien seit zwei Jahren Krieg im Jemen. Die Zahl der getöteten Zivilisten wird von den Vereinten Nationen auf mindestens 10.000 geschätzt, in vielen Landesteilen hungern die Menschen. Es droht eine humanitäre Katastrophe.

Saudi-Arabien will das Vordringen seines Erzfeindes Iran in der Region verhindern. Die Regierung in Riad hat deshalb in den jemenitischen Bürgerkrieg eingegriffen. Trotz mehrerer Vermittlungsversuche: Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Jürgen Stryjak zu den Hintergründen des bewaffneten Konflikts:

Manuskript Jürgen Stryjak Ismail Ould Cheikh Ahmed, der Sondergesandte der Vereinten Nationen für den Jemen, formulierte jüngst den aus seiner Sicht einzig richtigen Ansatz für ein Ende der blutigen Tragödie so:

O-Ton Ould Cheikh Ahmed (overvoice) „Die Lösung des Konfliktes im Jemen wird nicht aus dem Ausland kommen. Die Vereinten Nationen vermitteln mit dem Ziel, Druck auf die jemenitischen Konfliktparteien auszuüben, damit diese eigene Entscheidungen treffen. Entscheidungen, die auf ihrer Fähigkeit basieren, Kompromisse einzugehen und verantwortungsvoll zu handeln.“ In der Theorie sehen das viele unabhängige Beobachter ähnlich. In der Praxis entfernt sich der Jemen jedoch immer weiter von einem solchen Ansatz.

Atmo Saudische Marschmusik

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Anfang Februar wird die saudische Fregatte „Al-Medina“ im Hafen von Jeddah empfangen. Kurz zuvor war sie vor der jemenitischen Küste von Huthi-Rebellen angegriffen worden.

O-Ton General al-Bunyan (overvoice) „Mit unserer Militäroperation beweisen wir der Welt, dass Saudi-Arabien im Jemen für Stabilität sorgt.“ ...erklärt General al-Bunyan, der Stabschef der Armee des Königreiches, beim Empfang der Fregatte.

Seit März 2015 fliegt ein Militärbündnis unter Führung Saudi-Arabiens Luftangriffe gegen Stellungen der schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen. Gelegentlich kommen auch Bodentruppen zum Einsatz. Vor der jemenitischen Küste wurde eine Seeblockade eingerichtet.

In den vergangenen Jahren war es den Rebellen gelungen, Teile des Landes zu erobern. 2014 vertrieben sie die international anerkannte Regierung aus der Hauptstadt Sanaa.

Das mehrheitlich sunnitische Saudi-Arabien hat vor zwei Jahren aber vor allem deshalb militärisch eingegriffen, weil es in den Huthi-Rebellen einen verlängerten Arm des schitisch dominierten Erzfeindes Iran sieht.

Das Königreich fühlt sich von einer Art schiitischem Halbmond bedroht. Im Irak wird die Regierung von Schiiten dominiert, die von Iran unterstützt werden. In Syrien hilft Iran zusammen mit Russland dabei, den Sturz von Bashar al-Assad zu verhindern. Im Libanon ist die schiitische Hisbollah mächtig, die ebenfalls von Iran unterstützt wird.

Riad Kahwaji von der in Dubai ansässigen Denkfabrik INEGMA:

O-Ton Kahwaji (overvoice) „Vertreter des Iran prahlen damit, dass Teheran heute vier arabische Hauptstädte kontrollieren würde: Bagdad, Beirut, Damaskus sowie Sanaa, die Hauptstadt des Jemen. Das ist in etwa so, als würden die Russen sagen: Okay, wir übernehmen jetzt Lissabon oder Madrid. Mitten in Europa.“ 13

Saudi Arabien ist überzeugt davon, dass sich im Jemen rivalisierende Regionalmächte gegenüberstehen: die sunnitischen Staaten mit dem Königreich an der Spitze auf der einen Seite und Iran auf der anderen. Politiker und Medien in etlichen arabischen Staaten blasen den Konflikt sogar zu einer schicksalhaften religiösen Auseinandersetzung zwischen Schiiten und Sunniten auf.

Aber ist das gerechtfertigt?

Die Huthi-Volksgruppe gehört zu den Zaiditen. Fast jeder Zweite im Jemen ist ein Zaidit, also ein so genannter Fünfer-Schiit. Diese Bezeichnung ist nicht ganz korrekt, aber sie hilft dabei, die jementischen Schiiten von den ZwölferSchiiten des Iran zu unterscheiden. Denn die Zaiditen des Jemen stehen den Sunniten mindestens genau so nahe wie den Schiiten. Oft beten sie in denselben Moscheen. In den Sechzigern kämpften schiitische Huthi-Milizen sogar an der Seite vom sunnitischen Saudi-Arabien gegen die ägyptische Armee.

Der aktuelle Konflikt begann 2004 im Nordwesten des Jemen, als sich dort Menschen gegen die Benachteiligung ihrer Provinz durch die Zentralregierung erhoben. In der Provinz leben vor allem Angehörige des Huthi-Stammes. Die Regierung warf dem Stamm daraufhin separatistische Ziele vor und reagierte mit großer Brutalität. Hunderte landeten im Gefängnis, Stammesoberhaupt Hussain al-Huthi wurde getötet.

Im Kampf gegen die Regierung entwickelten der Huthi-Stamm und seine Rebellenmiliz „Ansar Allah“, die „Partisanen Gottes“, eine Guerillataktik, die jener der Hisbollah im Libanon ähnelt.

O-Ton Al-Huthi (overvoice) „Für jedes Verbrechen, dem ihr zum Opfer fallt, werden die Schuldigen bezahlen“, rief Rebellenführer Abdul-Malik Al-Huthi seinen Anhängern im Dezember 2009 zu.

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O-Ton Al-Huthi (overvoice) „Jede Schlacht, in die wir für Euch ziehen, werden wir nach einem unserer Märtyrer benennen.“ Seit über einem Jahrzehnt bekämpfen beide Seiten einander erbarmungslos, ohne Rücksicht auf unbeteiligte Zivilisten. Dass es sich im Kern aber um einen innerjemenitischen Konflikt handelt, sieht man schon daran, dass die Rebellen Hilfe aus dem Iran, der seinen Einfluss in der Region ja tatsächlich vergrößern will, erst spät annahmen. Die Kooperation mit Teheran begann 2011 und wurde erst 2014 etwas enger.

Militärberater aus Iran und von der Hisbollah bilden Huthi-Rebellen aus. Es gibt iranische Finanzhilfen, und Teheran liefert offenbar auch Waffen. Aber angesichts der saudischen Seeblockade dürften diese kaum noch in nennenswerter Zahl bei den Huthis ankommen. Es ist also eine Übertreibung, die Huthi-Rebellen als „verlängerten Arm Teherans“ zu bezeichnen.

Spätestens seit Beginn der Luftangriffe Saudi-Arabiens werden die konfessionellen Konturen des Konfliktes aber immer schärfer. Das Königreich verteufelt den schiitischen Feind. Und auch die Huthi-Rebellen verstärken die religiöse Rhetorik. Sie trifft auf fruchtbaren Boden, etwa bei diesem Polizisten, der vor den Trümmern eines Hauses in Sanaa steht:

O-Ton Jihad (overvoice) „Seine Bewohner wurden von Raketen aus Saudi-Arabien getötet. Unser Führer Abdel-Malek Al-Huthi hat uns den Dschihad gegen die Angreifer befohlen, und wir folgen ihm, mit unseren Körpern und Seelen.“ Der Konflikt entfernt sich immer weiter von seinem innerjemenitischen Kern und damit auch von seiner friedlichen Lösung. Er steckt in einer blutigen Sackgasse. Alle Vermittlungsbemühungen der Vereinten Nationen blieben erfolglos. Der UN-Sondergesandte beklagte jüngst, dass die Intensität der Kämpfe wieder zunehme.

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Seit dem Amtsantritt von Donald Trump unterstützen die USA das Königreich bei seiner Militärstrategie wieder vorbehaltlos, unter anderem mit geplanten Waffenlieferungen im Wert von 300 Millionen US-Dollar. John Kerry, der Außenminister von Trumps Vorgänger Obama, hatte dagegen noch direkte Gespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthi-Rebellen vermittelt – im Wesentlichen jedoch ohne Erfolg.

Inzwischen drängt womöglich mit Russland ein weiterer Akteur aus dem Ausland auf die Bühne. Im Januar soll ein russischer Diplomat mit dem HuthiAußenminister in der von den Rebellen kontrollierten Hauptstadt Sanaa gesprochen haben.

O-Ton al-Mada (overvoice) „Mitte Dezember habe Russland sogar vorgeschlagen, an den Vermittlungen für den Jemen teilzunehmen“, behauptet Abdelkarim al-Mada von der jemenitischen Kongresspartei, die in Sanaa ansässig ist. Der Vorschlag sei aber von den Huthi-Gegnern abgelehnt worden.

Womöglich hat vor allem Saudi-Arabien kein Interesse an einer Teilnahme Russlands, weil doch Moskau eng mit dem Erzfeind Iran kooperiert, zum Beispiel in Syrien, wo sie gemeinsam den Machterhalt Assads sichern.

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Flocken Und mit diesem Bericht von Jürgen Stryjak geht unsere Reihe Streitkräfte und Strategien heute zu Ende. Die Sendung können Sie als Podcast herunterladen unter ndr.de/streitkraefte. Dort können Sie auch den Newsletter von Streitkräfte und Strategien abonnieren. Wir schicken Ihnen dann das Manuskript per E-Mail zu. Am Mikrofon verabschiedet sich Andreas Flocken.

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