Österreich erhöht den Druck

14.03.2016 - nach Europa ist vorbei – egal auf welcher Route“, sagte Kurz im In- terview mit der deutschen „Bild am Sonntag“. Aus dem Bundeskanzleramt.
127KB Größe 4 Downloads 44 Ansichten
2 INNENPOLITIK

M ONTAG, 14. M ÄRZ 20 16

Das Foto des toten Aylan muss wieder herhalten Der grüne EU-Abgeordnete Michel Reimon mag es drastisch: Um seine Kritik an der Flüchtlingspolitik von Außenminister Kurz zu untermauern, postete er das zu trauriger Berühmtheit gelangte Foto des syrischen Flüchtlingsbuben Aylan Kurdi,

OHNE PROTOKOLL

Maria Zimmermann

Kurz und schlüssig . . .

KURZ GEMELDET Schönborn lobt Kanzlerin Merkel WIEN. Verständnis für die Regierung

äußerte Kardinal Christoph Schönborn. Weil es keinen europäischen Konsens gebe, verstehe er „dass sie sagt, wir sind an eine Grenze gekommen“, sagte Schönborn in der ORFPressestunde. Die Schließung der Balkanroute dürfe aber nur eine „provisorische Maßnahme“ bleiben, betonte er und äußerte sich lobend über Deutschlands Angela Merkel. „Sie hat mit einem tiefen Gespür für Menschlichkeit gehandelt.“ SN, APA

FPÖ verliert und gewinnt einen Bürgermeister INNSBRUCK. Die mit 414 Einwohners

kleinste Stadt Österreichs, Rattenberg, wird blau. Das ist ein Ergebnis der Bürgermeister-Stichwahlen in Tirol vom Sonntag. Der ehemalige Tiroler FPÖ-Chef Gerald Hauser hingegen muss sein Bürgermeisteramt in St. Jakob in Defereggen an die ÖVP abgeben. Nichts wird es mit der ersten grünen Bürgermeisterin Tirols: Die grüne Kandidatin scheiterte gegen den ÖVP-Mann in Axams. Für die SPÖ gab es Grund zum Feiern: Alle drei SPÖ-Kandidaten setzten sich in ihren Orten durch. SN,APA

EINGEKOCHT

Manfred Koch

EU: Schein oder Nichtschein Wie wir es zur Zeit erleben, Hat sich die EU wohl schon Selber völlig aufgegeben, Denn das nationale Streben Gilt vermehrt als guter Ton. Überall schließt man die Grenzen, Was verband, das wird getrennt, Doch warnt man auf Konferenzen Vor den bösen Konsequenzen, Zählt nur Geld als Argument. Wirtschaftswachstum und Profite Würden dadurch sehr gestört, Weil der freie Handel bitte Durch die Grenzen schrecklich litte, Das ist’s, was man meistens hört. Ist es wirklich Geld alleine, Was uns zur Gemeinschaft macht? Gelten nur die schönen Scheine Heut’ als Wert in dem Vereine? Schein-EU, dann gute Nacht!

WWW.SALZBURG.COM/WIZANY

der im Vorjahr tot an der Küste Griechenlands angeschwemmt worden war. Reimon versah das Foto mit dem Ministerzitat: „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen.“ Nach heftiger Empörung bei der ÖVP legte Reimon am Sonntag nach: Kurz sei

ein „menschenverachtender Zyniker“, der die humanitären Missstände auf der Balkanroute bewusst herbeigeführt habe. „Wenn im Schlamm von Idomeni Kinder geboren werden und Alte sterben, dann ist das die politische Arbeit von Sebastian Kurz.“ Das ist starker Tobak. Tatsache ist: Der dreijährige Aylan ertrank am 2. September 2015, als die Balkanroute offen war und die Politik des Durchwinkens so richtig losging. Tatsache ist: Das Zitat von Kurz stammt vom Jänner, als er für das Sperren der Route warb. Stellt sich die Frage: Wie zynisch ist eigentlich Herr Reimon, wenn er, um mit seiner Kritik durchzukommen, dieses Foto verwendet?

Österreich erhöht den Druck Kanzler Faymann fordert von Deutschland, rasch eine Flüchtlingsobergrenze festzulegen. Die Regierung rüstet sich mit Plänen für neue Grenzschließungen gegen Ausweichrouten. WIEN. Tausende Menschen harren weiterhin unter fürchterlichen Bedingungen in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze aus. Sie hoffen auf ein Wunder, also darauf, dass die Balkanroute wieder aufgeht und sie doch weiter Richtung Deutschland kommen. Busse, die die Menschen in feste Quartiere nach Athen bringen sollten, blieben laut Agenturberichten vom Wochenende leer. Österreich rüstet sich unterdessen für neue Ausweichrouten des Flüchtlingsstroms, der nicht abreißt: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) besuchten die bulgarisch-türkische Grenze. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich für die Schließung der Route über Italien aus. „Damit klar ist, die Zeit des Durchwinkens der Flüchtlinge nach Europa ist vorbei – egal auf welcher Route“, sagte Kurz im Interview mit der deutschen „Bild am Sonntag“. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es, dass alle Schritte und Aussagen der Minister „in unserem Sinne“ seien. Wenn neue il-

Bundeskanzler Werner Faymann äußert massive Skepsis an der deutschen Politik. BILD: SN/APA (AFP)/DIETER NAGL

legale Routen entstünden, müsse man diese auch wieder schließen. Im Vorfeld des einstündigen SoloAuftritts in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ schob Faymann der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Schuld für die Misere in Griechenland zu. Sie müsse den „Flüchtlingswettlauf“ Richtung Deutschland durch die Festlegung von Obergrenzen wie in Österreich stoppen, sagte der Kanzler. Analog zur österreichischen Obergrenze von 37.500 Asylanträgen wären das laut Faymann 400.000 in Deutschland im Jahr 2016. Ohne eine deut-

sche Obergrenze blieben nämlich die Aufnahmekontingente anderer EU-Staaten ungenutzt. So würde etwa Portugal 7000 Flüchtlinge, die in Idomeni verzweifelt warten, aufnehmen, „aber es sind nur 200 bereit, nach Portugal zu gehen, weil alle hoffen, irgendwann doch einen Weg nach Deutschland zu finden“, sagte Faymann nach dem Treffen der sozialdemokratischen Parteiund Regierungschefs in Paris am Samstag, bei dem Faymann für seine Linie geworben hatte. Bei seinem ORF-Auftritt Sonntagabend wollte Faymann vor allem

die Totalwende der Regierung in der Flüchtlingskrise erneut erklären, wie es im Vorfeld hieß. Tenor: Man habe für eine EU-weite Lösung gekämpft, erst als klar gewesen sei, dass diese derzeit nicht funktioniere, habe man sich für den Alleingang entschieden. Faymann wollte auch einmal mehr für die Unterstützung Griechenlands werben. Kritik für Faymann setzte es am Wochenende vom ehemaligen deutschen Arbeitsminister, dem 80 Jahre alten Norbert Blüm, der demonstrativ Quartier in einem Zeltlager in Idomeni bezog: „Ich würde all denen, die da große Töne spucken, mal empfehlen, drei Tage hier zu sein. Ich würd’s dem österreichischen Bundeskanzler empfehlen“, sagte Blüm. Und: Die Lage in Idomeni sei eine „Schande für Europa“. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) konterte am Sonntag damit, dass viele Menschen in Idomeni keine Quartiere annehmen wollten, „um Druck in Richtung Öffnung der Balkanroute zu erzeugen“. Während der Flüchtlingszustrom nach Griechenland nicht abreißt – 44.000 sind es derzeit –, ging die Zahl in Deutschland rapide zurück. In Italien hingegen spürt man bezim reits eine Zunahme.

Miliz verlangt die Ablöse von Generälen Massive Kritik an „Wendehälsen“. Was wird aus dem Bundesheer-Standort Salzburg? ALEXANDER PURGER

Nachdem Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) ein Ende des Sparkurses im Bundesheer verkündet hat, werden nun Stimmen laut, die den Rücktritt jener Militärs verlangen, die diesen Sparkurs in den vergangenen Jahren exekutiert haben. „Es kann nicht sein, dass dieselben Herren, die das Bundesheer in den Abgrund geführt haben, sich nun als die großen Retter aufspielen“, wettert der Präsident der Milizverbände, Michael Schaffer. Hohe Berufsmilitärs hätten der Politik jahrelang alle WünWIEN.

sche erfüllt und dem Bundesheer dadurch immensen Schaden zugefügt, kritisiert der Salzburger. Kasernen seien verkauft, Verbände aufgelöst, die Miliz abgebaut, Kritiker mundtot gemacht worden. Nun stelle sich heraus, dass die Kritiker des Berufsheer-Kurses in allem recht gehabt hätten. Nicht eine Handvoll Berufssoldaten, sondern ausreichende Mannstärken, wie sie nur die Wehrpflicht und die Miliz bieten könnten, garantierten die Sicherheit Österreichs, betont Schaffer. Jene Generäle, die für die bisherigen Fehleinschätzungen verantwortlich seien, müssten den Hut nehmen, anstatt jetzt als „Wendehälse“ weiterzumachen.

In Salzburg herrscht unterdessen Rätselraten, was die geplante Änderung der Kommandostruktur für den Standort Salzburg bedeuten wird. Wie berichtet, will Minister Doskozil das Streitkräfteführungskommando, das teilweise in Salzburg angesiedelt ist, auflösen. Hochwertige Arbeitsplätze könnten dadurch verloren gehen. Andererseits wird Salzburg von der von Doskozil geplanten Aufwertung der Militärkommanden in den Bundesländern profitieren. Auch die von seinem Vorgänger Gerald Klug angekündigte Auflösung des Fliegerabwehrbataillons 3 in Salzburg dürfte der neue Minister rückgängig machen. Allerdings könnte

es zu einer Umwandlung in ein Jägerbataillon kommen. Wie die Struktur des Bundesheeres in Zukunft aussieht, wird sich erst im Sommer entscheiden. Dass es Änderungen geben muss, bestreitet niemand. Doskozil selbst schüttelte nach ersten Truppenbesuchen den Kopf: Wenn jemand ein Zimmer in einer Kaserne ausmalen wolle, müsse er zunächst in Wien um Genehmigung ansuchen, sagt sich der Minister verwundert. Tatsächlich sind die Strukturen extrem unübersichtlich. Die Vorgesetzten der in Salzburg tätigen Heeresteile sind über ganz Österreich verstreut. Sie sitzen in Wien, Graz, Innsbruck, Eisenstadt und Absam.