Wettstreit um Ressourcen

Sie übersetzen sich in politische Entscheidungen, bei denen bestimmte. Optionen präferiert und ›außerordentliche‹ Maßnahmen gerechtfertigt werden.2 Erfolg-.
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Ulrich Schneckener, Arnulf von Scheliha, Andreas Lienkamp, Britta Klagge (Hrsg.)

Wettstreit um Ressourcen Konflikte um Klima, Wasser und Boden

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2014 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung: Elisabeth Fürnstein, oekom verlag Umschlagabbildung: © SSilver – Fotolia.com Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-421-0 e-ISBN 978-3-86581-550-7

Ulrich Schneckener, Arnulf von Scheliha, Andreas Lienkamp, Britta Klagge (Hrsg.)

Wettstreit um Ressourcen Konflikte um Klima, Wasser und Boden

Inhalt Vorwort .......................................................................................................................... 7

Teil I: Kooperation oder Konflikt Ulrich Schneckener Kontexte von Securitization Knappheit, Überfluss und Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen ......................... 11 Michael Brzoska Ressourcen als Konfliktursache Knappheit und Überfluss .............................................................................................. 31

Teil II: Klima Nils Petter Gleditsch Will climate change reverse the trend towards peace? ........................................... 49 Ottmar Edenhofer Globale Klima- und Energiepolitik nach Durban ................................................... 61 Steffen Bauer & Dirk Messner Klimapolitik ist Weltpolitik Zur Bedeutung des Klimawandels für Sicherheit und Zusammenarbeit in der Weltgesellschaft ................................................................................................. 75 Andreas Lienkamp Die Ungerechtigkeit des Klimawandels Ethische Überlegungen zu einem globalen Ressourcenkonflikt ................................... 95 Arnulf von Scheliha Normen und ihre Anwendung im umweltethischen Diskurs Am Beispiel der EKD-Denkschrift »Umkehr zum Leben – Nachhaltige Entwicklung im Zeichen des Klimawandels« ........................................ 123

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Inhalt

Teil III: Wasser und Boden Ursula Eid & Nicole Kranz Wasser: Menschenrecht, Ressource, Konfliktstoff? ............................................. 139 Petra Dobner Schmutzige Brühe, blaues Gold Herausforderungen, Strategien und (Miss-)Erfolge der globalen Wasserpolitik ....... 157 Aaron T. Wolf Monitoring for Water Resources Conflicts Change, Capacity, and Scale ...................................................................................... 167 Christiane Fröhlich Wasser – Konfliktstoff oder Kooperationsgrund? Der Fall des Nahen und Mittleren Ostens .................................................................. 181 Annabelle Houdret Soziale Unruhen in Nordafrika Die Rolle von Wasser- und Landpolitik ..................................................................... 209 Olivier De Schutter Large-Scale Investments in Farmland The Rising Competition for Natural Resources ......................................................... 223 Katharina Jung, Britta Klagge, Daniel Regnery & Dominik Sauer Land grabbing für den Klimaschutz? Hintergründe, Trends und Akteure ............................................................................ 259

Autorinnen und Autoren ............................................................................................ 277

Vorwort Der vorliegende Band ist aus einer international und multidisziplinär besetzten Ringvorlesung hervorgegangen, die im Sommersemester 2012 an der Universität Osnabrück unter dem Titel »Kooperation oder Konflikte um Ressourcen. Klima – Wasser – Boden« für Hörerinnen und Hörer aller Fachbereiche durchgeführt wurde. Die Veranstaltungsreihe war eingebettet in das Programm »Gastprofessur für Frieden und Globale Gerechtigkeit«. Zugleich wurde mit der Ringvorlesung das Zentrum für Demokratieund Friedensforschung (ZeDF) an der Universität Osnabrück eröffnet (www.zedf.uniosnabrueck.de), dem drei der vier Herausgeber als Mitglieder angehören. Die Vorträge der Ringvorlesung wurden für diese Veröffentlichung überarbeitet, aktualisiert und durch weitere Aufsätze ergänzt, von denen einige im Zusammenhang des vom ZeDF ausgerichteten Workshops »Arabischer Frühling und Ressourcenkonflikte« im Dezember 2012 entstanden sind. Die einzelnen Artikel thematisieren Ressourcenkonflikte und Ressourcenknappheit auf innerstaatlicher wie globaler Ebene und untersuchen exemplarisch Formen der Kooperation und Konfliktlösung. Im Fokus stehen dabei das Klimasystem sowie Wasser und Land als gleichermaßen unverzichtbare wie gefährdete Ressourcen der Menschheit. Die Beiträge spiegeln die Erkenntnisse und Sichtweisen unterschiedlicher Fachrichtungen wider: Das Buch umfasst politikwissenschaftliche, volkswirtschaftliche, wirtschafts- und sozialgeographische, völkerrechtliche, regionalwissenschaftliche ebenso wie theologisch-normative Aspekte. Für die großzügige finanzielle Unterstützung von Ringvorlesung, Workshop und Veröffentlichung danken wir der in Osnabrück ansässigen »Deutschen Bundesstiftung Umwelt« (DBU). Dank gebührt weiterhin den Autorinnen und Autoren, die mit ihren anregenden Texten diese Publikation erst ermöglicht haben. Ferner sind die Herausgeber Herrn Sebastian Zink M.A. und Herrn Sebastian Kabst B.A. für die Mühen der redaktionellen Bearbeitung der Manuskripte zu großem Dank verpflichtet. Und schließlich danken wir dem oekom Verlag und seinem Lektor, Herrn Clemens Herrmann, für die gute Zusammenarbeit und sorgfältige Drucklegung.

Osnabrück und Bonn, im Oktober 2013 Ulrich Schneckener, Arnulf von Scheliha, Andreas Lienkamp und Britta Klagge

TEIL I KOOPERATION ODER KONFLIKT

Ulrich Schneckener

Kontexte von Securitization Knappheit, Überfluss und Abhängigkeit von natürlichen Ressourcen 1. Securitizing und De-Securitizing von natürlichen Ressourcen Das Thema lädt offenbar zu apokalyptisch anmutenden Bildern und Szenarien ein: Die Rede ist je nach Kontext von »Ressourcenkriegen« (Klare 2001), »Klimakriegen« (Welzer 2008), »Wasserkriegen« (Cooley 1984; Shiva 2002), »Brotrevolten«, »Krieg um Öl« oder »Blutdiamanten«, vom »geplünderten Planeten« (Bardi 2013), von einem »Wettlauf um knappe Ressourcen«, von einem wachsenden »Energiehunger«, der gestillt werden müsse, oder von »Ressourcen als Machtwährung«, die zu einer Verschiebung der machtpolitischen Gewichte im internationalen System führten. Wie stets bei solchen Debatten haben es Optimisten schwerer als Pessimisten: Zum einen lassen sich Schreckensgemälde medial und publizistisch besser vermarkten. Zum anderen – noch wichtiger – müssen sich Pessimisten selten dafür rechtfertigen, wenn ihre düsteren Prognosen nicht eintreten, der Optimist muss sich hingegen kritische Fragen gefallen lassen, wenn er danebenliegt. Der Pessimist kann sich in jedem Fall bestätigt sehen: Falls sich die Lage verschlechtert, kann er auf seine frühzeitigen Warnungen verweisen. Falls nicht, kann er behaupten, seine Warnungen hätten Gehör gefunden, weshalb gerade noch rechtzeitig Maßnahmen ergriffen worden seien, um – wahlweise – den ›Krieg‹, den ›Flächenbrand‹, die ›Katastrophe‹, den ›Kollaps‹ oder das ›Chaos‹ zu verhindern. Die Kassandra-Position ist letztlich die intellektuell bequemere Haltung, man ist damit stets auf der sicheren Seite.1 Optimisten laufen hingegen nicht nur Gefahr, eines naiven Technik- und Fortschrittsglaubens bezichtigt zu werden, sondern gehen bei ihren Prognosen ein weitaus höheres Risiko des Scheiterns ein. In diesem Punkt erinnern die öffentlichen Debatten um (vermeintliche) Ressourcenkonflikte oder Ressourcenknappheit an den gesellschaftlichen und politischen Umgang mit anderen Groß-Risiken (z. B. Umgang mit dem »Terrorrisiko«, vgl. Schneckener 2013). Dieser Umstand wird durch das ambivalente Bedeutungsfeld verstärkt, mit dem in der Natur vorhandene Ressourcen verbunden sind, unabhängig davon, ob es sich um energetische (z. B. Öl, Kohle) oder nicht-energetische (z. B. Erze, Metalle, Ackerland), um prinzipiell erneuerbare (z. B. Holz, Fisch, Gewürze, Kautschuk, Tierfelle, Nutzpflanzen) oder erschöpfbare Ressourcen (z. B. Gold, Edelsteine, Uran, Coltan, Erdgas) handelt: Assoziiert werden hier einerseits Begriffe wie Gier, 1

Paradigmatisch für solche Doomsday-Prophezeiungen ist der viel zitierte Aufsatz von Robert D. Kaplan ›The Coming Anarchy‹ (1994), in dem er »environment« – und vor allem Ressourcenknappheit – zum »national security issue of the early twenty-first century« erklärte.

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Gewalt und Krieg, Ausbeutung und (Umwelt-)Zerstörung, andererseits aber auch positiv konnotierte Konzepte wie politische Autonomie, technologischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand. Die Frage nach dem Zugang, der Nutzung und der Verteilung von Ressourcen ist daher vielfach ein wesentlicher Bestandteil von allgemeinen Analysen und Szenarien, die sich mit (potenziellen) Gefährdungen der menschlichen, gesellschaftlichen oder staatlichen Sicherheit befassen. In der einen oder anderen Weise unterliegt Ressourcen- oder Rohstoffpolitik einem Prozess der Securitization (›Versicherheitlichung‹). Soll heißen: Sicherheitspolitische Bezüge und Erwägungen erhalten – ungeachtet relevanter sozialer, ökonomischer oder ökologischer Aspekte – einen übergeordneten Stellenwert, der politisch handlungsleitend wird. Wird ein Thema securitized, signalisiert dies in der Regel, dass sich ein Akteur konkret durch andere bedroht sieht (z. B. ›Wettlauf‹ um den Zugang zu Ressourcen) oder bestimmte Risiken antizipiert, die die eigene Verwundbarkeit betreffen (z. B. Absinken des Grundwasserspiegels, Erhöhung des Meeresspiegels, Erosion von Böden). Securitization bedeutet nicht nur eine semantische Verschiebung im Diskurs, sondern die Sprechakte, die ein Thema versicherheitlichen, strukturieren die Wahrnehmung der beteiligten Akteure, sie erhöhen die politische Aufmerksamkeit und führen zu veränderten Zielen, Prioritäten und Strategien. Sie übersetzen sich in politische Entscheidungen, bei denen bestimmte Optionen präferiert und ›außerordentliche‹ Maßnahmen gerechtfertigt werden.2 Erfolgreiche Securitization sorgt insofern dafür, dass ein Thema den Bereich der ›normalen‹, alltäglichen Politik verlässt. Ein typischer Indikator für eine solche Entwicklung ist die Tatsache, dass sich mehr und mehr Akteure mit der entsprechenden Problematik beschäftigen, die dem staatlichen Sicherheitsapparat angehören, wie etwa Verteidigungsministerien, Generalstäbe, Analyseeinrichtungen des Militärs oder der Geheimdienste. Securitization geschieht daher nicht allein durch eine Verschiebung im politischen Diskurs, sondern auch auf dem Wege einer veränderten Praxis, für die in erster Linie die Sicherheitsbürokratie und die professionalisierten Sicherheitsexperten verantwortlich sind, die als »securitizer« die notwendige (fachliche) Autorität bzw. eine dominante Position im Diskurs mitbringen, um ein »Publikum« (audience) von der Notwendigkeit bestimmter Maßnahmen zu überzeugen (vgl. Bigo 2000).3 Aber auch Energie- und 2

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Von den Hauptvertretern der ›Copenhagen School‹, Barry Buzan und Ole Waever, wird ›Securitization‹ definiert als »successful speech act through which an intersubjective understanding is constructed within a political community to treat something as an existential threat to a valued referent object, and to enable a call for urgent and exceptional measures to deal with the threat«. (Buzan & Waever 2003, S. 491) (Hervorheb. U.S.). Vgl. z. B. die Sicherheitsstrategien von Großbritannien (2009) und den USA (2006), in denen jeweils vor den sicherpolitischen Folgen des Klimawandels und des steigenden Energiebedarfs gewarnt wird. Siehe auch Analysen und Studien von militärischen oder geheimdienstlichen Think Tanks: National Intelligence Center (NIC). Global Trends 2025. A Transformed World. Washington D.C. 2008; Center for Naval Analysis (CNA). National Security and the Threat of Climate Change. Alexandria VA 2007; Development, Concepts and Doctrine Center (DCDC). Global Strategic Trends Programme 2007-2036. London 2007; Planungsamt der Bundeswehr: Future Report. Umweltdimensionen von Sicherheit. Berlin 2012 (Teilstudie I: Peak Oil. Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen;

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Klimaexperten, Umwelt- oder Menschenrechtsaktivisten bedienten sich im vergangenen Jahrzehnt immer wieder der »Grammatik der Sicherheit« (Waever 1995), um ihren Anliegen mehr Gehör und mehr Gewicht zu verschaffen. 4 Sie operieren zwar zumeist mit dem Begriff der »menschlichen Sicherheit« (statt nationaler Sicherheit) und betonen stärker sozio-ökonomisch und entwicklungspolitisch ausgerichtete Maßnahmen, um prognostizierten Sicherheitsrisiken zu begegnen (vgl. Brzoska 2009). Doch auch hier liegen Szenarien zugrunde, wonach durch Klimawandel und Ressourcenknappheit die Existenzgrundlagen der Menschheit als Ganzes oder bestimmter, besonders bedrohter Bevölkerungsgruppen auf dem Spiel stehen. Diese Sichtweise ist jedoch im Grundsatz nichts Neues: Für das Fortbestehen der Menschheit waren und sind die Verfügbarkeit und Verwertung von natürlichen Ressourcen der unterschiedlichsten Art von existenzieller Bedeutung und bilden die Grundlage für jedwede kulturelle Entwicklung. Die strategische Kontrolle über solche Vorkommen war in der Geschichte der Menschheit wiederholt ein wesentliches Motiv für die Sicherung von Weide-, Fang- und Jagdgründen, für Beutezüge, für Entdeckungs- und Expeditionsreisen, für die Eroberung und Kolonisierung von Territorien ebenso wie für zwischen- und innerstaatliche Kriege. Bekannt sind auch die konfliktträchtigen, historischen ›Boom‹-Phasen, bei denen sich Königshäuser, Staaten, Unternehmer und ›Glücksritter‹ aller Art einen Wettlauf um die ertragreichsten Minen, Ackerböden, Plantagen, Schürfgebiete oder Rohstoffquellen lieferten – die Rede ist beispielsweise vom ›Goldrausch‹, ›Pelzrausch‹, ›Diamantenrausch‹, ›Kautschukboom‹ oder ›Ölboom‹. Dessen ungeachtet verfügt die Menschheit aber über eine Fülle von Erfahrungen und Praktiken, wie natürliche Ressourcen Anlass für Tauschbeziehungen, funktionierende Märkte, Handelsregime oder andere Kooperationsformen bieten, die sich mitunter in gänzlich neue politische Strukturen übersetzen können. Als Illustration mag ein Beispiel dienen, das bis in die Gegenwart nachwirkt: 1951 kam es auf Initiative des französischen Außenministers Robert Schuman zur Bildung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), auch Montanunion genannt – der erste Baustein für die heutige Europäische Union. Sie sollte die kriegswichtigen Güter Kohle und Stahl (Eisenerz) unter eine gemeinsame Aufsicht und in den Dienst des wirtschaftlichen Wiederaufbaus Westeuropas stellen. Dabei ging es vor allem um eine Kontrolle der seinerzeit bedeutsamen Rohstoffvorkommen an Ruhr und Saar, die als ein wesentlicher Grund für die jahrzehntelangen Konflikte und Spannungen im deutschen-französischen

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Teilstudie II: Klimafolgen in Kontext: Implikationen für Sicherheit und Stabilität im Nahen Osten und in Nordafrika). Siehe z. B. die Analyse des Wissenschaftlichen Beirates für Globale Umweltveränderungen (2007) zum ›Sicherheitsrisiko Klimawandel‹ (WBGU 2007), die Studie der NGO International Alert mit dem Titel ›A Climate of Conflict‹ (2007) oder der von einer UNEPExpertenkommission vorgelegte Bericht, in dem es heißt: »As the global population continues to rise, and the demand for resources continues to grow, there is significant potential for conflicts over natural resources to intensify over the coming decades« (UNEP 2009, S. 7).