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23.09.2017 - Netanjahu bezeichnet die Ermittlungen als Hexenjagd und sagt, Geld und ... Deswegen durchleuchten die Ermittler in Israel derzeit vor allem ...
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NDR Info

Das Forum

23.09.2017 /19.20-19.50 Uhr

STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN

24.09.2017 /12.30-13.00 Uhr

Andreas Flocken

E-Mail: [email protected] www.ndr.de/streitkraefte

Inhalt:    

Einschüchterungsversuch oder Routine-Manöver? Die russische Militärübung Zapad 2017 Konflikt mit Nordkorea – Japan diskutiert über mögliche Stationierung von Atomwaffen Geplantes deutsch-französisches Kampfflugzeug – Rüstungsvorhaben mit großem Risiko? Geschäft bereits weitgehend unter Dach und Fach? Weitere deutsche U-Boote für Israel

Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des Empfängers benutzt werden. Jede andere Verwendung (z.B. Mitteilung, Vortrag oder Aufführung in der Öffentlichkeit, Vervielfältigung, Bearbeitung, Übersetzung) ist nur mit Zustimmung des Autors zulässig. Die Verwendung für Rundfunkzwecke bedarf der Genehmigung des NDR.

Willkommen zu einer neuen Ausgabe unserer Sendereihe, es begrüßt Sie Andreas Flocken.

Diesmal geht es um diese Themen:

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Konflikt mit Nordkorea – Japan diskutiert über mögliche Stationierung von Atomwaffen.

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Geplantes deutsch-französisches Kampfflugzeug – Rüstungsvorhaben mit großem Risiko? Und:

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Geschäft bereits weitgehend unter Dach und Fach? Weitere deutsche U-Boote für Israel.

Zunächst wollen wir uns jedoch mit der russischen Militärübung Zapad 2017 beschäftigen. Das Großmanöver ist diese Woche zu Ende gegangen. Übersetzt heißt Zapad Westen. Für die NATO und insbesondere für die baltischen Staaten sowie Polen war die Übung kein Routine-Manöver, sondern ein Einschüchterungsversuch. So zeigte sich die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite schon im Vorfeld des Manövers sehr besorgt:

O-Ton Grybauskaite (overvoice) „Wir sehen die Militarisierung von Kaliningrad, wir sehen die Vorbereitungen für die aggressive Übung Zapad 2017. Daraus ziehen wir unsere Schlüsse." Aber auch in der Ukraine hat man die militärischen Aktivitäten mit gemischten Gefühlen beobachtet und Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Der Sprecher des ukrainischen Generalstabs:

O-Ton Sprecher des Generalstabs (overvoice) „Das Manöver Zapad 2017 ist nicht transparent. Darin sehen wir die Gefahr dieser Militärübung. Die Streitkräfte der Ukraine sind bereit, entsprechend der Planung für den möglichen Ernstfall zu handeln. Deswegen sind auch die Streitkräfte der Ukraine in eine entsprechende Stufe der Kampfbereitschaft versetzt worden." Jetzt, nach dem Ende von Zapad 2017, wird die Militärübung ausgewertet. Nicht nur in Moskau, sondern auch in der NATO. Und für den früheren Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses, Harald Kujat ist schon jetzt klar:

O-Ton Kujat „Ich denke, dass die Vorbehalte, die im Westen geäußert wurden - die Zahlen, die genannt wurden und die Einschätzung - dass das doch sehr überzogen war, wie sich jetzt gezeigt hat." Er widerspricht damit Verteidigungsministerin von der Leyen, die die Übung kürzlich noch ganz anders einschätzte:

O-Ton von der Leyen „Wer daran zweifelt, dass auch Russland sehr deutlich seine militärische Stärke zeigt, der braucht sich nur die hohen Zahlen der beteiligten Kräfte, über 100.000, bei der Übung Zapad anzuschauen." Offiziell hatte Russland von etwas weniger als 13.000 beteiligten Soldaten gesprochen. Bei Überschreiten dieser Obergrenze ist Russland verpflichtet, Militärbeobachter einzuladen.

Harald Kujat geht zwar auch davon aus, dass mehr als 13.000 Soldaten im Einsatz gewesen sind. Der ehemalige Vier-Sterne-General wundert sich allerdings, dass der Westen eine Bandbreite von 70.000 bis 100.000 beteiligten Soldaten genannt hat. Kujat zieht daraus zwei Schlüsse: 2

O-Ton Kujat „Entweder verfügt die NATO nicht über eigene Erkenntnisse, was die genauen Zahlen betrifft. Das hielte ich für sehr besorgniserregend. Oder es wird tatsächlich diese Übung dramatisiert, was natürlich die Befürchtung, gerade bei den osteuropäischen Staaten, verstärken würde. Und das hielte ich für verantwortungslos." Hinzu kommt, dass natürlich auch die NATO sowie die USA die Zahl ihrer Militärübungen in Osteuropa erheblich erhöht haben. Der Grund sind die Annexion der Krim und die russischen Aktivitäten in der Ost-Ukraine. Für Kujat sollten beide Seiten trotzdem so schnell wie möglich zu den in den 1990er Jahren vereinbarten Mechanismen zurückkehren. D.h. zuverlässiger Informationsaustausch und regelmäßige Sitzungen des NATO-Russland-Rats. Denn:

O-Ton Kujat „Was wir im Augenblick brauchen, ist keine Verschärfung der Spannungen. Wir brauchen Entspannung - und dafür müssten wir uns einsetzen - und nicht ein solches Manöver zum Anlass nehmen, um die Spannungen weiter zu verschärfen." Sagt der frühere Vorsitzende des NATO-Militärausschusses. Das Interview mit Harald Kujat finden Sie übrigens auf der Internetseite von Streitkräfte und Strategien unter ndr.de/streitkraefte.

Zu unserem nächsten Thema.

Der Atomkonflikt mit Nordkorea eskaliert. US-Präsident Trump nutzte in dieser Woche seinen ersten Auftritt vor der UN-Vollversammlung, um Nordkorea mit der totalen Vernichtung zu drohen - wenn das Land in dem Streit nicht einlenke. Der Raketen-Mann Kim Jong-un sei auf einer Selbstmord-Mission. Die Geduld der USA nicht unendlich:

O-Ton Trump „The United States has great strength and patience, but if it is forced to defend itself or its allies, we will have no choice but to totally destroy North Korea. Rocket man is on a suicide mission for himself.” Und natürlich ließ die Reaktion von Kim Jong-un nicht lange auf sich warten. Er beschimpfte Donald Trump als geistesgestörten Greis, den er mit Feuer bändigen werde. 3

Zurück bleibt Fassungslosigkeit, insbesondere wenn man weiß, dass beide Seiten über Atomwaffen verfügen.

Sehr besorgt über diese Eskalation ist auch Japan. Inzwischen wird aufgerüstet. Und obwohl die Verfassung Atomwaffen verbietet, gibt es inzwischen eine Diskussion über eine mögliche

Stationierung von US-Atomwaffen. Jürgen

Hanefeld über die Bedrohungsängste in Japan:

Manuskript Jürgen Hanefeld

O-Ton Sirene

Japan spielt Krieg - könnte man meinen, wenn man die martialischen Geräusche gehört hat, die die Menschen von Tokio bis Hokkaido vor einer Woche aus dem Schlaf gerissen haben. Raketenalarm wurde verkündet aus Megaphonen und auf den Handys. „Suchen Sie Schutz in soliden Gebäuden!“

O-Ton Megaphon

Eine nordkoreanische Rakete hatte den Norden Japans überflogen. So hoch allerdings, dass das Geschoss unmöglich Schaden anrichten konnte. Ein Verkehrsflugzeug bewegt sich, nur zum Vergleich, auf zehn Kilometern über dem Boden. Die Rakete aus Pjöngjang flog auf 770 Kilometern, eine Höhe, die Japans modernste Luftabwehr niemals erreicht. Zwar wurden die Bürger in Angst und Schrecken versetzt, aber das Militär schlug keinen Alarm. Es bestand keine Gefahr. Und wenn doch? Der Sicherheitsexperte Noboru Yamaguchi sagt:

O-Ton Yamaguchi (overvoice) „Obwohl es natürlich keine perfekte Raketenabwehr gibt, verfügt Japan über bescheidene, aber effiziente Mittel sich zu schützen, etwa durch die Patriotund Aegis-Waffensysteme.“ Wozu also die Aufregung? Wozu müssen japanische Kindergartenkinder mit wattierten Kapuzen den Ernstfall üben? Warum schließen japanische Fischer sogenannte Kriegsversicherungen für ihre Boote ab? Und weshalb melden sich immer häufiger Politiker und Militärs zu Wort, die fragen, ob Japan nicht doch 4

Atomwaffen braucht? Professor Toshihiro Nakayama ist Politikwissen-schaftler an der Keio-Universität in Tokio:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Wie Sie wissen, ist Japan das einzige Land der Welt, das eine Atombombe erlebt hat. Deswegen war das Thema, eigene Kernwaffen zu besitzen, immer tabu. Seit einigen Jahren wird es aber nun doch diskutiert.“

Die stärksten Barrieren gegen atomare Aufrüstung sind das japanische Volk und die japanische Verfassung. Doch die Regierung arbeitet seit Jahren daran, das zu ändern. Zum Beispiel mit diesem Argument:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Artikel 9, der es Japan verbietet, etwas anderes als sich selbst zu verteidigen, ist nur ein Gelübde. Es gibt Leute, die ihn als heilige Schrift betrachten. Auf krankhafte Weise mischen sie ihre eigenen Gefühle in die Interpretation. Es wird Zeit, dass dieser Artikel losgelöst von sentimentalen Auslegungen verstanden wird.“ Der Akzent der aktuellen Debatte liegt nicht auf der Möglichkeit, eigene Nuklearwaffen zu entwickeln, sondern es den USA zu gestatten, ihre Atombomben ähnlich wie Deutschland - auch in Japan zu stationieren. Allein damit könnte China dazu gebracht werden, Nordkorea in die Schranken zu weisen, lässt sich ein anonymer, weil regierungsnaher Experte zitieren. Schon die Erlaubnis Tokios, ein atomar bewaffnetes U-Boot der USA von einem seiner Stützpunkte in Japan aus operieren zu lassen, würde Druck auf China ausüben. Und Shigeru Ishiba, ehemaliger Verteidigungsminister und prominenter Rechtsausleger der Regierungspartei LDP, warf in einer Fernsehdiskussion die Frage auf, ob Japan den Schutz des amerikanischen Atomschirms überhaupt beanspruchen dürfe, wenn es seine eigenen, Anti-Atom-Grundsätze beibehalte. Ins selbe Horn stößt General a.D. Yoshifumi Hibako. Bis 2011 war er Stabschef der „Selbstverteidigungskräfte des Heeres", also der höchstrangige Soldat der japanischen Bodentruppen. Im Interview mit dem ARD-Hörfunkstudio Tokio sagt er: O-Ton Hibako (overvoice) „Ich denke, wir müssen mehr tun, nicht nur nehmen, sondern auch geben. Wir müssen eine gleichberechtigte, erwachsene Beziehung zu den Amerikanern aufbauen.“ 5

Doch wie weit geht die Gleichberechtigung? Braucht Japan zum Beispiel THAAD, das hochentwickelte Raketenabwehrsystem, das die USA jetzt in Südkorea aufgestellt haben?

O-Ton Hibako (overvoice) „Wenn wir das bezahlen können, sollten wir das tun. Aber wir sollten vor allem eigene Lenkwaffenraketen entwickeln. Das Problem Nordkorea ist anders nicht in den Griff zu kriegen.“ Nordkorea verstärkt mit jedem Atomversuch und jeder Rakete die Argumente der Falken in Japan, zu denen auch Premierminister Abe gehört. Zurzeit steht die sechste Erhöhung des Wehretats in Folge an. Japans Ausgaben für Militär steigen auf 48 Milliarden Dollar, rund 4 Milliarden mehr als Deutschland dafür ausgibt. Das Geld will die Regierung nicht nur in die Raketenabwehr stecken, sondern auch in Tarnkappen-Bomber, Großraum-Helikopter, ein U-Boot und zwei weitere Kriegsschiffe. Das heißt: Japan rüstet auf, aber nicht atomar. Noch nicht, sagt Professor Nakayama:

O-Ton Nakayama (overvoice) „Militärisch gesehen ist die atomare Option für Japan nicht vernünftig, solange die Allianz mit den USA funktioniert. Sollte sie irgendwann zerbrechen, müsste man die Lage ganz neu bewerten und auch eine Nuklearbewaffnung diskutieren.“

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Flocken Ein Bericht von Jürgen Hanefeld.

Deutschland und Frankreich wollen ein gemeinsames Kampfflugzeug entwickeln. Diese Ankündigung von Staatspräsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel im Sommer war eine faustdicke Überraschung. Denn so ein MammutProjekt ist eine riesige Herausforderung und extrem riskant. Erfahrungen mit bisherigen Rüstungskooperationen haben gezeigt, dass es regelmäßig große Probleme gibt. Die Waffensysteme werden immer teurer, sie werden erst mit großer Verzögerung an die Truppe ausgeliefert und oftmals funktionieren sie dann auch nicht richtig. 6

Beispiele sind das Transportflugzeug A400M, aber auch der Kampfhubschrauber Tiger. Deutschland und Frankreich wollen mit der Ankündigung des Projekts aber ein Zeichen setzen. Doch die Anforderungen der beiden Länder an ein neues Kampfflugzeug sind sehr unterschiedlich. Dass Berlin und Paris einen gemeinsamen Nenner finden werden, ist keineswegs sicher. Björn Müller berichtet:

Manuskript Björn Müller Es wäre das Mega-Rüstungsprojekt in Europa für die kommenden Jahrzehnte: Deutschland und Frankreich wollen gemeinsam einen neuen Kampfjet entwickeln. Weitere europäische Länder sollen als Partner gewonnen werden. Einsatzbereit soll das Kampfflugzeug zu Beginn der 2040er Jahre sein. Erste Expertenschätzungen rechnen mit Entwicklungskosten von bis zu 80 Milliarden Euro. Angekündigt wurde das Vorhaben beim deutsch-französischen Ministerrat Mitte Juli in Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron damals auf der Pressekonferenz:

O-Ton Macron (overvoice) „Unser Wunsch ist es, eine neue Generation von Kampfflugzeugen zu entwickeln. Warum? Weil diese Projekte sehr aufwendig sind, somit schwer sind für die Streitkräfte unserer Länder, für unsere beiden Regierungen - und weil der Kampfjet exportierbar sein muss. Bis jetzt gibt es zu viele europäische Standards und Qualifikationen. Und manchmal gibt es eine europäische Konkurrenz auf dem internationalen Markt.“ Ein unter deutsch-französischer Führung entwickelter „EU-Kampfjet“ als Exportschlager – ein ambitioniertes Projekt. Claudia Major, Expertin für Europas Sicherheitspolitik an der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin, warnt vor Euphorie:

O-Ton Major „Inwieweit unterliegen gemeinsam gebaute Projekte den deutschen Rüstungsexportrichtlinien und inwiefern ist das ein Hinderungsgrund für Exporte? Das ist ein Thema, an dem sich auch andere deutsch-französische Industrieprojekte immer wieder reiben; beispielsweise auch die Idee eines deutschfranzösischen Kampfpanzers, das KANT-Projekt.“

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Gerade ein erfolgreicher Export wäre aber essenziell für den angestrebten High-Tech-Kampfjet. Denn das Vorhaben will vor allem die Dominanz der USA bei der Luftwaffen-Rüstung brechen. Mit der F35 haben die Amerikaner einen Kampfjet der sogenannten 5. Generation kurz vor der Einsatzreife. Die F35 ist quasi ein Roboter mit Pilot an Bord. Die Computertechnologie des Kampfflugzeuges kann feindliche Objekte über weite Entfernungen erkennen und den Waffeneinsatz über ein Netzwerk mit anderen Einheiten zu Luft, Land und Wasser abstimmen.

Die Europäer haben diese Entwicklung verschlafen und nur Kampfjets der 4. Generation wie den Eurofighter, den die deutsch-französische Neuentwicklung ablösen soll. Frankreichs Luftwaffenchef General André Lanata hat bei einer Anhörung vor dem Verteidigungsausschuss des französischen Parlaments Ende Juli auf dieses Problem hingewiesen. Wörtlich sagte er damals:

Zitat „Gegner und Partner modernisieren ihre Luftwaffen zügiger. Die F35 - ein Tarnkappenjet der neuesten Generation, der gerade in den Dienst mehrerer europäischer Luftwaffen übernommen wird, aber auch durch die australische Luftwaffe - zeigt die Gefahr, deklassiert zu werden. Die F35 wird in weniger als fünf Jahren der neue Referenz-Standard sein, um an anspruchsvollen Militäroperationen teilzunehmen.“ Nun wollen Franzosen und Deutsche mit einem eigenen High-Tech-Jet der 6. Generation die US-Dominanz kontern. Dieser Kurs der eigenen Stärke ist zudem ein Signal an Großbritannien, das die EU verlassen möchte, meint Claudia Major, Expertin für europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik an der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin:

O-Ton Major „Und damit ist die Entscheidung für dieses europäische – deutschfranzösische-Projekt eine kleine Absage an London, weil man nämlich sagt: aber seht mal hier; in der europäischen Union, da werden die Zukunftsentscheidungen im industriellen Bereich beschlossen.“ Allerdings scheinen die Franzosen ziemlich auf der Linie der Briten zu liegen, wenn es um militärische Konzepte geht, die aus ihrer Sicht sicherstellen sollen, dass die Luftwaffe auch in Zukunft modern und erfolgreich ist. 8

So vereinbarten Paris und London erst im vergangenen Jahr für ihre Luftstreitkräfte bis 2030 gemeinsam ein sogenanntes Future Combat Air System zu entwickeln. Konkret geht es um eine Mehrzweck-Kampfdrohne; einsetzbar beispielsweise als strategischer Bomber, aber auch für den Luftkampf.

Deutschland hat ebenfalls ein Rüstungsprojekt gleichen Namens aufgelegt. Das deutsche Future Combat Air System-Konzept hat jedoch eine andere Stoßrichtung. Hier steht ein bemanntes High-Tech-Kommando-Flugzeug im Mittelpunkt, das einen Verbund aus Kampfjets und Drohnen dirigieren soll.

Die Vorstellungen in den europäischen Luftstreitkräften sind also durchaus unterschiedlich. Wie realistisch ist vor diesem Hintergrund das von Marcon und Merkel angekündigte gemeinsame Kampfflugzeug?

Markus Kerber, Experte für Rüstungswirtschaft an der Technischen Universität Berlin, sieht die Erfolgsaussichten der deutsch-französischen KampfjetKooperation skeptisch:

O-Ton Kerber „Die Einsatzwünsche steuern natürlich die technischen Anforderungen. Und diesbezüglich kann es in Deutschland und Frankreich zu erheblichen Divergenzen kommen. Die gab es auch in der Vergangenheit bei sehr viel einfacheren Projekten, wie beispielsweise bei dem gepanzerten Transportfahrzeug. Da hat man nach drei Jahren gemerkt, man kommt nicht zusammen. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass dieses groß angekündigte Projekt eines gemeinsamen Kampfjets relativ schnell, unüberbrückbare konzeptionelle Divergenzen zwischen Deutschland und Frankreich hervorbringen wird.“ Frankreich und Deutschland hatten Anfang der 1990er Jahre einen gemeinsamen Truppentransporter für Landstreitkräfte geplant. Mit Blick auf ihre häufigen Militärinterventionen in Afrika war den Franzosen eine mobile und kampfstarke Variante wichtiger als die Panzerung, auf die wiederum das deutsche Militär großen Wert legte. Am Ende produzierte jedes Land ein eigenes Fahrzeug. Auch beim angestrebten Kampfjet wird es schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden.

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Anspruch der französischen Militär-Doktrin ist es, als unabhängige Militärmacht handeln zu können. Dafür besitzt das Land weiterhin einen Flugzeugträger und es braucht Kampfflugzeuge, um den Träger nutzen zu können. Die Bundeswehr dagegen schließt aus, allein und ohne Verbündete in einen militärischen Konflikt einzugreifen. Auslandseinsätze der deutschen Streitkräfte haben immer einen multinationalen Charakter.

Die Zusammenarbeit zwischen zwei so ungleichen Partnern ist naturgemäß schwierig. Statt auf komplizierte Prestigeprojekte zu setzen, sollte die Politik einen anderen Ansatz wählen, sagt der Rüstungsexperte Markus Kerber:

O-Ton Kerber „Ich glaube, dass in dem gesamten Projekt Kampfjet viel Fantasie, auch zuviel fromme Wünsche stecken. Wir müssen erstmal unsere Hausaufgaben machen bei Produkten, die sehr viel naheliegender sind. Warum man in Deutschland nicht zusammen mit Frankreich Versorgungsschiffe für die Marine vereinheitlicht, ist für mich ein ungelöstes Rätsel. Wir schaffen es momentan zwischen Deutschland und Frankreich nicht einmal, kleine taktische Drohnen zu vereinheitlichen. An der Stelle gibt es Parallelentwicklungen ohne Ende.“ Bei Rüstungsprojekten wie Marine-Versorgern für Treibstoff und Munition sowie taktischen Aufklärungsdrohnen ist das Aufgabenfeld klar. Ein gemeinsamer Nenner wäre viel einfacher zu finden, als bei dem High-Tech-Projekt Kampfflugzeug. Für dessen Umsetzung gibt es zudem eine weitere Hürde. In der Rüstungsindustrie wird es intensive Verteilungskämpfe geben.

Hier stehen sich Airbus und Dassault gegenüber. Der Airbus-Konzern, an dem auch Frankreich beteiligt ist, entwickelt das deutsche Future Combat Air System und baut u.a. den Eurofighter der Bundeswehr. Der französische Luftfahrtkonzern Dassault kooperiert bei der Drohnenentwicklung mit Großbritannien und produziert den Rafale-Jet. Das Kampfflugzeug bildet das Rückgrat der französischen Luftwaffe. Nur diese beiden Konzerne wären in der Lage, ein Mega-Projekt wie den Bau eines Kampfjets der 6. Generation umzusetzen. Das Interesse der Unternehmen ist zweifellos da. Denn ein Auftrag würde über Jahrzehnte Milliarden in die Kassen spülen.

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Hinderlich könnte allerdings sein, dass es zwischen Frankreich und Deutschland keine gemeinsame Linie bei Exportfragen von Rüstungsgütern gibt. Auch vor diesem Hintergrund ist noch völlig unklar, ob das Rüstungsprojekt eines europäischen High-Tech-Kampfjets unter deutsch-französischer Führung Gestalt annimmt oder wegen seiner zahlreichen Hürden letztlich doch nicht umgesetzt wird.

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Flocken Soweit Björn Müller.

Deutschland fühlt sich Israel besonders verbunden - schon aufgrund der deutschen Geschichte. Seit vielen Jahren gibt es zwischen beiden Ländern eine enge Rüstungskooperation. So sind u.a. mehrere U-Boote an Israel geliefert worden. Die Bundesregierung hat dabei einen großen Teil der Kosten übernommen. Vor einiger Zeit hat man sich über einen weiteren U-Boot-Deal verständigt. Das Geschäft sollte eigentlich noch möglichst vor der Bundestagswahl unter Dach und Fach gebracht werden. Doch diesmal ist das Geschäft kein Selbstläufer. Zu den Hintergründen - Otfried Nassauer:

Manuskript Otfried Nassauer Wird das noch was oder wird es in dieser Legislaturperiode doch nichts mehr? Diese Frage stellt sich derzeit mit Blick auf die geplante Bestellung von drei weiteren Dolphin-U-Booten für Israel. Es geht um einen Auftrag im Wert von mehr als 1,6 Milliarden Euro.

Israel will die neuen Boote nutzen, um in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts die ältesten seiner Dolphin-U-Boote abzulösen. Diese wurden 1999 und 2000 geliefert und erreichen dann langsam das Ende ihrer Lebensdauer. Hinzu kommt: Die Dolphin-U-Boote der ersten Generation waren diesel-elektrisch angetriebene Boote, die noch keinen von der Außenluft unabhängigen Brennstoffzellenantrieb besaßen. Die israelische Marine beabsichtigt, künftig nur noch U-Boote mit diesem moderneren Antrieb zu nutzen. 11

Deutschland sieht sich traditionell in der Verantwortung für Israels Sicherheit. Das gilt seit langem und unabhängig davon, ob die Regierungen in Berlin von der CDU oder der SPD geführt wurden. Angela Merkel, die Kanzlerin, führte vor einigen Jahren in einer Rede vor der Knesset aus:

O-Ton Merkel „Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“ Ihr Vorgänger, Gerhard Schröder, äußerte sich ganz ähnlich:

O-Ton Schröder „Ich will ganz unmissverständlich sagen: Israel bekommt das, was es für die Aufrechterhaltung seiner Sicherheit braucht, und es bekommt es dann, wenn es gebraucht wird.“ Israel erhält seit Jahrzehnten U-Boote deutscher Technik und wird bei deren Kauf in erheblichem Umfang aus dem deutschen Haushalt unterstützt. Benjamin Netanjahu, Israels Ministerpräsident, betonte in einem Reuters-Interview im November 2016, wie wichtig es aus seiner Sicht ist, dass Israel neue UBoote beschafft.

O-Ton Netanjahu (overvoice) „Israels Sicherheit erfordert den Kauf von U-Booten und die Erneuerung der UBoot-Flotte. Das sind strategische Waffensysteme, die die Zukunft - und ich sage Ihnen - die nackte Existenz Israels für die kommenden Jahrzehnte sichern.“ Als strategische Waffensysteme betrachtet Israel die U-Boote aus mehreren Gründen: Sie eignen sich hervorragend zur verdeckten Aufklärung. Außerdem sind sie ein oft genutztes Transportmittel bei geheimen Auslandseinsätzen israelischer Spezialkommandos. Zudem kann Israel sie bei Bedarf als kaum auffindbare Abschussplattform für weitreichende Flugkörper mit nuklearen Sprengköpfen einsetzen.

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Die Möglichkeit, diese U-Boote im Rahmen nuklearer Abschreckung einzusetzen, hat wiederholt zu öffentlicher Kritik an den deutschen U-Boot-Geschäften mit Israel geführt, weitere Lieferungen aber nicht verhindert.

Politisch ist das geplante neue U-Boot-Geschäft schon seit geraumer Zeit in Vorbereitung. Der Bundestag hat Ende vergangenen Jahres Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 540 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt, um ein Drittel der Kosten zu decken. Das zweite Drittel zahlt Israel und für das dritte will Deutschland militärische Waren und Dienstleistungen in Israel einkaufen - eine Devisen-Beschaffungshilfe, die Israel die Zahlung von Euro-Rechnungen erleichtert. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Deutschland und Israel ist ausgehandelt, aber noch nicht in Kraft. Der Bundessicherheitsrat hat die Baugenehmigung für die U-Boote vor der Sommerpause erteilt. Doch eines ist bis heute nicht passiert: Der Bauvertrag wurde noch nicht unterzeichnet - offenbar auch nicht während des Deutschland-Besuchs des israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin Anfang des Monats.

Warum aber gibt es noch keinen Vertrag? Der Hauptgrund sind Korruptionsermittlungen in Israel, der sogenannte Fall 3000. Der Handelsvertreter von ThyssenKrupp Marine Systems - kurz TKMS - in Israel, Michael Ganor, soll mit Hilfe von regierungsnahen Freunden Geld verteilt und noch viel mehr versprochen haben, wenn TKMS Marineaufträge aus Israel bekommt. Dabei geht es um zwei Vorhaben: Zum einen um vier Korvetten, die derzeit in Kiel bei German Naval Yards im Unterauftrag von TKMS für rund 400 Millionen Euro gebaut werden und zum anderen eben die drei neuen Dolphin-U-Boote.

Ganor hat erste kleinere Zahlungen eingestanden und nach Medienberichten ausgesagt, dass er David Shimron, dem persönlichen Rechtsanwalt und Verwandten von Regierungschef Netanjahu rund 9 Millionen Euro zugesagt habe, wenn die U-Boote bestellt würden. Ganor hat sich den staatlichen Anklägern gegen Strafnachlass als Zeuge zur Verfügung gestellt. Seit er auspackt, wurden mehr als ein Dutzend ehemaliger und aktiver Funktionsträger zur Befragung in Haft genommen oder unter Hausarrest gestellt. Es geht um ehemals hohe Offiziere, frühere leitende Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats, poli13

tische Berater, Rechtsanwälte und enge Mitarbeiter aus dem Umfeld von zwei Regierungsmitgliedern: Das Umfeld von Ministerpräsident Netanjahu und das Umfeld des heutigen Infrastruktur- und Energieministers Yuval Steinitz. Beide gelten bislang nicht als Angeklagte, müssen sich aber zumindest fragen lassen, ob sie von den Vorgängen in ihrer unmittelbaren Nähe rein gar nichts mitbekommen haben. Die öffentliche Debatte in Israel konzentriert sich naturgemäß auf Ministerpräsident Netanjahu und das wesentlich teurere U-Boot-Geschäft.

Netanjahu bezeichnet die Ermittlungen als Hexenjagd und sagt, Geld und Bestechung hätten bei seiner Entscheidung keine Rolle gespielt. Der israelische Regierungschef:

O-Ton Netanjahu (overvoice) „Israels Sicherheit zu stärken war die einzige Überlegung, die mich zum Kauf der U-Boote veranlasste und es ist die einzige Überlegung, die mich immer wieder anleitet. Das und nichts anderes.“ Auch TKMS betont, man habe die Vorgänge um das geplante U-Boot-Geschäft noch einmal gründlich prüfen lassen und keinerlei Anzeichen für einen Korruptionsverdacht gefunden.

Die Ermittlungen in Israel weisen jedoch in eine andere, etwas realitätsnähere Richtung.

Spielt bei Waffengeschäften Korruption eine Rolle, dann fließt gewöhnlich nur ein sehr kleiner Teil der Bestechungsgelder bereits vor der Vertragsunterzeichnung. Der Großteil des Geldes wird erst nach der Vertragsunterzeichnung als „Erfolgsprovision“ gezahlt - und zwar pro rata, also anteilig je nach Geldeingang des Kunden bei dem Unternehmen, das den Auftrag erhielt. Das Unternehmen verteilt das angebliche Provisionsgeld zudem nicht selbst an die endgültigen Empfänger, sondern überlässt diese rechtlich heikle Aufgabe einem Vermittler im Ausland, zum Beispiel seinem Handelsvertreter.

Die erste, größere Rate des Kaufpreises bei U-Booten und Schiffen wird gewöhnlich bei Vertragsunterzeichnung fällig, die letzte erst Jahre später, wenn das fertige Produkt durch den Kunden abgenommen worden ist. Mit Blick auf 14

die geplanten U-Boote für Israel heißt das: Da noch kein Vertrag existiert, ist wohl auch noch kein Geld geflossen, aus dem „Erfolgsprovisionen“ gezahlt werden könnten. Sollten in Israel schon kleinere Bestechungssummen gezahlt worden sein, um den Prozess der U-Boot-Bestellung zu schmieren, dann kam das Geld dafür wohl aus anderen Töpfen.

Deswegen durchleuchten die Ermittler in Israel derzeit vor allem Vorgänge, die mit dem Korvettenkauf Israels bei TKMS zusammenhängen. Für dieses Geschäft ist bereits eine Anzahlung erfolgt. Es ist also schon Geld im Umlauf, aus dem kleinere Korruptionszahlungen getätigt werden könnten. Kunde und Auftragnehmer sind ja bei beiden Geschäften identisch. Die israelischen Ermittler hegen offenbar den Verdacht, dass Geld aus dem Korvettengeschäft genutzt worden sein könnte, um das viel größere und lukrativere U-Boot-Geschäft in krimineller Weise anzuschieben.

Wie dem auch sei: Wenn bei den TKMS-Geschäften mit Israel Bestechungsgelder im Spiel sind, dann werden diese anteilig auch aus deutschen Steuergeldern bezahlt. Denn auch die Korvetten werden aus dem Bundeshaushalt bezuschusst – mit 115 Millionen Euro.

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Flocken Soviel für heute in unserer Reihe Streitkräfte und Strategien. Die Sendung können Sie als Podcast herunterladen unter ndr.de/streitkraefte. Dort können Sie auch den Newsletter von Streitkräfte und Strategien abonnieren. Wir schicken Ihnen dann das Manuskript der Sendung per E-Mail zu. Ein schönes Wochenende wünscht Andreas Flocken.

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