oekom eV – Verein für ökologische Kommunikation

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen ... Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: .... Grüne Wirtschaftsordnung.
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Herausgegeben von oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO 2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter: www.oekom.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2013 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstraße 29, 80337 München Umschlaggestaltung, Layout und Satz: Lone Nielsen Lektorat: Helena Obermayr, Anke Oxenfart h Druck: Kessler Druck + Medien, Bobingen Gedruckt auf Circle matt White 100% Recycling von Arjo Wiggins/Igepagroup Alle Rechte vorbehalten. Printed in Germany ISBN: 978-3-86581-424-1

e-ISBN: 978-3-86581-553-8

oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation (Hrsg.)

Baustelle Zukunft Die Große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft

Mitherausgegeben vom Wissenschaftlichen Beirat des BUND

politische ökologie

Die Reihe für Querdenker und Vordenkerinnen

Die Welt steht vor enormen ökologischen und sozialen Herausforderungen. Um sie zu bewältigen, braucht es den Mut, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, unliebsame Wahrheiten auszusprechen und unorthodoxe Lösungen zu skizzieren. Genau das tut die politische ökologie mit einer Mischung aus Leidenschaft, Sachverstand und Hartnäckigkeit. Die politische ökologie schwimmt gegen den geistigen Strom und spürt Themen auf, die oft erst morgen die gesellschaftliche Debatte beherrschen. Die vielfältigen Zugänge eröffnen immer wieder neue Räume für das Nachdenken über eine Gesellschaft, die Zukunft hat. Herausgegeben wird die politische ökologie vom oekom e.V. – Verein für ökologische Kommunikation.

Editorial

K

limawandel, Artensterben, Ressourcenknappheit – längst ist klar, dass unsere Art zu leben und zu wirtschaften früher oder später endgültig mit den physischen Grenzen des Planeten kollidieren wird und auf dem Weg dahin nur wenige Gewinner, aber immer mehr Verlierer zurücklässt. Mittlerweile besteht Einigkeit darüber, dass wir weltweit grundlegend umsteuern müssen, hin zu klimaverträglichen Lebensstilen und einer postfossilen Wirtschaftsweise auf Basis erneuerbarer Rohstoffe und Energien. Diese große Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft wird sicher kein Spaziergang werden, stehen wir doch vor einem epochalen Wandel, der in seinem Ausmaß wohl ähnlich umwälzend sein wird, wie es die neolithische oder die industrielle Revolution waren. Gut, dass Einige sich davon nicht Bange machen lassen und längst angefangen haben etwas zu verändern: Unternehmen entziehen sich bewusst dem Wachstumsparadigma und maximieren nicht länger ihre Gewinne, sondern die Zufriedenheit ihrer Angestellten. Nachbarn teilen sich Autos und Bohrmaschinen oder bauen ihr Obst und Gemüse in urbanen Gärten gemeinsam an. Kommunen nehmen die Energieversorgung wieder selbst in die Hand und stellen Tauschringen und Bauteilbörsen städtische Räume zur Verfügung. Die Große Transformation braucht solche gesellschaftlichen Laboratorien genauso wie tief greifende politische Reformen und eine neue Form der Kommunikation zwischen Regierungen und Bürger(inne)n. Zwei Jahre nachdem der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) seinen „Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ vorgelegt hat, resümieren die Autorinnen und Autoren der politischen ökologie, in welchen Bereichen sich ein echter Wandel abzeichnet und wer ihn vorantreibt. Sie identifizieren aber auch Hindernisse und psychische Blockaden, die den Abschied vom fossilen Industriezeitalter so schwer machen. Dabei wird deutlich, dass der Umbau nicht allein mit technisch-naturwissenschaftlichen Lösungen zu stemmen sein wird. Es geht vielmehr darum, den Übergang zu einer nachhaltigen Lebensweise als einen einschneidenden kulturellen Prozess zu verstehen und aktiv zu gestalten. Dafür bedarf es nichts weniger als der Neuformulierung unseres Welt- und Selbstverständnisses. – Sind Sie bereit? Anke Oxenfarth [email protected]

politische ökologie 133 *Große Transformation

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Inhalt

Inhaltsverzeichnis

Warteschleife Einstiege

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Zugzwang Missdeuteter Vordenker Karl Polanyi und seine „Great Transformation“ Von Wolfgang Sachs

18

Willkommen im Anthropozän Der WBGU-Report „Welt im Wandel“ Von Dirk Messner

24

Der Geiselhaft entfliehen Die Große Transformation 2.0 Von Konrad Klingenburg, Kai Lindemann und Michael Müller

31

Die Zeichen richtig deuten Auf dem Weg zur einer „transformativen Literacy“ Von Uwe Schneidewind

39

Reifeprozesse Neuer Wohlstand, neues Wohlergehen Die Postwachstumsgesellschaft Von Irmi Seidl und Angelika Zahrnt

46

Eigentum muss auch das Kapital verpflichten Transformatives Wirtschaften Von Gerhard Scherhorn

53

politische ökologie 133 *Große Transformation

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Inhalt

61

Debatte mit Schlagseite Wandel des Energiesystems Von Bernd Hirschl und Astrid Aretz

68

Teller, Trog oder Tank? – Transformation! Zukunftsfähige Agrarpolitik Von Reinhild Benning

74

Schrittweise Annäherung Wissenschaft und Transformation Von Thomas Jahn und Nicola Schuldt-Baumgart

81

Schluss mit Ping-Pong Grüne Wirtschaftsordnung Von Max Schön

86

Im Kleinen das Große beginnen Eine feministische Position zur Transformation Von Christa Wichterich

Wandlungsreisende 94

Eine wirkmächtige Förderin der Veränderung Die Rolle der Kommunen Von Reinhard Loske

102 Das Zauberwort heißt Resilienz

Urbane Transformationstrends Von Bernhard Stratmann 108 Auf mehreren Ebenen agieren

Klimaschutz und Transformation Von Christian Flachsland und Ottmar Edenhofer 118

10

Vom Nullthema in den Mainstream Die Rolle der Medien in der Transformation Von Manfred Ronzheimer

politische ökologie 133 *Große Transformation

Inhalt

„Vorhersagen lässt es sich nicht, aber es liegt so Einiges in der Luft“ Von der expansiven zur reduktiven Moderne Ein Interview mit Harald Welzer

124

Wagt den Wandel! 129 Politische Botschaften für die Transformation Von Eva Leipprand

Impulse Projekte und Konzepte 136 Medien 142

Spektrum Nachhaltigkeit Zwei Jahrzehnte Manipulation 146 Anbau von Genpflanzen in den USA Von Christoph Then Von Börsen-, Gas- und Giftblasen 152 Fracking Von Claudia Baitinger und Werner Neumann Mit Kohle gegen das Klima Bankeninvestment in fossile Energieträger Von Kathrin Petz

56

Rubriken Editorial Für ihr inhaltliches und finanzielles Engagement sowie die gute Zusammenarbeit danken wir dem:

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Impressum 160 Vorschau

161

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Warteschleife

„Wer die Welt bewegen will, sollte erst sich selbst bewegen.“ Sokrates, griechischer Philosoph (469-399 v. Chr.)

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Warteschleife

Mehr als die Summe der technischen Optimierungen „[...] wenn wir uns nur auf die Technologie verlassen, [entgehen uns] die gewaltigen Möglichkeiten zur Veränderung und Verbesserung unseres Lebensstils, die diese Krise uns bietet. Wenn wir Elektroautos entwickeln, stecken wir immer noch im Stau. Wenn wir weiter Vorstädte bauen, selbst wenn sie zu hundert Prozent aus recyceltem Material bestehen, werden wir immer noch isoliert und einsam sein. Wenn wir immer weiter an der Verbesserung der Handys arbeiten, werden unsere klügsten Köpfe zu beschäftigt sein, um sich zu überlegen, wie man sauberes Trinkwasser zu den zahllosen Menschen bringt, die keines haben. Anders ausgedrückt: Wenn wir die Technologie dazu benutzen, das bestehende System so zu überarbeiten, dass es ewig fortbestehen kann, verpassen wir die Chance, uns zu fragen, ob das bestehende System wirklich das richtige für uns ist. Wir verpassen die Chance, nicht nur den Planeten zu retten, sondern auch die Menschen darauf glücklicher zu machen.“ Aus: Bavan, Colin (2010): Barfuß in Manhattan. Mein ökologisch korrektes Abenteuer. Berlin, S. 238 f.

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Warteschleife

„Wir müssen uns darauf vorbereiten, unsere gegenwärtige Lebensweise zu ändern. Dieser Wandel wird entweder geplant von uns selbst durchgeführt werden, oder er wird uns von den unerbittlichen Naturgesetzen, begleitet von Chaos und Leid, aufgezwungen werden.“ Jimmy Carter (geb. 1924), von 1977 bis 1981 Präsident der USA

Film als Seismograf gesellschaftlicher Veränderung

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Warteschleife

Die Geschichte des Kolibries – wie Wangari Maathai sie erzählte „Eines Tages brach im Wald ein großes Feuer aus, das drohte alles zu vernichten. Die Tiere des Waldes rannten hinaus und starrten wie gelähmt auf die brennenden Bäume. Nur ein kleiner Kolibri sagte sich: „Ich muss etwas gegen das Feuer unternehmen.“ Er flog zum nächsten Fluss, nahm einen Tropfen Wasser in seinen Schnabel und ließ den Tropfen über dem Feuer fallen. Dann flog er zurück, nahm den nächsten Tropfen und so fort. All die anderen Tiere – viel größer als er, wie der Elefant mit seinem langen Rüssel – könnten viel mehr Wasser tragen, aber all diese Tiere standen hilflos vor der Feuerwand. Und sie sagten zum Kolibri: „Was denkst du, dass du tun kannst? Du bist viel zu klein. Das Feuer ist zu groß. Deine Flügel sind zu klein und dein Schnabel ist so schmal, dass du jeweils nur einen Tropfen Wasser mitnehmen kannst.“ Aber als sie weiter versuchten, ihn zu entmutigten, drehte er sich um und erklärte ihnen, ohne Zeit zu verlieren: „Ich tue das, was ich kann. Ich tue mein Bestes.“ Wangari Muta Maathai (1940-2011), kenianische Wissenschaftlerin, Politikerin, Umweltaktivistin, Frauenrechtlerin und Friedensnobelpreisträgerin _ Quelle: www.youtube.com/watch?v=IGMW6YWjMxw&feature=related

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Warteschleife

Grenzverschiebungen „Der Begriff Transformation (lat. transformare) bezeichnet eine Umgestaltung oder Wandlung. Was sich dabei umgestaltet bzw. wandelt, ist diesem Begriff noch nicht inhärent, d.h. dieser legt an sich noch keinen Gegenstandsbereich fest, kann man sich doch Vieles vorstellen, das einem Wandel unterworfen ist. Fragt man danach, wie Wandlungen mit Phänomenen der Entgrenzung, d.h. der Auflösung von Grenzen zusammenhängen, dann lässt sich demensprechend konstatieren, dass jede Entgrenzung zwingend zu einer Transformation führt, aber nicht alle Transformationen auf Entgrenzungsphänomene zurückzuführen sind, können Transformationen doch nicht nur in einer Öffnung, sondern auch in einer Schließung von Grenzen bestehen. Transformationen gehen also in jedem Fall mit einer Veränderung von Grenzen einher, Entgrenzungen können dagegen als ein Spezialfall von Transformationen betrachtet werden.“ Aus: Reiche, Ruth/Romanos, Iris/Szymanski, Berenika (2011): Transformationen, Grenzen und Entgrenzungen. In: Transformation in den Künsten. Grenzen und Entgrenzungen in bildender Kunst, Film, Theater und Musik. Bielefeld, S. 13.

„Bei den Vorgängen der Transformation handelt es sich [...] um Prozesse, bei welchen Umwandlung und Umformung von Boden ohne Verlagerung stattfindet.“ (Bodenkunde) „Als Transformation wird in der Molekularbiologie die nicht-virale Übertragung freier DNA in kompetente Bakterienzellen sowie Pilze, Algen, Hefen und Pflanzen bezeichnet.“ (Genetik) „Eine Transformation im linguistischen Sinne bedeutet die Umwandlung eines Satzes einer bestimmten Form in einen bedeutungsgleichen Satz(teil) einer anderen Form.“ (Linguistik) „Transformation ist der grundlegende Wechsel oder Austausch eines politischen Regimes und gegebenenfalls auch der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Ordnung.“ (Politikwissenschaft) „Als Transformation wird die Umsetzung von Völkerrecht in nationales Recht durch Rechtsetzungsakt bezeichnet.“ (Recht) _ Quelle: Wikipedia

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ZUGZWANG Der Mensch ist mittlerweile der stärkste Treiber geoökologischer Prozesse. Damit wir die Belastbarkeitsgrenzen von Planet und Gesellschaften nicht vollends sprengen, müssen wir unsere Wirtschafts-, Arbeits- und Lebensweise grundlegend verändern. Aber wie? Wichtige Stoßrichtungen für den epochalen Wandel sind längst skizziert und harren der Umsetzung. – Wie kehrt die „entbettete“ Ökonomie in die Gesellschaft zurück? In welchen Dimensionen vollzieht sich die Große Transformation? Welche Bedeutung haben neue zivilgesellschaftliche Bündnisse?