Personalwirtschaft Extra: Kreative Interviewfragen

ber natürlich keine schmutzige Wäsche waschen. Erwartungshorizont. Diese Frage wirkt auf drei Ebenen. Nennt der Kandidat konkrete Kritikpunkte.
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Kreative Interviewfragen

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So lernen Sie Ihre Bewerber wirklich kennen!

Personalwirtschaft

EXTRA

Impressum Autor: Jochen Gabrisch, Experte für Eignungsdiagnostik und Führungskräfteentwicklung, ist Autor der Fachbücher „Die Besten entdecken“ und „Die Besten im Gespräch“. www.jochen-gabrisch.de Bildnachweis: ©Alexander Pokusay – Fotolia.com Satz und Gestaltung: Auhage-Schwarz Hinweis: In diesem Booklet werden Personenbezeichnungen zwecks besserer Lesbarkeit im Maskulinum verwendet. Es ist damit zugleich auch immer die weibliche Form gemeint. www.wolterskluwer.de www.personalwirtschaft.de Alle Rechte vorbehalten. Personalwirtschaft – eine Marke der Wolters Kluwer Deutschland GmbH © 2016 Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln

Kreative Interviewfragen So lernen Sie Ihre Bewerber wirklich kennen! Es lohnt sich, in Auswahlgesprächen von bewährten, aber angestaubten Routinen abzuweichen und individuelle Akzente zu setzen. Das funktioniert besonders gut mithilfe kreativer Fragen abseits des üblichen Weges (im Englischen auch „Offbeat Questions“ genannt), auf die sich Kandidaten nur eingeschränkt vorbereiten können. Setzen Sie kreative Fragen im Auswahlgespräch gezielt ein: zum Beispiel, um die Eröffnungsroutine aufzulockern, wenn Sie nicht an den Kandidaten herankommen. Oder um neue Fahrt aufzunehmen, wenn der Dialog ins Stocken gerät. Oder um Themen anzusteuern, die der Bewerber von sich aus nicht anspricht. Stellen Sie unkonventionelle Fragen auf keinen Fall, um Bewerber unter Druck zu setzen. Das wäre völlig kontraproduktiv. Allerdings dürfen sie durchaus mal knifflig oder provokant ausfallen. Deshalb ist es bei dieser Fragetechnik besonders wichtig, den Bewerbern fair und auf Augenhöhe zu begegnen. Empfehlenswert ist hier eine kurze Anmoderation – etwa mit folgendem Tenor: „Die nächste Frage klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, aber ich würde gerne von Ihnen wissen …“ Jochen Gabrisch, Experte für Eignungsdiagnostik, stellt Ihnen in diesem Booklet zehn kreative Interviewfragen vor und erläutert deren Nutzen für Personalverantwortliche und Recruiter. Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre! 3

Frage 1: Angenommen, unser Unternehmen gäbe es über Nacht nicht mehr. Wo würden Sie sich stattdessen bewerben und warum?

Diese ungewöhnliche Frage ist inhaltlich vergleichbar mit ihrer konventionellen Variante: „Was reizt Sie an unserem Unternehmen besonders?“ Beide Fragen zielen auf die (kulturelle) Passung des Kandidaten zum Unternehmen. Letztere Frage gibt dem Bewerber die Möglichkeit, vorbereitete Argumente zu präsentieren und lässt ihm auch Raum für Lobhudelei. Erwartungshorizont

Bei der ersten Frage gerät der Kandidat in eine Zwickmühle: Nennt er keine anderen Unternehmen, die als Arbeitgeber für ihn infrage kommen, kann ohne überzeugende Begründung der Eindruck entstehen, als wolle er etwas verheimlichen oder hätte sich gar nicht mit dem Thema beschäftigt. Deshalb wird der Bewerber nach einer plausiblen Antwort suchen. Doch andere Unternehmen unterscheiden sich natürlich in ihren Eckdaten und Merkmalen von Ihrem Hause. Also wird die Antwort des Kandidaten mit hoher Wahrscheinlichkeit Abweichungen von Ihrer Arbeitgebermarke aufweisen. Genau an dieser Stelle können Sie mit Vertiefungsfragen ansetzen. So kommen Sie mit dem Kandidaten offen ins Gespräch über seine Kriterien bei der Arbeitgeberwahl und erfahren viel über seine Beweggründe und Erwartungen. Deren Spektrum ist breit: von Produktmarken, Image, Kollegen, Entwicklungsmöglichkeiten und Work-Life-Balance bis hin zu Standort, Arbeitszeiten oder Vergütung. Wichtig ist vor allem das subjektive Ranking des Kandidaten und wie gut dieses Kriterien-Set zu Ihren Anforderungen passt. 4

Frage 2: Man hat ja immer Kollegen, die man mag, und solche, die man weniger mag. Wie ist das bei Ihnen? – Beschreiben Sie uns einen Kollegen, auf den Sie gut verzichten könnten.

Auch hier steht der Kandidat vor einem Dilemma. Einerseits wird eine ehrliche, plausible Antwort von ihm erwartet. Denn die meisten Berufstätigen haben wohl den ein oder anderen Kollegen, mit dem sie nicht so gut klarkommen. Wählt er den einfachen Weg („Ich komme mit allen prima klar.“), wirkt das tendenziell unglaubwürdig und veranlasst den Recruiter zum Nachhaken. Andererseits sollte der Bewerber natürlich keine schmutzige Wäsche waschen. Erwartungshorizont

Diese Frage wirkt auf drei Ebenen. Nennt der Kandidat konkrete Kritikpunkte oder Defizite, können Sie daraus entsprechende Rückschlüsse auf seine Ansprüche und Werte ziehen: l Worauf kommt es ihm bei der Zusammenarbeit mit anderen an? l Welche Eigenschaften sind ihm wichtig, was stört ihn? Darüber hinaus hilft Ihnen die Frage, das politische Geschick des Bewerbers auszuloten: l Wie diskret ist er? Wie diplomatisch fällt seine Antwort aus? l Gelingt es ihm, Kritik an anderen mit Wertschätzung zu verbinden? Zudem kann Ihnen die Antwort des Kandidaten Aufschluss über seine Sozialkompetenz geben: l Sieht er ein gewisses Maß an Eigenverschulden am getrübten Verhältnis zum Kollegen? l Was hat er bereits unternommen, um die Zusammenarbeit zu verbessern? 5

Frage 3: Viele Menschen haben ja einen „Tick“, eine merkwürdige Angewohnheit. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Dies ist eine zugespitzte Version der klassischen Frage nach den eigenen Schwächen. Eine echte Herausforderung für Bewerber: Verständlicherweise wollen sie sich in bestem Licht präsentieren und keine Makel offenbaren. Wenn sie jedoch nichts oder nur Banales antworten, können Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen. Denn niemand ist perfekt. Erwartungshorizont

Diese Frage kann den weiteren Verlauf des Auswahlgesprächs entscheidend beeinflussen. Deshalb sollten Sie sie nur stellen, wenn das Job-Interview bereits eine Weile läuft, die Grundstimmung gut ist und Sie schon einen ersten positiven Eindruck vom Bewerber gewonnen haben. Je nach Antwort des Kandidaten erhalten Sie einen interessanten Einblick in seine Eigenarten, die sein Profil akzentuieren. Doch aufschlussreicher ist, wie humorvoll, schlagfertig oder selbstbewusst er die Frage pariert. Ebenso können Sie Rückschlüsse auf den Grad seines (Non-)Konformismus ziehen. Fällt dem Bewerber partout kein nennenswerter „Tick“ ein, dann geben Sie ihm ein Beispiel: etwa „unbedingt mit dem rechten Bein zuerst aufstehen“ oder „immer zurückgehen und nachschauen, ob das Bügeleisen wirklich aus ist“. So kommen Sie locker ins Gespräch. In seltenen Fällen kann es passieren, dass ein Kandidat mit der Offenheit übertreibt und intime Details erwähnt. Helfen Sie ihm dann weiter, indem Sie auf ein unverfängliches Thema überleiten. 6

Frage 4: Wenn Sie sich Ihre Zufriedenheit im Beruf als Kurve vorstellen, wie würde diese Kurve im Zeitverlauf aussehen?

Kurvendiskussion der etwas anderen Art: Zu dieser Fragestellung geben Sie dem Kandidaten einen Stift und ein Blatt Papier mit einem vorbereiteten Koordinatensystem (x-Achse = Zeitverlauf, y-Achse = Grad der Zufriedenheit), in das er seine persönliche Zufriedenheitskurve einzeichnet. Die Frage ist ungewöhnlich, weil sie nicht nur auf Worte setzt, sondern zunächst auf das konkrete Tun. Damit finden Sie einen anderen, meist direkteren Zugang zum Bewerber. Erwartungshorizont

Die „Antwort“ auf diese Frage erlaubt Ihnen Rückschlüsse auf zwei verschiedenen Ebenen. Im ersten Schritt haben Sie Gelegenheit zu beobachten, wie der Kandidat mit der Aufgabe umgeht: l Wie lange denkt er über die Frage nach, bevor er tätig wird? Stellt er Rückfragen? l Trägt er Zeiteinheiten auf der x-Achse ab oder zeichnet er seine Kurve ins Blaue hinein? l Ist eine durchgängige Linie zu erkennen oder werden einzelne Punkte eingetragen? l Wie oft korrigiert sich der Bewerber? l Wirkt die Kurve authentisch oder haben Sie den Eindruck, eine sozial erwünschte Version zu bekommen (z.B. eine Diagonale von links unten nach rechts oben oder eine horizontale Linie auf hohem Niveau)?

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Im zweiten Schritt, wenn Sie die gezeichnete Zufriedenheitskurve besprechen, können Sie einiges über die Motivation des Kandidaten in Erfahrung bringen. Je nach Kurvenverlauf gibt es zahlreiche Ansatzpunkte, um gezielt nachzufragen: l Warum hat die Zufriedenheit des Bewerbers an bestimmten Stellen eine hohe, mittlere oder niedrige Ausprägung? l An welchen Stationen ist Bewegung in der Kurve, wo verläuft sie flach? l Was ist jeweils an den Wendpunkten passiert? l Wofür stehen signifikante Ausreißer nach oben oder unten? Achten Sie darauf, wie schlüssig die Ausführungen des Kandidaten sind: Entsprechen sie dem Verlauf der Kurve oder tun sich Widersprüche auf? Diese Interview-Frage wirkt auf den ersten Blick nicht übermäßig kompliziert, wird Ihre Bewerber bei der Umsetzung aber fordern. In der Assessment-Praxis ist es sogar schon vorgekommen, dass Kandidaten für gehobene Führungspositionen die Aufgabenstellung nicht verstanden haben. Daher empfiehlt sich eine entsprechende Anmoderation. Die Frage ist sowohl zu Beginn als auch im späteren Verlauf eines Auswahlgesprächs einsetzbar. Von ihr profitieren Sie als Interviewer besonders, wenn Ihre Gesprächspartner Vielredner oder aber eher wortkarg sind. Je nach Interessenlage bietet es sich an, die Aufgabenstellung um das Thema „Erfolg im Zeitverlauf“ zu ergänzen.

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Frage 5: Wenn Sie an Ihrer Führungskraft eine Sache ändern könnten, sodass Sie beide (noch) besser zusammenarbeiten würden, welche Sache wäre das?

Die Beziehung zur direkten Führungskraft ist ein wesentlicher Faktor, wenn Mitarbeiter sich von einem Unternehmen abwenden. Deshalb ist diese Frage gut geeignet, um die Wechselmotivation der Bewerber auszuleuchten. Sie animiert dazu, die Hierarchie in der Führungsbeziehung einmal umzudrehen und den eigenen Chef zu bewerten. Erwartungshorizont

Auf der inhaltlichen Ebene ermitteln Sie ganz konkret, was den Bewerber in der Zusammenarbeit mit seiner aktuellen Führungskraft stört bzw. was er für verbesserungsbedürftig hält. Im Umkehrschluss lernen Sie seine Bedürfnisse und Präferenzen kennen und können diese ggf. mit Ihrem eigenen Führungsverhalten abgleichen: Fühlt sich der Kandidat beispielsweise in seiner Entscheidungsbefugnis eingeengt oder vermisst er klare Ansagen der Führungskraft? Im nächsten Schritt gilt es, die Antwort in Perspektive zu setzen: Wird der Bewerber (wie im obigen Beispiel) tatsächlich eingeengt oder braucht er einfach besonders viel Freiraum? Bezieht die Führungskraft tatsächlich keine Stellung oder benötigt der Kandidat sehr genaue Vorgaben, um selbstständig arbeiten zu können? Haken Sie hier ruhig einmal direkt ein, um den Bewerber zur Selbstreflexion zu bewegen: „Was genau sagt das Beispiel, das Sie gerade genannt haben, denn über Sie als Mitarbeiter aus?“ 9

Auf der zwischenmenschlichen Ebene prüfen Sie das Konfliktverhalten und kommunikative Geschick des Kandidaten: l Wie geht er mit der scheinbar einfachen, aber stark zugespitzten Frage um? l Bezieht er klar Position oder weicht er ins Unverbindliche aus („Alles im grünen Bereich“)? l Lässt er sich verleiten, mehr über den Chef zu sagen, als angebracht wäre? Achten Sie darauf, wie emotional aufgeladen die Antwort des Kandidaten ist. Berichtet er sachlich, ruhig, angespannt, aufgeregt, erbost oder resigniert? Das erlaubt Ihnen Rückschlüsse auf den subjektiv empfundenen Schweregrad der genannten Beispiele. Auch unter diesem Aspekt lohnt es sich, nachzuhaken: „Wie sehr stört Sie dieses Verhalten Ihres Chefs? Und warum?“ Diese Frage bietet sich an, wenn Sie als Personalverantwortlicher mit einem potenziellen künftigen Mitarbeiter die Themen Wechselmotivation und direkte Zusammenarbeit diskutieren wollen. Sie ist im Verlauf des JobInterviews situativ einsetzbar, jedoch eher ungeeignet für die Gesprächseröffnung.

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Frage 6: Welche Frage möchten Sie hier bei uns im Gespräch lieber nicht gestellt bekommen?

Diese scheinbar paradoxe Frage bringt ein Überraschungsmoment ins Job-Interview und erschwert das Abspulen von Standardantworten. Damit geben Sie Bewerbern Gelegenheit, Spontanität zu zeigen. Die Frage bietet sich als „Joker“ an, wenn Sie im Laufe des Gesprächs den Eindruck gewinnen, den Kandidaten noch immer nicht richtig kennengelernt zu haben, obwohl er auf all Ihre vorherigen Fragen eine passende Antwort hatte. Erwartungshorizont

Inhaltlich fokussiert die Frage im weitesten Sinne Schwächen und kleine „Geheimnisse“ des Kandidaten: Welches Thema würde er lieber meiden? Und welche selbst empfundene Unzulänglichkeit steckt vielleicht dahinter? Die Bandbreite möglicher Antworten ist groß. Es kann beispielsweise um bestimmte, weniger erfolgreiche Stationen der Karriere gehen oder um die Trennung vom letzten Arbeitgeber, aber auch um vermeintliche Lappalien wie chronische Unordnung in der Schreibtischschublade. Daraus ergeben sich zahlreiche Anknüpfungspunkte für vertiefende Fragen. Zudem erlaubt Ihnen die Antwort des Bewerbers Rückschlüsse auf seine Sozialkompetenz: l Wie offen und selbstsicher reagiert er? l Wirkt er nervös? l Benennt er einen validen Punkt oder weicht er mit einer Pseudo-Antwort aus? 11

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Wie geschickt zieht er sich aus der Affäre, zum Beispiel mithilfe einer humorvollen Bemerkung? l Nimmt er Ihren Ball auf und spielt ihn gekonnt zurück? – Etwa mit einer Erwiderung folgender Art: „Ich verrate Ihnen die Frage, vertraue aber darauf, dass Sie sie nicht stellen.“ Das sagt Ihnen eine Menge darüber, wie sich der Kandidat auf glattem Parkett bewegt, was besonders bei Positionen mit starker Außenwirkung von Bedeutung ist. Selbst wenn Ihr Gesprächspartner bekundet, Sie dürften ihn absolut alles fragen, hat Sie diese Frage schon weitergebracht. Denn dann können Sie mit seinem Einverständnis auch wirklich schwierige Themen ansprechen. Wichtig: Halten Sie sich dabei stets an die rechtlichen Vorgaben. Unzulässige Interviewfragen sind in jedem Fall tabu!

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Frage 7: Wenn Sie unser Gespräch an dieser Stelle einschätzen würden, wie läuft es aus Ihrer Sicht?

Der Charme dieser Frage liegt in ihrer Unmittelbarkeit. Sie verlangt vom Bewerber ad hoc eine Bewertung der aktuellen Situation, Selbstreflexion sowie spontanes Feedback für den Interviewer. Hier gibt es keine absolut richtigen oder falschen Antworten. Entscheidend ist, wie nah die von Ihnen und Ihrem Gesprächspartner jeweils subjektiv wahrgenommenen sozialen Realitäten beieinander liegen und was das für eine mögliche Zusammenarbeit bedeutet. Erwartungshorizont

Die Antwort des Kandidaten kann Ihnen viel über seine soziale und kommunikative Kompetenz verraten, was besonders bei Positionen mit Führungsverantwortung oder häufigem Kundenkontakt relevant ist. Achten Sie u.a. auf folgende Aspekte: l Worauf kommt es dem Bewerber in der Gesprächssituation an? l Welche Qualitäts- bzw. Erfolgskriterien legt er zugrunde? l Wie reflektiert er das eigene Verhalten im Auswahlgespräch? l Beherrscht er die Kunst des Feedback-Gebens? l Äußert er Kritik und, wenn ja, in welcher Form? l Wie ausgeprägt ist sein Gespür für Zwischentöne? l Wie gut bringt er die Dinge auf den Punkt? l Wie vermittelt er schwierige oder heikle Themen? Im Prinzip lässt sich diese Frage in jedes Job-Interview einbauen, wenn Sie ein Zwischenfeedback einholen möchten. Besonders angezeigt ist sie, wenn 13

Sie das Gefühl haben, dass der Kandidat auf Ihre Fragen stets eine allzu gefällige oder Standardantwort parat hat. Darüber hinaus ist die Frage ein hilfreicher Katalysator, wenn das Interview ins Stocken gerät; aber auch, wenn der Redefluss des Bewerbers nicht zu stoppen ist. Damit geben Sie ihm Gelegenheit, kurz innezuhalten, und bauen ihm eine Brücke, um das Gespräch in eine andere, ergiebigere Richtung zu lenken.

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Frage 8: Welches Tier würde unser Unternehmen Ihrer Meinung nach besonders gut repräsentieren?

Diese Frage ermöglicht spannende Erkenntnisse, wenn es um die kulturelle Passung (Cultural Fit) zwischen Kandidat und Unternehmen geht oder wenn Sie eine Rückmeldung zur (Außen-)Wirkung bzw. Arbeitgebermarke Ihres Unternehmens einholen wollen. Die Frage ist vor allem für Job-Interviews mit internen Bewerbern geeignet, die das Unternehmen aus dem Effeff kennen. Sie lässt sich aber auch sehr gut in Folgegesprächen mit externen Bewerbern einsetzen, die schon einen ersten fundierten Eindruck von Ihrem Haus gewinnen konnten. Erwartungshorizont

Durch ihre Bildhaftigkeit spricht die Frage andere Hirnareale an und lädt zum Assoziieren ein. Sie wirkt plakativ und ist gerade deshalb knifflig, weil sie vom Kandidaten eine stark zugespitzte, aber dennoch stimmige Antwort verlangt. Er muss sich auf ein Tier festlegen und seine Wahl plausibel begründen. Daher wird er für seine Antwort vielleicht etwas Zeit brauchen. Wenn ein Bewerber zu weitschweifigen Ausführungen neigt und nicht auf den Punkt kommt, hilft Ihnen diese Frage dabei, das Gespräch zu fokussieren. Denn zwangsläufig wird er durch die Wahl einer geeigneten TierMetapher eindeutige Akzente setzen. Achten Sie dabei auf folgende Nuancen: l Kommt die Antwort des Kandidaten spontan und schnell? l Braucht er unverhältnismäßig viel Zeit, um zu überlegen? l Wie geschmeidig moderiert er ggf. eine Denkpause? l Wie viel Kreativität zeigt er? 15

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Fällt es dem Bewerber leicht, sich festzulegen? Welche Tiere bezieht er in eine Art Vorauswahl mit ein? l Wie unterscheiden sich diese von seiner endgültigen Wahl? l Wie begründet er seine Wahl? l Auf welche Aspekte Ihres Unternehmens nimmt er Bezug (Marktposition, Strategie, Wettbewerbsvorteile, Innovationsfähigkeit, Organisation, Führungskräfte, Mitarbeiter, Produkte, Werte, Kultur etc.)? l Welche Eigenschaften des Tiers dominieren im Bild des Kandidaten? l Wie differenziert er das Bild weiter, etwa durch konkrete Beispiele, Verweise oder Einschränkungen? l Welchen Grad sozialer Erwünschtheit vermuten Sie in der Antwort? l Spricht der Kandidat auch kritische oder negative Aspekte an? l Welche persönlichen Präferenzen sind aus seiner Antwort ableitbar? l

Eine gute Basis für den vertiefenden Austausch über Ihr Unternehmen, seine Ziele, Visionen, Stärken und Chancen schaffen Sie mit folgender Anschlussfrage: „Was schätzen Sie an diesem Tier, was weniger?“

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Frage 9: Was wäre aus Ihrem Leben – neben Familie, Freunden und Beruf – nicht wegzudenken?

Diese zugespitzte Frage ist hilfreich, wenn Sie Kandidaten in Zweit- oder Folgegesprächen auf der persönlichen Ebene noch besser kennenlernen wollen. Sie nutzt Ranking als Fragetechnik und bietet damit eine Alternative zu den klassischen Erkundigungen nach Freizeitaktivitäten, Werten oder sozialem Engagement der Bewerber. Die Frage sollte nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Gesprächsatmosphäre gut ist und Sie den Kandidaten ernsthaft als potenziellen Mitarbeiter in Erwägung ziehen. Erwartungshorizont

Der Kandidat ist aufgefordert, nach Familie, Freunden und Beruf, seine wichtigste Beschäftigung oder sein größtes Interesse zu nennen (etwa Sport, Kunst, Politik, Ehrenamt, Blog, aktuelles Projekt etc.). Mit der Frage nehmen Sie also seinen persönlichen Bereich in den Fokus, ohne aber – und darauf sollten Sie stets achten – seine Privatsphäre zu verletzen. Auf der faktischen Ebene können Sie durch gezieltes Nachfragen Informationen darüber gewinnen, in welcher Form und wie intensiv sich der Bewerber mit den Themen seiner Wahl beschäftigt. Das wiederum erlaubt Ihnen Rückschlüsse auf sein berufliches Engagement: l Was ist ihm wichtig? l Warum wird er aktiv? l Was motiviert ihn? l Woran hat er Freude? l Wann empfindet er Begeisterung? 17

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Wofür setzt er sich ein? Wo sieht er sich in der Verantwortung? l Wie bringt er seine Fähigkeiten ein? l

Noch spannender ist das Antwortverhalten an sich. Achten Sie darauf, wie der Kandidat sich zwischen den beiden Polen möglicher Reaktionen bewegt: l Wirkt er eher unbeteiligt und gibt eine banale Antwort, um die Frage schnell erledigt zu haben? l Oder kommt Begeisterung auf? Nennt er ein Thema, das ihm wirklich am Herzen liegt und das er mit Ihnen gerne weiter diskutieren würde? Nutzen Sie Ihre Beobachtungen für Rückschlüsse auf die Offenheit des Bewerbers: Welcher Grad der Vertrautheit erscheint ihm an diesem Punkt des Auswahlverfahrens angemessen? So erhalten Sie auch Hinweise auf die vom Kandidaten empfundene Qualität der Beziehung zu Ihnen als Interviewer.

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Frage 10: Oft gibt es ja doch ein Haar in der Suppe. Welches wäre das für Sie bei uns? Und wie würden wir diese Frage Ihrer Einschätzung nach umgekehrt beantworten?

Wenn Sie im Laufe des Auswahlgesprächs den Eindruck gewinnen, es herrsche fast schon zu viel Übereinstimmung zwischen Ihnen und dem Kandidaten, lohnt es sich, mithilfe dieser Doppelfrage ein wenig „gegen den Strich zu bürsten“. Die erste Frage nimmt die Erwartungshaltung des Bewerbers in den Fokus und gibt ihm Gelegenheit, mögliche Bedenken oder Zweifel zu äußern. Mit der zweiten Frage überprüfen Sie, wie er das Stellen- bzw. Anforderungsprofil verstanden hat und seine Eignung einschätzt. Erwartungshorizont

Die Frage ist als Katalysator für eine fortgeschrittene oder abschließende Interview-Phase gedacht und setzt voraus, dass der Kandidat schon einiges über die zu besetzende Position und Ihr Unternehmen erfahren hat. Sie hilft Ihnen und dem Bewerber dabei, mögliche Minuspunkte hinsichtlich der gegenseitigen Passung zu ermitteln. Dadurch, dass der Kandidat ausgerechnet die Nachteile des möglichen Arrangements benennen soll, bringt die Frage – je nach Sichtweise – entweder ein Dilemma oder Raum für (ggf. humorvolle) Selbstreflexion ins Gespräch. Denn üblicherweise präsentiert man sich im Job-Interview ja von seiner besten Seite und fokussiert nicht die Defizite. Auf der faktischen Ebene verrät Ihnen die Antwort des Bewerbers, was ihm als potenziellem Stelleninhaber bzw. Mitarbeiter in Ihrem Hause wichtig ist und wovon er die Zusammenarbeit abhängig macht, beispielsweise: 19

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Zuschnitt der Aufgabe Personalverantwortung l Auslandseinsätze l Entwicklungsmöglichkeiten l Zusammenarbeit mit (Ihnen als) der direkten Führungskraft l Gehalt und Nebenleistungen l Arbeitszeitgestaltung l Unternehmenskultur l Ausstattung des Arbeitsplatzes l sonstige Rahmenbedingungen l

Auf der übergeordneten Ebene lässt die Antwort des Kandidaten Rückschlüsse auf seine kognitiven, sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu: l Knüpft der Kandidat einen roten Faden zwischen den beiden Teilen der Frage? l Entwickelt er eine durchgängige Argumentationslinie oder verliert er sich in Kleinigkeiten? l Wie ehrlich bzw. sozial erwünscht fällt seine Antwort aus? l Traut sich der Bewerber, kritische oder negative Aspekte anzusprechen? l Bleibt er auch auf Nachfrage bei seinen Kritikpunkten? Oder passt er sich Ihrer Sichtweise an? l Wie selbstbewusst zeigt er sich? l Steht er zu seinen möglichen Defiziten? l Wie überzeugend begründet er ggf., dass es aus seiner Sicht kein Haar in der Suppe gibt? l Greift er den latenten Humor der Frage auf?

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Bei den Antworten des Kandidaten wird es kein eindeutiges „Richtig“ oder „Falsch“ geben. Vielmehr kommt es darauf an, Ihre Beobachtungen und Eindrücke mit denen des Bewerbers abzugleichen: Stimmen die Wahrnehmungen, Rückschlüsse oder Bedenken beider Seiten in hohem Maße überein? Oder haben Sie das Gefühl, Sie und der Kandidat hätten an völlig unterschiedlichen Gesprächen teilgenommen? In letzterem Fall bedarf es weiterer Klärung.

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