Zisterzienser ii.p65

nach einer Zeichnung vermutlich von Bauinspektor Hecker, dat. 10. Mai 1828 ..... Gulden an Matthias von Bredow im Havelland.18 Und 1497 (30. Sept.) leiht.
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Geschichte und Recht der Zisterzienser

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Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser • Band 2

GESCHICHTE UND RECHT DER ZISTERZIENSER Dieter Pötschke (Hg.)

Lukas Verlag

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Abbildung auf dem Umschlag: Klosterkirche Lehnin, Palmettenfries zwischen Obergaden und Seitenschiffarkaden, nach einer Zeichnung vermutlich von Bauinspektor Hecker, dat. 10. Mai 1828

Herausgeber und Verlag danken der Stiftung Mitteldeutscher Kulturrat sowie dem Luise-Henrietten-Stift Lehnin für ihre freundliche Unterstützung dieser Publikation.

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Geschichte und Recht der Zisterzienser / Dieter Pötschke (Hg.) – Berlin : Lukas Verl., 1997 (Studien zur Geschichte, Kunst und Kultur der Zisterzienser ; Bd. 2) ISBN 3–931836–05–3 NE: Pötschke, Dieter [Hrsg.]; GT

© by Lukas Verlag Erstausgabe 1. Auflage 1997 2., durchgesehene, leicht veränderte Auflage 2001 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstr. 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlag und Satz: Verlag Druck und Bindung: Difo-Druck, Bamberg Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Printed in Germany ISBN 3–931836–05–3

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Inhalt Vorwort des Herausgebers Wirtschaft der Zisterzienser im nordostdeutschen Raum STEPHAN WARNATSCH: Wirtschaftliche Faktoren der Gründung des Klosters Lehnin UTA UND KLAUS PULS: Gartenbau bei den Zisterziensern DIETER PÖTSCHKE: Eine Stadt in Klosterbesitz – Kloster Buch, die Stadt Belgern und ihr Roland Verhältnis der Zisterzienser zu Landesherrschaft und Recht HELMUT ASSING: Wer holte Kloster Zinna in den heutigen Barnim? SVEN WICHERT: Sachsen gegen Wenden. Das Zisterzienserkloster Doberan in einer Krise DIETER PÖTSCHKE: Kloster Neuenkamp in seinem Verhältnis zu Rügenfürsten und Pommernherzögen DIETER PÖTSCHKE: Zisterzienserklöster und Rechtsbücher im Bereich des sächsischen Rechts Religiöse Praxis, Kultur und Architektur der Zisterzienser KAZIMIERZ BOBOWSKI: Armen- und Krankenpflege in den schlesischen Zisterzienserklöstern bis zur Säkularisation WINFRIED TÖPLER: Der Konvent des Zisterzienserklosters Neuzelle FRED SOBIK: Heiliges Grab und Wunderblut – die Wallfahrt im Zisterzienserinnenkloster Heiligengrabe DIETER PÖTSCHKE: Beiträge zur Geschichte des Heiligenblutklosters Wasserleben GUNTHER NISCH: Die Restaurierungen der Klosterkirche Lehnin im 19. Jahrhundert

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Zisterzienserforschung und moderne Medien WOLFGANG ROEHRIG: Die Internet-Anbindung des Deutschen Historischen Museums (DHM) – Nutzen und Perspektiven 205 210 OLIVER H. SCHMIDT: Multimediale Findbücher für Klöster JÜRGEN FEUERSTAKE: Wege zu den Zisterziensern – ein Multimediaprojekt 219 Autorenverzeichnis

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Vorwort Nachdem die Herausgeber des ersten Bandes eine Begründung für die neue Studienreihe gegeben haben, ist dies wohl für einen zweiten Band nicht mehr notwendig, zumal der erste vom Publikum erfreulich interessiert aufgenommen wurde und sich ein dritter bereits in Vorbereitung befindet. Nachdem es im ersten Band hauptsächlich um die Geschichte der ehemaligen Zisterzienserklöster in Brandenburg ging, soll es hier um künftige Richtungen der Zisterzienserforschung insbesondere im Land Brandenburg, aber auch darüber hinaus gehen. Denn zum einen sind die sechzehn ehemaligen Zisterzienserinnenund Zisterzienserklöster im heutigen Brandenburg Verpflichtung zu ihrem Erhalt und ihrer Erforschung. Zum anderen rückt das Jubiläumsjahr 1998 näher, in dem es der Gründung des Ordens vor 900 Jahren zu gedenken gilt. So wie früher die Tätigkeit der Zisterzienser verläuft heute eigentlich auch die Erforschung ihres Wirkens eher im Stillen. An den deutschen Universitäten gibt es zwar eine Reihe von Lehrstühlen etwa zur Wirtschafts-, Landes- und Rechtsgeschichte, aber nicht für die Geschichte insbesondere der Benediktiner- und Zisterzienserorden. Welcher Fakultät allein sollte man derartige Forschungen auch zuordnen? Geht es doch gleichermaßen um • Patrozinienforschung, somit allgemeiner um Kirchengeschichte1 • Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters • Archäologie • Kunst- und Baugeschichte • Rechts- und Landesgeschichte • Stadt- und Landgeschichte usw. Der vorliegende Band bestätigt erneut, daß Zisterzienserforschung ein interdisziplinäres Thema ist. Dies zeigte auch die 2. Wissenschaftliche Tagung zur Zisterzienserforschung, die der Nicolaikreis und das Luise-Henrietten-Stift in Verbindung mit dem Institut Français Berlin und der Stiftung mitteldeutscher Kulturrat am 17./18. Juni 1996 in Lehnin gemeinsam veranstalteten. Eine Reihe der damals gehaltenen Vorträge konnte in teilweise überarbeiteter und erweiterter Form in diesen Band aufgenommen werden. An dieser Stelle sei also den Referenten und Organisatoren noch einmal ausdrücklich gedankt. 1

Die Brücke von der Patrozinienforschung zur landesgeschichtlichen Forschung wird von der sog. »Sakralraumanalyse« geschlagen, vgl. Jürgen Petersohn: Der südliche Ostseeraum im kirchlich-politischen Kräftespiel des Reichs, Polens und Dänemarks vom 10.–13. Jh. Köln, Wien 1979.

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Vorwort

Die Arbeiten in diesem zweiten Band kann man zwanglos in drei Themenblöcke gliedern. Zunächst geht es um die Wirtschaft der Zisterzienser – insbesondere im nordostdeutschen und mithin auch brandenburgischen Raum. Stephan Warnatsch befaßt sich mit den wirtschaftlichen Faktoren der Gründung des ersten Zisterzienserklosters der Mark, dem Kloster Lehnin, und geht dann der Frage nach, ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Gründung des Klosters und der Neustadt Brandenburgs besteht. Letztere wird urkundlich erstmals Ende des 12. Jahrhunderts erwähnt. Uta und Klaus Puls räumen aufgrund ihrer Recherchen mit einigen Vorurteilen über den Gartenbau der Zisterzienser auf, die allerdings wohl häufig in Ermangelung lokaler Quellen entstanden sind, und fordern weitere Untersuchungen anhand überlieferter Quellen. Mittelalterliche Zisterzienserklöster standen im regen Austausch mit Städten in ihrer näheren Umgebung und unterhielten auch Handels- und Verkehrsbeziehungen zu entfernteren Städten. Während diese wirtschaftlichen Beziehungen – etwa in Form der Stadthöfe – mit der entwickelten mittelalterlichen Stadt immer wieder die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich lenkten, findet »die Frage nach den Beziehungen zwischen Zisterzienserklöstern und den noch um ihre Unabhängigkeit vom Stadtherrn kämpfenden Städten durchweg keine Beachtung, obwohl in dieser Phase der städtischen Verfassungsentwicklung möglicherweise entscheidende Voraussetzungen für die später dann zu konstatierende feste Verwurzelung der Zisterzienser im städtischen Wirtschaftsleben geschaffen wurden«, bemerkte einst Dieter Demandt.2 In diesem Zusammenhang kann der vorgelegte Aufsatz über die Stadt Belgern im Besitz des Klosters Buch durchaus von Interesse sein. Ein zweiter Themenblock behandelt das Verhältnis der Zisterzienser zu Landesherrschaft und Recht. Der Potsdamer Landeshistoriker Helmut Assing, u.a. durch seine Untersuchungen zu Kloster Lehnin bekannt, bietet neuere Überlegungen zu der Frage, wer die Zisterzienser aus Zinna in den Barnim brachte. Eine deutliche Übereinstimmung zwischen den Interessen der Rügenfürsten und der pommerschen Herzöge und dem Kloster Neuenkamp bei Stralsund erwies eine neuerliche Analyse der urkundlichen Quellen in dem Aufsatz über Kloster Neuenkamp. So erhielt das Kloster als Tochter des Klosters Altenkamp am Rhein kurz nach der Gründung das Privileg, Deutsche 2 Dieter Demandt: Kloster Eberbach und die Entstehung des Mainzer Stadtrates, in: Zisterzienserstudien III, Berlin 1976. (= Studien z. Europäischen Geschichte Bd. XIII), S. 95–106.

Vorwort

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anzusiedeln. Die Klosterkirche Neuenkamp, nach den kaum bekannten archäologischen Befunden ehemals einer der bedeutendsten Backsteinbauten Norddeutschlands, diente auch als Grablege der Rügenfürsten und später der pommerschen Herzöge. Weniger gut erforscht ist die Rechtsgeschichte des Zisterzienserordens. Dabei ist wenigstens das kanonische vom weltlichen Recht zu unterscheiden. Sven Wichert untersucht anhand verschiedener Quellen – darunter vor allem einer Prozeßschrift mit rund 150 Punkten – akribisch einen klosterinternen Konflikt, der eine Krise der Doberaner Abtei im 14. Jahrhundert charakterisierte. Ziel des angestrengten Verfahrens war die Lösung des Doberaner Klosters aus dem Unterstellungsverhältnis von der Mutterabtei Amelungsborn in Niedersachsen. Auslösendes Moment waren Konflikte zwischen einheimischen, d.h. mecklenburgischen Mönchen und denen aus Niedersachsen, weil letztere angeblich bevorzugt wurden. Ich selbst gehe desweiteren auf das Thema »Zisterzienser und Rechtsbücher im Bereich des sächsischen Rechts« ein. Für die Bibliothek des Klosters Lehnin sind eine Reihe nicht unbedeutender Werke des deutschen und Sachsenspiegelrechts nachweisbar, von denen nur der »Schlüssel zum Landrecht« erhalten, aber nicht ediert ist. Aufgrund einer erneuten inhaltlichen Analyse ergibt sich die Vermutung, daß ein in der Bibliothek nachweisbares remissorium teutunicale cum lege Lombarda in lattino (Nr. 656 bei Sello) als Vorbild für den im Kloster Lehnin entstandenen »Schlüssel« diente. Leider kommt der interessante Beitrag von Wolfgang Ribbe zum überlieferten Prozeßregister des Klosters Lehnin hier nicht zum Abdruck, doch soll dazu demnächst eine Monographie erscheinen.3 Ein dritter Themenblock bietet Aufsätze zu Kultur, Architektur und der religiösen Praxis der Zisterzienser. Gunther Nisch befaßt sich mit den in ihrem Ausmaß und Details kaum bekannten Restaurierungsarbeiten in Kloster Lehnin im 19. Jahrhundert. Noch um 1850 war dieses einst so bedeutende Kloster in einem Zustand, der genausogut die Zelebrierung als »romantische Ruine« à la Eldena naheliegend erscheinen ließ. Der polnische Wissenschaftler Kazimierz Bobowski stellte freundlicherweise seinen Beitrag zur Armen- und Krankenpflege in den schlesischen Zisterzienserklöstern zur Verfügung. Von der Verehrung des Wunderblutes in den Klöstern Wasserleben b. Wernigerode und Heiligengrabe/Mark handeln weitere Aufsätze – letzterer von Fred Sobik. Vom Innenleben und dem Konvent des Klosters Neuzelle berichtet Winfried Töpler. 3

Wolfgang Ribbe (ed.): Das Gedenkbuch des Klosters Lehnin. Edition mit einer Einleitung: Die Wirtschaftsprozesse des Klosters Lehnin im 15. Jh. (erscheint demnächst).

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Vorwort

Das geeignetste Medium für die Darstellung von Ergebnissen der nicht nur Zisterzienserforschung ist neben dem altbewährten Buch heute zweifellos die elektronische Form: als CD-ROM oder im Internet. Dies liegt wohl an der »multi-medialen« Form der Ergebnisse. Daß dies für die verschiedensten Zwecke im Zisterziensermuseum nutzbar gemacht werden kann, zeigt der Aufsatz und neue Ansatz von Oliver H. Schmidt zu »multimedialen Findbüchern für Klöster«. Erste Ergebnisse kann man auf der home page (Titelseite) des Klosters Zinna bereits im Internet unter der Adresse http://www.dhm.de/ museen.zinna/ finden. Zum Gebrauch des Internets speziell im musealen Bereich informiert auch Wolfgang Roehrig vom Deutschen Historischen Museum Berlin. Über das singuläre Kloster hinausgehend, zeigt Jürgen Feuerstake in seinem Beitrag, welche Probleme sich bei der multimedialen Darstellung der Klöster einer ganzen Region ergeben und wie diese im Falle des Landes Brandenburg gelöst werden. Allein schon aus Kostengründen wird man auf die neuen Medien wie das Internet in den nächsten Jahren z.B. für die Veröffentlichung von fortlaufenden Bibliographien, zur Darstellung neuer archäologischer Ergebnisse oder zur Darstellung der Geschichte eines Klosters einschließlich seiner Quellen zurückgreifen müssen. Sie haben zudem den Vorteil, genau wie der Prozeß wissenschaftlicher Erkenntnis »dynamisch« zu sein, d.h. neue Ergebnisse können relativ problemlos eingearbeitet werden. Daß sie andererseits das überkommene Medium Buch zwar ergänzen, nicht aber ersetzen, beweist nicht zuletzt die vorliegende Publikation. Einer der Schwerpunkte der Arbeit mit den ehemaligen Zisterzienserklöstern im Land Brandenburg wird in den nächsten Jahren die neue Route »Wege zu den Zisterziensern« sein. Dieses Projekt hatten Oliver H. Schmidt, Museumsleiter im Kloster Zinna, und ich dem Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Technologie des Landes Brandenburg im Jahre 1995 vorgeschlagen. Der Wirtschaftsminister hat das Zisterzienserjubiläum denn auch als Tourismusschwerpunkt des Landes für 1998 auf der Internationalen Tourismusbörse Berlin (ITB) 1996 benannt. Wenn dieser Band einen Beitrag zur Vorbereitung des Jubiläums und der Route leistet, wäre einer seiner Zwecke erfüllt. Es ist mir ein Bedürfnis, dem Verleger Dr. Frank Böttcher für sein konstruktives Mitwirken bei der – auch inhaltlichen – Gestaltung des Bandes herzlich zu danken. Thyrow, im April 1997 Vorwort

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Wirtschaftliche Faktoren der Gründung des Klosters Lehnin Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters und zum möglichen Kausalzusammenhang zwischen der Gründung der Neustadt Brandenburg und der Stiftung Lehnins Stephan Warnatsch

Der folgende Aufsatz möchte einen kleinen Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Klosters Lehnin leisten. Dabei sollen die wirtschaftlichen Faktoren der Gründung Lehnins im Vordergrund stehen. Drei Unterpunkte werden hierbei Berücksichtigung finden: 1) die Gründung selbst, wie sie wirtschaftlich und finanziell zu bewerten ist und durch welche Hindernisse sie belastet war, 2) die wirtschaftlichen Intentionen des Stifters und 3) insbesondere die Frage, inwieweit die Stiftung des Klosters an die gleichzeitige Gründung der Neustadt Brandenburg gebunden gewesen sein könnte. Bei den Ausführungen wird allerdings nicht inhaltliche Vollständigkeit, sondern eine problemkritische Diskussion angestrebt; es sollen weniger Ergebnisse verteidigt als vielmehr Problemansätze und Thesen zur Debatte gestellt werden.1 Dabei mag zu Beginn ein zusammenfassender Überblick über das wirtschaftliche Potential des Klosters hilfreich sein. Das Kloster Lehnin gilt zu Recht als eine der herausragenden wirtschaftlichen Größen der mittelalterlichen Mark Brandenburg. Vor seiner Auflösung im Rahmen der Säkularisation 1542 umfaßte sein Besitz immerhin eine Stadt (Werder), 64 Dörfer und 54 Seen, wie die Kirchenvisitationen von 15402 und 1

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Dieser Aufsatz fußt auf dem bei der Zisterzienser-Tagung in Lehnin (14./15. Juni 1996) gehaltenen Vortrag, hat diesem gegenüber aber einige Veränderungen und Ergänzungen erfahren. Er präsentiert im Grunde »work in progress«, da die vorgestellten Überlegungen aus der Arbeit an meiner Dissertation zur »Geschichte des Klosters Lehnin« hervorgegangen sind, die noch nicht abgeschlossen ist. Daher ist es auch nicht Ziel dieses Aufsatzes, die angerissenen Probleme abschließend zu behandeln. Vielmehr will er das Augenmerk des Interessierten auf erste Lösungsansätze lenken. Adolph Friedrich Riedel (Hg.): Codex Diplomaticus Brandenburgensis. Sammlung der Urkunden, Chroniken und sonstigen Quellenschriften für die Geschichte der Mark Brandenburg und

Stephan Warnatsch

15413 belegen, sowie darüber hinaus zahlreiche Mühlen, Wälder, Wiesen und Gerechtigkeiten aller Art. Allein der reiche Kernbesitz umfaßte 38 Volldörfer. Vier Grangien sind nachweisbar: in Töplitz (Havelland, nordwestlich von Werder), in Mühlenbeck, das Abt Arnold von Monnikendamm (1456–67) zur Zentralstelle der Lehniner Barnimgüter machte und Schönerlinde (beide südlich des Lehniner Wandlitz-Komplexes) sowie in Loburg (nordöstlich von Magdeburg). Als sehr wahrscheinlich anzunehmen sind entsprechende Ackerhöfe (Grangien) aber auch für vier weitere Güter des Klosters: Stangenhagen (nördlich an den Zinnaer Kernbesitz angrenzend), Klosterfelde (im Wandlitz/ Stolzenhagen-Komplex des Klosters), Wachow (im Havelland) und auf den Besitzungen Lehnins in der Transoderana um Nordhausen und Belgen (östlich von Zehden), die direkt an den Königsberger Besitz des Bistums Brandenburg grenzten.4 Darin allein aber erschöpften sich die wirtschaftlichen Aktivitäten des Klosters natürlich nicht. Man betrieb intensiven Handel mit und in den regional bedeutenden Städten wie Brandenburg, Magdeburg und Cölln/Berlin, aber ebenso auch Fernhandel z.B. mit Hamburg, das man vom Lehniner Klosterteich aus über Havel und Elbe ohne Umladen zu Schiff erreichen konnte: Der Historiker Bernhard Ludwig Becmann berichtet noch für die Zeit um 1750, daß man hier zu sagen pflegte, »man könne von Lehnin zu Waßer nach West und Ost Indien kommen«.5 Der Lehniner Handel mit Hamburg ist in

ihrer Regenten; 36 Bde. in vier Hauptabteilungen, Berlin 1838–1869, hier Abteilung I, Bd. 10, S. 378–398 Nr. 275; im weiteren nur noch wie folgt: Riedel A X S. 378–398 Nr. 275 (Matrikel der Pfarren und Kirchen in der Umgegend von Golzow, Reckahn und Lehnin, aufgenommen bei der ersten Kirchenvisitation im Jahre 1540). 3 Riedel A XI S. 474–485 Nr. 259: Visitationsprotokoll Barnimscher Dörfer in der Umgebung Berlins. 4 Riedel A X S. 204 Nr. 43 ; Riedel A X S. 213 Nr. 65 ; Riedel A X S. 238–239 Nr. 120; vgl. Walter Kuhn: Kirchliche Siedlung als Grenzschutz 1200 bis 1250 (am Beispiel des mittleren Oderraumes); in: Walther Kuhn: Vergleichende Untersuchungen zur mittelalterlichen Ostsiedlung; Köln/Wien 1973, S. 369–418. Vgl. Karte dort (eingelegt zwischen S. 384 und 385). Der Aufsatz erschien erstmalig in Ostdeutsche Wissenschaft 9(1962), S. 6–55. 5 Aus dem Nachlaß von Johann Christoph Becmann (1641–1717), Professor der Geschichte, Politik und Theologie an der Universität Frankfurt an der Oder; bearbeitet von Bernhard Ludwig Becmann und in Teilen im Druck herausgegeben: »Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg« (2 Bde., Berlin 1751). Die hier zitierte Textpassage stammt aus den unveröffentlichten, nicht vollständig von B.L. Becmann redigierten und in kleineren Teilen ungeordneten Ausführungen zu Ort, Amt und Kloster Lehnin : GStA Berlin-Dahlem (Merseburger Bestand DZA), Pr. Br. Rep. 92 Bekmann V (Topographie Mittelmark) C.18 (Lehnin), 120 Bl.; das Zitat findet sich auf fol. 15 r.

Wirtschaftliche Faktoren der Gründung des Klosters Lehnin

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einer Urkunde vom 20. August 1469 belegt6 , in welcher die Neustadt Brandenburg, wo das Kloster spätestens seit 1462 einen Stadthof unterhielt7, den Mönchen für Getreidelieferungen nach Hamburg die gleiche Zollfreiheit gewährt wie ihren Bürgern. Das Kloster produzierte auf seinen Grangien und lehnspflichtigen Dörfern in großem Umfang landwirtschaftliche Produkte aller Art. Der Lehniner Ackerbau, der – wie bei den Zisterziensern fast immer – als Dreifelderwirtschaft organisiert war, galt den üblichen Getreidearten: Weizen und Roggen als Wintergetreide, Hafer und Gerste als Sommergetreide, wobei die Gerste vornehmlich dem Brauwesen diente; außerdem ist für Lehnin auch ein verstärkter Anbau von Mohn nachzuweisen8, und darüber hinaus ist auch der Hanfanbau wahrscheinlich, der nachgewiesenermaßen z.B. im nahegelegenen Kloster Zinna die Hauptgrundlage der Fastennahrung war. Weiter betrieb Lehnin Wein- und Obstanbau und braute Bier, zum Teil auch mit Schankrecht. Man unterhielt neben Mühlen auch Ziegeleien9 und betrieb unter Abt Gallus, dem Nachfolger Arnolds von Monnikendamm (1468–80), im Verbund einer Pfännerschaft (einer Art Aktiengesellschaft) mit adligen und bürgerlichen Teilhabern Salzbau bei Saarmund in einem schon früher von anderer Hand betriebenen Salzwerk.10 Die Mönche hielten Vieh, vor allem Schafe und Schweine, und betrieben Zeidlereien, also Wildbienenzucht, aus der man Wachs zur Kerzenherstellung sowie Honig als gesuchten Süßstoff und als 6

Riedel A X S. 321–324 Nr. 229. – In entsprechenden hamburgischen Quellen, etwa Lieferlisten, Einlagerungsregistern, Zollverzeichnissen oder Prozeßakten über Rechtsstreitigkeiten von Händlern, taucht das Kloster Lehnin leider nicht auf. Es ist daher nicht eindeutig zu klären, ab wann die brandenburgische Zisterze diese direkten Handelsbeziehungen mit Hamburg unterhielt. 7 Riedel A X S. 411–413 (ohne Nr.). 8 Abzuleiten ist all dies unter anderem aus dem Abgabenschlüssel des Landbuchs von 1375, d.h. aus den Angaben zu den in den einzelnen zauchischen Dorfschaften üblichen Naturalabgaben. Johannes Schultze: Das Landbuch der Mark Brandenburg von 1375; Berlin 1940. Vgl. hierzu auch Georg Sello: Lehnin. Beiträge zur Geschichte von Kloster und Amt; Berlin 1881, S. 66. 9 Zwar sind solche für die Klosterzeit urkundlich nicht nachweisbar, doch schon allein die umfassende Bautätigkeit der Zisterze, der wir herrliche Backsteinbauten verdanken – man denke nur an die imposante Kirche –, darf als Beleg für die Existenz Lehninischer Ziegeleien gelten, da es äußerst unwahrscheinlich ist, daß man die enormen Mengen an Ziegeln z.B. beim benachbarten Zinna gekauft haben sollte. Die Einnahmen der allerdings erst für 1550 nachgewiesenen Lehniner Ziegelscheune betrugen in jenem Jahr immerhin 47 Schock (= 564) Groschen. Vgl. Karl Heinz Spiess: Die Beziehungen einiger mitteldeutscher Zisterzienserabteien zum dortigen Bergbau; in: Analecta 15 (1959), S. 265–283, hier: S. 282. 10 Sello: Lehnin, S. 69.

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Stephan Warnatsch

Grundlage der lukrativen Met- und Lebkuchenproduktion gewann. Außerdem verfügte das Kloster über eine ausgedehnte Fischereiwirtschaft in der Havel und in den Klosterseen, wo man Karpfen, Kaulbarsche, Brassen, Stinte, Hechte und Aale fing und zum Teil gezielt zog – zum Eigenbedarf wurden in den wasserreichen Besitzungen auch Biber gefangen, die im Mittelalter aufgrund ihrer Lebensweise als Fische galten und daher nicht vom Abstinenzgebot betroffen waren.11 Daneben stehen noch umfangreiche Holzwirtschaften, der Unterhalt eigener Jahrmärkte – spätestens ab 1444 innerhalb der Klostermauern (gründonnerstags)12 und ab 1459/60 im Städtchen Werder13 – und bei insgesamt steigenden wirtschaftlichen Gewinnen das zunehmende Engagement als Kreditinstitut für Landesherren, Bischöfe und Städte. Hierfür seien einige Beispiele aus der Blütezeit der Lehninischen Kreditwirtschaft im 15. Jahrhundert benannt: 1441 (26. Aug.) leiht Lehnin der Altstadt Magdeburg 300 Mark Silber.14 1469 (25. Mai) nimmt der Rat der Stadt zusätzlich zu den bereits seit 28 Jahren schuldigen 300 Mark einen weiteren Kredit über 400 rheinische Gulden auf – bei 100 Gulden, d.h. satten 25% Jahreszins für diesen neuen Kredit.15 Ebenfalls 1441 leihen Bürgermeister und Rat der Stadt Lüneburg 1088 rheinische Gulden beim Kloster zu 6% (64 Gulden) jährlichen Zinsen und schon 1443 zum gleichen Zinssatz (33 Gulden) weitere 550 Gulden. Knapp 30 Jahre später sieht sich das Kloster dann genötigt, diese Zinsen wegen finanzieller Engpässe der Stadt auf 4% zu senken.16 1474 (28. Nov.) nehmen Friedrich Brandt auf Wiesenburg und Johann Brandt auf Sandberg vor Belzig Schulden von 100 Schock (also 1200) brandenburgische Groschen auf, bei einem Jahreszins von 8 Pfennigen pro Groschen.17 1476 (19. Feb.) gehen gegen einen Jahreszins von 10 rheinischen Gulden (5%) 200 rheinische Gulden an Matthias von Bredow im Havelland.18 Und 1497 (30. Sept.) leiht 11 Vgl. z.B. Hermann Josef Roth: Zur Wirtschaftsgeschichte der Zisterzienser; in: Ambrosius Schneider (Hg.): Die Cistercienser. Geschichte, Geist, Kunst; Köln 1986 (3. Auflage), S. 528–557, hier: S. 540. 12 Riedel A X S. 284 Nr. 193 : Bestätigung des Jahrmarkts in Werder durch Friedrich II. am 26. März 1444. – Diesen Jahrmarkt gab es offensichtlich schon seit langem, doch wann er eingeführt worden war, geht aus dem Text nicht hervor. Die Formulierung lautet aber: »So als denn von langen alden geczyten und biszer, eine wyse und gute gewonheit gewesen und noch ist«. 13 Riedel A X S. 203 Nr. 213. 14 Riedel A X S. 275–276 Nr. 183. 15 Riedel A X S. 318–319 Nr. 227. 16 Riedel A X S. 328/329 Nr. 232. 17 Riedel A X S. 331–332 Nr. 235. 18 Riedel A X S. 338–339 Nr. 240.

Wirtschaftliche Faktoren der Gründung des Klosters Lehnin

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sich die Stadt Erfurt 2000 Mark rheinische Gulden für den Jahreszins von 120 rheinischen Gulden, den das Kloster nach einem Rechtsstreit von 1518 im Jahre 1519 um ein Drittel (40 Gulden) nachläßt.19 Die Reihe ließe sich fortsetzen, und man sieht, wie weit das Kloster zu diesem Zeitpunkt seine Kreditgeschäfte auch räumlich ausgedehnt hatte. Diese Kreditwirtschaft, die Christen ja an sich untersagt war und statt dessen z.B. den Juden vorbehalten sein sollte, war in den verschiedenen Orden zu dieser Zeit längst gang und gäbe und hatte sich im Gegenteil im Verlaufe des 14. und 15. Jahrhunderts zu einer der wichtigsten Einnahmequellen der Klöster entwickelt. Allerdings waren die üblichen Zinssätze von fünf oder sechs Prozent im Vergleich zu den üblichen Geldverleihern eher niedrig und wurden so auch nicht selten als mildtätige Hilfeleistung der Mönche verbrämt. Nichtsdestotrotz brachten diese niedrigen Sätze natürlich auch mehr Kreditnehmer, damit höheren Finanzumlauf und in letzter Konsequenz meist hohe Gewinne. Der erhebliche Reichtum, den das Kloster Lehnin in dieser Zeit erlangte, läßt sich neben diesen konkret wirtschaftlichen Aspekten beispielsweise auch daran ermessen, daß es um 1450 über eine Bibliothek von rund 1000 Bänden verfügte20, was damals nur an wenigen Orten übertroffen wurde. Zum Vergleich: Etwa zur gleichen Zeit umfaßte das Armarium in Citeaux (1480) ca. 1200 Bände, das des Klosters Zwettl (1451) nur etwa 500, Altzella besaß erst 1514 über 1000 Bände, und Abteien wie Grünhain und Heilsbronn erreichten derartige Zahlen nie; selbst die berühmte Sammlung der Medici zu Florenz zählte um 1470 nicht mehr als 800 Handschriften; größer als der Lehniner Bestand waren zu dieser Zeit nicht viele: die Heidelberger Universitätsbibliothek (1461) mit 841 Werke in ca. 1600 Bänden, das Armarium von Clairvaux (1472) mit 1788 Bänden und die Bibliothek der Abtei Himmerod (1453) mit einmaligen 2000 Bänden.21 Wie bei jedem Wirtschaftsunternehmen – und als solches soll das Kloster bei dieser Gelegenheit vornehmlich betrachtet werden, ohne dem sonstigen Spektrum seiner Bedeutungsebenen Abbruch zu tun – war dies natürlich kein 19 Riedel A X S. 364 Nr. 261. 20 Ambrosius Schneider: Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser; in: Ambrosius Schneider (Hg.): Die Cistercienser, S. 395–433, hier: S. 408. – Der 1514 auf Veranlassung Spalatins hergestellte »Bibliothece Leninensis index« verzeichnet 986 Titel, meist theologischen und juristischen, z.T. aber auch philosophischen und medizinischen Inhalts, die in 557 Bänden gebunden vorlagen. Diese Bestandsliste ist abgedruckt bei Sello: Lehnin, S. 225–242. 21 Ambrosius Schneider: Skriptorien und Bibliotheken der Cistercienser; a.a.O., hier: S. 408.

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