Bundesvertreterversammlung am 5. Dezember 2013 in Berlin Dr ...

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Bundesvertreterversammlung am 5. Dezember 2013 in Berlin

Dr. Herbert Rische Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund

Es gilt das gesprochene Wort! abrufbar auch unter www.deutsche-rentenversicherung-bund.de

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Die rentenpolitischen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag – Eine erste Einschätzung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

wenn es um Reformen des Rentenversicherungsrechts ging, ging es in den vergangenen Jahrzehnten vor allem um eins: um die Frage, ob Leistungseinschränkungen notwendig sind, und wenn ja, wie man diese möglichst sozialverträglich gestalten kann. Diese Diskussion war notwendig und die Entscheidungen waren hart umkämpft. Die ergriffenen Maßnahmen haben Wirkung gezeigt, auch wenn wir sie heute an der ein oder anderen Stelle kritisch sehen. Der Beitragssatzanstieg wurde begrenzt, die Kostenfolgen des demografischen Wandels wurden zumindest für die gesetzliche Rentenversicherung eingeschränkt.

Mit der Reformdiskussion, die in der vergangenen Legislaturperiode begonnen hat, ist die Alterssicherungspolitik in eine neue Phase eingetreten. Es wird wieder über eine Ausweitung der Leistungen diskutiert – und zwar auch um den Preis des Verzichts auf eine rechnerisch mögliche Senkung des Rentenversicherungsbeitrags. Mit der Entscheidung, den Beitragssatz 2014 nicht auf 18,3 Prozent zu senken, sondern bei 18,9 Prozent zu belassen, entsteht für wenige Jahre ein finanzieller Spielraum, der, zeitlich begrenzt, für Leistungsverbesserungen genutzt werden kann.

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Am 27. November 2013 haben sich die Spitzen von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, der in erheblichem Umfang solche Leistungsverbesserungen vorsieht. Der Mitgliederentscheid der SPD steht zwar noch aus. Wenn er positiv ausgeht, wird sich in der gesetzlichen Rentenversicherung in dieser Legislaturperiode aber einiges bewegen.

Auf die folgenden Themen möchte ich hier eingehen, weil sie im Koalitionsvertrag eine zentrale Rolle einnehmen:

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die Verbesserung der rentenrechtlichen Anerkennung der Kindererziehung,

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die abschlagsfreie Rente mit 63,

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die Verbesserung der rentenrechtlichen Absicherung erwerbsgeminderter Menschen und

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die rentenrechtliche Absicherung von Geringverdienern.

Der Koalitionsvertrag erwähnt auch noch andere rentenrechtliche Themen, unter anderem die Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und – auf längere Sicht – eine Angleichung des Rentenrechts in Ost und West. Die Ausführungen zu diesen Punkten sind aber noch sehr allgemein gehalten, so dass ich dazu an dieser Stelle noch nichts Substantielles sagen kann.

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Die „Mütterrente“

Sehr geehrte Damen und Herren,

während zu Beginn der Reformdiskussion in der vergangenen Legislaturperiode die rentenrechtliche Absicherung von Geringverdienern durch eine so genannte Zuschuss- oder Lebensleistungsrente im Vordergrund stand, rückte insbesondere im Wahlkampf die rentenrechtliche Anerkennung der Kindererziehung immer stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Dies zeichnete sich bereits im Übergang vom Entwurf eines Lebensleistungsanerkennungsgesetzes zum Entwurf eines Alterssicherungsstärkungsgesetzes ab. Im Entwurf des Alterssicherungsstärkungsgesetzes wurde die Zuschussrente um eine familienbezogene Komponente erweitert. Anfang November 2012 kündigte die Bundesregierung an, prüfen zu wollen, inwieweit es finanzielle Spielräume gebe, Müttern mit mehreren Kindern, die vor 1992 geboren worden sind, zusätzliche Rentenleistungen zu ermöglichen. Heute ist die so genannte Mütterrente für die CDU/CSU das zentrale rentenrechtliche Thema. Fraktionschef Kauder hat es anschaulich so formuliert: „Was für die SPD der Mindestlohn ist, ist für uns die Mütterrente.“

Geplant ist laut Koalitionsvertrag ab dem 1. Juli 2014 eine Aufstockung der Rente für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren sind, in Höhe eines Entgeltpunkts, d. h. brutto um etwa 28 Euro im Westen und knapp 26 Euro im Osten. Dies soll ab dem 1. Juli 2014 sowohl für Zugangsrentner als auch für den Rentenbestand gelten.

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Aus Gerechtigkeitsgesichtspunkten ist es sicher nachvollziehbar, dass Müttern oder Vätern, deren Kinder vor 1992 geboren sind, eine Zusatzleistung gewährt werden soll. Ob es sich aber insoweit um das sozialpolitisch drängendste Problem handelt, ist zu bezweifeln.

Für die Rentenversicherung sind bei der „Mütterrente“ zwei Punkte von zentraler Bedeutung:

Die Einführung der „Mütterrente“ ist mit erheblichen Kosten verbunden. Es geht um rund 6,5 Mrd. Euro im Startjahr. Weil auch der Rentenbestand den zusätzlichen Entgeltpunkt erhalten soll, fallen diese Kosten bereits im Jahr der Einführung der Neuregelung an. Dessen ungeachtet findet sich zur Finanzierung der „Mütterrente“ im Koalitionsvertrag keine Aussage. Dies ist vor allem deshalb bedenklich, weil CDU/CSU bisher eine Finanzierung aus Beitragsmitteln favorisiert haben. Es ist zu befürchten, dass – jedenfalls im Wesentlichen – eine Beitragsfinanzierung geplant ist.

Die Honorierung der Erziehungsleistung ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie muss deshalb schon aus ordnungspolitischen Gründen aus Steuermitteln und nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden. Die Spitzen der gesetzlichen Rentenversicherung, der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und der Arbeitslosenversicherung haben darauf in einer gemeinsamen Erklärung erst kürzlich hingewiesen.

Nur eine Finanzierung aus Steuermitteln gewährleistet, dass alle an der Finanzierung beteiligt werden, auch diejenigen, die nicht

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gesetzlich rentenversichert sind, und auch die Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze. Schließlich kommen die Kindererziehungszeiten auch Personen zugute, die gar nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, sondern beispielsweise in einem Versorgungswerk. Eine Finanzierung aus Beitragsmitteln wäre deshalb verfassungswidrig, weil sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstieße.

Dass Kindererziehungszeiten aus Steuermitteln finanziert werden müssen, war bislang auch die Auffassung des Gesetzgebers. In der Begründung zum Hinterbliebenen- und Erziehungszeitengesetz, das 1986 in Kraft getreten ist, heißt es wörtlich: „Da es sich bei der Anerkennung von Zeiten der Erziehung um eine Leistung des Familienlastenausgleichs handelt, ist die Finanzierung Aufgabe des Bundes. Damit werden die Aufwendungen von allen Steuerzahlern getragen.“

Eine Finanzierung aus der Nachhaltigkeitsrücklage, wie sie CDU/CSU favorisieren, wäre nicht nur ordnungspolitisch falsch und rechtlich unzulässig. Sie hätte für die gesetzliche Rentenversicherung auch gravierende finanzielle Auswirkungen. Herr Gunkel hat dies bereits ausführlich dargestellt.

Ein zweiter Aspekt ist bei der „Mütterrente“ für die Rentenversicherungsträger besonders wichtig: die praktische Umsetzbarkeit der Regelung. Die höhere „Mütterrente“ soll, wie gesagt, auch denen zu Gute kommen, die bereits Rente beziehen. Dies hat zur Folge, dass sich durch die „Mütterrente“ bei mehr als 9 Mio. laufenden Renten eine neue Rentenhöhe ergibt. Bei einer solchen Fallzahl liegt es auf der Hand, dass die Regelung so ausgestaltet

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werden muss, dass sie verhältnismäßig einfach umzusetzen ist. Es wäre fatal, wenn die Rentenversicherung dazu verpflichtet würde, all diese Renten komplett neu zu berechnen. Denkbar wäre stattdessen eine Art „Zuschlag“ zur laufenden Rente. Ein solcher Zuschlag hat keine Auswirkungen auf die Rentenberechnung im Übrigen und lässt sich deshalb verwaltungsmäßig leichter – und damit auch viel kostengünstiger – umsetzen als eine komplette Neuberechnung der Renten.

Abschlagsfreie Rente mit 63

Sehr geehrte Damen und Herren,

das zentrale rentenpolitische Anliegen von CDU/CSU ist die „Mütterrente“ – das zentrale rentenpolitische Anliegen der SPD ist die abschlagsfreie Rente mit 63. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass derjenige, der 45 Beitragsjahre einschließlich Zeiten der Arbeitslosigkeit aufweist, künftig schon mit 63 in Rente gehen kann, und zwar ohne Abschläge. Anders als bei der Rente für besonders langjährig Versicherte sollen bei den 45 Jahren also auch Zeiten der Arbeitslosigkeit mitzählen. Ob es sich dabei nur um Zeiten handeln soll, in denen Beiträge gezahlt wurden oder ob auch die seit 2011 zurückgelegten Zeiten mit ALG II-Bezug mitrechnen sollen, ist nicht ganz eindeutig formuliert, gemeint sind aber wohl Beitragszeiten mit Arbeitslosigkeit. Gelten soll die Regelung ab dem 1. Juli 2014. Allerdings soll es nicht dauerhaft bei der Altersgrenze 63 bleiben. Diese soll vielmehr schrittweise parallel zur Anhebung der Regelaltersgrenze auf das vollendete 65. Lebensjahr angehoben werden.

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Das jetzt im Koalitionsvertrag vereinbarte Anliegen der SPD ist vor dem Hintergrund der Anhebung der Altersgrenzen zu sehen. Die Regelaltersgrenze wird seit 2012 stufenweise vom 65. auf das 67. Lebensjahr angehoben. Für die Jahrgänge ab 1964 gilt die Regelaltersgrenze 67. Gleichzeitig wurden die Möglichkeiten zur vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrenten zurückgefahren. So wurden die Altersgrenzen für die Altersrenten für langjährig Versicherte und für schwerbehinderte Menschen parallel zur Anhebung der Regelaltersgrenze sukzessive um zwei Jahre erhöht. Die Altersrente für Frauen und die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit und nach Altersteilzeitarbeit können nur noch von Versicherten bezogen werden, die vor 1952 geboren sind.

Ganz allgemein gilt der Grundsatz, dass bei vorzeitigem Bezug einer Altersrente Abschläge hinzunehmen sind. Diese Abschläge sind versicherungsmathematisch kalkuliert und gleichen im Interesse der Versichertengemeinschaft die Mehrkosten aus, die durch den vorzeitigen Rentenbezug entstehen. Wer also beispielsweise eine Rente für langjährig Versicherte zwei Jahre früher in Anspruch nehmen will, muss Abschläge in Höhe von 7,2 Prozent in Kauf nehmen.

Allerdings gibt es insoweit schon im geltenden Recht eine Ausnahme: die Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Wer 65 Jahre alt ist und 45 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten hat, kann diese Altersrente seit 2012 abschlagsfrei in Anspruch nehmen; Beitragszeiten mit Arbeitslosigkeit zählen dabei nicht mit. Diese neue Rentenart gibt es erst seit Kurzem, aber bereits jetzt erweist sich, dass die Regelung genau die struk-

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turellen Probleme mit sich bringt, auf die die Rentenversicherung schon bei ihrer Einführung hingewiesen hat:

Zum einen zeigt sich deutlich, dass von der Regelung Männer erheblich stärker profitieren als Frauen. Gemessen an allen Altersrentenzugängen des Jahrgangs 1947 beträgt die Quote der Männer, die diese neue Rentenart in Anspruch genommen haben, etwa 3,2 Prozent. Bei den Frauen beträgt die Quote nur 0,5 Prozent. Oder anders gesagt: Rund 86 Prozent derer, die die Rente für besonders langjährig Versicherte in Anspruch nehmen, sind Männer.

Außerdem zeigt sich – und auch das hatten wir erwartet –, dass die Renten für besonders langjährig Versicherte vor allem Versicherten zugute kommen, die ohnehin über relativ hohe Rentenansprüche verfügen. Die Zahlungen lagen bei dieser Rentenart 2012 deutlich über dem Durchschnitt aller Rentenzahlungen. Für Männer im Westen betrug die Altersrente für besonders langjährig Versicherte durchschnittlich etwa 1.465 Euro, für die wenigen Frauen etwa 1.100 Euro. Bei Männern weisen die Altersrentenzugänge für besonders langjährig Versicherte des Geburtsjahrgangs 1947 mit durchschnittlich 1,18 Entgeltpunkten je Beitragsjahr und 49,2 Beitragsjahren und bei Frauen mit durchschnittlich 0,91 Entgeltpunkten je Beitragsjahr und 46,6 Beitragsjahren deutlich höhere Werte auf als bei den Altersrenten insgesamt.

Noch ist die Zahl derer, die diese neue Rentenart in Anspruch nehmen, gering. Im Jahr 2012 waren es im Rentenzugang rund 12.300 Versicherte. Es ist aber davon auszugehen, dass die Anzahl erheblich steigt, wenn alternative Rentenarten bzw. Vertrauensschutzregelungen auslaufen, die ebenfalls einen abschlags-

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freien Rentenbeginn mit oder vor dem vollendeten 65. Lebensjahr ermöglichen. Die Versichertengemeinschaft wird durch die Regelung also mit erheblichen Kosten belastet. 2030 werden es rund 2 Mrd. Euro sein. Schon diese Ausnahme schmälert also die entlastende Wirkung der Rente mit 67 erheblich. Sie hat zur Folge, dass der Beitragssatz im Jahr 2030 nicht um 0,7 Prozentpunkte, sondern nur um 0,5 Prozentpunkte niedriger liegen wird.

Im Koalitionsvertrag ist nun vorgesehen, dass diese problematische Regelung noch ausgeweitet wird, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen liegt die Altersgrenze um zwei Jahre niedriger als bei der Rente für besonders langjährig Versicherte. Zum anderen sind die Anspruchsvoraussetzungen großzügiger, weil Zeiten der Arbeitslosigkeit mitzählen sollen.

Dessen ungeachtet würden zu den Begünstigten dieser neuen Rente voraussichtlich wieder vor allem Versicherte mit vergleichsweise hohen Rentenansprüchen zählen. Außerdem würden Männer wieder deutlich stärker von der Regelung profitieren als Frauen.

Die Kosten dieser Maßnahme lassen sich derzeit noch nicht exakt abschätzen, unter anderem weil die tatsächliche Inanspruchnahme bis 2030 darauf einen großen Einfluss hat. Sie liegen jedoch im Milliardenbereich. Ohne die geplante Anhebung der Altersgrenze wurden sie für das Jahr 2030 auf 3,5 bis 4,5 Mrd. Euro geschätzt. Die sukzessive Anhebung der Altersgrenze von 63 auf 65 Jahre wirkt jedoch gegenläufig. Hinzu kommt, dass bei einem früheren Renteneintritt Beiträge zur Rentenversicherung entfallen.

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Alles in allem handelt es sich also auch bei dieser geplanten Maßnahme um ein sehr kostspieliges Wahlgeschenk.

Die rentenrechtliche Absicherung erwerbsgeminderter Menschen

Sehr geehrte Damen und Herren,

sowohl für die Mütterrente als auch für die abschlagsfreie Rente mit 63 lassen sich sicher gewichtige Gründe anführen. Es ist aber nicht so – und es wird auch von den Befürwortern dieser Maßnahmen nicht behauptet –, dass diese kostenträchtigen Maßnahmen dringend erforderlich sind, um einer akuten sozialpolitischen Problemlage abzuhelfen.

Eine akute sozialpolitische Problemlage liegt aber vor bei der rentenrechtlichen Absicherung erwerbsgeminderter Menschen. Deshalb muss eine Verbesserung der entsprechenden Regelungen ganz oben auf der Dringlichkeitsliste stehen. Dass sie erforderlich ist, war in der rentenpolitischen Diskussion der vergangenen Legislaturperiode über parteipolitische und institutionelle Grenzen hinweg Konsens. Dass es trotzdem in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu einer entsprechenden Regelung gekommen ist, weil Uneinigkeit über die Einführung der Zuschuss- bzw. Lebensleistungsrente bestand, ist nicht nachvollziehbar und für die Betroffenen problematisch. Es ist deshalb gut, dass dieses drängende Problem laut Koalitionsvertrag nun zügig angegangen werden soll.

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Wie groß der Handlungsdruck ist, zeigt die Entwicklung der Rentenzahlbeträge für Neurentner in den letzten Jahren. Bei einem Rentenbeginn im Jahr 2001 erhielt ein erwerbsgeminderter Versicherter im Bundesdurchschnitt noch 676 Euro monatlich, bei einem Rentenbeginn im Jahr 2012 waren es nur noch 607 Euro monatlich, also fast 70 Euro weniger. Aus der Grafik wird der Rückgang der durchschnittlichen Rentenzahlbeträge für Rentenneuzugänge von 1993 bis heute deutlich.

Es gibt mehrere Ursachen für den Rückgang der Zahlbeträge bei den Zugangsrentnern, darunter sicher die Einführung der Abschläge, auch wenn sie durch die gleichzeitig beschlossene Verlängerung der Zurechnungszeit teilweise kompensiert wurde. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Begründung der Versicherungspflicht für die Bezieher von Arbeitslosengeld II im Jahr 2005. Sie hat dazu geführt, dass Personen, die zuvor Hilfe zum Lebensunterhalt bezogen haben, durch die Beitragszahlung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II erstmals Ansprüche auf eine Erwerbsminderungsrente erwerben konnten. Vorher hatten sie zu dieser Leistung keinen Zugang. Auch wenn eine Versicherungspflicht für ALG II-Zeiten seit 2011 nicht mehr besteht, sind die Rentenzugänge der letzten Jahre durch diese Verschiebung in der Struktur der Anspruchsberechtigten maßgeblich geprägt. Eine aktuelle Studie hat dies untermauert: Danach gab es im Rentenzugang 2010 eine große Anzahl von Erwerbsminderungsrentnern, die nach mindestens 36 Monaten ALG II-Bezug in die Erwerbsminderungsrente gewechselt waren. Der Anteil an allen Erwerbsminderungsrenten lag bei den Männern bei mehr als einem Viertel und bei den Frauen bei knapp über 20 Prozent. In der Regel wurden diese Menschen bald nach Eintritt ins Erwerbsleben

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oder im mittleren Erwerbsalter schwerwiegend und dauerhaft krank und schieden aus der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung aus. Beitragszeiten erwarben sie dann erst wieder als Arbeitslose mit Anrecht auf Arbeitslosengeld II.

Die Renten der langjährigen ALG II-Bezieher lagen dabei erwartungsgemäß deutlich unter denen der Erwerbsminderungsrentner, die vor Eintritt der Erwerbsminderung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen. Insbesondere bei langjährigem ALG II-Bezug ergaben sich zum Teil nur sehr geringe Anwartschaften. Dies wirkt sich nicht erst bei der späteren Altersrente aus, sondern sehr häufig auch bei der Erwerbsminderungsrente.

Das starke Absinken der Erwerbsminderungsrenten im Rentenzugang hat zur Folge, dass Erwerbsminderung mehr und mehr zum Armutsrisiko wird. Schon 2010 waren 37 Prozent der Personen in Haushalten von Erwerbsminderungsrentnern armutsgefährdet, weil ihr bedarfsgewichtetes Haushaltseinkommen unter dem Schwellenwert von 806 Euro lag. Ende 2012 betrug der Anteil der dauerhaft voll erwerbsgeminderten Rentner im Inland, bei denen die Erwerbsminderungsrente durch Grundsicherung aufgestockt wurde, rund 12 Prozent. Der Anteil war um ein Mehrfaches höher als bei den Altersrentnern ab 65 im Inland mit 2,2 Prozent.

Eine ergänzende private Vorsorge zur Absicherung des Invaliditätsrisikos ist für viele Versicherte entweder nur zu hohen Kosten oder überhaupt nicht möglich. Es gibt zwar eine Vielzahl privat abgeschlossener Erwerbs- und Berufsunfähigkeitsversicherungen. Nach den Statistiken des GDV sind es über 17 Millionen. Ein gro-

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ßer Teil dieser Verträge sichert aber nur die Beitragsfreiheit eines Altersversorgungsvertrags bei Eintritt von Erwerbsminderung ab. Private Berufsunfähigkeitsversicherungen müssen ihre Prämien risikospezifisch kalkulieren. Wer ein hohes Invaliditätsrisiko hat – sei es aufgrund von Vorerkrankungen oder der Ausübung eines gesundheitlich belastenden Berufs –, ist von solchen Vorsorgemöglichkeiten praktisch nahezu ausgeschlossen. In der betrieblichen Alterssicherung ist insbesondere in vielen Entgeltumwandlungsvereinbarungen keine Sicherung für den Invaliditätsfall vorgesehen.

Wenn man außerdem bedenkt, dass erwerbsgeminderte Menschen kaum mehr einen finanziellen Spielraum für den Aufbau einer zusätzlichen Altersvorsorge haben, ist auch die Gefahr, im Alter arm zu sein, für sie deutlich höher als für die Gesamtbevölkerung. Jeder Schritt zur Verbesserung der Absicherung erwerbsgeminderter Menschen ist damit auch ein wichtiger Schritt zur Vermeidung von Altersarmut in der Zukunft.

Um die rentenrechtliche Absicherung erwerbsgeminderter Menschen zu verbessern, liegt schon aus systematischen Gründen eine Verlängerung der Zurechnungszeit um zwei Jahre nahe. So ist es auch im Koalitionsvertrag vereinbart. Derzeit wird der Empfänger einer Erwerbsminderungsrente bei der Rentenberechnung im Wesentlichen so gestellt, als hätte er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze von 65 Jahren fehlen also fünf Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten, wobei sich dieser Abstand im Zuge der Anhebung der Regelaltersgrenze sukzessive auf sieben Jahre vergrößert. Eine Verlängerung der Zu-

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rechnungszeit um zwei Jahre vollzieht die Anhebung der Regelaltersgrenze nach und verhindert, dass das Niveau der Erwerbsminderungsrenten im Vergleich zu den Altersrenten weiter absinkt.

Profitieren werden von einer Verlängerung der Zurechnungszeit alle Versicherten, die vor Vollendung des 62. Lebensjahres eine Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen. Nach den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung waren dies im Jahr 2012 knapp 172.000 Personen. Das sind rund 96 Prozent aller Zugänge in Erwerbsminderungsrenten. Welche Rentenerhöhung sich für den Einzelnen ergibt, wenn die Zurechnungszeit verlängert wird, hängt davon ab, in welchem Alter die Erwerbsbiografie beginnt, wann Erwerbsminderung eintritt und welche Summe an Entgeltpunkten nach geltendem Recht erreicht worden sind. Im Durchschnitt bedeutet eine Verlängerung der Zurechnungszeit um zwei Jahre für die Bezieher einer Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Erwerbsbiografie der derzeitigen Zugangsrentner ein Plus bei der Rente von gut 45 Euro pro Monat brutto; unter Berücksichtigung der Abschläge von bis zu 10,8 Prozent sind es durchschnittlich rund 40 Euro brutto. Bei einem durchschnittlichen Rentenzahlbetrag von rund 600 Euro im Rentenzugang 2012 ist das eine spürbare Erhöhung.

Bis der Betrag erreicht wird, würde es bei einer sukzessiven Anhebung aber mehrere Jahre dauern. Für die Versicherten ist es daher erfreulich, dass im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, die Zurechnungszeit in einem Schritt anzuheben, und zwar ab dem 1. Juli 2014. Dies wird zu Mehrausgaben von rund 1,7 Mrd. Euro im Jahr 2030 führen.

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Die zweite Maßnahme, die im Koalitionsvertrag vereinbart wurde und die auch in den Gesetzentwürfen enthalten war, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der vergangenen Legislaturperiode vorgelegt hat, ist die Änderung der rentenrechtlichen Berücksichtigung der vier Jahre, die unmittelbar vor Eintritt der Erwerbsminderung liegen. Hintergrund ist, dass die pro Jahr erworbenen Rentenanwartschaften aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei einigen Rentenbeziehern schon in den letzten Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung deutlich zurückgehen, und zwar – wie eine aktuelle Untersuchung belegt – häufig aus gesundheitlichen Gründen. Ein zunehmender Teil der Erwerbsminderungsrentner war außerdem im Vorfeld der Berentung arbeitslos. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, sollen die letzten Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung insbesondere bei der Bewertung der Zurechnungszeit nur berücksichtigt werden, wenn dies für den Rentenbezieher günstiger ist. Eine solche Regelung wird – abhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung – zu Mehrausgaben der Rentenversicherung im Jahr 2030 zwischen 0,2 und 0,8 Mrd. Euro führen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

erfreulich ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Koalitionsvertrag eine Forderung aufgegriffen wird, die die Rentenversicherung seit langem erhebt. Die jährlichen Ausgaben für Leistungen zur Teilhabe sollen künftig unter Berücksichtigung einer Demografiekomponente fortgeschrieben werden. Die Deutsche Rentenversicherung hat in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass es zur Aufrechterhaltung eines adäquaten Versorgungsniveaus mit Rehabilitationsleistungen erforderlich ist, das

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Reha-Budget der demografischen Entwicklung und der Verlängerung der Lebensarbeitszeit anzupassen.

Zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit führt nicht nur die Anhebung der Regelaltersgrenze seit dem 1. Januar 2012. Für die Versicherten bedeutet auch der Wegfall der Altersrente für Frauen sowie der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit eine Verlängerung ihrer Lebensarbeitszeit. Damit steigt der Rehabilitationsbedarf zusätzlich, wenn diese Versicherten die Altersgrenze für die Regelaltersrente erreichen sollen. Diese Entwicklung dürfte bereits zum Anstieg der Anzahl der Anträge auf Rehabilitationsleistungen in den vergangenen Jahren beigetragen haben.

Auch im Bereich Prävention müssen wir schon angesichts der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren unsere Kräfte bündeln. Präventionsleistungen sind ein wichtiges Instrument, um – im Interesse der Betroffenen – Beschäftigungsfähigkeit dauerhaft zu sichern und weitergehende Reha-Bedarfe und Berentungen zu vermeiden. Allerdings gilt auch hier: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bund, Länder und Kommunen dürfen sich ihrer Finanzierungsverantwortung nicht entziehen. Insbesondere darf es nicht dazu kommen, dass sie ihre bisherigen finanziellen Beiträge zur Prävention zu Lasten der Sozialversicherung zurückfahren.

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Die rentenrechtliche Absicherung von Geringverdienern

Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte lassen Sie mich nun zum letzten Punkt kommen, den ich ansprechen möchte, zur rentenrechtlichen Absicherung von Geringverdienern. Dass die Gefahr von Altersarmut für Geringverdiener aufgrund der Einschnitte im Rentenversicherungssystem durch die Reformen der vergangenen Jahre größer geworden ist, steht außer Frage. Umstritten blieb aber in der letzten Legislaturperiode, mit welchen Maßnahmen man dieser Entwicklung sinnvoll entgegen treten kann.

Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorgelegte Konzept einer Lebensleistungs- oder Zuschussrente stieß auf harsche Kritik. Es sah vor, dass Personen, die trotz langjähriger Versicherung und Beitragszahlung in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie langjähriger ergänzender Zusatzvorsorge im Alter über ein Einkommen von weniger als 850 Euro verfügen, eine Zusatzleistung erhalten. Voraussetzung sollten mindestens 45 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten und mindestens 35 Jahre mit Pflichtbeitragszeiten oder Berücksichtigungszeiten sein; Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II oder Arbeitslosenhilfe sollten dabei nicht mitzählen. Außerdem sollte der Versicherte über mindestens 35 Jahre eine zusätzliche Altersversorgung aufgebaut haben. Übergangsweise sollten geringere Anforderungen gelten.

Auch im Wahlprogramm von CDU/CSU war die Lebensleistungsrente vorgesehen. Das Wahlprogramm der SPD enthielt eine ähn-

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lich ausgestaltete „Solidarrente“. Diese sollte erhalten, wer 30 Beitragsjahre und 40 Versicherungsjahre aufweisen kann. Sicherungsziel waren auch hier 850 Euro, die allerdings als Mindestbetrag genannt wurden.

Im Koalitionsvertrag ist – schon der Wortwahl nach ein Kompromiss – eine so genannte solidarische Lebensleistungsrente vorgesehen, die – ich zitiere – „voraussichtlich bis 2017“ eingeführt werden soll. Wer langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war, d. h. 40 Jahre Beiträge gezahlt hat, und dennoch im Alter weniger als 30 Entgeltpunkte – das entspricht heute rund 850 Euro – Alterseinkommen erreicht, soll von einer Aufwertung der erworbenen Entgeltpunkte profitieren; bis 2023 sollen 35 Beitragsjahre ausreichen. Dabei sollen – das ist neu – bis zu fünf Jahre Arbeitslosigkeit wie Beitragsjahre behandelt werden. Nach 2023 soll zusätzliche Altersvorsorge als Zugangsvoraussetzung erforderlich sein. Wer trotz dieser Aufwertung nicht auf eine Rente von 30 Entgeltpunkten kommt und bedürftig ist, soll einen weiteren Zuschlag bis zu einer Gesamtsumme von 30 Entgeltpunkten erhalten.

Auch wenn die Formulierung im Koalitionsvertrag in verschiedener Hinsicht noch nicht eindeutig ist, steht zu befürchten, dass den Einwänden, die gegen die Zuschussrente erhoben wurden, mit dem neuen Konzept jedenfalls nicht umfassend Rechnung getragen wurde. Insbesondere ist weiterhin eine problematische Vermischung von Versicherungs- und Fürsorgeprinzip vorgesehen.

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Erfreulich ist die Aussage im Koalitionsvertrag, dass die Finanzierung der Lebensleistungsrente aus Steuermitteln erfolgen soll. Allerdings sollen Umschichtungen der Zahlungen der allgemeinen Rentenversicherung an die knappschaftliche Rentenversicherung, des so genannten Wanderungsausgleichs, einen Beitrag dazu liefern. Die Zahlungen, die die allgemeine Rentenversicherung an die knappschaftliche Rentenversicherung im Rahmen des Wanderungsausgleichs leistet, dienen indes dazu, Folgen des Strukturwandels im Bergbau für die Rentenversicherung abzufedern. Sie stehen mit der Lebensleistungsrente in keinerlei Zusammenhang. Im Übrigen sollten Höhe und Fortschreibung des Wanderungsausgleichs ohnehin und unabhängig von den genannten Reformplänen generell auf den Prüfstand gestellt werden, da immer größer werdenden Teilen dieser Leistungen der allgemeinen Rentenversicherung tatsächlich keine Rentenausgaben der knappschaftlichen Rentenversicherung mehr gegenüber stehen. Eine Überprüfung hat der Gesetzgeber selbst im SGB VI so vorgesehen; diese ist aber bisher nicht erfolgt.

Tatsächlich müssen Maßnahmen, mit denen Altersarmut vermieden werden soll, aus Steuermitteln finanziert werden. Armutsbekämpfung ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur der Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Rentenversicherung und ihre Selbstverwaltung haben deshalb immer wieder deutlich gemacht, dass die Ausgaben für entsprechende Maßnahmen in vollem Umfang durch zusätzliche Mittel aus dem Bundeshaushalt gegenfinanziert werden müssen.

Für eine spezielle Gruppe von Geringverdienern, für die so genannten Minijobber, zeichnete sich in den vergangenen Wochen

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eine Neuregelung ab. Danach sollten Minijobs generell der Versicherungspflicht unterstellt werden. Ausnahmen sollte es künftig nur noch für geringfügig Beschäftigte im Nebenerwerb sowie für Schüler, Studenten und Rentner geben. Im Koalitionsvertrag ist eine entsprechende Regelung allerdings nicht mehr vorgesehen. Dort heißt es lediglich, dass man dafür sorgen wolle, dass geringfügig Beschäftigte besser über ihre Rechte informiert werden und dass die Übergänge aus geringfügiger in reguläre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erleichtert werden sollen. Dass es zu der zunächst avisierten generellen Versicherungspflicht nun doch nicht kommen wird, ist aus meiner Sicht bedauerlich. Schon bei der zum 1. Januar 2013 eingeführten Neuregelung hat sich gezeigt, dass sich erheblich weniger Menschen als von Seiten der Bundesregierung ursprünglich erwartet von der Rentenversicherungspflicht befreien ließen. Bei den Minijobbern, die im Jahr 2013 ihre Beschäftigung aufgenommen haben, lag die Quote der Rentenversicherungspflichtigen im dritten Quartal 2013 bei 21,4 Prozent im gewerblichen und bei 19,7 Prozent im Privathaushaltsbereich. Zwar lässt sich aufgrund der niedrigen Beiträge aus einem Minijob keine auskömmliche Rente erwirtschaften. Es ist aber trotzdem für viele Versicherte attraktiv, einen eigenen Rentenversicherungsbeitrag zu zahlen. Er ermöglicht z. B. das Riestersparen und eröffnet den Zugang zu Maßnahmen der Rehabilitation. Außerdem zählen die Zeiten insbesondere für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente voll als Rentenanwartschaften.

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Die Begründung einer generellen Rentenversicherungspflicht wäre deshalb meiner Einschätzung nach ein Schritt in die richtige Richtung gewesen.

Zeitfenster für eine Umsetzung der Regelungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Koalitionsvertrag ist vorgesehen, dass die „Mütterrente“, die abschlagsfreie Rente mit 63 und die Neuregelungen zur Erwerbsminderung zum 1. Juli 2014 in Kraft treten sollen. Ein Inkrafttreten zum 1. Juli 2014 bedingt zwingend eine Fertigstellung der Programmierung bis spätestens Anfang April 2014. Dabei kann mit den Programmierarbeiten erst begonnen werden, wenn sich der Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren befindet und wenn die Fachgremien der Rentenversicherung die zur Auslegung der Vorschriften zwingend erforderlichen Beschlüsse gefasst haben. Somit ergibt sich, selbst wenn das Gesetzgebungsverfahren schnell eingeleitet wird, nur eine Vorlaufzeit von wenigen Monaten.

Nach erster Einschätzung erscheint in diesem engen Zeitfenster eine Umsetzung der Regelungen zur Erwerbsminderungsrente und zur abschlagsfreien Rente mit 63 zum 1. Juli 2014 denkbar, sofern ein Referentenentwurf im Januar 2014 vorgelegt wird und keine regelungstechnischen Überraschungen enthält. Eine Umsetzung der Regelungen zur „Mütterrente“ könnte aber selbst bei verwaltungsfreundlicher Ausgestaltung voraussichtlich frühestens zum Beginn des vierten Quartals 2014 erfolgen.

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Abschließende Bemerkungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Abschluss meines Vortrags möchte ich ein Thema ansprechen, das im Koalitionsvertrag – zumindest in ganz allgemeiner Form – auch seinen Niederschlag gefunden hat: die Stärkung der Selbstverwaltung. Welche Maßnahmen die neue Bundesregierung insoweit ergreifen wird, bleibt abzuwarten. Sinnvoll wäre es sicher, der Selbstverwaltung im Hinblick auf die Festsetzung des Beitragssatzes und des Reha-Budgets und bei der Bestimmung des Korridors für die Nachhaltigkeitsrücklage weiterreichende Mitwirkungsmöglichkeiten einzuräumen.

Ganz unabhängig davon, wie weit die Kompetenzen der Selbstverwaltung reichen, hat uns die vergangene Legislaturperiode eins gelehrt: Stark ist die Rentenversicherung immer dann, wenn sie mit einer Stimme spricht. Auch wenn es sicher an der ein oder anderen Stelle unterschiedliche Auffassungen gab, haben wir in der vergangenen Legislaturperiode viele Positionen gemeinsam vertreten. Wir haben gemeinsam unsere Stimme gegen die Zuschussrente erhoben – und sie ist ja bisher auch nicht umgesetzt worden. Wir haben gemeinsam Verbesserungen der rentenrechtlichen Absicherung erwerbsgeminderter Menschen und eine Anhebung des Reha-Deckels eingefordert. Und wir haben gemeinsam deutlich gemacht, dass eine Mütterrente aus Steuermitteln und nicht aus Beitragsmitteln finanziert werden muss.

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Dass die Rentenversicherung selbstverwaltet ist, ist eine große soziale Errungenschaft und eine große Chance. Übertragen sind uns – und das gilt für Selbstverwaltung und Geschäftsführung gleichermaßen – aber nicht in erster Linie Zuständigkeiten und Kompetenzen. Übertragen ist uns Verantwortung für diejenigen, die zur gesetzlichen Rentenversicherung gehören, für Versicherte, Rentner und Arbeitgeber. Dessen müssen wir uns bewusst sein und davon müssen wir uns in unserer täglichen Arbeit leiten lassen. Diese Verantwortung verpflichtet uns, offen und vertrauensvoll miteinander umzugehen, Konflikte konstruktiv auszutragen und gemeinsam daran zu arbeiten, dass das geschieht, was für die Menschen, für die wir verantwortlich sind, am besten ist.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.