Ecopreneurship in der Aquakultur

Eine neue Schulform vermag soziale Ungleichheit zu reduzieren, in gemein- samen Klassen vermögen lernstarke Schüler lernschwache Schüler zu ...
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Hochschulschrif ten zur Nachhaltigkeit

Tobias Lasner

Ecopreneurship in der Aquakultur Die Übernahme umweltgerechter Innovationen

Dieses Buch wurde klimaneutral hergestellt. CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren, kompensieren – nach diesem Grundsatz handelt der oekom verlag. Unvermeidbare Emissionen kompensiert der Verlag durch Investitionen in ein Gold-Standard-Projekt. Mehr Informationen finden Sie unter www.oekom.de

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Zugl. Dissertation an der Universität Kassel 2012

© 2013 oekom, München oekom verlag, Gesellschaft für ökologische Kommunikation mbH Waltherstrasse 29, 80337 München

Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel als Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften (Dr. rer. pol.) angenommen und von der Heinrich-Böll-Stiftung e. V. gefördert. Erster Gutachter: Prof. Dr. Ulrich Hamm Zweite Gutachterin: Prof. Dr. Mechthild Bereswill Tag der mündlichen Prüfung: 26. April 2013

Umschlagabbildung: Fanouss Grosse-Adda Produktion und redaktionelle Betreuung: Volker Eidems Korrektorat: der Autor Druck: Digital Print Group, Nürnberg Dieses Buch wurde auf 100%igem Recyclingpapier gedruckt. FSC (Forest Stewardship Council) ist eine nichtstaatliche, gemeinnützige Organisation, die sich für eine ökologische und sozialverantwortliche Nutzung der Wälder unserer Erde einsetzt.

Alle Rechte vorbehalten ISBN 978-3-86581-464-7 e-ISBN 978-3-86581-586-6

Tobias Lasner

Ecopreneurship in der Aquakultur Die Übernahme umweltgerechter Innovationen

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Dat hebb wi jümmer so mokt, dor ward nix an verännert, dat blivt so! Dat hett mien Grootvadder jüst so mokt.

Dankesgruß Die Menschen, die mich in den vergangenen Jahren nicht nur begleitet, sondern jeweils in ihrer Rolle zum Gelingen des vorliegenden Buches und meiner Promotion beigetragen haben, stehen auf einer langen, unvergessenen Liste. Ihnen allen, auch den nicht namentlich erwähnten, danke ich für Ihren Rat und Beistand. Namentlich gilt mein Dank meiner Schwiegermutter Faiza und meiner Frau Ferdaouss, die die Idee einer Promotion in mein Herz gepflanzt haben, als in ihm noch kein Platz für ein solches Unterfangen vorgesehen war. Mein Dank gilt meinen Eltern, die mich immer in meinem Tun unterstützt haben, ohne es in Frage zu stellen. Ich danke Herrn Prof. Dr. Hamm für die gute Betreuung meiner Arbeit und eine gute akademische Ausbildung, an der auch Frau Prof. Dr. Bereswill einen großen Anteil hatte. Ihr Engagement als Zweitbetreuerin ging weit über das übliche Maß hinaus. Für den regen Gedankenaustausch und die Interpretationsakrobatik mit Oevermann & Co. möchte ich meinem Kolloquium in Kassel und meinen Interpretationsgruppen danken. Meiner Frau Ferdaouss, meinen Freunden Timo und Kornelius sowie meiner Tante Dagmar verdankt dieses Buch allerlei Fehlerkorrekturen und inhaltliche Anregungen. Der Heinrich Böll Stiftung möchte ich für die Förderung meiner Promotion danken. Auch möchte ich der Stiftung als tolle, interdisziplinäre Plattform für die Weiterbildung und für das Kennenlernen vieler sympathischer Persönlichkeiten danken. Mein besonderer Dank gilt den von mir interviewten Fischwirten, die sich bereitwillig viel Zeit für unsere Gespräche und meine Fragen nahmen. Irwa danke ich für die zahl- und wortreichen Schachlektionen. Daniel danke ich für die soziologischen Ausflüge in und um Witzenhausen. Tobi, Ilka, Malte, Chrissi, Fanouss, Christian, Henning, Timo und vielen anderen möchte ich für schöne Zeiten in Göttingen danken - ohne diese wäre meine Promotion um einiges mühsamer geworden.

Inhaltsverzeichnis Abbildungen ____________________________________________________ 3 Tabellen _______________________________________________________ 3

1 Einleitung ____________________________________________ 5 1.1 Erkenntnisinteresse ___________________________________________ 6 1.2 Aufbau der Arbeit _____________________________________________ 6

2 Innovationsadaption als Forschungsperspektive ___________ 9 2.1 Kurze Geschichte der Diffusionsforschung ________________________ 10 2.2 Innovationsprozess __________________________________________ 14 2.2.1 Begriffsbestimmungen ___________________________________________ 15 2.2.2 Entstehung von Neuerungen im Innovationsentwicklungsprozess _________ 17 2.2.3 Übernahme von Neuerungen im Adaptionsprozess ____________________ 21 2.2.4 Verbreitung von Neuerungen in der Innovationsdiffusion ________________ 28 2.2.5 Kritik am Diffusionskonzept _______________________________________ 31

2.3 Entrepreneurship ____________________________________________ 33 2.3.1 Begriffsgeschichte ______________________________________________ 33 2.3.2 Entrepreneure als Innovatoren und frühe Adaptierende _________________ 36 2.3.3 Ecopreneurship und der Begriff „ökologische Modernisierung“ ____________ 39 2.3.4 Kritik am Entrepreneurship________________________________________ 41

2.4 Reflexion der eingenommenen Forschungsperspektive ______________ 43

3 Fischwirtschaft als Forschungsfeld _____________________ 45 3.1 Systematik der Fischwirtschaft __________________________________ 45 3.2 Entwicklungsdifferenzen in der Fischwirtschaft _____________________ 48 3.3 Beispiele umweltgerechter Innovationen in der Aquakultur ____________ 53 3.3.1 Ökologische Aquakultur __________________________________________ 54 3.3.2 Rezirkulierende Aquakultursysteme_________________________________ 57 3.3.3 Diffusion umweltgerechter Innovationen in der Fischwirtschaft ____________ 60

3.4 Reflexion der Feldbeschreibung_________________________________ 62

4 Qualitatives Verfahren als Forschungsmethode ___________ 65 4.1 Paradigmen qualitativer Forschung ______________________________ 67 4.2 Selektive Fallauswahl _________________________________________ 71 4.3 Problemzentriertes Interview als Erhebungsinstrument _______________ 77 4.4 Hermeneutische Datenanalyse _________________________________ 81 4.4.1 Transkription __________________________________________________ 81 4.4.2 Codierung und Kategorienbildung __________________________________ 83

4.5 Reflexion der gewählten Forschungsmethode ______________________ 87

5 Umweltgerechte Innovationsadaption in der Aquakultur ____ 89 5.1 Fallporträts _________________________________________________ 89 5.1.1 Öko-Fischwirte als Ecopreneure ___________________________________ 91 5.1.2 RAS-Fischwirte als Ecopreneure ___________________________________ 95 5.1.3 Konventionelle Fischwirte als „Öko-Ablehner“ ________________________ 100 5.1.4 Konventionelle Fischwirte als „RAS-Ablehner“ _______________________ 103

5.2 Kategorien als Fundament einer empirisch begründeten Theorie ______ 107 5.2.1 Ecopreneursche Motive: Zwischen Ökologie und Ökonomie_____________ 111 5.2.2 Innovationsanschluss: Vereinbarkeit von betrieblich Neuem und Altem ____ 138 5.2.3 Identität: Haltung der Akteure zu sich selbst und zur Innovation __________ 156 5.2.4 Soziale Umwelt: Positionierungen im Feld ___________________________ 174

5.3 Ecopreneurship in der Aquakultur ______________________________ 191

6 Schlussbetrachtung _________________________________ 199 6.1 Diskussion ________________________________________________ 199 6.1.1 Zur Forschungsperspektive und –methode __________________________ 199 6.1.2 Zum Ecopreneurship in der Aquakultur _____________________________ 202

6.2 Schlussfolgerungen _________________________________________ 208 6.3 Ausblick __________________________________________________ 211

7 Literatur ___________________________________________ 213 8 Anhang ____________________________________________ 229

Abbildungen Abbildung 1: Überwindung des Cultural Lags .................................................................. 19 Abbildung 2: Innovationsentscheidungsprozess (Adaptionsprozess) in fünf Phasen ....... 23 Abbildung 3: Adaptierende und Diffusionsverlauf ............................................................ 29 Abbildung 4: Elemente des Entrepreneurships ................................................................ 37 Abbildung 5: Systematik der fischwirtschaftlichen Produktion .......................................... 47 Abbildung 6: Entwicklung der globalen Produktion in Fischerei und Aquakultur .............. 49 Abbildung 7: Entwicklung des Regelsystems der ökologischen Aquakultur ..................... 56 Abbildung 8: Schema eines rezirkulierenden Aquakultursystems .................................... 58 Abbildung 9: Gründungen von rezirkulierenden Aquakultursystemen und ökologischen Aquakulturen in Deutschland 1985-2009 .................................................... 61 Abbildung 10: Komparative Fallauswahl .......................................................................... 74 Abbildung 11: Codierverfahren ........................................................................................ 87 Abbildung 12: Einzelfälle innerhalb der komparativen Fallauswahl .................................. 90 Abbildung 13: Kategorienliste ........................................................................................ 108 Abbildung 14: Kategoriensystem zur umweltgerechten Innovationsadaption ................. 110

Tabellen Tabelle 1: Auswirkungen verschiedener Faktoren auf den Adaptionsprozess ................. 27 Tabelle 2: Produktion, Handelsbilanz und Grad der Selbstversorgung der Fischwirtschaft in der EU und Deutschland 2007....................................... 51 Tabelle 3: Soziodemographische und betriebsstrukturelle Daten des Samplings ............ 76 Tabelle 4: Transkriptionszeichen ..................................................................................... 82 Tabelle 5: Struktur und empirische Verankerung einer Kategorie .................................... 86 Tabelle 6: Ökologische und ökonomische Schwerpunkte der Basisinnovationen .......... 193 Tabelle 7: Verortungen der Ecopreneure zwischen Positiv- und Negativabgleich .......... 194 Tabelle 8: Beobachtbare Neuheit und Anschlussfähigkeit des Ecopreneurships ........... 195 Tabelle 9: Gegenpositionen zum aquakulturellen Ecopreneurship ................................ 196

Einleitung

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„Wie das Philosophieren, so beginnt letztlich alles Nachdenken damit, dass man sich über etwas wundert; anders als das praktische Nachdenken, beginnt das wissenschaftliche Nachdenken allerdings damit, dass man sich – ähnlich einem Kind – über etwas wundert, was in der Praxis selbstverständlich ist“ (Loer 2006, S. 11).

1 Einleitung Etwas Neues wagen, ökonomisch und ökologisch, das ist der Nimbus der Ecopreneure. Sie gründen oder gestalten 'grüne' Unternehmen (Schaper 2005, S. 7f.). Sie sind Menschen, die umweltgerechte Innovationen übernehmen, um ihr Ziel einer wirtschaftlichen und umweltfreundlichen Unternehmung - eines Ecopreneurships - zu erreichen. Sie sind Pioniere, die als Erste ihrer sozialen Gemeinschaft mit Routinen brechen, um sozial-ökologische Probleme unkonventionell zu lösen und wahrgenommene Krisen zu überwinden. Warum tun sie das? Im Alltag fällt uns eine Antwort darauf, warum Menschen neue Dinge oder Ideen erwerben bzw. annehmen, einfach. Das Neue scheint einen Vorteil gegenüber dem Alten zu bieten. Eine neue Glühlampe vermag einen erhöhten Wohnkomfort zu bieten, das gespendete Licht ist vielleicht heller, der Stromverbrauch mag niedriger sein, die Lebensdauer ist eventuell länger und ihr Design entspricht überhaupt mehr dem Geschmack des Zeitgeistes, als es die alte vermochte. Eine neue Schulform vermag soziale Ungleichheit zu reduzieren, in gemeinsamen Klassen vermögen lernstarke Schüler lernschwache Schüler zu unterstützen, vielleicht wird sogar der soziale Zusammenhalt gestärkt, weil Schüler aus bildungsaffinen Schichten Schülern aus bildungsfernen Schichten begegnen, während sie in der alten Schulform getrennt unterrichtet wurden. Doch nicht alle in Haushalten eingesetzten Glühbirnen sind Energiesparlampen. Nicht alle Schulen werden zu Gesamtschulen reformiert. Die Frage, warum manche Menschen von etwas Neuem überzeugt sind und andere wiederum nicht, ist nicht einfach zu beantworten. Es ist eine Frage, die in der Soziologie häufig und schon lange gestellt wird, denn die Übernahme von Neuem kann zu sozialem Wandel führen, und sozialer Wandel in Gesellschaften ist Gegenstand der Soziologie. Das Phänomen des sozialen Wandels in der Fischwirtschaft zu untersuchen, ist allerdings ein eher seltenes Unterfangen von Soziologen. Der forschende Blick der Soziologie richtet sich vielmehr auf soziale Phänomene in urbanen Räumen, die unsere modernen Gesellschaften prägen (vgl. Larcher und Wiesinger 2004). Fischereien und Fischzuchten (Aquakulturen) sind aber strukturbedingt im ländlichen Raum angesiedelt und befinden sich somit außerhalb des soziologischen Fokus. Dabei ist die Fischwirtschaft ein gutes und interessantes Beispiel, um die Gründe für einen spezifischen sozialen Wandel zu erörtern: die Übernahme oder Ablehnung umweltgerechter Innovationen.

6

1.1

Einleitung

Erkenntnisinteresse

Die Fischwirtschaft befindet sich in einem Dilemma: Viele Fischarten gelten als überfischt und ihre natürliche Regenerierung als gefährdet (FAO 2012a, S. 53). Gleichzeitig wächst der Bedarf an Fisch als proteinreiches Nahrungsmittel (FAO 2012a, S. 84). Eine Befriedigung der Nachfrage scheint nur durch den Ausbau und die Modernisierung der Aquakultur möglich zu sein (Europäische Kommission 2012 u. 2007b). Konventionelle Aquakulturen können aber mit großen ökologischen Problemen wie einem hohen Wasser- und Energieverbrauch, dem Ausfluss umweltschädlicher Abwässer, der Verbreitung von Fischseuchen etc. verbunden sein (FAO 2010, S. 98 u. Hutchinson 2006, S. 11ff.). Eine Modernisierung der Aquakultur muss deshalb auch ökologieorientiert sein. Die Übernahme von umweltgerechten Innovationen ist Bestandteil einer ökologischen Modernisierung der Fischwirtschaft. In einer ökologischen Modernisierung ist der Ecopreneur der zentrale Akteur. Durch die Übernahme von umweltgerechten Innovationen generiert der Ecopreneur simultan ökonomischen und ökologischen Nutzen (vgl. Schaltegger und Peterson 2002). In der vorliegenden Arbeit werden am Beispiel der Aquakultur das Phänomen des Ecopreneurships aufgezeigt und die dahinterstehenden Handlungsmuster analysiert. Anleitend dabei ist die Frage: Warum entscheiden sich Fischwirte für oder gegen die Übernahme von umweltgerechten Innovationen? Auf der Suche nach einer Antwort wurden 2010 und 2011 problemzentrierte Interviews mit 20 Fischwirten geführt, die entweder Vertreter einer ideengeprägten Innovation (ökologische Aquakultur), einer objektgeprägten Innovation (rezirkulierendes Aquakultursystem) oder des Althergebrachten (konventionelle Aquakultur) waren. Die Interviews werden in dieser Arbeit angelehnt an dem Grounded Theory Ansatz von Glaser und Strauss (2008) ausgewertet. Auf diese Weise ist es möglich, auf der Grundlage von theoretischen Schlussfolgerungen das Phänomen des Ecopreneuships in der Aquakultur zu beschreiben und zu erklären.

1.2

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit beginnt in Kapitel 2 „Innovationsadaption als Forschungsperspektive“ mit der Erläuterung des theoretischen Rahmens. Ziel ist es, die Komplexität des zu untersuchenden Phänomens Ecopreneurship im Vorfeld theoretisch zu strukturieren. Vor einer detaillierten Vorstellung der einzelnen Theorieströmungen wird ein kurzer Überblick zur Wissenschaftsgeschichte der (Innovations-)Diffusionsforschung gegeben (Kapitel 2.1). Danach werden soziologische Ansätze zum sozialen Wandel (bspw. Ogburn 1964) und zum Innovationsprozess (bspw. Rogers 2003), ökonomische Theorien zum Unternehmertum (bspw. Schumpeter 1993) und Entre- sowie Ecopreneurship Ansätze (bspw. Schaper 2005) zu einer Forschungsperspektive zusammengeführt (Kapitel 2.2 u. 2.3). Der erste Teil der Arbeit schließt mit einer kritischen Reflexion der synthetisierten Forschungsperspektive ab (Kapitel 2.4). In Kapitel 3 „Fischwirtschaft als Forschungsfeld“ wird das soziale Feld, in dem das zu untersuchende Phänomen eingebettet ist, beschrieben. Dabei wird die zuvor eingenommene Forschungsperspektive stringent weiter verfolgt. Eine Systematik der Fischwirtschaft gibt zunächst einen Überblick zur Struktur des Feldes (Kapitel 3.1). Anschließend werden vorwiegend auf der Grundlage der „State of World Fisheries and Aquaculture“ Berichte der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sozialökologische Entwicklungsdifferenzen in der Fischwirtschaft aufgezeigt, die die Entstehung