Gruppendynamik Eine Gruppe ist gekennzeichnet durch - Katholische ...

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Materialien zur Firmvorbereitung Mag. Christoph Burgstaller KJ Oberösterreich

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Gruppendynamik Eine Gruppe ist gekennzeichnet durch:  Mehrere Personen, aber nur so viele, dass ein direkter Kontakt zwischen allen möglich ist und auftritt (= direkte Interaktion) • Eine längere Zeitspanne über die der Kontakt aufrechterhalten wird • Das Bewusstsein der TeilnehmerInnen über ihre Gruppenmitgliedschaft • Verschiedene Rollen und gemeinsame Normen, die entwickelt werden Daraus wird klar: Jede Gruppe ist mehr als die Summe der einzelnen Mitglieder. Da jedes Mitglied eigene Interessen, einen eigenen Erfahrungshintergrund, eigene Bedürfnisse und Perspektiven mit in die Gruppe nimmt und versucht ein optimales Umfeld (zuerst einmal für sich) zu schaffen ergeben sich spannende Entwicklungen. Wer Gruppen leitet, bewegt sich im auf und ab des Themen- und Beziehungsgeflechtes der einzelnen Mitglieder miteinander. Mit der Zeit entwickelt die Gruppe eigene ausdrückliche und informelle Werte und Regeln. Aufgrund der sich ändernden äußeren Rahmenbedingungen befindet sich die Gruppe ununterbrochen auf der Suche nach Strukturen, die sich für ihr Bestehen eignen. Im Folgenden wird ein Modell kurz vorgestellt, das die Beobachtung der Gruppendynamik unterstützen kann. 1. Die Themenzentrierte Interaktion (TZI): Der Ansatz, der der humanistischen Psychologie zugeordnet wird, wurde in den 1970er Jahren von der Psychoanalytikerin nach Ruth C. Cohn entwickelt. Sie geht davon aus, dass sachlich-themenbezogenes Arbeiten und ein menschenwürdiger gegenseitiger Umgang aufeinander bezogen werden und gemeinsam für effektives Lernen verantwortlich sind. Zentrum ist der an der Vergangenheit interessierte, die Zukunft planende, im Jetzt handelnde Mensch, der die Bedürfnisse anderer und seiner Umwelt ernst nimmt und als Chance nutzt im Miteinander zu lernen. Eine zentrale Denkfigur veranschaulicht den Ansatz:

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ICH - Verhalten und Persönlichkeit des Gruppenmitgliedes Jede Gruppe besteht aus Einzelpersonen mit verschiedenen Erfahrungen, Einstellungen, Fähigkeiten, Aussehen, Interessen usw. Beispiele für Beobachtungsfragen: Welche Talente/Bedürfnisse bringen die einzelnen Mitglieder ein? Was brauchen die einzelnen TeilnehmerInnen damit sie gut miteinander umgehen/arbeiten können? WIR - Interaktion, Kultur und Dynamik der Gruppe Das WIR ist die Gesamtheit aller einzelnen Personen einer Gruppe. Es zeigt auf, dass sich die Personen untereinander beeinflussen, dass sie in Beziehung treten. Beobachtungsfragen: Welche Umgangsformen und Rollen entwickeln sich? THEMA – Anliegen, Auftrag, die „Sache“, um die es geht Jede Gruppe hat offizielle/inoffizielle Anliegen, wenn sie zusammenkommt. Sie sind der Grund für unser Zusammentreffen. Fehlt das Thema, dann sind die Begegnungen zäh, weil inhaltslos. Beobachtungsfrage: Worum geht es wirklich? GLOBE – Umwelt Alles, was sich in einer Gruppe abspielt, ist von der Umwelt beeinflusst, deshalb muss die Umwelt in sozialer, ökologischer, ökonomischer,… Hinsicht bewusst in das Gruppengeschehen miteinbezogen werden. Beobachtungsfrage: Welche Umstände beeinflussen das Zusammentreffen (Witterung, Ort,…)?

Dynamische Balance Wesentlich ist, dass alle Punkte dieses Dreiecks die gleiche Berechtigung haben. Der/die Gruppenleiter/in hat die Aufgabe, das Gruppengeschehen aktiv zu beobachten und zu einem Gleichgewicht (Balanceakt) zwischen diesen drei Punkten beizutragen, deren Verhältnis nicht starr (dynamisch) ist. Dabei kommt gerade dem/der GruppenleiterIn die Schaffung von Rahmenbedingungen zu, die gutes Arbeiten ermöglichen (z.B.: angenehme Temperatur im Raum,…) 2. Gruppenphasen Jede Gruppe befindet sich in Entwicklung. Das folgende Modell zu Gruppenphasen kann das Verständnis für Prozesse in der Gruppe erleichtern, ist aber keinesfalls absolut zu setzen! Die Dauer der Gruppenphasen kann sehr unterschiedlich sein (von einigen Stunden bis zu einigen Jahren). Es ist auch möglich, dass sich verschiedene Gruppenmitglieder gleichzeitig in verschiedenen Phasen befinden. Fremdheitsphase Grundbedürfnisse der Anerkennung und Sicherheit sind noch nicht erfüllt – die Situation ist neu, ungewohnt und vielleicht angsterregend. Fragen wie „Wie komme ich an?“, „Was ist hier wichtig und richtig?“ stehen im Raum. Grundbestreben der Gruppenmitglieder ist es, Sicherheit zu gewinnen. Vorsichtiges Abtasten der Umgebung und der anderen TeilnehmerInnen steht im Mittelpunkt. 2

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Orientierungsphase Das erste „Abtasten“ ist abgeschlossen, es beginnt die Rollenfindung in der Gruppe. Die Gruppenmitglieder suchen ihren „Platz“. Das ist oft keine bewusste Tätigkeit und passiert automatisch. In der Gruppe bilden sich Rangordnungen heraus (Wer diskutiert am intensivsten mit? Wer gibt den Ton an? …). Konflikte, die in dieser Phase auftauchen, haben oft damit zu tun, dass unausgesprochene Rivalitäten um irgendeine Position bestehen. So können etwa Terminstreitigkeiten die Frage beinhalten, wer wichtiger ist. Vertrautheitsphase Die Rollen, das Normensystem, die Gruppenziele, das „Selbstverständnis“ der Gruppe, die „Identität“ (drückt sich oft dadurch aus, dass sich eine eigene Gruppensprache oder Kennzeichen herausbilden; Pickerl, Abzeichen etc.) sind definiert. Die Mitglieder müssen nicht mehr so vorsichtig sein, sie wissen, was sie voneinander erwarten können. Es bestehen gemeinsame Erfahrungen eines „Wir“-Gefühls (was als negative Tendenz auch die Leugnung von Unterschieden beinhalten kann). Positive Entwicklungen: Neue Rollen können innerhalb des geschützten Gruppenrahmens ausprobiert werden. Einzelne können sich persönlich mehr zutrauen und zum offenen Gruppengeschehen beitragen. Negative Entwicklungen: Starkes Zugehörigkeitsgefühl entwickelt sich auf Kosten der Individualität. Zu beobachten ist eine Abkapselung der Gruppe nach außen. Differenzierungsphase Die Konturen und die Eigenart des Einzelnen gewinnen zunehmende an Bedeutung. Die vierte Phase beginnt, wenn sich das WIR-Gefühl auf Grund auftretender unterschiedlicher Meinungen und Interessen nicht mehr aufrechterhalten lässt, oder wenn neue Mitglieder mit neuen Ideen hinzukommen, die nicht „gruppenblind“ sind. Zeichen der Differenzierungsphase sind Konflikte, die jedoch nicht als Panne im Zusammenleben, sondern eben als normale Anzeichen der tatsächlich vorhandenen Unterschiedlichkeit begriffen werden können. Ob die Gruppenmitglieder einander akzeptieren, wird eigentlich erst in dieser Phase wirklich sichtbar, weil vorher zuviel zu Gunsten der Bedürfnisse, Anerkennung und Sicherheit zu gewinnen, verdeckt war. Gefühle von Sympathie und Antipathie werden differenzierter wahrgenommen. Abschlussphase Das nahende Ende wird oft möglichst lang hinausgezögert/geleugnet. Die Trennung tut weh, auch wenn sie emotional längst vollzogen ist. Kennzeichen sind, wenn vergangene Erlebnisse heraufbeschworen werden, wenn die Erinnerung an die glorreichen Zeiten Neues verhindert, wenn die Anzahl der Gruppenmitglieder schrumpft und wie zu Beginn der/die GruppenleiterIn plötzlich der „rettende Engel“ sein soll, nach dem/der nun wieder alle ihr Verhalten ausrichten.

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Gruppen hören de facto auch auf zu existieren, wenn • das Gruppenziel wegfällt oder zu diffus wird (wenn z. B. eine Arbeitsgruppe ihr Ziel erreicht hat) und wenn • die persönlichen Ziele der überwiegenden Teilnehmerzahl nicht mehr aktuell sind (wenn z. B. Pärchen der Gruppenstunde fern bleiben, weil das Bedürfnis nach Kontakt nun eine andere Form angenommen hat). In dieser Phase ist das Bewusste setzen eines Abschlussrituals wichtig!

Konkret für die Firmlingsarbeit: Ausgangspunkt ist zunächst der/die einzelne Jugendliche. Er/sie soll sich als Person in die Gruppe einbringen können. In einem zweiten Schritt soll jede/r Teilnehmer/in veranlasst werden, die anderen Gruppenmitglieder wahrzunehmen und mit ihnen in Kontakt zu treten. Erst auf diesem Hintergrund ist die Beschäftigung mit einem Thema sinnvoll. Aber auch wenn die Gruppe sich mit einem Thema auseinandersetzt, darf dies nicht nur auf der sachlichen Ebene passieren.

Literatur: Langmaak/Braune-Krickau, Wie die Gruppe laufen lernt, Weinheim 72000 Senninger, Abenteuer leiten – in Abenteuern lernen, Münster 2000

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