Zisterzienser VII.p65

MONIKA STORM: Die Entwicklung der Klosterlandschaft im östlichen Sachsen. 80 ... CHRISTIAN GAHLBECK: Zisterziensische Reformbemühungen um 1500:.
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Benediktiner, Zisterzienser

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Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser • Band 7

BENEDIK TINER, ZISTERZIENSER Christof Römer / Dieter Pötschke / Oliver H. Schmidt (Hg.)

Lukas Verlag 3

Abbildung auf dem Umschlag: Klosterplan, Dachaufsicht, Rekonstruktion von Konrad Hecht (Hechtsche Diathek, heute im Fachgebiet Baugeschichte des Instituts für Bau- und Stadtbaugeschichte der TU Braunschweig [St. Gallen 104])

Herausgegeben im Auftrag des Fördervereins Kloster Zinna e.V. und des Ministeriums für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg. Die Tagung »Zisterzienser – Multimedia – Tourismus« und der vorliegende Band wurden durch das Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg mit Lottomitteln gefördert.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Benediktiner, Zisterzienser / Christof Römer ... (Hg.) – Erstausg., 1. Aufl. – Berlin : Lukas Verl., 1999 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser ; Bd. 7) ISBN 3–931836–29–0

© by Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 1999 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstr. 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: Difo-Druck, Bamberg Gedruckt auf umweltverträglich hergestelltem und absolut alterungsbeständigem Papier Printed in Germany ISBN 3–931836–29–0

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Inhalt

OLIVER H. SCHMIDT: Einführung

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Benediktiner ULRICH FAUST OSB: Leben nach der Regel Benedikts

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GEORG KOHLSTEDT: Kloster und Stift am Beispiel Großburschla

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WINFRIED TÖPLER: Das Benediktinerinnenkloster vor Guben

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MICHAEL SCHOLZ: Die Hersfelder Propstei Memleben im Spätmittelalter

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MONIKA LÜCKE: Benediktinerklöster im Mansfeldischen in der Reformationszeit

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DETLEF JANKOWSKI: Das Kloster Reinsdorf und die Bursfelder Reform

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HANS-JÖRG RUGE: Das ehemalige Benediktinerkloster Reinhardsbrunn – Quellenüberlieferung und Forschungsstand

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MONIKA STORM: Die Entwicklung der Klosterlandschaft im östlichen Sachsen

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CHRISTOF RÖMER: Germania Benedictina Mittel- und Ostdeutschland

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HANNES THORHAUER: Der St. Galler Klosterplan

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DIETER PÖTSCHKE: Zur Geschichte von Bibliothek und Skriptorium der Benediktinerabtei Ilsenburg

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PETRA MARX: Die Stuckemporenbrüstung aus Kloster Gröningen im historischen Kontext

123

Zisterzienser ANGELIKA LOZAR: Die Gründungsgeschichte der Zisterzienserabtei Himmerod auf der Grundlage der Stiftungsurkunde von 1138

147

FRITZ WAGNER: Caesarius von Heisterbach – ein Zisterzienser auf Reisen

159

LORE POELCHAU: Das Zisterzienserkloster Dünamünde

172

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ANDREAS NIEMECK: Die Zisterzienser in Hiddensee und die Saline zu Lüneburg

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CHRISTIAN GAHLBECK: Zisterziensische Reformbemühungen um 1500: die Klosterreformen von Reetz (1495/1510) und Himmelstädt (1513) 200 KLAUS WOLLENBERG: Reisen bayerischer und fränkischer Zisterziensermönche nach Cîteaux im 16. und 17. Jahrhundert 221 Tourismus, Multimedia BR. MARKUS SCHÜPPEN: Pilgerreise zum Jubiläum Cîteaux 1098–1998 – eine Fahrt auf den Spuren der frühen Zisterzienser

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HARALD SCHWILLUS: Zisterzienser. Brandenburg. Vorpommern – Idee und Umsetzung einer Ausstellungskonzeption

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SR. REGINA KLAUS O.CIST.: Besucher und Besucherführungen in Oberschönenfeld

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INGRID WEIGERDING /OLIVER H. SCHMIDT: Zur Wirkung des touristischen Marketingschwerpunkts »Zisterzienserjahr 1998« im Land Brandenburg 288 DIETER PÖTSCHKE /KAY FEUERSTAKE: Überlegungen zur multimedialen Darstellung einer Klostergeschichte auf CD-ROM

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Anhang Ortsregister Namensregister Die Autoren

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Vorwort

Die Regel des Heiligen Benedikts verbindet die Klöster der Benediktiner und den Zisterzienserorden. Die strengere Auffassung der Zisterzienser vom Klosterleben fand in den Regionen östlich der Elbe stärkeren Anklang als der liberalere, eher kulturellen Aktivitäten zugewandte Stil der Benediktiner. Zwar sind die Benediktiner im Elbe-Saale-Raum stark vertreten, nicht aber als Hausklöster der großen Adelsgeschlechter. Die Zisterzienser entwickelten dagegen große Herrschaftskomplexe zu verhältnismäßig unabhängigen Territorien, beispielsweise auf dem Gebiet des heutigen Landes Brandenburg. Hier trachteten sie nach der Verwirklichung ihrer Ideale des geistlichen Lebens, der Landeskultivierung, Kunst und Kultur. Beiden Strömungen der Entfaltung mittelalterlicher Religiosität und Kultur war die Tagung in Kloster Zinna im Herbst 1998 gewidmet, deren Ergebnisse in diesem Band zusammengefaßt sind. Besonderes Interesse fand im Teilnehmerkreis die Mitwirkung von Mitgliedern der Bayrischen Benediktinerakademie zu München und Mitarbeitern der Germania Benedictina für den künftigen Band »Benediktinerklöster Mittel- und Ostdeutschlands«. Aus dem Benediktinerkloster Ottobeuren kam Prof. Dr. Dr. P. Ulrich Faust OSB, Sektionsleiter für Geschichte der Benediktinerakademie, nach Kloster Zinna und belebte die Tagung mit seinem fundierten Beitrag. Die Zisterzienserforscher im Brandenburgischen veranschaulichten in ihrem Workshop den hohen Stand der Forschungen und auch die vielfältigen Bemühungen, die einstigen Zisterzienser- und Zisterzienserinnenklöster in Brandenburg in ihren Überresten und mittels der von den Klöstern geprägten Landschaften dem heutigen Menschen und kulturhistorisch interessierten Touristen zu vermitteln. Den Zisterziensern und Zisterzienserinnen Mittelund Ostdeutschlands werden in der Germania Benedictina zwei eigene Bände gewidmet. Möge diese Veröffentlichung Leser finden, die von dem gleichen Engagement erfaßt sind wie die Teilnehmer der Zinnaer Tagung. Den zisterziensischen Geist vermittelte neben dem Tagungsort, dem Kloster Zinna in Jüterbog, vor allem die Teilnahme zweier Mitglieder des Ordens. Herzlich sei hier Schwester Regina und Bruder Markus aus den Abteien Oberschönenfeld und Himmerod für ihre Beiträge gedankt. Der veranstaltende Förderverein Kloster Zinna trug durch seine hervorragende organisatorische Arbeit sowie die Führungen durch das Kloster Zinna 7

und die Flämingstadt Jüterbog wesentlich zum ganzheitlichen Erfolg der Tagung bei. Hierfür gebührt ein besonderer Dank Frau Heike Frenzel M.A., die sich nicht nur in gewohnt herzlicher Weise den organisatorischen Fragen der Teilnehmer annahm, sondern insbesondere auch die sorgfältige Manuskriptarbeit dieses Bandes besorgte. Zu danken ist schließlich dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg, das mit Lottomitteln diese Tagung großzügig unterstützte. Oliver H. Schmidt M.A.

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Dr. Christof Römer

Dr. Dieter Pötschke

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Leben nach der Regel Benedikts Ulrich Faust OSB

Sehr oft begegnet man Darstellungen über Benedikt und das von ihm ausgehende Mönchtum etwa folgenden Wortlauts: »Der 480 in Nursia geborene Benedikt gründete 529 das Kloster Monte Cassino, das erste seines Ordens. Dort schrieb er auch die Regel für seinen Orden, in der die Handarbeit besonders gefördert wird. Das wirkte sich positiv für das westliche Mönchtum aus. Prägend war das Gelübde der Ortsbeständigkeit (stabilitas loci). Große kulturelle Leistungen gingen von den Benediktinern aus. Die Vernachlässigung der Handarbeit führte im 12. Jahrhundert zur Bildung eines Reformordens, der nach der ›Zisterzienserregel‹ lebte und auf körperliche Arbeit Wert legt.« Wir wollen im folgenden solche Auffassungen im Lichte der neueren Forschung klarstellen und dann Mönche des 12. Jahrhunderts befragen, wie sie ihr Leben verstanden. Benedikt von Nursia Ca. 30 Jahre nach dem Tod Benedikts hat Papst Gregor der Große 593/594 die Lebensbeschreibung des Abtes von Monte Cassino im zweiten Buch der »Dialoge« als älteste und einzige Quelle über ihn aufgezeichnet.1 Dabei handelt es sich nicht um eine Biographie im modernen Sinne. Wie Ägypten und Gallien auf die Viten des heiligen Antonius und des heiligen Martin stolz sein konnten, so wollte Gregor »zum Lobpreis des Erlösers einige von den Wundern des ehrwürdigen Mannes Benedikt erzählen« (Dial. 1, 12). Gregor hat Benedikt den Vorzug vor allen Mönchen, Äbten und Bischöfen gegeben und ihn in den Mittelpunkt seiner Dialoge gestellt. Als F. Clark 1987 darlegte, daß Gregor nicht der Autor dieses Werkes sei2, ließ die Antwort gelehrter Mönche nicht lange auf sich warten. »Nach dem jetzigen Stande der Forschung kann Clarks Versuch, die Dialoge als Fälschung hinzustellen, als gescheitert angesehen werden«, urteilte P. Engelbert 1989.3

1 Gregor: Buch II der Dialoge, lateinisch/deutsch, St. Ottilien 1995. 2 Clark, F.: The Pseudo-Gregorian Dialogues, 2. Bde. (= Studies in the History of the Christian Thought 37+38), Leiden 1987. 3 Engelbert, P.: Neue Forschungen zu den Dialogen Gregor des Großen. Antworten auf Clarks These, in EA 65 (1989), S. 376–393.

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Trotz des legendären Einschlags läßt sich aus den Dialogen Gregors ein historischer Kern erschließen. Benedikt entstammte einer bürgerlichen Familie aus der Provinz Nursia im Sabinerland. Die Traditionsdaten seines Lebens: Geburt um 480, Aufenthalt in Rom 500, Übersiedelung nach Monte Cassino 529, Tod um 547, sind nur Vermutungen. Die Zeit seiner Geburt wird heute meist zwischen 480 und 490 angesetzt, sein Tod in die Jahre 555 bis 560 datiert. Zum Studium wurde Benedikt nach Rom geschickt, blieb dort aber nur kurze Zeit. Erschüttert durch die Gefahren des sittenlosen Treibens in der Ewigen Stadt, folgte er seiner Berufung zum geistlichen Leben. Er zog sich zunächst in die Einsamkeit der Sabiner Berge nach Enfinde (ital. Affile) zurück, um dann ins Aniotal bei Sublacus (ital. Subiaco), etwa 75 Kilometer östlich von Rom, zu übersiedeln. Drei Jahre hielt er sich in einer Höhle verborgen. Nachdem er bekannt geworden war, wurde ihm die Leitung einer in der Nähe befindlichen Mönchsgemeinschaft angetragen. In diesem ersten Amt als Klostervorsteher scheiterte er und kehrte nach Subiaco zurück. Sein Ruf zog dort zahlreiche Asketen an, die er auf zwölf in den Bergen gelegene Klöster mit je zwölf Mönchen verteilte. Benedikt selbst verblieb mit einigen Schülern im Zentralkloster am Seeufer. Aus der Erzählung Gregors wird nicht erkennbar, daß sich Benedikt in Subiaco zu einem Klosterverband im Sinne des Pachomius († um 347) bekannt hätte. Die Nachstellungen eines eifersüchtigen Priesters der Umgebung veranlaßten Benedikt, von Subiaco fortzugehen. Er wandte sich nach Süden und ließ sich etwa 140 Kilometer von Rom entfernt mit einigen Schülern auf dem Monte Cassino nieder. Auf der Höhe des Berges wurde in einem Tempel des Apollo (oder Jupiter) noch der heidnische Kult praktiziert. Benedikt zerstörte die heidnische Kultstätte, weihte in ihr ein Oratorium des heiligen Martin und verkündete den Menschen der Umgebung den christlichen Glauben. Ein zweites Oratorium zu Ehren des heiligen Johannes des Täufers entstand auf dem Berggipfel. Die Dialoge erwähnen nur den Wechsel von Subiaco nach Monte Cassino, wo Benedikt im Sinne seiner Regel ein autonomes Einzelkloster gründete. Allem Anschein nach hat er sein Kloster nicht mehr verlassen. Nachdem er seine Schwester Scholastica, eine gottgeweihte Jungfrau, in seiner eigenen Gruft hatte bestatten lassen, ist er selbst auf Monte Cassino gestorben und begraben worden. Beständigkeit kennzeichnet das Leben Benedikts. Nur einmal verlegte er den Ort seines Wirkens als Klostervorsteher, und dies wohl gegen seinen Willen. Zu Lebzeiten war seine Wirkung begrenzt, seine Wunder von beschränkter Bedeutung. Er unterhielt Beziehungen zu hochgestellten PersönLeben nach der Regel Benedikts

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lichkeiten, die ihm ihre Söhne zur Erziehung anvertrauten. Angesehene Bischöfe und Nonnen von vornehmer Herkunft pflegten Umgang mit ihm. Seine Novizen entstammten gebildeten Familien. Wenn Benedikt Priester gewesen wäre, hätte Papst Gregor dies wohl erwähnt. Gregor weiß, daß Benedikt eine Mönchsregel geschrieben hat; denn er sagt: »Inmitten der vielen Wunder, durch die der Mann Gottes in der Welt glänzte, leuchtete er auch ganz besonders durch das Wort seiner Lehre hervor. Denn er hat eine Regel für Mönche verfaßt, einzigartig in weiser Mäßigung, lichtvoll in der Darstellung. Wer sein Leben und seinen Wandel genauer kennenlernen will, der findet in den Vorschriften dieser Regel alles, was er als Lehrmeister vorgelebt hat. Denn der Heilige konnte nichts anderes lehren, als er lebte.« (Dial. 2, 36). Für die Einordnung Benedikts in die Geschichte gibt es zwei Anhaltspunkte. Gregor nennt Bischof Sabinus († um 566) von Canusium (ital. Canosa) in Apulien und König Totila († 552). Sabinus hat sich mit Benedikt über den Untergang Roms, das Totila am 17. Dezember 546 eingenommen hat, unterhalten. Der Papst berichtet von einem Besuch Totilas auf dem Monte Cassino (Dial. 2, 14f.). Die Regel Benedikts Die Mönchsregel4 (Regula Benedicti = RB) verfaßte der heilige Benedikt im vierten oder fünften Jahrzehnt des 6. Jahrhunderts auf Monte Cassino. Bei der Niederschrift hatte er nicht nur sein Kloster vor Augen, sondern dachte auch an andere Klöster verschiedener Größe, unterschiedlichen Klimas und anderer geographischer Lage. Die Klosterregel ist im lebendigen Latein des 6. Jahrhunderts geschrieben, das von der Mittel- und Oberschicht Italiens gesprochen wurde. Die Regula Benedicti vermittelt einen Überblick über die Formen des klösterlichen Lebens. Sie beginnt mit einem Prolog nach Art einer antiken Mahnrede und endet mit einem Nachwort. In einem ersten Teil werden die Grundstrukturen des klösterlichen Lebens dargelegt: Abt und brüderliche Gemeinschaft (Kap. 2–3), geistliches Leben (Kap. 4–7), Gottesdienstordnung (Kap. 8–20), Gehilfen des Abtes und Strafordnung (Kap. 21–30), Verwaltung des Klosters (Kap. 31–57). Organisch folgen die weiteren Teile. Der zweite Teil hat die Aufnahmeordnung zum Inhalt (Kap. 58–63), der dritte behandelt die Wahl des Abtes und die Einsetzung des Priors (Kap. 64–65), der vierte regelt Klausur und Klosterpforte (Kap. 66). Ergänzende Nachträge sind in den übrigen Kapiteln (67–72) aufgeführt. 4 Die Benediktusregel lat./dt., hg. im Auftrag der Salzburger Äbtekonferenz, Beuron 1992.

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Außer der Bibel ist kein Werk der altchristlichen Literatur handschriftlich so häufig überliefert wie die Regula Benedicti. L. Traube hat sich bemüht, die Geschichte der verlorengegangenen Urschrift der Regula Benedicti zu rekonstruieren.5 577 flohen die Mönche von Monte Cassino vor den Lombarden in das Laterankloster nach Rom und nahmen dorthin die Urschrift mit. Diese Regula Benedicti-Handschrift kam später in die päpstliche Lateranbibliothek. Bald nach 717 hat Abt Petronax Monte Cassino wieder besiedelt. Das neu errichtete Kloster bekam um 750 von Papst Zacharias die Regula Benedicti-Handschrift zurück. Bis 883 blieb das kostbare Dokument dort. Als zu dieser Zeit die Sarazenen die Abtei bedrohten, wurde der Regelkodex nach Teano gebracht, wo er 886 einem Brand zum Opfer fiel. Nach 787 war auf Wunsch Karls des Großen eine Abschrift des Regeltextes gemacht und mit einem Begleitschreiben des Abtes Theodemar nach Aachen geschickt worden. Dieses Aachener Normalexemplar (A) wurde in der Hofbibliothek aufbewahrt und sollte dem Abt Benedikt von Aniane († 821) als Grundlage für seine Klosterreform im Frankenreich dienen. Auch dieses Exemplar der Regula Benedicti (A) ist verschollen. Es wurden aber Abschriften hergestellt und bereits vorhandene Handschriften nach ihm korrigiert. Die Mönche Grimald und Tatto von der Reichenau fertigten im Auftrag ihres Bibliothekars Reginbert im Reformkloster Inda bei Aachen eine Abschrift an, die als Codex Sangallensis 914 erhalten ist. Der Alltag nach der Regel Benedikts Will man eine Durchschnittszeit für das Aufstehen angeben, so muß dies zwei Uhr morgens sein. Die Mönche begeben sich zur Vigil, die im Sommer eine Stunde, im Winter etwa eineinhalb Stunden dauert. Bei Anbruch der Dämmerung singen sie die Laudes. Das sind die zwei bedeutendsten Gebetszeiten, mit denen die Mönche ihren »schuldigen Dienst leisten« (RB 16, 2). Die folgenden Beschäftigungen werden viermal durch das kirchliche Stundengebet unterbrochen. So werden die Mönche durch die öftere Rückkehr zum Gebet auf ihre große Aufgabe hingewiesen. Der weitere Tag ist ausgefüllt mit Lesung und Handarbeit. Besonders genannt wird die Arbeit auf dem Feld, im Garten, in den Werkstätten, im Haus, in der Küche, im Backhaus und in der Mühle. Ungefähr um 14.30 Uhr wird im Sommer die Hauptmahlzeit eingenommen. Sie besteht aus zwei gekochten Gerichten, bei denen Gemüse und Eier, vielleicht auch Fisch mit Salat, Brot und Wein, aber kein Fleisch angeboten 5

Traube, L.: Textgeschichte der Regula S. Benedicti (= Abhandlungen der Königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, XXV 2) 1898, überarb. 1902 von H. Plenkers.

Leben nach der Regel Benedikts

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werden. Darauf folgen wieder Lesung und Arbeit bis zur Vesper, an die sich das Abendessen anschließt. Bei Sonnenuntergang versammeln sich die Mönche noch einmal zu einer gemeinsamen Lesung. Nach der Komplet, dem Nachtgebet, gehen sie vor Einbruch der Dunkelheit zu Bett. Man schläft in großen Schlafsälen ohne Abteilungen – Zellen gibt es erst seit dem Spätmittelalter. Das Leben vollzieht sich öffentlich in der Gemeinschaft. Bei der Zeiteinteilung eines Durchschnittstages müssen wir Sommer und Winter unterscheiden: im Sommer dreieinhalb Stunden Gottesdienst, eine halbe Stunde Betrachtung, vier Stunden Lesung, sechseinhalb Stunden Arbeit, achteinhalb Stunden Schlaf und eine Stunde für die Mahlzeiten; im Winter folgt die Betrachtung auf den Nachtchor (Vigil), es gibt weniger Lesung und Arbeit. Dafür ist die Zeit für den Gottesdienst und den Schlaf länger bemessen. Im Winter wird nur eine Mahlzeit gereicht. Für Erholung (Rekreation) ist keine Zeit vorgesehen. Es herrscht ständiges Schweigen. Die Mönche reden nur, wenn eine begründete Ursache für den Betrieb im Kloster vorhanden ist. Der heilige Benedikt beschränkt den Gebrauch von Zeichen auf das Refektorium, um die Tischlesung nicht zu stören. Besonders in der Nacht ist vollständiges Stillschweigen (summum silentium) vorgeschrieben. »Aber auch das soll mit größtem Ernst und würdiger Zurückhaltung geschehen« (RB 42, 11). Mit dem Wecken endet das große Nachtschweigen, denn »beim Aufstehen sollen sie einander bescheiden aufmuntern, so daß die Schläfrigen keine Ausrede haben« (RB 22, 8). Im Kloster Benedikts wird also gesprochen. Wenn es in der Regula Benedicti heißt: »Auch darf kein Bruder mit einem anderen Bruder zu einer Zeit verkehren, zu der es nicht gestattet ist« (RB 48, 12), besagt dies ja auch, daß es solche Zeiten gibt, zu denen die Mönche miteinander verkehren und sprechen dürfen. In der Fastenzeit soll der Mönch auf »Geschwätzigkeit« (loquacitas) verzichten. Die kostbarste Zeit des Tages und der Nacht ist dem Gottesdienst gewidmet. Immer wieder wird das Tagwerk durch eine Gebetszeit geheiligt. Die Regula Benedicti kennt acht Gebetszeiten: Nachtfeier (Vigil), Morgenfeier (Laudes), Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Komplet. Die Achtzahl ist wohl der monastischen Überlieferung entnommen. Weder die Zahl der Gebetszeiten noch ihre Bestimmung ergeben sich einfach aus der Heiligen Schrift. A. de Vogüé 6 sagt dazu: »Für den Mönch wie für den Christen der ersten Jahrhunderte besteht das einzige Gesetz darin, ohne Unterlaß zu beten. Das Offi6 de Vogüé, A.: Die Regula Benedicti. Theologisch-spiritueller Kommentar, Hildesheim 1986, S. 151f.

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