oekom Corporate Bonds-Studie - Oekom Research

Von den Grundlagen zur Anwendung. In: W. Stroebe, K. Jonas und M. Hewstone (Hrsg.): Sozialpsy chologie. Eine Einführung. 4. Auflage. Springer: Heidel.
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Die Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien für die Beurteilung von Anlagechancen und -risiken bei Unternehmensanleihen

Oktober 2014

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Inhalt

Grußwort Prof. Dr. Ortwin Renn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4



Grußworte der Sponsoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5



Vorwort oekom research . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  6

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  7 1.

Hintergrund und Zielsetzung der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9

1.1.

Gegenstand und Ziele der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9

1.2.

Der Markt für Unternehmensanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11

1.3.

Ansätze zur Bewertung von Emittenten und Anleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  13 1.3.1. Grundlagen der konventionellen Bewertung von Unternehmensanleihen . . . . . . . . .  13 1.3.2. Bewertung von Unternehmensanleihen auf Basis von Nachhaltigkeitsratings . . . . . . .  15

2.

Studien zum Einfluss der Nutzung von Nachhaltigkeitskriterien auf den Anlageerfolg bei Unternehmensanleihen – ein Review . . . . . . . . . . . . . . . .  19

2.1.

Studien zu ökologischen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  19

2.2. Studien zu sozialen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.3.

Studien zu Governance-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21

3.

Bedeutung der oekom Nachhaltigkeitsratings für die Beurteilung von Anlagechancen und -risiken bei Unternehmensanleihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

3.1.

Zusammenhang von Nachhaltigkeitsrating und Eigenkapitalquote . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.1.1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 3.1.2. Untersuchungsdesign und Grundgesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.1.3. Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  24

3.2. Einfluss von Nachhaltigkeitsratings auf Credit Spreads . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.2.1. Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.2.2. Untersuchungsdesign und Grundgesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.2.3. Ergebnisse der Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  27

4. Fazit: Nutzen Nachhaltigkeitsratings bei der Auswahl von Unternehmensanleihen? . . . . . . .  29

Anhang: Übersicht Ratingnoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  31

Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Sponsoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

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Grußwort Prof. Dr. Ortwin Renn Die vorliegende Studie behandelt die Risiken von Unternehmensanleihen und wie man diese nach Kriterien der Nachhaltigkeit beurteilen kann. Sol­ che Risiken sind immer Koppelprodukte aus der Analyse von objektiven Unternehmens- und Wirt­ schaftsdaten und subjektiven Wahrnehmungen der möglichen Einflussfaktoren sowie der sich abzeich­ nenden Trends. Woher kommen diese subjektiven Eindrücke und Wahrnehmungen und wie wählen Menschen aus der Vielzahl von Informationsquellen die Signale aus, die für ihre Risikobewertung ent­ scheidend sind? Die Antwort ist zunächst verblüffend einfach: Wir selektieren und speichern die Angebote an Infor­ mationen danach, wie wichtig sie uns für die gerade ablaufende Situation und für unser Leben insgesamt erscheinen. Wichtig ist vor allem das, was uns hilft, uns in unserer Umwelt besser zurechtzufinden und aus unserer Sicht bessere Entscheidungen zu tref­ fen1. Dabei lassen sich vier generelle Kriterien für diesen Auswahlprozess angeben2:

◆◆ Orientierung:

Um uns in der Welt zurechtzufin­ den, brauchen wir Informationen über die uns umgebende Wirklichkeit und Einsichten in sinn­ gebende Ablaufprozesse, die Vergangenheit, Ge­ genwart und Zukunft miteinander verknüpfen. Im Falle der Unternehmensanleihen sind dies klassi­ scherweise: Bilanzdaten aus der Vergangenheit, Marktaussichten etc.

◆◆ Selbstwirksamkeit: Wir benötigen Informationen,

die uns helfen, die eigenen Handlungen auszu­ führen. Dabei handeln wir oft danach, was uns besonders leicht umzusetzen erscheint und we­ niger danach, was eigentlich erforderlich wäre. So könnten uns bestimmte Anleihen direkt ein­ fallen, die wir dann erwerben könnten, ohne zu prüfen, ob nicht andere weniger bekannte Anlei­ hen wesentlich bessere Renditen abwerfen.

◆◆ Identität: Schließlich sind Informationen bedeut­

sam, die uns helfen, unsere eigene Rolle im sozia­ len Umfeld zu definieren und uns als ganzheit­li­ ches, integrales Wesen zu begreifen. Dazu gehö­ ren moralische Orientierungen, wie etwa die in dieser Studie beschriebenen Nachhaltigkeitskri­ terien, ebenso wie persönliche Präferenzen und Vorlieben.

Alle vier Faktoren sind bei der Abschätzung und Be­ wertung der Risiken relevant. Immer wieder heißt es, dass dadurch Risikobewertungen zunehmend ir­ rational ausfallen würden. Keineswegs! Um es klar zu sagen: Wir wissen heute mehr über Risiken als jemals zuvor 3. Mit den wissenschaftlichen Metho­ den der Stochastik können wir Risiken besser be­ schreiben als jede Generation vor uns. Diese neuen Methoden geben uns wichtige Einblicke in mögliche Chancen und Risiken und vermitteln verwertbare Er­ kenntnisse über die Wahrscheinlichkeiten ihrer Ver­ ursachung. Das ist zwar weniger als wir gerne hät­ ten, aber alles andere als pure Beliebigkeit. Gleichzeitig kommen subjektive Elemente der Bewertungen ins Spiel, die unserem Streben nach Orientierung, Selbstwirksamkeit und Identität ent­ gegenkommen. Diese „weichen“ Seiten der Ent­ scheidung sind keineswegs weniger bedeutsam als die „harten“ Fakten. Sie sind vielmehr ein integra­ ler Bestandteil eines umsichtigen und reflektieren­ den Urteils, sofern wir uns der Subjektivität dieser Urteile bewusst sind. Gute Urteile über finanzielle, ökologische oder soziale Risiken bestehen immer aus beidem: dem bestverfügbaren Folgewissen und einer reflektierten Entscheidung darüber, was wir uns von der Zukunft erwarten und erhoffen dürfen. Die vorliegende Studie trägt daher beiden Faktoren Rechnung. Darüber hinaus zeigt sie auf, wie wich­ tig normative Überlegungen zur Beurteilung des Ge­ samtnutzens von Unternehmensanleihen sind.

◆◆ Nutzen: Bei allen Informationen ist uns wichtig zu

erfahren, ob sie uns selber oder anderen, die uns nahestehen, etwas nützen. Wir hören eher hin, wenn jemand behauptet, diese Information wäre für unser Wohlergehen nützlich, als wenn jemand uns über eine Sachlage aufklären will.

Prof. Dr. Ortwin Renn Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung an der Universität Stuttgart (ZIRIUS)

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Grußworte der Sponsoren Einer verantwortungsvollen und auf nachhaltige Wertschöpfung ausgelegten Unternehmensführung kommt immer mehr Bedeutung zu. Insbesondere im Kundensegment der institutionellen Investoren be­ obachten wir eine erkennbar wachsende Bedeutung der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien. Häufig ist dies inzwischen auch ein Kriterium bei Mandats­ vergaben. Als Kapitalverwaltungsgesellschaft eines Versi­ cherungskonzerns betreuen wir sehr langfristig ori­ entierte Kunden. Mit dem Schwerpunkt im AnleihenSegment steht gerade für institutionelle Investoren eine sorgfältige Analyse der Emittenten im Vorder­ grund. In der Vergangenheit wurde gerade diese An­ lageklasse in Bezug auf Nachhaltigkeit zu wenig be­ achtet. Besonders bei Unternehmensanleihen gilt es, alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen, die darauf schließen lassen, ob die Risikoprämie ge­ recht ist und die ausstehenden Papiere tatsächlich bedient werden können. Als langjähriger Partner kennen und schätzen wir die ausgesprochen gute Expertise der oekom research sehr. Wir sehen diese als einen sehr wich­ tigen und zuverlässigen Baustein in der gemeinsa­ men Zusammenarbeit rund um die terrAssisi-Fonds. Gerade im terrAssisi Aktien I AMI sehen wir im Peer­ group-Vergleich einen positiven Performancebeitrag durch den Nachhaltigkeitsfilter. Die Ihnen vorliegende Studie betrachten wir daher auch für unser eigenes Fixed Income Re­ search-Team als wichtigen Beitrag zum Einfluss von Nachhaltigkeitsfaktoren auf die Risikoeinschätzung von Unternehmensanleihen.

Manfred Köberlein Mitglied der Geschäftsführung Ampega Investment GmbH

Institutionelle Anleger und vermögende Privatkun­ den sorgen für weit überdurchschnittliches Wachs­ tum bei ethisch-nachhaltigen Investments. Sie er­ kennen zunehmend den ökonomischen Wert und den Nutzen nachhaltiger Strategien für ihre Portfo­ lios und profitieren davon, dass die Performance von ethisch-nachhaltigen Anlageformen mit jener nicht nachhaltiger Anlagen zumindest mithalten kann. Zahlreiche Langzeitstudien haben das klar belegt. Dies ist eine wichtige Erfahrung, die auch pri­ vate Anleger verstärkt nutzen sollten. Während das Produktangebot durchaus attraktiv ist und es sich schon im Sinne einer Risikostreuung empfiehlt, zu­ mindest einen gewissen Anteil ethisch-nachhaltiger Produkte ins Portfolio beizumischen, ist die Nach­ frage privater Investoren in Österreich nach wie vor sehr überschaubar. Dies mag auch darin begründet sein, dass mit Ausnahme von Schelhammer & Schattera KAG in Österreich kaum ein Marktteilnehmer aktiv und dau­ erhaft solche Produkte anbietet bzw. in den Fokus seiner Angebotspalette stellt. Als der Nachhaltig­ keitsspezialist in der österreichischen Investment­ fondslandschaft ist unser Bankhaus die treibende Kraft dafür, dass allen Anlegern ein attraktives Pro­ duktangebot auf rein ethisch-nachhaltiger Basis zur Verfügung steht. Die erfolgreiche Entwicklung der vergangenen Jahre – das Fondsvolumen konnte seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise um über 80 % gesteigert werden – bestätigt unseren strate­ gischen Fokus. Die langjährige Zusammenarbeit mit oekom re­ search bei der Zusammenstellung des ethisch-nach­ haltigen Fondsuniversums wie auch deren Analysen und Studien sind eine wichtige Basis für diesen Er­ folg und für das Ziel, zukünftig einen noch größeren Anteil des Anlagekapitals in geprüfte ethisch-nach­ haltige Investments zu leiten.

Mag. Ernst Krehan Geschäftsführer Bankhaus Schelhammer & Schattera KAG

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Vorwort oekom research „Lower for longer“ ist das neue Menetekel an der Wand für die erwartete Entwicklung der Zinsen in den kommenden Jahren. Mit anderen Worten: Eine Trendwende ist hier nach Einschätzung zahlreicher, wenn auch nicht aller Experten vorerst nicht in Sicht. Viele Investoren stellt das anhaltend niedrige Zins­ niveau vor große Herausforderungen, müssen sie doch ihren finanziellen Verpflichtungen beispiels­ weise gegenüber den Pensionären (Versorgungs­ werke), Versicherten (Kapitallebensversicherungen) oder Projekten (Stiftungen) nachkommen. Vielfach reichen die Erträge aus den Kapitalanlagen kaum noch aus, um einen Inflationsausgleich zu ermögli­ chen und so das Kapital real zu erhalten. Auf der Suche nach einträglichen Anlagen sind neben Aktien in den vergangenen Jahren Unterneh­ mensanleihen verstärkt in den Fokus gerückt. An­ stelle eines zinslosen Risikos, wie wir es nach wie vor bei zahlreichen Staatsanleihen sehen, bieten diese Anleihen trotz des in der jüngeren Vergangen­ heit gesunkenen Renditevorsprungs zu Staatsanlei­ hen eine vergleichsweise interessante Rendite. Diese erhöhte Nachfrage der Anleger ist sicherlich einer der zentralen Treiber des in den ver­gangenen Jahren gestiegenen Emissionsvolumens bei Un­­ter­ nehmensanleihen. Gleichzeitig zeigt sich infolge der Finanzkrise und der damit verbundenen Kredit­ klemme eine gewisse strukturelle Veränderung in der Unternehmensfinanzierung. Anstelle von Bank­ krediten finanzieren sich zunehmend mehr Unter­ nehmen über die Ausgabe von Unternehmens­an­lei­ hen direkt über die Kapitalmärkte. Dabei werden – wie einige Ausfälle bei Unternehmensanleihen in jün­gerer Vergangenheit zeigen – auch Unterneh­ men aktiv, deren Risikostruktur sich von der „traditi­ oneller“ Corporate Bond-Emittenten unterscheidet. In diesem Spannungsfeld zwischen wachsendem Angebot, Renditeerfordernissen und Risikobereit­ schaft hat bei den Investoren die Frage nach der Risikobewertung von Unternehmensanleihen spür­ bar an Bedeutung gewonnen. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, wel­ chen Beitrag Nachhaltigkeitsratings, das heißt die Analyse und Bewertung von Unternehmen auf der Basis von sozialen und umweltbezogenen Kriterien, hier leisten können. Welche Aussagen über die Fä­ higkeit der Unternehmen, ihren Verpflichtungen aus

der Ausgabe von Anleihen nachzukommen – also die Zinsen zu bedienen und die Anleihen zurückzu­ zahlen – können aus Nachhaltigkeitsratings abge­ leitet werden? Und: Liefern diese eine werthaltige Ergänzung zu den konventionellen Finanzratings? Ohne an dieser Stelle bereits zu viel vorwegneh­ men zu wollen: Sie liefern. Die Ergebnisse der Stu­ dien auf Basis unserer Ratings zeigen zum einen, dass diese dabei helfen, das Risiko zu reduzieren, in Anleihen von Unternehmen zu investieren, die ein höheres Insolvenzrisiko haben. Gleichzeitig können die im Hinblick auf ihre Rendite-Risikostruktur vor­ teilhaftesten Corporate Bonds identifiziert werden. Ohne kompetente Partner wäre die Studie nicht möglich geworden. Unser Dank gilt daher zum einen Prof. Dr. Timo Busch (Universität Hamburg) und Ju­ lian Kölbel (ETH Zürich). Sie haben sich auf Basis un­ serer Daten vor allem mit der Erklärungswirkung von Nachhaltigkeitsratings bei den Corporate Spreads beschäftigt. Zum anderen möchten wir uns beim Co-Autor Dr. Stefan Klotz (VIF) bedanken, der maß­ geblichen Anteil an der Durchführung der Literatur­ analyse und der Analyse zum Zusammenhang von Nachhaltigkeitsratings und Eigenkapitalquote hatte. Unser Dank gilt schließlich Prof. Dr. Ortwin Renn für seinen besonderen Blick auf das Thema Risiko und den Sponsoren der Studie, der Ampega In­ vestment GmbH und der Bankhaus Schelhammer & Schattera KAG sowie der HypoVereinsbank, der Lampe Asset Management und der Nord/LB Asset Management. Bei der Lektüre der oekom Corporate Bonds-Stu­ die wünschen wir Ihnen interessante und vor allem für die Kapitalanlage hilfreiche Einsichten und Hin­ weise. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass es noch weitere interessante Fragen gibt, denen sich nachzugehen lohnt. In diesem Sinne verstehen wir die Studie als Auftakt für die Beschäftigung mit dem Thema und nicht als deren Abschluss.

Robert Haßler CEO oekom research AG

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Zusammenfassung Ziel der oekom Corporate Bonds-Studie ist es zu analysieren, welche Bedeutung Nachhaltigkeits­ ratings für die Einschätzung von Chancen und Risi­ ken von Unternehmensanleihen haben. Dazu wur­ de zum einen die verfügbare Literatur zu diesem Thema gesichtet und ausgewertet. Zum anderen wurden zwei Studien auf der Basis der Nach­hal­tig­ keits­ratings von oekom research durchgeführt, von denen sich eine mit der Erklärung und Bewertung von Risiko­aufschlägen bei Unternehmensanleihen, den Credit Spreads, beschäftigt, die andere mit der Prognosekraft von entsprechenden Ratings für die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen. Zusätz­ lich wurden der Markt für Unternehmens­anleihen sowie konventionelle und nachhaltigkeitsbezogene Ansätze zur Bewertung von Unternehmen dokumen­ tiert und analysiert. Hintergrund der Analysen

◆◆ Anleihen bilden bei der Mehrheit der institutio­

nellen Investoren nach wie vor das Rückgrat der Kapitalanlage. Ihr Anteil liegt beispielsweise bei den europäischen Altersversorgungseinrichtun­gen aktuell bei 52 %. Nachhaltige Investoren legen in Europa nach Berechnungen des europäischen Branchenverbandes Eurosif durchschnittlich 40 % ihres Vermögens in Rentenpapieren an, davon 21,3 % in Corporate Bonds. Aufgrund des insge­ samt niedrigen Zinsniveaus insbesondere bei Staatsanleihen mit Investment Grade ist das Inte­ resse der Anleger an vergleichsweise besser ver­ zinsten Corporate Bonds in den vergangenen Jah­ ren insgesamt gestiegen.  ▶ Seite 10

◆◆ Das Angebot an Corporate Bonds ist in den ver­

gangenen Jahren ebenfalls gestiegen. Neben Fi­ nanzierungsengpässen durch die „Kreditklemme“ in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch eine steigende Nachfrage auf Seiten der Inves­ toren dazu geführt, dass eine zunehmende Zahl von Unternehmen den Kapitalmarkt zur Finanzie­ rung ihrer Investitionen nutzt. Dabei sind verstärkt auch Unternehmen mit geringerer Bonität am Ka­ pitalmarkt aktiv geworden.  ▶ Seite 11

◆◆ Der Erfolg eines von Anleihen geprägten bzw. do­

minierten Portfolios hängt maßgeblich davon ab, inwiefern es den Portfoliomanagern gelingt, den teilweisen oder kompletten Ausfall einzelner An­ leihen zu verhindern. Ein solcher Ausfall einzel­ ner Emittenten ist durch den Ertrag der anderen Anleihen kaum zu kompensieren. Insofern ist die risikoorientierte Emittenten- und Titelselektion im Anleihebereich von besonderer Bedeutung.  ▶ Seite 14

◆◆ Neben

den konventionellen Finanzratings von S&P, Moody’s und Fitch haben sich in den vergan­ genen Jahren Nachhaltigkeitsratings am Markt etabliert, die von einer stetig steigenden Zahl von institutionellen Investoren und Vermögens­ verwaltern für die Kapitalanlage bzw. die Gestal­ tung nachhaltiger Anlageprodukte genutzt wer­ den. Nach Berechnungen der Global Sustainable Investment Alliance (GSIA) wurden Ende 2012 weltweit mehr als zehn Billionen Euro unter Be­ rücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien und damit häufig auf Basis von Nachhaltigkeitsratings investiert. Die vorliegende Studie geht der Frage nach, welche Aussagekraft die Nachhaltigkeits­ ratings für die Risikobewertung bei Corporate Bonds haben.  ▶ Seite 15

Ergebnisse der Analysen

◆◆ Die überwiegende Mehrheit der empirischen Stu­

dien, die im Rahmen der oekom Corporate BondsStudie gesichtet wurden und die auf den US-Markt fokussieren, liefert Evidenz, dass Nachhaltigkeits­ kriterien den Anlageerfolg verbessern. Sie bele­ gen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltig­ keitsratings bei der Anlageentscheidung neben der Erreichung sozialer, ökologischer oder ethi­ scher Ziele auch einen Informationsvorsprung lie­ fert, der sich für die Anleger in geringeren Risiken bzw. in höheren finanziellen Erträgen niederschla­ gen kann.  ▶ Seite 19

◆◆ Diese Ergebnisse werden durch aktuelle Analysen

auf Basis der oekom Corporate Ratings unterstri­ chen. So zeigen die Analysen zum einen, dass eine bessere Nachhaltigkeitsperformance und damit ein

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besseres Nachhaltigkeitsrating mit einer höheren Eigenkapitalquote einhergeht. Unternehmen mit oekom Prime-Status weisen eine um rund fünf Pro­ zentpunkte höhere Eigenkapitalquote auf als Un­ ternehmen, deren Nachhaltigkeitsperformance den Anforderungen des Prime-Status nicht genügen. Anleger, die sich bei der Anlageentscheidung am oekom Prime-Status orientieren, halten damit Wert­ papiere von Unternehmen mit einer überdurch­ schnittlich hohen Eigenkapitalquote in ihrem Port­ folio. Die Eigenkapitalquote kann dabei als Indiz für die Fähigkeit der Unternehmen interpretiert wer­ den, ihren Verpflichtungen aus der Emission von Corporate Bonds nachkommen zu können.   ▶ Seite 22

◆◆ Die

Analyse des Zusammenhanges zwischen Nachhaltigkeitsrating und Eigenkapitalquote wi­ derlegt zudem die These, dass man sich als Un­ ternehmen „Nachhaltigkeit leisten können muss“, dass also nur wirtschaftlich erfolgreiche Unterneh­ men über ausreichende Mittel verfügen, um ein umfassendes und systematisches Nachhaltig­ keitsmanagement zu betreiben. Ein solcher Zu­ sammenhang konnte im Rahmen der Analysen nicht gefunden werden. Dies bedeutet, dass wirt­ schaftlicher Erfolg keine Voraussetzung für ein gutes Nachhaltigkeitsrating ist, ein solches Ra­ ting aber umgekehrt ein belastbarer Indikator für ein wirtschaftlich gesundes Unternehmen ist. ▶ Seite 25

◆◆ Nachhaltigkeitsratings liefern auch wichtige Hin­

weise für die Erklärung und Bewertung der Credit Spreads. Dabei zeigt sich, dass Unternehmen mit einem überdurchschnittlich guten Nachhaltigkeits­ rating einen niedrigeren Credit Spread aufweisen, von den Investoren also als weniger riskant ange­

sehen werden. Die Beurteilung, welcher Preis bzw. welcher Risikoaufschlag für einen Corporate Bond angemessen ist, gewinnt deutlich an Präzision, wenn Nachhaltigkeitsaspekte in das Preismodell integriert werden. So lassen sich beispielsweise vermeintlich attraktive Bondpreise besser von tat­ sächlich günstigen Preisen unterscheiden. Der ent­ sprechende Erklärungsbeitrag der oekom Corpo­ rate Ratings entfaltet sich dabei zusätzlich zu allen anderen Einflussfaktoren, insbesondere auch zum konventionellen Finanzrating.  ▶ Seite 27

◆◆ Nachhaltigkeitsratings haben damit bei Anlage­

entscheidungen in Corporate Bonds gleich in zweierlei Hinsicht positive Wirkungen: Zum einen geben sie wichtige Hinweise auf die Risiken eines Teil- oder Totalverlusts bei Unternehmensanlei­ hen, die sich aus einer wirtschaftlichen Schieflage des emittierenden Unternehmens ergeben könn­ ten. Zum anderen ermöglicht die systematische Integration von ESG-Kriterien in die Auswahl von Corporate Bonds nicht nur eine Verbesserung der Nachhaltigkeitsqualität eines Portfolios, sondern wirkt sich auch positiv auf den finanziellen Ertrag eines in Unternehmensanleihen investierten Port­ folios aus.  ▶ Seite 29

◆◆ Konsequent zu Ende gedacht bedeuten diese Er­

gebnisse nicht mehr und nicht weniger, als dass man als institutioneller Investor und als Vermö­ gensverwalter, der in Corporate Bonds investiert, gut beraten ist, Nachhaltigkeitsratings bei der Kapitalanlage systematisch zu berücksichtigen. Anleger, die einer treuhänderischen Verantwor­ tung gegenüber ihren Mitgliedern oder Kunden unterliegen, könnten im Hinblick auf diese positi­ ven Wirkungen sogar dazu verpflichtet sein. ▶ Seite 29

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1. Hintergrund und Zielsetzung der Studie

1.1. Gegenstand und Ziele der Studie Vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Zinsen insbesondere bei den (bisher) als sicher geltenden Staatsanleihen haben viele institutionelle Investo­ ren in den vergangenen Jahren nach Anlagealter­ nativen gesucht. Vor allem Anleger, die auf ein be­ stimmtes Anlageergebnis angewiesen sind, das mit Staatsanleihen nicht mehr zu erreichen ist, gleich­ zeitig aber risikoreichere Anlageklassen wie Ak­tien nicht oder nur bedingt einsetzen dürfen, haben da­ bei ihr Augenmerk neben Immobilien, Infrastruktur­ projekten oder Erneuerbare-Energie-Anlagen ver­ stärkt auf Unternehmensanleihen gelenkt. Dazu zählen beispielsweise Stiftungen, die aufgrund eige­ ner mittel- bis langfristiger Projekte oder gemachter Förderzusagen ein bestimmtes Niveau an jährli­chen Zinseinnahmen erreichen müssen. Auch für Versiche­ rungen, die den Versicherten im Rahmen von Kapi­ tal­lebensversicherungen festgelegte Mindest­ver­zin­ sun­gen bieten oder Vorsorgeeinrichtungen, die die Renten und Pensionen ihrer Mitglieder finanzieren müssen, ist diese Form der Kapitalanlage zuneh­ mend interessant geworden. Unter anderem diese erhöhte Nachfrage hat dazu geführt, dass das Emissionsvolumen bei Unterneh­ mensanleihen, den Corporate Bonds, in den vergan­ genen Jahren gestiegen ist. So wurde 2012 in Europa bei Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-

Rating (IG) ein Volumen von 350 Mrd. Euro erreicht. Dabei haben auch Unternehmen diese Art der Finan­ zierung entdeckt, die unter Risikogesichtspunkten anders zu bewerten sind, als dies bei den traditionell den Markt dominierenden Großunternehmen der Fall ist. Dies zeigt u. a. eine Studie der Ratingagen­ tur Scope.4 Der Studie zufolge befand sich Ende Ok­ tober 2013 jedes achte Papier am deutschen Markt für Mittelstandsanleihen im „Distressed“-Bereich. Scope vergibt dieses Urteil, wenn der Kurs einer An­ leihe unter 65 % ihres Nennwertes liegt. Gleichzei­ tig waren am Markt einige Ausfälle zu verzeichnen. In diesem Spannungsfeld zwischen wachsendem Angebot, Renditeerfordernissen und Risikobereit­ schaft hat bei den Investoren die Frage nach der Ri­ sikobewertung von Unternehmensanleihen spürbar an Bedeutung gewonnen. Im Aktienbereich werden bereits seit einiger Zeit neben der konventionellen Finanzanalyse der Unternehmen auch Nachhaltig­ keitsratings genutzt, um die Chancen und Risiken einer entsprechenden Anlage besser einschätzen zu können. Studien belegen dabei, dass dieses Vorgehen manifeste Vorteile bringen kann. So hat beispielsweise oekom research in Kooperation mit der Deutschen Performancemessungs-Gesellschaft (DPG) die Performance der als unter Nachhaltigkeits­ aspekten als Best-in-Class bewerteten Großunter­

250 230 oekom Prime Portfolio (gleichgewichtet)

210 190 170

oekom Prime Portfolio

150 130 110

MSCI World Total Return Index®

90 70 31.12.2005 31.12.2006 31.12.2007 31.12.2008 31.12.2009 31.12.2010 31.12.2011 31.12.2012 31.12.2013

Abb. 1: Vergleich der Rendite von oekom Prime Portfolio und MSCI World Total Return Index®; Quelle: eigene Darstellung (2014) 5

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12,1

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Aktien

Aktien Staatsanleihen

21,3

50,0

Unternehmensanleihen

Unternehmensanleihen

23 25

Sonstiges

Staatsanleihen

16,6

Sonstiges

Abb. 2: Asset Allokation nachhaltiger Kapitalanlagen in Deutschland; Stand: 31.  12.  2013; in Prozent; Quelle: FNG (2014) 7

Abb. 3: Asset Allokation nachhaltiger Kapitalanlagen in Europa; Stand: 31.12.2013; in Prozent; Quelle: Eurosif (2014) 8

nehmen aus seinem Universum, das oekom Prime Portfolio Large Caps (PPLC), mit der des MSCI World Total Return Index® verglichen (vgl. Abb. 1). Ergebnis: Im Zeitraum 01.  01.  2005 bis 31.  12.  2013 erreichte das nach Marktkapitalisierung gewichtete PPLC eine kumulierte Rendite von 81,90 %. Der MSCI World Total Return Index® kam im gleichen Zeitraum auf eine kumulierte Rendite von 77,32 %. Das oekom PPLC erzielte damit im Betrachtungszeitraum eine um 4,58 Prozentpunkte oder 5,92 % bessere Rendite als der konventionelle Vergleichsindex. Eine Meta­ studie der Steinbeis-Hochschule zeigt, dass von 55 analysierten Studien zum Einfluss der Nachhaltig­ keitsorientierung auf das Anlageergebnis im Aktien­ bereich 21 einen positiven, 20 einen neutralen und nur eine einen negativen Einfluss nachgewiesen ha­ ben.6 Bei den restlichen Studien fiel das Ergebnis je nach betrachtetem Zeitraum und analysierter Region unterschiedlich aus. Während bei Aktien die Frage der Performance im Vordergrund steht, geht es bei Anleihen vorrangig um das Risiko, das eingesetzte Kapital am Ende der Laufzeit nicht komplett zurückzuerhalten und die zu­ gesicherten Zinsen nicht zu bekommen. Schon der Ausfall einer Anleihe in einem Portfolio kann den gesamten Anlageerfolg ernsthaft gefährden. Hier spielt die konventionelle Finanzanalyse traditionell eine wichtige Rolle. Im Gegensatz zum Aktienbereich wurde aber bisher nur ansatzweise analysiert, wel­ che Aussagekraft Nachhaltigkeitsratings im Hinblick auf die Fähigkeit der Unternehmen haben, ihren Ver­ pflichtungen aus der Ausgabe von Anleihen nach­ zukom­men. Dies ist umso bemerkenswerter, als der Aktienanteil in den Portfolios der genannten ins­ti­tu­ tio­nel­len Anleger in der Regel geringer ist als der Ren­ tenanteil – und dies sowohl bei den konventionellen als auch bei den nachhaltigen Anlegern.

So legen beispielsweise Altersvorsorgeeinrichtun­ gen in Europa 52 % ihres Vermögens in Anleihen an, wobei hier leider nicht zwischen Staats- und Unter­ nehmensanleihen unterschieden wird.9 Am höchsten ist der entsprechende Anteil in Deutschland (65 %) und Frankreich (62 %), am geringsten in Schweden (39 %). Bei den nachhaltigkeitsorientierten Investo­ ren liegt der entsprechende Anteil in Deutschland bei 48 %, wobei 23 % in Unternehmensanleihen an­ gelegt sind (vgl. Abb. 2). In Europa erreichen Anlei­ hen in den Portfolios nachhaltiger Anleger insgesamt einen Anteil von 40 %, Corporate Bonds machen hier 21,3 % aus (vgl. Abb. 3). Diese Erkenntnislücke zur Bedeutung von Nach­ haltigkeitskriterien bei Unternehmensanleihen soll die vorliegende Studie schließen. Dazu werden im Folgenden die Entwicklungen bei den Unterneh­ mensanleihen am europäischen und US-amerika­ nischen Markt dargestellt. Im Kapitel 1.3. werden dann zunächst die Grundlagen der konventionellen Finanzanalyse bei Unternehmensanleihen erläutert, denen anschließend die wichtigsten Eckpunkte des Nachhaltigkeits­ratings gegenübergestellt werden. Kapitel 2. stellt die Ergebnisse einer umfassen­ den Analyse von verfügbaren Studien zum Einfluss der Nutzung von Nachhaltigkeitskriterien auf den Anlageerfolg bei Unternehmensanleihen dar. Ein auffälliges Ergebnis dieser Literaturanalyse ist, dass sich die vorliegenden Studien fast ausschließlich auf den US-Markt beziehen und jeweils auf eine der drei ESG-Dimensionen fokussieren. Das Kapitel orien­ tiert sich an dieser Aufteilung und schließt mit einer Einordnung der bisher vorliegenden Ergebnisse und einer Betrachtung der offenen Forschungsfragen. Den Kern dieser oekom Corporate Bonds-Studie bildet Kapitel 3., in dem die Ergebnisse von zwei Stu­ dien zur Bedeutung der oekom Corporate Ratings bei

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der Beurteilung des Anlageerfolges bei Unterneh­ mensanleihen dargestellt werden. Die erste Studie beschäftigt sich mit der Frage, welchen Zusammen­ hang es zwischen dem Abschneiden im Nachhal­ tigkeitsrating und der Eigenkapitalquote von Unter­ nehmen gibt. Der zweite Ansatz geht der Frage nach, welchen Einfluss Nachhaltigkeitsratings auf Credit Spreads, also den Renditezuschlag, den Investo­ ren bei einer Anlage in ausfallrisikobehaftete Anlei­ hen erhalten, haben. Diese Analyse wurde durch ein Forscherteam von der Universität Hamburg und der ETH Zürich auf Basis der Nachhaltigkeitsratings von oekom research erstellt. Die Gesamtergebnisse von

Stichwort: ESG Die Abkürzung ESG steht für „Environment, So­ cial & Governance“ und beschreibt die drei The­ menbereiche Umwelt, Soziales/Gesellschaft und Unternehmensführung, die im Rahmen des Nach­ haltigkeitsmanagements und seiner Bewertung berücksichtigt werden sollen.

Literaturanalyse und eigenen Studien werden ab­ schließend in Kapitel 4. zusammengefasst und ein­ geordnet.

1.2. Der Markt für Unternehmensanleihen Unternehmensanleihen bzw. Corporates oder Cor­ porate Bonds werden von Unternehmen begeben, die diese verstärkt als Alternative zur herkömmli­ chen Kreditaufnahme bei Banken beispielsweise zur Finanzierung von Investitionen einsetzen. Unter­ nehmensanleihen sind, anders als beispielsweise

Pfandbriefe, in der Regel nicht durch zusätzliche Si­ cherheiten unterlegt. Daher kommt der Bonität der emittierenden Unternehmen aus Sicht der Investo­ ren hohe Bedeutung zu. Wie diese Bonität bewertet wird, ist Gegenstand von Kapitel 1.3.

Europa Der Markt für Unternehmensanleihen in Europa hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewon­ nen. Infolge der seit 2007 andauernden Finanz- und Wirtschaftskrise haben die Unternehmen begonnen, sich stärker als früher direkt über die Kapitalmärkte zu finanzieren, anstatt dies über Kredite zu tun. Nach

einem Rekordvolumen bei den Emissionen im Jahr 2009 verzeichneten europäische Unternehmens­ anleihen mit Investment Grade (IG) – also Anleihen mit einer guten bis sehr guten konventionellen Bo­ nitätsnote – im Jahr 2012 die bislang zweithöchsten Emissionen mit einem Volumen von insgesamt über

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Abb. 4: Entwicklung des ausstehenden Volumens von Corporate Bonds (ohne Finanzanleihen) im Zeitraum Januar 1994 bis Juni 2014 in Millionen Euro in der Eurozone; Quelle: EZB

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350 Mrd. Euro. Abb. 4 zeigt die Entwicklung des Vo­ lumens der ausstehenden Unternehmensanleihen ohne Finanzanleihen in der Eurozone. Ursächlich für diese Entwicklung waren aus Unternehmensperspek­ tive insbesondere zwei angebots- und nachfrage­ seitige Faktoren. Auf der Angebotsseite haben die Unternehmen die Erfahrung machen müssen, dass zahlreiche Banken in Europa ihre Kreditvergabe in den vergangenen Jahren in Folge höherer Eigenka­ pitalanforderungen und anderer regulatorischer Ver­ änderungen deutlich eingeschränkt haben („Kredit­ klemme“). Aus Sicht der Unternehmen war es daher erforderlich, nach alternativen Finanzierungsquellen zu suchen. Dabei stießen sie wie beschrieben auf eine steigende Nachfrage von Seiten der Anleger, die in einem Niedrigzinsumfeld nach höheren Ren­ diten suchten. Gleichzeitig haben die Erfahrungen aus der Finanzkrise dazu geführt, dass breite Anle­ gerschichten inzwischen Anleihen aus der „realen Wirtschaft“ den Finanzanleihen vorziehen. Dabei kann man am europäischen Markt leichte Unterschiede zwischen den Kernstaaten wie Deutsch­ land oder den Niederlanden auf der einen sowie Peripheriestaaten wie Italien und Spanien auf der an­ deren Seite erkennen. In den Kernstaaten war die Emission von Unternehmensanleihen nach dem Spit­ zenniveau 2009 zunächst rückläufig und hat sich 2012 erholt. In den Peripheriestaaten sind die Emis­ sionsvolumen insgesamt einer höheren Volatilität unterworfen. Sie lagen seit 2009 auf einem insge­ samt höheren Niveau als in den Kernstaaten und er­

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Abb. 5: Entwicklung des Credit Spreads zwischen Unter­ nehmens- und Bundesanleihen im Zeitraum 01. 01. 1994 und 31. 07. 2014; in Prozentpunkten; Quelle: Bundesbank

reichten im Jahr 2012 ihren Höchststand. Die Unter­ schiede bei der Emission von Unternehmensanleihen in den Kern- und Peripheriestaaten stehen dabei in starkem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Bankkrediten in den jeweiligen Ländern. Infolge der Anlegernachfrage hat sich der Rendite­ aufschlag (Credit Spread) bei europäischen Unter­ nehmensanleihen mit sehr guter Bonität seit 2012 wieder verringert. Beispielhaft zeigt dies Abb. 5 für den Credit Spread bei deutschen Unternehmens­ anleihen im Vergleich zu Bundesanleihen.

USA Trotz seiner in den vergangenen Jahren gewachse­ nen Bedeutung hat der Markt europäischer Unter­ nehmensanleihen global nur ein vergleichsweise geringes Gewicht. Er macht nur etwa ein Fünftel der weltweit begebenen Unternehmensanleihen aus, was in etwa dem Anteil der Gesamtheit der Schwel­ lenländer entspricht. Der Löwenanteil entfällt mit rund 60 % auf die USA. Die unterschiedlichen Grö­ ßenordnungen der etwa gleich großen Wirtschafts­ räume USA bzw. Europa spiegeln verschiedene Tra­ ditionen der Unternehmensfinanzierung wider. In Europa spielt, wie erwähnt, auf diesem Feld die Fi­ nanzierung über Banken die zentrale Rolle. Vor allem weniger große Unternehmen haben sich, zumindest vor der Finanzkrise, selten an den Kapitalmarkt ge­ wagt, der in den USA für alle Unternehmen eine we­ sentlich höhere Bedeutung hat. In den vergangenen Jahren verlief die Entwicklung auf beiden Seiten des Atlantiks allerdings ähnlich.

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Abb. 6: Entwicklung des Credit Spreads von Corporate Bonds mit einer Restlaufzeit von 10 Jahren und dem Moody’s-Rating Baa im Vergleich zu US-Treasuries mit gleicher Laufzeit im Zeitraum 01. 01. 1994 und 31. 07. 2014; in Prozentpunkten; Quelle: Federal Reserve Bank of St. Louis

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Auch in den USA sahen die Unternehmen in eige­ nen Anleihen eine Finanzierungsquelle, die relativ zur Aktie immer billiger wurde. Es ist sogar in Mode gekommen, Anleihen zu begeben, um vom Erlös eigene Aktien zurückzukaufen. Das Kapital stammt zunehmend von Anlegern, die eigentlich lieber in Staatsanleihen oder anderen sicheren Anleihen in­ vestiert wären, aber wegen des Niedrigzinsniveaus ein höheres Risiko in Kauf nehmen. Als Folge daraus sind auch US-Unternehmens­ anleihen inzwischen alles andere als billig. Der Ren­ diteaufschlag für das „High Yield“-Segment von re­ lativ riskanten Anleihen beträgt derzeit nicht einmal die Hälfte des langjährigen Durchschnitts. Für An­ leihen verlässlicherer Unternehmen bewegen sich die Spreads ebenfalls in der Nähe historischer Tief­ stände, liegen aber nicht so extrem niedrig wie in Europa. Abb. 6 zeigt beispielhaft den Credit Spread von Unternehmensanleihen mit einer Restlaufzeit

von zehn Jahren und einem Moody’s-Rating von Baa im Vergleich zu US-Staatsanleihen mit der gleichen Laufzeit. Höhere Renditen sind auch bei Unternehmens­ anleihen nur noch von Emittenten mit geringerer Bo­ nität zu erzielen. Gerade diese Unternehmen sind aber gegenüber Nachfrageveränderungen beson­ ders anfällig. Sollte sich die starke Nachfrage nach Unternehmensanleihen aufgrund einer stärkeren Hinwendung zu Aktien oder steigender Renditen für Staatsanleihen abschwächen, könnten insbeson­ dere die risikoreicheren Unternehmen bei der Refi­ nanzierung ihrer Anleihen mit einem dann wieder begrenzten Zugang zu Finanzmitteln zu kämpfen ha­ ben, wodurch die Ausfallwahrscheinlichkeiten stei­ gen. Diese möglichen Entwicklungen unterstreichen noch einmal die Notwendigkeit einer umfassenden Risikoprüfung bei Unternehmensanleihen.

1.3. Ansätze zur Bewertung von Emittenten und Anleihen Um die mit dem Kauf von Anleihen bestimmter Un­ ternehmen verbundenen Risiken abschätzen zu können, werden Ratings der Emittenten bzw. ein­ zelner Emissionen genutzt. Hier hat sich neben der konventionellen Unternehmensanalyse in den ver­ gangenen Jahren das Nachhaltigkeitsrating als An­

satz etabliert, der anders als konventionelle Ratings nicht unmittelbar auf finanzielle Aspekte abstellt, sondern die ökologischen, sozialen und Corporate Governance-bezogenen Leistungen (ESG) der Emit­ tenten bewertet. Beide Bewertungsansätze werden im Folgenden skizziert.

1.3.1. Grundlagen der konventionellen Bewertung von Unternehmensanleihen Auf den ersten Blick scheint es leicht zu sein, den aus einer Anleihe zu erwartenden Ertrag einzuschät­ zen: Das für den Kauf der Anleihe gezahlte Geld er­ hält man zurück, wenn die Anleihe fällig ist, und zu­ sätzlich vereinnahmt man den vereinbarten Zins, der als Nominalzins oder „Kupon“ ein zentrales Charakteristikum der jeweiligen Anleihe darstellt.

Stichwort: Emissionsrendite Die Emissionsrendite bezeichnet diejenige Ren­ dite, die der Emittent, also der Schuldner der Anleihe, bei der Emission des Wertpapiers ver­ spricht. Sie unterscheidet sich von dem verein­ barten Kupon vor allem dann, wenn der Emis­ sionspreis nicht bei 100 % liegt. Weitere, wenn auch nicht allzu gravierende Einflussfaktoren sind u. a. eine nicht jährliche Zinszahlung (z. B. quartalsweise) oder, wie in der Praxis üblich, eine nicht auf eine exakte Anzahl von Jahren lautende Laufzeit.

Der Kupon ist allerdings nicht unbedingt identisch mit dem Ertrag aus dem Kauf einer Anleihe. Denn Anleihen werden zwar typischerweise zu 100 % zu­ rückgezahlt, doch selbst bei der Emission, also der Erstausgabe einer bestimmten Anleihe, liegt der Verkaufspreis meist nicht genau bei 100 %. Ein Bei­ spiel: Wenn ein Anleger eine Anleihe mit fünfjähri­ ger Laufzeit und einem jährlichen Kupon von 6 % zu einem Emissionspreis von 101 % kauft, darf er kei­ nen jährlichen Ertrag von 6 % erwarten. Er bekommt zwar 6 % Zinsen auf den Nominalwert von 100 %, hat aber 101 % bezahlt und muss die Zinsen daher auf seinen Kapitaleinsatz beziehen. Zudem muss er die Differenz zwischen Ausgabe- und Rückzahlungs­ kurs in Höhe von 1 % als Verlust verbuchen. Grundsätzlich lässt sich die Emissionsrendite ex­ akt berechnen. Dies ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn der Kupon nicht als eine feste Zahl vereinbart wird, sondern seine Höhe von – wenn auch klar de­ finierten – Bedingungen abhängt. Prominente Bei­ spiele hierfür sind:

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◆◆ Floater,

deren Kupon von der Entwicklung der Geldmarktzinsen bestimmt wird, ◆◆ inflationsgekoppelte Anleihen, deren Kupon mit der gemessenen Inflation steigt oder fällt, ◆◆ Unternehmensanleihen, deren Kuponzahlung vom Unternehmensgewinn abhängt, und ◆◆ Anleihen mit Step-Up- (bzw. Step-Down-)-Kupon; hier erhöht sich (bzw. sinkt) der Kupon, wenn sich das Rating des Emittenten verschlechtert (bzw. verbessert). Diese Sonderformen von Anleihen spielen bei den Analysen, die im Rahmen dieser Studie vorgestellt werden, ebenso wenig eine Rolle wie der Aspekt, dass eine Fremdwährungsanleihe zusätzliche Wech­ selkursgewinne bzw. -verluste bescheren kann. Eine der zentralen Fragestellungen der vorliegenden Ar­ beit hängt vielmehr mit den Überlegungen zusam­ men, die die Höhe von (Emissions-)Renditen bestim­ men (vgl. Kap. 3.2.). Diese hängt maßgeblich von zwei Faktoren ab. Zum einen ist der Zins der Preis für die Überlassung von Geld: Wer für eine bestimmte Zeit auf sein Geld verzichtet, möchte dafür entlohnt werden. Üblicherweise erwartet der Anleger, einen Zins zumindest in der Höhe der Inflation zu erhal­ ten, weil sonst das Geld, das er zurückbekommt, real weniger wert ist als jenes, welches er ursprünglich eingesetzt hat. An den Finanzmärkten spricht man in diesem Zusammenhang von einem „risikolosen Zins“, der dem Preis für die Überlassung des Geldes entspricht. Besonders zuverlässige Emittenten wie die Bundesrepublik Deutschland können Anleihen zu diesem risikolosen Zins ausgeben. Zum anderen ist der Zins auch eine Entschädigung für das eingegangene Risiko, d. h. die Gefahr, dass man das Geld vielleicht nicht zurückbekommt. Ein Beispiel: Ein Anleger kauft eine einjährige Anleihe von einem Emittenten und befürchtet für diesen Emittenten mit vierprozentiger Wahrscheinlichkeit den Totalverlust aufgrund eines möglichen Konkur­ ses in den kommenden zwölf Monaten. Dieser Anle­

Stichwort: Kapitalmarktrating Ratingagenturen bewerten als private, gewinn­ orientierte Unternehmen die Bonität (= Kredit­ würdigkeit) von Unternehmen, Staaten und an­ deren Emittenten von Anleihen. Diese Bewertung fassen sie in einer Ratingnote zusammen. Je schlechter das Kapitalmarkt­rating einer Anleihe ausfällt, desto höher ist typischerweise deren Credit Spread.

Stichwort: Credit Spread Der Credit Spread ist ein Zuschlag bei der Ren­ dite auf den risikolosen Zins, den Investoren bei einer Anlage in ausfallrisikobehaftete Anleihen erhalten. Der Credit Spread kompensiert den Anleger für die mit der Investition verbundenen Risiken. Je höher das Insolvenz­risiko des Emit­ tenten von den Marktteilnehmern eingeschätzt wird, desto höher fällt der Credit Spread einer Anleihe aus. Der Credit Spread wird oft auch in Basispunkten angegeben, wobei ein Basispunkt als das Hundertstel eines Prozentpunktes (also 0,01 %) definiert ist.

ger wird als Ausgleich für das Totalverlustrisiko einen Zinszuschlag von zumindest 4 % einfordern. Allge­ mein gilt: Je gefährdeter ein Emittent erscheint, umso höher fällt der Risikozuschlag, der Credit Spread, auf den risikolosen Zins aus. Sowohl beim risikolosen Zins als auch beim Risikozuschlag hängt die Höhe im Übrigen auch davon ab, wann die betreffende An­ leihe fällig wird. Im Vermeiden von Anleihen, die durch die Insol­ venz des Emittenten teilweise oder gänzlich wert­ los werden, liegt der wichtigste Erfolgsfaktor eines Anleiheanlegers. Der Ausfall einer Anleihe bedeutet einen so massiven Verlust, dass er mit anderen An­ leihen nur sehr schwer kompensiert werden kann: Wenn von 50 Anleihen in einem Portfolio nur eine ausfällt, ist der entstandene Verlust durch die ande­ ren Anleihen kaum auszugleichen. Insofern ist die risikoorientierte Emittenten- und Titelselektion im Anleihebereich von besonderer Bedeutung. Orientierung bieten hierbei Ratings, die dem An­ leger mit einem Notensystem die Höhe des Ausfall­ risikos eines Unternehmens signalisieren. Aufgrund unterschiedlicher Haftungsregelungen können ver­ schiedene Anleihen des gleichen Unternehmens unterschiedliche Ratingnoten erhalten. Die Anlei­ hen mit einem geringen Ausfallrisiko werden dabei mit der Bezeichnung „Investment Grade“ (= invest­ mentwürdig) versehen, riskantere Anleihen hinge­ gen als „Non-Investment Grade“ (= nicht als Invest­ ment geeignet) oder „Junk“ (Ramsch) bezeichnet. Die Beachtung der Ratingnoten ist vielen institutio­ nellen Anlegern durch ihre Anlagerichtlinien, teils auch durch die Regulierungsbehörden vorgeschrie­ ben. Daher haben die Ratingagenturen eine extrem hohe Relevanz für den Anleihenmarkt. Weil die Ra­ tings in der Regel von den Emittenten bezahlt wer­ den, wird immer wieder die Kritik geäußert, die Ra­ tingagenturen würden nicht immer unabhängige

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und objektive Einschätzungen abgeben. Die mit Ab­ stand bedeutendsten Ratingagenturen sind Moo­dy’s sowie Standard & Poor’s (S&P), gefolgt von Fitch. Alle diese Agenturen haben ihren Sitz in den USA; eine europäische Ratingagentur hat sich bislang nicht etablieren können. Eine Ratingänderung, insbesondere eine Herab­ stufung, kann für Anleger einschneidende Konse­ quenzen haben. Etliche institutionelle Investoren sind durch ihre Anlagevorschriften auf Anleihen mit Investment Grade beschränkt. Wird eine im Bestand gehaltene Anleihe nun in den „Ramsch“-Bereich her­­­abgestuft, muss die Anleihe veräußert werden  – selbst wenn der Investor die Skepsis der Rating­ agenturen nicht teilt. Oft verkaufen institutionelle Investoren aus Vorsicht eine Anleihe bereits dann, wenn sie noch ein oder zwei Stufen vom „Ramsch“Niveau entfernt ist. Eine schlechtere Bonität geht dabei regelmäßig mit einem sinkenden Anleihekurs einher. Es muss also nicht zu einem Zahlungsausfall kommen, um einem Investor empfindliche Verluste zu bescheren – eine verschlechterte Finanzlage, die in Ratingabstufungen mündet, kann dafür ausrei­ chen. Die Ratingagenturen machen die Verfahren, mit denen sie ihre Ratings ermitteln, mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse nicht transparent. Soweit ein Einblick dennoch möglich ist, spielen ESG-Krite­ rien bei diesen Verfahren keine Rolle. Im Folgenden werden diese Ratings in Abgrenzung zu Nachhaltig­ keitsratings daher als „konventionelle Ratings“ be­ zeichnet (zur Ratingskala der konventionellen Ratingagenturen vgl. Anhang). Neben den geschilderten Aspekten im Zusam­ menhang mit Rendite und Kapitalmarktrating ist für die Anleiheinvestoren ein weiteres Thema relevant: Nicht jeder Anleger hält eine gekaufte Anleihe bis zur Fälligkeit bzw. darf dies beispielsweise vor dem Hin­

tergrund interner Anlagerichtlinien oder kauft eine Anleihe zur Emission. Vielmehr werden die meisten Anleihen während ihrer Laufzeit an der Börse gehan­ delt. In dieser Zeit ändert sich für jede Anleihe fort­ während die Rendite, die die Anleger im Schnitt für angemessen halten. Diese sogenannte Verfallsren­ dite kommt durch Änderungen des Anleihepreises zustande: Wenn der Preis der Anleihe fällt, steigt die Verfallsrendite, und umgekehrt. Wie bei der Emissionsrendite setzt sich die Ver­ fallsrendite zusammen aus der Kompensation für den vorübergehenden Verzicht auf das investierte Kapital einerseits und dem risikobedingten Credit Spread andererseits. Das aus dem Kompensations­ aspekt herrührende Zinsniveau ändert sich zwar mit der Zeit, doch diese Änderung beeinflusst alle Anleihen im gleichen Maße. Sie ist daher nicht Ge­ genstand der folgenden Analysen, muss aber für exakte Ergebnisse berücksichtigt werden. Der Cre­ dit Spread hingegen bildet sich für jede Anleihe ge­ trennt aus; in seiner Entwicklung spiegelt sich, wie sich die Einschätzung der Anlegerschaft zur jeweili­ gen Anleihe mit der Zeit ändert. Gerade diese Ent­ wicklung der Credit Spreads bietet sich besonders an für Analysen zu der Fragestellung, ob und wie ESG-Kriterien die Bewertung von Anleihen beein­ flussen können. Um die Schwankungsfreude eines Anleihekurses in einer Kennzahl ausdrücken zu können, wird aus den Kursbewegungen die Volatilität berechnet. Die Volatilität wird meist als Risikokennzahl interpre­ tiert. Für Anleger bedeuten höhere Kursschwankungen eine erhöhte Unsicherheit, welcher Kurs bei einem Verkauf erzielbar sein dürfte. Ein Portfoliomanager strebt daher bei gegebenem Ertragsziel eine mög­ lichst geringe Volatilität an.

1.3.2. Bewertung von Unternehmensanleihen auf Basis von Nachhaltigkeitsratings Der Markt für nachhaltige Kapitalanlagen ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Nach Be­ rechnungen der Global Sustainable Investment Al­ liance (GSIA) wurden Ende 2012 weltweit mehr als zehn Billionen Euro unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien angelegt.10 Private wie institutionelle Investoren haben dabei grundsätzlich zwei Motive für die Berücksichtigung entsprechender Kriterien bei der Kapitalanlage:

Werte & Verantwortung Diese mitunter als prinzipiengeleitet bezeichneten Investoren wollen auch bei der Kapitalanlage die Ziele und Werte berücksichtigen, für die sie als Per­ son oder für die ihre Organisation stehen. Hierzu zählen beispielsweise Kirchen und Stiftungen. Rendite & Risiko Rendite- und risikoorientierte nachhaltige Investoren sind davon überzeugt, dass die zusätzlichen Krite­ rien zur ESG-Performance von Emittenten dabei helfen, die Chancen und Risiken eines Emittenten

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besser zu verstehen und damit auch in finanzieller Hinsicht relevant sind. Am SRI-Markt wird dieses Thema unter der Überschrift „Materialität“ disku­ tiert. Dabei lassen sich zwei Ebenen unterscheiden: Zum einen gehen diese Investoren davon aus, dass die Qualität des Nachhaltigkeitsmanagements ein Indikator dafür ist, wie gut das Unternehmen insge­ samt geführt wird. Wer also seinen Energie- und Roh­ stoffverbrauch im Griff hat, fair mit seinen Mitarbei­ tern, Lieferanten und Kunden umgeht sowie auf die ökologische und soziale Qualität seiner Produkte achtet, dem traut man auch zu, das gesamte Unter­ nehmen gut zu führen. Zum anderen erlaubt die Be­ rücksichtigung von ESG-Kriterien die Identifikation von Managementdefiziten in wichtigen Schlüsselbe­ reichen. Wenn beispielsweise wie bei Tepco, dem ja­ panischen Betreiber der havarierten Atomkraftwerke in Fukushima, oder BP vor dem Untergang der Platt­ form „Deepwater Horizon“ eklatante Defizite im Be­ reich der „Anlagensicherheit“ identifiziert werden, ist dies unter Umweltgesichtspunkten höchst pro­ blematisch, zeigt aber gleichzeitig auch große Risi­ ken für den finanziellen Erfolg der Unternehmen (vgl. hierzu auch Kapitel 3.1.1.). Insbesondere bei den von oekom research bran­ chenspezifisch definierten Schlüsselthemen der Nach­haltigkeit, also Aspekten, die für eine nach­

haltige Ausrichtung der Branche von besonderer Bedeutung sind, haben Chancen und Risiken oft eine ganz unmittelbare finanzielle Dimension. Tab. 1 zeigt dies beispielhaft für zwei der insgesamt vier von oekom research identifizierten Schlüsselthe­ men der Telekommunikationsbranche. Basis für die Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei der Kapitalanlage sind meist entsprechende Nachhaltigkeitsratings von spezialisierten Rating­ agenturen wie oekom research. Insgesamt analysiert und bewertet oekom research mehr als 3.400 Unter­ nehmen. Das oekom Universe umfasst dabei alle Unternehmen, die in wichtigen internationalen so­ wie in zahlreichen nationalen Aktienindizes gelistet sind, und kann in drei Gruppen eingeteilt werden: 1. börsennotierte Großunternehmen aus konventio­ nellen Branchen; 2. börsennotierte, häufig kleine und mittelstän­ dische Unternehmen aus Branchen mit einem hohen Bezug zum Thema Nachhaltigkeit, z. B. aus den Bereichen erneuerbare Energien und Energie­ effizienz, Recyclingtechnologien oder Wasserauf­ bereitung; 3. nicht börsennotierte Emittenten von Anleihen, z. B. Landesbanken, supranationale Organisatio­ nen wie die Weltbank oder Eisenbahngesellschaf­ ten.

Schlüsselthema

Chancen

Risiken

Klimaschutz

◆◆ Kostenersparnis durch die energie­ effiziente Gestaltung der Netzwerke und Rechenzentren

◆◆ Beschädigung der Kommunikations­ infrastruktur durch klimawandelbedingte Extremwetterereignisse

◆◆ Reduzierung des CO2-Fußabdruckes der Kunden und dadurch Vorteile insbesondere im B2B-Bereich

◆◆ Auflagen für den Energieverbrauch von Geräten, die Kunden im Rahmen des Vertragsverhältnisses erhalten (z. B. Modems)

◆◆ Eröffnung neuer Geschäftsfelder, z. B. im Bereich Smart Grids, Smart Home und Smart Meters

◆◆ Steigende Energiekosten ◆◆ Steigende Sensibilität von Kunden in Hinblick auf die CO2-Effizienz des Unternehmens bzw. der Produkte ◆◆ Technologischer Wettlauf, um die THG-Emissionen innerhalb der Telekom­ munikationsnetze trotz steigenden Datenvolumens zu verringern

Kundenorientierung

◆◆ Hohe Sensibilität der Kunden für die Sicherheit von Daten auch vor dem Hinter­ grund der Abhörpraktiken des NSA bietet Chancen, sich als besonders „sicherer“ Anbieter zu positionieren ◆◆ Langfristige Kundenbindung durch professionelles Beschwerdemanagement

◆◆ Haftungsrisiken bei missbräuchlicher Nutzung von gestohlenen Kundendaten ◆◆ Reputationsrisiken durch den unsach­ gemäßen Umgang mit vertraulichen Kundendaten

Tab. 1: Chancen und Risiken bei ausgewählten Schlüsselthemen der Nachhaltigkeit in der Telekommunikationsbranche; Quelle: eigene Darstellung (2014)11

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Alle Unternehmen werden im Rahmen des Best-inClass-Ansatzes nach einem einheitlichen Verfahren und auf Basis umfassender Kriterienkataloge analy­ siert. Ziel des Best-in-Class-Ratings ist es, die Nach­ haltigkeitsleistungen der Unternehmen umfassend zu bewerten und innerhalb der einzelnen Branchen die Unternehmen zu identifizieren, die sich in be­ sonderem Maße für eine nachhaltige Entwicklung engagieren. Gleichzeitig sollen wichtige Aspekte dokumentiert, analysiert und bewertet werden, die im Rahmen anderer Anlagestrategien im nachhal­ tigen Investment, insbesondere bei der Integration von ESG-Aspekten in die konventionelle Finanzana­ lyse, von Bedeutung sind. Dazu werden die Unter­ nehmen auf Basis einer Vielzahl von Kriterien und Datenpunkten bewertet, die sich auf alle Bereiche der unternehmerischen Verantwortung beziehen. Zu unterscheiden sind hier der relative und der absolute Best-in-Class-Ansatz. Beim relativen An­ satz wird jeweils ein bestimmter Prozentsatz der Un­ ternehmen einer Branche als Best-in-Class definiert, z. B. die besten 20 % oder 30 %. Nachteil ist dabei, dass die letzten Unternehmen, die so in die Spit­ zengruppe hineinkommen, nicht unbedingt hohen Nachhaltigkeitsstandards genügen müssen. Dies versucht man beim absoluten Best-in-Class-Ansatz zu vermeiden, indem man – idealerweise branchen­ spezifische – Mindeststandards definiert, denen die Unternehmen genügen müssen, um einen Bestin-Class-Status zu erhalten. oekom research nutzt den absoluten Best-inClass-Ansatz. Dabei erhalten nur Unternehmen von

Stichwort: Best-in-Class Ziel des Best-in-Class-Ratings ist es, die Nach­ haltigkeitsleistungen der Unternehmen umfas­ send zu bewerten und innerhalb der einzelnen Branchen die Unternehmen zu identifizieren, die sich in besonderem Maße für eine nachhaltige Entwicklung engagieren. Dazu werden die Un­ ternehmen auf Basis einer Vielzahl von Kriterien bewertet, die sich auf alle Bereiche der unter­ nehmerischen Verantwortung beziehen. Unter­ nehmen, die den branchenspezifisch definierten Nachhaltigkeitsanforderungen genügen, werden von oekom research als Best-in-Class bewertet. oekom research hat hierfür den Begriff „Prime“ eingeführt.

oekom research den Best-in-Class-Status – oekom research hat hierfür den Begriff „Prime“ eingeführt –, die ein von oekom research festgeleg­tes Min­dest­ rating auf der von D– bis A+ (beste Note) reichenden Skala erhalten (vgl. Anhang). oekom research spricht in diesem Zusammenhang von der Prime-Schwelle, die branchenspezifisch festgelegt wird. Diese Unter­ nehmensbewertungen – die oekom Corporate Ra­ tings – für alle drei Teiluniversen bilden die Grund­ lage der in Kapitel 3. dargestellten Analysen. Die Bewertungskataloge umfassen jeweils rund 100 Einzelindikatoren, von denen ein großer Teil branchenspezifisch ist. Sie betreffen unter anderem den Umgang der Unternehmen mit Mitarbeitern und Zulieferern, die umweltgerechte Gestaltung der Pro­

oekom Corporate Rating

2 Dimensionen Social Rating

Environmental Rating 6 Kategorien

Mitarbeiter und Zulieferer

Umweltmanagement

Gesellschaft und Produktverantwortung

Produkte und Dienstleistungen

Corporate Governance und Wirtschaftsethik

Öko-Effizienz

Abb. 7: Bewertungsdimensionen und -kategorien im oekom Corporate Rating; Quelle: eigene Darstellung (2014)

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dukte sowie Umfang und Qualität des Umweltma­ nagements (vgl. Abb. 7). Insgesamt umfasst die Da­ tenbank von oekom research rund 700 Indikatoren, von denen rund 90 % branchenspezifische Aspekte betreffen. Für jede Branche werden zudem Schlüs­ selthemen der Nachhaltigkeit identifiziert und be­ wertet (vgl. Tab. 1). Sie haben regelmäßig ein Gewicht von mehr als 50 % am Rating. Die Kriterien werden regelmäßig weiterentwickelt, um beispielsweise neuen technischen, gesellschaft­ lichen oder rechtlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Zusätzlich führt oekom research für alle Unterneh­ men aus dem oekom Universe Analysen im Hinblick auf mögliche Verstöße zu insgesamt 17 Ausschluss­ kriterien durch. Unterschieden werden dabei kontro­ verse Geschäftsfelder, z. B. Alkohol, Atomenergie

oder Rüstungsgüter, und kontroverses Geschäftsver­ halten, beispielweise Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte. Die Ausschlusskriterien werden bei der vorliegenden Analyse nicht berücksichtigt. Die Nachhaltigkeitsratings beziehen sich bei oekom research grundsätzlich auf den Emittenten als Ganzes und nicht nur auf einzelne Wertpapiere. Wird ein Emittent als Best-in-Class eingestuft, be­ zieht sich dieses Urteil auf alle von ihm emittierten Wertpapiere, also z. B. auf seine Aktien und Anlei­ hen. Auftraggeber der Nachhaltigkeitsratings sind in aller Regel nicht die bewerteten Emittenten, in diesem Falle also Unternehmen, sondern die Asset Manager und Investoren, die diese für die Kapital­ anlage verwenden. Dies unterscheidet die Nachhal­ tigkeitsratings ganz fundamental von den Bonitäts­ ratings der konventionellen Ratingagenturen.

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2. Studien zum Einfluss der Nutzung von Nachhaltigkeitskriterien auf den Anlageerfolg bei Unternehmensanleihen – ein Review In den vergangenen zehn Jahren entstand eine an­ sehnliche Zahl wissenschaftlicher Analysen zu der Frage, ob ESG-Kriterien für den Anleiheinvestor wert­ volle Informationen liefern, um einen in Rendite und Risiko gemessenen, „konventionellen“ Anlage­erfolg zu verbessern. Die meisten Studien konzentrieren sich auf einen ESG-Aspekt, also auf ökologische oder auf soziale oder auf Governance-Themen. Offenbar ist jeder der drei Aspekte für den „konventionellen“ Anlageerfolg hilfreich. Bislang liegen allerdings nur Analysen vor, die Daten von Unternehmen aus den USA benutzen. Die wichtigsten davon werden im Fol­ genden dargestellt. Die meisten der in diesem Kapitel vorgestellten Studien nutzen Ergebnisse des Nachhaltigkeits­ researchs von Kinder, Lydenberg, and Domini Re­ search & Analytics, besser bekannt als KLD. Die im

Jahr 1988 in Boston gegründete KLD Research & Ana­ lytics untersuchte ausschließlich US-Unternehmen. Die Daten umfassen – neben Informationen zu kon­ troversen Geschäftspraktiken – vor allem Einschät­ zungen zu Stärken und Schwächen in sechs The­ menbereichen. Dabei sind mögliche Stärken und Schwächen vordefiniert, es wird binär die Existenz oder Nichtexistenz der jeweiligen Stärke oder Schwä­ che festgestellt. Typischerweise werden die KLD-Re­ searchergebnisse in den im Folgenden dokumentier­ ten Studien genutzt, indem die jeweilige Anzahl der Stärken bzw. Schwächen pro Themenbereich her­ angezogen wird. Der Schwerpunkt liegt dabei auf so­ zialen Aspekten, nur einer der sechs Themenberei­ che bezieht sich ausschließlich auf Umweltaspekte. KLD wurde mittlerweile übernommen und ist nicht mehr eigenständig am Markt aktiv.

2.1. Studien zu ökologischen Kriterien Chava (2011/2014)12 untersucht mit Hilfe von KLDNachhaltigkeitsdaten zwar nicht Anleihen, sondern sehr allgemein die Kosten für Eigen- und Fremdkapi­ tal, wobei letzteres von Banken bereitgestellt wird. Sein Ergebnis, dass Unternehmen für Schwächen bei ökologischen Aspekten mit höheren Kapital­ kosten bestraft werden, beinhaltet gleichwohl auch eine wertvolle Botschaft für Anleger in Anleihen, die ja nichts anderes tun, als Fremdkapital zur Verfü­ gung zu stellen: Kapitalgeber achten in der Tat auf ökologische Risiken. Ein Unternehmen, das keines der ökologischen Risiken aus dem KLD-Katalog im Griff hat, zahlt laut Chavas Ergebnissen etwa 20 % höhere Zinsen als ein ansonsten identisches Unter­ nehmen mit einer durchschnittlichen ökologischen Performance. Festzuhalten ist aber auch: Stärken im Umweltmanagement werden in dieser Studie von den kreditgebenden Banken kaum honoriert. Chava sammelt nur sehr schwache Hinweise, dass öko­ logisch besonders starke Unternehmen mit einem günstigeren Kredit rechnen dürften. Grundlage der Untersuchung sind Kredite an über 1.300 Unterneh­ men, die in den Jahren 1992 bis 2007 gewährt wur­ den. Auch Bauer/Hann (2011)13 stützen ihre Analyse auf die Daten von KLD zur Anzahl von Stärken und

Schwächen eines Unternehmens auf ökologischem Gebiet. Der Zeitraum ist mit 1995 bis 2006 ähnlich gewählt wie bei Chava. Allerdings arbeiten Bauer/ Hann mit den Daten von Corporate Bonds. Sie kön­ nen nicht nur zeigen, dass sich die konventionellen Ratings zu einem guten Teil mit den ökologischen Stärken und Schwächen eines Unternehmens nach­ vollziehen lassen, sondern auch, dass der Spread mit der Zahl der ökologischen Schwächen steigt und mit der Zahl der Stärken sinkt. Dies ist ein wichti­ ger Unterschied zu den auf die Bankkredite bezoge­ nen Ergebnissen Chavas, die nur für die Schwächen einen signifikanten Einfluss ausweisen. Bauer/Hann legen dar, dass vor der Jahrtausendwende eher Un­ ternehmen mit gutem Umweltmanagement profi­ tiert haben, dieser Effekt in den Folgejahren aber zurückging und die Bedeutung von umweltbezoge­ nen Schwächen wuchs. Die Autoren rechnen zudem vor, dass für ein Unternehmen mittlerer Bonität, das im Schnitt einen Spread von 150 Basispunkten zu erwarten hat, die ökologische Performance einen Spread-Unterschied von bis zu 80 Basispunkten be­ wirken kann. Damit erweitern Bauer/Hann die Erkenntnisse von Graham/Maher (2006)14. Diese hatten die Güte des Umweltmanagements mit Daten der US-Umwelt­

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schutzbehörde Environmental Protection Agency (EPA) gemessen. Auf dieser Datengrundlage fanden sie zwar ebenfalls, dass ESG-Kriterien sowohl die konventionellen Ratings als auch die Renditen neu begebener Corporate Bonds beeinflussen. Es ergab sich jedoch kein belastbarer Hinweis auf einen dar­ über hinausgehenden, zusätzlichen Einfluss. Auf zwei Branchen konzentriert sich Schneider (2011)15. Sowohl für die chemische Industrie als auch für die Papier- und Zellstoffbranche zieht der Autor Daten über den Umfang von Giftstoffausstö­ ßen aus dem Toxic Release Inventory der EPA heran. Er findet einen deutlichen Zusammenhang zwischen

dem Ausmaß des Giftstoffausstoßes und dem Cre­ dit Spread der Anleihen. Besonders bemerkenswert ist dabei, dass dieser Zusammenhang zusätzlich zu dem Einfluss des konventionellen Finanzratings existiert. Die Studie von Schneider bietet ein weite­ res interessantes Detail: Die Bedeutung des Schad­ stoffausstoßes für den Spread steigt, wenn sich das Finanzrating verschlechtert. Ein solides Unterneh­ men könnte demnach das Risiko, das ein schwaches Umweltmanagement erzeugt, besser verkraften als ein ohnehin als nicht allzu zuverlässig angesehenes Unternehmen.

2.2. Studien zu sozialen Kriterien Erneut die KLD-Daten werden von Bauer/Derwall/ Hann (2010)16 genutzt, um mittels der beiden The­ menfelder „Diversitätsmanagement“ und „Bezie­ hungen zur Belegschaft“ einen „Employee Relations Index“ (ERI) für über 2.000 Corporate Bonds zu kon­ struieren. Die Bestimmung der Prognosekraft dieses ERI auf das Rating und den Spread in den Jahren 1995 bis 2006 ist das Ziel der Untersuchung. Ihr Ergebnis: Ein höherer Indexstand, also bessere Leistung im Be­ reich des Human Resources Management, geht mit einem besseren Rating einher. Auch der erwartete Zusammenhang mit einem niedrigeren Spread lässt sich bestätigen. Diese Information des ERI bleibt werthaltig, wenn zusätzlich zu anderen potenziel­ len Einflussgrößen konventionelle Ratings berück­ sichtigt werden. Allerdings muss eingeschränkt wer­ den, dass die Autoren lediglich zwischen Investment Grade und Non-Investment Grade unterscheiden. Diese Ergebnisse ergänzen und bestätigen eine frühere Arbeit von Kane/Velury/Ruf (2005)17, die mit der gleichen Datenbasis gearbeitet hatten. Sie hatten jedoch keinen Index wie den ERI konstruiert, sondern lediglich Unternehmen mit guten versus

schlechten Beziehungen zu ihrer Belegschaft unter­ schieden. Diejenigen Unternehmen mit schlechten Beziehungen zur Belegschaft, so stellten die Auto­ ren fest, haben ein höheres Risiko, in finanzielle Be­ drängnis zu geraten, wobei diese durch die etablier­ te Kennzahl „Altman Z-Score“ operationalisiert wird. Der Ansatz von Oikonomou/Brooks/Pavelin (2011)18 hingegen erinnert an die Arbeit von Bauer/ Hann (2011) zu den ökologischen Kriterien. So wie jene ökologische Stärken und Schwächen der Unter­ nehmen zum Ausgangspunkt nehmen, geht dieses Forscherteam mit den sozialen Kriterien der KLDDaten vor. Auch sie finden – im Zeitraum von 1991 bis 2008 und für die Bonds von 742 Unternehmen – eine signifikante Bedeutung ihres Nachhaltigkeits­ kriteriums für die Höhe des Credit Spreads, und dies auch in relevantem Ausmaß: Gemäß ihrer Berech­ nungen kann ein Unternehmen, das bislang keine sozialen Stärken aufwies, seinen Spread um über 40 % senken, wenn es alle entsprechenden sozialen Kriterien erfüllt. Umgekehrt kann wachsende Unzu­ friedenheit in der Belegschaft den Spread im Extrem­ fall fast verdoppeln.

2.3. Studien zu Governance-Kriterien Die vorhandenen Analysen zu Governance-Kriterien beschränken sich auf formelle Aspekte. Der Einfluss externer Kontrolle, wie sie vor allem von institutio­ nellen Investoren ausgeübt werden kann, auf kon­ ventionelle Ratings und auf Spreads wurde bereits recht früh von Bhojraj/Sengupta (2003)19 analysiert, mit eindeutigen Ergebnissen: Mit einem steigenden Anteil institutioneller Investoren verbessert sich das Rating, während die Spreads sinken. Dieser Effekt

ist umso ausgeprägter, je stärker sich die Anteile auf wenige Investoren konzentrieren. Außerdem wächst die Bedeutung externer Kontrolle mit dem grund­ sätzlichen Insolvenzrisiko des Unternehmens. Die Bedeutung von Anti-Takeover-Mechanismen, d. h. Regelungen, die eine unerwünschte Übernah­ me des Unternehmens verhindern sollen, wurde von Bradley et al. (2008/2010)20 thematisiert. Sie fanden heraus, dass Anleihen von Unternehmen mit starken

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Anti-Takeover-Mechanismen einen höheren Spread aufweisen, wenn das betreffende Unternehmen we­ nig erfolgreich ist. In diesem Fall verhindern die Me­ chanismen eine möglicherweise hilfreiche Übernah­ me. Für solide wirtschaftende Unternehmen dreht

sich der Zusammenhang um. Es steht allerdings zu vermuten, dass die Existenz starker Mechanismen bei erfolgreichen Unternehmen eher als Ausweis so­ lider Strukturen gelten darf und dies die Begründung für tiefere Spreads darstellt.

2.4. Fazit Die auf den US-Markt fokussierten Analysen liefern Evidenz, dass ESG-Kriterien den „konventionellen“ Anlageerfolg tatsächlich verbessern. Die Effekte der ESG-Kriterien auf die Bewertung der Unterneh­ mensanleihen unterliegen dabei offenkundig ge­ wissen Strukturen. Erstens scheinen ESG-Risiken eine größere Rolle zu spielen als positive Leistun­ gen auf diesem Gebiet. Dies erscheint plausibel, da die strategische Situation von Anleiheinvestoren eine Asymmetrie aufweist: Neben der vereinbarten Zahlung von Zins und Tilgung kann er nur begrenzt Kursgewinne erwarten; hingegen erstreckt sich das Verlustrisiko komplett auf das eingesetzte Kapital. Zweitens ändert sich die Stärke des Einflusses von ESG-Kriterien mit der Bonität des Unternehmens: Bei bonitätsschwachen Unternehmen wächst der positive Einfluss guter Governance, hingegen ver­ lieren ökologische Risiken an Bedeutung, da das

Unternehmen ohnehin bereits als riskant gilt. Drit­ tens gibt es Hinweise, dass zumindest bei einigen ESG-Aspekten, darunter wohl vor allem den ökolo­ gischen, der Einfluss auch von der Branchenzugehö­ rigkeit abhängt. Für den „konventionellen“ Anleger lautet die spannendste Frage nicht, ob ESG-Kriterien für sich genommen hilfreiche Informationen darstellen, son­ dern ob sie zusätzlich zu der etablierten, konven­tio­ nellen Informationsbasis Erkenntnisse liefern. Einige der betrachteten Analysen finden in der Tat positive Evidenz dafür.21 Dies ist wohl die aus Investorensicht wichtigste Erkenntnis der Literaturübersicht: Die Be­ rücksichtigung von Nachhaltigkeits­ratings bei der Anlageentscheidung verschafft neben den nachhal­ tigkeitsbezogenen oder ethischen Vorteilen auch einen Informationsvorsprung, der sich in höheren fi­ nanziellen Erträgen niederschlagen kann.

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3. Bedeutung der oekom Nachhaltigkeitsratings für die Beurteilung von Anlagechancen und -risiken bei Unternehmensanleihen Die folgenden Kapitel dokumentieren die Ergebnisse von zwei neuen Untersuchungen, die sich mit dem Zusammenhang von Nachhaltigkeitsratings und den Anlagechancen und -risiken bei Unternehmensanlei­ hen beschäftigen. Die erste Studie geht der Frage nach, ob man aus dem Abschneiden im Nach­hal­­ tigkeits­rating Rückschlüsse auf die Bilanzstrukturen der Unternehmen und damit auf die Zahlungsfähig­ keit ziehen kann. Diese ist wiederum Vorausset­ zung für die Bedienung der Verpflichtungen aus der Emission von Unternehmensanleihen, sprich der Zahlung der Zinsen und der Rückzahlung des auf­

genommenen Kapitals. Betrachtet wird hierbei die Eigenkapital­quote der Unternehmen. Die zweite Ana­ lyse beschäftigt sich mit der Bedeutung von Nach­ haltigkeitsratings für die Erklärung der Preisstruktur von Anleihen. Beide Analysen nutzen für die Bewer­ tung der Nachhaltigkeitsleistungen der Unterneh­ men die Corporate Ratings von oekom research. Sie berücksichtigen dabei auch europäische Unterneh­ men und ergänzen damit die in Kapitel 2. vorgestell­ ten vorliegenden Studien, die sich ausschließlich auf US-Unternehmen beziehen.

3.1. Zusammenhang von Nachhaltigkeitsrating und Eigenkapitalquote 3.1.1. Fragestellung „British Pinocchio“ nennen die Bewohner der Süd­ küste der USA, die noch immer unter den Auswirkun­ gen des Unfalls auf der Plattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko im Jahr 2010 leiden, den briti­ schen Ölkonzern BP. Der Unfall hat nicht nur der Re­ putation des Unternehmens geschadet, sondern auch massive finanzielle Folgen, die für die Anleger relevant sind, die Aktien und Anleihen des Unterneh­ mens halten. So hat sich BP im November 2012 mit den US-Behörden in einem ersten Prozess auf die Zahlung einer Rekordstrafe von rund 3,5 Mrd. Euro geeinigt. Der Gesamtschaden für BP – und seine Anleger – steht aber noch nicht fest. Bis Ende Feb­ ruar 2013 hat der Konzern bereits ein Fünftel seiner auf insgesamt 300 Mrd. US-Dollar geschätzten Ge­ schäftsteile verkauft, um für die Kosten der Umwelt­ katastrophe geradezustehen. Gut 38 Mrd. US-Dollar zahlte er bis dahin nach einem außergerichtlichen Vergleich an Fischer, Hotel- und Restaurantbetreiber und andere Opfer der Ölpest. Beobachter schätzten zu dem Zeitpunkt, dass die Schadensersatzzahlun­ gen bis auf 50 Mrd. US-Dollar steigen könnten, da­ mals knapp 40 % des Börsenwerts. Im oekom Corporate Rating erhielt BP gerade wegen Defiziten im Bereich der Anlagensicherheit bereits lange vor dem Unfall schlechte Noten. Ana­ loges gilt für das japanische Unternehmen Tepco, den Betreiber der havarierten Atomkraftwerke in Fu­

kushima. Auch die zwischenzeitlich verstaatlichte Hypo Real Estate ließ durch ein vor allem auf man­ gelnder Transparenz beruhendes schlechtes Nach­ haltigkeitsrating erahnen, dass das Management insgesamt Defizite aufwies. Investoren, die sich bei diesen drei Unternehmen an den Nachhaltigkeits­ ratings von oekom research orientiert haben, wur­ den vor größeren finanziellen Verlusten bewahrt. Dies sind nur drei von zahlreichen Einzelbeispielen, die zeigen, welche Vorteile die Nutzung von Nach­ haltigkeitsratings in der Kapitalanlage haben kann. Sind dies aber nur anekdotische Einzelfälle oder steckt dahinter eine Systematik, die man mit einer strukturierten Empirie überprüfen kann? Es erweist sich als grundsätzlich schwierig, ein­ zelne Negativereignisse als Basis für die Beantwor­ tung dieser Fragestellung zu nehmen. So gesche­ hen schwere Katastrophen wie in Seveso, Bhopal, im Golf von Mexiko oder in Fukushima – glückli­ cherweise – zu selten, um darauf eine belastbare sta­tistische Analyse aufzubauen. Alternativ kleinere Unfälle zusammenzutragen, sauber abzugrenzen und zu gewichten, ist nur mit einer notgedrungen willkürlichen Abwägung möglich. Schließlich haben alle Ereignisstudien das Problem, dass man für die Erklärung des beobachteten Effekts, z. B. den Ein­ bruch des Aktienkurses, alle anderen möglichen Ein­ flussfaktoren bestimmen und herausrechnen muss,

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die es in dem beobachteten Zeitraum neben dem Er­ eignis noch gegeben hat. Als klar definierbare Alternative zu Einzelereig­ nissen bietet sich zur Beantwortung der „System­ frage“ die Insolvenz eines Unternehmens an. Um sich der Frage zu nähern, ob ein schlechteres Nach­ haltigkeitsrating tendenziell mit einem höheren In­ solvenzrisiko des entsprechenden Unternehmens einhergeht, erscheint es naheliegend, sich die Un­ ternehmen anzusehen, die tatsächlich insolvent ge­ gangen sind. Jedoch sind auch hier die Fallzahlen für eine statistische Analyse zu gering. Zwar gibt es insgesamt zahlreiche Insolvenzen, aber nicht sehr viele im Universum der auf Basis von ESG-Kriterien untersuchten Unternehmen. Hinzu kommt, dass in­ solvenzgefährdete Unternehmen oft gekauft oder fusioniert werden, bevor die drohende Insolvenz rea­ lisiert wird. Eine Insolvenz ereilt ein Unternehmen aber nicht über Nacht; vielmehr gibt es Konstellationen, die mit Insolvenzgefährdung assoziiert werden können. Ein zentrales Kriterium ist dabei ein hoher Schulden­ stand, der gleichbedeutend ist mit einer geringen Eigenkapitaldecke. Von langfristig handelnden Un­ ternehmensführern darf man erwarten, dass sie auf kurzfristige Gewinnmaximierung durch die bilanziel­ le „Hebelung“ – wie ein hoher Schuldeneinsatz im

angelsächsischen Sprachgebrauch genannt wird – verzichten, um das Unternehmen vor vermeidbaren Existenzrisiken zu schützen. Gleichzeitig dürfte die Betonung der langfristigen Erfolgssicherung dazu führen, dass in solchen Unternehmen überdurch­ schnittliche Bemühungen um Nachhaltigkeit zu be­ obachten sind. Die Eigenkapitalquote der Unternehmen bildet im Folgenden die Grundlage der Analysen. Sie wird zum einen im Verhältnis zur Gesamtnote des oekom Corporate Ratings betrachtet. Wie in Abb. 7 darge­ stellt, teilt sich dieses Rating auf einer ersten Ebene in zwei Dimensionen, das Umwelt- und das SozialRating. Inwiefern diese eine im Hinblick auf die Fra­ gestellung nach der Eigenkapitalquote unterschied­ liche empirische Bedeutung aufweisen, wird im Folgenden ebenfalls analysiert. Zusammenfassend lässt sich folgende These für eine empirische Untersuchung zu diesem The­ mengebiet formulieren: „Je besser die ESG-Perfor­ mance und damit das Nachhaltigkeitsrating eines Unternehmens ausfallen, umso höher ist tendenzi­ ell seine Eigenkapitalquote.“ Diese These lässt sich statt für die gesamte ESG-Performance ebenso gut für die Performance in der sozialen bzw. ökologi­ schen Dimension formulieren.

3.1.2. Untersuchungsdesign und Grundgesamtheit Für die vorliegende Analyse des Zusammenhanges zwischen Eigenkapital und Nachhaltigkeitsrating wurden die Bilanzdaten von Unternehmen mit den Nachhaltigkeitsratings verknüpft. Für die Nachhal­­tig­ keitsratings wurde auf die im Kapitel 1.3.2. be­schrie­ benen Daten von oekom research zurück­ge­grif­fen. Bilanzdaten standen für große börsennotierte Un­ter­­­ nehmen aus der ganzen Welt zur Verfügung. Von zen­ traler Bedeutung war dabei die Eigenkapital­quote, die als Quotient aus Eigenkapital und Bi­lanz­­summe berechnet wurde. Unternehmen, die aufgrund von Steuersparmodellen ein negatives Eigen­kapital aus­ wiesen, wurden aus der Datengrundlage entfernt. Die Ertragsstärke ließ sich als Quotient aus dem ope­ rativen Gewinn und der Bilanzsumme ermitteln. Die Unternehmensgröße wurde über die Bilanzsumme operationalisiert, die Länderzuordnung wurde selbst durchgeführt. Länder wie Branchen wurden in die Modelle über die in Regressionsmodellen oft ver­ wendete Konstruktion sogenannter Dummy-Variab­ len einbezogen. Dabei wird z. B. für ein deutsches Unternehmen die Dummy-Variable „Deutschland“ auf eins gesetzt, und alle anderen Länder-Dummys

auf null. Hiermit werden Besonderheiten aufgefan­ gen, die Unternehmen eines bestimmten Landes be­ treffen, wie z. B. die Steuergesetzgebung. Auch der oekom Prime-Status wird per Dummy-Variable ein­ bezogen: Bei einem „Prime“-Unternehmen wird die Variable eins, bei einem „Not Prime“-Unternehmen wird sie null. Die ökonometrischen Schätzungen wurden als Querschnittsanalyse mit dem Referenzjahr 2012 an­ gelegt. Nachdem für 2013 die Bilanzdaten noch nicht komplett vorliegen, ist 2012 das aktuellste Jahr mit vollständigen Daten. Um zu berücksichtigen, dass das Management für die Steuerung der Bilanzstruktur Zeit benötigt, wurden die Nachhaltigkeitsratings aus dem Vorjahr benutzt, also aus 2011. Dies diente gleichzeitig der Vermeidung statistisch-technischer Probleme, die immer zu berücksichtigen sind, wenn aufgrund von Gleichzeitigkeit eine wechselseitige Beeinflussung nicht ausgeschlossen werden kann. Aus dem glei­ chen Grund wurden auch die anderen Bestimmungs­ faktoren wie z. B. die Unternehmensgröße aus dem Vorjahr herangezogen.

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Von den zur Verfügung stehenden Daten interna­ tionaler, börsennotierter Unternehmen ließen sich 636 Beobach­tungen mit vollständigem Variablensatz

für die Schätzungen verwenden. Die Analyse im eu­ ropäischen Kontext basieren auf Daten von 310 Un­ ternehmen.

3.1.3. Ergebnisse der Analyse Zusammenhang zwischen oekom Prime-Status und Eigenkapitalquote Sieht man sich zunächst die Daten direkt an, ergibt sich als erster Eindruck: Die Unternehmen, die von oekom research mit einer besseren Ratingnote be­ wertet worden waren, scheinen sich hinsichtlich ih­ rer Eigenkapitalquote tatsächlich von den übrigen Unternehmen zu unterscheiden. Eine solche Gegen­ überstellung gibt zwar erste Hinweise, greift aber im Hinblick auf die Analyse eines solchen Zusammen­ hanges deutlich zu kurz. Die festgestellte Differenz muss nämlich nicht zwingend mit der Nachhaltig­ keitsperformance und damit mit dem Nachhaltig­ keitsrating zusammenhängen, sondern könnte auch von anderen Faktoren bewirkt werden, die sich nur indirekt über die Nachhaltigkeitseigenschaften be­ merkbar machen. Um dies zu überprüfen, werden ökonometrische Schätzungen durchgeführt. Diese haben den Vor­ teil, den möglichen Einfluss verschiedener Faktoren gleichzeitig abschätzen zu können. Die Ergebnisse der verschiedenen ökonometrischen Modelle wei­ sen einhellig in diese Richtung: Sie stützen die The­ se, dass eine bessere Nachhaltigkeitsperformance und damit ein besseres Nachhaltigkeitsrating eines Unternehmens tendenziell mit gesünderen Bilanz­ strukturen, namentlich mit einer höheren Eigen­ kapitalquote einhergeht. Die Differenz in der Eigenkapitalquote beträgt zwischen den von oekom research mit „Prime“ be­ werteten und den übrigen Unternehmen 1,9 Prozent­ punkte. Diese Differenz wächst deutlich an, wenn man andere Einflussfaktoren berücksichtigt. Dies zeigt sich bereits bei der ökonometrischen Schät­ zung einer ganz einfachen Modellierung: In ihr wird die Eigenkapitalquote des Jahres 2012 durch eine Struktur angenähert, in deren Zentrum Existenz oder Fehlen des oekom Prime-Status steht. Ergänzt wird diese durch die Dummy-Variablen für die Länderzu­ ordnung. In diesem Modell ergibt sich ein deutlicher Vorteil für Prime-Unternehmen: Sie weisen im Durch­ schnitt eine um gut 4,6 Prozentpunkte höhere Eigen­ kapitalquote auf. Die Irrtumswahrscheinlichkeit be­ trägt dabei lediglich 0,3 %. Darunter versteht man die modellimplizit berechenbare Wahrscheinlich­ keit, dass eine sehr zufällige Datenkonstellation den gefundenen Effekt vortäuscht, obwohl er in Wirklich­

keit nicht existiert. Nach diesem Ergebnis halten An­ leger, die sich auf nachhaltige Unternehmen konzen­ trieren und andere Investitionskriterien ignorieren, Wertpapiere von Unternehmen mit einer überdurch­ schnittlich hohen Eigenkapitalquote in ihrem Port­ folio. Die Signifikanz dieses Effekts bleibt ebenso wie die Größenordnung erhalten, wenn man weitere Bestimmungsgrößen für die Eigenkapitalquote be­ rücksichtigt. Sowohl Größe als auch Ertragsstärke von Unternehmen erweisen sich in dieser Regres­ sion als keine relevanten Einflussfaktoren. Der ge­ schätzte Effekt des Prime-Status auf die Eigenkapi­ talquote steigt noch leicht an auf nun knapp 5 %, das Signifikanzniveau bleibt deutlich über der 99 %Schwelle, d. h. die Irrtumswahrscheinlichkeit beträgt nur noch 0,1 %. Der Zusammenhang lässt sich in vergleichbarer Größenordnung auch finden, wenn man die Daten­ basis auf europäische Unternehmen beschränkt. Hier errechnet sich bei einer Irrtumswahrscheinlich­ keit von 2,7 % ein Prime-Zuschlag von 4,5 Prozent­ punkten. Die innerhalb Europas größere Homogeni­ tät schlägt sich in den Variablen Unternehmensgröße und Ertragsstärke nieder, die nun beide die Eigen­ kapitalquote positiv beeinflussen. Zusammenhang zwischen Ratingnote und Eigenkapitalquote Im nächsten Analyseschritt wurde der Prime-Status als Nachhaltigkeitskriterium ersetzt durch die von oekom research per Ende 2011 vergebene numeri­ sche Ratingnote. Aufgrund der für die verschiede­ nen Branchen unterschiedlichen Bewertungskrite­ rien wurde diese Spezifikation mit Dummy-Variablen für die Branchenzugehörigkeit modelliert. Wiederum findet sich, dass global betrachtet die Unterneh­ men mit einer besseren ESG-Performance zu einer höheren Eigenkapitalquote tendieren. Eine nume­ rische Notenstufe geht dabei im Schnitt mit einer etwa 5,8 % höheren Eigenkapitalquote einher; die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei 0,1 %. Auch die Ertragskraft weist weiterhin einen signifikant posi­ tiven Effekt auf, während die Unternehmensgröße wohl bereits durch die Branchenzuordnung abge­ bildet wird und nicht mehr signifikant wird. Auf der rein europäischen Datengrundlage spielt die Nach­

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haltigkeitsleistung sogar eine noch größere Rolle: Nun stellt sich der Effekt auf rund 8,1 % pro nume­ rischer Notenstufe, bei weiterhin sehr hohem Sig­ nifikanzniveau. Um die Robustheit dieser Ergebnisse zu überprüfen, wurden weitere Spezifikationen ge­ schätzt. Der Effekt findet sich auch für frühere Jahre und mit verschiedenen ökonometrischen Schätz­ techniken. Man kann also festhalten, dass die ur­ sprüngliche Vermutung durch die Analysen deutlich gestützt worden ist: Unternehmen mit überdurch­ schnittlicher Nachhaltigkeitsperformance weisen tatsächlich häufig eine gesündere Bilanzstruktur auf als die übrigen Unternehmen. Zusammenhang zwischen Umwelt-/ Sozial-Rating und Eigenkapitalquote Schließlich wurde noch analysiert, ob der umwelt­ bezogenen oder der sozialen Dimension des oekom Corporate Ratings eine höhere Bedeutung zukommt (vgl. Abb. 7). Dazu wurde die zuletzt erwähnte Spe­ zifikation für europäische Unternehmen wiederholt, nur dass die Gesamtnote einmal durch ihre sozia­ le Komponente und einmal durch ihre ökologische Komponente ersetzt wurde. In beiden Fällen ergab sich der gleiche Effekt, doch fiel er für die ökologi­ sche Komponente deutlich überzeugender aus. Hier stellte sich der Einfluss einer Notenstufe auf 6,4 %, und dies auf einem Signifikanzniveau von über 99 %. Hingegen erreichte die soziale Dimension le­ diglich 4,1 %. Schwerer wiegt hier, dass die Irrtums­ wahrscheinlichkeit mit 12,7 % Zweifel an der Signifi­ kanz zulässt. Die Fragestellung nach der Bedeutung der einzelnen Nachhaltigkeitsaspekte verdient si­ cherlich, in weiteren Forschungen eingehender the­ matisiert zu werden. Die vorliegenden Ergebnisse deuten jedoch auf zweierlei hin: Zum einen sollte man die Bedeutung der Ökologie für das finanzielle Risiko eines Anlegers nicht ignorieren, zum anderen ergeben sich die insgesamt besten Ergebnisse für die umfassende Nachhaltigkeitsbetrachtung, d. h. die Gesamtnote im oekom Corporate Rating. Muss man sich Nachhaltigkeit leisten können? Die in den vorangegangenen Absätzen dokumen­ tierten Analysen haben gezeigt, das ein stabiler Zu­ sammenhang zwischen den Einschätzungen des Nachhaltigkeitsratings und der Eigenkapitalquote be­steht. In der Diskussion um diesen Zusammen­ hang wird von Skeptikern regelmäßig die These auf­ gestellt, dass es hier natürlich einen Zusammenhang geben müsse, da sich nur Unternehmen ein umfas­ sendes Nachhaltigkeitsmanagement leisten kön­ nen, die wirtschaftlich erfolgreich sind. Damit wird

eine Kausalität definiert, die den ökonomischen Er­ folg als Voraussetzung für ein gutes Abschneiden im Nachhaltigkeitsrating ansieht. Wenn man die hier analysierte Eigenkapitalquote und die Ertragskraft als belastbare Hinweise auf den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmen ansieht, müsste das Nachhaltigkeitsmanagement der hier gut aufgestellten Unternehmen nach dieser These tendenziell besser bewertet werden als das wirt­ schaftlich weniger erfolgreicher Unternehmen. Für diese Annahme liefern entsprechende ökonometri­ sche Schätzungen jedoch keinen Beleg. Bei einer Re­ gression, welche die Änderung der oekom-Rating­ note von 2011 auf 2013 modelliert, ergibt sich für die in 2011 erzielte Eigenkapitalquote ein äußerst gerin­ ger Einfluss: Eine Verbesserung um zehn Prozent­ punkte würde die Ratingnote um ein Hundertstel verbessern. Bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 19 % hat dieser Zusammenhang ohnehin als insig­ nifikant zu gelten. Die Rentabilität von 2011 weist sogar den gegenteiligen Effekt aus, bei einer Irr­ tumswahrscheinlichkeit von 25 % darf man jedoch ebenfalls unterstellen, dass der Effekt in Wahrheit gleich null ist. Varianten dieser Regression, bei de­ nen man mit Veränderungsraten arbeitet, andere Zeitpunkte wählt oder den Prime­Status anstelle des Ratings verwendet, liefern ebenfalls keinerlei Hin­ weis darauf, dass nur wirtschaftlich erfolgreichere Unternehmen ihre Anstrengungen im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements erhöhen. Dies ist besonders bemerkenswert, da die zuvor geschilderten Ergebnisse den umgekehrten Effekt – also eine Verbindung von Nachhaltigkeitsrating und Eigenkapitalquote – belegen. Die gefundenen Er­ gebnisse widersprechen klar der These, dass Nach­ haltigkeit ein „Luxus“ sei, den sich nur wirtschaft­ lich erfolgreiche Unternehmen leisten können. Sie unterstützen dagegen das Argument, dass ein sys­ tematisches und an den jeweiligen Herausforderun­ gen der Branche ausgerichtetes Nachhaltigkeitsma­ nagement eher die Basis für diesen wirtschaftlichen Erfolg ist. Fazit Insgesamt bleibt als Fazit dieser Untersuchungen festzuhalten: Anleger, die auf Basis des oekom Prime-Status bzw. des überdurchschnittlichen Nach­ hal­tig­keits­ratings in Corporate Bonds investieren, treffen damit eine Auswahl von Unternehmen mit im Schnitt gesünderen Bilanzstrukturen.

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3.2. Einfluss von Nachhaltigkeitsratings auf Credit Spreads 3.2.1. Fragestellung Ebenfalls die Relevanz der oekom-Ratingnote für die Bewertung von Unternehmensanleihen hat die Forschergruppe von Prof. Dr. Timo Busch (Universität Hamburg) und Julian Kölbel (ETH Zürich) untersucht. Sie setzten jedoch nicht an der Fragestellung an, ob sich mit Hilfe von Nachhaltigkeitsratings die Wahr­ scheinlichkeit einer Insolvenz besser einschätzen lässt, sondern fokussierten sich in ihren Analysen auf den Credit Spread.22 Dabei stellten sie eine zwei­ stufige Hypothese auf. Zunächst wollten sie heraus­ finden, ob ein besseres Nachhaltigkeitsrating mit niedrigeren Kreditkosten einhergeht, was gleichbe­

deutend mit einem geringeren Credit Spread ist. Im zweiten Schritt gingen sie der Frage nach, ob die Stärke dieses Effekts im internationalen Vergleich aufgrund von kulturellen Unterschieden differiert. Letztere Frage führt über die Themenstellung dieser Studie hinaus, weswegen sich die folgenden Aus­ führungen auf die Ergebnisse zur Frage konzentrie­ ren, ob und wie stark das Nachhaltigkeitsrating von oekom research bei der Abschätzung des angemes­ senen Credit Spreads gegenüber der konventionel­ len Finanzanalyse für zusätzliche Präzision sorgen kann.

3.2.2. Untersuchungsdesign und Grundgesamtheit Für ihre Analyse haben sich die Forscher wie ange­ sprochen auf den für aktiv handelnde Investoren be­ sonders interessanten Credit Spread konzentriert, wobei sie Daten für Corporate Bonds aus der ganzen Welt heranzogen. Berücksichtigt wurden Bonds von Unternehmen, die erstens von oekom research eine Ratingnote erhalten haben und die zweitens mit ihren Aktien an einer Börse notiert werden. Nicht zu­ letzt mussten über den jeweiligen Bond ausreichen­ de Informationen vorliegen. Berücksichtigt wurden nur Bonds mit Investment Grade, also die Anleihen der besonders vertrauenswürdigen Unternehmens­ adressen sowie solche von Emittenten mit einem mittelmäßigen bis sehr guten Nachhaltigkeitsrating. Im Folgenden sind ihre Ergebnisse für die von ins­ gesamt 156 europäischen Unternehmen emittierten Anleihen dokumentiert, um in Abgrenzung zu den in Kapitel 2. dokumentierten US-fokussierten Stu­ dien auch Aussagen für diesen Markt treffen zu kön­ nen. Für ihre ökonometrische Schätzung benutzten Busch/Kölbel Quartalsdaten aus dem Zeitraum von 2007 bis 2012. Da sowohl mehrere Unternehmen als auch mehrere Zeitpunkte erfasst sind, handelt es sich um ein sogenanntes „Panel“ von Daten. Mit Panel-Daten lassen sich besonders valide Schätzun­ gen ökonomischer Zusammenhänge durchführen. Die Credit Spreads sind dabei grundsätzlich asym­ metrisch verteilt. Zwar liegt für die eine Hälfte der Unternehmen der Credit Spread zwischen 0 und etwa 100 Basispunkten, die andere Hälfte beschränkt sich aber nicht auf das gleich große Intervall von 100 bis 200 Basispunkten. Vielmehr sind 400 Basispunkte für einen „BBB“-Bond nichts Ungewöhnliches; auch

Credit Spreads oberhalb von 1.000 Basispunkten kommen vor. Daher wurde statt des Credit Spreads selbst dessen natürlicher Logarithmus berechnet. Dadurch werden absolute in relative Unterschiede verwandelt. Dies ist bei den asymmetrisch verteilten Credit Spreads sinnvoll, denn ein absoluter Zuwachs von beispielsweise 20 Basispunkten bedeutet bei sehr gut gerateten Unternehmen (etwa 50 Basis­ punkte Spread) einen relativen Zuwachs von 40 %, bei „BBB“-Bonds mit z. B. 400 Basispunkten Spread hingegen relativ nur noch 5 %. Durch die mit dem Logarithmus bewerkstelligte Umstellung auf relati­ ve Unterschiede verbessern sich die statistischen Eigenschaften der Regression. Zur Modellierung des Credit Spread griffen Busch/ Kölbel zunächst auf eine Struktur aus konventionel­ len Einflussgrößen zurück: Ein erstes Datenpaket aus betriebswirtschaftlichen Kenngrößen sollte helfen, die Kreditwürdigkeit des emittierenden Unterneh­ mens abzuschätzen. Es besteht aus der Unterneh­ mensgröße (gemessen durch die Marktkapitalisie­ rung), dem Verschuldungsgrad, der Kapitalintensität sowie der Gesamtkapitalrentabilität. Ein zweites Paket setzt sich aus Eigenschaften der jeweiligen Anleihe zusammen. Dabei handelt es sich um das nomi­nale Gesamtvolumen, die Restlaufzeit sowie das konventionelle Rating, wie es von Standard & Poor’s bereitgestellt wird. Hierbei wurde die Bestnote „AAA“ mit einer „1“ gleichgesetzt, „AA“ mit einer „2“, „A“ mit einer „3“ und „BBB“ mit einer „4“. Unterhalb von „BBB“ endet das Investment Grade-Segment, auf das sich die Studie beschränkt. Die meisten Un­ ternehmen finden sich dabei in der „BBB“-Katego­

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rie, gefolgt von „A“. Drittens wurden, wie bei Panel­ daten üblich, sogenannte „Fixed Effects“ für jedes Quartal, für jede Branche und für jedes Land einge­ setzt. Damit beugt man der Gefahr vor, dass für einen Teil des Datensatzes Einflussfaktoren existieren, was ohne „Fixed Effects“ zu verfälschten Ergebnissen führen könnte. Beispiele dafür wären konjunkturelle Sprünge oder Gesetzesänderungen. Eigenschaften der Anleihen

In einem ersten Schritt unterzogen Busch/Kölbel diese Erklärungsstruktur für den Credit Spread einer Panel-Regression ohne das oekom-Rating. Dadurch gewannen sie zunächst Gewissheit, dass die von ihnen verwendeten Einflussgrößen jeweils tatsäch­ lich den Einfluss ausübten, der theoretisch zu erwar­ ten gewesen war (vgl. Tab. 2).

Eigenschaften der Emittenten

Credit Rating

+

Marktkapitalisierung



Nominalvolumen



Verschuldungsgrad

(+)

Restlaufzeit

+

Kapitalintensität

+

Gesamtkapitalrentabilität



Tab. 2: Richtung der Einflussfaktoren auf Credit Spreads; alle Einflussfaktoren mit Ausnahme des eingeklammerten Faktors sind hochsignifikant; „+“ = positiver Zusammenhang; „–“ = negativer Zusammenhang; Quelle: eigene Darstellung (2014)

Zur Illustration, wie diese Ergebnisse zu verstehen sind, sei die Gesamtkapitalrentabilität herausge­ grif­fen. Je höher diese Kennzahl ausfällt, umso pro­ tabler arbeitet ein Unternehmen und als umso fi­ unwahrscheinlicher darf eine Insolvenz oder ein Zah­lungsausfall gelten. Daher überzeugt der nega­ tive Einfluss: Mit steigender Profitabilität sinken die als Credit Spread gemessenen Kreditkosten eines Unternehmens. Ebenso erwartungsgemäß fällt der Zusammenhang für das „Credit Rating“ aus. Da hier die kreditwürdigsten Unternehmen eine „1“ und die gefährdetsten eine „4“ erhalten haben, ist der posi­

tive Zusammenhang folgerichtig: Je mehr ein Unter­ nehmen als insolvenz­gefährdet gilt, umso höher fällt der Credit Spread aus. Im zweiten Schritt wurde das Modell durch die von oekom research vergebene Ratingnote ergänzt. Dabei wurde jeweils die zum Ende des Vorquartals vergebene Note verwendet. Diese Vorgehensweise verhindert Verzerrungen, die auftreten können, wenn z. B. eine vom betreffenden Unternehmen ausge­ löste Umweltkatastrophe gleichzeitig das Rating und den Credit Spread beeinflusst.

3.2.3. Ergebnisse der Analyse Zuerst lässt sich feststellen: Die Ergänzung des Modells durch die Nachhaltigkeitsratingnote ändert die bisherigen Ergebnisse nicht wesentlich. Die ge­ schätzten Parameter behalten nicht nur ihre Rich­ tung, sondern sogar ihre Größenordnung und ihre Signifikanz. Dies gilt insbesondere auch für das Cre­ dit Rating. Hier ergibt sich nun, dass mit jeder Noten­ stufe, um die sich das Credit Rating verschlechtert, der Credit Spread um 51 % ansteigt. In diesem sta­ bilen Kontext erreicht das oekom-Rating einen sta­ tistisch abgesicherten, sogar auf dem 99 %-Sicher­ heitsniveau signifikanten Einfluss: Unternehmen mit einer überdurchschnittlich hohen Nachhaltig­ keitsperformance weisen einen niedrigeren Credit Spread auf. Beim Preisbildungsprozess an den An­ leihemärkten gehen die Akteure offenbar davon aus, dass eine besonders nachhaltige Strategie mit einem niedrigeren Insolvenzrisiko einhergeht (vgl.

hierzu auch Kapitel 3.1.). Ein Vernachlässigen von Nachhaltigkeitsaspekten wird offenbar als erhöhtes Risiko interpretiert. Das ausgewiesene Ergebnis lässt sich wie folgt veranschaulichen: Für zwei ansonsten völlig identi­ sche Corporate Bonds verschiedener Emittenten, die sich lediglich im oekom Rating unterscheiden, darf man erwarten, dass derjenige des Emittenten mit der besseren oekom-Note einen niedrigeren Credit Spread aufweisen wird. Dabei gilt: Für eine Verbes­ serung um eine Notenstufe reduziert sich der Spread um gut 10 %. Im Bereich von 300 Basispunkten be­ deutet dies eine Verringerung von gut 30 Basispunk­ ten. Gerade in der aktuellen Niedrigzinsphase ist das eine bemerkenswerte Größenordnung, zumal sich – in Abhängigkeit vor allem von der Länge der Restlaufzeit – der Credit Spread um ein Vielfaches im Preis des Bonds niederschlägt.

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Der Anleger kann zur Optimierung seiner Risiko­ positionierung also wählen, ob er einer Anleihe A eine alternative Anleihe B vorzieht, die bei besse­ rem Nachhaltigkeitsrating ein etwas schlechteres Credit Rating aufweist – beide sollten etwa die glei­ che Rendite abwerfen. Als noch wichtiger für den Anleger aber ist der Aspekt zu werten, dass er, so­ fern er das Nachhaltigkeitsrating berücksichtigt, vor­ übergehende Fehlbewertungen einer Anleihe exak­ ter erkennen und so ein besseres Anlageergebnis erzielen kann. Um die Robustheit der Ergebnisse zu überprüfen, haben Busch/Kölbel etliche ähnliche Regressionen für andere Zeiträume und geografische Regionen durchgeführt. So wurden u. a. Jahres- statt Quartals­ daten eingesetzt. Neben den Bonds aus Europa wurden auch solche aus den weiteren Weltregionen getrennt und gemeinsam untersucht. Das grund­ sätzliche Resultat, also der valide Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeitsrating und Credit Spread, blieb in allen Spezifikationen erhalten. Für die euro­ päischen Bonds erwies sich der Zusammenhang da­ bei als am stärksten. Welche Schlussfolgerungen lassen sich nun aus diesen Ergebnissen ziehen? Zunächst einmal: Nach­ haltigkeitsratings liefern nicht nur – wie in den im Kapitel 2. dokumentierten Studien dargestellt – für den US-Markt relevante Daten zur Bewertung von Corporate Bonds, sondern auch für europäische Unternehmensanleihen. Der Erklärungsbeitrag des oekom Corporate Ratings lässt sich dabei nicht durch andere Faktoren ersetzen, er entfaltet sich zusätz­ lich zu allen anderen Einflussfaktoren, insbesondere auch zum konventionellen Finanzrating. Es ermög­ licht damit nicht nur die Verbesserung der Nachhal­

tigkeitsqualität eines Portfolios, sondern verbessert für ein Portfolio von Unternehmensanleihen auch den finanziellen Ertrag. Es erscheint bemerkenswert, dass dieser Effekt nicht nur Signifikanz aufweist, sondern auch eine relevante Größenordnung, obwohl die Analyse nur mit dem solideren Teil des Universums von Corpo­ rate Bond durchgeführt wurde. Es fehlten ja sowohl die Anleihen ohne Investment Grade als auch jene von Emittenten, deren Nachhaltigkeitsperformance so schwach ausfällt, dass sie nur eine sehr schlechte Bewertung erhalten. Man darf vermuten, dass die Er­ gebnisse bei Einbezug des gesamten Universums noch deutlicher ausgefallen wären. Festzuhalten ist schließlich auch: Dieser Erklärungsbeitrag beruht auf einem fundamentaleren Ansatz als die US-ame­ rikanischen Studien, die im zweiten Kapitel vorge­ stellt worden sind. Denn hier wurde das Ergebnis mit einer Rating-Gesamtnote erzielt und nicht mit einem einzelnen Aspekt wie z. B. dem Schadstoffausstoß. Aus Investorensicht lautet die zentrale Erkenntnis: Bei einer Anlage in europäischen Unternehmens­ anleihen lohnt es sich auf jeden Fall, systematisch Nachhaltigkeitsratings zu berücksichtigen. Die Ab­ schätzung, welcher Preis für einen konkreten Bond angemessen sein könnte, gewinnt deutlich an Prä­ zision, wenn ESG-Kriterien in das Preismodell in­ tegriert werden. So können vermeintlich attraktive Bondpreise besser von den tatsächlich günstigen Preisen unterschieden werden, während zu teure Bonds gemieden bzw. verkauft werden können. Die Frage, ob einzelne ESG-Kriterien oder doch die Ge­ samtnote ins Preismodell integriert werden sollten, ist eine Frage der weiteren Optimierung des Preis­ modells.

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4. Fazit: Nutzen Nachhaltigkeitsratings bei der Auswahl von Unternehmensanleihen? Die Ausgangsfrage der Studie nach dem Nutzen von Nachhaltigkeitsratings bei der Auswahl von Unter­ nehmensanleihen kann auf Basis der vorliegenden Ergebnisse klar mit „ja“ beantwortet werden. Nach­ haltigkeitsratings entfalten bei Anlageentscheidun­ gen in Corporate Bonds gleich in zweierlei Hinsicht positive Wirkungen: Zum einen geben sie wichtige Hinweise auf die Risiken eines Teil- oder Totalver­ lusts bei Unternehmensanleihen, die sich aus einer wirtschaftlichen Schieflage des emittierenden Un­ ternehmens ergeben könnten. Zum anderen ermög­ licht die systematische Integration von ESG-Kriterien in die Auswahl von Corporate Bonds eine umfassen­ dere Risikoeinschätzung und damit die Verbesse­ rung des finanziellen Ertrages eines in Unterneh­ mensanleihen investierten Portfolios. Die Analysen zeigen klar, dass eine bessere Nachhaltigkeitsperformance und damit ein besse­ res Nachhaltigkeitsrating mit einer höheren Eigen­ kapitalquote einhergehen. Unternehmen mit oekom Prime-Status weisen eine höhere Eigenkapitalquote auf als Unternehmen, deren Nachhaltigkeitsperfor­ mance den Anforderungen des Prime-Status nicht genügen. Anleger, die sich bei der Anlageentschei­ dung am oekom Prime-Status orientieren, halten da­ mit Wertpapiere von Unternehmen mit einer über­ durchschnittlich hohen Eigenkapitalquote in ihrem Portfolio. Eine hohe Eigenkapitalquote kann dabei als Indiz für die Fähigkeit der Unternehmen inter­ pretiert werden, ihren Verpflichtungen aus der Emis­ sion von Corporate Bonds nachkommen zu können. Nach wie vor gibt es in den Unternehmen und bei den Investoren die Einschätzung, dass man sich „Nachhaltigkeit leisten können muss“, ein gutes Nachhaltigkeitsmanagement also dann möglich ist, wenn ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich ist. Dieser Einschätzung stehen die empirischen Ergeb­ nisse entgegen, die klare Hinweise darauf geben, dass die Chronologie „erst nachhaltig, dann erfolg­ reich“ lautet und nicht umgekehrt. Auch Plausibili­ tätsüberlegungen unterstreichen diese Ergebnisse. Nur wer effizient mit Energie und Rohstoffen um­ geht, die Mitarbeiter im eigenen Unternehmen und bei den Zulieferern fair behandelt sowie marktge­ rechte Produkte und Leistungen für die sich wan­ delnden Verbraucherbedürfnisse anbietet, kann auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Das Engagement für

Umwelt und Gesellschaft ist damit nicht die Folge wirtschaftlichen Erfolges, sondern dessen Wurzel. Nachhaltigkeitsratings liefern gleichzeitig wich­ tige Hinweise für Erklärung und Bewertung der Cre­ dit Spreads. Hier zeigt sich, dass Unternehmen mit einem überdurchschnittlich guten Nachhaltigkeits­ rating einen niedrigeren Credit Spread aufweisen, von den Investoren also als weniger riskant angese­ hen werden. Die Beurteilung, welcher Preis bzw. wel­ cher Risikoaufschlag für einen Corporate Bond an­ gemessen ist, gewinnt deutlich an Präzision, wenn Nachhaltigkeitsaspekte in das Preis­modell integriert werden. Der entsprechende Er­klä­rungs­beitrag der oekom Corporate Ratings entfaltet sich dabei zusätz­ lich zu allen anderen Einflussfaktoren, insbesondere auch zum konventionellen Finanzrating. Für den In­ vestor bedeutet dies, dass es sich bei einer Anlage in Unternehmensanleihen lohnt, systematisch Nach­ haltigkeitsratings zu berücksichtigen. Dies sind insgesamt sehr positive Ergebnisse im Hinblick auf den Nutzen von Nachhaltigkeitsratings für Investoren. Konsequent zu Ende gedacht bedeu­ ten sie nicht mehr und nicht weniger, als dass man als institutioneller Investor und als Vermögensver­ walter, der in Corporate Bonds investiert, gut bera­ ten ist, Nachhaltigkeitsratings bei der Kapitalanlage systematisch zu berücksichtigen. Anleger, die einer treuhänderischen Verantwortung gegenüber ihren Mitgliedern oder Kunden unterliegen, könnten im Hinblick auf diese positiven Wirkungen sogar dazu verpflichtet sein. Investoren können dabei konkret auf zwei Mecha­ nismen setzen, über die der Informationsvorsprung aus den Nachhaltigkeitsratings das Rendite-RisikoProfil verbessert. Der eine Mechanismus ergibt sich daraus, dass Unternehmen mit besserer Nachhal­ tigkeitsperformance ein geringeres Insolvenzrisiko aufweisen. Von einem auf Nachhaltigkeitskriterien aufgebauten Portfolio darf man daher erwarten, dass es langfristig weniger von Insolvenzen betroffen sein wird als ein konventionelles, und daher über das Vermeiden von Verlustereignissen eine bessere Wertentwicklung erreichen wird. Der andere Mecha­ nismus nutzt die Abhängigkeit des Credit Spreads vom Nachhaltigkeitsrating. Ein Beispiel: Eine An­ leihe eines Unternehmens mit sehr guter Nachhal­ tigkeitsperformance mag für einen konventionellen

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Anleger einen angemessenen Credit Spread auf­ weisen, während der nachhaltige Investor erkennt, dass dieser Credit Spread die Nachhaltigkeitsperfor­ mance nicht berücksichtigt und daher zu hoch ist. Über kurz oder lang sollte der Markt dieses korrigie­

ren und der Credit Spread wird sinken, was gleich­ bedeutend ist mit einem steigenden Kurs. Solche Kursgewinne können nachhaltige Investoren erzie­ len bzw. entsprechende Kursverluste vermeiden.

Weiterer Forschungsbedarf Gleichzeitig bleiben einige Fragen offen. So bedarf es weiterer Forschungen, um besser zu verstehen, welche der Mechanismen in welchem Ausmaß da­ für sorgen, dass Nachhaltigkeitserfolge der Unter­ nehmen sich für den Anleger auszahlen. Dies zeigt sich deutlich an der ungeklärten Verbindung zwi­ schen zwei in dieser Studie mehrfach betrachteten Forschungsaspekten: Besonders nachhaltig wirt­ schaf­­­tende Unternehmen weisen ein geringeres In­ sol­venz­risiko auf, gleichzeitig erhalten sie am Anlei­ henmarkt einen „Bonus“ in Form eines geringeren Credit Spread. Aber hat dieser Bonus die ange­ messene Höhe, reflektiert er also zutreffend das für den Investor – dank der überdurchschnittlichen ESG-Performance des Unternehmens – niedrigere Risiko? Einerseits könnte angesichts der Minder­ heitsposition, in der sich nachhaltige Kapitalanle­ ger am Kapitalmarkt immer noch befinden, der an­ gemessene Spielraum noch gar nicht ausgeschöpft sein. Andererseits ist auch nicht auszuschließen, dass der nachhaltigkeitsbezogene Gewinn die An­ leger bereits veranlasst hat, die Credit Spreads tie­ fer zu treiben, als aus rein finanztheoretischer Sicht angemessen wäre. Solche Fragen sind dabei keineswegs „nur“ er­ kenntnistheoretischer Natur, sondern haben auch operative Implikationen: Je nachdem, welche Me­ chanismen die zentrale Rolle für die risikoreduzie­ rende Funktion der Nachhaltigkeit spielen, sind die Investoren entweder mit bestimmten, noch zu iden­ tifizierenden Nachhaltigkeitsaspekten am besten beraten – beispielsweise könnten einzelne Sozialoder Umweltaspekte unter dem Gesichtspunkt des Anlagerisikos alle anderen Aspekte überstrahlen. Oder verliert doch das ganze Nachhaltigkeitsbild

mit jedem fehlenden Element, sprich Indikator, an Schärfe, so dass die Investoren mit der Nutzung des umfassenden Gesamtratings doch die besten Anla­ geergebnisse erzielen? Die Studie liefert zur Beant­ wortung dieser Frage erste Hinweise. Gleichzeitig darf man nicht vergessen: Jede wei­ tere Erkenntnis auf diesem Feld wird immer nur eine Momentaufnahme sein. Denn sowohl die marktwirt­ schaftliche Wettbewerbssituation, in welcher die Un­ ternehmen stehen, als auch die Gegebenheiten der Finanzmärkte führen dazu, dass der heutige Wett­be­ werbs­vorteil morgen nur noch eine selbstverständli­ che Überlebensbedingung sein kann. Und auch das Nachhaltigkeitsrating ist kein statisches System, sondern entwickelt sich im Hinblick auf Themen und Indikatoren sowie die Bewertungsmethodik ständig weiter. Will heißen: Heutzutage reduzieren Corporate Bonds von Unternehmen mit überdurchschnittlicher ESG-Performance das Anlagerisiko und ermöglichen Handelsgewinne. Je stärker aber der Nachhaltigkeits­ gedanke in den Mainstream der Investoren vordringt, umso deutlicher werden sich die ESG-Performance auch in der Kursfindung niederschlagen und sich die Verhältnisse umkehren: Nachhaltigkeitsaspekte müssten dann von Investoren schon allein deswe­ gen beachtet werden, um systematische Anlagefeh­ ler zu vermeiden. Für die Forschung bedeutet dies: Jeder gefundene Zusammenhang wird regelmäßig darauf überprüft werden müssen, ob und wenn ja in welchem Umfang er (noch) existiert. Gleichzeitig gilt es, aufmerksam nach möglichen neuen Zusammen­ hängen zu schauen. Insofern versteht auch oekom research seine Corporate Bonds-Studie als Auftakt für die Beschäftigung mit dem Thema und nicht als Abschluss.

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Anhang: Übersicht Ratingnoten

Ratingnoten konventioneller Ratingagenturen Moody’s

Standard & Poor’s

Fitch

Bonitätsbewertung

Sehr gute Anleihen Aaa

AAA

AAA

Beste Qualität, geringstes Ausfallrisiko

Aa1 Aa2 Aa3

AA+ AA AA–

AA+ AA AA–

Hohe Qualität, aber etwas größeres Risiko als die Spitzengruppe

A1 A2 A3

A+ A A–

A+ A A–

Gute Qualität, viele gute Investmentattribute, aber auch Elemente, die sich bei veränderter Wirtschaftsentwicklung negativ auswirken können

Baa1 Baa2 Baa3

BBB+ BBB BBB–

BBB+ BBB BBB–

Mittlere Qualität, aber mangelnder Schutz gegen die Einflüsse sich verändernder Wirtschaftsentwicklung

Gute Anleihen

Spekulative Anleihen Ba1 Ba2 Ba3

BB+ BB BB–

BB+ BB BB–

Spekulative Anlage, nur mäßige Deckung für Zins- und Tilgungs­ leistungen

B1 B2 B3

B+ B B–

B+ B B–

Sehr spekulativ, generell fehlende Charakteristika eines wünschens­ werten Investments, langfristige Zinszahlungserwartung gering

Junk Bonds (hoch verzinslich, hoch spekulativ) Caa1 Caa2 Caa3 Ca

CCC+ CCC CCC– CC C

CCC

Niedrigste Qualität, geringster Anlegerschutz in Zahlungsverzug oder in direkter Gefahr des Verzugs

C

D

DDD DD D

Sicherer Kreditausfall, (fast) bankrott

Tab. 3: Ratingnoten konventioneller Ratingagenturen; Quelle: Wikipedia (2014)23

Ratingnoten oekom research oekom research bewertet die Nachhaltigkeitsperfor­ mance der Unternehmen auf einer zwölfstufigen Ra­ tingskala von D- bis A+. Für einzelne Auswertungen A+ A A– B+ B B–

Das Unternehmen zeigt sehr gute bis außergewöhnliche Leistungen. Das Unternehmen zeigt gute Leistungen.

wird die dahinterliegende nummerische Note ver­ wendet. Hier reicht die Skala von 1 bis 4 (Bestnote). C+ C C– D+ D D–

Das Unternehmen zeigt mittelmäßige Leistungen. Das Unternehmen zeigt schwache bis sehr schwache Leistungen.

Tab. 4: Ratingnoten oekom research; Quelle: eigene Darstellung (2014)

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Autoren oekom research Die oekom research AG zählt zu den weltweit führen­ den Ratingagenturen im Bereich des nachhaltigen In­ vestments. Die Agentur analysiert Unternehmen und Länder hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Performance. Als erfahrener Partner von institutionel­ len Investoren und Finanzdienstleistern identifiziert oekom research diejenigen Emittenten von Aktien und Rentenpapieren, die sich durch ein verantwor­ tungsvolles Wirtschaften gegenüber Gesellschaft und Umwelt auszeichnen. Mehr als 100 Asset Manager und Asset Owner beziehen das Research der Rating­ agentur regelmäßig in ihre Anlageentscheidungen ein. Die Analysen von oekom research beeinflussen dadurch aktuell rund 600 Mrd. Euro Assets under Management. Entscheidend für den Erfolg von oekom research ist die Glaubwürdigkeit unserer Analysen. Um diese zu gewährleisten, sind aus unserer Sicht vor allem zwei Aspekte von zentraler Bedeutung: die Unab­ hängigkeit – und zwar auf Ebene der Agentur und der Analysten – sowie ein ausgefeiltes Qualitätsma­ nagementsystem. oekom research verfolgt in die­ sen Bereichen seit der Gründung im Jahr 1993 einen konsequenten Weg und hat auf den verschiedenen Ebenen entsprechende Standards gesetzt. So ak­ zeptieren wir z. B. keine Unternehmen, die wir be­

werten, und keine Finanzmarktakteure in unserem Aktionärskreis. In Bezug auf die Qualität unse­ rer Ratingprozesse bescheinigt uns der Markt seit Jahren eine führende Position im Vergleich zu unseren Wettbewerbern. Nichtsdestotrotz haben wir unser Ratingsystem einem ausführlichen Audit durch einen Wirtschaftsprüfer auf der Basis des international anerkannten Qualitätsstandards ARISTA® der Association for Responsible Invest­ ment Services (ARISE) (www.aristastandard.org) un­ terzogen. Unser interdisziplinäres Team umfasst zur Zeit 64 Personen, davon 49 Analysten inklusive sechs Analysten vom Vertriebs- und Researchpartner GES. Um den vielfältigen Ansprüchen unserer Kunden und anderer Stakeholder gerecht zu werden und eine qualitativ hochwertige Dienstleistung anbieten zu können, bildet die kontinuierliche Aus- und Weiter­ bildung unserer Analysten einen wichtigen Schwer­ punkt. Neben dieser inhaltlichen Expertise erfordert der globale Markt auch ein zunehmendes Maß an In­ ternationalität: So sprechen unsere Mitarbeiter der­ zeit rund 2o Sprachen.

VIF – Verantwortlich Investieren an den Finanzmärkten / Dr. Stefan Klotz Mit der von ihm gegründeten „VIF – Verantwortlich Investieren an den Finanzmärkten“ bietet Dr. Stefan Klotz Lösungen und Dienstleistungen rund um In­ vestmentstrategie und Portfoliomanagement an, mit dem Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit in der Kapital­ anlage. Zu seiner Expertise zählt die operative Inte­ gration von Nachhaltigkeitskriterien in Investment­ prozesse ebenso wie die Entwicklung transparenter Verfahren, welche auf quantitativer Basis die Aus­ wahl von Aktien und Anleihen sowie die Portfolio­ strukturierung erleichtern und verbessern.

Nach Banklehre und Studium der Volkswirt­ schaftslehre forschte Dr. Stefan Klotz an der Univer­ sität Konstanz, dem Zentrum für Europäische Wirt­ schaftsforschung und dem Center of Finance and Econometrics (CoFE). Im Anschluss an die Promo­ tion begann er 2001 als Chefvolkswirt und Invest­ mentstratege beim Bankhaus Maffei in München (später DelbrückBethmannMaffei, Frankfurt). 2006 wechselte er zum Bankhaus von der Heydt, wo er die Bereiche Investmentstrategie, Portfoliomanagement und Vermögensverwaltung aufbaute – inklusive An­ gebote zur nachhaltigen Geldanlage. Er ist Mitglied im „Forum Nachhaltige Geldanlage“.

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Quellen 1 Dazu die Überblicke in: Proske, D. (2004): Katalog der Risiken. Risiken und ihre Darstellung. 3. Auflage. Eigenver­ lag: Dresden. Sowie: Ropeik, D. und Gray, G. (2002): Risk: A Practical Guide for Deciding What’s Really Safe and What’s Really Dangerous in the World Around You. Mariner Books: New York 2 Fingham, F. und Hewstone, M. (2003): Attributionstheorie und -forschung. Von den Grundlagen zur Anwendung. In: W. Stroebe, K. Jonas und M. Hewstone (Hrsg.): Sozialpsy­ chologie. Eine Einführung. 4. Auflage. Springer: Heidel­ berg, S. 215–264, hier S. 217 f. 3 Renn, O. (2014): Das Risikoparadox. Warum wir uns vor dem Falschen fürchten. Fischer-Taschenbuch: Frankfurt am Main, S. 303 f. 4 vgl. Scope Ratings (2013): Outlook 2014 – Deutscher SME Anleihenmarkt; S. 12 5 vgl. oekom research (2014): Outperformance durch Nut­ zung des oekom Prime-Standards; oekom Facts & Figures 6 vgl. Research Center for Financial Services, Steinbeis-Hoch­ schule Berlin (2013): Nachhaltige Investments aus dem Blick der Wissenschaft: Leistungsversprechen und Realität 7 Forum Nachhaltige Geldanlagen (2014): Marktbericht Nach­ haltige Geldanlagen 2014, S. 24 8 vgl. Eurosif (2014): European SRI Study 2014 9 vgl. Mercer Pressemitteilung vom 12.05.2014: „Mehr als die Hälfte der europäischen Pensionspläne investiert in alternative Anlageklassen“ 10 vgl. Global Sustainable Investment Alliance: Global Sus­ tain­able Investment Review 2012 11 vgl. oekom Industry Report Telecommunications, August 2014 12 Chava, S. (2011/2014): Environmental Externalities and Cost of Capital; Working Paper, Georgia Institute of Techno­ logy (erscheint in Management Science 2014)

13 Bauer, R. und Hann, D. (2011): Corporate Environmental Management and Credit Risk; Working Paper, Maastricht University 14 Graham, A. und Maher, J. J. (2006): Environmental liabili­ ties, bond ratings and bond yields; in: Advances in Envi­ ronmental Accouting & Management 15 Schneider, T. (2011): Is environmental performance a de­ terminant of bond pricing?; in: Contemporary Accounting Research 20, S. 1–25 16 Bauer, R., Derwall J. und Hann, D. (2010): Employee Rela­ tions and Credit Risk; Working Paper, Maastricht University 17 Kane, G. D., Velury, U. und Ruf, B. M. (2005): Employee re­ lations and the likelihood of occurrence of corporate finan­ cial distress; in: Journal of Business Finance and Accoun­ ting 32, S. 1083–1105 18 Oikonomou, I., Brooks, C. und Pavelin, S. (2011): The Effects of Corporate Social Performance on the Cost of Cor­ porate Debt and Credit Ratings; Working Paper, University of Readin 19 Bhojraj, S. und Sengupta, P. (2003): Effect of Corporate Governance on Bond Ratings and Yields; in: The Journal of Business 76, S. 455–475 20 Bradley, M., Chen, D., Dallas, G. S. und Snyderwine, E. (2010): The effects of corporate governance attributes on credit ratings and bond yields; Working Paper, Duke Uni­ versity 21 Man beachte: Negative Ergebnisse liefern nicht grundsätz­ lich eine Evidenz, dass ESG-Kriterien keinen Zusatznutzen böten, sondern nur, dass die jeweils konkret verwendeten Kriterien dies nicht tun. 22 Busch, T. und Kölbel, J. F. (2014): How culture moderates the effect of corporate sustainability on firm risk; Working Paper, Universität Hamburg / ETH Zürich 23 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Moody%E2%80%99s# Ratings

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Sponsoren

Wir bedanken uns herzlich bei allen Sponsoren für die finanzielle und ideelle Förderung der Studie.

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Impressum oekom research AG Goethestraße 28 80336 München Deutschland Fon: +49 - (0)89 - 54 41 84-90 Fax: +49 - (0)89 - 54 41 84-99 [email protected] www.oekom-research.com Vorstand: Robert Haßler Matthias Bönning Redaktion: Rolf D. Häßler Dr. Stefan Klotz (VIF) Layout und Satz: Reihs Satzstudio, Lohmar

München, im Oktober 2014

Gedruckt auf 100 % Recyclingpapier Bildnachweis: Umschlagfoto: ankiro © www.fotolia.de

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