ZögU Zeitschrift Unternehmen räge nst - Nomos Verlagsgesellschaft

Mitarbeiter vertrauensvoll motivieren? Eine vergleichende ...... tralisierten Bank in der nicht vorgenommenen Trennung zwischen Informationssammlung und.
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Die Änderungstarifverträge für den öffentlichen Dienst

ZögU

Die Änderungstarifverträge 2008 haben neue Strukturen und Spielräume für die Arbeitsverhältnisse im gesamten öffentlichen Dienst für die Arbeitnehmer und für die Dienststellen wie für Einrichtungen und Betriebe gebracht. Arbeitgeber und Personalräte müssen sich auf die Neuerungen einstellen.

TVöD | TV-L

zugleich Organ des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP

Der Handkommentar bietet eine aktuelle und praxisnahe Kommentierung der Tarifverträge TVöD und TV-L unter Berücksichtigung der Änderungen 2008 wie die ■ Vereinheitlichung der bisherigen Tarifregelungen für Arbeiter- und Angestelltentarifverträge, ■ tarifrechtlichen Öffnungen der Arbeitszeitbestimmungen im Arbeitszeitgesetz, ■ Vereinbarung von Arbeitszeitkonten als Option, ■ Einführung von Leistungsentgelten sowie die ■ Neufassung der Regelungen zur Entgeltfortzahlung bei Krankheit und zum Urlaub.

Herausgegeben von Frank Schulz-Nieswandt Thomas Lenk Holger Mühlenkamp Johann Christian Pielow Dieter Kurt Tscheulin

Der Kommentar behandelt ausführlich die neu entwickelte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum TVöD und TV-L. Die Besonderen Teile (Verwaltungen, Krankenhäuser, Sparkassen u.a.) und die Überleitungstarifverträge sind im Einzelnen dargestellt.

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2010 n

ZögU Bitte bestellen Sie im Buchhandel oder versandkostenfrei unter

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für öffentliche und gemeinwirtschaftliche

Unternehmen

Journal for Public and Nonprofit Services

Heft 4

Tarifverträge für den öffentlichen Dienst Handkommentar Herausgegeben von Ernst Burger 2009, 825 S., geb., 79,– €, ISBN 978-3-8329-3640-2

Zeitschrift

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2010 33. Jahrgang Seite 311–424 ISSN 0344-9777

Nomos

Aus dem Inhalt Abhandlungen Patrick Brämer, Horst Gischer, Andreas Pfingsten, Toni Richter Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen aus der Perspektive des Stakeholder-Managements Ann-Marie Nienaber, Jan Tietmeyer Wie sollten Non-Profit Organisationen ihre Mitarbeiter vertrauensvoll motivieren? Eine vergleichende Analyse bei gemeinnützigen und renditeorientierten Unternehmen Christian Scherhag, Silke Boenigk Relationship Fundraising: Stand der empirischen Forschung, theoretischer Bezugsrahmen und zukünftige Forschungsfelder

ZögU Organ des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen

– Deutsche Sektion des CEEP

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2010 33. Jahrgang Seite 311–424

Gegründet von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn | Dr. Achim v. Loesch

Herausgegeben von Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität zu Köln (geschäftsführend) Prof. Dr. Thomas Lenk, Universität Leipzig Prof. Dr. Holger Mühlenkamp, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer Prof. Dr. Johann Christian Pielow, Ruhr-Universität Bochum Prof. Dr. Dieter Kurt Tscheulin, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Herausgeberbeirat: Prof. Dr. Gerold Ambrosius, Universität Siegen | Prof. Dr. Dietmar Bräunig, JustusLiebig-Universität Gießen | Wilhelm Georg Hanss, Vorsitzender der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) GmbH | Reiner Metz, Geschäftsführer ÖPNV des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen e.V., Köln | Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen e.V. (VKU), Köln | Inge Reichert, Geschäftsführerin des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (BVÖD), Berlin | Prof. Dr. Christina Schaefer, Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin | Dr. Dieter Steinkamp, Vertriebsvorstand Rheinenergie AG, Köln | Dr. Patrick Steinpaß, Direktor des Deutschen Sparkassen-Giroverbandes, Berlin | Prof. Dr. Ludwig Theuvsen, Georg-August-Universität Göttingen Redaktionsteam: Dipl.-Ges.-Ök. Saskia Alich | Dipl.-Volksw. Elisabeth Bünnagel | Benjamin Haas | Miriam Heins

Inhalt Abhandlungen Patrick Brämer, Horst Gischer, Andreas Pfingsten und Toni Richter Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen aus der Perspektive des Stakeholder-Managements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Ann-Marie Nienaber und Jan Tietmeyer Wie sollten Non-Profit Organisationen ihre Mitarbeiter vertrauensvoll motivieren? Eine vergleichende Analyse bei gemeinnützigen und renditeorientierten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 Christian Scherhag und Silke Boenigk Relationship Fundraising: Stand der empirischen Forschung, theoretischer Bezugsrahmen und zukünftige Forschungsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 Lilia Waehlert, Andreea Wagner und Hans Czap Potenziale und Nutzen einer Pfadkostenrechnung auf Basis von Behandlungspfaden für Einrichtungen im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 Julia Naskrent und Philipp Siebelt Spenderbindung – Behavioristische Einflussgrößen und Implikationen für NonprofitOrganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381

Kurzbeitrag Frank Schulz-Nieswandt Zentrale Themenfelder der Entwicklung des öffentlichen (und frei-gemeinwirtschaftlichen) Sektors in der neueren Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403

Mitteilungen Ludger Mansfeld, Franz-Josef Gräf und Norbert Vogelpoth Nachruf: Zum Tode von Dr. Heinz Bolsenkötter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Buchbesprechungen Herbert Mandelartz, Sisyphos lebt. Modernisierung der Verwaltung – alte Probleme, neue Fragen (Reinhold Kopp) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 Martin Wambach, Alexander Etterer und Gunnar Stark, Kommunales Zins- und Schuldenmanagement. Der Einsatz von Zinsderivaten in Städten und Gemeinden (Thomas Lenk/Oliver Rottmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 Werner Sesselmeier, Lothar Funk und Bernd Waas, Arbeitsmarkttheorien – Eine ökonomisch-juristische Einführung (Romana Leuthardt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 Heinz-J. Bontrupund Ralf-M. Marquardt, Kritisches Handbuch der deutschen Elektrizitätswirtschaft (Wolf Gottschalk) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423

Abhandlungen Patrick Brämer, Horst Gischer, Andreas Pfingsten und Toni Richter

Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen aus der Perspektive des Stakeholder-Managements Finanzsektor; Gemeinwohl; Geschäftsmodell; öffentlicher Auftrag; Sparkasse; Stakeholder Das Alleinstellungsmerkmal der deutschen Sparkassen ist ihr öffentlicher Auftrag. Die wirtschaftlichen Konsequenzen schlagen sich nicht nur im Jahresabschluss nieder, sondern vor allem in der Abgrenzung und systematischen Verfolgung eines geeigneten Geschäftsmodells. Der vorliegende Beitrag diskutiert die theoretischen und praktischen Folgerungen aus einer zeitgemäßen Interpretation des öffentlichen Auftrages, die sich im Wesentlichen an den Stakeholdern der Sparkassen orientiert. Vor diesem Hintergrund werden dezidierte Aufgaben der Sparkassen im deutschen Bankensektor abgeleitet. Die Folgen der jüngsten internationalen Finanzkrise sind allgegenwärtig. Die Diskussion über geeignete Maßnahmen zur Vermeidung ähnlicher Verwerfungen in der Zukunft hat begonnen. Ungeachtet erster Ansätze, etwa im Rahmen der G20-Vereinbarungen, sind nachhaltige Fortschritte bei der (internationalen) Finanzmarktaufsicht oder bei der erforderlichen Umgestaltung von Finanzmarktsystemen noch nicht zu erkennen. Nicht selten ist das deutsche Bankensystem in der Vergangenheit wegen seiner vermeintlichen Ineffizienz und des mutmaßlich produktivitätsschädlichen Nebeneinanders von privaten Kreditbanken, Sparkassen und Genossenschaftsinstituten kritisiert worden (z. B. Brunner u. a. 2004; SVR 2008). In der gegenwärtigen Situation jedoch hat sich das Drei-Säulen-Modell als Stabilitätsanker erwiesen. Gerade die viel gescholtenen „kleinen Einheiten“ haben eine umfassende systemische Krise im deutschen Bankensektor verhindert. Es gilt mithin, die Rolle und Aufgabe (auch) des öffentlich-rechtlichen Sektors in einem dezentral organisierten Bankensystem noch einmal deutlich zu beschreiben, um zum einen Missverständnisse bei mit den deutschen Verhältnissen weniger vertrauten Beobachtern zu vermeiden und zum anderen diejenigen ökonomischen Aufgaben der Sparkassen zu identifizieren, die von anderen Marktteilnehmern nicht oder nicht im gleichen Ausmaß freiwillig übernommen werden. Dies geschieht im Folgenden unter expliziter Annahme einer gegebenen ökonomischen Existenzgrundlage des öffentlichen Auftrages. Die besondere Position des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors ergibt sich demgemäß aus der Diagnose eines anhaltenden Marktversagens bei der Koordination von Angebot und Nachfrage nach Bankdienstleistungen. Es kommt ohne die Etablierung eines (im weitesten Sinne) nicht den Gewinn maximierenden Unternehmenssegments zu keiner optimalen Allokation auf zahlreichen Finanzmärkten, d. h. die Funktionen des Wettbewerbs sind gestört (exemplarisch Knieps 2008, S. 4 bzw. S. 11 f.). Vor diesem Hintergrund stehen öffentlich-rechtlich organisierte Finanzinstitute in einem engen regionalen Wettbewerbsverhält-

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nis zu den Kreditgenossenschaften. Letztere agieren zwar ebenfalls unter einem (stark) eingeschränkten Gewinnmaximierungspostulat, verfolgen aber erkennbar primär private (d. h. auf ihre Mitglieder bezogene) Geschäftsinteressen. Sie können also kaum als vollkommenes Substitut für Sparkassen angesehen werden. Unsere Ausführungen klammern allerdings im Folgenden die allokations- und wettbewerbspolitische Begründung des öffentlich-rechtlichen Finanzbereichs bewusst aus und beschränken sich ausschließlich auf die Folgen und Weiterungen dieser grundlegenden Strukturentscheidung. Es geht mithin primär um Art und Umfang der inhaltlichen Ausgestaltung der Bedingungen, die in den verschiedenen länderspezifischen Rechtsvorschriften formuliert werden.

I. Ausgangspunkt und Ziel des vorliegenden Beitrages Die reine Gewinnorientierung einer Geschäftsbank veranlasst diese meist zur Fokussierung auf besonders ertragbringende Kundengruppen. Einkommensschwache Bevölkerungsschichten fallen häufig nicht in diese Kategorie und finden in der Zielgruppe des Instituts somit keine Berücksichtigung. Ist dieses Verhalten systemweit zu beobachten, ist der Ausschluss breiter Bevölkerungsteile von grundlegenden Bankdienstleistungen die zwangsläufige Folge. Die zugegeben unrühmliche Popularität des Begriffs der „Financial Exclusion“ stammt aus dem britischen Bankensystem der Jahrtausendwende, in dem zeitweilig mehr als 5 Mio. Menschen keinen Zugang zu einem Girokonto besaßen (Department for Work and Pensions 2003). Aus der fehlenden Möglichkeit, am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen, resultieren zwangsläufig erhebliche Schwierigkeiten bei der Aufnahme einer Beschäftigung, dem Bezug von Sozialleistungen bis hin zur Anmietung einer Wohnung. Vor dem Hintergrund dieser Probleme muss es in Anbetracht der Grundkonzeption der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland erklärtes Ziel sein, eine „Financial Exclusion“ und die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten zu minimieren. Bereits im Jahr 1995 empfahl der Zentrale Kreditausschuss (ZKA 1995, S. 634 f.) allen deutschen Kreditinstituten, die Girokonten führen, diese auch jedem Bürger bereitzustellen. Die Kosten der Barzahlung von Sozialtransfers sowie die mit der Kontolosigkeit direkt verbundenen Probleme wachsender Überschuldung sollten damit reduziert werden. Die Bundesregierung wurde aufgefordert, alle zwei Jahre über die Umsetzung der Empfehlung zu berichten. Das Ergebnis im Jahr 2008 war ernüchternd (Deutscher Bundestag 2008): Nach übereinstimmenden Angaben der Bundesagentur für Arbeit sowie der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hat sich die Situation der kontolosen Bevölkerung nicht verbessert. Während in der Folge sogar über eine gesetzliche Verpflichtung zu einem „Girokonto für jedermann“ debattiert wurde, verwundert es, dass die Sparkassen-Finanzgruppe zwar die Gewährleistung eines Zugangs zu Basis-Bankdienstleistungen als essentiellen Bestandteil ihrer Geschäftspolitik ansieht, dies bislang jedoch nur unzureichend kommuniziert (Grapentin/Berg/Pfingsten 2007). Die Primärinstitute der Sparkassen-Finanzgruppe sind gesetzlich verpflichtet, für jeden Bürger ihres Zuständigkeitsbereichs ein Girokonto auf Guthabenbasis zu führen. Diese „Gewährleistungsfunktion“ ist ein wichtiger Teil des öffentlichen Auftrages, den die Sparkassen-Finanz-

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gruppe wahrnimmt, und bezieht sich nicht nur auf alle Bevölkerungsgruppen, sondern zielt zudem auf eine Versorgung in der Fläche und dabei insbesondere des ländlichen Raumes. Ziel des vorliegenden Beitrages ist eine umfassende Darstellung des öffentlichen Auftrages, zum einen vor dem Hintergrund der gesetzlichen Verpflichtungen, zum anderen aus dem Selbstverständnis der Sparkassen-Finanzgruppe heraus und insbesondere aus Sicht der Wissenschaft. Berücksichtigt werden dabei vornehmlich externe Anspruchsträger wie Kunden und Kommunen, aber auch die Interessen der Öffentlichkeit und des Gesetzgebers. Das nächste Kapitel wird den öffentlichen Auftrag zunächst in der Kommunikation der öffentlich-rechtlichen Institute beleuchten, um diese Darstellung im darauf folgenden Kapitel 3 der wissenschaftlichen Definition gegenüberzustellen. Mit einer Synthese aus praxisnaher und wissenschaftlicher Definition bildet Kapitel 4 den Abschluss der Arbeit.

II. Der öffentliche Auftrag aus der Eigenperspektive der Sparkassen Das Wesen des öffentlichen Auftrages ist unmittelbar mit der Entstehung der Sparkassen-Organisation verbunden, wenngleich der Begriff per se nicht statisch, sondern historisch gewachsen ist und als kennzeichnendes Merkmal die Gemeinnützigkeit aufweist (Riekeberg 2003, S. 381).1 Hierbei handelt es sich um einen vielschichtigen, dem zeitlichen Wandel unterworfenen Begriff, dessen unmittelbare Ausrichtung die öffentlichen Interessen sind (Völter 1999, S. 30).2 Die hieraus abzuleitende Aufgabenorientierung der Sparkassen findet ihren formalen Ausfluss in den Sparkassengesetzen der Länder bzw. konkretisiert in den entsprechenden Sparkassenverordnungen (Gladen 1986, S. 47).3

1. Die gesetzliche Formulierung des öffentlichen Auftrages Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen Fundamentaler Bestandteil des öffentlichen Auftrages ist die qualitative und quantitative Versorgung aller Bevölkerungsschichten, insbesondere des Mittelstandes, mit Finanzdienstleistungen jeglicher Art (Dupprè 1977, S. 61; Köhler 1994, S. 26).4 Dies impliziert vor allem den rein materiellen Zugang zu Fremdkapital, zum einen räumlich durch die Bereitstellung eines flächendeckenden Netzes an Zweigstellen, zum anderen sektoral für sämtliche Branchen sowie strukturell hinsichtlich des Mittelstandes und der wirtschaftlich Schwächeren (Blume 2000, S. 52). Das in 1 Der ursprüngliche öffentliche Auftrag lässt sich mithin durch eine personelle Ausrichtung auf einkommensschwache Bevölkerungsgruppen und eine sachliche auf die Absicherung von Notsituationen durch die sukzessive und sichere Anlage von Kleinstbeträgen konkretisieren (Henning 1986, S. 20). 2 Vgl. Berndt (2001) zu den Wurzeln sowie dem Wandel, welchem der öffentliche Auftrag im Zeitverlauf unterlag. 3 Darüber hinaus wurde der öffentliche Auftrag mehrfach durch das Bundesverfassungsgericht und das Weltinstitut der Sparkassen (WIS), im Rahmen der sogenannten Tokioter Erklärung, konkretisiert (BVerfGE 1994, 2BvR 1547/85; Köhler 1996, S. 544). 4 S. exemplarisch § 1 (2) Sparkassengesetz (SpkG) Niedersachsen. Ursprünglich zielte die Sparkassenidee auf die Möglichkeit zur Anlage von Kleinstbeträgen und somit auf eine verbesserte Armenfürsorge ab (Weber 2003, S. 238).

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den Sparkassengesetzen verankerte Regionalprinzip stellt insofern sicher, dass auch in strukturschwachen, vorwiegend ländlichen Regionen ein ortsnaher Zugang zu Bankdienstleistungen zu gewährleisten ist (Frankenberger 2004, S. 14 f.).5 So verfügen die Sparkassen nicht nur absolut über das umfangreichste Filialnetz, sondern ebenso über die regional ausgewogenste Verteilung desselben in Deutschland (Deutsche Bundesbank 2009, S. 4; DSGV 2004, S. 18 f.).6 Ferner ist die Eröffnung der Möglichkeit, Finanzgeschäfte abzuschließen, gleichsam Konsequenz dieses Grundsatzes.7 Der in den meisten Bundesländern expressis verbis bestehende Kontrahierungszwang im Passivgeschäft der Sparkassen spiegelt dies unmittelbar wider (Schlierbach/Püttner 2003, S. 42ff.).8 So heißt es exemplarisch in § 2 (4) des rheinland-pfälzischen Sparkassengesetzes: „Die Sparkassen führen für natürliche Personen aus dem Geschäftsgebiet auf Antrag Girokonten, es sei denn, die Führung eines Girokontos ist einer Sparkasse im Einzelfall aus wichtigem Grund nicht zuzumuten“.9 Dass aktuell über 80 % aller Empfänger staatlicher Transferleistungen eine Kontoverbindung bei einer Sparkasse unterhalten, verdeutlicht, dass diese den Zugang zu Bankdienstleistungen unabhängig von Einkommen und Vermögen ermöglichen (DSGV 2008 a, S. 43). So konstatieren Schröder (1995, S. 252) und aktuell eine Studie des Deutschen Bundestages (2008, S. 2), dass eine flächendeckende Versorgung mit Finanzprodukten nicht hinreichend durch die übrigen Marktakteure sichergestellt wird.10

Befriedigung des regionalen Kreditbedarfs, insbesondere des Mittelstandes In engem Bezug zur Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen steht der selbstauferlegte Anspruch der Sparkassen, den regionalen Kreditbedürfnissen nach dem Prinzip der Kapitalbindung am Ort der Kapitalbildung grundsätzlich zu entsprechen (Neuberger/Schindler 2001, S. 93).11 Dabei bilden sowohl private Haushalte als auch kleine und mittelständische Unternehmen sowie die öffentliche Hand den Kern potenzieller Kreditnehmer.12 Ausdruck dieser Geschäftspolitik ist nicht nur die umfangreiche Weiterleitung von Förderkrediten, welche im hessischen Sparkassengesetz ausdrücklich niedergeschrieben ist, sondern vor al-

5 S. exemplarisch § 1 (2) Saarländisches SpkG. 6 Eine Sonderstellung in der deutschen Bankenlandschaft nimmt die Postbank ein, die als überregional agierende Bank durch die Nutzung der Postfilialen zwar Kundennähe schafft, gleichwohl traditionell nur in geringem Umfang im Kreditgeschäft vertreten ist und zudem nicht einem selbstverpflichtenden Regionalprinzip folgt (Schnabel/Hakenes 2007, S. 354). 7 Eine detaillierte Auflistung der Finanzdienstleistungen, die von den Sparkassen zwingend anzubieten sind, findet sich allerdings nicht. 8 Ein expliziter Kontrahierungszwang findet sich gleichwohl nicht in allen Sparkassengesetzen (SpkG SachsenAnhalt und SpkG Schleswig-Holstein). In Baden-Württemberg fiel eine entsprechende Formulierung mit der Novellierung des Sparkassengesetzes 1991 weg (Völter 1999, S. 32). 9 Die angesprochene Zumutbarkeitsgrenze ist erreicht im Falle des Missbrauchs, der umsatzlosen Führung des Kontos über ein Jahr hinweg und sobald ein Konto trotz entsprechender Aufforderung an den Kontoinhaber kein Guthaben aufweist (s. § 5 (2) SpkVO Sachsen). 10 Darüber hinaus betonen Hedrich (1993, S. 103), Böventer (1979, S. 12) und Lauschmann (1976, S. 60ff.) die makroökonomische Bedeutung einer regionalen Bereitstellung von Bankdienstleistungen. 11 S. Art. 2 SpkG Bayern. Diesbezüglich verweisen Schnabel/Hakenes (2007) auf die allein durch eine „öffentliche Regionalbank“ zu leistende glaubwürdige Verpflichtung zur Reinvestierung gesammelter Einlagen in der dazugehörigen Region. 12 S. exemplarisch § 2 (2) SpkG Hessen.

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lem die ausgedehnte Mittelstandsfinanzierung.13 So stellt neben der direkten Finanzierung die „… Verbesserung der Eigenkapitalausstattung, insbesondere junger und mittelständischer Unternehmen“ einen expliziten Bestandteil der Sparkassengesetze dar.14 Ein Anteil von ca. 45 % aller vergebenen Unternehmenskredite, bisweilen sogar 68 % im Handwerkssegment, illustriert die Ausrichtung der Sparkassen in ihrem Aktivgeschäft (DSGV 2008, S. 9). Überdies bildet die aktive Beratung und Betreuung von Existenzgründungen ein Charakteristikum der regionalen Kreditversorgung.15 Auf Basis sehr guter „Vorort-Kenntnisse“ können Marktgegebenheiten differenziert eingeschätzt und mittels subsidiärer Strukturen in zeitnahe, dezentrale Kreditentscheidungen umgesetzt werden (Blume 2000, S. 38 f.).16 Umfangreiche Beteiligungen an Technologie- und Gründerzentren sowie die Existenzgründer-Initiative „Start-up“ zeigen dabei die erhebliche Bereitstellung von Wagniskapital zur Förderung junger, innovativer Unternehmen exemplarisch auf. Die ausgeprägte Vergabe von Kleinstkrediten, derzeit ca. 55 % aller ausgegebenen Mikrodarlehen, geht hiermit Hand in Hand, ist gleichwohl aber ebenfalls Ausdruck der intensiven Bemühung, die Kreditversorgung einkommensschwacher Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten (DSGV 2008 a, S. 102 f.). Dem Selbstverständnis der Sparkassen entsprechend ist die hinreichende Kreditversorgung der öffentlichen Hand ein weiterer, grundlegender Bestandteil des öffentlichen Auftrages.17 Im Sinne des nordrhein-westfälischen Sparkassengesetzes haben Sparkassen die „… Aufgabe, der geldund kreditwirtschaftlichen Versorgung […] ihres Trägers zu dienen“18. Mit der Finanzierung sektoraler bzw. regionaler Fördermaßnahmen obliegt ihnen regelmäßig die Wahrnehmung einer Pionierfunktion, insbesondere im Fall privatwirtschaftlich wenig rentabler Projekte, wie beispielsweise des Umweltschutzes. Zwar ist die sogenannte Hausbankfunktion der Kommunen historisch gewachsen, sie wird aber zunehmend durch bzw. in Kooperation mit den Landesbanken wahrgenommen (Thode 1994, S. 27; Jaschinski 2009, S. 4 f.).19 Derzeit beträgt die Kreditvergabe der Landesbanken an die öffentlichen Haushalte mit ca. 90 Mrd. € das Dreifache der Forderungen der Sparkassen an Gebietskörperschaften (DSGV 2008, S. 4 ff.), so dass die Finanzierung sogenannter „big tickets“ zunehmend den Landesbanken zukommt (Alexander/Bohl 2000, S. 464; Stiele 2008, S. 28).

Förderung des Sparsinns und der finanziellen Eigenvorsorge „Den Sparkassen obliegt insbesondere die Förderung des Sparens …“ und „[d]ie Sparkassen fördern die Vermögensbildung breiter Bevölkerungsschichten …“ formalisieren die Sparkassenge-

13 Im Jahre 2007 lag der Anteil zugesagter Förderkredite bei 40 % aller neuen KfW-Unternehmenskredite (DSGV 2008 a, S. 102 f.). 14 S. exemplarisch § 2 (2) SpkG Rheinland-Pfalz. 15 S. § 2 (5) SpkG Hessen. 16 Berndt (2001 a, S. 55ff.) betont ebenfalls, dass die „vernetzte Dezentralität“ der Sparkassenorganisation eine entscheidende Bedeutung für die effiziente Kreditvergabepolitik besitzt. Dies ist allerdings auch einer von mehreren Punkten, in denen eine große Ähnlichkeit zu den Genossenschaftsbanken besteht. 17 § 2 (2) SpkG Hessen. 18 S. § 2 (1) SpkG Nordhrein-Westfalen. 19 Gischer (2003, S. 394) gibt einen Überblick über die kommunale Finanzierungsfunktion der Sparkassen.

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setze des Landes Hessen bzw. Rheinland-Pfalz die ursprüngliche Idee der Sparkassen.20 Jedermann die Gelegenheit zur finanziellen Eigenvorsorge zu geben, insbesondere einkommensschwachen Bevölkerungsschichten, aber auch Jugendlichen durch die Anlage von Mündelgeld, ist Ausfluss dieses Prinzips.21 Dem Anspruch wird durch die Verpflichtung, „… der Bevölkerung Gelegenheit zur sicheren und verzinslichen Anlegung von Ersparnissen“22 zu geben, Rechnung getragen. Entsprechend finden sich risikobegrenzende Geschäftsregelungen wie: die Eingrenzung des spekulativen Handels mit Derivaten, Devisen und Wertpapieren, aber auch der generelle Grundsatz, keine Kredite an Dritte zu veräußern, in den Satzungen sowie internen Leitlinien der Sparkassen (DSGV 2008 c, S. 2).23 So heißt es explizit in der bayrischen Sparkassenverordnung: „Die Sparkassen dürfen keine Geschäfte betreiben, bei denen die mit dem jeweiligen Geschäft verbundenen Risiken für die Sparkasse nicht tragbar oder von ihr nicht steuerbar sind“24. Die Geschäftsausrichtung der Sparkassen ist zudem eng an realwirtschaftliche Transaktionen gekoppelt (Haasis 2009 a, S. 32).

Wirtschaftserziehung Eng mit der Förderung der finanziellen Eigenvorsorge verbunden ist das Bestreben einer breitflächigen „Financial Education“. Sowohl präventiv durch die Vermittlung grundlegenden Wissens beim Umgang mit Finanzmitteln, als auch in Form von Betreuung im Falle der Überschuldung wird der Aufbau von Humankapital gefördert (Fischer 1986, S. 24). Beide Grundsätze sind vielfach in den Sparkassengesetzen verankert und finden ihren Ausdruck exemplarisch im Sparkassengesetz des Landes Rheinland-Pfalz: „Die Sparkassen fördern […] die Erziehung junger Menschen zu eigenverantwortlichem wirtschaftlichen Verhalten“ und „[d]ie Sparkassen tragen zur Finanzierung der Schuldnerberatung bei“25. Mittels kostenloser Weiterbildungs- bzw. Informationsplattformen wie dem „Sparkassen Schulservice“, dem „Planspiel Börse“ und vor allem dem Beratungsdienst „Geld und Haushalt“ nehmen die Sparkassen diese selbst auferlegte Verpflichtung der finanziellen Vorsorge wahr (Schindler 2008, S. 22 f.).26 Die Schuldnerberatung umfasst nicht nur die Mitfinanzierung entsprechender Einrichtungen sowie die seit 2008 eigens bestehende Internetplattform „Schuldnerberatung online“, sondern bisweilen auch einen Wissenstransfer von Sparkassen zu Schuldnerberatungsstellen, etwa durch die

20 S. § 2 (2) SpkG Hessen und § 2 (2) SpkG Rheinland-Pfalz. 21 § 2 (1) SpkG Thüringen. 22 § 2 (1) SpkG Bayern, ähnlich auch in § 2 (1) SpkG Thüringen. Dabei zielt die Förderung der Eigenvorsorge insbesondere auf die Alterssicherung ab, vgl. dazu DSGV 2007, S. 8 f.). 23 Die detaillierten Geschäftsbeschränkungen finden sich in den jeweiligen Sparkassenverordnungen. Exemplarisch sei auf das Prinzip verwiesen, Geldmarktinstrumente nur mit Emittenten eines Zone A Landes nach adäquater Risikoprüfung zu handeln (s. § 9 SpkVO Mecklenburg-Vorpommern). Das generelle Enumerationsprinzip wurde jedoch weitestgehend aufgehoben. 24 S. § 4 (3) SpkVO Bayern. 25 § 2 (2) SpkG Rheinland-Pfalz. Ähnliche Grundsätze finden sich in § 2 (1) SpkG Brandenburg sowie in § 6 (1) SpkG Baden-Württemberg. Es sei erwähnt, dass sich jedoch nicht alle Bundesländer, beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und das Saarland, zur Finanzierung der Schuldnerberatung verpflichten (SpkG Mecklenburg-Vorpommern, SpkG Niedersachsen, SpkG Saarland). 26 Dieser Beratungsdienst der Sparkassen existiert seit über 50 Jahren und umfasst dabei die Bereitstellung von Broschüren, Vortragsreihen und Softwareangeboten (Haasis 2008 a, S. 1 f.).

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konzeptionelle Unterstützung bei der Erstellung von Schuldenbereinigungsplänen (Völter 1999, S. 40 f.). Wiederum liegt der Fokus der Sparkassen verstärkt auf der Finanzbildung jüngerer Bevölkerungsschichten, gleichwohl stehen sämtliche Angebote allen Bürgern offen.27 Diese Art der Geschäftsausrichtung stellt damit ein Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen innerhalb des deutschen Bankenmarktes dar (Wittmann 2004, S. 10).

Stärkung des Wettbewerbes Das Ziel, den Bankenwettbewerb zu forcieren bzw. einen solchen hinreichend zu gewährleisten, geht auf die Ausformung der Sparkassen als Universalbanken und den daraus resultierenden zunehmenden Einzel- bzw. Gruppenwettbewerb zwischen den Kreditinstituten zurück (Gladen 1986, S. 53).28 Im Verlauf der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts fand diese Intention auch zunehmend ihren formalen Ausdruck in den Novellierungen der Sparkassengesetze. Seitdem bildet die Aufgabe, „auf der Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse […] den Wettbewerb zu stärken“29, einen Bestandteil des öffentlichen Auftrages im Selbstverständnis der Sparkassen. Auf Basis flächendeckender Präsenz der Sparkassen in allen Marktsegmenten soll persistenten marktbeherrschenden Stellungen und inhärenten Wohlfahrtsverlusten entgegengewirkt werden (Hüther/Jäger 2009, S. 19).30 Mit der Entwicklung des Online-Bankings geht in den letzten Jahren eine Intensivierung des nationalen und internationalen Wettbewerbs unter den Banken einher. Gleichwohl gilt dies vorwiegend für den Bereich der Zahlungsverkehrsabwicklung (Fritz 2005, S. 9ff.) und weniger für das einlagenbasierte Kreditgeschäft. Da der relevante Markt im klassischen Retailbanking vornehmlich regionaler bzw. in Teilen sogar lokaler Natur ist, kommt die Funktion der nachhaltigen Wettbewerbsstärkung daher vor allem in diesem Marktsegment zum Tragen.

Gesellschaftliches Engagement Im Rahmen des öffentlichen Auftrages schlägt sich die Stakeholder-orientierte Geschäftsausrichtung ferner in dem von den Sparkassen praktizierten „Corporate Responsibility“-Ansatz nieder. Die „unternehmerisch verantwortungsvolle Tätigkeit“ findet dabei nicht nur in öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten wie der Kulturförderung, sondern bereits schon im Kerngeschäft der Kreditinstitute ihren Ausdruck. So ist das zu erwartende Maß an sozialer, ökologischer und ökonomischer Nachhaltigkeit für die Region von hoher Bedeutung bei jeder Kreditvergabeentscheidung (Wüerst 2007, S. 2). 27 So steht seit 2006 auch ein Taschengeldplaner als Handyapplikation zur Verfügung (Haasis 2008, S. 10). 28 Vgl. Gischer/Stiele (2006, S. 109ff.; 2008, S. 50ff.) zur aktuellen Wettbewerbssituation auf dem deutschen Bankenmarkt mit besonderer Berücksichtigung der Sparkassen. 29 § 2 (1) SpkG Mecklenburg-Vorpommern. Ähnliche Formulierungen finden sich breitflächig auch in den Sparkassengesetzen vieler anderer Länder. 30 Vor dem Hintergrund des Gemeinnützigkeitsgedankens bildet die Gewinnerzielung ein notwendiges, obgleich nicht primäres Bestreben der Sparkassen (Nierhaus 1985, S. 14).

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Wenngleich diese Verhaltensweise ein wirkungsvolles, an dem Gemeinwohl orientiertes Mittel zur langfristigen Gestaltung einer Region darstellt, nehmen die nicht dem eigentlichen Kernbereich zuzuordnenden gesellschaftlichen Leistungen einen deutlich stärkeren Raum in der Außendarstellung der Sparkassen ein. In diesem als „Corporate Citizenship“ bezeichneten Bereich des gesellschaftlichen Engagements, verpflichten sich die Sparkassen zur Unterstützung „der Kommunen im […] sozialen und kulturellen Bereich“31 (DSGV 2001, S. 25ff.). Dieser Vorsatz manifestiert sich in der explizit festgelegten Verwendung des erwirtschafteten Jahresüberschusses. Nach Bildung der gesetzlichen Rücklagen „ist [dieser] für öffentliche, dem gemeinen Nutzen dienende Zwecke, insbesondere für Investitionen zu verwenden“32. Im Fokus steht dabei die Stärkung der kulturellen Vielfalt und des Breitensports. So entfallen derzeit nahezu 50 % aller Ausschüttungen auf diese Bereiche.33 Darüber hinaus finden soziale Projekte, der Umweltschutz sowie die Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung die Unterstützung der Sparkassen (DSGV 2007 a, S. 3). Die Finanzierung dieser Förderungsschwerpunkte erfolgt mitunter direkt von Seiten der Sparkassen, aber auch indirekt über gemeinnützige Vereine, Verbände und nicht zuletzt die mehr als 670 angegliederten Stiftungen.34 Dem Ziel, die soziale Interaktion, den Gemeinsinn der Bevölkerung zu forcieren, mithin sogenanntes „Social Capital“ in einer Region aufzubauen, wird somit breitflächig und umfangreich Rechnung getragen (Hilse 2007, S. 16 f.).35

2. Zusatzelemente des öffentlichen Auftrages in der Selbstdarstellung Neben den de lege lata explizit formulierten Bestandteilen werden dem öffentlichen Auftrag in der Selbstdarstellung der Sparkassen weitere Aufgaben zugerechnet und entsprechend in der Öffentlichkeit kommuniziert. Diese werden im Folgenden Gegenstand der Analyse sein.

„Beziehungsbanking“ Im Rahmen des Intermediationsgeschäftes sehen es die Sparkassen als ihre Aufgabe an, langfristige Berater-Kunden-Beziehungen sicherzustellen. Neben der reinen Finanzierung klein- und mittelständischer Unternehmen streben sie überdies eine nachhaltige, dauerhafte Betreuung derselben an. Der in diesem Zusammenhang bereits erwähnte zunehmende Beratungsbedarf lässt in 31 § 2 SpkG Schleswig-Holstein. 32 § 27 (5) SpkG Mecklenburg-Vorpommern. Dabei kann die Mittelverwendung durch den Träger, aber auch die Sparkasse selbst erfolgen. 33 Die Sparkassen-Finanzgruppe stellt dabei den größten nicht staatlichen Sportförderer in Deutschland dar (DSGV 2008 b, S. 3ff.). 34 In jüngerer Zeit findet das gesellschaftliche Engagement der Sparkassen zudem vermehrt Ausdruck in Form persönlichen Engagements, mittels „Muskel- und Geisteskraft“ der Sparkassenmitarbeiter (o. V. 2008, S. 40). Ein vergleichbares Engagement findet sich auch bei den anderen Säulen des deutschen Bankensystems (vgl. dazu beispielhaft Aktive Bürgerschaft 2008 sowie Deutsche Bank 2009, S. 60-67). Da diese jedoch keiner expliziten gesetzlichen Grundlage verpflichtet sind, ist ein zeitlich stabiler, nachhaltiger Einsatz nicht zwingend gewährleistet. 35 Es sei erwähnt, dass diese Gemeinwohlorientierung, als das Ergebnis einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa, auf breitflächigen Rückhalt in der Bevölkerung trifft (DSGV 2006).

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der Folge das Kriterium der Kundenzufriedenheit, als eine primäre Steuerungsgröße, verstärkt in den Mittelpunkt der Sparkassengeschäftsstrategien treten. Haasis (2009, S. 163) postuliert hierzu: „Ein zufriedener Kunde muss für jede Sparkasse genauso wichtig sein, wie die Erreichung einer betriebswirtschaftlichen Zielzahl“. Mit dieser Zielsetzung einhergehend werden Service- und Beratungsdienstleistungen im Falle eines Auslandsengagements der betreuten Unternehmen bereitgestellt, beispielsweise im Rahmen der Deutschen Industrie- und Handelszentren, der sogenannten „Deutschen Häuser“ (Haasis 2001, S. 349).36 Als ein Spiegelbild dieser Geschäftsphilosophie konstatiert ein im Jahre 2007 durchgeführtes Bankenrating den Sparkassen eine Spitzenposition in den Kategorien „erkennbare mittelstandsorientierte Strategie“, „Kontinuität der Ansprechpartner“ sowie „Verlässlichkeit des Instituts als Geschäftspartner“ (Die Familienunternehmer-ASU 2007, S. 3ff.).37

Bereitstellung von Arbeitsplätzen Mit aktuell über 370 000 Mitarbeitern stellt die Sparkassen-Finanzgruppe Arbeits- und Ausbildungsplätze in bedeutendem Umfang bereit. Zugleich fällt die Ausbildungsquote in Relation zu anderen Finanzmarktakteuren überdurchschnittlich hoch aus (Haasis 2001, S. 352). Des Weiteren verstehen es die Sparkassen als ihre Pflicht, im Falle eines notwendigen Beschäftigungsabbaus diesen vermehrt mittels natürlicher Fluktuation bzw. Teilzeitregelungen und weniger über direkte Entlassungen zu realisieren. Hiermit einher gehen die Ergebnisse der jährlich durchgeführten Studie „Arbeit plus“, die von der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiiert wird und sich wirtschaftsethischer Methoden zur Beurteilung unternehmensspezifischer Beschäftigungsmodelle bedient. So werden zahlreiche Sparkassen regelmäßig für ihre branchenüberdurchschnittlichen Bemühungen in Bezug auf den Erhalt bzw. die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie familienfreundlicher Arbeitsbedingungen ausgezeichnet (EKD 2009). Dass eine derartige Geschäftspolitik gesellschaftlich breitflächig erwünscht ist, gleichwohl aber der betriebswirtschaftliche Nutzen von vielen Unternehmen nicht wahrgenommen und in der Folge nur unzureichend umgesetzt wird, konstatieren Dilger/Gerlach/Schneider (2007). Insofern tragen die Sparkassen mit ihrer an sozialen Werten orientierten Beschäftigungsphilosophie zur Lösung dieses ordnungspolitischen Problems bei. Eine gesetzliche Grundlage für diese Verpflichtung findet sich jedoch nicht.

Stabilisierung des Finanzsystems Bereits in Kapitel 2.1 wurde darauf hingewiesen, dass Sparkassen verschiedenartigen, explizit im Gesetz konkretisierten, Geschäftsbeschränkungen unterliegen, mithin in ihrem Aktivgeschäft restringiert sind. War dies vor allem Resultat der selbstdefinierten Aufgabe, allen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zur sicheren, verzinslichen Anlage zu geben, gewinnt in jüngerer Zeit 36 Diese Dienstleistungen umfassen vor allem die Bereitstellung von Ausstellungs-, Produktions- und Lagerflächen sowie Büros. 37 Verglichen wurde eine Vielzahl an Banken aus allen drei Säulen des deutschen Bankenmarktes.

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ein weiterer Aspekt an Bedeutung. Durch die konsequente Ausrichtung an (regional gebundenen) realwirtschaftlichen Transaktionen, insbesondere im Kreditgeschäft, sowie angesichts der vorwiegenden Refinanzierung über Einlagen, agieren Sparkassen weitgehend unabhängig von den Gegebenheiten der volatilen Geld- bzw. Kapitalmärkte. Dies hat wiederum eine das gesamte Finanzsystem stabilisierende Wirkung, da der Gefahr einer Systemkrise im Falle der Zahlungsunfähigkeit einzelner Banken entgegengewirkt wird. So verweist Haasis (2009 a, S. 31) auf die Gefahr einer systembedingten Bankenkrise infolge eines Übermaßes an „ausfallgefährdeten Forderungspositionen, einem Mangel an Liquidität und einer erodierenden Eigenkapitalbasis“. Kritisch anzumerken ist, dass die Sparkassen über die Träger- bzw. Eigentümerstrukturen stark mit den Landesbanken verflochten sind. Diese historisch gewachsene Kooperation mündet in einem Haftungsverbund, der die Sparkassen verpflichtet, im Falle einer drohenden bzw. bestehenden wirtschaftlichen Schieflage einer Landesbank auf Basis ihres Eigenkapitals stets die Liquidität und Solvenz des entsprechenden Instituts sicherzustellen. Da die Geschäftsfelder der Landesbanken jedoch auch das Engagement auf den volatilen internationalen Kapitalmärkten umfassen, merken Schackmann-Fallis/Weiß (2009, S. 13) zu notwendigen Veränderungen in den Tätigkeitsbereichen der Landesbanken an: „Es ist nicht systemgerecht, dass Unternehmen, an denen die Sparkassen maßgeblich beteiligt sind, eine grundsätzlich andere Risikopolitik als sie selbst führen…“. Die bisherigen Ausarbeitungen verdeutlichen, dass der öffentliche Auftrag aus Sicht der Sparkassen über die gesetzlich explizit formulierten Bestandteile – die Versorgung mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen, die Befriedigung des regionalen Kreditbedarfs, die Förderung des Sparsinns und der finanziellen Eigenvorsorge, die Wirtschaftserziehung, die Stärkung des Wettbewerbs sowie das gesellschaftliche Engagement – hinausgeht. So sehen es die Sparkassen ebenso als ihre Aufgabe an, langfristige Berater-Kunden-Beziehungen sicherzustellen, eine überdurchschnittliche Anzahl an Arbeitsplätzen bereitzustellen und ein risikoarmes, an realwirtschaftliche Transaktionen gebundenes Geschäftsmodell zu verfolgen, welches stabilisierend auf das gesamte Finanzsystem wirkt. Inwieweit die genannten Funktionen ökonomisch begründet sind, d. h. ob bzw. in welchem Ausmaß diese einem bestehenden Marktversagen entgegenwirken, ist Gegenstand der folgenden Abschnitte.

III. Der öffentliche Auftrag aus wissenschaftlicher Perspektive Für eine geeignete Abgrenzung des Banktypus „Sparkasse“ von anderen Institutsgruppen ist ein Verweis auf das Kreditwesengesetz unerlässlich.38 Während § 1 Abs. 1 S. 1 KWG bei der Bestimmung des Kreditinstitutsbegriffs nicht zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privatwirtschaftlichen Institutsformen unterscheidet, findet sich in § 40 Abs. 1 (3) KWG eine ausdrückliche Nennung der besonderen Charakteristika einer Sparkasse: „… insbesondere eine am Gemeinwohl orientierte Aufgabenstellung und eine Beschränkung der wesentlichen Geschäftstätigkeit auf den Wirtschaftsraum, in dem das Unternehmen seinen Sitz hat, …“. Das Prinzip der 38 Für eine detaillierte Definition der Begrifflichkeiten „Bank“ bzw. „Kreditinstitut“ sei auf Hartmann-Wendels/ Pfingsten/Weber (2007, S. 10ff.) verwiesen.

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Gemeinnützigkeit dient auch dem Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss als Abgrenzungsmerkmal zu anderen Institutstypen: „So sollen sie insbesondere den Sparsinn der Bevölkerung wecken und fördern, ihr Gelegenheit zur sicheren Geldanlage geben und der Kreditversorgung unter besonderer Berücksichtigung des Mittelstandes und der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise dienen“.39 Die Definition von Schlierbach (2003, S. 40) rundet die Gemeinwohlorientierung ab: „… eine rechtsfähige, mündelsichere Anstalt des öffentlichen Rechts, die als kommunales Wirtschaftsunternehmen mit eigener Prägung gesetzlich begrenzte, sozialverpflichtende Aufgaben zu erfüllen hat“. Auch ohne explizite Erwähnung des öffentlichen Auftrages stellen in wissenschaftlichen Ausführungen die gemeinnützigen Ziele das Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen dar. Der öffentliche Auftrag, als Triebfeder dieser geschäftspolitischen Ausrichtung, gilt in der Literatur als Sammelbegriff und wird nahezu übereinstimmend durch fünf Charakteristika definiert:40 ● Gewährleistungsfunktion ● Förderfunktion ● Hausbankfunktion ● Struktursicherungsfunktion ● Wettbewerbssicherungsfunktion Nachfolgend werden diese in der wissenschaftlichen Literatur formulierten Bestandteile des öffentlichen Auftrages erläutert und ihre ökonomische Legitimation geprüft.

Gewährleistungsfunktion Die Gewährleistungsfunktion soll die flächendeckende bankwirtschaftliche Versorgung der Bevölkerung sicherstellen und impliziert den freien Zugang zu Basis-Bankdienstleistungen, wie beispielsweise einem Girokonto, Anlageprodukten oder Krediten, für jedermann. Inwieweit ein Marktversagen im deutschen Bankensystem vorliegt, das ein staatliches Eingreifen legitimiert, prüft Witt (2006, S. 64). Sie gelangt dabei zu dem Ergebnis, dass ein funktionsfähiger Finanzsektor als öffentliches Gut aufzufassen sei, dessen Erhalt über den öffentlichen Auftrag sichergestellt werden kann.41 Der Ausschluss breiter Bevölkerungsschichten vom Zugang zu Finanzdienstleistungen entwickelte sich zum Ende des zurückliegenden Jahrhunderts zu einem schwerwiegenden volkswirtschaftlichen Problem in Großbritannien.42 Das von beinahe ausnahmslos gewinnorientierter Ausrichtung geprägte Bankensystem erschwerte einem Großteil der einkommensschwächeren Bürger die Eröffnung eines Girokontos und damit die Teilnahme am sozialen und wirtschaftlichen Leben. Letzteres äußerte sich sowohl bei der Zahlung (Miete, regelmäßige Rechnungen) als auch beim 39 BVerfGE 1994, 2BvR 1547/85. 40 Auf die folgenden fünf Verpflichtungen beziehen sich beispielsweise Brümmerhoff/Lehmann (2000, S. 133ff.), Claussen (1990, S. 29ff.), Luetke-Uhlenbrock (2007, S. 13) und Witt (2006, S. 75ff.). 41 Für wesentliche Merkmale eines öffentlichen Gutes vgl. bspw. Postlep (2000, S. 707 f.) oder Burda/Wyplosz (2003, S. 447 f.). 42 Ein quantitativer Beleg der „Financial Exclusion“ einzelner Bevölkerungsschichten findet sich in den Studien von Cruickshank (2000) und Department for Work and Pensions (2003). Eine Reihe staatlicher Maßnahmen führte in den folgenden Jahren zu einer erheblichen Verbesserung der bankwirtschaftlichen Versorgung der britischen Bevölkerung (Kempson/Crame/Finney 2007, S. 12).

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Bezug von Leistungen (Löhne und Gehälter, Sozialtransfers) und kumulierte in gesamtwirtschaftlichen Kosten, die sich nicht nur in gestiegenen Ausgaben für Sozialleistungen, sondern auch in Form privater Überschuldung niederschlugen. Um ähnliche Szenarien für die deutsche Volkswirtschaft zu verhindern, kam es im Juni 1995 zu der Empfehlung des ZKA, nach der alle Kreditinstitute, die Girokonten führen, diese auch jedem Antragsteller bewilligen sollten (Kap. 1). Sowohl dieses eher ungewöhnliche Vorgehen als auch die bisher recht unbefriedigende Umsetzung der Empfehlung – die Eröffnung eines Girokontos auf Guthabenbasis wird zum Teil verweigert oder nur bei Zahlung überhöhter Bearbeitungsgebühren ermöglicht (Deutscher Bundestag 2008, S. 7 f. und S. 10 f.) – unterstreichen die Notwendigkeit eines öffentlichen Auftrages im deutschen Bankensystem. Der explizite Kontrahierungszwang der Sparkassen lässt sich demzufolge nicht nur unter volkswirtschaftlichen, sondern vielmehr auch aus sozialen Gesichtspunkten begründen (Menkhoff 1997, S. 561).

Förderfunktion Durch die Förderung des Sparsinns wird laut Möschel (1993, S. 96) der Erziehungs- und Aufklärungsaspekt des öffentlichen Auftrages offenbar. Makroökonomisch betrachtet zielt die Förderfunktion auf die Bildung von Humankapital, das nicht nur privatwirtschaftliche Überschuldung verhindern, sondern auch den Fluss der Kapitalströme in ihre optimale Verwendung begünstigen soll. Schindler/Neuberger (2000, S. 27) weisen darauf hin, dass Konsumfinanzierer, wie Versandhäuser und Kfz-Händler, den Großteil der Verschuldung privater Haushalte „bereitstellen“, während der Anteil von Banken und Sparkassen hier bei lediglich 10 % liegt. Dass den Sparkassen die Finanzierung der Schuldnerberatung übertragen wurde (Kap. 2), demonstriert somit nicht nur die soziale Verantwortung der öffentlich-rechtlichen Institute, sondern kann überdies sowohl angebots- als auch nachfrageseitig als positiver externer Effekt für die deutsche Kreditwirtschaft gewertet werden. Die Förderung der Vermögensbildung hingegen eröffnet auch einkommensschwachen Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zur intertemporalen Konsumentscheidung und damit zur Maximierung ihrer individuellen Wohlfahrtsfunktionen, ergo der nationalen Wohlfahrt. Darüber hinaus ist es ein bedeutsames Element des öffentlichen Auftrages, das Sparen in Bargeld zu verhindern. Durch die Sparwilligkeit der Bevölkerung wird nicht im Konsum verwendetes Einkommen über die Finanzintermediation in andere gesamtwirtschaftliche Nachfragekomponenten gelenkt und damit ein (realwirtschaftlicher) Nachfrageausfall kompensiert. Der erzieherische Charakter des öffentlichen Auftrages hat insofern nicht nur Auswirkungen auf die individuelle Wohlfahrt, sondern ebenso nachhaltige makroökonomische Bedeutung.

Hausbankfunktion Im Rahmen der Hausbankfunktion sollen die Sparkassen primär die kreditwirtschaftliche Versorgung sowohl der öffentlichen Hand als auch der im Einzugsgebiet ansässigen kleinen und mittelständischen Unternehmen sicherstellen. Dies umfasst insbesondere den allgemeinen Bank-

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verkehr, die Möglichkeit zur Anlage von Geldern, die Durchführung von Förderprogrammen und die Bereitstellung von Kommunalkrediten zur Erfüllung gemeinwohlorientierter Aufgaben (Dehe 1982, S. 215). In Anbetracht der vielerorts angespannten kommunalen Haushaltslage werden in der wissenschaftlichen Literatur vermehrt auch die spezielle Finanzberatung für Gemeinden und die Bereitstellung neuer Finanzierungsformen für die öffentliche Hand als Bestandteil der Hausbankfunktion angesehen (Wittmann 2004, S. 10). Legitimiert wird die Hausbankfunktion häufig über die Notwendigkeit, bestehende Informationsasymmetrien und damit die inhärenten Gefahren adverser Selektion sowie Moral Hazard auf den Finanzmärkten zu verringern.43 Bei der Kreditvergabe kann das immanente Risiko, d. h. der vertraglich vereinbarte Rückfluss während der Kreditlaufzeit, von den einzelnen Instituten in der Regel nur unvollkommen bewertet werden. Risikorelevante Ereignisse, wie negative Konjunkturentwicklungen, Managementfehler oder Veränderungen der Werthaltigkeit von Grundstücken, Immobilien und anderen Sicherheiten, können aufgrund der im Regionalprinzip der Sparkassen begründeten flächendeckenden Versorgung einer Region von den Sparkassen (und Genossenschaftsbanken) oft präziser abgeschätzt werden als von anderen Institutstypen. „Deshalb sind Informationsasymmetrien im Bereich der Sparkassen in der Regel geringer als bei privaten Geschäftsbanken“ (Nagel 2006, S. 3). Die Hausbankfunktion der öffentlich-rechtlichen Institute impliziert daher zwei positive Effekte: Informationsasymmetrien werden zum einen durch die langfristig orientierte Geschäftsbeziehung zwischen Kreditnehmer und (Haus-)Bank sowie zum anderen zwischen der Gemeinde und der in ihr ansässigen Wirtschaft abgebaut (Sachverständigenrat 2004, S. 286 f.). Eine dauerhafte Verbindung zum Debitor verringert die notwendigen Suchkosten im Rahmen der Bonitätsprüfung eines Kreditinstitutes. Diesbezüglich gilt es vor allem in ländlichen Regionen zu prüfen, inwieweit bei der Darlehensvergabe an kleine und mittelständische Unternehmen Marktversagen vorliegt. Erfolgt die Beurteilung von Kreditanträgen vermehrt durch Entscheidungsträger außerhalb derselben Region, birgt dies die Gefahr einer zunehmenden Kreditklemme. Dass ein Entscheidungsträger auch in strukturschwachen Gebieten Darlehensanträge vor Ort bewertet und damit tatsächlich Informationsasymmetrien reduziert, ist aufgrund der subsidiären Organisationsstruktur jedoch nur bei Kreditgenossenschaften und Sparkassen der Regelfall. Durch die enge regionale Bindung einer Hausbank erwirbt das Institut fundiertes Wissen über lokale und regionale Standortvor- und -nachteile. Dies ermöglicht der Gemeinde, Fördermittel der entsprechend bestmöglichen strukturpolitischen Verwendung zuzuführen. Die eigene Vertretung im Verwaltungsrat der Sparkasse übermittelt der Gebietskörperschaft überdies wichtige Informationen über den Bankenmarkt, „wie z. B. über die Marktentwicklung und den Grad des Wettbewerbes, über Kosten, Gewinne und Risiken sowie über die Finanzierungssituation in der Wirtschaft, die ih[r] sonst nur schwer oder gar nicht zugänglich wären und die sich für (wirtschafts-)politische Entscheidungen nutzbringend verwerten lassen“ (Thode 1994, S. 177). Aus diesem Grund bezeichnet Thode (ebd., S. 172) diese Form der staatlichen Einflussnahme am Bankenmarkt als „marktkonform […], das heißt, ohne Eingriffe von außen und ohne wettbe-

43 Die Folgen asymmetrischer Informationen auf Kreditmärkten illustrieren z. B. Gischer/Herz/Menkhoff (2005, S. 83ff.).

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werbsverzerrende Dirigismen“, da die öffentlichen Entscheidungsträger nicht regulierend am Markt agieren. Mit der Hausbankfunktion eng verknüpft ist die Pionierfunktion der Sparkassenorganisation. „Gemeint ist damit die Vorreiterrolle der Sparkassen-Finanzgruppe bei der Entwicklung bzw. Finanzierung neuer Produkte“ (Schindler/Neuberger 2000, S. 29). Da die Institute expressis verbis nicht der Gewinnmaximierungsprämisse unterliegen, engagieren sich die Sparkassen im Rahmen ihres öffentlichen Auftrages auch in Projekten, die von profitorientierten Banken aufgrund zu geringer Renditeerwartungen abgelehnt werden. Gefördert werden demgemäß Existenzgründungen sowie nachhaltige Infrastruktur- und Umweltschutz-Projekte, die nicht nur für die Stadt- bzw. Gemeindeentwicklung mit einem erheblichen Nutzen verbunden sind, sondern gleichsam positive externe Effekte beinhalten. „Regional gebundene Banken sehen derartige Projekte im Eigeninteresse unter dem Blickwinkel einer langfristigen Verbesserung der eigenen Geschäftsgrundlage“ (Schrumpf/Müller 2001, S. 6). In Anbetracht der angespannten kommunalen Haushaltslage erweisen sich vermehrt öffentlichprivate Partnerschaften (PPP) als attraktives Instrumentarium für die zuständigen Entscheidungsträger. Dabei werden zumeist Aufgaben aus den Bereichen Verkehrsinfrastruktur und kommunaler Hochbau an private Auftragnehmer zur Ausübung übertragen, die zur Bereitstellung eines „quasi-öffentlichen Gutes“ führen. Aufgrund hoher Transaktionskosten, der Unerfahrenheit vieler Kommunen bei der Gestaltung von PPP-Vorhaben und der fehlenden Wirtschaftlichkeit insbesondere kleinerer Projekte unterstützt die Sparkassen-Finanzgruppe den öffentlichen Auftraggeber mittels Beratung und Sicherstellung der Projektfinanzierung. Die Kooperation des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) mit dem DSGV bei der Erstellung des „PPP-Handbuchs“ (BMVBS/DSGV 2008) unterstreicht die Expertise der Institutsgruppe bei der Implementierung dieses Instruments.

Struktursicherungsfunktion Die Existenz öffentlich-rechtlicher Sparkassen in allen und damit speziell auch in strukturschwachen Regionen ist Zielgedanke der Struktursicherungsfunktion. Gesammelte Einlagen sollen bei der Kreditvergabe ausdrücklich zur Finanzierung regionaler Kreditnehmer dienen: „Im Rahmen des Aktivgeschäfts sollen die Bedürfnisse der örtlichen Wirtschaft besonders berücksichtigt werden“ (Büschgen 1999, S. 88). Luetke-Uhlenbrock (2007, S. 14) führt an, dass auf diese Weise „eine Konzentration des Kapitals in wirtschaftlich stärkeren Regionen verhindert [wird]“. Die Förderung einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur geht einher mit der Förderung sozialer Kohäsion und generiert folglich positive externe Effekte für die gesamte Volkswirtschaft und damit alle Stakeholder. Ungleichheiten bezüglich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sollen zwischen den Regionen beseitigt werden, um durch die Gewährleistung des sozialen Friedens zur Maximierung der nationalen Wohlfahrt beizutragen. Im Falle eines hypothetischen Rückzuges der Sparkassen, beispielsweise aufgrund von Konsolidierungs- oder Privatisierungsentscheidun-

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gen, kann bezweifelt werden, dass sich rein gewinnmaximierende Institute in strukturschwachen Regionen engagieren und dieser Zielsetzung verschreiben würden (Witt 2006, S. 82).44 Als weiteres Element der Struktursicherungsfunktion wird häufig die Förderung kultureller und sozialer Belange angeführt.45 Wittmann (2004, S. 13) weist darauf hin, dass den Gemeinden dadurch in hohem Umfang Lasten abgenommen werden, die ohne das Engagement der Sparkassen steuerfinanziert werden müssten. Es stellt sich die Frage, ob die Besteuerung der Gewinne und die nachträgliche Umverteilung derselben durch den Stadtrat bzw. die Gemeinde nicht geeigneter erscheint, um das verfügbare Kapital seiner produktivsten Verwendung zuzuführen. In einer friktionslosen, durch vollkommene Informationen gekennzeichneten Welt wäre dies zweifellos der Fall. Da dies in der Realität jedoch nicht gegeben ist, besteht die Vorteilhaftigkeit einer dezentralisierten Bank in der nicht vorgenommenen Trennung zwischen Informationssammlung und Kapitalallokation (Stein 2002, S. 1893), womit Vor-Ort-Kenntnisse mit Blick auf die Regionalförderung Verwendung finden können.

Wettbewerbssicherungsfunktion Im Rahmen des öffentlichen Auftrages verpflichtet sich die Sparkassen-Finanzgruppe darüber hinaus zur Förderung des Wettbewerbs auf dem Markt für kreditwirtschaftliche Leistungen. Die Notwendigkeit der Wettbewerbssicherung wird weniger in den wirtschaftlichen Ballungsräumen als vielmehr im ländlichen Raum offenbar.46 Durch die zunehmende Fokussierung der privaten Kreditbanken auf urbane Zentren47 finden sich in den ländlichen und strukturschwachen Gegenden zumeist ausschließlich genossenschaftliche und öffentlich-rechtliche Institute.48 „Anknüpfend an die Überlegung, dass die Wahrscheinlichkeit eines funktionierenden Wettbewerbs mit der Anzahl der Marktteilnehmer wächst, muss die Teilnahme der Sparkassen am Marktgeschehen die Wettbewerbsintensität erhöhen“ (Keßler 1981, S. 186). Der Beitrag der Sparkassen zu einem funktionierenden Wettbewerb verhindert daher insbesondere in den ländlichen Regionen eine größere monopolistische und monopsonistische Marktmacht. Über die Dezentralisierung der Kapitalverwendung werden marktbeherrschende Stellungen erschwert und damit inhärente Wohlfahrtsverluste vermieden. In der wissenschaftlichen Debatte wird bisweilen den Sparkassen eine marktbeherrschende Stellung speziell im ländlichen Raum attestiert. So bescheinigt Sinn (1996, S. 76) den Sparkassen „…

44 Exemplarisch für zwei strukturschwache Regionen in Deutschland belegen Gärtner/Rehfeld (2007, S. 36-39) die unverzichtbare Rolle der Sparkassen bei der lokalen Wirtschaftsförderung. Auf die diesbezüglich nachrangige Bedeutung privater Geschäftsbanken machten zuvor bereits Brümmerhoff/Lehmann (2000, S. 137 f.) sowie Kessler/Riekeberg (1999, S. 286 f.) aufmerksam. 45 Steiner (1994, S. 132) und Klein (2003, S. 103 f.). 46 Die wegweisenden Arbeiten von Mason (1939), Mason (1949) und Bain (1951) eruieren die Rückwirkungen einer sich ändernden Marktstruktur auf das Marktergebnis. Sie belegen, dass eine zunehmende Marktkonzentration zwingend mit wachsender Preissetzungsmacht der Anbieter und entsprechenden Wohlfahrtsverlusten einhergeht. Empirische Bestätigung findet dieser als „Structure-Conduct-Performance-Paradigma“ bezeichnete Ansatz beispielhaft für Deutschland bei Yu/Neus (2005) und für europäische Bankenmärkte bei Bikker (2004). 47 Die Wettbewerbsanalyse von Fischer/Pfeil (2004) differenziert zwischen städtischem und ländlichem Raum und untersucht insbesondere den Bankensektor in 83 urbanen deutschen Zentren. Vgl. darüber hinaus Duttenhöfer/ Keller (2003, S. 254). 48 Zu den Konsequenzen vgl. Gischer/Stiele (2009).

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vielerorts eine monopsonähnliche Position beim Einwerben von Spargeldern …, die es ihnen erlaubt, die Habenzinsen zu drücken“. Übersehen wird in dieser Argumentation, dass dies weniger aus angestrebter übergroßer Marktmacht resultiert, sondern vielmehr dem stetigen Rückzug privater Kreditbanken geschuldet ist. Es ist jedoch nicht verwunderlich, dass aufgrund einer deutlich geringer ausfallenden kreditwirtschaftlichen Nachfrage in strukturschwachen Regionen nur die Institute verbleiben, die nicht primär gewinnmaximierend operieren. In der Konsequenz kann das Vorliegen einer faktischen Monopolstellung als volkswirtschaftlich unproblematisch bewertet werden, solange die bestehende Marktmacht nicht zur Abschöpfung relevanter Monopolrenten (z. B. durch „übertrieben“ niedrige Habenzinsen) genutzt wird.

IV. Synthese aus praxisnaher und wissenschaftlicher Definition Nachdem nunmehr die Bestandteile des öffentlichen Auftrages auf Grundlage bestehender gesetzlicher Regelungen, praxisnaher Quellen sowie der wissenschaftlichen Literatur umfassend diskutiert und evaluiert wurden, erfolgt abschließend eine Konkretisierung bzw. Abgrenzung der Begrifflichkeit des öffentlichen Auftrages. Regelmäßig leiten die Sparkassen eine Vielzahl an Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag ab, obwohl diese bisweilen vielmehr Folge und weniger Bestandteil desselben sind. Hierzu zählt vor allem die Selbstverpflichtung zur überdurchschnittlichen Bereitstellung von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Es ist nicht originäre Aufgabe der Sparkassen, selbst als Arbeitgeber in Erscheinung zu treten, sondern vielmehr für die Unternehmen im Rahmen der Struktursicherungsfunktion durch eine breitflächige Versorgung mit Bankdienstleistungen ein Umfeld zu generieren, welches zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen in einer Region beiträgt. Obwohl die aktive Beschäftigungspolitik der Sparkassen aus sozialen Gesichtspunkten wünschenswert erscheint, ist diese Aufgabe demzufolge nicht dem öffentlichen Auftrag zuzurechnen. Darüber hinaus kann das sogenannte Beziehungsbanking, also das Anstreben einer langfristigen Kunde-Bank-Beziehung, nur eingeschränkt dem öffentlichen Auftrag zugeordnet werden. Wiederum ist eine solche Geschäftsausrichtung eher Resultat der regionalen Bindung in Kombination mit der Struktursicherungs- und Gewährleistungsfunktion als primäre Aufgabe der Sparkassen. Dennoch wird sie von Seiten der Sparkassen vielfach als explizite Verpflichtung in der Öffentlichkeit kommuniziert. Insofern ist das Beziehungsbanking zwar charakteristisch für die Primärinstitute der Sparkassen-Finanzgruppe, dennoch stellt es weder ein Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen innerhalb des deutschen Finanzsystems dar, noch findet sich eine gesetzliche Grundlage hierfür.

Der öffentliche Auftrag – eine Begriffsbestimmung Vor dem Hintergrund der vorgetragenen Abgrenzungen werden die tatsächlich relevanten Bestandteile des öffentlichen Auftrages wie folgt zusammengefasst:

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I „Der öffentliche Auftrag verpflichtet die Sparkassen zur Bereitstellung von BasisBankdienstleistungen für jedermann.“ Die Gewährleistungsfunktion ist essentieller Bestandteil des öffentlichen Auftrages mit dem Ziel, einer „Financial Exclusion“ und den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten entgegenzuwirken. Das Beispiel des britischen Bankenmarktes hat offenbart, dass eine ausschließliche Gewinnorientierung der Kreditinstitute mit einer hinreichenden bankwirtschaftlichen Versorgung der gesamten Bevölkerung nicht vereinbar ist. Ein funktionsfähiger Finanzsektor gilt als öffentliches Gut, dessen Bereitstellung nur unzureichend durch rein profitmaximierende Akteure gewährleistet werden kann.

II „Obliegenheit der Sparkassen ist es, mittels sicherer Anlageprodukte die individuelle Spartätigkeit und somit die finanzielle Eigenvorsorge der Bevölkerung zu stärken.“ Sowohl über die Förderung der Spartätigkeit als auch durch die aktive Bekämpfung privatwirtschaftlicher Überschuldung generieren die Sparkassen positive externe Effekte, deren Bedeutung in der aktuellen Kreditkrise unverkennbar wurde. Die im internationalen Vergleich ohnehin niedrige Sparquote der US-Volkswirtschaft wurde durch einen übermäßig kreditfinanzierten Konsum weiter reduziert und provozierte Forderungsausfälle, die die Ökonomien weltweit dauerhaft belasten. Der öffentliche Auftrag überträgt den Sparkassen damit eine das Finanzsystem stabilisierende Funktion, die Risiken kalkulierbar bleiben lässt.

III „Es ist Aufgabe der Sparkassen, den notwendigen regionalen Kreditbedarf, insbesondere kleiner und mittelständischer Unternehmen, zu decken und die Gemeinden mit marktrelevanten Informationen zu versorgen.“ In ihrer Funktion als Hausbank, vor allem klein- und mittelständischer Unternehmen sowie der öffentlichen Hand, reduzieren die Sparkassen über nachhaltige Geschäftsbeziehungen Informationsasymmetrien und stimulieren dadurch die Kreditvergabe in der Region. Die im Regionalprinzip begründete subsidiäre Organisationsstruktur ermöglicht zeitnahe, dezentrale Kreditentscheidungen, wodurch die Gefahr einer Kreditklemme, insbesondere im ländlichen Raum, verringert wird. Nicht zuletzt Projekte mit vergleichsweise geringer Renditeerwartung, beispielsweise in den Bereichen Infrastruktur, Umweltschutz oder Existenzgründung, werden mit Blick auf die langfristige Verbesserung der eigenen Geschäftsgrundlage in Koordination mit den Gemeinden ausdrücklich gefördert.

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IV „Durch eine flächendeckende Präsenz ihrer Institute soll die Sparkassen-Finanzgruppe einer räumlichen Divergenz der wirtschaftlichen Verhältnisse in der Bundesrepublik entgegenwirken.“ Die spezielle Berücksichtigung der regionalwirtschaftlichen Bedürfnisse im Rahmen des Aktivgeschäfts verhindert eine Konzentration des Kapitals in wirtschaftlichen Ballungszentren. Das besondere Engagement in sozialen und kulturellen Belangen des Einzugsgebietes wirkt überdies nicht nur einer wirtschaftlichen, sondern ebenso einer soziologischen Divergenz der Regionen entgegen. Das Streben nach sozialer Kohäsion, als einem Leitgedanken der Sozialen Marktwirtschaft, repräsentiert somit ein hervorgehobenes Ziel des öffentlichen Auftrages.

V „Die regionale Bindung dient der Förderung des Wettbewerbs, vor allem in strukturschwachen Gebieten, und impliziert die Vermeidung wohlfahrtsmindernder marktbeherrschender Stellungen.“ Im Zuge des Konsolidierungsprozesses des deutschen Finanzmarktes hat sich die Mehrzahl der Kreditinstitute gegen ein Engagement im ländlichen Raum entschieden und damit indirekt das Aufkommen regionaler Monopol- bzw. Duopolstellungen gefördert. Durch eine flächendeckende Präsenz in allen Marktsegmenten soll die Sparkassen-Finanzgruppe mögliche Wohlfahrtsverluste beschränken.

VI „Mittels einer realwirtschaftlich orientierten Geschäftspolitik soll eine stabilisierende Wirkung auf das gesamte Finanzsystem ausgeübt werden.“ Die vorwiegende Refinanzierung über Einlagen sowie die mehrheitliche Kreditvergabe an regionale Unternehmen verleiht den Sparkassen eine Unabhängigkeit von volatilen Kapitalmärkten. In der aktuellen Finanzkrise hat diese Geschäftspolitik eine den gesamten deutschen Bankenmarkt stabilisierende Wirkung.49 Die Gefahr eines Bankenruns und damit einer breitflächigen Systemkrise wurde signifikant reduziert, so dass enorme volkswirtschaftliche Kosten abgewendet werden konnten. Der öffentliche Auftrag geht insofern über die alleinige Förderung einzelner Regionen hinaus.

Fazit Im Rahmen unserer Analyse wurden die Bestandteile des öffentlichen Auftrages zum einen aus der Eigenperspektive der Sparkassen beleuchtet, zum anderen aber auch unter Verwendung wissenschaftlicher Kriterien auf ihre wohlfahrtstheoretische Vorteilhaftigkeit untersucht. Dabei erwiesen sich nicht alle Elemente, die von Sparkassen gemeinhin dem öffentlichen Auftrag zuge-

49 Wegen ihrer Depot A-Anlagen, u. a. bei den Landesbanken, sowie ihrer Beteiligungen an den Landesbanken sind Sparkassen gleichwohl nicht völlig gegen Kapitalmarktverwerfungen immunisiert.

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Deutsche Sparkassen: Auftrag, Geschäftsmodell, Stakeholder-Management

rechnet werden, auch aus ökonomischer Sicht als originär bzw. sinnvoll. Zum anderen wurde offenbar, dass der öffentliche Auftrag einem zeitlichen Wandel unterliegt und mitnichten statischer Natur ist. Die resultierende Definition kann mithin nur der Ausgangspunkt auf dem Weg zur Operationalisierung des öffentlichen Auftrags sein. Es gilt daher, in einem nächsten Schritt die relevanten Bestandteile der gesetzlichen Vorgabe zu quantifizieren und deren Erfüllungsgrad anhand möglichst aussagekräftiger Kennzahlen zu messen.

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Patrick Brämer, Horst Gischer, Andreas Pfingsten und Toni Richter

German Savings Banks’ Public Mission from a Stakeholder Management Perspective Savings banks (“Sparkassen”) in Germany are characterized by a public mission (“öffentlicher Auftrag”) as their unique feature. The economic consequences are not only reflected in financial statements, but also in definition and systematic pursuit of an appropriate business model. The contribution in hand discusses theoretical as well as practical conclusions of the public mission’s modern interpretation, primarily focused on the savings banks’ stakeholders’ requirements. Against this backdrop, we derive specific tasks of savings banks in the German banking industry. business model; financial industry; public mission; public welfare; savings bank; stakeholder

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Wie sollten Non-Profit Organisationen ihre Mitarbeiter vertrauensvoll motivieren? Eine vergleichende Analyse bei gemeinnützigen und renditeorientierten Unternehmen Anreizgestaltung; Arbeitsmotivation; Intrinsische Motivation; Job Characteristic Model; NonProfit-Organisationen Der Beitrag untersucht in einer empirischen Untersuchung den Unterschied der intrinsischen, inneren Motivation bei Mitarbeitern in gemeinnützigen und renditeorientierten Organisationen. Dabei wird mittels einer kausalanalytischen Betrachtung aufgezeigt, dass Mitarbeiter von NonProfit Organisationen eine höhere intrinsische Motivation bei ihrer Arbeit aufweisen als Mitarbeiter von Profit Organisationen. Um aus dieser Erkenntnis Handlungsempfehlungen für die Arbeit in Non-Profit-Organisationen generieren zu können, erfolgen in einem weiteren Schritt konkrete Interpretationen der Kriterien, die für das Ausmaß der intrinsischen Motivation verantwortlich sind, um so herauszustellen wie Non-Profit-Organisationen die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter positiv beeinflussen können. So müssen zum Beispiel im Rahmen der sozialen Arbeit in Non-Profit-Organisationen besonders auch kleine Meilensteine für die Arbeitnehmer aufgezeigt werden und ein vertrauensvolles Feedback durch Dritte die Erreichung dieser reflektieren, damit langfristig keine Frustration entsteht.

I. Relevanz der intrinsischen Motivation Worin unterscheiden sich Mitarbeiter1 gemeinnütziger und renditeorientierter Organisationen? Empfinden die einen mehr Verantwortung für ihre Arbeit? Wissen die anderen besser über die Ergebnisse ihrer Arbeit Bescheid? Können also einige eher darauf vertrauen, Feedback von ihren Kollegen und Vorgesetzten zu bekommen? Wie bedeutsam erleben die Menschen ihre Arbeit? Zu wissen, was die Menschen während ihrer Arbeit empfinden, ist ein wesentlicher Faktor, um sie motivieren zu können. Dies hat große Bedeutung für die Unternehmen, da motivierte Mitarbeiter als wichtige Größe für den Unternehmenserfolg gelten. Oftmals pflegen solche Mitarbeiter ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kollegen und Vorgesetzten und können sich so darauf verlassen, dass ihre Arbeit wertgeschätzt wird. Daher arbeiten motivierte Mitarbeiter in der Regel produktiver, bringen bessere Leistung und steigern den Wert des Unternehmens. Motivation kann durch viele verschiedene Reize ausgelöst und gestärkt werden. Eine Möglichkeit ist die Anregung der Motivation durch finanzielle Belohnungen. Ein anderer Ansatz ist die Suche 1 Im nachfolgenden Text wird für das bessere Leseverständnis die männliche Form benutzt. Selbstverständlich ist hiermit immer auch die weibliche Form gemeint.

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nach der Motivation, die in den Arbeitsinhalten begründet wird. Letztere steht im Fokus dieses Beitrags, da Non-Profit Unternehmen in der Regel nicht in der Lage sind, mit Profit-Organisationen vergleichbare Entlohnung an ihre Mitarbeiter zahlen zu können. Ziel des Beitrags ist es, empirische Erkenntnisse über den Unterschied der intrinsischen Motivation bei gemeinnützigen und renditeorientierten Organisationen zu generieren. Hierfür werden primär die Arbeitsinhalte untersucht und analysiert. Die Arbeit selbst als Motivationsquelle zu begreifen, ist besonders für gemeinnützige Organisationen ein entscheidender Faktor, da diese in der Regel nicht die Möglichkeit haben, ihren Mitarbeitern arbeitsexterne Anreize, wie zum Beispiel zusätzliche Leistungsprämien, zu bieten.2 Daraus folgt die These, dass Mitarbeiter gemeinnütziger Organisationen eine höhere intrinsische Motivation bei ihrer Arbeit ausbilden als Mitarbeiter renditeorientierter Unternehmen.

II. Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen 1. Abgrenzung des Begriffs Motivation Eine Fülle von Theorien zum Konstrukt der Motivation führt in der Forschung dazu, dass keine einheitliche Definition von Motivation existiert (Bernard 2006, S. 105). Heckhausen (1998, S. 10) definiert Motivation daher als „eine Sammelbeziehung für vielerlei Prozesse und Effekte, deren gemeinsamer Kern darin besteht, dass ein Lebewesen sein Verhalten um der erwarteten Folgen willen auswählt und hinsichtlich Richtung und Energieaufwand steuert.“ Wesentlich für die folgende empirische Untersuchung ist dabei das Verständnis von Motivation als Voraussetzung für zielorientiertes und vertrauensvolles Verhalten, womit sie als Ansatzpunkt leistungssteigernder Beeinflussungsstrategien gilt (Staehle 1999, S. 218). Im Hinblick auf die Leistungserstellung von Personen findet der Begriff Arbeitsmotivation Anwendung. Dieser bezieht sich auf Arbeit in formalen, arbeitsteiligen, hierarchisch aufgebauten Organisationen (Neuberger 1974, S. 49). Dadurch wird der Begriff der Motivation weiter eingegrenzt. Weinert (1992, S. 1430) definiert Arbeitsmotivation „als eine Reihe von energetischen Kräften, die ihren Ursprung sowohl innerhalb als auch außerhalb einer Person haben, um arbeitsbezogenes Verhalten einzuleiten und dessen Form, Richtung, Stärke und Dauer zu bestimmen.“ Diesem Verständnis soll zunächst gefolgt werden. Jedoch muss darüber hinaus die Arbeitsmotivation weiter konkretisiert werden. Motivation wird in extrinsische und intrinsische Motivation unterteilt. Bei der extrinsischen Motivation handelt es sich um eine von außen zugeführte Motivation von Anreizen. Ein Verhalten ist dann extrinsisch motiviert, wenn der Impuls des Verhaltens außerhalb der eigentlichen Handlung liegt (Rheinberg 2006 a, S. 149). Oft wird extrinsische Motivation mit monetären Anreizen gleichgesetzt. Dieser Ausführung kann jedoch nur entsprochen werden, wenn Geld als Tauschmittel betrachtet wird, dass zur Erfüllung von möglichen Wünschen eingesetzt werden kann. Intrinsische Motivation hingegen entsteht aus immateriellen Anreizen. Hier liegt der Impuls zur Arbeitsmotivation in der Handlung selbst. 2 Vgl. auch hierzu ausführlich die Studie von Sandberg/Mecking (2008).

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Die Abgrenzung von intrinsischer und extrinsischer Motivation ist allerdings nicht eindeutig. Heckhausen (2006) sieht das Problem darin begründet, dass derselbe Fachbegriff auf verschiedene Sachverhalte angewendet wird. Dies ist möglicherweise auf die implizit positive Wertung von intrinsisch als „echt, innerlich und wirklich“ zurückzuführen (Rheinberg 2006, S. 337). Für eine bessere Zuordnung wird die Definition von Frey und Osterloh (2002) gewählt, da sie sich in Hinblick auf die Zielsetzung der empirischen Untersuchung am besten eignet. Die Autoren unterscheiden drei Arten intrinsischer Motivation. Die Freude an der Arbeit (das sog. Flow Erlebnis), das Einhalten von Normen um ihrer selbst Willen und das Erreichen selbstgesetzter Ziele. Die Theorie des Flow-Erlebnisses wurde erstmals 1975 durch Csikszentmihalyi aufgestellt (Csikszentmihalyi 1991, S. 58 ff.). Ihr liegt die Idee zugrunde, dass intrinsisch motivierte Tätigkeiten optimale Herausforderungen darstellen, bei deren Ausführung ein Mensch alles um sich herum vergisst. Für ihn besteht das Handlungsziel im Handeln selbst. Werden Normen aus Einsicht ihrer guten Begründung eingehalten, gilt die Handlung auch als intrinsisch motiviert, genauso wie das Handeln um ein Ziel zu erreichen, welches selbst gesetzt wurde (Bernard 2006, S. 142). Die Bedeutung der intrinsischen Motivation für die Ökonomie und das Unternehmen im Besonderen beschreiben Frey/Osterloh durch fünf Gründe (Frey/Osterloh 2002, S. 35): ● Gemeinsame Pool-Ressource: Der gute Ruf eines Unternehmens und die vertrauensvolle Unternehmenskultur sind Aspekte, die durch die Mitarbeiter hervorgerufen werden. Diese werden als Pool-Ressourcen bezeichnet, denn jeder Mitarbeiter profitiert davon, unabhängig davon wie viel er selbst dazu beigetragen hat. Einen Beitrag zu den Pool-Ressourcen leisten nur intrinsisch motivierte Mitarbeiter. ● Multiple Tasking: Die extrinsisch motivierten Mitarbeiter konzentrieren sich nur auf messbare Ziele, weil nur diese entlohnt werden können. Die schlecht messbaren Ziele, wie z. B. kollegiales und vertrauensvolles Verhalten, Teamgeist und Eigeninitiative sind für den Unternehmenserfolg jedoch unverzichtbar. ● Fuzzy Tasking: Intrinsisch motivierte Mitarbeiter wirken beim Zielbildungsprozess aktiv mit und bringen neue Ideen ein, die nicht messbar sind. Extrinsisch motivierte Mitarbeiter suchen sich leicht quantifizierbare Aufgaben, um ihre Entlohnung zu sichern. ● Übertragung impliziten Wissens: Implizites Wissen ist nicht handelbar und dessen Weitergabe daher auf intrinsisch motivierte Mitarbeiter angewiesen. Ein vertrauensvolles Miteinander ist hier wesentlich. ● Kreativität und Innovation: Innovative Tätigkeiten beruhen auf intrinsischer Motivation. Mitarbeiter vertrauen darauf, dass neue Ideen funktionieren und Verbesserungen bewirken. Sie fühlen sich mit der Organisation emotional verbunden, bei welcher sie arbeiten. Extrinsisch Motivierte neigen dazu, stereotyp zu wiederholen, was immer funktioniert hat.

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2. Bezugsrahmen Laut Gawellek (1987, S. 193) ist die intrinsische Motivation die wesentliche Größe des Job Characteristic Model.3 Diese Auffassung des Modells der Arbeitscharakteristika findet sich vermehrt in der Literatur wieder. Schmidt/Kleinbeck/Rohmert (1981, S. 467) stellen als Hauptziel des Modells heraus, Arbeitsbedingungen zu identifizieren, die die intrinsische Motivation erhöhen. Daher sind dieses Modell und der darauf aufbauende Job Diagnostic Survey die Grundlage der im Rahmen dieses Beitrags durchgeführten Studie. Motivation, die durch extrinsische Belohnung hervorgerufen wird, wird im Job Characteristic Model nicht thematisiert (Ehrlich 2003, S. 60).

Abb. 1: Job Characteristic Model Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Osterloh/Frey (2002, S. 25)

Hackman/Oldham (1980, S. 77 ff.) postulieren fünf Kerndimensionen der Arbeitstätigkeit, die sich motivierend und leistungsanregend auf den Stelleninhaber auswirken sollen. Diese Tätigkeitsmerkmale, die auch als Motivatoren bezeichnet werden können, sind: Anforderungsvielfalt der Aufgabe/Variabilität, Aufgabengeschlossenheit/Ganzheitlichkeit, Bedeutsamkeit der Arbeit, Autonomie, vertrauensvolle Rückmeldung durch die Aufgabe/durch Kollegen und Vorgesetzte. Wie hoch diese Dimensionen ausgeprägt sind, wirkt sich auf folgende kritische Erlebniszustände aus: erlebte Bedeutsamkeit, erlebte Verantwortlichkeit, Wissen um die Arbeitsergebnisse. Diese wiederum haben Einfluss auf die intrinsische Motivation, die Arbeitszufriedenheit und die anderen psychologischen Kriterien. „Hackman/Oldham gehen von einem indirekten Effekt der Arbeitsgestaltung auf die Motivation aus“ (Bernard 2006, S. 138). Sie postulieren, dass jede Tätigkeit ein bestimmtes Motivationspotenzial beinhaltet, den „Motivating Potential Score (MPS)“, der aus

3 Das Modell baut auf den Ansätzen von Herzberg et al. (1959), S. 113 ff. auf.

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den fünf Kerndimensionen berechnet werden kann. „Je höher die Ausprägung dieser fünf Tätigkeitsmerkmale ist, desto höher ist das Motivierungspotenzial der Arbeit“ (Wegge/Schmidt 2004, S. 217). Die Formel lautet (Hackman/Oldham 1975, S. 160): MPS =[(Variabilität + Ganzheitlichkeit + Bedeutsamkeit der Arbeit) / 3] * Autonomie * Feedback Daraus ergeben sich eine untergeordnete Rolle der ersten drei Kerndimensionen und eine unverzichtbare Rolle der letzten beiden Variablen, was auf Kritik stößt. Einige Autoren versuchen daher eine ungewichtete Verknüpfung der Variablen zu begründen (Schmidt/Kleinbeck 1999, S. 205). Im Job Characteristic Model wird die Moderatorvariable Bedürfnis nach persönlicher Entfaltung formuliert, die die Frage beantwortet, was die motivierende Wirkung der Tätigkeitsmerkmale verstärkt bzw. abschwächt. Diese ist nicht Teil des Grundmodells, sondern wird später zusammen mit weiteren Variablen in das Modell integriert. Dieser Beitrag sieht davon ab, die beiden vorgestellten Aspekte MPS und Moderatorvariable in das Forschungsmodell zu integrieren, da sie nicht wesentlich zur Problembeantwortung beitragen. Das Job Characteristic Model ist im Zusammenhang mit dem Job Diagnostic Survey, der als ein aufgaben- und tätigkeitsbezogenes Arbeitsanalyseverfahren gilt, im angloamerikanischen Raum überprüft worden. Dabei handelt es sich um einen aus 83 Items bestehenden Fragebogen, bei dem die Teilnehmer der Studie im Selbstreport über ihre Einstellung zur Arbeitstätigkeit berichten. Diese Art der Befragung ist von Hackman/Oldham gewählt worden, da sie die These vertreten, dass nicht die objektiven Eigenschaften der Arbeit Auswirkungen auf die Motivation der Mitarbeiter haben, sondern die subjektiven Empfindungen (Schmidt/Kleinbeck 1999, S. 209 f.).

3. Hypothesen und Wirkungsmodell Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird davon ausgegangen, dass die Ausgestaltung der Arbeitsinhalte der entscheidende Faktor der intrinsischen Motivation ist.4 Daher werden im Folgenden die durch die Arbeitsinhalte hervorgerufenen kritischen Erlebniszustände sowie die intrinsische Motivation gemäß des vorgestellten Job Characteristic Model anhand des Job Diagnostic Survey empirisch untersucht. Im Fokus des Job Diagnostic Survey stehen die bestehenden Tätigkeiten, welche in Hinblick auf ihren motivationalen Anregungsgehalt und ihre Auswirkungen analysiert werden sollen. Auf diese Weise soll eine Entscheidungsgrundlage identifiziert werden, auf welcher bestimmt werden kann, inwiefern und inwieweit bestimmte arbeitsgestalterische Maßnahmen eingesetzt und evaluiert werden sollen (Kauffeld/Grote 1999, S. 55). Der Job Diagnostic Survey wurde zwar ursprünglich für den Produktionssektor entworfen, bietet aber großes Potenzial für weitere und umfangreichere

4 Dies konnte bereits durch eine Vielzahl an Studien bestätigt werden. Eine umfangreiche Studie zum bürgerlichen Engagement und Management stellt die Befragung von Beher et al. (2006) dar. Das Forschungsprojekt befasste sich als eines der ersten mit den organisationalen Rahmenbedingungen der hauptberuflichen und ehrenamtlichen Tätigkeit von Funktionsträgern in Vereinen und Verbänden und ermöglicht Aussagen über Arbeitsbzw. Engagementzufriedenheit.

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Einsatzgebiete (Schmidt u. a. 1985, S. 162 ff.).5 Insbesondere für den Vergleich unterschiedlicher Branchen hat sich dieser Ansatz bereits bewährt, weshalb er hier auch zur Anwendung kommen und Unterschiede im Non-Profit Bereich und Profit Bereich aufzeigen soll. Hierbei stehen soziale Non-Profit Organisationen im Fokus.6 Non-Profit Organisationen können als Dienstleister bezeichnet werden. Trotz einer vergleichbaren Arbeitsbelastung sind die Löhne in Non-Profit Organisationen niedriger als in der Privatwirtschaft (Priller 2007, S. 5). Die Mitarbeiter in sozialen Einrichtungen sind psychischer Belastung, wie z. B. bei der Sterbebegleitung sowie physischer Belastung, wie z. B. beim Arbeiten mit körperlich behinderten Personen, ausgesetzt.7 Trotz dieser Mehrbelastung entscheiden sich Personen oftmals bewusst für eine Tätigkeit im sozialen Bereich. Beher et al. (2000) betonen, dass Menschen heute ein anderes Engagement ihrer Tätigkeit im Non-Profit Bereich haben. Sie möchten der Gemeinschaft etwas Gutes tun und Verantwortlichkeit übernehmen (Beher et al. 2000, S. 7) Dies erlaubt die These, dass Mitarbeiter von Non-Profit Organisationen eine besonders emotional geprägte Verbindung zu ihrem Beruf aufbauen, anders als Arbeitnehmer von Profit Organisationen. Entsprechend der Zielsetzung dieses Beitrags und dem vorgestellten Forschungsmodell lassen sich folgende Hypothesen aufstellen: HypotheseBasis I: Mitarbeiter von Non-Profit Organisationen zeichnen sich durch eine höhere intrinsische Motivation bei ihrer Arbeit aus als Mitarbeiter von Profit Organisationen. HypotheseBasis II: Gemäß des Job Diagnostic Survey haben die kritischen Erlebniszustände Verantwortlichkeit für die Aufgabe, erlebte Bedeutsamkeit und Kenntnis der Ergebnisse der Arbeit einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation. Aufgrund der drei abgeleiteten Erfolgsfaktoren der intrinsischen Motivation müssen drei weitere Hypothesen überprüft werden. Diese werden im Folgenden konkretisiert: HypotheseIIa: Die erlebte Verantwortlichkeit für die Aufgabe wird bei Mitarbeitern von Non-Profit Organisationen als höher empfunden als bei Mitarbeitern von Profit Organisationen. HypotheseIIb: Die erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit ist bei Mitarbeitern von Non-Profit Organisationen ausgeprägter als bei Angestellten von Profit Organisationen. HypotheseIIc: Mitarbeiter von Non-Profit Organisation verfügen über bessere Kenntnis der Ergebnisse ihrer geleisteten Arbeit als Mitarbeiter von Profit Organisationen. Auf Basis der theoretischen Argumentationen wurden bisher Hypothesen zu den Einflussfaktoren der intrinsischen Motivation formuliert. Aus der Summe dieser Wirkungszusammenhänge ergibt sich das theoretisch abgeleitete Wirkungsmodell dieses Beitrags, welches zum Vergleich von Non-Profit und Profit Organisationen herangezogen wird (vgl. Abbildung 2).

5 Dies wird z. B. durch die Studie von Oldham/Hackmann/Stepina (1979) unterstrichen, die „für 800 verschiedene Berufe Normen erstellt [haben], anhand derer man die Motivierungspotenziale verschiedener Tätigkeiten vergleichen kann.“ Vgl. auch Wegge/Schmidt (2004), S. 217. Daraus wird deutlich, dass sich der Job Diagnostic Survey auch für einen Vergleich von verschiedenen Organisationen in verschiedenen Branchen bzw. Sektoren eignet. 6 Im Folgenden wird der einfacheren Lesbarkeit wegen von Non-Profit-Organisationen gesprochen. Es sind jedoch immer sozial ausgerichtete Non-Profit-Organisationen gemeint. 7 Berufsprofile Altenpfleger/in und Erzieher/in der Bundesagentur für Arbeit.

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Abb. 2: Wirkungsmodell der intrinsischen Motivation Quelle: Eigene Darstellung

III. Empirische Prüfung der Hypothesen 1. Datenerhebung und Stichprobe Die abgeleiteten Hypothesen zur Arbeitszufriedenheit werden in einer empirischen Erhebung durch die Verwendung eines standardisierten Fragebogens untersucht. Der Fragebogen wird sowohl an Mitarbeiter von Non-Profit Organisationen als auch von Profit Organisationen im Münsterland versendet. Diese regionale Begrenzung begründet sich zum Einen in der Nähe zur Region und damit einfacheren Kontaktaufnahme der zu befragenden Organisationen im Rahmen der empirischen Erhebung. Zum Anderen bietet das Münsterland die Möglichkeit durch die Kombination ländlicher Regionen und städtisch geprägtem Gebiet Münsters eine repräsentative Darstellung Deutschlands zu geben. Zur weiteren Abgrenzung der Stichprobe kommen als Probanden ausschließlich ganze Einrichtungen, wie etwa Altenpflegeheime, Kindergärten und Behindertenhilfen als Beispiele für Non-Profit Organisationen und Versicherungsfilialen sowie Altenheimen und Kindertagestätten für Profit Unternehmen in Frage. So wird sichergestellt, dass mit dem Befragungsverfahren nicht nur Führungs- und Verwaltungskräfte, sondern auch Pflegekräfte, Erzieherinnen und Handwerker erreicht werden. Gleichzeitig handelt es sich ausschließlich um Organisationen, welche Dienstleistungen erbringen, was für den Vergleich der Non-Profit und Profit Unternehmen wesentlich ist. Zur Absicherung der Verständlichkeit des Fragebogens wird auf den Job Diagnostic Survey von Hackman/Oldham zurückgegriffen.8 Dieser wird jedoch nicht in seiner

8 Das Job Characteristics Model von Hackman und Oldham (1976, 1980) hat in der Vergangenheit die arbeitspsychologische Forschung stark beeinflusst (z.B. Parker/Wall/Cordery, 2001).

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Gesamtheit abgefragt, sondern im Fokus steht ausschließlich der Teil zur intrinsischen Motivation.9 Der Fragebogen umfasst Angaben zu den demographischen Eigenschaften Geschlecht, Alter und Tätigkeitsdauer in der derzeitigen Organisation sowie 15 Items, die innerhalb einer siebenstufigen Skala mit verbaler Verankerung abgefragt werden. Das Spektrum der Antwortmöglichkeiten reicht von 1 (=stimmt überhaupt nicht) bis 7 (=stimmt vollständig). Innerhalb des Fragebogens werden die drei kritischen Erlebniszustände: erlebte Bedeutsamkeit [EWM], Wissen um die Ergebnisse [KR] mit je 2 Items und erlebte Verantwortlichkeit [ERW] mit 4 Items abgefragt. Auf diese Weise gelingt es indirekt, die intrinsische Motivation zu erfassen. Die direkte Abfrage der Zufriedenheit [GSAT] (3 Items) und der intrinsischen Motivation [IWM] (4 Items) sind ebenfalls Bestandteil des Fragebogens. Fünf Items des Fragebogens sind rekodiert und werden vor der Datenanalyse umkodiert. Die Reliabilität und Validität des Fragebogens werden nicht in Frage gestellt, da es sich bei dem Fragebogen um ein schon häufig in der Literatur verwendetes Instrument handelt, das schon oft getestet und genutzt wurde (Schmidt/Kleinbeck 1999, S. 217ff.). Es wurden 392 Fragebögen an NPO-Mitarbeiter verteilt. 128 Fragebögen wurden beantwortet zurückgeschickt. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 32,65 Prozent. Den größten Anteil bildeten Personen zwischen 41 und 50 Jahren. Die wenigsten Teilnehmer waren jünger als 20 Jahre alt. 40 Teilnehmer arbeiten seit weniger als fünf Jahren in ihrer derzeitigen Organisation. Dies ist zwar der größte Teil der Befragten, aber jeweils mehr als 20 Personen gaben an, zwischen 5 und 10 bzw. 11 und 15 Jahre bei ihrer aktuellen Arbeitsstelle beschäftigt zu sein. Über 75 Prozent der Befragten sind Frauen. Die Männer sind mit 24,22 Prozent zahlenmäßig weit unterlegen. Ein hoher Frauenanteil ist jedoch typisch für die Aufteilung der Geschlechter in sozialen Berufen. Die Struktur kann daher als repräsentativ für die Grundgesamtheit angesehen werden. 315 Fragebögen wurden an Arbeitnehmer von Profit-Organisationen (PO) verschickt. Davon haben 132 Personen den Fragebogen retourniert. Dies ergibt eine Rücklaufquote von 41,90 Prozent. Der Altersdurchschnitt wurde als arithmetisches Mittel aus den Mittelwerten der Klassen berechnet. Er beträgt 35,32 Jahre. Von den 132 Personen sind 52,63 Prozent Frauen und 47,37 Prozent Männer. Die Jahre der Unternehmenszugehörigkeit werden ebenfalls in Klassen abgefragt. Die meisten Personen arbeiten weniger als fünf Jahre bei ihrem derzeitigen Arbeitgeber. Keiner der Teilnehmer verfügt über eine Unternehmenszugehörigkeit von mehr als 30 Jahren.

2. Messung der intrinsischen Motivation und ihrer Einflussfaktoren Zielsetzung eines Arbeitgebers ist die Erfüllung der Erfolgsfaktoren zur intrinsischen Motivation der Arbeitnehmer. Aufgabe der Erfolgsmessung ist es daher, die wesentlichen Faktoren der intrinsischen Motivation für gemeinnützige und renditeorientierte Organisationen der Zielsetzung entsprechend und vergleichbar zu erheben. Die Erfolgsmessung zielt dabei auf die beim Arbeitnehmer existierende und durch den Arbeitgeber erzeugte intrinsische Motivation ab. Hierbei steht zunächst die eigene Meinung der Arbeitnehmer im Fokus. Wenn diese bezüglich der eigenen 9 Das Modell wurde im Prinzip um das Konzept der intrinsischen Motivation gebaut, d. h. das Hauptziel des Modells ist es, Arbeitsbedingungen zu identifizieren, die die intrinsische Motivation erhöhen (vgl. Schmidt/ Kleinbeck/ Rohmert, 1981). Zur Messung der intrinsischen Motivation wurde in dieser Untersuchung der 3. Teil des von Schmidt/Kleinbeck ins Deutsche übersetzte Job Diagnostic Survey herangezogen.

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Person zunimmt, sofern der Arbeitnehmer mit seiner Arbeit zufrieden ist, so ist dies ein Indikator für die intrinsische Motivation (IMW1). Entsprechend wird davon ausgegangen, dass die eigene Meinung des Arbeitnehmers schwindet, wenn dieser seine Arbeit nicht entsprechend seinen Anforderungen erfüllt (IWM2). Darüber hinaus wird die Zufriedenheit mit der Ausübung der Tätigkeit erhoben. Wenn der Arbeitnehmer die Arbeit nach seinem Empfinden gut ausführt, dann ist er zufrieden (IWM3). Folglich vertraut der Arbeitnehmer darauf, dass er Unzufriedenheit spürt, wenn er die jeweiligen Aufgaben nicht nach seinen Vorstellungen erfüllen kann oder es ihm egal ist, ob er seine Arbeit zufriedenstellend erfüllt hat oder nicht (IWM4re). Für die spätere Auswertung der Wirkungszusammenhänge ist es notwendig, diese Kennzahlen zu einer einzigen Erfolgskennzahl zusammenzufassen, um einen eindimensionalen Vergleich der gemeinnützigen und renditeorientierten Organisationen zu ermöglichen. Daher steht die intrinsische Motivation als Erfolgskennzahl im Mittelpunkt dieser Untersuchung. Im Folgenden werden nun die drei Faktoren ‚Erlebte Verantwortlichkeit’, ‚Erlebte Bedeutsamkeit’ und ‚Wissen des Erlebten’ im Hinblick auf ihre Messung genau vorgestellt. Die ‚Erlebte Verantwortlichkeit’ befasst sich zunächst mit dem Maß an persönlicher Verantwortung, welches vom Arbeitnehmer selber empfunden wird (ERW1). Dieses Empfinden wird zusätzlich dadurch abgefragt, indem festgestellt wird, ob Lob und Tadel für die eigene Arbeit nicht nur von außen von vertrauenswürdigen Dritten, sondern auch in der Selbstwahrnehmung gegeben worden wären (ERW2). Letztlich ist es wichtig, ob die Arbeit auch selbstverantwortlich getragen wird, um zu erkennen, ob die erlebte Verantwortlichkeit auch personenbezogen wahrgenommen wird (ERW3). Hingegen ist es relativ schwierig zu beurteilen, ob die Arbeit gut oder schlecht gemacht wurde, wenn kaum Einflussmöglichkeiten auf das Ergebnis bestehen (ERW4re). Diese vier Indikatoren bilden in ihrer Gesamtheit den Faktor der ‚Erlebten Verantwortlichkeit’. Die ‚Erlebte Bedeutsamkeit’ bildet sich hingegen lediglich aus zwei Indikatoren. Zunächst muss erkannt werden, dass die Arbeit vom Arbeitnehmer als bedeutsam erlebt wird (EWM1). Hingegen ist die Empfindung der eigenen Arbeit als nutzlos und unbedeutend ein wesentlicher Ausdruck für eine geringe erlebte Bedeutsamkeit der eigenen Arbeit (EWM2re). Schließlich steht die Frage nach den Kenntnissen über den Erfolg oder Misserfolg der eigenen Arbeitsleistung im Rahmen des ‚Wissens des Erlebten’ im Fokus (KR1). Hier ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer durch Dritte vertrauensvolles Feedback erhält. Andersherum ist es so, dass der Arbeitnehmer eher selten ein Feedback erhält und über das positive oder negative Arbeitsergebnis in der Regel nicht Bescheid weiß (KR2re).

3. Methode der Modellschätzung Aufgrund der vielfältigen Abhängigkeitsbeziehungen, welche innerhalb der Untersuchung überprüft werden sollen, kommen die Verfahren der Dependenzanalyse zum Einsatz.10 Die hier betrachteten abhängigen und unabhängigen Variablen stellen, wie bereits herausgestellt, hypothetische Konstrukte dar, die sich einer direkten Messung entziehen. Das komplexe Beziehungsge-

10 Zu den Verfahren der Dependenzanalyse zählen u. a. die Varianz-, die Regressions- und die Kausalanalyse. Vgl. Backhaus et al. (2008), S. 222 ff.

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flecht der Untersuchung fordert die Verwendung der Kausalanalyse, die sich durch hohe Leistungsfähigkeit11 auszeichnet. Die Kausalanalyse basiert auf linearen Strukturgleichungsmodellen, welche zu den Analyseverfahren der zweiten Generation gehören.12 Das abgeleitete Wirkungsmodell zur Arbeitszufriedenheit ist als ein solches Strukturgleichungsmodell mit latenten Variablen formuliert worden. Zur Schätzung solcher Modelle bestehen zwei Ansätze: zum einen die Kovarianzstrukturanalyse, die unter dem Namen der hierzu verbreiteten Software LISREL (Jöreskog/Sörbom 1996) bekannt geworden ist, zum anderen der Partial-LeastSquares-Ansatz (Wold 1980). Im Rahmen des vorliegenden Wirkungsmodells wird der PLS-Ansatz verwendet, da er eine einfachere Abbildung von formativen Messmodellen erlaubt und auch bei kleineren Stichproben zu sehr guten Ergebnissen führt. Im Gegensatz zum kovarianzbasierten Verfahren versucht der PLS-Ansatz nämlich nicht, die empirische Kovarianzmatrix der Indikatoren zu reproduzieren. Zudem verlangt die gebräuchlichste Schätzmethode innerhalb der Kovarianzstrukturanalyse eine Multi-Normalverteilung der Indikatoren und somit der Stichprobe. Dies führt zu einer stark eingeschränkten Anwendbarkeit, da sich diese Forderung in der empirischen Forschung oft nicht erfüllen lässt. Der PLS-Ansatz hingegen trifft keinerlei Annahmen hinsichtlich der Verteilung der Modellvariablen. Sehr häufig wird das Softwareprogramm SmartPLS eingesetzt. Es überzeugt durch Benutzerfreundlichkeit13 und seinen technischen Support. Bei Smart PLS handelt es sich um beinahe die einzige Software, welche kontinuierlich weiterentwickelt wird und deren Entwickler direkte Ansprechpartner bei Problemen sind.14 Das aufgestellte Strukturgleichungsmodell setzt sich aus Strukturmodell und Messmodell zusammen. Das Strukturmodell analysiert die vermuteten Wirkungsbeziehungen der Konstrukte untereinander, das Messmodell stellt die Beziehung eines Konstruktes zu dessen Indikatoren dar. Hierbei können zwischen Indikator und latenter Variable je nach vermuteter Beziehung zwei Wirkungszusammenhänge unterschieden werden, nämlich formative und reflekive Messmodelle. Reflektive Messmodelle zeichnen sich dadurch aus, dass das Konstrukt die zugeordneten Indikatoren bewirkt. Im Gegensatz dazu wird bei formativen Beziehungen angenommen, dass die Indikatoren das Konstrukt verursachen. In dem hier vorliegenden Modell handelt es sich nach eingehender Prüfung mittels des Fragenkatalogs von Jarvis/MacKenzie/Podsakoff bei den drei Einflussfaktoren der intrinsischen Motivation um formative Messmodelle.15 Exemplarisch sei auf das Konstrukt Erlebte Bedeutsamkeit hingewiesen. Dieses setzt sich daraus zusammen, wie der Arbeitnehmer seine Arbeit selber empfindet. Dies kann zum einen die Bedeutsamkeit sein und zum anderen die Nutzlosigkeit. Beide Indikatoren stellen dabei Extremausprägungen dar und definieren damit dieses Konstrukt. Änderungen in der Ausprägung der beiden Indikatoren führen zu Veränderungen in der Ausprägung der latenten Variable ‚Erlebte Bedeutsamkeit‘. Gleichzeitig ist es nicht so, dass beide Indikatoren 11 12 13 14 15

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Vgl. Diller (1990), S. 177. Vgl. Bagozzi/Fornell (1982), S. 5 ff. Vgl. Temme/Kreis (2005), S. 208. Vgl. Ringle (2005). Es finden sich in der Literatur vielzählige Hilfestellungen zur Klassifizierung eines Messmodells, wobei sich bislang keines als durchweg zufriedenstellend erwiesen hat. Vgl. für verschiedene Ansätze z. B. Eberl (2006); Bollen/Ting (2000); Edward/Bagozzi (2000); Fayers et al. (1997); Cermak (1983). Albers/Hildebrandt vertreten sogar die Ansicht, dass kein Ansatz der Konstrukt-Operationalisierung als falsch deklariert werden kann. Vgl. Albers/Hildebrandt (2006), S. 13. Hier findet die in jüngerer Zeit oftmals verwendete Vorgehensweise von Jarvis/MacKenzie/Podsakoff Anwendung. Vgl. Jarvis/ MacKenzie/Podsakoff (2003), S. 203.

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die gleichen Bedingungen oder Folgen haben müssen. Wird z. B. die Tätigkeit als gering bedeutsam eingestuft, so muss dies nicht zur Aufgabe bzw. Kündigung der bisherigen Tätigkeit führen. Die Nutzlosigkeit einer Arbeit kann aber derart frustierend empfunden werden, dass ein Tätigkeitswechsel zwingend notwendig ist. Die instrinsische Motivation hingegen wird reflektiv formuliert. Die reflektive Darstellung der intrinsischen Motivation ergibt sich primär daraus, dass es sich um keine definierenden Indikatoren bei der Zufriedenheit und der eigenen Meinung handelt. Sie manifestieren diese vielmehr. Darüber hinaus führen sie in der Regel zu den gleichen Folgen. Sofern die Meinung über sich selbst wächst, steigt der innere Anreiz die Tätigkeit weiter zu verfolgen. Eine vergleichbare Wirkung stellt sich ein, wenn der Arbeitnehmer mit seiner Tätigkeit zufrieden ist. Entsprechend lassen sich folgende Beziehungen innerhalb der Messmodelle, wie in Abbildung 3 dargestellt, finden.

Abb. 3: Strukturgleichungsmodell mit formativen und reflektiven Beziehungen Quelle: Eigene Darstellung

4. Ergebnisse der Untersuchung 4.1 Darstellung der Wirkungsmodelle Zunächst werden die beiden Messmodelle der Untersuchung vorgestellt, um die Güteprüfung der Messmodelle und der Strukturmodelle besser nachvollziehen zu können. In Abbildung 4 ist das Wirkungsmodell der gemeinnützigen Organisationen mit den signifikanten Pfaden und entsprechenden Pfadkoeffizienten dargestellt.

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Abb. 4: Wirkungsmodell der gemeinnützigen Organisationen mit signifikanten Pfaden Quelle: Eigene Darstellung

In Abbildung 5 wird das Wirkungsmodell zu den renditeorientierten Organisationen dargestellt.

Abb. 5: Wirkungsmodell der renditeorientierten Organisationen mit signifikanten Pfaden Quelle: Eigene Darstellung

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4.2 Güteprüfung der Messung In einem ersten Schritt erfolgt die Güteprüfung der Messmodellen, um die Güte der Messung der latenten Variablen durch die erhobenen Indikatoren bewerten zu können. Die Interpretation des Strukturmodells erfolgt anschließend. Die Güte bei reflektiven Messmodellen wird anhand von drei Gütekriterien (Hulland 1999, S. 198) geprüft. Zunächst handelt es sich um die Indikatorreliabilität. Diese gibt an, wie genau die einzelnen Indikatoren das zu Grunde liegende latente Konstrukt messen. Im Fokus steht dabei die Varianz des Indikators, welche durch die Varianz des latenten Konstrukts erklärt wird. Die Faktorladungen der einzelnen Indikatoren geben einen Hinweis auf das jeweilige Konstrukt. Gleichzeitig wird die Signifikanz der Faktorladungen anhand der t-Statistiken überprüft (Bouncken/ Koch 2005, S. 300). Nahezu sämtliche Indikatoren sowohl des Messmodells für gemeinnützige Organisationen als auch für renditeorientierte Unternehmen verfügen über ausreichende Indikatorreliabilität und ausreichende Signifikanz der Pfadkoeffizienten im Messmodell (vgl. Abbildung 4 und Abbildung 5).16 Die Konvergenzvalidität erläutert die Übereinstimmung der Messinstrumente (Indikatoren), welche den gleichen Sachverhalt (Konstrukt) beschreiben. Mit Hilfe der internen Konsistenz wird das Ausmaß der Konvergenzvalidität gemessen (Fornell/Larcker 1981, S. 45). Auch die durchschnittlich erklärte Varianz (DEV) sowie das Cronbachsche Alpha können hinzugezogen werden. Die Konvergenzvalidität ist für nahezu alle Messmodelle gegeben. Die Werte entsprechen durchweg zumindest annähernd den geforderten Werten für eine optimal Ausprägung der verschiedenen Gütekriterien. Konstrukt Intrinsische Motivation

Cronbachsches Alpha (>0,6)

Interne Konsistenz (>0,7)

Durchschnittlich erklärte Varianz (>0,5)

gemein: 0,532 rendite: 0,536

gemein: 0,625 rendite: 0,736

gemein: 0,447 rendite:0,522

Tabelle 1: Konvergenzvalidität der Messmodelle Quelle: Eigene Darstellung

Die Diskriminanzvalidität schließlich gibt einen Hinweis darauf, inwieweit sich verschiedene Konstrukte voneinander abgrenzen lassen. Dabei sollen die Indikatoren eines Konstrukts untereinander stärkere Beziehungen aufweisen als in Verbindung mit den Indikatoren anderer Konstrukte im gleichen Kausalmodell (Chin 1998, S. 321). Bei den Konstrukten beider Stichproben ist die DEV größer als die maximale quadrierte Korrelation mit einem anderen Konstrukt. Es kann somit eine ausreichende Diskriminanzvalidität angenommen werden.17 Bei den formativen Messmodellen können die reflektiven Gütekriterien lediglich eingeschränkt angewendet werden (Diamatopotlos 1999, S. 453 f.). Ursächlich ist hierfür die Tatsache, dass formative Indikatoren nicht hochgradig korreliert sein müssen (Fornell/Larcker 1981, S. 46). 16 Jedoch gilt es bei den gemeinnützigen Organisationen darauf hinzuweisen, dass der Indikator IWM4re den Güteanforderungen nicht entspricht. Aufgrund der notwendigen Umkodierung von IWM4re kann jedoch auch hier davon ausgegangen werden, dass dieser Indikator die Güteanforderungen erfüllt. Bei den renditeorientierten Organisationen werden die Güteanforderungen alle erfüllt. 17 Die detaillierte Darstellung ist dem Anhang 1 zu entnehmen.

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Deshalb wird zwar eine Überprüfung der Indikatorreliabiltität angestrebt, die jedoch nicht ausschlaggebend für eine Elimination eines Indikators ist (Krafft/Götz/Liehr-Gobbers 2005, S. 76). Daher werden hier andere Gütekriterien zum Einsatz gebracht. Die Expertenvalidität wird oftmals im Rahmen eines Pre-Tests ermittelt. Testpersonen werden aufgefordert ausgewählte Indikatoren den einzelnen Konstrukten zuzuordnen. Die Expertenvalidität kann hier durch die Durchführung von Experteninterviews, welche im Vorfeld der empirischen Untersuchung getätigt wurden, bestätigt werden. Der Erklärungsbeitrag jedes einzelnen Indikators zur Konstruktbildung wird im Rahmen der Indikatorrelevanz getestet (Sambamurthy/Chin 1994, S. 231 f.). Die Gewichte der einzelnen Indikatoren werden dabei verglichen, um feststellen zu können, welche Indikatoren das Konstrukt im Wesentlichen ausmachen. Dabei ist es in formativen Messmodellen nicht notwendig, dass die Indikatoren positiv miteinander korrelieren. Die Gewichte der Indikatoren von formativen Messmodellen fallen in der Regel geringer aus als bei den reflektiven Indikatoren, was aber keinesfalls dazu führen darf, dass diese Indikatoren eliminiert werden sollten (Chin 1998, S. 307). Die Gewichte der formativen Indikatoren werden im PLS-Ansatz optimiert, damit die Höhe der erklärten Varianz der abhängigen Konstrukte im Messmodell maximiert wird. Bei einer zu hohen Multikollinearität sollten diese Indikatoren jedoch eliminiert werden, weshalb mit Hilfe des Variance Inflation Factor (VIF) geschaut wird, ob eine solche vorliegt.18 Dieser prüft die Multikollinearität zwischen mehr als zwei Indikatoren (Besley/Kuh/Welche 1980, S. 117 f.). Die Indikatoren der formativen Messmodelle weisen sowohl bei den gemeinnützigen als auch bei den renditeorientierten Organisationen eine ausreichende Indikatorreliabilität und eine genügende Signifikanz auf. Darüber hinaus zeigte sich, dass keine Multikollinearitätsprobleme bestehen. Alle VIF-Werte befinden sich unterhalb des geforderten Faktors 10. Exemplarisch sind hier die VIF Werte für die ‚Erlebte Verantwortlichkeit’ bei gemeinnützigen Unternehmen angeführt.19 ‚Erlebte Verantwortlichkeit‘ Test auf Multikollinearität der Indikatoren (Korrelationsmatrix) VIF

1

2

1

ERW 1

1,050

2

ERW 2

1,080

3

ERW 3

1,041

0,063

0,172

4

ERW4re

1,058

0,074

0,111

3

4

0,210

0,175

Tabelle 2: Test auf Multikollinearität Quelle: Eigene Darstellung

Auch das Strukturmodell wird in mehreren Schritten geprüft. Zunächst werden das Ausmaß und die Signifikanz der Pfadkoeffizienten analysiert, die den Wirkungszusammenhang zwischen unabhängiger und abhängiger Variable abbilden (Chin 1998, S. 316). Die T-Statistiken helfen erneut die Signifikanz der Pfadkoeffizienten im Messmodell zu prüfen. Insgesamt zeigt sich, dass im Wirkungsmodell der gemeinnützigen Organisationen alle direkten Wirkungsbeziehungen im Mo18 Ein eindeutiger Grenzwert für eine noch akzeptable Multikollinearität gibt es bis heute noch nicht. Jedoch gibt die Faustformel VIF ≤ 10 einen Hinweis auf einen validen Wert. 19 Die weiteren VIF Werte sind dem Anhang 2 zu entnehmen.

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dell als signifikant zu bezeichnen sind. Im Wirkungsmodell der renditeorientierten Organisationen zeigen sich hingegen zwei Pfade als nicht signifikant. Damit hat die ‚Erlebte Verantwortlichkeit’ (ß=-0,033 und p=0,281)20 und das ‚Wissen des Erlebten’ (ß=0,088 und p=0,781) keinen signifikanten Einfluss auf die intrinsische Motivation bei den renditeorientierten Unternehmen. Nachfolgend wird das Bestimmtheitsmaß R2 betrachtet. Dieses veranschaulicht, welcher Anteil der Varianz des endogenen Konstrukts durch die exogenen Variablen erklärt wird. In beiden Wirkungsmodellen zeigt sich eine unterschiedlich hohe Erklärungskraft der unabhängigen Variablen. Das Modell der gemeinnützig orientierten Organisationen erklärt 44,4 Prozent der Varianz der ‚Intrinsischen Motivation’. Das Modell der renditeorientierten Organisationen weist hingegen nur ein R2 von 25,3 Prozent der Varianz der ‚Intrinsischen Motivation’ auf.

5. Ergebnisse und vergleichende Gegenüberstellung Insgesamt zeigt sich, dass die beiden Wirkungsmodelle der Intrinsischen Motivation sowohl bei gemeinnützigen als auch bei renditeorientierten Organisationen ausreichende Ergebnisse liefern, die einen Vergleich dieser beiden Organisationsformen ermöglichen. Besonders auffallend ist der Erklärungsbeitrag der von den drei Konstrukten ‚Erlebte Verantwortlichkeit’, ‚Erlebte Bedeutsamkeit’ und ‚Wissen um das Erlebte’ auf die ‚Intrinsische Motivation‘ ausgeht. Dieser ist bei den gemeinnützigen Organisationen nahezu doppelt so hoch wie bei den renditeorientierten Organisationen. Daraus kann geschlossen werden, dass Mitarbeiter von gemeinnützigen Organisationen grundsätzlich deutlich stärker intrinsisch motiviert sind als Mitarbeiter renditeorienierter Organisationen. Somit kann die Basishypothese bestätigt werden. Weiterhin zeigt sich, dass der Einfluss der ‚Erlebten Verantwortlichkeit’ bei den Mitarbeitern gemeinnütziger Organisationen einen Pfadkoeffizienten von ß=0,241 ausweist, während dieser bei renditeorientierten Organisationen bei nahe Null liegt (ß=-0,033). Gleichzeitig ist dieser Wirkungszusammenhang der ‘Erlebten Verantwortlichkeit‘ auf die ‚Intrinsische Motivation‘ bei renditeorientierten Organisationen auch nicht signifikant, weshalb der Einfluss dieses Faktors auf die Intrinsische Motivation vernachlässigt werden kann. Somit kann auch HypotheseIIa bestätigt werden. Der Einfluss der ‚Erlebten Verantwortlichkeit‘ auf die ‚Intrinsische Motivation‘ gilt nur für gemeinnützige Organisationen. Mitarbeiter gemeinnütziger Organisationen empfinden demnach eine große Verantwortung für das was sie tun und schreiben sich Lob und Tadel selber zu. Bei der Betrachtung des Faktors ‚Erlebte Bedeutsamkeit’ zeigt sich zunächst ein ganz anderes Bild. Sowohl bei renditeorientierten Organisationen als auch bei gemeinnützigen Organisationen zeigt sich ein Einfluss dieses Faktors auf die ‚Intrinsische Motivation‘. Der Einfluss liegt bei gemeinnützigen Organisationen bei ß= 0,364 und ist bei renditeorientierten Organisationen mit ß=0,500 deutlich höher. Dabei ist jedoch aufgrund der Indikatorenumkodierung Folgendes zu vermerken. Während der Indikator „Die Arbeit die ich mache, bedeutet mir sehr viel“ bei den Mitarbeitern gemeinnütziger Organisationen mit ß=0,984 sehr stark ausgeprägt ist, liegt der Einfluss dieses Indikators bei den Mitarbeitern renidteorientierter Organisationen lediglich bei ß=0,260. Anders verhält es sich mit der Frage, inwiefern der Proband seine eigene Arbeit als 20 Die Bezeichnung ß steht für die Ladung, die Bezeichnung p symbolisiert die Signifikanz.

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nutzlos und unbedeutend empfindet. Hier zeigt sich bei den renditeorientierten Organisationen eine Einflussstärke von ß=0,877, während sich diese bei Mitarbeitern gemeinnütziger Organisationen bei fast Null (ß=0,034) bewegt. Auch hier lässt sich festhalten, dass Mitarbeiter gemeinnütziger Organisationen ihre Arbeit deutlich bedeutsamer empfinden als Mitarbeiter renditeorientierter Organisationen, weshalb auch die HypotheseIIB bestätigt werden kann. Das ‚Wissen um das Erlebte’ weist bei beiden Organisationstypen einen geringen Pfadkoeffizienten auf. Bei den gemeinnützigen Organisationen fällt dieser jedoch ein wenig höher aus (ß=0,188) als bei den renditeorientierten Organisationen (ß=0,088). Sowohl die Mitarbeiter gemeinnütziger Organisationen (ß=0,858) als auch die Mitarbeiter renditeorientierter Organisationen (ß=0,972) wissen, ob sie ihre Arbeit zufrieden stellend erfüllt haben oder nicht. Das heißt Mitarbeiter beider Organisationstypen können sich auf ein vertrauensvolles und ehrliches Feedback verlassen. Daher kann bei diesem Faktor festgehalten werden, dass der Einfluss auf die Intrinsische Motivation hier beinahe zwischen den beiden Organisationstypen vergleichbar ist. Aufgrund des höheren Pfadkoeffizienten bei den gemeinnützigen Organisationen kann jedoch auch die HypotheseIIC bestätigt werden. Insgesamt vermag das Modell bei gemeinnützigen Organisationen nahezu doppelt soviel der Varianz der Intrinsischen Motivation (44,4 Prozent) erklären als bei renditeorientierten Organisationen (25,3 Prozent). Tabelle 3 gibt einen abschließenden Überblick über die Hypothesen. Hypothese HypBasis I

Mitarbeiter von Non-Profit Organisationen zeichnen sich durch eine höhere intrinsische Motivation bei ihrer Arbeit aus als Mitarbeiter von Profit Organisationen.



HypBasis II

Gemäß des Job Diagnostic Survey haben die kritischen Erlebniszustände: Verantwortlichkeit für die Aufgabe, erlebte Bedeutsamkeit und Kenntnis der Ergebnisse der Arbeit einen positiven Einfluss auf die intrinsische Motivation.

(√)

HypIIa

Die Verantwortlichkeit für die Aufgabe bei Mitarbeitern von Non-Profit Organisationen wird als höher empfunden als bei Mitarbeitern von Profit Organisationen.



HypIIb

Die erlebte Bedeutsamkeit der Arbeit ist bei Mitarbeitern von Non-Profit Organisationen ausgeprägter als bei Angestellten von Profit Organisationen.



HypIIc

Mitarbeiter von Non-Profit Organisation verfügen über bessere Kenntnis der Ergebnisse ihrer geleisteten Arbeit als Mitarbeiter von Profit Organisationen.



Tabelle 3: Antworten auf die zu überprüfenden Hypothesen Quelle: Eigene Darstellung

IV. Implikationen Um aus diesen Erkenntnissen Handlungsempfehlungen für die Arbeit in Non-Profit-Organisationen generieren zu können, erfolgen nun konkretere Interpretationen der Kriterien, die für das Ausmaß der intrinsischen Motivation verantwortlich sind. Es wird dabei der Frage nachgegangen, wie Non-Profit-Organisationen die intrinsische Motivation ihrer Mitarbeiter positiv beeinflussen können.

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Non-Profit Organisationen: MitarbeiterInnen motivieren

1. Zu viel Verantwortung ist auch risikoreich Der Erklärungsbeitrag des Konstrukts erlebte Verantwortlichkeit ist für die Höhe der intrinsischen Motivation bei Mitarbeitern von Non-Profit-Organisationen deutlich höher als bei Mitarbeitern von renditeorientierten Unternehmen. Die größten Unterschiede lassen sich dabei bei den beiden Punkten der persönlichen Verantwortung (bei gemeinnützigorientierten Unternehmen ß=0,898 und bei renditeorientierten Unternehmen ß=0,767) und bei der alleinigen Verantwortung (bei gemeinnützigorientierten Unternehmen ß=0,274 und bei renditeorientierten Unternehmen ß=-0,521) finden. Demnach fühlen sich Mitarbeiter von Non-Profit-Organisationen persönlich stärker für ihre Arbeit verantwortlich. Zudem tragen sie die übernommene Verantwortung allein. Neben vielen positiven Aspekten verantwortungsvoller Arbeit kommt jedoch auch ein Risiko zu tragen. Beim Auftreten von subjektiv erlebten negativen Entwicklungen können schnell Tendenzen zur Unzufriedenheit mit der eigenen Person erscheinen, die in der Folge die Arbeitsleistungen negativ beeinflussen können. Hier müssen Verantwortliche darauf achten, dass sie im vertrauensvollen Umgang mit Mitarbeitern solche Effekte vermeiden. Dies kann zum Beispiel dadurch erfolgen, dass die verantwortlichen Vorgesetzten ihren Mitarbeitern regelmäßig den Nutzen der von ihnen erbrachten sozialen Leistungen verdeutlichen.21 Diese Verdeutlichung kann dabei sowohl formal über bspw. Grußworte in internen Mitarbeiterzeitschriften oder Grußworte bei Betriebsversammlung u. ä. erfolgen als auch über vollständig unformale Verfahren. Auch überraschende Belohnungen in einem Umfeld, in welchem eigentlich keine Leistungen bewertet bzw. belohnt werden, können die intrinsische Motivation fördern (Holzer 2010, S. 70).

2. Die Bedeutsamkeit der Arbeit fordert eine gezielte Kommunikation Wie beim Konstrukt der erlebten Verantwortlichkeit ist auch der Erklärungsbeitrag des Konstrukts erlebte Bedeutsamkeit für die Höhe der intrinsischen Motivation bei Mitarbeitern von Non-ProfitOrganisationen deutlich höher als bei Mitarbeitern von renditeorientierten Unternehmen. Dieser hohe Erklärungsbeitrag entsteht durch die hohe Bedeutung der beiden Kriterien, die besagen, dass den Mitarbeitern von Non-Profit-Organisationen zum einen ihre Arbeit viel bedeutet und sie sie zum anderen für wichtig und auch tatsächlich bedeutungsvoll halten. Aus diesem Zusammenhang lässt sich direkt eine Handlungsempfehlung für das Führungsverhalten in Non-Profit-Organisationen ableiten. Der Nutzen bzw. die Bedeutung der Arbeit kann in den individuellen Nutzen der sozialen Arbeit für die jeweiligen Klienten/Adressaten derselben und in den eher gesellschaftlichen Nutzen, für den eine Abstraktion von den täglichen Abläufen innerhalb der Non-Profit-Organisation notwendig wird, unterteilt werden.22 Neben den häufig auftretenden Problemen bei der Identifizierung des individuellen Nutzens23 für die Klienten im 21 Die Bedeutsamkeit eines Feedbacks im Hinblick auf die Arbeitsergebnisse bzw. auf den Erfolg der geleisteten Arbeit wird in vielen Quellen betont. Vgl. zum Beispiel Greiling (2007, S. 322 oder S. 424) 22 Beher et al. (2008) unterstützen diese Aussage, dass sich Mitarbeiter bzw. Führungskräfte nicht nur für die Organisation bzw. ihre Arbeit an sich verantwortlich fühlen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung eines attraktiven und engagementfreundlichen Umfelds leisten. 23 Krönes hat zur besseren Übersicht von Kosten und Nutzen in Non-Profit Organisationen eine so genannte Balance Score Card für Non-Profit Organisationen entwickelt. Vgl. Krönes (2001).

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Rahmen der täglichen Arbeit stellt sich hier nun ein gegensätzliches Problem. Es muss trotz der Verankerung in der täglichen Fallarbeit gelingen, die Mitarbeiter für die gesellschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit zu sensibilisieren. Dafür ist zunächst Grundvoraussetzung, dass diese gesellschaftliche Entwicklung dem Führungspersonal der Non-Profit-Organisation bekannt und zugänglich ist. Außerdem muss es ihnen gelingen, diese recht abstrakt zu beschreibende Bedeutung in ein Umfeld täglicher Arbeit zu transferieren und es im Optimalfall damit in Verbindung zu bringen. Somit ist die Kommunikation des Nutzens eine wesentliche Herausforderung für das Führungsverhalten von Non-Profit-Organisationen, denn sie stellt eine sehr hohe intellektuelle und persönliche Anforderung dar.24

3. Kleine Meilensteine erhöhen das Wissen um das Erlebte Obwohl die intrinsische Motivation bei Mitarbeitern von Non-Profit-Organisationen als insgesamt größer als bei Mitarbeitern von renditeorientierten Unternehmen eingestuft werden kann, ist dies bei dem Konstrukt Wissen des Erlebten nicht nachvollziehbar, weil der Erklärungsbeitrag für die Höhe der intrinsischen Motivation bei beiden Organisationsarten nahezu identisch ist. Dennoch lassen sich Handlungsempfehlungen für das Führen in Non-Profit-Organisationen ableiten. Zunächst sollten zur Verdeutlichung der Leistungsergebnisse kleine Meilensteine durch die Führungskräfte von Non-Profit-Organisationen definiert werden, da es bei der Bewertung der Arbeitsleistung in Non-Profit-Organisationen häufig zu größeren Schwierigkeiten kommt, weil Entwicklungen nur sehr kleinschrittig erfolgen.25 Außerdem kann es in einigen Feldern sozialer Arbeit auch so sein, dass eine Leistungsbewertung nahezu unmöglich wird. Im Bereich der aufsuchenden Betreuung alter Menschen durch ambulante Pflegedienste kann zum Beispiel die Entwicklung der Klienten nicht vor dem Hintergrund einer Leistungsbewertung der sozialen Arbeit beurteilt werden, weil die hierfür notwendige Vergleichsbasis fehlt. Zum anderen kann im Rahmen einer aufsuchenden Betreuung bspw. von wohnungslosen Menschen ein Fortschritt so gering ausfallen, dass er von den handelnden Personen nicht als solcher registriert werden kann. Daher ist es wichtig, kleine Leistungsfortschritte entsprechend zu würdigen. Eine Option zur besseren Wahrnehmung, ob die geleistete Arbeit gut oder schlecht ist, ist es, für die Mitarbeiter die Möglichkeit zur Supervision einzurichten.26 Supervision kann dabei als eine Form der Beratung bezeichnet werden, die entweder den einzelnen Mitarbeiter oder aber ganze Teams bzw. Gruppen dabei unterstützt, ihr berufliches Handeln zu reflektieren und zu verbessern. Dadurch gelingt es, Personen mit einem deutlich höheren persönlichen Abstand zu den Klienten in die Fallbeurteilung und damit in die Beurteilung der Arbeitsleitung der tätigen Mitarbeiter mit einzubeziehen.

24 Non-Profit Organisationen beschäftigen sich erst in jüngerer Zeit mit professionellem Marketing. Dies bestätigen auch die wenigen exisitierenden Quellen in der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Marketing bei NonProfit Organisationen. Vgl. Greiling (2007, S. 284). 25 Auch die Subjektivität im Rahmen der Leistungsbewertung stellt bei den Non-Profit Organisationen ein Problem dar. Vgl. Greiling (2007, S. 60 f.). 26 Im Rahmen der Untersuchung von Stricker (2007) konnte festgestellt werden, dass 9,8 Prozent der Befragten bereits Supervision erhielten. Hier zeigt sich noch deutliches Potenzial.

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Außerdem kann ebenfalls wahrgenommen werden, dass die Bewertung der eigenen Leistungen den Mitarbeitern von Non-Profit-Organisationen manchmal schwer fällt. Auch hier muss von den entsprechenden Führungskräften bzw. Vorgesetzten verlangt werden, dass sie die Mitarbeiter durch Supervision in der Erkennung der eigenen Leistung unterstützen. Zudem ist daran zu denken, dass Abschlussberichte über den Erfolg oder Misserfolg bestimmter Projekte allen Mitarbeitern zugänglich gemacht werden, so dass die Ergebnisse letztlich von allen wahrgenommen werden können (Vgl. Sandberg 2001).

Anhang Übersicht über die Item-Bezeichnungen ERW4re IWM1 Gsat1 EWM2re KR1 IWM2 EWM1 ERW1 Gsat3re IWM3 KR2re ERW2 Gsat2 IWM4re ERW3

Es ist schwer, mich viel darum zu kümmern, ob die Arbeit gut oder schlecht gemacht wird. Meine Meinung über mich wächst, wenn ich meine Arbeit gut mache. Allgemein gesprochen bin ich mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Die Mehrzahl der Dinge, die ich während der Arbeit zu tun habe, er-scheint mir nutzlos und unbedeutend. Ich weiß gewöhnlich, ob ich meine Arbeit zufriedenstellend gemacht habe oder nicht. Ich empfinde eine große persönliche Zufriedenheit, wenn ich meine Arbeit gut mache. Die Arbeit, die ich mache, bedeutet mir sehr viel. Ich empfinde ein hohes Maß an persönlicher Verantwortung für die Arbeit, die ich tue. Ich denke häufig darüber nach, meine jetzige Arbeit an den Nagel zu hängen. Ich fühle mich schlecht und unglücklich, wenn ich sehe, dass ich meine Arbeit schlecht ausgeführt habe. Es fällt mir oft schwer festzustellen, ob ich meine Arbeit gut oder schlecht ausgeführt habe. Ich meine, ich sollte mir persönlich Lob oder Tadel über die Ergebnisse meiner Arbeit zuschreiben. Ich bin im Allgemeinen mit der Art meiner Tätigkeit zufrieden. Meine eigene Stimmung wird im Allgemeinen nicht davon beeinflusst, wie gut ich meine Arbeit mache. Ich bin allein dafür verantwortlich, ob die Arbeit gut gemacht wird oder nicht.

Anhang 1: Diskriminanzvalidität der Messmodelle Konstrukt

Max. quadrierte Korrelation

Durchschnittlich erklärte Varianz (>0,5)

Intrinsische Motivation

gemein: 0,410 rendite: 0,254

gemein: 0,446 rendite: 0,522

Anhang 2: VIF Werte der formativen Messmodelle VIF Wert

Gemeinnützigen Unternehmen

Erlebte Verantwortlichkeit

ERW1 ERW2 ERW3 ERW4re

1,050 1,080 1,041 1,058

ERW1 ERW2 ERW3 ERW4re

1,100 1,229 1,162 1,003

Erlebte Bedeutsamkeit

EMW2re EWM1

1,247 1,247

EMW2re EWM1

1,148 1,148

Wissen des Erlebten

KR1 KR2re

1,409 1,409

KR1 KR2re

1,000 1,000

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Renditeorientierten Unternehmen

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Ann-Marie Nienaber und Jan Tietmeyer

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Relationship Fundraising: Stand der empirischen Forschung, theoretischer Bezugsrahmen und zukünftige Forschungsfelder Fundraising, Nonprofit Marketing, Relationship Fundraising, Spenderbeziehung, Spenderbindung In den vergangenen Jahren beschäftigt sich die Fundraising Forschung vermehrt mit dem Management von Spenderbeziehungen. In diesem Beitrag wird in einem ersten Schritt eine Literaturanalyse zum Forschungsgebiet Relationship Fundraising präsentiert. Die Ergebnisse zeigen, dass eine Entwicklung in Studien von Partialmodellen hin zu zweidimensionalen Modellen zu erkennen ist und dass bislang wenige Beiträge mit mehrdimensionalen Modellen vorliegen. In einem zweiten Schritt wird ein theoretischer Bezugsrahmen abgeleitet, der die mehrdimensionalen Wirkungsbeziehungen zwischen Marketingaktivitäten von Nonprofit-Organisationen, psychologischen Wirkungen, Verhaltenswirkungen beim Spender und dem ökonomischen Output für eine Nonprofit-Organisation umfasst. Abschließend werden vier Forschungsfelder für zukünftige empirische Relationship Fundraising Studien aufgezeigt. Diese beziehen sich auf die Relationship Fundraising Strategie, die Auswahl der Relationship Fundraising Instrumente, die beziehungsorientierten Motive und Faktoren von Spendern sowie die Spenderbindung.

I. Bedeutung des Relationship Fundraising für die Nonprofit Forschung In Nonprofit-Organisationen ist das Fundraising, neben u. a. der staatlichen Förderung, eine bedeutende Finanzquelle (Helmig 2004; Meyer 2007; Zimmer/Priller 2008; Sommerfeld 2009). Bei stetig wachsenden Spendeneinnahmen, auf eine Gesamthöhe von 2,16 Milliarden Euro (1,97 Milliarden in 2006), ist gleichzeitig eine Abnahme der Spender auf 12,9 Millionen im Jahr 2008 (13,6 Millionen Spender in 2006) festzustellen (Deutscher Spendenrat/GfK 2009). Folglich erhöht sich für Nonprofit-Organisationen der Wettbewerbsdruck, da die bestehenden Nonprofit-Organisationen um eine immer kleiner werdende Anzahl an Spendern konkurrieren (Priller/Sommerfeld 2010). Vor diesem Hintergrund ist eine positive Ausgestaltung der Beziehung zum Spender für den Erfolg des Fundraising von entscheidender Bedeutung (Bruhn 2005; Fischer 2008). In der internationalen Nonprofit Forschung ist diese Entwicklung seit einiger Zeit sichtbar, indem vermehrt Studien zu einem beziehungsorientierten Fundraising, dem sogenannten Relationship Fundraising, im Gegensatz zum transaktionsorientierten Fundraising durchgeführt werden (Sargeant 2001 a; Burnett 2002; Thomas/Cunningham/Williams 2002; Bennett/Barkensjo 2005; Bennett 2006; Waters 2008). Der Begriff Relationship Fundraising geht dabei auf Burnett (1992) zurück, der Relationship Fundraising als strategischen Ansatz definiert, bei dem alle Aktivitäten

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Relationship Fundraising

der Organisation auf den Beziehungsaufbau und die Beziehungspflege zu den Spendern ausgerichtet sind, um das Ziel einer langfristigen Bindung der Spender zu erreichen und somit neben höheren Geldspenden auch Zeitspenden zu generieren. Im Gegensatz zum transaktionsorientierten Ansatz liegt der Fokus des Relationship Fundraising somit sowohl auf der Beziehungspflege von bestehenden Spendern als auch auf der Akquisition von möglichst hohen Spendengeldern (vgl. vertiefend auch Abb. 1; Magson 1998; Masters 2000; Sargeant 2001 b; Bennett 2006). Während somit die Beziehung zu Spendern seit einigen Jahren in Studien aus dem angloamerikanischen Raum intensiv erforscht wird (Bhattacharya/Rao/Glynn 1995; Garbarino/Johnson 1999; Weir/Hibbert 2000; Swanson/Davis/Zhao 2007), ist es erstaunlich, dass in der deutschsprachigen Nonprofit Forschung bislang kaum Studien vorliegen (Luthe 1997; Hunziker 2010), die dem Forschungsbereich Relationship Fundraising zugeordnet werden können. Deutschsprachige Studien fokussieren mehrheitlich den Beginn einer Spendenbeziehung, indem unterschiedliche Spendenmotive und das Spendenverhalten erklärende Modelle Gegenstand der Untersuchung sind. Diese werden daher in diesem Beitrag dem transaktionsorientierten Fundraising zugeordnet (Schneider 1996; Mayerl 2009; Steiner 2009; West 2009). Vier zentrale Forschungslücken sind in diesem Zusammenhang relevant. Eine erste Forschungslücke bezieht sich auf die Relationship Fundraising Aktivitäten von Nonprofit-Organisationen. Bisher liegen nur wenige Erkenntnisse dazu vor, welche Maßnahmen bei dem Aufbau und bei der Pflege einer Spenderbeziehung bedeutsam sind (Polonsky/Sargeant 2007). Bisherige Studien untersuchten die Wirkung von Maßnahmen aus dem Direktmarketing, wie dem persönlichen Dialog (Sargeant/Jay 2004; Sargeant/Hudson 2008) oder Incentives (Bennett 2008). Erkenntnisse zu anderen Maßnahmenbereichen fehlen. Eine zweite Forschungslücke besteht in Bezug auf die relevanten Spendenmotive zur Erklärung des Spenderverhaltens. Zwar wurden Konstrukte wie Identifikation, Vertrauen oder Zufriedenheit zur Erklärung von Spenderbeziehungen bereits vielfach herangezogen (Bhattacharya/Rao/Glynn 1995; Garbarino/Johnson 1999; Thomas/Cunningham/Williams 2002; Arnett/German/Hunt 2003; Tidwell 2005; Swanson/Davis/Zhao 2007), allerdings ist bislang unklar, wie stark die Zusammenhänge der Spenderbeziehungen von den einzelnen Konstrukten erklärt werden. Insofern wird hier auch ein Defizit in der empirischen Nonprofit Forschung angesprochen (Helmig/ Michalski 2008). Drittens erfassen bisherige Studien lediglich einzelne Dimensionen der Spenderbindung, wie zum Beispiel Geld- und Zeitspenden (Sargeant/Jay 2004; Sargeant/Woodliffe 2007 a) oder die Weiterempfehlung der Organisation (Wright/Bocarnea 2007; Waters 2008) und beziehen relevante Outputgrößen, wie die Dauer der Spendenbeziehung oder die Spendenhäufigkeit, nicht mit ein. Dies bedeutet, dass bislang eher eine isolierte Relationship Fundraising Forschung zu beobachten ist, die einzelne Inputgrößen (z. B. Fundraisinginstrumente) und deren Wirkungen (Geld-/Zeitspende) untersucht. Vor dem Hintergrund der geschilderten Forschungslücken verfolgt der vorliegende Beitrag drei Forschungsziele. Ein erstes Ziel ist es, einen Überblick zu geben, welche Themen in der Relationship Fundraising Forschung bislang erforscht sind. Darauf aufbauend ist das zweite Ziel des Beitrags, einen theoretischen Bezugsrahmen zu entwickeln, der bereits einzeln erforschte Inputvariablen, Variablen zur psychologischen und verhaltensbezogenen Wirkung und Outputvariablen des Relationship Fundraising zusammenführt. Drittens zielt der Beitrag darauf ab, zukünftige

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Forschungsfelder für die deutschsprachige Forschung aus dem Bezugsrahmen abzuleiten, die in zukünftigen empirischen Studien bearbeitet werden können.

II. Abgrenzung des Forschungsfeldes Relationship Fundraising Wie bereits eingangs angesprochen, ist in den vergangenen Jahren eine Entwicklung vom transaktionsorientierten Fundraising hin zum Relationship Fundraising zu beobachten. Eine Abgrenzung der beiden Forschungsfelder wird in der einschlägigen Fundraising Literatur mehrheitlich anhand von fünf Merkmalen vorgenommen, die in Abbildung 1 durch zwei Punkte erweitert aufgeführt sind (Sargeant 2001 b, S. 27). In Analogie zum Relationship Marketing (Berry 1983; Grönroos 1994; Gummesson 1994; Payne 1995) steht beim Relationship Fundraising das Management der Beziehung zu den Spendern im Fokus aller Aktivitäten der Nonprofit-Organisation (Sargeant 2001 b; Thomas/Cunningham/Williams 2002; Bennett/Barkensjo 2005; McMillan et al. 2005).

1.

Unterscheidungsmerkmal Fokus

2.

Perspektive

3. 4. 5.

Zeithorizont Kennzahlen Spenderorientierung Integration des Spenders

Nr.

6. 7.

Art der Spende

Transaktionsorientiertes Fundraising Einzelne Spenden Dringlichkeit des Spendenzwecks Kurzfristig ROI, Spendensumme Wenig ausgeprägt Spender als Finanzierungsquelle Fokus liegt primär auf der Geldspende

Relationship Fundraising Spenderbindung Aufbau einer Spenderbeziehung Langfristig Donor Lifetime Value Stark ausgeprägt Starke Integration in die Leistungserstellung Fokus liegt auf Geld-, Sachund Zeitspenden

Abb. 1: Abgrenzung von transaktionsorientiertem und Relationship Fundraising Quelle: In Anlehnung an Sargeant 2001 b

Der Ansatz des transaktionsorientierten Fundraising fokussiert die Akquisition einzelner Spenden für einen Spendenzweck, der meist eine hohe Dringlichkeit aufweist. Zum Beispiel werden bei aktuellen Katastrophen, wie der Erbebenkatastrophe in Haiti, Spenden oftmals kurzfristig benötigt. Die Beurteilung des Erfolgs des Fundraising richtet sich bei diesem Ansatz an der Höhe der Spendensumme pro Spender aus. Die Orientierung der Nonprofit-Organisation an den Interessen des Spenders ist eher wenig ausgeprägt und der Spender wird bezüglich der Leistungserstellung der Organisation primär als Finanzierungsquelle betrachtet. Daraus folgt, dass in der Regel hauptsächlich Geldspenden seitens der Organisation gefordert werden (Sargeant 2001 b). Im Gegensatz dazu steht beim Relationship Fundraising die Bindung der Spender an die Organisation im Zentrum des Fundraising Management. Alle Aktivitäten der Organisation orientieren sich an der Beziehung zum Spender und dienen dem Aufbau und dem Erhalt der Beziehung

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Relationship Fundraising

zwischen Spender und Organisation (Sargeant 2001 b). Entsprechend dem Ziel, eine möglichst langfristige Beziehung zum Spender aufzubauen, wird der Erfolg dieses beziehungsorientierten Ansatzes anhand der kumulierten Spendensumme über den kompletten Spenderlebenszyklus, dem sogenannten Donor Lifetime Value, gemessen. Im Gegensatz zum transaktionsorientierten Ansatz ist die Orientierung an den Interessen des Spenders stark ausgeprägt. Dies spiegelt sich in einer ausgeprägten Integration des Spenders in die Leistungserstellung der Organisation wieder. Beispielsweise ist dies in Fördervereinen von Museen der Fall, bei denen teilweise Mitglieder Führungen übernehmen. Demzufolge bringen diese Spender bei einer positiven Ausgestaltung der Beziehung die Bereitschaft mit, neben Geld- und Sachspenden auch durch Zeitspenden die Leistungserstellung aktiv mitzugestalten (Helmig/Michalski/Thaler 2009; Helmig/Thaler 2010). Die dargestellten sieben Merkmale geben den aktuellen Stand des Relationship Fundraising wieder und werden folglich neben den Erkenntnissen aus der Literaturanalyse in den theoretischen Bezugsrahmen einfließen.

III. Stand der Relationship Fundraising Forschung Der nun folgende Literaturüberblick zum Stand der Relationship Fundraising Forschung basiert auf einer umfassenden systematischen Analyse der Nonprofit- und Marketingliteratur ab dem Jahr 1992 bis 2009. In einem ersten Schritt wurden mit Hilfe der elektronischen Wissenschaftsdatenbanken EBSCO und WISO − unter Verwendung der Stichwörter Relationship Fundraising, Donor Retention (Spenderbindung), Donor Loyalty (Spenderloylität), Donor Behaviour (Spenderverhalten), Donor Lifetime Value (Spenderlebenszyklus) − 86 Artikel identifiziert, die sich anhand des Titels, den von den Autoren angegebenen Schlagwörtern und der Kurzzusammenfassung dem Forschungsgebiet Relationship Fundraising zuordnen ließen. Die identifizierten Beiträge wurden in einem zweiten Schritt anhand der in Kapitel II. dargestellten sieben Merkmale des Relationship Fundraising komplett inhaltlich gesichtet. Drittens wurden die Beiträge bei Zuordnung zum Relationship Fundraising nach Themenfeldern klassifiziert, die im Folgenden in Abbildung 2 dargestellt sind. Insgesamt sind letztlich 31 Fachartikel in die Analyse aufgenommen worden. Ausgenommen sind dabei durch die Abgrenzung des Forschungsfeldes explizit allgemeine Studien zum Fundraising, wie zum Beispiel Studien zu Spendermotiven. Burnett liefert 1992 mit seiner Monographie “Relationship Fundraising − A Donor-Based Approach to the Business of Raising Money” den Ausgangspunkt der Relationship Fundraising Forschung. Neben einer Definition stellt Burnett verschiedene Konzepte, wie die Spenderpyramide und den Spenderlebenswert (Donor Lifetime Value) dar und nennt Prinzipien des Relationship Fundraising, wie die Spenderorientierung, um schließlich konkrete Handlungsempfehlungen für die Praxis abzuleiten. Die folgenden Forschungsarbeiten knüpften mehrheitlich an die eher praxisorientierten Ausführungen von Burnett (2002) an und entwickelten diese in einem wissenschaftlichen Kontext weiter.

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Output des Relationship Fundraising Magson 1998 (Donor Lifetime Value) (K) Miller/Wyk 1999 (Donor Lifetime Value) (K) Aldrich 2000 (Donor Lifetime Value) (K) Masters 2000 (Donor Lifetime Value) (K) Drye et al. 2001 (Donor Lifetime Value) (K) Sargeant 2001b (Donor Lifetime Value) (K)

Verhaltenswirkungen des Relationship Fundraising Sargeant 2001a (Spenderbindung) (E) Bussel/Forbes 2006 (Zeitspende) (Q) Nathan/Hallam 2009 (Spenderbindung) (Q)

Psychologische Wirkung des Relationship Fundraising Thomas et al. 2002 (Zufriedenheit/Vertrauen) (E) MacMillan et al. 2005 (Vertrauen/Commitment) (E) Sargeant/Lee 2004a (Vertrauen/Commitment) (E) Sargeant/Lee 2004b (Vertrauen/Commitment) (E)

Strategie Weir/Hibbert 2000 (Relationship Fundraising Konzept) (E) Polonsky/Sargeant 2007 (Customer Relationship Management) (E)

Input des Relationship Fundraising

Partialmodelle

Psychologische Wirkung → Output Involvement → Spendenhäufigkeit/Donor Lifetime Value Bennett 2006 (E)

Vertrauen/Zufriedenheit → Geld-/Zeitspende/Weiterempfehlung Swanson et al. 2007 (E)

Zufriedenheit/Vertrauen/Commitment → Weiterempfehlung Wright/Bocarnea 2007 (E) Shabbir et al. 2007 (Q) Waters 2008 (E)

Commitment → Spenderbindung Sargeant/Woodliffe 2007a (E)

Identifikation → Zeitspende Tidwell 2005 (E)

Psychologische Wirkung → Verhaltenswirkung Identifikation → Geld-/Zeitspende/Weiterempfehlung Arnett et al. 2003 (E) Michalski/Helmig 2008 (K)

Input → Psychologische Wirkung PR-Strategie → Zufriedenheit/Vertrauen/ Commitment/Gemeinsamkeit Waters 2009 (E)

Instrumente → Spenderbindung Sargeant/Jay 2004 (Face to Face) (E) Sargeant/Hudson 2008 (Door to Door) (E)

Input → Verhaltenswirkung Instrumente → Aufbau einer Spenderbeziehung Bennett 2008 (Incentives) (E) Ingenhoff/Koelling 2009 (E)

Zweidimensionale Modelle

Quelle: Eigene Darstellung

Abb. 2: Literaturüberblick zu Relationship Fundraising Fachartikeln

Relationship Fundraising

Definition Relationship Fundraising Burnett 1992, 2002

Ausgangspunkt

(E) Quantitative Studie (Q) Qualitative Studie (K) Theoretischer/Konzeptioneller Beitrag

Offene Forschungsfelder Zukünftige Forschungsprojekte

Input → Psychologische Wirkung → Verhaltenswirkung Instrumente → Commitment/Vertrauen → Spenderbindung Bennett/Barkensjo 2005 (E)

Mehrdimensionale Modelle

Christian Scherhag und Silke Boenigk

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Relationship Fundraising

In der Folge wurden einzelne Komponenten des Relationship Fundraising in Partialmodellen erforscht. Aus der Analyse der Literatur ergeben sich insgesamt vier Forschungsfelder: Input, psychologische Wirkung, Verhaltenswirkung und Output des Relationship Fundraising. Aus der Perspektive des Relationship Marketing untersuchen Weir/Hibbert (2000) die strategische Ausrichtung von Nonprofit-Organisationen hinsichtlich des Fundraising. Die Studienergebnisse zeigen, dass sich nach Einschätzung der befragten 32 Fundraising Manager die Anwendung von Prinzipien des Relationship Marketing und des Database Marketing positiv auf die Beziehung zu den Spendern auswirkt und zu einem größeren Erfolg im Fundraising beiträgt. In Bezug auf die Relationship Fundraisingstrategie kommen Polonsky/Sargeant (2007) in einer Fallstudie zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von aus dem Relationship Marketing bekannten Analysen, wie dem Service Blueprinting, zu einer Verbesserung der Beziehungen zu den Spendern führen kann. Weitere Studien fokussieren die psychologischen Wirkungen bei den Spendern. Unter der Annahme, dass die psychologischen Konstrukte Vertrauen und Commitment nach der CommitmentTrust-Theorie (Morgan/Hunt 1994) einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung des Spenderverhaltens liefern, untersuchen Thomas/Cunningham/Williams (2002), MacMillan et al. (2003), Sargeant/Lee (2004 a), Sargeant/Lee (2004 b) verschiedene Determinanten dieser Konstrukte, wie beispielsweise den immateriellen Nutzen für Spender oder gemeinsame Werte. Des Weiteren gehen einige wissenschaftliche Beiträge explizit auf das Spenderverhalten ein. Während Sargeant (2001 a) und Nathan/Hallam (2009) Motive erforschen, die zum Abbruch einer Spenderbeziehung führen, konzentriert sich die Arbeit von Bussel/Forbes (2006) auf Beziehungsaspekte zu freiwilligen Helfern, um deren Bindung zu steigern. Ferner beschäftigen sich einige Studien mit dem Konzept „Donor Lifetime Value“ als Outputgröße des Relationship Fundraising (Magson 1998; Miller/Wyk 1999; Aldrich 2000; Masters 2000; Drye/Wetherill/Pinnock 2001; Sargeant 2001 b). In den in Abbildung 2 aufgeführten konzeptionellen Beiträgen wird vor allem auf die Art der Messung des Spenderlebenswert eingegangen. In einer nächsten Entwicklungsstufe steigern Studien ab 2003 die Erklärungskraft zu den Zusammenhängen in der Wirkungskette des Relationship Fundraising, indem sie jeweils einen UrsacheWirkungs-Zusammenhang in zweidimensionalen Modellen integrieren. In einigen Studien wird beispielsweise die Wirkung von Fundraisinginstrumenten auf das Spenderverhalten untersucht. Während sich der Beitrag von Bennett (2008) auf Incentivemaßnahmen konzentriert, überprüfen Ingenhoff und Koelling (2009) die Eignung des Internetauftritts von Nonprofit-Organisationen als geeignetes Kommunikationsinstrument zum Aufbau einer Spenderbeziehung. Sargeant/Jay (2004) und Sargeant/Hudson (2008) untersuchen den Zusammenhang des sogenannten „Face-toFace-Recruiting“ bzw. des „Door-to-Door-Recruiting“ auf die Spenderbindung. Neben den genannten Studien zu Relationship Fundraising Maßnahmen bestätigt Waters (2009) in seinem Beitrag einen positiven Zusammenhang einer PR-Strategie und psychologischen Wirkungen beim Spender wie Zufriedenheit, Vertrauen, Commitment und Gemeinsamkeit. Der größte Teil der bislang vorliegenden Forschungsarbeiten fokussiert auf die Analyse des Zusammenhangs von psychologischen Wirkungen und dem Spenderverhalten. Hierbei werden verschiedene Konstrukte zur Erklärung des Spenderverhaltens herangezogen. Zum einen liegen Studien vor, die auf Basis der Theorie der sozialen Identität (Taifel/Turner 1985) die Identifikation von Spendern näher untersuchen und hier zum Beispiel eine erhöhte Bereitschaft zur Weiterempfehlung der Organisation feststellen (Arnett/German/Hunt 2003; Tidwell 2005; Michalski/

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Helmig 2008). Darüber hinaus kommen weitere Studien zu dem Schluss, dass eine Steigerung des Commitment und des Vertrauens zu einer Steigerung der Spenderbindung in Form von vermehrten Geld-, Sach- und Zeitspenden sowie einer Weiterempfehlung führt. Die Studien unterscheiden sich dahingehend, dass entweder lediglich dem Konstrukt Commitment (Sargeant/ Woodliffe 2007 a), den Konstrukten Commitment, Vertrauen und Zufriedenheit (Wright/Bocarnea 2007; Shabbir/Palihawadana/Thwaites 2007; Waters 2008) oder den Konstrukten Vertrauen und Zufriedenheit (Swanson/Davis/Zhao 2007) die Rolle als Mediator zwischen Relationship Fundraising Aktivitäten und Relationship Fundraising Verhalten zugesprochen wird. Ferner ist ein Unterschied in der theoretischen Fundierung festzustellen. Zum einen basieren Studien auf der Commitment-Trust-Theorie nach Morgan/Hunt (1994) (Thomas/Cunningham/Williams 2002; MacMillan 2003, Sargeant Lee 2004 a), zum anderen auf der Ressource-Dependence-Stakeholder-Theorie nach Pfeffer (1997) (z. B. bei Wright/Bocarnea 2007; Waters 2008). Zwei weitere psychologische Konstrukte fokussiert Bennett (2006) in seiner Studie, die den Zusammenhang zwischen Einbindung des Spenders (Involvement) und die durch die Spende hervorgerufenen positiven Emotionen (Helper’s high) und den Verhaltensgrößen Dauer der Spenderbeziehung, Frequenz der Spenden und Höhe der Spenden untersucht. Die Messung der drei letztgenannten Verhaltensgrößen zielt dabei auf die Berechnung des Donor Lifetime Value ab. Aus der Literaturanalyse wurde lediglich eine Studie identifiziert (vgl. Abb. 2), die in einem mehrdimensionalen Modell sowohl Inputgrößen, als auch psychologische Wirkungen und Verhaltenswirkungen des Relationship Fundraising integriert. Bennett/Barkensjo (2005) untersuchen die Wirkung der wahrgenommenen Qualität von Relationship Fundraising Instrumenten, wie Werbung, Direktmail und Events, auf die Verhaltensabsicht und das tatsächliche Spenderverhalten. Dabei wird die Qualität der Instrumente, beispielsweise durch das hervorgerufene Commitment und Vertrauen gegenüber der Organisation, gemessen und somit psychologische Wirkungen auf Seiten der Spender im Modell integriert. Die Darstellung des aktuellen Stands der Literatur verdeutlicht, dass zwar Studien zu einzelnen Dimensionen des Relationship Fundraising vorliegen, allerdings weiterer Forschungsbedarf an empirischen Studien besteht, die in einem mehrdimensionalen Modell die gesamte Wirkungskette des Relationship Fundraising abbilden.

IV. Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens Die bisherigen Ergebnisse aus der Literaturanalyse münden im Folgenden in einen eigenen Bezugsrahmen des Relationship Fundraising (vgl. Abb. 3), der mit dem Input, den psychologischen Wirkungen, den Verhaltenswirkungen, dem Output sowie moderierenden Variablen, die Elemente des Relationship Fundraising in einer Wirkungskette vereint. Bei der Entwicklung des Bezugsrahmens wurden zudem die Merkmale des Relationship Fundraising (vgl. Abb. 1) einbezogen. In dem Bezugsrahmen ist der Input der Nonprofit-Organisation in eine strategische Ebene und eine operative Ebene untergliedert. Zunächst sind im Rahmen einer Erstellung eines Relationship Fundraising Konzepts, Entscheidungen zur strategischen Ausrichtung zu treffen. Hierbei ist bei sämtlichen Entscheidungen, grundsätzlich eine ausgeprägte Orientierung an den Motiven und Bedürfnissen der Spender einzubeziehen. Dies erscheint logisch, da aufgrund des zentralen Ziels 360

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Relationship Fundraising Moderatoren Demographische: Geschlecht, Alter Geographische: Region Sozio-Ökonomische: Einkommen, Bildungsniveau

Input

Psychologische Wirkungen

Strategische Ebene Relationship Fundraising Konzept: - Spenderorientierung - Spendersegmentierung - Spenderpriorisierung - Spenderintegration

Beziehungsorientierte Spendermotive Altruismus Prestige Schuldgefühle Soziale Gerechtigkeit Steuervorteile Identifikation

Operative Ebene Relationship Fundraising Instrumente: - Media Werbung - Direktmarketing - Events - Dialogmarketing - Mitgliedschaften

Beziehungsorientierte Faktoren Commitment Vertrauen Wahrgenommene Beziehungsqualität Involvement

Verhaltenswirkungen

Output

Spenderverhalten

Spenderbindung

Mehrmalige Geldspende Mehrmalige Sachspende Mehrmalige Zeitspende

Spendenhäufigkeit Dauer Spenderbeziehung Donor Lifetime Value

Relationship Fundraising Marktdaten: GfK „Charity Scope“; TNS Infratest „Deutscher Spendenmonitor“; DZI „Spendenalmanach“; Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft/Bertelsmann Stiftung/Fritz Thyssen Stiftung „Zivilgesellschaft in Zahlen“

Abb. 3: Theoretischer Bezugsrahmen Relationship Fundraising Quelle: Eigene Darstellung

des Relationship Fundraising eine langfristige Beziehung zum Spender aufzubauen, die Erwartungen der Spender berücksichtigt werden müssen. Ferner ist es sinnvoll, die Spender in verschiedene Zielgruppen zu segmentieren, um diese anschließend mit unterschiedlichen Maßnahmen anzusprechen (Weir/Hibbert 2000). Typischerweise wird in Nonprofit-Organisationen eine Segmentierung nach der Spenderpyramide vorgenommen, die die Spender aufsteigend nach der Höhe der Spendensumme aufführt. Um das Prinzip einer starken Spenderorientierung zu berücksichtigen, ist eine Segmentierung nach den Bedürfnissen der Spender ebenfalls denkbar (Burnett 2002). Im Rahmen der strategischen Entscheidungen ist eine Nonprofit-Organisation im Anschluss an eine Spendersegmentierung gefordert, Spendergruppen zu priorisieren. Hierbei gilt es festzulegen, welche Spendergruppen von besonderer Bedeutung für den Relationship Fundraising Erfolg der Organisation sind und diese demnach bevorzugt mit Maßnahmen anzusprechen. Des Weiteren stellt sich für Nonprofit-Organisationen die Frage, inwieweit die Spender in die Aktivitäten und damit in die Missionserfüllung der Organisation integriert werden. Es ist davon auszugehen, dass sich eine stärkere Integration der Spender positiv auf die Beziehung zwischen Spender und Nonprofit-Organisation auswirkt (Helmig/Michalski/Thaler 2009). Auf der operativen Ebene sind geeignete Instrumente auszuwählen, die auf eine beziehungsaufbauende und beziehungserhaltende Wirkung abzielen. Zu den Relationship Fundraising Instrumenten zählen zum einen die aus dem klassischen Marketing bekannten Instrumente, wie Mediawerbung (z. B. TV-Spot), Events (z. B. Spendengala) und Direktmarketing (z. B. Spendenbrief) (Bennett/Barkensjo 2005). Zum anderen bieten das Dialogmarketing (z. B. persönlicher Dialog)

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und Mitgliedschaften (z. B. Förderverein oder Online Community) die Möglichkeit, die Beziehung zum Spender zu intensivieren. Beispielsweise werden Großspender meistens erst in einem persönlichen Gespräch überzeugt. Mitgliedschaften in Fördervereinen und Online Communities regen zum Beispiel die Interaktion innerhalb der Mitglieder und zwischen den Mitgliedern und der Organisation an. Der Input einer Nonprofit-Organisation erzielt eine psychologische Wirkung beim Spender bevor sich eine Wirkung auf der Verhaltensebene anschließt. Mit dem Einsatz der Relationship Fundraising Instrumente streben Nonprofit-Organisationen zunächst eine Aktivierung beziehungsorientierter Spendermotive an. Verschiedene Motive wie Altruismus, Prestige, Schuldgefühle, soziale Gerechtigkeit, Steuervorteile und Identifikation sind hierbei von Bedeutung, die bei entsprechender Ansprache durch geeignete Maßnahmen die angestrebte Verhaltensreaktion bei den Spendern auslösen (Schneider 1996; Arnett/German/Hunt 2003; Sargeant/Woodliffe 2007 b). Gleichzeitig besteht ein positiver Zusammenhang zwischen beziehungsorientierten Faktoren wie Commitment, Vertrauen, wahrgenommene Beziehungsqualität, Involvement und dem Verhalten der Spender (MacMillan et al. 2003; Bennett/Barkensjo 2005; Bennett 2006). Allerdings sind die Wirkungszusammenhänge zwischen diesen Faktoren komplexer. So beeinflusst ein gesteigertes Vertrauen sowohl das Commitment (MacMillan et al. 2003) als auch die wahrgenommene Beziehungsqualität positiv (Bennett/Barkensjo 2005). Beispielsweise kann in einem persönlichen Gespräch das Vertrauen in die Organisation gesteigert werden und so zu einer positiven Beurteilung der Beziehung seitens des Spenders führen. Auf die Wirkungen auf psychologischer Ebene folgen bestimmte Verhaltenswirkungen. Zum einen bewirkt eine erhöhte Aktivierung der Spendermotive und eine Förderung der beziehungsorientierten Faktoren, dass der Spender mehrmalige Spenden an die Nonprofit-Organisation leistet (Bennett/Barkensjo 2005; Bennett 2006). Zum anderen spiegelt sich eine positive Beziehung zwischen Spender und Organisation darin wieder, dass neben Geld- und Sachspenden auch Zeitspenden getätigt werden (Arnett/German/Hunt 2003; Tidwell 2005). Die dargestellten Zusammenhänge zwischen dem Input der Organisation und den Wirkungen beim Spender werden im Bezugsrahmen von Moderatoren beeinflusst. Zu unterscheiden sind grundsätzlich demographische (Geschlecht, Alter), geographische (Region) und sozio-ökonomische (Einkommen, Bildungsniveau) Charakteristika (Schlegelmilch/Diamantopoulos/Love 1997). Dabei haben die Moderatoren sowohl einen Einfluss auf Spendermotive als auch auf das Spenderverhalten. Beispielsweise variieren die Spendermotive sowie die Spendenhöhe mit der Höhe des Einkommens (Arnett/German/Hunt 2003; Bennett 2006). Darüber hinaus ist ein unterschiedliches Spenderverhalten auf das Alter zurückzuführen (Sargeant/Hudson 2008). Der Output des Relationship Fundraising wird wiederum aus der Perspektive der NonprofitOrganisation betrachtet. Aufgrund der Fokussierung auf die Spenderbeziehung kann der Erfolg des Relationship Fundraising an dem Grad der Spenderbindung gemessen werden (Sargeant 2001 b, vgl. Abb. 1, Nr. 1). Ein erster Indikator für eine hohe Spenderbindung ist hierbei die Dauer der Spenderbeziehung (Bennett 2006). Darüber hinaus spiegelt sich eine erhöhte Bindung des Spenders in der Spendenhäufigkeit über einen bestimmten Zeitraum (z. B. ein Jahr) wieder (Bennett/Barkensjo 2005). Die aussagekräftigste Größe für den Output stellt der Donor Lifetime Value dar, der unter einer langfristen Betrachtung die Spenderbindung bewertet (Sargeant 2001 b, vgl. Abb. 1, Nr. 3 und 4). Bei dessen Berechnung werden die Dauer der Spenderbeziehung, die Spen-

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denhäufigkeit und zudem die Spendenhöhe sowie die Ausgaben für den Input einbezogen (Sargeant 2001 b; Magson 1998; Miller/Wyk 1999; Aldrich 2000). Abschließend sind im Bezugsrahmen die vier wichtigsten Datenerhebungen zum deutschen Spendermarkt aufgeführt (Sommerfeld 2009). Zum einen sind die beiden kommerziellen Anbieter GfK und TNS Infratest mit ihren Studien „GfK Charity Scope“ und „Deutscher Spendenmonitor“ zu nennen. Die Studien der GfK und von TNS Infratest liefern bereits seit einigen Jahren Daten zur Spendenhäufigkeit, soziodemographischen Merkmalen von Spendern, Marktanteilen von Spendersegmenten oder etwa Durchschnittsspenden, die bei empirischen Untersuchungen einbezogen werden sollten. Während TNS Infratest einmal jährlich in einem persönlich-mündlichen Interview (CAPI-Methode) 4.000 Bürger aus Deutschland befragt, ermittelt die GfK (Gesellschaft für Konsumforschung) die Datenbasis in einer zwölf Mal jährlich stattfindenden schriftlichen Befragung unter 10.000 deutschen Personen. Zum anderen gibt die Stiftung „Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen“ (DZI) mit der jährlichen Veröffentlichung des „Spendenalmanach“ Einblicke in Einnahmen-, Ausgaben- und Vermögensstrukturen aller Organisationen, an die das DZI-Spendensiegel vergeben wurde. Darüber hinaus haben sich der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, die Bertelsmann Stiftung und die Fritz Thyssen Stiftung in dem Gemeinschaftsprojekt „Zivilgesellschaft in Zahlen“ zusammengeschlossen, um mit diesem Projekt zukünftig die Datenlücken zu Zeitspendenaufkommen aus der Zivilgesellschaft zu schließen.

V. Fazit und Implikationen für zukünftige Forschungsfelder Der vorliegende Beitrag zielte auf die Beantwortung von drei Forschungsfragen ab. Der dargelegte Literaturüberblick (vgl. Abb. 2, Kapitel 3) beantwortet dabei die erste Forschungsfrage nach den bereits erforschten Themenfeldern und gibt den aktuellen Kenntnisstand der Forschung zum Relationship Fundraising wieder. Dabei ist grundsätzlich festzustellen, dass bereits einige konzeptionelle wie empirische Arbeiten zu diesem Forschungsgebiet vorliegen. Allerdings ist auffällig, dass kaum Studien aus dem deutschsprachigen Raum existieren. Dieser Beitrag gibt somit einen Impuls für die Forschung zum Themengebiet Relationship Fundraising in Deutschland. Der aus dem Literaturüberblick entwickelte theoretische Bezugsrahmen (vgl. Abb. 3, Kapitel 4) führt die einzeln erforschten Themenfelder zusammen. Dieser integriert alle relevanten Variablen und dient somit als Ausgangsbasis für zukünftige empirische Studien. Damit ist das zweite Ziel dieses Beitrages erfüllt. Zudem liefert der Bezugsrahmen Impulse für zukünftige Forschungsthemen, die im Folgenden dargestellt werden, womit das dritte Ziel dieses Beitrags erreicht wird. Ein erstes Themenfeld bildet die strategische Ausrichtung des Fundraising. Aufgrund der Heterogenität der Branchenstruktur im Nonprofit-Sektor ist eine interessante Fragestellung, in welchen Branchen die Anwendung des Relationship Fundraising Ansatz gegenüber dem transaktionsorientierten Ansatz erfolgreicher ist. In einem nächsten Schritt könnten zukünftige Studien den Einfluss von Strategieentscheidungen zu Spenderorientierung, -segmentierung, -priorisierung und -integration im Rahmen eines Relationship Fundraising Konzepts auf das Spenderverhalten untersuchen. Ein Schwerpunkt könnte auf der Wahrnehmung der Spenderorientierung einer NonprofitOrganisation beim Spender liegen. Weitere Fragen betreffen die Spendersegmentierung. Hierbei ist bislang unerforscht, ob eine Segmentierung nach beziehungsorientierten Motiven oder der

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Dauer der Spendenbeziehung sinnvoller ist. Daran schließt sich die Frage an, ob sich eine Priorisierung von Spendern insgesamt positiv auf den Relationship Fundraising Erfolg auswirkt. Ferner könnten zukünftige Studien Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern sich eine stärkere Integration der Spender in die Missionserfüllung positiv auf die Spendenbereitschaft und die Bindung der Spender auswirkt. Zweitens besteht ein Mangel an Studien zu spezifischen Relationship Fundraising Instrumenten. Nonprofit-Organisationen stehen der Aufgabe gegenüber, einen optimalen Relationship Fundraising Instrumentemix zu erstellen. Demnach ist zu differenzieren, welche Instrumente für den Beziehungsaufbau und welche für die Beziehungspflege eher geeignet sind. Des Weiteren ist von Bedeutung, welche Instrumente für bestimmte Spendersegmente sinnvoll erscheinen. In diesem Zusammenhang ist es darüber hinaus bedeutsam zu wissen, welche Maßnahmen sich eignen, um bestimmte Spendermotive und beziehungsorientierte Faktoren anzusprechen. Ein drittes Forschungsfeld bezieht sich auf die psychologischen Wirkungen und die Verhaltenswirkungen beim Spender. Um ein Relationship Fundraising Konzept zu erstellen und geeignete Maßnahmen abzuleiten, ist es notwendig, die Motive und Bedürfnisse der Spender zu kennen. Studien sollten genauere Ergebnisse liefern, welche Motive bei unterschiedlichen Spendersegmenten den Beziehungsaufbau fördern und einen positiven Effekt auf die Spenderbindung erzielen. Diese Erkenntnisse in Verbindung mit demographischen und sozio-ökonomischen Merkmalen könnten anschließend aufschlussreiche Hinweise zu einer Typologisierung von beziehungsorientierten Spendern liefern. Des Weiteren sind die Zusammenhänge zwischen den beziehungsorientierten Faktoren und dem Spenderverhalten unklar. Diesbezüglich gilt es in zukünftigen Beiträgen zu untersuchen, welche Konstrukte den stärksten Erklärungsbeitrag für das Spenderverhalten leisten. Bei dieser Fragestellung ist zudem eine Differenzierung des Spenderverhaltens in Geld-, Sach- und Zeitspende interessant. Viertens könnten zukünftige Studien die Dimensionen und Messindikatoren der Spenderbindung exakter herausarbeiten. Entsprechend der Kundenbindung im Marketing von privaten Unternehmen ist eine Übertragung auf den Nonprofit-Kontext in Dimensionen, wie beispielsweise erneute Geld-/Sachspende, zusätzliche Zeitspende und Weiterempfehlung der Organisation, vorstellbar. Für Nonprofit-Organisationen erscheint in diesem Forschungsfeld ebenfalls interessant, die Zusammenhänge von Spendenhäufigkeit und Dauer der Spenderbeziehung genauer zu betrachten. Vertiefende Kenntnisse zur Spendenhäufigkeit und Dauer der Spendenbeziehung von unterschiedlichen Spendersegmenten wären bei der Auswahl von geeigneten beziehungsfördernden Maßnahmen ebenfalls hilfreich. Ferner ist anzumerken, dass die bislang vorliegenden Studien meist die Wirkungszusammenhänge in Partialmodellen oder zweidimensionalen Modellen darstellen. Somit soll dieser Beitrag einen Anstoß dazu geben, dass zukünftige Studien zu allen vier genannten Forschungsfeldern mehrdimensionale Modelle entwickeln und damit den Erklärungsbeitrag zur Wirkungskette des Relationship Fundraising erweitern.

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Relationship Fundraising

Abstract Relationship Fundraising: State of the art, theoretical framework and future research fields Fundraising, Nonprofit Marketing, Relationship Fundraising, Donor Relations, Donor Retention In recent years, fundraising research has focused on the management of donor relationships. In this article, we present a literature review on the research field of relationship fundraising and identify a development from studies including partial models towards two dimensional models. However, relationship fundraising studies with multidimensional models barely exist. Based on these findings, a theoretical framework of relationship fundraising was derived. This holistic model embraces the multidimensional relation of nonprofit marketing activities, psychological, and behavioral effects on the donors and economic output. Finally, four future research areas for empirical studies are indicated. These areas concern the relationship fundraising strategy of nonprofit organizations, the appropriate relationship fundraising marketing instruments, the relationship motives and factors as well as the donor retention as the output for nonprofit organizations.

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Potenziale und Nutzen einer Pfadkostenrechnung auf Basis von Behandlungspfaden für Einrichtungen im Gesundheitswesen Behandlungspfade; Controlling von Gesundheitseinrichtungen; Pfadkostenmodell; Pfadkostenrechnung Gesundheitsdienstleister sind zunehmend gefordert, neben qualitätsorientierten Zielen insbesondere ökonomische Ziele umzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist der Bedarf nach betriebswirtschaftlichen Instrumenten zur Unterstützung dieser Ziele entsprechend hoch. Behandlungspfade bilden eine geeignete Bezugsgröße, die eine Dokumentation und Bewertung relevanter Prozesse und Leistungen ermöglichen. Um dies zu gewährleisten, ist eine verursachungsgerechte Kostenbestimmung und -verrechnung notwendig. Der Beitrag skizziert ein Pfadkostenmodell, welches Kosten und Leistungen von Behandlungspfaden auf verschiedenen Aggregationsstufen für das Controlling von Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stellt.

Hintergründe einer wachsenden Kostenorientierung im Gesundheitswesen Leistungsanbieter im Gesundheitswesen sehen sich seit einigen Jahren einer zunehmenden Kosten- und Qualitätsdebatte ausgesetzt (von Schulenburg 2007, S. 21; Noweski 2008, S. 54 ff.; Straub 1997, S. 1 f.; Krier/Bublitz/Töpfer 2006, S. 135). Demografische und wirtschaftliche Entwicklungen1 führen zu immer knapper werdenden Mitteln, die dem Gesundheitssystem zur Verfügung stehen, sowie zu geänderten politischen und gesellschaftlichen Anforderungen2, die an die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen gestellt werden (Eckardt 2006, S. 11 f.). Hinzu kommt, dass die Ausgaben im Gesundheitssektor kontinuierlich angewachsen sind.3 Vor diesem Hintergrund sind Leistungsanbieter im Gesundheitswesen zunehmend gefordert, einrichtungsbezogene oder gar sektorübergreifende Prozesse und ihre Kosten zu optimieren. Seitens der Gesundheitspolitik und der Kassen wird in Integrierten Versorgungsstrukturen ein großes Potenzial

1 Insbesondere Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung, die Verknappung der finanziellen Mittel der Kassen bzw. des Staates sowie eine Zunahme der Kosten für Gesundheitsleistungen bilden dabei wichtige Rahmenbedingungen, mit denen die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen konfrontiert sind. 2 Medizinisch-ethische Anforderungen, gesundheitspolitische Zielsetzungen und patientenbezogene Anforderungen stellen weitere Herausforderungen für Leistungsanbieter im Gesundheitswesen dar. Zur Problematik der Besonderheit von Gesundheitsleistungen und ihrer Bewertung vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann (2005, S. 355 ff.) sowie Straub (1997, S. 52 ff.). Zur Diskussion einer 2-Klassen-Medizin und zur Problematik einer Ökonomisierung des Gesundheitswesen vgl. Bartens (2009, S. 22) sowie Czycholl/Germis (2009, S. 34). 3 So hat sich im Krankenhausbereich im Zeitraum 1991- 2007 die durchschnittliche Verweildauer zwar von 14 Tagen auf 8,3 Tage reduziert (Statistisches Bundesamt 2008, S. 15), die Ausgaben pro Behandlungsfall sind jedoch von 2.567 € (1991) auf 3.519 € (2007) gestiegen (Statistisches Bundesamt 2008 a, S. 13).

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gesehen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Bedingt durch die in Deutschland vorherrschende Trennung in die drei wesentlichen Sektoren ambulant, stationär und Rehabilitation hat der Gesetzgeber zu diesem Zwecke den Leistungsanbietern im Gesundheitswesen die Möglichkeit eröffnet, Kooperationen im Rahmen Integrierter Versorgungsstrukturen einzugehen (Henke/Göpffarth 2010, S. 11 f.).4 Ziel dabei ist es, zu einer sektorenübergreifenden effizienzund qualitätsorientierten Optimierung der Patientenversorgung beizutragen, in dem die Leistungen unterschiedlicher Leistungsanbieter für eine Behandlung koordiniert werden (Güssow 2007, S. 33). Hierfür spielt die Frage nach einer Leistungsspezialisierung und Konzentration auf ein bestimmtes Leistungsspektrum zur Erhöhung der Fallzahlen eine wichtige Rolle, um sich langfristig am Markt zu positionieren. Diese Tendenz wird auch durch das derzeitige pauschale Vergütungssystem5 unterstützt, da höhere Fallzahlen pro Diagnose zu einem höheren Deckungsbeitrag und somit zur Sicherstellung der Rentabilität einzelner Behandlungen beitragen.6 In diesem Zusammenhang rücken in jüngster Zeit Integrierte Behandlungspfade in den Mittelpunkt der Betrachtung (Eckardt/Sens 2006; Greiling 2008; Hellmann 2002). Ziel der Entwicklung von Behandlungspfaden ist dabei – in Analogie zur Einführung von Fallpauschalen bzw. DRGs im Gesundheitswesen – die Optimierung der Patientenversorgung im Sinne einer effizienten, kostenorientierten Planung und Steuerung von Leistungen und Behandlungsprozessen (Roeder et. al. 2003, S. 20 ff.). Hierzu bedarf es geeigneter betriebswirtschaftlicher Instrumente, die eine Bewertung von Behandlungspfaden und ihrer Leistungen liefern und den Führungskräften von Gesundheitseinrichtungen zur Verfügung stellen können. Um ein genaues Bild der Kostensituation von Behandlungspfaden abzubilden und Leistungen bzw. Behandlungen vergleichbar zu machen, ist es wichtig, die Kosten möglichst genau zu erfassen und verursachungsgerecht zuzuordnen. Dies setzt voraus, die Besonderheiten bei der Leistungserstellung im Gesundheitswesen bei der Wahl und Entwicklung eines Kostenrechnungsmodells zu berücksichtigen. An dieser Stelle setzt das hier darzustellende Pfadkostenmodell an:7 es gilt, eine verursachungsgerechte Kosten- und Leistungserfassung zu gewährleisten, die die Besonderheiten der medizinischen Leistungserstellung aufgreift. Die Pfadkostenrechnung (Czech/Güssow 2006; Hellmann/ Rieben 2003) stellt dabei einen vielversprechenden Ansatz dar, diese Besonderheiten zu berück4 Die Integrierte Patientenversorgung ist im Sozialgesetzbuch SGB V geregelt und wurde in verschiedenen Stufen in der Bundesrepublik Deutschland eingeführt. Für Integrierte Versorgungsverträge, die vertraglich festgelegte Kooperationen von Leistungserbringern verschiedener Sektoren und mindestens einer Krankenkasse darstellen (§§ 140 a-d), wurde als Anreiz zum Eingehen derselben eine 1%-Anschubfinanzierung gewährt, die 2008 ausgelaufen ist. Vgl. Blum/Offermanns (2009, S. 59). Bestehende IV-Verträge dauern jedoch über diesen Zeitpunkt hinaus an. Grundsätzlich können Integrierte Versorgungsstrukturen Kooperationen von Leistungsanbietern eines Sektors (horizontale Integration) oder verschiedener Sektoren (vertikale Integration) umfassen (Güssow 2007, S. 34). 5 Im Krankenhausbereich handelt es sich hierbei um die Abrechnung über DRGs. Vgl. zum deutschen DRG-Abrechnungssystem z. B. Thiex-Kreye/v. Collas (2005, S. 146 ff.). Auch im Rehabilitationsbereich wird eine analoge Vergütung mittels Fallpauschalen diskutiert (Güssow 2007, S. 27). Im ambulanten Bereich wurde durch die Einführung des EBM 2000 plus ebenfalls eine pauschale Abrechnung eingeführt. Vgl. o.V. (2008, S. 8 ff.). 6 Dies gilt vor allem im Krankenhausbereich. Doch auch im ambulanten Bereich sowie der Rehabilitation kann eine Kooperation Vorteile generieren, in dem z. B. voroperationelle Leistungen vom stationären Sektor in den ambulanten Sektor verlagert werden und so zu einer Konzentration bzw. Ausweitung des Leistungsangebots führen oder Nachsorgeleistungen in den Rehabilitationsbereich ausgelagert werden. 7 Das in diesem Beitrag skizzierte Pfadkostenmodell wurde dabei im Rahmen des Forschungsprojekts „Controlling einer Integrierten Patientenversorgung“ entwickelt, welches durch die Stiftung Rheinland-Pfalz für Innovation gefördert wird. Es wird zusammenfassend in Abb. 2 dargestellt.

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sichtigen und gleichzeitig eine ganzheitliche, prozessbezogene Perspektive zu integrieren. Dazu ist die Identifikation und Dokumentation von Behandlungspfaden (Thiemann 1996; Hellmann 2002; Eckardt/Sens 2006; Sahlfeld/Hehner/Wichels 2008) eine wichtige Voraussetzung. Der nächste Abschnitt gibt aus diesem Grunde Ziel und Sichtweise des Behandlungspfadkonzepts wieder.

Definition und Ziel von Behandlungspfaden In Literatur und Praxis finden sich eine ganze Reihe unterschiedlicher Sichtweisen und Definitionen zum Begriff des Behandlungspfades (Eckardt 2006, S. 25; Czap 2010, S. 3; Czech/Güssow 2006, S. 174; Salfeld/Hehner/Wichels 2008, S. 48; Becker/Eckardt 2006, S. 45; Hellmann/Rieben 2003, S. 28 f.; Thiex-Kreye/v. Collas 2005, S. 145). Allgemein versteht man unter einem Behandlungspfad den (standardisierten) Ablauf einer Behandlung und der dazu erforderlichen medizinischen und therapeutischen Leistungen für eine bestimmte Diagnose (Czap 2010, S. 3). Bei der Erstellung solcher Behandlungspfade werden nicht nur ökonomische, sondern auch organisatorische und vor allem medizinische Aspekte berücksichtigt, so dass die Einhaltung verschiedener Qualitätskriterien, wie z. B. Vorgaben für die Durchführung von Leistungen nach geltenden wissenschaftlichen Standards, durch die Einführung der Behandlungspfade sichergestellt werden kann (Greiling/Mormann/Westerfeld 2003, S. 22 ff.). Der häufig vorzufindende Zusatz «integriert» verweist dabei darauf, dass sich ein Behandlungspfad über Abteilungs-, Einrichtungs- und sogar Sektorengrenzen erstrecken kann und somit die Verknüpfung vormals getrennter Bereiche im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung von Behandlungen angesprochen ist. Oft impliziert der Zusatz «integriert» auch das Zusammenführen unterschiedlicher Methoden in einem Konzept sowie die organisatorische Verbindung von Behandlungsabläufen im Sinne eines integrierten Managements (Eckardt 2006, S. 26 f.). Zur besseren Unterscheidung wird in der Folge von Integrierten Behandlungspfaden gesprochen, wenn damit sektorenübergreifende Behandlungsabläufe im Sinne einer Integrierten Versorgung gemeint sind. Grundsätzlich kann ein Behandlungspfad aber auch auf eine Einrichtung beschränkt sein; ist dies der Fall, wird im Folgenden von institutionenbezogenen Behandlungspfaden gesprochen. Wesentlich bei allen Sichtweisen von Behandlungspfaden ist jedoch der Grundgedanke einer ganzheitlichen und ablauforientierten Planung, Organisation und Kontrolle von Behandlungsverläufen, die auf der Erfassung der für eine Behandlung notwendigen Leistungen aufbaut (Greiling 2008, S. 33).8

8 Die Dokumentation dieser Einzelleistungen für eine bestimmte Diagnose bildet den Behandlungspfad ab und hält damit alle Leistungen fest, die von der Aufnahme eines Patienten in der Einrichtung bis hin zur Entlassung anfallen. Bei Integrierten Behandlungspfaden wird entsprechend der vollständige Behandlungsprozess über alle Sektoren und Leistungserbringer hinweg erfasst.

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Abb. 1: Sichten eines institutionenbezogenen Behandlungspfades für den Rehabilitationsbereich Quelle: Eigene Darstellung

Ziel von Behandlungspfaden ist es dabei, zum einen relevante Leistungen und ihre Kosten für einzelne Diagnosen bestimmen zu können, um damit zum zweiten eine Bewertung und Vergleichbarkeit von Behandlungen und ihrer Leistungen unter unterschiedlichen Gesichtspunkten (z. B. hinsichtlich der Verweildauer) zu ermöglichen (Salfeld/Hehner/Wichels 2008, S. 47 ff; Roeder et. al. 2003, S. 23). Damit steht bei der Entwicklung von Behandlungspfaden als Grundgedanke die Steuerung und Optimierung von Behandlungsabläufen in ökonomischer und qualitativer Hinsicht im Mittelpunkt (Becker/Eckard 2006, S. 50 ff.; Eckardt 2006, S. 12; Czech/Güssow 2006, S. 174).10 In dieser Hinsicht können Behandlungspfade als inhaltliche Voraussetzung für die Entwicklung geeigneter Kostenrechnungs- bzw. Controllingmodelle betrachtet werden. Insofern verknüpft der Behandlungspfadansatz verschiedene Sichten miteinander: eine ablauforientierte Sicht, die den Behandlungsprozess zu einer bestimmten Diagnose über Abteilungs- oder Sektorengrenzen hinweg beschreibt, eine Leistungssicht, die die relevanten Leistungen oder Tätigkeiten, die im Rahmen dieses Prozesses anfallen, zuordnet und eine Kostensicht, da als Ziel die Steuerung, Planung und Optimierung von Behandlungsverläufen angesprochen ist (Czech/ Güssow 2006, S. 179; Güssow 2007, S. 316). Die Pfadkosten eines Behandlungspfades ergeben sich folglich aus der Aufsummierung der Pfadkosten der zugehörigen Leistungen.

Besonderheiten der medizinischen Leistungserstellung und die Notwendigkeit ihrer Berücksichtigung in einem Pfadkostenmodell Um diese Zielsetzungen gewährleisten zu können, erscheint es wichtig, auf die Besonderheiten der medizinischen Leistungserstellung einzugehen. Medizinische Leistungen sind durch eine hohe 10 Im hier dargestellten Ansatz steht die Kostensicht im Vordergrund. Aus diesem Grunde sind für die Kostenbetrachtung eines Behandlungspfades über medizinische (ärztliche und pflegerische) und therapeutische Leistungen hinaus auch administrative und weitere aufenthaltsbezogene Leistungen (z. B. Leistungen der Hotellerie) relevant und müssen für die Berechnung der Kosten eines Behandlungspfades mitberücksichtigt werden.

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Variabilität gekennzeichnet (Czap 2010, S. 3 f.). Grund hierfür ist eine Vielfalt an Faktoren, die den medizinischen Leistungserstellungsprozess beeinflussen können. So spielt für die Erbringung von Gesundheitsleistungen zum Beispiel der Schweregrad einer Erkrankung, das Vorliegen von Multimorbidität oder das Auftreten von Komplikationen eine wesentliche Rolle. Diese Faktoren haben zum einen Konsequenzen für die Auswahl der Leistungen, die im Rahmen einer Behandlung erbracht werden müssen, zum anderen für den Aufwand oder die Intensität der Leistungserbringung selbst, die von Fall zu Fall variieren können. Eine Vergleichbarkeit von Fällen ist im medizinischen Leistungserbringungsprozess im Unterschied zum industriellen Fertigungsprozess folglich nur eingeschränkt gegeben (Czap 2010, S. 4). Ebenso ist die Heilung des Patienten, die als Ziel der Behandlung gesehen werden kann und insofern vergleichbar ist mit dem Endprodukt im Fertigungsprozess, abhängig von z. B. der subjektiven Einschätzung des Patienten und damit keine objektive Größe (Breyer/Zweifel/Kifmann 2005, S. 355 ff.). Will man Behandlungspfade als Basis nutzen, um die Kosten einer Behandlung adäquat abzubilden, so hat dies gleichfalls Auswirkungen für ein mögliches Kostenrechnungsmodell: Bilden in Industrieunternehmen die Endprodukte oder Dienstleistungen geeignete Kostenträger, finden sich im Gesundheitswesen eine ganze Reihe unterschiedlicher Kostenträgerdefinitionen. Meist dient der Patient bzw. „Fall“ als Kostenträger (Güssow 2007, S. 332; Zapp 2005, S. 36). Dies ist jedoch deshalb problematisch, da Kostenträger ein gewisses Maß an Homogenität aufweisen müssen, um das Ziel der Vergleichbarkeit zu gewährleisten (Czap 2010, S. 4). Genau diese Vergleichbarkeit ist aufgrund der Einzigartigkeit der Fälle und der dargestellten Variabilität von Leistungen nicht gegeben.11 Um eine Vergleichbarkeit zwischen Kostenträgern herstellen zu können und damit eine Entscheidungsgrundlage für die Beurteilung der Effizienz oder Kosten-Erlösstruktur zu erhalten, ist es folglich sinnvoll, Kostenträger zu definieren, die möglichst homogen und standardisierbar sind (Czap 2010, S. 4). Häufig findet sich auch die Verwendung von Patientenpfaden als Kostenträger (Hellmann/Rieben 2003, S. 29).12 Patientenpfade werden dabei als Abbildungen von Behandlungsabläufen und ihren Leistungen anhand von definierten Behandlungsvorgaben und -standards betrachtet und integrieren damit Richtlinien medizinischen, pflegerischen und therapeutischen Handelns (Hellmann/ Rieben 2003, S. 28 f.; Thiex-Kreye/v. Collas 2005, S. 145). Ist diese Kostenträgerdefinition für eine Plankostenrechnung gut geeignet, da hier in der Regel fest vorgegebene (geplante) Behandlungsstandards (Standardbehandlungszeiten, Standardverbrauchsmaterialien etc.) für die Kostenbestimmung verwendet werden, kann sie die Ist-Kosten jedoch nur bedingt widerspiegeln. Entsprechend steht bei diesem Ansatz die Betrachtung von Patientenpfaden als optimaler Behandlungsform im Sinne von standardisierten Patientenpfaden im medizinischen wie im kostenrechnerischen Sinne im Fokus. Damit ist es möglich, Behandlungsabläufe mit dem Standard der Pa-

11 Zapp verwendet aus diesem Grunde diagnosegleiche Patientengruppen auf Basis von Leistungen mit übereinstimmenden Ressourcenverbräuchen (Zapp 2005, S. 36 ff.). Die Leistungen, die dabei nicht direkt am Patienten verrichtet werden, sind eher standardisierbar und vergleichbar zu denen in der Industrie. Beispielsweise können Verwaltungsleistungen nach demselben Schema auf die Endkostenstellen und letztendlich auf die Kostenträger weiterverrechnet werden, wie es auch in anderen Branchen üblich ist. 12 Vgl. hier insbesondere das Modell integrierter Patientenpfade „mipp“ des Schweizer Kantonspitals Aarau, welches eine Pfadkostenrechnung als Kostenträgerrechnung entwickelt. Dabei werden pro Patientengruppe und Patientenpfad Standards für Behandlungszeiten, Pflegezeiten, Verordnungen und Verbrauchsmaterialien zugrunde gelegt (Hellmann/Rieben 2003, S. 29).

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tientenpfade abzugleichen und somit eine optimale Versorgung zu gewährleisten.13 Nicht möglich ist damit jedoch, Kostenunterschiede der einzelnen Leistungen durch zum Beispiel Gehaltsunterschiede oder Unterschiede in den Produktivzeiten zu berücksichtigen. Auch Soll-Ist-Analysen im Sinne von Abweichungsanalysen vom Pfad können nicht durchgeführt werden. Legt man die Unterschiedlichkeit von Fällen zugrunde und hat man als Ziel das Prinzip der verursachungsgerechten Kostenverteilung sowie einer Planung und Steuerung von Behandlungsabläufen im Auge, erscheint es aber gerade sinnvoll, Kostenunterschiede differenziert zu erfassen, da z. B. eine Behandlungsminute eines Chef- oder Oberarztes weitaus höhere Kosten für ein Krankenhaus verursacht, als die Behandlungsminute eines Assistenzarztes. Darüber hinaus ist die genaue Erfassung von Behandlungszeiten von zugrunde liegenden Leistungen als Basis für die Bestimmung von Personalkostenminuten relevant. Vor dem Hintergrund hoher Personalbelastungen im Gesundheitswesen (Zapp 2005, S. 13; Czech/Güssow 2006, S. 175) ist die Identifikation und Analyse von Restkapazitäten, beispielsweise für einzelne Personalgruppen, Kostenstellen oder das gesamte Haus, ein zentraler Ansatzpunkt zur Optimierung von Behandlungsabläufen. Zudem ist es wichtig, die Auslastung des Personals zu verfolgen, damit es nicht zu Motivationslücken durch Unter- oder Fehlern durch Überbelastung kommt. All diese Faktoren spielen für die Unterstützung von Führungs- und Planungsaufgaben in Einrichtungen des Gesundheitswesen eine große Rolle, so dass es sinnvoll ist, eine möglichst differenzierte Kostenerfassung und Zurechnung auf geeignete Kostenträger durchzuführen. Entsprechend setzt das entwickelte und weiterführend zu zeigende Pfadkostenmodell – wie die bereits erwähnten anderen Modelle der Pfadkostenrechnung auch – auf der klassischen Prozesskostenrechnung auf und erweitert diese um die Idee der Behandlungspfade.14 Grundgedanke der klassischen Prozesskostenrechnung ist die Strukturierung des Leistungserstellungsprozesses in Haupt- und Teilprozesse sowie die Zuordnung dazugehöriger Leistungen. Prozesse werden dabei nur soweit zerteilt, bis die Leistungen innerhalb einer Kostenstelle erbracht werden (Güssow 2007, S. 314 ff.). Ziel dabei ist es, kostenstellenübergreifende Zusammenhänge kostenrechnerisch abzubilden (Horváth 2006, S. 525 ff.). Im Hinblick auf das oben genannte Ziel einer möglichst verursachungsgerechten Kostenverteilung reicht diese Aufgliederung jedoch nicht aus, da die Leistungen auf dieser Ebene nicht standardisierbar sind. Die Folge ist, dass Kostenschwankungen und -abweichungen in der Leistungserbringung nicht ausreichend berücksichtigt werden können.15 Der hier verfolgte Ansatz unterscheidet aus diesem Grunde zwischen Leistungskategorien und

13 Die verwendeten Kostensätze pro Minute stellen aus diesem Grunde Abteilungs- oder Funktionsdurchschnittswerte dar. 14 Das entwickelte Pfadkostenkonzept zur Kosten- und Leistungsrechnung baut dabei auf eine herkömmliche Kostenarten- und Kostenstellenrechnung auf. Die Kostenarten sind für mittlere bis große Krankenhausbetriebe zumindest in ihrer Grobstruktur gesetzlich in der Anlage 4 des Krankenhausbuchführungsgesetzes (KHBV) vorgeschrieben (Bundesministerium der Justiz 2009). Ein Kostenstellenrahmen ist ebenfalls gesetzlich vorgegeben, auf dessen Basis jedoch (falls notwendig oder erwünscht) ebenfalls eine feinere Strukturierung vorgenommen werden kann. Zu den Grundlagen der Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung im Gesundheitswesen, speziell für den Bereich der Krankenhäuser, vgl. etwa Kehres (1998, S. 67 ff.). Zu den Grundlagen der Prozesskostenrechnung für Krankenhäuser vgl. Greulich (1997, S. 115 ff.). 15 Eine Möglichkeit, Kostenschwankungen aufzugreifen und kostenrechnerisch zu behandeln, bietet das „mipp“Modell. Die innerhalb des „mipp“-Modells erarbeiteten Behandlungspfade beinhalten standardisierte Leistungskategorien, denen verschiedene Leistungsarten zugeordnet werden. Dementsprechend wird innerhalb dieses Modells zwischen verschiedenen Leistungsausprägungen (z. B. die Unterteilung von Leistungen nach ihrer Dauer) unterschieden (Hellmann/Rieben 2003, S. 35 ff.).

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Leistungen, differenziert aber darüber hinausgehend dazugehörige Leistungsarten. Der Grundgedanke ist dabei, Prozesse nicht nur bis auf Kostenstellenebene zu zerteilen, sondern so fein zu gliedern, dass die entstandenen Leistungen und Leistungsarten im kostenrechnerischen Sinne standardisierbar und repetitiv sind. Ähnlich dem „mipp“-Modell wird die Idee der vielseitigen Verwendbarkeit einzelner Leistungen für mehrere Behandlungspfade verfolgt, jedoch unter der Annahme, dass ein Kostenträger standardisierbar und vergleichbar sein muss, um Aussagewerte hinsichtlich der Planung und Steuerung von Leistungen und ihrer Kosten erreichen zu können. Damit bilden im entwickelten Pfadkostenmodell die einzelnen Leistungen bzw. Leistungsarten sowie geeignete Leistungspauschalen, die dem Kriterium der Vergleichbarkeit unterliegen, die Kostenträger mit der damit verbundenen Möglichkeit, die Kosten verursachungsgerecht zu verrechnen. Die Pfadkosten eines Behandlungspfades ergeben sich dann als Summe der Kostenträgerkosten. Im Unterschied zu anderen Modellen der Pfadkostenrechnung ist folglich nicht der Behandlungs- oder Patientenpfad Kostenträger, sondern die Einzelleistung. Der Behandlungspfad ist lediglich Zurechnungsobjekt der Kostenbetrachtung. Folgendes Schaubild stellt diese Zusammenhänge bildlich dar:

Abb. 2: Pfadkostenmodell im Überblick16 Quelle: Eigene Darstellung

16 Zur Bestimmung der Personalkosten wird dabei zwischen direkter Produktivzeit sowie sonstiger Produktivzeit unterschieden. Die direkte Produktivzeit stellt dabei die Zeit dar, die einer Leistung direkt zugeordnet werden kann. Die sonstige Produktivzeit wird wie üblich über die Kostenstellengemeinkosten zugerechnet. Bei Bereichen, bei denen eine solche differenzierte Erfassung der Produktivzeiten zu aufwendig wäre (z. B. Pflegeleistungen), können auch geeignete Pauschalen angesetzt und über die Kostenstellen verrechnet werden.

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Vorgehensweise zur Ermittlung der Pfadkosten und Kostenträgerbestimmung Um das Ziel der Vergleichbarkeit und verursachungsgerechten Kostenermittlung herstellen zu können, wird im hier vorgeschlagenen Ansatz nach einer Pfadanalyse (Becker 2006, S. 67 f.), in der die Leistungen, die im Rahmen eines Behandlungspfades anfallen können, dokumentiert werden, eine Standardisierung von Leistungen durchgeführt. Standardisierung meint dabei das Finden solcher Leistungen, die im kostenrechnerischen Sinne homogen sind und als Kostenträger verwendet werden können. Aufgrund der Variabilität im Einzelfall kann es notwendig sein, zur Herstellung der Kostenhomogenität eine Ausdifferenzierung von Leistungen in Leistungsarten vorzunehmen. Leistungsarten bilden dabei die kleinste sinnvolle Einheit und stellen eine Leistungsausprägung dar.17 So ist zum Beispiel bei der Leistung „Röntgen durchführen“ weiter dahingehend zu differenzieren, in welchem Zustand sich der Patient befindet, da dies die Kosten der Leistung beeinflusst.18 Entsprechend können z. B. bei der Leistung „Röntgen durchführen“ die Leistungsarten „normal“, „mittel“, „schwer“ unterschieden werden, in die dann im konkreten Fall ein Patient eingeordnet werden kann. Damit bezieht sich die Leistungsstandardisierung auf das Finden solcher Leistungseinheiten, die hinsichtlich der zugrunde liegenden Kostenstruktur homogen sind, nicht aber auf die Standardisierung der medizinischen Leistungsinhalte. Um die Vielzahl von Leistungen und Leistungsarten strukturiert abzubilden, ist es sinnvoll, des Weiteren Leistungskategorien zusammenzufassen. Leistungskategorien bilden somit eine höhere Aggregationsstufe und bündeln Leistungen in einer gemeinsamen Bezugsgruppe. In Tabellenstruktur stellt sich ein Ausschnitt für einen Behandlungspfad beispielsweise folgendermaßen dar: Strukturierungsebene

Kostenrechnungsebene

Zuordnung zu Prozess

Leistung

Leistungskategorie

Leistungsart

Eingangsuntersuchung durchführen Eingangsuntersuchung

Diktieren Aufnahmebefund

Schreiben Korrigieren

Röntgen vorbereiten Anamnese und Diagnostik

Normal Röntgen durchführen Röntgen Knie (einseitig)

Mittel Schwer Diktieren

Röntgenbefund

Schreiben Verteilen

Tab. 1: Beispielhafter Auszug für einen Behandlungspfad in Tabellenstruktur Quelle: Eigene Darstellung

17 Allerdings muss nicht jede Leistung weiter in Leistungsarten ausdifferenziert sein. Ist die Leistung im kostenrechnerischen Sinne homogen, so wird nicht weiter ausdifferenziert. 18 Zum Beispiel beansprucht ein Patient, der sich nicht alleine an- und ausziehen kann, eine längere Leistungsdauer und damit höhere Kosten.

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Aus dem Feld „Zuordnung zu Prozess“ ergibt sich zusätzlich, zu welchem Teilprozess die Leistungen, Leistungsarten bzw. Leistungskategorien gehören.19 Zur Ermittlung der Kosten bildet ein Mengengerüst der Leistungen/Leistungsarten die Grundlage. Wie für Gesundheitsleistungen üblich fallen insbesondere Personal- und Materialaufwand an. Nachfolgende Tabelle gibt einen Ausschnitt eines Mengengerüsts zur Bestimmung der Personalkosten20 einer Leistung wieder: Leistung/Leistungsart

Dauer/Zeit in Minuten

Person/Einheit

Anzahl Personen

Häufigkeit

Labor vorbereiten

10

Pflege

1

1

Labor durchführen

5

MTA

1

1

Labor nachbereiten

5

MTA

1

1

Eingangsuntersuchung durchführen

60

Chefarzt

1

1 1

Aufnahmebefund diktieren

20

Chefarzt

1

Aufnahmebefund schreiben

20

Schreibbüro

1

2

Aufnahmebefund korrigieren

20

Chefarzt

1

1

Tab. 2: Mengengerüst zur Bestimmung der Personalkosten Quelle: Eigene Darstellung

Über die Bestimmung der Personalminuten, die für die Leistungserbringung erforderlich sind, der Person bzw. dazugehörigen Gehaltsstufe, der Personenanzahl und der Häufigkeit, mit der die Leistung durchgeführt werden muss, lassen sich die Personalkosten der Leistung (als Istwerte und als Planwerte) zuordnen. Da für die Planung und Steuerung von Behandlungen und Leistungen eine patienten- bzw. fallunabhängige Beurteilung von Leistungen erforderlich ist, ist es weitergehend wichtig, sogenannte Standard- oder Normpfade zu definieren, die den Behandlungsverlauf widerspiegeln, den ein durchschnittlicher Patient ohne Komplikationen üblicherweise durchläuft.21 Der Normpfad enthält damit die bei einem durchschnittlichen Patienten typischen abgegebenen Leistungen bei einer bestimmten Diagnose und stellt ein patientenunabhängiges Behandlungspfadschema dar. Durch diese Festlegung ist es möglich, Behandlungskosten planen zu können und Abweichungen vom Normpfad durch Gegenüberstellung konkreter Istwerte bei einem bestimmten Fall frühzeitig erkennen zu können und einer Analyse zugänglich zu machen. Damit findet im hier gewählten Ansatz eine zweistufige Standardisierung statt: zum einen auf Leistungsebene durch Identifikation von im kostenrechnerischen Sinne homogenen Leistungseinheiten und zum anderen auf Pfadebene im Sinne der Ableitung von Normpfaden. Durch diese Vorgehensweise ist es möglich, fallbezogene Pfadkosten, die die tatsächlichen Kosten (Ist-Kosten) einer bestimmten Patientenbehandlung widerspiegeln und Plankosten, die die durchschnittlichen, geschätzten Kosten eines Normpfades auf Basis von Leistungsstandards darstellen, miteinander zu vergleichen. 19 Ebenso wäre eine Auswertung nach Kostenstellen möglich. 20 Die Personalkosten bilden dabei in der Regel den größten Kostenblock. Aus diesem Grunde wird hier lediglich auf die Personalkosten eingegangen. 21 Dies entspricht der üblichen Vorgehensweise zur Pfadstandardisierung wie sie z. B. bei Hellmann/Rieben (2003, S. 33 ff.) zu finden ist. Entsprechend ist eine Festlegung von Kriterien erforderlich, die zum Ein- oder Ausschluss von Patienten im Sinne eines Normpfades führen.

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Pfadkostenrechnung im Gesundheitswesen

Die folgende Abbildung stellt die Vorgehensweise zusammenfassend dar:

Abb. 3: Vorgehensweise bei der Entwicklung des Pfadkostenmodells auf Basis von Behandlungspfaden Quelle: Eigene Darstellung

Zur Bestimmung der Pfadkosten ist die Unterstützung durch EDV-Systeme aufgrund der großen Datenmenge unumgänglich. Die bereits am Markt verfügbaren Fallkostenrechnungssysteme für Krankenhäuser – beispielsweise von Siemens und SAP (o. V. 2006, S. 5 ff.) – sind auf Basis des Handbuchs zur Kalkulation von Fallkosten (DKG/GKV/PKV 2007) entwickelt worden. Dieses Kalkulationsverfahren wurde jedoch nicht in erster Linie auf die Bedürfnisse einzelner Krankenhäuser, sondern auf die Weiterentwicklung des deutschen DRG-Vergütungssystems ausgerichtet. Kritikpunkte sind neben der Komplikation der Kostenrechnung durch die geforderte Kosteneinteilung in DRG-relevante und nicht DRG-relevante Kostenbestandteile, die pauschale Personalkostenverrechnung und vor allem die vergangenheitsorientierte Ausrichtung, die eine strategische Kostenplanung und Krankenhausführung nicht unterstützt. Darüber hinaus ist dieses System ein reines Kostenrechnungstool und daher können keine (Integrierten) Behandlungspfade hinterlegt und gegebenenfalls Abweichungen von diesen ausgewertet werden. Mit Hilfe anderer IT-Lösungen, wie beispielsweise ARIS Healthcare Solution der Firma IDS-Scheer AG (Hilt 2010, S. 11 f.), können die konkreten Behandlungsabläufe und die (Integrierten) Behandlungspfade besser abgebildet und auch miteinander verglichen werden. Durch „Customizing“ kann die Software zu einem geeigneten Tool für eine Kosten- und Leistungsrechnung im Gesundheitswesen weiterentwickelt werden.22

2 Im Rahmen des Forschungsprojektes „Controlling einer Integrierten Patientenversorgung“ an der Universität Trier 2 wird gegenwärtig zusammen mit Gesundheitsdienstleistern der Region an der Entwicklung eines Controllingtools gearbeitet, welches genau auf die Bedürfnisse der einzelnen Leistungsanbieter zugeschnitten ist. Bedingt durch die Heterogenität der eingesetzten Softwaretools in den unterschiedlichen Gesundheitseinrichtungen wird das Softwaretool als „stand alone“ Lösung entwickelt.

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Zusammenfassender Nutzen einer Pfadkostenrechnung für Behandlungspfade Durch diese Form der Kostenzurechnung werden grundlegende Informationen für die Führung von Gesundheitseinrichtungen geliefert. Die auf Leistungsebene erfassten Kosten können auf verschiedenen Aggregationsebenen (Leistungsebene, Fallebene, Kostenstellenebene, Pfadebene oder Hausebene) ausgewertet werden. Damit ist die Grundlage für die Planung und Steuerung, sprich ein Controlling, von Leistungen und ihrer Kosten inklusive Personalkapazitäten gegeben. Durch die Möglichkeit, Abweichungen vom Normpfad identifizieren zu können, ist eine differenzierte Analyse der Gründe und das Anstoßen weiterer (auch qualitätsbezogener) Maßnahmen möglich. Darüber hinaus können die Kosten einzelner Leistungen, Fälle oder Behandlungen als Ist-, Plan- oder Sollkosten differenziert betrachtet und einander gegenübergestellt werden. Die Kenntnis der Kosten von Behandlungspfaden und ihrer Leistungen kann gleichzeitig als Voraussetzung zur Fundierung von Kooperations- und „make or buy“- Entscheidungen (langfristiges Leistungsangebot, Spezialisierungen/Schwerpunktsetzung) betrachtet werden, da hierdurch Preise für Leistungen bestimmt werden können und somit eine Grundlage für die Bestimmung von Transferzahlungen zwischen Kooperationspartnern gelegt wird. Für die einzelnen Einrichtungen bedeutet dies, dass damit nicht nur ein erheblicher Gewinn an Kostentransparenz einhergeht, sondern gleichzeitig auch aus strategischer Sicht Fragen der Konzentration auf Kernkompetenzen und der langfristigen Ausbildung von qualitativ hochwertigen und gewinnbringenden Behandlungsschwerpunkten objektiv beantwortet werden können. Gleichfalls können die Ergebnisse der Kostenanalyse für Deckungsbeitragsanalysen sowie Kapazitätsauslastungsanalysen herangezogen werden.

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Benefits of an Activity-based Costing for Clinical Pathways in the health care sector Activity-based Costing for Clinical Pathways; Clinical Pathways; Controlling of health care institutions Health Care Institutions are increasingly challenged to fulfill economical aims besides qualityorientated aims. For this reason there is a need for economical instruments which are able to support those aims. Clinical Pathways seem to be a good concept to document, analyse and compare relevant processes and activities in the health care sector. For this reason it is necessary to define and allocate the costs fairly. This paper demonstrates an activity-based costing model for clinical pathways, which is able to provide the costs and the activities of clinical pathways on several aggregation levels. Therefore it can be of high use for the controlling of health care institutions.

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Spenderbindung – Behavioristische Einflussgrößen und Implikationen für Nonprofit-Organisationen Faktoren der Aufrechterhaltung der finanziellen Unterstützung; Konstrukte; Nonprofit-Organisationen; Spenderloyalität; Strukturgleichungsmodell; verhaltenswissenschaftliche Determinanten Aufgrund verschiedener Entwicklungen auf dem Spendenmarkt steigt die Notwendigkeit an theoretisch fundierten und empirisch belegten Ausführungen über das Spenderverhalten. Dieser Beitrag betrachtet die Spenderbindung aus Spendersicht. Es wird eine begriffliche und definitorische Konkretisierung behavioristischer Antezedenz-Variablen vorgenommen und ihre Beziehungen untereinander in Zusammenhang gestellt. Bei den Determinanten handelt es sich um Commitment, Vertrauen, Zufriedenheit und Involvement. Die empirische Analyse zeigt, dass alle Determinanten einen Einfluss auf die Spenderbindung haben, wenn auch z. T. nur indirekt.

I. Einführung 1. Problemhintergrund – Entwicklungen auf dem Spendenmarkt Seit Mitte der neunziger Jahre stagniert das Spendenaufkommen in Deutschland (TNS Infratest 2009, S. 10). Ausnahmen dieses Trends bilden lediglich Jahre mit großen Katastrophen, wie z. B. der Tsunami 2005 und das Erdbeben in Haiti 2010. Einem gleichbleibenden Spendenaufkommen steht eine wachsende Zahl von Nonprofit-Organisationen (im Folgenden: NPOs) gegenüber, die um Gelder werben. Zusätzlich zu Neugründungen drängen ausländische NPOs auf den deutschen Spendenmarkt, wie z. B. Oxfam. Der Wettbewerbsdruck ist zudem größer geworden, weil sich der Dritte Sektor zunehmend professionalisiert (Helmig/Purtschert/Beccarelli 2006, S. 353). Die Konkurrenz der NPOs zeigt sich durch eine neue Aggressivität bei der Spenderakquisition: So gab es im November 2006 mehr als 15 NPOs in Deutschland, die jeweils über eine Million Mailings verschickten (Hermes 2007, S. 101). Es herrscht damit ein Verdrängungswettbewerb im Bereich des Spendensammelns, der zu sinkenden Spendeneinnahmen pro Organisation bzw. gestiegenen Kosten für die Neuspendergewinnung führt. Zudem lässt sich ein Wandel im Verhältnis von Staat und Bürgern hinsichtlich gesellschaftlicher und individueller Verantwortung in Deutschland feststellen. In den letzten Jahren äußerte sich dies in einem Rückgang staatlicher Unterstützungen, Kürzungen öffentlich finanzierter Sozialleistungen und einer gleichzeitigen Auslagerung an NPOs (Burgy 2008, S. 9). Eine größere Nachfrage für die Leistungen der NPOs sowie die Notwendigkeit der finanziellen Unabhängigkeit vom Staat erhöht damit die Bedeutung von Privatspenden.

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In Anbetracht dieser Entwicklungen lässt sich festhalten, dass der Druck auf die NPOs zunimmt. Für viele NPOs ist es erforderlich, umzudenken und nach Differenzierungspotenzialen im Wettbewerb sowie neuen Ausschöpfungspotenzialen des Spendenmarktes zu suchen. Unter den heutigen Bedingungen können NPOs ihre Spendeneinnahmen nicht mehr allein dadurch steigern, dass sie neue Spender werben; vielmehr gewinnen ein dauerhafter Spenderstamm und seine Bindung an Bedeutung (Urselmann 2007, S. 34).

2. Relevanz einer Untersuchung der Spenderbindung aus Spendersicht Die Gründe, warum Spender ihre Unterstützung aufrechterhalten, haben für NPOs eine zentrale Bedeutung. Die Beantwortung der Frage nach den Einflussgrößen der Spenderbindung ist für die Erarbeitung effizienter und effektiver Strategien zur Förderung der Spenderbindung erforderlich. Diese Kenntnis und ihre Anwendung in spezifischen Maßnahmen der Spenderbindung scheinen aber bislang nicht vorzuliegen, denn die Bindung der Spender ist für viele NPOs schwierig: Bis zu 50 % der Erstspender einer NPO unterstützen die Organisation nicht erneut; bei Mehrfachspendern sind Verlustraten von bis zu 30 % jährlich nicht unüblich. Damit verliert eine NPO im Laufe von nur fünf Jahren 90 % der im Jahr Null akquirierten Spender (Sargeant 2008, S. 3). Aufgrund dieses Praxisproblems steigt die Notwendigkeit an theoretisch und empirisch fundierten Erkenntnissen über das Spenderverhalten und die Spenderbindung (Voss 2007, S. 287). Die Forschungslücke besteht in der mangelnden Kenntnis über das Spenderverhalten und die entsprechenden Einflussgrößen. Durch die Analyse der verhaltenswissenschaftlichen Determinanten der Spenderbindung trägt diese Untersuchung dazu bei, diese Schwäche zu überwinden. Betrachtet man die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Spenderbindung, so lässt sich feststellen, dass nur wenige empirische Untersuchungen existieren, die mit Spenderbindung explizit den hier beschriebenen Forschungsgegenstand behandeln (Sargeant 2008, S. 3). Untersuchungen fokussieren sich eher auf Mitglied- oder Patenschaften (Kristoffersen/Singh 2004; Bhattacharya/Hayagreeva/Glynn 1995). Ansonsten stehen Motive der Spendergewinnung im Vordergrund, die sich aber deutlich von der Motivation, die finanzielle Unterstützung aufrechtzuerhalten, unterscheiden (Sargeant 2008, S. 2; Bussel/Forbes 2006, S. 154; Zimmer/Nährlich 1993, S. 352 f.). Spenderbindungsmaßnahmen lassen sich nur dann erfolgreich umsetzen, wenn sie die Anforderungen der Spender hinsichtlich der Beziehung erfüllen und die NPOs Kenntnisse darüber haben, welche Einflussgrößen die Spenderloyalität beeinflussen (Shabbir/Palihawadana/Thwaites 2007, S. 289). Somit ist es notwendig, die Sicht der Spender einzunehmen. Diese einführenden Bemerkungen verdeutlichen die Relevanz einer umfassenden wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Bindung aus Spendersicht. Dieser Beitrag hilft, die Spender, ihre Erwartungen, ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten im Rahmen längerfristiger Beziehungen zur NPO besser zu verstehen. Dementsprechend ist es das Ziel des vorliegenden Beitrags, die Konsequenzen, aber insbesondere auch verhaltenswissenschaftliche Determinanten der Spenderbindung darzustellen und in einen theoretischen Bezugsrahmen einzubinden, d. h. ihre Interdependenzen zu analysieren, sowie eine empirische Validierung vorzunehmen. Hierzu werden zunächst der Begriff Spenderbindung und die verhaltenswissenschaftlichen Determinanten definiert und die Dimensionen der Konstrukte

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Spenderbindung: Einflussgrößen

bestimmt. Anschließend werden die Beziehungen und Zusammenhänge herausgearbeitet. Das dritte Kapitel beschreibt die empirische Untersuchung der zuvor theoretisch hergeleiteten Wirkungsbeziehungen, bevor abschließend eine Interpretation der Ergebnisse erfolgt und Empfehlungen für die Praxis gegeben werden.

II. Theoretische Analyse der Spenderbindung 1. Spenderbindung als Zielkonstrukt der Analyse a) Explikation des Begriffs Spenderbindung und inhaltliche Präzisierung Das Konstrukt Spenderbindung stellt die zu erklärende Zielgröße dar. Im kommerziellen Marketing versteht man unter dem verwandten Begriff Kundenbindung den Aufbau und die Aufrechterhaltung einer langfristigen Geschäftsbeziehung, die sich durch eine nicht zufällige Folge von Markttransaktionen zwischen Anbieter und Nachfrager auszeichnet (Krafft 2007, S. 29). Dies lässt sich auf die Spenderbindung übertragen: Spenderbindung liegt vor, wenn innerhalb eines definierten Zeitraums eine Einzelperson (= ein Spender) freiwillig wiederholt im Sinne der NPO gehandelt hat (ex post-Betrachtung) und beabsichtigt, dies in Zukunft fortzusetzen (ex ante-Betrachtung). Die in dieser Definition enthaltene Mehrdimensionalität ist allgemein anerkannt (Eggert/Helm/ Garnefeld 2007, S. 235). Da eine ausschließliche Fokussierung auf das bisherige Verhalten (ex post-Betrachtung) keine hinreichende Erklärung liefert, gilt es insbesondere auch die Einstellungen des Spenders als Voraussetzung der Loyalität abzufragen (Burgy 2008, S. 27). Während sich das bisherige Verhalten beobachten lässt, konzeptualisiert man Einstellungen über die Verhaltensabsichten (ex ante-Betrachtung) (Homburg/Kebbel 2001, S. 46). Die Absichten eröffnen Einsichten in die Beständigkeit der Beziehung. Deshalb operationalisiert dieser Beitrag die Bindung analog zu anderen empirischen Studien (z. B. Jaritz 2008; Neumann 2007; Sargeant/Woodliffe 2007) ausschließlich über das intentionale Verhalten.

b) Begründung der Auswahl der Determinanten der Spenderbindung Im Vordergrund der Analyse stehen beziehungsorientierte vorökonomische Einflussgrößen (Bruhn 1999, S. 194). Andere Determinanten des Spenderverhaltens (z. B. Lebensstil) bleiben unberücksichtigt, da sie eine Gegebenheit für NPOs darstellen und keine Implikationen auf den Instrumente-Einsatz erlauben. Diese Vorgehensweise erklärt sich durch die Unterscheidung von allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen und produktspezifischen Kriterien als Bestimmungsgrößen des Verhaltens. Persönlichkeitsmerkmale stellen Determinanten des Verhaltens dar, die die NPO nicht beeinflussen kann (Bennett/Ali-Choudhury 2009, S. 164 f.). Die produktspezifischen Kriterien stehen hingegen in direktem Zusammenhang zur NPO und lassen sich beeinflussen. Da in diesem Beitrag jedoch keine Produkte im Fokus stehen, sondern die NPO als Organi-

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sation, sollen diese abweichend als organisationsspezifische Kriterien bezeichnet werden; sie stehen im Fokus der weiteren Betrachtung. Behavioristische, organisationsspezifische Determinanten der Kundenbindung wurden im kommerziellen Bereich bereits stark erforscht. Mittlerweile haben sich zentrale Konstrukte herauskristallisiert: Commitment, Vertrauen und Zufriedenheit (Bruhn 2009, S. 69; Sargeant 2008, S. 3). Darüber hinaus bezieht diese Untersuchung das Involvement des Spenders ein. Bisher haben nur wenige Forscher (Jeker 2002, S. 22 ff.; Eggert 1999, S. 49 ff.) Involvement als zentralen Einflussfaktor im Bereich der Bindung untersucht; wie die Ausführungen in Abschnitt 5 zeigen, ist das Involvement aber ebenso maßgeblich für die Beziehung des Spenders zur NPO. Die in Kapitel I 2 beschriebene Forschungslücke zum Thema Spenderbindung bezieht sich insbesondere auch auf die vier im Folgenden dargestellten behavioristischen Determinanten. Bis auf einzelne Beiträge wurden diese bisher nur mangelhaft erforscht. Dies verdeutlicht Abb. 1, welche die in den jeweiligen Studien untersuchten Einflussgrößen durch ein „“ kennzeichnet. Commitment des Spenders

  

Spendervertrauen

   

Spenderzufriedenheit   

Spenderinvolvement

Burgy (2008) Sargeant (2008) Sargeant/Woodliffe (2007) Shabbir/Palihawadana/Thwaites (2007)

 



Swanson/Davis/Zhao (2007) Bennett (2006) ( ) Sargeant/Ford/West (2006) Bennett/Barkensjo (2005) MacMillan u. a. (2005) Tidwell (2005)

   

Sargeant/Lee (2004) Sargeant/Lee (2004a) A Arnett/German/Hunt tt/G /H t (2003) Peltier/Schibrowsky/Schultz (2002) Sargeant/Lee (2002) Sargeant/Lee (2002a)

    

  

 

 

   

 

Autoren Michalski/Helmig (2010)

   





Thomas/Cunningham/Williams (2002) Johnson/Garbarino (2001) Sargeant Sa gea ((2001) 00 ) Urselmann (1998) Schneider (1997)

Abb. 1: Forschungslücke Quelle: Eigene Darstellung

Es fällt auf, dass keine Studie sämtliche Determinanten abdeckt und damit ein umfassendes Bild vermittelt. Diese Lücke schließt der vorliegende Artikel.

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Spenderbindung: Einflussgrößen

2. Commitment des Spenders a) Explikation des Begriffs Commitment des Spenders In der Literatur wird Commitment als unmittelbarste Einflussgröße der Kundenbindung angesehen (Neumann 2007, S. 157; Saab 2007, S. 2). Commitment lässt sich als empfundene Verbundenheit mit bzw. innere Verpflichtung gegenüber der anderen Beziehungspartei ansehen, die sich in dem andauernden Wunsch und Willen äußert, die Beziehung aufrechtzuerhalten (von Stenglin 2008, S. 9). Dies kann so weit gehen, dass kurzfristig Nachteile und Opfer hingenommen werden (Gundlach/Achrol/Mentzer 1995, S. 78). Dementsprechend ist Commitment des Spenders wie folgt zu definieren: Commitment des Spenders ist seine psychisch bedingte Verbundenheit mit bzw. Verpflichtung gegenüber der von ihm unterstützten NPO, die sich in seiner Wertschätzung der Beziehung und seinem nachhaltigen Willen, sich für die Kontinuität der Beziehung mit der NPO anzustrengen, äußert. Auch wenn die inhaltliche Präzisierung des Begriffs Commitment stellenweise Unterschiede aufweist, hat sich in der Forschung des kommerziellen Kundenbindungsmanagement ein Ansatz durchgesetzt, bei dem sich drei Dimensionen des Commitment unterscheiden lassen (Gundlach/ Achrol/Mentzer 1995, S. 79): das normative, das kalkulative und das affektive Commitment. Normatives Commitment ist das Gefühl der Verpflichtung und Verantwortung (von Stenglin 2008, S. 14; Allen/Meyer 1990, S. 1). Dies kann durch eine persönliche Beziehung zu Mitarbeitern der Organisation entstehen, die durch den Abbruch der Beziehung geschädigt würden, oder durch eigene und gesellschaftliche Vorstellungen von Moral und Loyalität. Im Rahmen der SpenderNPO-Beziehung stellt das normative Commitment einen wichtigen Aspekt dar, denn dieser befürchtet, dass finanzielle Einbußen durch die Beendigung seiner Unterstützung eine negative Konsequenz zur Folge haben. Das Spendenmotiv besteht damit häufig in moralischen Gewissensbissen und Pflichterfüllung (Saab 2007, S. 51; Jeker 2002, S. 116). Kalkulatives Commitment stellt eine rationale und „gefühlskalte“ Einstellung des Spenders zur NPO dar. Zur Aufrechterhaltung der Beziehung muss für den Spender ein Nettoanreiz gegeben sein, der auf einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung basiert (Saab 2007, S. 71). Die Kosten spielen im Gegensatz zu einem kommerziellen Kunden eine untergeordnete Rolle. Der Spender hat keine ökonomischen Gründe, die Beziehung zur NPO einzugehen, da er nicht davon ausgehen kann, einen direkten materiellen Gegenwert für sich zu erzielen (Urselmann 1998, S. 11 f.). Obwohl der Spender keine äquivalente materielle Gegenleistung erhält, kann er aber einen persönlichen Nutzen ziehen, ohne den der Austausch nicht zustande käme (Burgy 2008, S. 62). Der Nutzen des Spenders (seine Gratifikation) entspricht hierbei der empfundenen Vorteilhaftigkeit der langfristigen finanziellen Unterstützung. Sie hat überwiegend einen immateriellen (psychologischen) Charakter, kann aber, wie im Fall der Steuerersparnis, auch materielle Aspekte aufweisen (Green/Webb 1997, S. 25). Affektives Commitment ist das Gefühl der inneren, psychologischen Verbundenheit, welches auf einer Sympathie des Spenders für die NPO basiert. Der Spender interessiert sich für die Entwicklung der Organisation und fühlt sich persönlich betroffen. Diese Wertschätzung mündet in einer

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Identifikation mit der NPO und ihren Leistungen. Der Spender empfindet Stolz für die Beziehung, tritt als Fürsprecher auf und ergreift Partei gegenüber Kritikern (Hofmeyr/Rice 2002, S. 8 f.). Insgesamt weisen Spender somit Commitment für die von ihnen unterstützte NPO auf, weil sie über ihr Spenden denken, sie sollten es tun (normatives Commitment), weil sie es bedürfen (kalkulatives Commitment) und/oder weil sie es wollen (affektives Commitment) (Allen/Meyer 1990, S. 3).

b) Commitment als Antezedenz der Spenderbindung Commitment stellt laut der Literatur die zentrale Einflussgröße der Spenderbindung dar, da es die Basis für die Bindung und damit die Bereitschaft schafft, die Austauschbeziehung fortzuführen (Neumann 2007, S. 160; Tidwell 2005, S. 453). Je stärker sich ein Spender mit einer NPO verbunden bzw. ihr gegenüber verpflichtet fühlt, umso höher ist die Spenderbindung (Bhattacharya/ Hayagreeva/Glynn 1995, S. 47). Das Commitment hat einen unmittelbaren Einfluss, woraus sich die erste Hypothese ergibt: H1: Das Commitment eines Spenders hat einen positiven Effekt auf die Spenderbindung.

3. Vertrauen des Spenders a) Explikation des Begriffs Vertrauen des Spenders Vertrauen ist eine unilaterale Erwartungs-Einstellung eines Vertrauensgebers, d. h. Vertrauenden (z. B. Spender), die auf einen Vertrauensnehmer, d. h. demjenigen, dem vertraut wird (z. B. anderes Individuum oder eine Organisation), gerichtet ist. Wenn jemand einem Vertrauensnehmer vertraut, dann bedeutet dies, dass er sich auf ihn verlässt und dessen Intentionen nicht kontrolliert (Ripperger 2003, S. 45). Vertrauen existiert nur, wenn der Vertrauensgeber wohlwollendes Verhalten und spezifische positive Eigenschaften des Vertrauensnehmers erwartet (Ranaweera/Prabhu 2003, S. 85). Vertrauen umfasst also nicht nur die Fähigkeit, ein Versprechen zu halten, sondern auch den Willen, freiwillig auf opportunistisches Verhalten zu verzichten (Ripperger 2003, S. 45). Hieraus ergeben sich Zutrauen und Verlass als Dimensionen. Zutrauen bezeichnet die Zuversicht einer Beziehungspartei hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der anderen Beziehungspartei, d. h. im vorliegenden Fall der NPO (Neumann 2007, S. 78). Das Zutrauen des Spenders basiert somit auf der von ihm wahrgenommenen Kompetenz der NPO (Sargeant 2008, S. 9). Verlass beschreibt die Erwartung des Vertrauensgebers hinsichtlich der Verlässlichkeit der anderen Beziehungspartei (Sirdeshmukh/Singh/Sabol 2002, S. 17). Der Spender verlässt sich auf die NPO, wenn er sie als glaubwürdig und wohlwollend wahrnimmt. Der Spender schließt also die Möglichkeit aus, dass die NPO sich opportunistisch verhält (Morgan/ Hunt 1994, S. 26). Aufbauend auf diesen zwei Dimensionen lässt sich Vertrauen wie folgt definieren:

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Spenderbindung: Einflussgrößen

Spendervertrauen ist eine auf Zutrauen und Verlass basierende Einstellung des Spenders gegenüber der von ihm unterstützten NPO, dass diese trotz seiner fehlenden Kontrolle seine zukunftsbezogenen Erwartungen erfüllt.

b) Vertrauen als Antezedenz der Spenderbindung Aufgrund der fehlenden Vergleichsmaßstäbe der Leistungen der NPO und ihres immateriellen Charakters basiert die Spender-NPO-Beziehung primär auf Vertrauen. Ohne Vertrauen würde ein Spender eine NPO entweder gar nicht oder nicht auf Dauer unterstützen (Urselmann 1998, S. 235). Durch die systeminhärente Divergenz von Spender und Leistungsempfänger wird Vertrauen als kritische Determinante der Spenderbindung angesehen (Shabbir/Palihawadana/Thwaites 2007, S. 282). Hieraus ergibt sich folgende Hypothese: H2: Das Vertrauen eines Spenders hat einen positiven Effekt auf die Spenderbindung.

Das Vertrauen eines Spenders beeinflusst jedoch auch indirekt die Spenderbindung. Dies geschieht dadurch, dass Vertrauen das Commitment des Spenders erhöht, welches sich dann – wie gezeigt wurde – positiv auf die Spenderbindung auswirkt. Der innere Bindungszustand des Commitment kann nur entstehen, wenn der Spender der Leistungsfähigkeit und dem Leistungswillen der NPO vertraut (Sargeant/Woodliffe 2007, S. 50). Die Vertrauenswürdigkeit ist somit eine wichtige Voraussetzung für das Entstehen von Commitment (Shabbir/Palihawadana/Thwaites 2007, S. 282). Aus dieser Aussage ergibt sich die dritte Hypothese: H3: Das Vertrauen eines Spenders hat einen positiven Effekt auf sein Commitment.

4. Zufriedenheit des Spenders a) Explikation des Begriffs Zufriedenheit des Spenders Einige Marketingforscher sehen die Kundenzufriedenheit als wichtigste Determinante der Kundenloyalität (Garbarino/Johnson 1999, S. 71; Jones/Sasser 1995, S. 91). Die gestiegene Anzahl an Veröffentlichungen zum Thema Kundenzufriedenheit zeugt zudem von ihrer Bedeutung (Krafft 2007, S. 20; Sauer 2003, S. 230). Charakteristisch ist ein Soll-Ist-Vergleich zwischen einem Vergleichsstandard in Form von Erwartungen und der eigentlichen Leistung (Oliver 1981, S. 25). Zufriedenheit entsteht also immer dann, wenn man erhält, was man erwartet. Damit ergibt sich folgende Definition: Zufriedenheit ist die affektive Reaktion auf eine in einem komplexen kognitiven Vergleichsprozess zwischen ex-ante Erwartungen und subjektiven Erfahrungen auftretende (Dis-)Konfirmation.

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b) Zufriedenheit als Antezedenz der Spenderbindung Im kommerziellen Marketing konnte zwischen Zufriedenheit und Kundenbindung ein enger kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden (Britton/Rose 2004, S. 46; Bruhn 1999, S. 194). Zufriedenheit stellt auch eine wichtige Erklärungsgröße für die Spenderbindung dar: Ohne Zufriedenheit sind Aufbau und Erhaltung der Beziehung nicht möglich (Urselmann 1998, S. 73). Positive und befriedigende Erfahrungen mit der NPO veranlassen ihn dazu, die Beziehung beizubehalten (File/Judd/Price 1996, S. 75). Dies führt zur vierten Hypothese: H4: Die Zufriedenheit eines Spenders hat einen positiven Effekt auf die Spenderbindung.

Die Zufriedenheit eines Spenders beeinflusst jedoch auch indirekt die Spenderbindung. Zufriedenheit stellt neben Vertrauen eine weitere Einflussgröße des Commitment dar (von Stenglin 2008, S. 56). In Untersuchungen des kommerziellen Kundenbindungsmanagement sowie im Nonprofit-Bereich (Swanson/Davis/Zhao 2007, S. 10 ff.; Bakay/Schwaiger 2006, S. 331 ff.) konnte ein direkter positiver Effekt der Zufriedenheit auf das Commitment nachgewiesen werden. Dies führt zur fünften Hypothese: H5: Die Zufriedenheit eines Spenders hat einen positiven Effekt auf sein Commitment.

Ein weiterer Zusammenhang konnte ebenfalls nachgewiesen werden: Zufriedenheit beeinflusst den Aufbau von Vertrauen (Wünschmann/Müller 2008, S. 148). Vertrauen basiert auf Erfahrungen mit der NPO (Crosby/Evans/Cowles 1990, S. 70). Die über einen Zeitraum gemachten Erfahrungen ermöglichen den Aufbau von Vertrauen; sie tragen dazu bei, dass der Spender entsprechende Erwartungen an die Zuverlässigkeit und die Integrität der NPO entwickelt. Dies führt zur sechsten Hypothese: H6: Die Zufriedenheit eines Spenders hat einen positiven Effekt auf sein Vertrauen.

5. Involvement des Spenders a) Explikation des Begriffs Involvement des Spenders Die vierte untersuchte Einflussgröße der Spenderbindung ist das Involvement, bei welchem die persönliche Relevanz, die wahrgenommene Wichtigkeit bzw. das Interesse gegenüber Sachverhalten (z. B. Produkten) im Vordergrund steht (Mittal 1995, S. 664). Es lassen sich drei Dimensionen des Involvement unterscheiden (Hohl/Naskrent 2009, S. 78): Involvementklasse, -fristigkeit und -art. Involvement benötigt zunächst einen Auslöser (Jaritz 2008, S. 21). Diese kann man in zwei Klassen einteilen: Transaktion oder Objekt (Hohl/Naskrent 2009, S. 79). Transaktions-Involvement bezeichnet ein vorübergehendes Interesse am Kauf- bzw. Spendenprozess als solchem. Diese Untersuchung schließt das Transaktions-Involvement jedoch aus, da es primär durch Unsicher-

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Spenderbindung: Einflussgrößen

heit, Zeitmangel oder ähnliche Faktoren entsteht (Michaelidou/Dibb 2008, S. 87). Im Fokus steht vielmehr die unterstützte NPO als sogenanntes Involvement-Objekt. Als Fristigkeiten lassen sich situatives und dauerhaftes Involvement unterscheiden. Situatives Involvement bezeichnet ein vorübergehendes Interesse; es hat einen temporären Charakter und nimmt i. d. R. schnell wieder ab (Homburg/Kebbel 2001, S. 45). Dauerhaftes Involvement existiert hingegen unabhängig von bestimmten Situationen, da es durch eine zentrale Bedeutung für den Konsumenten entsteht. Je stärker das Bezugsobjekt die zentralen Eigenschaften des Konsumenten berührt, desto höher ist das dauerhafte Involvement (Mittal/Lee 1989, S. 365). Da es damit das Interesse bezeichnet, ein finanzieller Unterstützer der NPO zu sein, wird es im Folgenden näher untersucht und das situative Involvement bewusst außen vor bleiben. Die dritte Dimension ist die Involvementart mit drei Ausprägungsformen (Hohl/Naskrent 2009, S. 83 f.). Zunächst kann Involvement kognitiv sein. Involvierte Spender sind bei der Informationssuche, -verarbeitung und -speicherung stark engagiert. Je höher das Involvement ist, desto intensiver fällt die Suche, Verarbeitung und Speicherung von Informationen aus (Gordon/ McKeage/Fox 1998, S. 445). Es trägt aber nicht zur Erklärung der Spenderbindung bei. Vielmehr gilt es, das emotionale Involvement zu berücksichtigen, welches mit den persönlichen Werten und Einstellungen des Spenders in Verbindung steht und ein hohes Engagement im Sinne einer empfundenen persönlichen Relevanz bedeutet (Esch/Hardiman/Kiss 2002, S. 237). Die dritte Involvementart, das konative Involvement, zeichnet sich durch eine Bereitschaft zu außergewöhnlichem Aufwand für das Bezugsobjekt aus. Es findet hier keine Berücksichtigung, da keine Trennschärfe zum beabsichtigten Spenderverhalten besteht. Aufbauend auf den beschriebenen Merkmalen wird Involvement wie folgt definiert: Spenderinvolvement ist das dauerhafte Interesse des Spenders an der NPO und die von ihm wahrgenommene persönliche Relevanz der NPO, welche sich in einer emotionalen Aktivierung und Motivation des Spenders äußert.

b) Involvement als Antezedenz der Spenderbindung Generell erscheint es sinnvoll, Involvement als Antezedenz für die Kundenbindung zu sehen. Insbesondere das dauerhafte Involvement weist eine positive Bedeutung für die Loyalität auf (Homburg/Kebbel 2001, S. 49). Sieht man eine positive Einstellung als Voraussetzung für die Bindung an, so lässt sich Letztere nur bei einem dauerhaften und emotionalen Involvement finden (Dick/Basu 1994, S. 99 ff.). Ohne Involvement des Spenders wären keine Spendeneinnahmen zu verzeichnen. Dieser Zusammenhang führt zu folgenden Hypothesen: H7: Das Spenderinvolvement hat einen positiven Effekt auf die Spenderbindung.

Das Spenderinvolvement wirkt sich auch indirekt auf die Spenderbindung aus. Hier ist zunächst der positive Einfluss des dauerhaften Spenderinvolvement auf das Commitment des Spenders herauszustellen (Gordon/McKeage/Fox 1998, S. 447). Das Involvement ist zentrale Voraussetzung für die innere Verbundenheit des Spenders (Ahearne/Bhattacharya/Gruen 2005, S. 575). Jeker (2002, S. 117) formuliert den Sachverhalt wie folgt: „Commitment existiert nur, wenn die

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Beziehung als wichtig erachtet wird.“ Das Involvement hat somit Einfluss auf die Bereitschaft, eine Bindung einzugehen, was zur 8. Hypothese führt. H8: Das Spenderinvolvement hat einen positiven Effekt auf das Commitment.

Das Spenderinvolvement beeinflusst darüber hinaus die Zufriedenheit. Es wirkt auf alle Komponenten des Modells der Entstehung der Zufriedenheit ein. Selbst die Stärke der empfundenen Diskrepanz der Erwartungen und der wahrgenommenen Leistung hängt vom Involvement ab (Jeker 2002, S. 132). Das Involvement stellt folglich eine deterministische Größe der Zufriedenheit dar und mediiert somit Commitment. Weiterhin macht sich der Spender z. B. durch die intensive Auseinandersetzung mit der Spende bewusst, welche wertvolle Unterstützung er leistet. Dies fördert seine Zufriedenheit bzw. lässt sie durch hohes Involvement länger anhalten. Weiterhin wird der Zusammenhang damit begründet, dass sich der Spender bei zunehmendem Involvement auf ein Zufriedenheitsniveau festlegt bzw. nur noch Zufriedenheitssteigerungen wahrnimmt, selbst wenn die wahrgenommene Leistung kurzfristig nachlässt (Bennett/Ali-Choudhury 2009, S. 164). Die Abhängigkeit beschreibt folgende Hypothese: H9: Das Spenderinvolvement hat einen positiven Effekt auf seine Zufriedenheit.

Nachdem die vermuteten Antezedenzbeziehungen für die in diesem Artikel untersuchten verhaltenswissenschaftlichen Determinanten der Spenderbindung jeweils einzeln theoretisch hergeleitet wurden, gilt es, diese empirisch zu überprüfen.

III. Empirische Analyse der Spenderbindung 1. Konzeption der Befragung und Untersuchungsvorgehen Die empirische Analyse zielt darauf ab, Probanden, die NPOs finanziell in Form einer Spende unterstützen, über ihr Verhalten zu befragen. Die Befragung konzentriert sich somit auf Personen, die für eine NPO spenden. Im Gegensatz zur Konsumgüterbranche mit einer großzahligen Grundgesamtheit ist die Zahl der möglichen Testpersonen aus dem Spendenmarkt entsprechend begrenzt. Darüber hinaus gilt, dass insbesondere ältere Menschen spenden. Die Besonderheiten begründen auch trotz des hohen Aufwands die Entscheidung für eine Telefonbefragung. Die Auswahl der Probanden erfolgte in Kooperation mit verschiedenen NPOs. Das Ziel der Zusammenarbeit stellte der Zugang zu Spenderdaten dar, mit denen eine zielgenaue Akquise der Probanden ohne große Streuverluste erfolgen konnte. Insgesamt wurden vier NPOs gewonnen. Es handelt sich hierbei um soziale NPOs, die wohltätiges und gemeinnütziges Engagement für Menschen und Natur leisten. Zur Sicherstellung der Qualität der Befragung wurden zwei verschiedene Pretests durchgeführt. Bei dem inhaltlichen Pretest bewerteten Personen mit fundiertem Marketing-Wissen die Zusammenhänge der vier Einflussgrößen und den gewählten Fragestellungen, d. h. ob Definition und Wortwahl übereinstimmen. Der formale Pretest verfolgte das Ziel, die Nachvollziehbarkeit des

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Spenderbindung: Einflussgrößen

Aufbaus der Befragung und die Verständlichkeit der Anweisungen sicherzustellen. Insgesamt führten die Ergebnisse der Pretests nur zu kleineren notwendigen Veränderungen der Formulierungen der Items. Der finale Wortlaut der Fragen, deren Formulierung in Anlehnung an bereits erfolgreich durchgeführten Befragungen angelehnt wurde, befindet sich im Anhang. Insgesamt wurden 1028 Spender per Zufallsauswahl von den durch die kooperierenden NPOs zur Verfügung gestellten Kontaktdaten angerufen. 439 Probanden erklärten sich bereit, an der Befragung teilzunehmen, 364 Probanden führten sie bis zum Ende durch. Das Durchschnittsalter der Stichprobe liegt bei 64 Jahren und die Geschlechterverteilung ist mit 51 % weiblichen Probanden ausgewogen. Die Stichprobe beinhaltet auch ehemalige Spender, um verschiedene, d. h. abweichende Antwortmuster bei der Befragung hervorzurufen. Als ehemaliger Spender gilt, wer 18 Monate nicht an die spezifische NPO gespendet hat (Bennett/Ali-Choudhury 2009, S. 170). Insgesamt haben 47 ehemalige Spender (dies entspricht 13 % aller vollständigen Interviews) an der Befragung teilgenommen. Eine Analyse der fehlenden Werte lieferte keine Anhaltspunkte für ein systematisches Auftreten. Um Wirkungsbeziehungen und Interdependenzen simultan zu testen, wendet die Marketingwissenschaft i. d. R. ein Kausalmodell an (Giere/Wirtz/Schilke 2006, S. 683). Kausalmodelle wurden früher überwiegend mittels kovarianzbasierten Ansätzen untersucht, die durch die fortgeschrittene Softwareentwicklung breite Anwendung finden. Einen alternativen Ansatz für die Berechnung von Kausalmodellen stellt der varianzbasierte Partial Least Squares (PLS-)Ansatz dar, der insbesondere aufgrund der mittleren Stichprobengröße, des prognostizierenden Ansatzes und der unterschiedlichen Dimensionen, aus denen sich die Konstrukte Commitment und Vertrauen konstituieren, zur Analyse mittels SmartPLS 2.0 (Ringle/Wende/Will 2005) gewählt wurde (Jaritz 2008, S. 160; Jahn 2007, S. 3).

2. Befunde Der erste Schritt einer Analyse empirischer Daten besteht in der Gütebeurteilung, d. h. der Reliabilität und Validität, der gemessenen Konstrukte. Unter Validität versteht man den Grad, in dem die Items die Bedeutung des Konstrukts abbilden (Mittal 1995, S. 665). Diese Zugehörigkeitsstärke wird mithilfe der Faktorenanalyse gemessen. Die jeweiligen Items werden dabei auf Eindimensionalität geprüft. Hierbei gilt es zu untersuchen, ob sie am höchsten auf die ursprünglich zugeordneten Konstrukte laden (Mittal 1995, S. 665). In der vorgenommenen Evaluierung zeigen alle abgefragten Konstrukte eine eindimensionale Faktorstruktur auf. Die entsprechenden Items laden am höchsten auf die ursprünglich zugeordneten Konstrukte und erreichen keinen höheren Wert für ein anderes Konstrukt. Insgesamt weisen alle Faktorladungen hohe Werte auf. Zusätzlich zur Faktorenanalyse, welche auf Ebene der einzelnen Items stattfindet, wurde die Güte durch Analysen auf Ebene der Messmodelle ermittelt, d. h. in wieweit sämtliche Items das Konstrukt repräsentieren. Die interne Konsistenz stellt ein Gütemaß für die Homogenität einer Skala dar. Eine hohe interne Konsistenz bedeutet, dass die Items im Wesentlichen das Gleiche messen. Die interne Konsistenz kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei ein höherer Wert eine höhere Güte darstellt. 0,6 stellt den allgemein anerkannten Grenzwert dar (Bagozzi/Yi 1988,

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S. 82). Die vorliegende Untersuchung liefert Ergebnisse von mindestens 0,8, was Abb. 2 verdeutlicht. Neben der internen Konsistenz stellt Cronbach‘s Alpha ein weitverbreitetes Gütemaß für die Konstruktreliabilität dar. Cronbach‘s Alpha repräsentiert den Anteil der Gesamtvarianz, der sich auf einen gemeinsamen Faktor zurückführen lässt. Es kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen, wobei hohe Werte für hohe Korrelationen zwischen den Items sprechen. Hinsichtlich der als akzeptabel anzusehenden Mindestwerte gibt die Literatur einen Wert von 0,7 vor (Thomas/Cunningham/Williams 2002). In der vorliegenden Untersuchung haben sowohl alle Determinanten der Spenderbindung als auch das Zielkonstrukt an sich (Verhaltensabsicht) eine hohe Reliabilität im Sinne des Cronbach’s Alpha (siehe Abb. 2). Neben der internen Konsistenz und Cronbach‘s Alpha stellt die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) ein weiteres Beurteilungskriterium dar. Hiermit lässt sich überprüfen, wie hoch der durch ein Item erklärte Varianzanteil einer exogenen latenten Variablen ausfällt. Konkret misst die DEV die Varianz, die durch die Indikatoren relativ zum Messfehler erklärt wird. Die DEV soll mindestens einen Wert von 0,5 annehmen (Bagozzi/Yi 1988, S. 82; Fornell/Larcker 1981, S. 46). Abb. 2 zeigt, dass alle Determinanten der Spenderbindung über eine hohe Konstruktreliabilität im Sinne der DEV verfügen. Allerdings liegt der Wert für das zu erklärende Konstrukt Verhaltensabsicht des Spenders geringfügig unter der geforderten Mindestgröße. Da es jedoch alle bisherigen Validitäts- und Reliabilitätsanforderungen sehr gut erfüllt, gilt dies als unproblematisch. Andere Forscher sehen in Ausnahmefällen Werte zwischen 0,4 und 0,5 als ausreichend an (Homburg/ Giering 2001, S. 17).

Anzahl Items

Interne Konsistenz (> 0,6)

Cronbach's Alpha (> 0,7)

DEV (> 0,5)

ABSICHT

6

0,80

0,71

0,41

NORMATIV

5

0,86

0,79

0,54

KALKULATIV

5

0,88

0,83

0,59

AFFEKTIV

5

0,85

0,78

0,53

ZUTRAUEN

5

0,91

0,88

0,68

VERLASS

5

0,90

0,87

0,65

ZUFRIEDEN

4

0,90

0,85

0,70

INVOLV

4

0,87

0,79

0,62

Abb. 2: Beurteilungsergebnisse der Messmodelle Quelle: Eigene Darstellung

Der nächste Schritt im Rahmen der Gütebeurteilung beinhaltet die Ermittlung der Diskriminanzvalidität. Diskriminanzvalidität besteht, wenn die latente Variable die Varianz ihrer eigenen Items besser erklärt als die Varianz einer anderen latenten Variablen. Die Diskriminanzvalidität baut auf der DEV auf. Die Wurzel der DEV eines Konstrukts sollte im Rahmen der Diskriminanzva392

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Spenderbindung: Einflussgrößen

lidität höher sein als die Korrelationen zwischen dem Konstrukt und anderen Konstrukten im Modell (Fornell/Larcker 1981, S. 46). Zur Veranschaulichung dient eine Korrelationsmatrix (Abb. 3). Die Matrix zeigt zunächst, dass alle Fälle die empfohlene maximale Korrelation zwischen unterschiedlichen Konstrukten von 0,9 unterschreiten (Hulland 1999, S. 200). Darüber hinaus verdeutlicht die Matrix, dass die Wurzel der DEV der Konstrukte in den meisten Fällen größere Werte aufweist als die Korrelationen zwischen den anderen latenten Variablen. Lediglich zwischen Involvement und affektivem Commitment sowie zwischen Zutrauen und Verlass sind die Korrelationen um 0,02 bzw. 0,06 zu groß. Solche Werte gelten in anderen empirischen Studien jedoch als unkritisch (Lüthje 2008, S. 138). Damit lässt sich die Diskriminanzvalidität als ausreichend bezeichnen.

Wurzel von DEV

ABSICHT

AFFEKTIV

INVOLV

KALKULATIV

NORMATIV

VERLASS

ZUFRIEDEN

ZUTRAUEN

0,64

0,73

0,79

0,77

0,74

0,81

0,84

0,83

ABSICHT

1

0

0

0

0

0

0

0

AFFEKTIV

0,52

1

0

0

0

0

0

0

INVOLV

0,43

0,75

1

0

0

0

0

0

KALKULATIV

0,30

0,56

0,50

1

0

0

0

0

NORMATIV

0,43

0,71

0,66

0,46

1

0

0

0

VERLASS

0,41

0,40

0,40

0,20

0,44

1

0

0

ZUFRIEDEN

0,45

0,51

0,50

0,31

0,53

0,80

1

0

ZUTRAUEN

0,41

0,41

0,38

0,17

0,46

0,87

0,81

1

Abb. 3: Diskriminanzvalidität Quelle: Eigene Darstellung

Nachdem auf diese Art und Weise bei jedem einzelnen Konstrukt eine zufriedenstellende Messgüte ermittelt wurde, gilt es nun, die Mehrdimensionalität der Konstrukte Commitment und Vertrauen zu betrachten. Dies erfolgt durch die Ermittlung der Faktorladungen und Signifikanzen der einzelnen Dimensionen. Abb. 4 zeigt, dass alle drei Dimensionen des Konstrukts Commitment und beide Dimensionen des Konstrukts Vertrauen jeweils vergleichbare Ladungen aufweisen. Sie bestimmen damit zu gleichen Teilen das Commitment bzw. Vertrauen.

Beziehung

Faktorladungen

Signifikanz

 Commitment

0,3922

***

Kalkulativ  Commitment

0,3745

***

Affektiv

 Commitment

0,4088

***

Zutrauen

 Vertrauen

0,5272

***

Verlass

 Vertrauen

0,5058

***

Normativ

Abb 4: Analyseergebnisse der mehrdimensionalen Konstrukte Quelle: Eigene Darstellung

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Julia Naskrent und Philipp Siebelt

Als letzter Analyseschritt wurden Stärke und Signifikanz der Wirkungsbeziehungen analysiert und damit die postulierten Hypothesen schließlich näher betrachtet. Die gemessene Stärke der Pfadkoeffizienten, die im Spektrum -1 bis +1 liegen kann, lässt sich wie folgt interpretieren: Negative Werte bedeuten eine zu den Hypothesen konträre Wirkungsbeziehung (Jahn 2007, S. 10). Werte nahe Null bringen einen schwachen Erklärungsbeitrag einer latenten Variablen zum Ausdruck, während ein Wert nahe Eins einen starken Zusammenhang impliziert. Allerdings sind bereits Werte größer als 0,4 in komplexeren Modellen als hoch zu beurteilen. Besonders im Grenzbereich (0,15-0,2) erscheint eine zusätzliche Aussage, ob eine Wirkungsbeziehung „echt“ ist, mithilfe der Signifikanz hilfreich (Jahn 2007, S. 10, 18). Pfade, die keine Signifikanz aufweisen oder ein anderes Vorzeichen haben, widerlegen die Hypothesen. Abb. 5 zeigt die Ergebnisse und führt weiterhin (innerhalb der Ovale), die Werte der jeweiligen Bestimmtheitsmaße auf. Das Bestimmtheitsmaß bzw. R² stellt hierbei den Anteil der erklärten Varianz des latenten Konstrukts dar. Dies bedeutet, dass das R² Auskunft gibt über die Wirkungsstärke aller exogenen Konstrukte, die ein endogenes Konstrukt erklären (Jaritz 2008, S. 172). Der mögliche Wertebereich des R² liegt zwischen 0 und 1. Je größer der Wert, desto größer ist die erklärte Streuung. Werte ab 0,3 gelten als durchschnittlich und Werte unter 0,19 als schwach. Dem Modell lässt sich dann eine nennenswerte Erklärungskraft attestieren, wenn, wie bei der vorliegenden Untersuchung der Fall, das Zielkonstrukt (hier Spenderbindung) ein R² von mindestens 0,3 aufweist.

Involvement des Spenders 0,66 ***

0,03 n. s.

Commitment des Spenders (R² = 0,63)

0,50 ***

0,02 n. s. 0,21 ***

0,16 **

0,38***

Spenderbindung (R² = 0,33)

Vertrauen des Spenders (R² = 0,69)

0,83 ***

Zufriedenheit des Spenders (R² = 0,25)

0,10 n. s. Legende: * = p < 0,10 ** = p < 0,05 *** = p < 0,01

Abb. 5: Ergebnisse des Gesamtmodells Quelle: Eigene Darstellung

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Spenderbindung: Einflussgrößen

3. Interpretation Insgesamt halten sechs von neun Hypothesen der empirischen Prüfung stand, was eine nomologische Validität des Kausalmodells bedeutet. Auch wenn bestimmte Determinanten (Involvement und Zufriedenheit) keinen direkten Einfluss auf die Spenderbindung haben, wirken diese indirekt auf die Spenderbindung. Involvement stellt laut den Ergebnissen der Untersuchung keine direkte Determinante der Spenderbindung dar (ursprünglich H7). Eine theoretische Erklärung für diesen Sachverhalt könnte darin liegen, dass NPOs und das Thema Spenden extremere Ausprägungen des Involvement hervorrufen als Konsumsituationen, bei denen Ausprägungen im Mittelbereich vorliegen (Rothschild 1979, S. 13). Involvement hat hier eine eher bipolare Ausprägung: Entweder zeigen Menschen ein extrem hohes Involvement für die Organisation und sind dann bereit, sich emotional dafür zu engagieren und finanzielle Unterstützung zu leisten oder sie zeigen überhaupt kein Involvement für die Organisation und ihren Tätigkeitsbereich, sodass sie es nie in Betracht ziehen würden zu spenden (Rothschild 1979, S. 13 f.). Involvement stellt somit eine Grundvoraussetzung dar, die für die Spenderbindung keine direkte, sondern nur eine indirekte Bedeutung hat. Da die Untersuchung sich größtenteils auf aktive Spender fokussierte, kann man davon ausgehen, dass diese ein sehr hohes Involvement für die NPO aufweisen. Die Tatsache, dass die Spenderzufriedenheit keinen großen Einfluss auf die Spenderbindung hat (ursprünglich H4), zeigt, dass das Konstrukt nicht die Bedeutung besitzt, welche die Forschung ihm generell zuschreibt. Auch Untersuchungen im kommerziellen Marketing kommen zu dem Ergebnis, dass die Kundenzufriedenheit nicht den Stellenwert für die Kundenbindung einnimmt, wie es häufig postuliert wird (Herrmann/Huber/Braunstein 2000, S. 294). Ebenso wurde dies bereits für die Spender-NPO-Beziehung vermutet (Sargeant 2008, S. 4). Zwei empirische Untersuchungen bestätigten diesen Sachverhalt durch einen insignifikanten Einfluss der Spenderzufriedenheit auf das Spenderverhalten (Michalski/Helmig 2010, S. 242; Arnett/German/Hunt 2003, S. 97 ff.). Abschließend hielten die Autoren (Arnett/German/Hunt 2003, S. 100) jedoch fest, dass das Ergebnis ihrer Untersuchung nicht die generelle Bedeutung der Zufriedenheit für die Austauschbeziehung zwischen Spender und NPO negiere. Auch wenn die Spenderzufriedenheit in ihrer Untersuchung keine Auswirkung auf das Zielkonstrukt hatte, so vermuten sie, dass die Spenderzufriedenheit als indirekte Determinante, z. B. über das Commitment, eine Bedeutung hat. Dies bestätigt die vorliegende Analyse.

IV. Managementimplikationen und Fazit Da alle vier Determinanten laut der Untersuchung eine Daseinsberechtigung haben, sollen im Folgenden Maßnahmen aufgezeigt werden, mit denen diese gleichzeitig gefördert werden können. Viele Maßnahmen, die NPOs heutzutage anwenden, eignen sich nur zur Verstärkung einzelner Einflussgrößen, wie z. B. Rechenschaftsberichte (Stärkung des Vertrauens) oder Mitleid erregende Botschaften (Erhöhung des normativen Commitment und Involvement) (Haibach 2006,

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S. 46). Die Maßnahmen Erfolgsmeldungen und Dank ermöglichen es hingegen alle vier Determinanten gleichzeitig zu stärken. Spender möchten am Nutzenzuwachs der Hilfsbedürftigen partizipieren, da „Menschen für Menschen spenden“ (Hohn 2001, S. 50). Spender erhalten eine immaterielle Gratifikation, wenn sie erfahren, wie die Spende dem Empfänger tatsächlich geholfen hat. Sie wollen erfahren, ob und wie die NPO ihr (gemeinsames) Ziel erreicht hat (Sargeant 2008, S. 15). Die NPO sollte deswegen ihren Spendern regelmäßig aufzeigen, welchen Unterschied ihre Unterstützung bewirkt, welche Leistungen sie damit erbringt und wie der Einzelne durch seine Spende konkrete Hilfestellung ermöglicht (Bennett/Ali-Choudhury 2009, S. 167). Im Rahmen einer auf Spenderbindung abzielenden Fundraising-Praxis ist es unabdingbar, dem Spender mit entsprechenden qualitativen, emotionalen Erfolgsmeldungen aufzuzeigen, welchen Mehrwert die Arbeit der NPO erbracht hat, und ihn damit zu überzeugen, weiter zu spenden. Berichte über bisherige Erfolge und Tätigkeiten der NPO wirken dissonanzreduzierend und somit zufriedenheitserhöhend. Darüber hinaus kann die NPO mit Erfolgsmeldungen ihre Kompetenz sowie ihre Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit unter Beweis stellen und damit das Vertrauen der Spender stärken. Durch Informationen über die Auswirkungen ihrer Spenden lässt eine NPO die Förderer zudem an den Erfolgen ihrer Projekte teilhaben und bringt zum Ausdruck, dass diese Erfolge ohne die Unterstützung der Spender nicht möglich wären. Dies schafft ein Identifikationspotenzial und Zugehörigkeitsgefühl, was das affektive Commitment erhöht. Durch entsprechende positive Erfolgsmeldungen lässt sich zum anderen das Gefühl der Spender verstärken, dass die Beendigung ihres Engagements für die Leistungsempfänger einen Verlust bedeuten würde. Somit fördern Erfolgsmeldungen auch das normative Commitment. Letztendlich lässt sich auch das Involvement der Spender durch Erfolgsmeldungen vergrößern. Je mehr die Spender über die Organisation und ihre Projekte erfahren, umso mehr interessieren sie sich dafür und beschäftigen sich damit (Hohn 2001, S. 61). Als ein weiteres wichtiges Prinzip im Rahmen des Spenderbindungsmanagement gilt die Wertschätzung der geleisteten Unterstützung. Jeder Spender wünscht sich bewusst oder unbewusst Anerkennung für sein gemeinnütziges Engagement (Andreasen/Kotler 2008, S. 371). Viele Organisationen schaffen es jedoch offenbar nicht, das Bedürfnis ihrer Spender nach Dank und Anerkennung zu erfüllen (Urselmann 2007, S. 33). Nicht selten erhalten Spender nach einer Spende überhaupt keine Reaktion von der NPO (Andreasen/Kotler 2008, S. 372). Durch einen glaubwürdigen Dank lässt sich zunächst die Zufriedenheit des Spenders fördern (Haibach 2006, S. 356). Die Unsicherheit nach der Spende lässt sich von der NPO durch den Dank abbauen. Ähnlich wie bei Erfolgsmeldungen bestätigt die NPO den Spendern, die richtige Entscheidung getroffen zu haben (Urselmann 2007, S. 67 f.). Eine Danksagung stiftet dem Spender darüber hinaus sowohl einen immateriellen als auch einen materiellen Nutzen und fördert somit sein kalkulatives Commitment. Zudem vermittelt dies Verbundenheit im Sinne des affektiven Commitment, da sie dem Spender signalisiert, dass die NPO ihn als Partner und nicht als Geldquelle sieht. Die persönliche Relevanz fördert zudem das Involvement. Ein zeitnah ausgesprochener Dank vermittelt dem Spender letztendlich das Gefühl, dass die NPO verlässlich und kompetent handelt und erhöht damit das Spendervertrauen. Die Ausführungen über die Wirkungen der Maßnahmen Dank und Erfolgsmeldungen, unterstützen NPOs, ein erfolgreiches Spenderbindungsmanagement zu etablieren. Damit zeigt dieser Beitrag konkrete Marketingmaßnahmen und Problemlösungshilfen für die Praxis auf, ohne die theo-

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Spenderbindung: Einflussgrößen

retische Perspektive in der Argumentation zu vernachlässigen. Der Artikel bietet somit ein umfassendes Verständnis für Spenderbindung. Allerdings stellt die Übertragbarkeit der Ergebnisse wie bei vielen Studien eine Herausforderung dar (Ahearne/Bhattacharya/Gruen 2005, S. 581). Die Daten wurden ausschließlich in Deutschland erhoben. Es ist aber durchaus möglich, dass in anderen Ländern die Bedeutung der Determinanten variiert (Sargeant/Woodliffe 2007, S. 63). Die Untersuchung stellt außerdem eine einmalige (Querschnitts-)Untersuchung dar, die lediglich eine zeitpunktbezogene, statische Betrachtung zulässt; Aussagen über die Zeitkonsistenz der ermittelten Einflussgrößen sind somit nicht möglich. Diese Grenzen der Arbeit bieten Anknüpfungspunkte für weitere Forschungsaktivitäten. Beispielsweise wäre eine Bestätigung des Modells im Rahmen einer Replikationsstudie (im Ausland) ein wertvoller Erkenntnisgewinn. Eine weitere Forschungsaufgabe besteht darin, die Spenderbindung in einer Langzeitstudie zu untersuchen. Solche Forschungsaktivitäten stellen vor dem Hintergrund des zunehmenden Drucks auf NPOs einen wertvollen Beitrag dar. Einerseits müssen NPOs auch in Zukunft mit weiter ansteigender Wettbewerbsintensität rechnen; andererseits erfordern die zunehmenden gesellschaftspolitischen Probleme (z. B. Erderwärmung) in Zukunft ein verstärktes Engagement von NPOs. Die Arbeit von NPOs wird in den nächsten Jahrzehnten also weiterhin an Bedeutung gewinnen. Im Rahmen dessen lässt sich davon ausgehen, dass die Spenderbindung – auf welche die in dieser Arbeit untersuchten Determinanten einwirken – und die entsprechenden Maßnahmen in den kommenden Jahren aufgrund ihrer zunehmenden Notwendigkeit sowohl in der Forschung als auch in der Praxis eine größere Verbreitung finden.

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Julia Naskrent und Philipp Siebelt

Anhang: Wortlaut der Fragestellungen Facette/ Dimension

Wortlaut der Items

Quelle (in Anlehnung an)

Normatives Commitment

Ich empfinde ein Gefühl der Verantwortung gegenüber der NPO. Meiner Meinung nach erfordert es der Anstand, sich als Spender gegenüber der NPO loyal zu verhalten. Bei der Beendigung meiner finanziellen Unterstützung für die NPO hätte ich Gewissensbisse. Ich fühle mich dazu verpflichtet, die NPO finanziell zu unterstützen. Der Abbruch der Beziehung zur NPO wäre nicht fair, weil die NPO meine Treue verdient hat.

Lomberg (2008); Allen/Meyer (1990)

Kalkulatives Commitment

Die Beendigung meiner finanziellen Unterstützung für die NPO wäre ein persönlicher Verlust, d. h. eine Verschlechterung für mich. Die Beziehung zur NPO ist für mich vorteilhaft. Durch meine Spende an die NPO profitiere ich auch selbst. Ich verdanke meiner Beziehung zur NPO viele Vorzüge. Das Einstellen meiner Spenden an die NPO wäre für mich mit Nachteilen verbunden.

Sargeant/Lee (2002 a); Green/ Webb (1997); Allen/Meyer (1990)

Affektives Commitment

Ich bin stolz darauf, ein Spender der NPO zu sein. Ich fühle mich mit der NPO verbunden. Ich empfinde ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl zur NPO. Ich identifiziere mich mit der NPO. Bei Kritik an der NPO oder bei Problemen fühle ich mich persönlich betroffen.

Süß (2007); Johnson/Garbarino (2001); Allen/Meyer (1990)

Zutrauen

Meiner Meinung nach ist die NPO kompetent. Ich habe das Gefühl, dass die NPO ihr Handwerk versteht. Ich traue der NPO zu, die Ziele zu erreichen, die sie sich setzt. Ich bin überzeugt davon, dass die NPO imstande ist, ihre Versprechen zu halten. Meiner Meinung nach besitzt die NPO die Fähigkeiten und die Eignung, zuverlässig zu handeln.

Sargeant/Lee (2002 a); Graeff (1998)

Verlass

Meiner Meinung nach ist die NPO vertrauenswürdig. Ich denke, dass die NPO ehrlich zu ihren Spendern ist. Ich kann mich auf die NPO verlassen. Ich bin überzeugt davon, dass die NPO gewillt ist, ihre Versprechen zu halten. Die NPO handelt uneigennützig.

Sargeant/Woodliffe (2007); Wilke (2007); Doney/Cannon (1997)

Zufriedenheit des Spenders



Die NPO leistet all das, was ich von dieser Organisation erhoffe. Die NPO erfüllt meine Erwartungen voll und ganz. Die Leistung der NPO entspricht meinen Idealvorstellungen. Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit der NPO.

Jaritz (2008); Markert (2008); Jeker (2002)

Involvement des Spenders

Emotionales, dauerhaftes Involvement

Die NPO hat für mich einen großen Stellenwert. Die NPO ist für mich wichtig und bedeutet mir viel. Die NPO spielt eine große Rolle in meinem Leben. Ich interessiere mich sehr für die NPO.

Jaritz (2008); Thomas/Cunningham/Williams (2002); Mittal/Lee (1989)

Zielvariable

Facette/ Dimension

Wortlaut der Items



Beabsichtigen Sie, in Zukunft diese NPO weiterhin finanziell zu unterstützen? Wollen Sie langfristig ein Spender von dieser NPO bleiben? Könnten Sie sich vorstellen, in Zukunft mehr für die NPO zu spenden? Ziehen Sie in Erwägung, neben den bisherigen auch andere Projekte der NPO demnächst finanziell zu unterstützen? Beabsichtigen Sie, Ihre Freunde und Bekannte in Zukunft zu ermutigen, die NPO ebenfalls finanziell zu unterstützen? Haben Sie vor, Ihre positiven Erfahrungen mit der NPO an andere weiterzugeben?

Einflussgröße

Commitment des Spenders

Vertrauen des Spenders

Spenderbindung (Verhaltensabsicht)

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Neumann (2007); Sargeant/Lee (2004 a); Teichert/Rost (2003)

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Julia Naskrent und Philipp Siebelt Eggert, Andreas, Sabrina Helm und Ian Garnefeld (2007), Kundenbindung durch Weiterempfehlung? Eine experimentelle Untersuchung der Wirkung positiver Kundenempfehlungen auf die Bindung des Empfehlenden, in: Marketing ZFP, 29. Jg., Heft 4, S. 233-245. Esch, Franz-Rudolf, Marco Hardiman und Greg Kiss (2002), Gestaltung von Handelsauftritten im Internet, in: Der Handel im Informationszeitalter: Konzepte – Instrumente – Umsetzung, hrsg. von Dirk Möhlenbruch und Michaela Hartmann, Wiesbaden, S. 227-252. File, Karen Maru, Ben B. Judd und Russ Alan Price (1996), Perceptions of Quality in the Nonprofit Relationship, in: Journal of Nonprofit & Public Sector Marketing, 4. Jg., Heft 1/2, S. 75-87. Fornell, Claes und David F. Larcker (1981), Evaluating Structural Equation Models with Unobservable Variables and Measurement Error, in: Journal of Marketing Research, 18. Jg., Heft 1, S. 39-50. Garbarino, Ellen und Mark S. 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Kurzbeitrag Frank Schulz-Nieswandt

Zentrale Themenfelder der Entwicklung des öffentlichen (und frei-gemeinwirtschaftlichen) Sektors in der neueren Literatur Geordnet nach einigen diskursiven Schlüsselwörtern sollen neuere Publikationen diskutiert werden. Dabei sollen auch innere – thematische oder auch methodologische – Bezüge zwischen den verschiedenen Studien herausgestellt werden. Gerade bei den ersten Beiträgen, die hier zur Diskussion anstehen, treten erkenntniskritische Aspekte in den Vordergrund. Ökonomisierung: Ökonomisierung ist ein zentrales Schlagwort im Diskurs der letzten Jahre. Peter Richter hat (als Dissertation) eine Soziologie der Ökonomisierung als Theorie gesellschaftlicher Entdifferenzierung vorgelegt (Richter, P.: Ökonomisierung als gesellschaftliche Entdifferenzierung. Eine Soziologie zum Wandel des öffentlichen Sektors, Konstanz: UVK, 2009, 251 S.). Sein Gegenstand sind Stadtwerke und Kommunalverwaltungen. Er kann zeigen, wie Sinn und Struktur öffentlicher Organisationen sowie die Beziehungen zwischen diesen verändert wird, wodurch explizit wird, dass der Verfasser einem transaktionalen Organisationsansatz folgt. Es geht dem Verfasser um den Nachweis (der Mechanismen) der Dominanz des Ökonomischen über andere Sinnlogiken (der Politik, Kunst etc.). Überformungen und Verdrängungen prägen diese Prozesse. Interessant, ja fast schon luzide stellt Richter diese Kolonialisierung von Sinnwelten und Soziallogiken, paradox klingend, als Ökonomisierung der Wirtschaft da, denn die kommunale Bedarfswirtschaft selbst wird ja ökonomisiert. Herausgearbeitet wird die Ideologie, feldspezifische Nutzen ließen sich beliebig unabhängig von den spezifischen Formen ihrer sozialen Prozessierung erzielen. Wir können hier, so unsere interpretierende Rezeption, eine tief sitzende Art von Unverständnis der Ökonomisierung gegenüber den institutionellen Formen des Wirtschaftens als eigenständige Wertebene (Schulz-Nieswandt 2007, S. 58-67) beobachten. Hinsichtlich der impliziten Ontologie der Ökonomisierungs-Ökonomie drückt dies eine fundamentale Seinsvergessenheit aus. Zentrum der Ökonomisierung der Wirtschaft ist die Norm der Kapitalrentabilität. Politik wird dann entsubstantialisiert und reduziert sich auf strategische Rationalität. Auch hier lesen wir die Analyse von Richter durch eine epistemische Brille: Die Studie handelt dergestalt vom Verlust des Politischen zugunsten bloßer Politik. Mit einer (die antike politische Philosophie modern wieder aufgreifenden) Theorie des „guten Lebens“ und der Gestaltung des Gemeinwesens, wobei der Daseinsvorsorge durchaus existenzielle1 Bedeutung zukommt, hat diese Politik in nur schwindender Weise zu tun.

1 So auch Ahmann (2009, S. 33). Ausführlicher Schulz-Nieswandt (2010).

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Frank Schulz-Nieswandt

Dabei analysiert Richter diese Prozesse nicht nur auf einer Makroebene, sondern auf und in der Organisationsebene bis hinein in die sich wandelnden institutionellen Programmcodes und die individuellen Rollenverständnisse. Empirisch beschreibt Richter dies konkretisierend auch als, wie wir es wiederum lesen, Morphologie der kommunalen Unternehmen. Es geht mit Blick auf strukturelle Merkmale um Aspekte wie Ausgliederung und Rechtsformenentwicklung, Beteiligungen und Kooperationen sowie Gemischtwirtschaftlichkeit etc., aber dann auch um die Zielsetzungen der Unternehmen. Interessant sind die Ausführungen zu den Leitprofessionen (S. 15 f.). In die soziologische Theoriesprache wird man sich schnell einlesen können. Der soziologische Blick erweist sich für die Debatte um Privatisierung und Re-Kommunalisierung als aufschlussreich, wie mit diesen schlaglichtartigen Lesarten angedeutet werden sollte. Richter macht deutlich, wie wichtig Theorien sind. Theorien organisieren die Daten. Theorien eröffnen Sichtweisen und somit Einblicke, sie fundieren unabdingbar den Zugang zur Empirie. Insofern ist auch die Habilitationsschrift von Michael Habersam herauszuheben, die sich mit der Rekonstruktion der theoretischen Grundlagen des Managements öffentlicher Krankenhäuser beschäftigt (Habersam, M.: Management öffentlicher Krankenhäuser. Eine Rekonstruktion der theoretischen Grundlagen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, 447 S.). Der Gegenstand selbst, die öffentlichen, insbesondere die kommunalen Krankenhäuser, ist nicht nur von dauerhafter, sondern auch von zunehmender Relevanz, denn hier spielen sich heftige Diskurse ab (Teich 2010), vor allem auch mit Blick auf die Privatisierungstendenzen2. Relevant ist z. B. das europäische Beihilferecht in Bezug auf die Krankenhausmärkte. Dazu liegt eine Studie von Bettina Leupold vor, die wir aber weiter hinten besprechen werden. Auf der empirischen Basis einer explorativ-qualitativen Einzelfallstudie eines Bezirkskrankenhauses in Tirol (S. 29 ff.) sowie der Reflexion weiterer ethnografischer bzw. methodisch anders gelagerter qualitativer Krankenhausstudien (S. 117 ff.) werden Charakteristika der Strukturen, Prozesse und der Stakeholder-Situationen (PatientInnen, MitarbeiterInnen) herausgearbeitet. Als kritische psychische Erlebnisprozessordnungen werden die Ökonomisierungen und die unbewältigten Spannungsfelder von Ökonomisierung und Ethik betont (S. 133 f.). Die Befunde werden sodann im Lichte quantitativer Studien beleuchtet (S. 134 ff.). Morphologisch werden die zielbezogenen Spannungsfelder herausgearbeitet (S. 142 f.). Es kristallisiert sich mit Evidenz ein notwendiger, aber auch komplizierter Management-Diskurs heraus. Die ganze Problematik wird an der Ambivalenz der Leitbilder deutlich (S. 167 ff.). Auch hier erweist sich der analytische Blick auf das Krankenhaus als transaktional: Die Rolle externer Stakeholder verweist auf die Bedeutung des gesellschaftlichen Kontextes des Krankenhauses. Vor diesem Hintergrund rekonstruiert der Verfasser systematisch die Managementkonzeptionen öffentlicher Krakenhäuser. Er beginnt mit einer kritischen Aufarbeitung des diesbezüglichen Beitrages von Siegfried Eichhorn (S. 182 ff.). Eine Krankenhausbetriebslehre als SBWL wird dekonstruiert, indem die impliziten ontologischen, epistemologischen und methodologischen Konsequenzen deutlich werden, wie die gedankliche, wenn auch wissenschaftstheoretisch reflektierte Selektion der Wahrnehmung des Gegenstandes genau diesen Gegenstand konstruiert (S. 224). Die vom Verfasser so bezeichnete Statik der Architektur der ABWL, die nur modenisierend angepasst wird, kann Problemfelder wie Qualitätsmanagement und PatientInnenorientiertheit (mit Kunden2 Vgl. etwa Rehm (2007); Heubel/Kettner/Manzeschke (2010).

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Themenfelder der neueren Literatur

status) und die ganzheitlich-integrativen Managementkonzepte aufgreifen, hinterlässt damit aber zunächst nur eine höhere Komplexität von Spannungsfeldern (S. 274): „Ein Paradigmenwechsel, der keiner ist, lässt die funktionale Steuerungsphilosophie von Management und Führung unangetastet.“ (S. 275; kursiv auch im Original). Es bleibt bei der Annahme eines funktionsfähigen Apparates der Betriebsführung (ebenda). Das implizite organisationsontologische Paradigma bleibt das der Trivialmaschine. Mit der Maxime, es müsse die Balance gehalten werden, die der Verfasser ironisierend kritisiert, wird, so meine ich, das Problem jedoch richtig beschrieben, allerdings, so dem Verfasser zustimmend, nicht gelöst. Andere Positionen in der Literatur werden sodann vom Verfasser diskutiert (S. 276 ff.). Zentrale Probleme bleiben die des Reduktionismus, der stilisierten Rationalitätsansprüche und der ungelösten Theorie-Praxis-Beziehungen. Implizit transportiert der Mainstream der Managementliteratur auch entsprechende Menschenbilder (S. 355 ff.), die andere Denkwege blockieren. Was sind nun die Alternativen? Zunächst setzt sich der Verfasser mit den Theorieströmungen lernender Organisationen auseinander (S. 370 ff.), ferner mit der Theorie der ExpertInnenorganisationen (S. 380 ff.), um dort alternative Ideen zum Ambivalenzmanagement in einem nicht-trivialen Steuerungsverständnis (S. 386) zu finden (vgl. auch S. 391). Die Schlüsselperspektiven deuten demnach in Richtung auf systemische Selbstreflexion und auf eine Betonung der Bedeutung der Kulturbildung (die wiederum auf die implementationstheoretischen Defizite von New Public Management verweist). Für den Verfasser ist das Thema der Unternehmenskultur also noch nicht „durch“ (u. a. S. 409); und das zentral gewordene Controllingsverständnis muss alternativ re-formuliert werden (S. 403).3 Die Hereinnahme ethischer Diskurse angesichts der Ökonomisierung bedarf einer nicht-dualistischen Lösung. Ob allerdings gerade der institutionenökonomische Wirtschaftsethik-Ansatz von Homann (in der Buchanan-Tradition der konstitutionellen Ökonomie) dieses Problem löst (S. 407), bleibt mehr als fraglich. Dort wird ja gerade die Synthese von Ethik und Ökonomik, wie ich meine, epistemisch verhindert, weil Moral transportiert wird als Anreizsystem4. Die krasse Gegenüberstellung einer Tugendethik ist theoriegeschichtlich und –systematisch nicht haltbar und verweist auf Differenzierungsverluste der Debatte.5 Schließlich problematisiert der Verfasser die Idee, Controlling sei das Ersatzprogramm für Kultur in der Managementliteratur der BWL (S. 409 ff.). Wenn der Verfasser nunmehr auf die Theorien der Wirklichkeitsmodelle als kollektives Wissen (Schmidt 2004) fokussiert, wird gerade unsere soeben angebrachte Kritik evident. Dieser Ansatz einer non-dualistischen und prozessualen Theorie der Organisation und ihrer Entwicklung überwindet die Pseudo-Überwindung des Homann’schen Ansatzes, der immer noch cartesianisch in seiner Tiefenarchitektur ist. Dies würde dann auch dazu passen, dass der Verfasser Controlling als soziale und institutionelle Praxis definieren möchte (S. 416 f.). Es geht, wie ich es formulieren möchte, nicht einfach nur um Instrumente technologischer Rationalität (vgl. auch S. 418), sondern, wie der Verfasser betont, um Sinnproduktion und um Prozesssteuerung (Becker 2003). Und es muss als paradigmatische Revolution angesehen werden, wenn hier nun die Foucaultsche Perspektive Einzug hält, um die

3 Zum Führungsverhalten in öffentlichen Einrichtungen vgl. Auch Düren (2009). 4 Vgl. auch Westphal (2009). 5 Vgl. dazu Schulz-Nieswandt (2010 b).

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Diskurse und Praktiken des Controllings zu de-konstruieren (S. 418), begleitet von einem ethnografischen Blick (S. 418).6 Privatisierung: Privatisierungsdiskussionen sind ein Dauerthema. Zur Orientierung im Diskurs der Argumente ist die St. Gallener Dissertation von Ingo Caspari hilfreich (Caspari, I.: Positionen zu Privatisierungen. Wissenschaftliche und politische Einstellungen und ihre Bedeutung für das kommunale Handeln, Frankfurt am Main: Lang 2009, 362 S.). Gegenstandsbezogen geht es im Kern um Fremdvergaben und um materielle Privatisierungen. Methodisch wertet die Arbeit 117 akademische Publikationen aus und bildet vier Cluster von argumentativen Positionen. Pro und Contra zur Privatisierung wird gekreuzt mit der jeweiligen Position im human- bzw. verhaltenswissenschaftlichen Theoriefeld, wenn es um die Orientierung am homo oeconomicus oder einer entsprechend non-ökonomischen Orientierung geht. Die operationalisierten Positionen wurden von 85 kommunalen Führungskräften bewertet (Rücklaufquote von 26 %, das sind 92 Kommunen). Ökonomische Theoretiker sind, so die Ergebnisse, stärker parteiergreifend, nicht-ökonomische Akademiker sind eher privatisierungskritisch eingestellt; Praktiker haben eher ausgeglichene Positionen. Eine Offenheit gegenüber den jeweils anderen disziplinären Perspektiven gibt es kaum. Die Skepsis gegenüber Privatisierung dominiert. Interessant ist der Befund, dass auch ökonomische Theorien gegen Privatisierung sprechen können. Interessant ist auch der Befund, dass die „Abwehrsprache“ der nicht-ökonomischen Privatisierungsgegner eine gefühlte Unterlegenheit indizieren (u. a. S. 251). Aufschlussreich bleibt das Ergebnis, wonach Kommunen bidirektionale Entwicklungen aufweisen: Sie werden einerseits ökonomisch immer effizienter und bleiben andererseits dominant an nicht-ökonomischen Werten orientiert (S. 234). Ob daraus die These der Nicht-Ökonomisierung der Kommunen (S. 233) abgeleitet werden kann, muss dahin gestellt bleiben. Die oben diskutierten Beiträge von Richter und Habersam zeigen ja gerade die tiefsitzende Ambivalenz-Problematik auf. Ferner muss im Lichte analoger epistemischer Forschung aus der Sicht eines systemischen Konstruktivismus gefragt werden, ob die beiden Logiken der Effizienz und der fachlichen Zielsetzung problemlos sich ineinander fügen lassen (Tredop 2008). Allerdings wird, ebenso wie bei Habersam, überaus deutlich, wie, geradezu als epistemischer „roter Faden“, die Menschenbilder jeweils orientierend und wirklichkeitskonstruierend sind. Deshalb scheint es sinnvoll, als ein Thema die Organisationskultur konfessioneller Krankenhäuser anzugliedern. Das Thema ist forschungsgeschichtlich traditionsreich. Thomas Neunert legt mit seiner Dissertation zwei zeitgeschichtliche Fallstudien (Neunert, Th.: Organisationskultur konfessioneller Krankenhäuser. Ausklang und Nachfolge christlicher Schwesternschaften in Führung, Politik und Dienst zwischen 1945 und 2000. St. Theresienkrankenhaus Nürnberg und Diako Flensburg, Stuttgart: ibidem-Verlag 2009, 454 S.) vor. Es werden die alltäglichen Handlungswelten verschiedener Berufs- und Dienstgruppen rekonstruiert, wobei die Spannungen zwischen den Leitbildern und den Machtverhältnissen zum Ausdruck kommen. Grundlage sind (Archiv-)Dokumentenanalyse und qualitative Tiefeninterviews sowie ergänzend halbstandardisierte Fragebögen. Ohne hier in Details zu gehen, scheint der zentrale Befund in der Differenz der beiden Fälle zu liegen. Das diakonische Krankenhaus konnte sich erfolgreicher Modernisierungen öffnen als das Ordenskrankenhaus. Die Studie kann dahingehend theoretisch ausgewertet werden, dass deutlich 6 Weber/Hirsch (2002).

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wird, dass Krankenhäuser Kultur sind, die pfadprägend ist, aber auch an Kultur arbeiten können, also Kultur haben, und dass diesbezüglich Wandel möglich ist. Michael Fischer legt in seiner Habilitationsschrift eine Begründung und Gedanken zur Gestaltung des konfessionellen Krankenhauses aus theologischer und unternehmerischer Perspektive vor, womit sich erneut das (vom Verfasser als kriteriologisch bezeichnete) Spannungsfeld zwischen Ökonomik und Ethik abzeichnet als Dualismus im epistemischen Grundmodell der Situationsanalyse und der konzeptionellen Synthese (die der Verfasser als praxeologisch bezeichnet), wie es ein Thema bereits in obigen Diskussionen war (Fischer, M.: Das konfessionelle Krankenhaus. Begründung und Gestaltung aus theologischer und unternehmerischer Perspektive, Berlin: LIT 2009, 493 S.). Fischer geht von der Diagnose (die der Verfasser kairologisch definiert) eines turbulenten Transformationsprozesses aus. Schon zu Beginn wird deutlich, wie eng die Problemdefinition an dem normativen Fluchtpunkt barmherziger Hilfepraxis ausgerichtet ist. Haben wir bei Habersam weiter oben gesehen, wie eine Foucaultsche Perspektive Eingang findet in die Theorie des Managements und der Controllingphilosophie, so deutet sich hier schon das weitgehende Fehlen einer dekonstruktiven Selbstreflexion an. Es geht um die Grundhaltung heilenden Dienstes im unternehmerischen Kontext und somit im wettbewerblichen Umfeld. Die soeben referierte Studie von Fischer konnte bereits Modernisierungsdifferenziale andeuten. Wir dürfen also gespannt sein. Sehr bald macht sich im Verlauf der Lektüre jedoch eine gewisse Enttäuschung breit. Die Transformationsprozesse (S. 19 ff.) beschreibt der Verfasser zunächst am Beispiel der Franziskannerinnen von Münster – St. Maritz (S. 29 ff.). Es schließen sich systematische Situationsbeschreibungen zum Krankenhaus im Gesundheitswesen an (S. 51 ff.), der Trägerpluralismus im Krankenhaussektor wird statistisch rekonstruiert (S. 73 ff.). Die Analyse der unternehmenspolitischen „Verlautbarungen“ erfolgt ohne tiefere humanwissenschaftliche Analyse. Was abgeleitet wird, ist der triviale Befund der Spannung zwischen Ethik und Wettbewerbsfähigkeit (S. 99). Auffallend ist bei des Verfassers Suche nach dem kirchlichen Proprium die vielfach betonte Tradition der Väter der Einrichtungen, der Vatertradition insgesamt. Der theologische Begründungsteil (S. 105 ff.) wirkt daher auch recht konservativ, bieder, theologietheoretisch auch nicht sehr anspruchsvoll und wenig selbst-reflexiv mit Blick auf de-konstruktive Lesarten. Diese Kritik fundiert sich etwa mit Blick auf derlei Beiträge wie die von Lintner (2008) oder Albert (2010) im Lichte unserer eigenen Studien (Alich u. a. 2010, S. 122-158)7 zur Gabetheorie als theologische Anthropologie der Reflexion der Befunde der Soziologie, Ökonomie und Psychologie der Reziprozität. Der sich anschließende wirtschafts- bzw. unternehmensethische Teil (S. 149 ff.) bleibt bei relativ oberflächlichen Rezeptionen bekannter deutschsprachiger Positionen stehen; auch die Rezeption der empirischen Forschung macht den Eindruck zufälliger Literaturauswahl. Die weiteren Ausführungen gehen ebenso lehrbuchartig vor und behandeln Leitbilder (S. 267 ff.), Qualitätsmanagement (S. 279 ff.), Fragen eines christlichen Gütesiegels (S. 315 ff.). Themen wie Tod und Sterben im Krankenhaus schließen sich an (S. 357 ff.), sodann der Themenkreis der ethischen Beratung (S. 381 ff.) und einiges mehr.

7 Ferner vgl. in Schulz-Nieswandt/Köstler (2011).

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Es fragt sich, was an dieser Arbeit die Forschungsleistung einer Habilitationsschrift sein soll. In der Dissertation von Neunert lag immerhin eine eigenständige empirische Forschungsleistung vor. Das Fehlen jeglicher Rezeption englischsprachiger human- und verhaltenswissenschaftlicher Forschungsliteratur bei Fischer passt in dieses Bild. Die bisherigen Literaturreferate verwiesen auf transaktionale Konzeptualisierungen des unternehmerischen Handelns. Insofern schließen sich nunmehr Diskussionen zu den rechtlichen Regimen der Handlungskontexte an. Wir kommen nochmals auf den Krankenhaussektor zurück, jetzt aber aus beihilferechtlicher Sicht. Dazu liegt eine Studie von Bettina Leupold vor (Leupold, B.: Krankenhausmärkte in Europa. Aus der Perspektive des europäischen Beihilferechts, Baden-Baden: Nomos 2009, 419 S.). Leupold behandelt im Rahmen ihrer Dissertation die Krankenhausmärkte aus der Sicht des europäischen Beihilferechts. Grundlage ist eine exemplarische Darstellung der Vielfalt der Situationen der Krankenhäuser in Gesundheitssystemen Deutschlands, Frankreichs, der Niederlande, Polens, Englands und Schwedens. Die Arbeit kommt zu dem Gesamtergebnis, dass die staatlichen Beihilfen und Defizitausgleiche staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG seien. Eine Rechtfertigung gemäß Art. 86 Abs. 2 EG sei ausgeschlossen. Die Autorin versteht ihre Arbeit als Pionierarbeit. Eine solche kann eben auch von begrenzter Akzeptierbarkeit sein. Sie hat völlig Recht, wenn sie konstatiert, dass hinsichtlich der Anwendung des Beihilferechts auf die Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten noch viele Frage offen seinen (S. 394). Es bleibt eben offen, ob die Problematik in der von ihr angedeuteten Richtung beantwortet werden kann. Ebenso wirtschaftsliberal interpretiert Hannes Bucher die Anwendung des Europäischen Wettbewerbsrechts auf die nationalen Systeme der sozialen Sicherung der Mitgliedstaaten (Bucher, J.: Die Anwendung des Europäischen Wettbewerbsrechts auf Träger sozialer Sicherungssysteme. Der wettbewerbsrechtliche Unternehmensbegriff zwischen funktionaler Auslegung und der mitgliedstaatlichen Kompetenz zur Ausgestaltung sozialer Sicherungssysteme. Köln-München: Carl Heymanns Verlag 2008, 240 S.). Der Untertitel definiert den relevanten Spannungsbogen. Liegt Marktbezug in den Systemen der deutschen sozialen Sicherung vor? Dieser funktionale Unternehmensbegriff zwingt dann einerseits zur Anwendung des Wettbewerbsrechts Europas. Andererseits liegt die Kompetenz zur Systemausgestaltung bei den Mitgliedstaaten. Bucher argumentiert nun, der sozialversicherungsspezifische Ansatz des EuGH sei zu verwerfen (ähnlich auch oben Leupold mit Blick auf die systemischen Solidaritäts-Argumente des EuGH). Die Alternative zu den Ausnahmeregelungen sei die öffentliche Regulierung der Wettbewerbsmärkte. Die optimale Versorgungssicherstellung durch Märkte wird so zur Aufsichtspflichtaufgabe des Staates. Die Einführung von Pflichtversicherungssystemen mit Solidarausgleich, mit versicherungsfremden Leistungen und Umlagefinanzierung wird dagegen durch Art. 86 Abs. 1 EG i. V. m. Art. 82 EG untersagt, sofern durch diese staatlichen Systembildungen die Sozialversicherungsträger eine marktbeherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des gemeinsamen Marktes erlangen würden. Viele Fragen stellen sich hier: Was sind eigentlich versicherungsfremde Leistungen, wenn es sich eben um eine Sozialversicherung im Sinne eines originären Typus eigener Art und nicht um eine private Risikoversicherung handelt? Selbst-revidierend wird die Argumentation von Bucher dort, wo unter dem Aspekt der Erforderlichkeit dargelegt wird, dass es sein kann, dass die Erfüllung der besonderen Aufgabe (hier der

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gesundheitsbezogenen Versorgungssicherstellung) durch die Anwendung des Wettbewerbsrechts gefährdet wäre. Dann wäre nämlich eine Ausnahme vom Gemeinschaftsrecht erforderlich. Ferner wird das ganze Problem zu einer Angemessenheitsfrage. Abgewogen werden müssen die unbeeinträchtigte Entwicklung des Handelsverkehrs mit dem Interesse der betrauenden mitgliedstaatlichen Einheit an der Erfüllung der besonderen Aufgaben. Deshalb müsse unter besonderer Berücksichtigung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen eine Ausnahme vom Art. 86 Abs. 1 EG i. V. m. Art. 82 EG gewährt werden: „Die Bejahung der Unternehmenseigenschaft zwingt die Mitgliedstaaten demnach nicht zu tief greifenden Änderungen ihrer Sozialsysteme. Den Mitgliedstaaten bleibt trotz der Bejahung der Unternehmenseigenschaft ein weiter Spielraum zur Wahrnehmung ihrer Kompetenz zur Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme erhalten.“ (S. 205) Allerdings muss hierbei, u. E., die betrauungsrechtliche Grundlage weniger als Einzelfallbetrauung im Sinne einer Projektübertragung an einen einzelnen Leistungsanbieter verstanden werden, sondern als systemische Übertragung im Rahmen einer Übertragung korporativer Sicherstellungspraxis im Sinne der Gewährleistung. Damit sind wir erst wieder im Kontext institutioneller Arrangements im Sinne des staatsmittelbaren Sektors der Selbstverwaltung als Delegation öffentlicher Aufgaben an vor-staatliche Akteure. Das Schluss-Resümee von Bucher lässt wiederum erkennen, dass ihm diese Auslegungspraxis nicht gefällt. Das wichtige Argument, dass das Wettbewerbsrecht sich verändern muss, wenn sich Dienstleistungssysteme (z. B. technologisch) weiterentwickeln und verändern, war bislang geradezu das zentrale Argument, „natürliche Monopole“ dem Markt frei zu geben, d. h., im Markt oder um den Markt Wettbewerb zu organisieren, wobei die staatliche Organisationspraxis (durch regulative Rechtsregime) einen Ermöglichungszusammenhang für die Marktbildung durch Marktdesign-Politik darstellt. Hier nun ist wohl anzuerkennen, dass sich manche Dienstleistungsbereiche dem Wettbewerbsrecht sperren, weil es um dominant andere, nationale i. S. von gesellschaftsgestaltungspolitischen, einschließlich sozialpolitischen Ziele geht, die durch Wettbewerb in gravierendem Ausmaß in ihrer Verwirklichung ver- oder behindert werden. Obwohl bereits 2008 als Dissertation erschienen, soll die Arbeit von Karina Lott zur ÖPNVSituation zunächst aufgegriffen werden (Lott, K.: Kommunale ÖPNV-Unternehmen im Wettbewerb, Frankfurt am Main: Lang 2008, 327 S.). Die Dissertation passt in die bislang referierten Spannungsfelder, da die Verfasserin die kommunalen Unternehmen im Dienste der Daseinsvorsorgeerfüllung insbesondere mit Blick auf die Verwirklichung der einheitlichen Lebensbedingungen im Ortsgebiet diskutiert und somit auf ältere instrumentalfunktionstheoretische Diskurse abstellen kann. Vor diesem Hintergrund wird der EU-rechtliche Druck zum allgemeinen Ausschreibungswettbewerb (vor dem Hintergrund eines gewährleistungsstaatstheoretischen Denkens (Karl 2008)) evident. Zentrales Problem bleibt hierbei die Zuschussbedürftigkeit. Die Verfasserin spricht sich in diesem Zusammenhang explizit für das Instrument des öffentlichen Unternehmens aus. Unter Berücksichtigung der Novellierung der Verordnung Nr. 1191/698 und des Altmark-Trans-Urteils des EuGH (Mahmoudi 2007) wird die

8 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Rates und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates. Dazu auch Fandrey (2010) sowie Linke (2010).

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Frage nach den Alternativen zum obligatorischen Ausschreibungswettbewerb9 zentral und damit das Thema der Inhouse-Problematik (GÖW 2007)10 deutlich. Thematisch wie systematisch schließen sich hier nun die Diskurse zum „wettbewerblichen Dialog“ an. Hierzu ist auf eine Studie von Tobias Helmut Schneider zu verweisen (Schneider, T. H.: Der Wettbewerbliche Dialog im Spannungsfeld der Grundsätze des Vergaberechts, Berlin: Duncker & Humblot 2009, 275 S.). Schneider rekonstruiert die Genese und die Zielsetzungen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben und sodann die Anwendungsbereiche des wettbewerblichen Dialoges und positioniert das Instrument in das System des Vergaberechts11 ein. Das Thema ist vor allem deshalb interessant, weil sich hier Spielräume für den Auftraggeber für besonders komplexe Aufträge ergeben. Das Instrument, so der Verfasser, erweist sich als facettenreich und ist keineswegs auf den Bereich des ÖPNV begrenzt. Der Verfasser bietet tiefe Einsichten in die Probleme des Verfahrensablaufes des Instrumentes. Dabei spielt die Erwartung einer Synthese von feststehenden Rahmenbedingungen einerseits und Verfahrensflexibilisierungen andererseits eine zentrale Rolle. Transparenzprobleme bleiben dabei bestehen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes12. Das Instrument und seine Implementierung im Rahmen des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes aus dem Jahre 2005 (Berger 2009) wird vom Verfasser sehr positiv gewertet. Das würde sich im Verlauf der Zeit und mit der damit einhergehenden Rechtssicherheit zunehmend bestätigen. Hinsichtlich der Relevanz der Transparenz- und Gleichbehandlungsprinzipien schieben wir hier Bemerkungen zu der Arbeit von Florian Huerkamp ein (Huerkamp, F.: Gleichbehandlung und Transparenz als gemeinschaftsrechtliche Prinzipien der staatlichen Auftragsvergabe, Tübingen: Mohr Siebeck 2010, 361 S.). Die Kritik an der europrarechtlichen Engführung der Möglichkeiten der kommuanalen Selbstverwaltungswortschaft (Inhouse-Problematik und Obligatisierung des Ausschreibungswettbewerbs) muss anerkennen, welche tiefgreifende Anti-Diskriminierungs-Idee im Binnenmarkt-Prozess verborgen ist. Die Dissertation von Huerkamp kann die Prinzipien von Gleichbehandlung und Transparenz in ihrer gesamten Grundsätzlichkeit und ihrer Reichweite herausarbeiten. Die Gleichheitsrechte im Vergaberecht werden dargelegt, sodann die einzelnen Stationen des staatlichen Einkaufs entfaltet und diskutiert. Die Arbeit hebt hervor, dass die öffentliche Hand bei ihren Zielen frei sei; die Modalitäten der Umsetzung haben sich aber nach den besagten Prinzipien zu richten. Das kommt, in unserer Sprache gefasst, dem Regime des wohlfahrtsstaatlichen Kontraktmanagements gleich, wobei wir die Daseinsvorsorge mit zum wohlfahrtsstaatlichen Regime zählen. Die Möglichkeiten der freien öffentlichen ökonomischen Selbstbestätigung sind hierbei stark eingeschränkt. Die gerechte Verteilung der Marktchancen muss gegegen sein bzw. werden. Gegenstand der Dissertation von Mine Elfi Reimnitz ist ebenso dieses Instrument des neuen wettbewerblichen Dialogs (Reimnitz, M. E.: Der neue wettbewerbliche Dialog. Eine Alternative zum Verhandlungsverfahren unter Berücksichtigung von Public Private Partnership-Modellen, Frankfurt am Main: Lang 2009, 320 S.). 9 Vgl. auch Bock (2010). 10 Abgedruckt auch in Heft 3/2007 der Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen sowie in englischer Sprache: GÖW (2007 a). 11 Vgl. auch Bungenberg (2007). 12 Dazu Pollmann (2009).

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Die rechtswissenschaftliche Studie diskutiert die Struktur und die Tragfähigkeit des Instruments unter systematischen und teleologischen Aspekten. Ähnlich wie die Studie von Schneider (s. o.) kommt sie ebenso zu einem positiven Ergebnis hinsichtlich der Zusammenführung von formalisierten Regeln einerseits und dem Flexibilitätsbedürfnis andererseits. Die Verfasserin bezieht das Verfahrensinstrument explizit auch auf PPP-Projekte (vgl. S. 260 ff.). Dabei geht die Verfasserin von einer gegenläufigen Logik von Vergaberecht einerseits und PPP andererseits aus, sich dabei kritisch vor allem auf die Kommentare zum Grünbuch13 zu PPP seitens der EU-Kommission beziehend (S. 263). Rückwirkungseffekte des Binnenmarktes auf nationale Dienstleistungsmärkte: Unter diesem systematischen Diskurstitel lässt sich die Dissertation von Thomas Zimmermann einordnen (Zimmermann, Th: Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung aus der Perspektive des deutschen Gesundheitssystems. Status quo, Bestimmungsgründe und Entwicklungspotentiale, BadenBaden: Nomos 2009, 379 S.). Die Arbeit ist zwischen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften inter-disziplinär angelegt. Ausgehend von dem empirischen Befund der begrenzten transnationalen Faktorbewegungen im Gesundheitswesen in Europa wird das Problem der grenzüberschreitenden Gesundheitsmärkte juristisch aufgearbeitet und dann im Rahmen einer institutionenökonomischen Analyse internationaler Transaktionen unter Einschluss des Transportkostenansatzes der geografischen Ökonomie modelliert. Beide Teile, der rechts- wie der wirtschaftswissenschaftliche Teil sind wenig innovativ, bieten aber gute Zusammenfassungen des jeweiligen Standes der Debatte (Schulz-Nieswandt/Maier-Rigaud 2008, S. 515-533). Der Wert der Arbeit liegt aber zweifelsohne in der Zusammenführung der beiden disziplinären Zugänge zum Thema. Anhand der Arbeit kann man sich gut orientieren. Die systematische Einordnung in die gesamte EUSozialpolitik bleibt jedoch stark konturierungsbedürftig (Schulz-Nieswandt 2010 a; Schulz-Nieswandt/Mann/Sauer 2010). Stark ausgeblendet bleibt etwa auch die Frage der Rückwirkungen auf den Dritten Sektor (SchulzNieswandt 2008), eine Problematik, die in einer Arbeit von Peter Herrmann (auch international vergleichend) behandelt wird (Hermann, P.: Die Europäische Union als Programmgesellschaft. Das europäische Gesellschaftsmodell, die Sozialpolitik und der Dritte Sektor, Bremen: Europäischer Hochschulverlag 2009, 281 S.). Die Arbeit ist dicht und informationsreich geschrieben, aber in seiner Architektur des Argumentierens nicht transparent abgefasst und nicht leserfreundlich entfaltet. Es bietet aber zu den juristischen und ökonomischen Analysen, die soeben im Vordergrund standen, eine wichtige gesellschaftspolitische Ergänzung aus der Perspektive eines sozialwissenschaftlichen Sondierens des Feldes. Dennoch wäre etwas mehr Präzision hilfreich. Das bezieht sich auf ganze Diskursarenen wie z. B. die Steuerfreigemeinnützigkeit im Sozialsektor unter beihilferechtlichen Aspekten (Markowski/Piontkowski 2009), das grundsätzlich geklärt werden muss.14 Verwaltung im Wandel: Die öffentliche Verwaltung selbst zählt nicht zum Gegenstand des öffentlichen Wirtschaftens i. e. S. Dennoch bestehen natürlich komplexe Beziehungen. Ein Blick in die neuere Verwaltungsforschung und -lehre macht daher Sinn.

13 KOM (2004) 327 endgültig. 14 Vgl. z. B. dazu Droege (2010), Lissner (2009) sowie Schäffer (2009).

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In der zweiten, völlig überarbeiteten Fassung liegt das Lehrbuch von Jörg Bogumil und Werner Jann vor (Bogumil, J. & Jann, W.: Verwaltung und Verwaltungswissenschaften in Deutschland. 2., völlig überarb. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009, 357 S.). Das Buch orientiert sich an der Aufgabe, den Wandel der öffentlichen Verwaltung der letzten Jahrzehnte zu erklären. Es versteht sich politikwissenschaftlich. Dazu wird zunächst die Theorieund Forschungsgeschichte der deutschen Verwaltungswissenschaft(en) rekonstruiert (S. 21 ff.), natürlich bis hin zu den aktuell dominierenden Ansätzen zum aktivierenden Staat, zu New Public Management15 und den neueren Governance-Theorien. Es folgen lange Kapitel zum institutionellen Aufbau der öffentlichen Verwaltung in Deutschland (S. 65 ff.) und zu den inneren Strukturen und Prozessen (S. 135 ff.). Die ganze föderale Komplexität wird abgebildet. Es schließt sich ein Kapitel zu den Entwicklungsphasen der deutschen öffentlichen Verwaltung an (S. 211 ff.), das mit Ausführungen zur Europäisierung und zum entsprechenden europäischen Mehr-Ebenen-Modell endet (S. 276 ff.). Das Lehrbuch schließt mit einigen Anregungen zur politikwissenschaftlichen Perspektive der Verwaltungsforschung (S. 291 ff.). Didaktisch ist das Lehrbuch überaus überzeugend, bis hin zum Glossarium und zur kommentierten Literatur. Die Visualisierungen sind förderlich, ebenso die Lernziele. Warum ein Register fehlt, bleibt schleierhaft. Dagegen sind die Stichwörter am Textrand überaus gut orientierend. Das Lehrbuch ist ein unabdingbares „Muss“ in der ersten und grundlegenden Orientierung auch dann, wenn sich die jeweils eigene Arbeit eher auf das öffentliche Wirtschaften bezieht. Dennoch überrascht es doch etwas, dass post-strukturalistische Theorieströmungen bis hin zur de-konstruktiven Hermeneutik fehlen. Angesichts der Bedeutung der gouvernementalen Diskurse wirkt diese theoriesystematische Selbstbegrenzung doch etwas konservativ an. Damit fallen auch spezifische (etwa ethnografische) Blickperspektiven fort, wie überhaupt ein methodologisch-methodischer Teil im Lehrbuch fehlt. So wie dem Lehrbuch gewisse metatheoretische Reflexionen (wissenschaftstheoretischer, mehr noch epistemisch-diskurstheoretischer Art) fehlen, hilft das Buch auch kaum bei der Meinungsfindung. Die Ausführungen etwa zu Privatisierung und Liberalisierung öffentlicher Aufgaben sind (empirisch ohnehin unterkomplex) unkritisch und wirken so quasi krypto-normativ auf Affirmation hin. So wie das Lehrbuch von Bogumil und Jann, wie gesagt, auch Reformtrends im öffentlichen Verwaltungsbereich darlegen, fokussiert Hellmut Wollmann gerade auf diese Reformen (Wollmann, H.: Reformen in Kommunalpolitik und -verwaltung. England, Schweden, Frankreich und Deutschland im Vergleich. Herausgegeben von der Wüstenrot Stiftung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2008, 326 S.). Wollmann analysiert in diesem Forschungsbericht die genannten Länder als Prototypen der Entwicklung, wobei als Bestimmungsfaktoren Pfadabhängigkeiten, Europäisierung, internationale Reformdiskurse, Finanzkrise u. a. m. gelten können. Ergänzend fokussiert wird auf kommunale Strukturen und auf ausgewählte (auch die Sozialpolitik16 einschließende) kommunale Hand15 Vielfach geht es funktional bei NPM um ganz andere Aspekte der Organisationen als um die vielfach diskutierten ökonomischen Wirkungen. Vgl. Zimmermann (2009). Demnach geht es eher um ritualisierte Prozesse der organisationalen Identitätsdefinition angesichts veränderter Umwelten. Der Mythos von der Steuerbarkeit wird angesichts gewachsener Komplexität damit neu inszeniert. 16 Vgl. ferner Grohs (2009).

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lungsfelder. Hinsichtlich der Handlungsfähigkeit wird sogar ein (vom Verfasser selbstkritisch als gewagt bezeichnetes) „ranking“ dargelegt. Im Lichte eines multi-kriteriellen Maßstabes, der politische, leistungsfunktionelle, finanziellwirtschaftliche und territorialorganisatorische Profildimensionen verknüpft, schneidet Schweden auf Platz 1 ab. Deutschland folgt zwar auf Platz 2, weist aber eine Reihe von Ambivalenzen auf. Dies zeigt sich etwa auch an der schon bei Bogumil und Jann aufgeworfenen (s. o., dort S. 248) und hier ebenso von Wollmann ins Spiel gebrachten Frage (S. 297) nach dem Neo-Weberianischen Weg als Synthese des traditionalen rationalen Bürokratiemodells mit den Überlegungen der neuen Steuerung aus der New Public Management-Bewegung. Auch Wollmanns Studie hilft zur Orientierung im Rahmen der unübersichtlichen Landschaft der Kommunal- und Verwaltungsreformen. Dabei ist ein international vergleichender Blick17 erfrischend, blickerweiternd und in mancher Hinsicht ernüchternd, wobei neuerdings auch Japan zunehmend zum Vergleich herangezogen wird. (Niehaves 2009; Foljanty-Jost 2009)

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17 Vgl. ferner Kersting u. a. (2009) sowie Bach/Fleischer/Hustedt (2010).

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Mitteilungen Ludger Mansfeld, Franz-Josef Gräf und Norbert Vogelpoth

Nachruf: Zum Tode von Dr. Heinz Bolsenkötter Am 20. April 2010 ist der langjährige Leiter der WIBERA-Berichtskritik Dr. Heinz Bolsenkötter im Alter von 77 Jahren verstorben. Heinz Bolsenkötter, geboren am 9. Juni 1933 in Wanne-Eickel, war nach dem Abschluss seines Studiums im Jahr 1956 von 1957 bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1999 für die WIBERA Wirtschaftsberatung AG tätig, um danach als hochgeschätzter freier Mitarbeiter der WIBERA und von PricewaterhouseCoopers sein fulminantes Fachwissen uneigennützig in den Dienst dieser Gesellschaften zu stellen – bis ihn, den beinahe Unverwüstlichen, eine heimtückische Erkrankung, die er doch schon überwunden glaubte, aus unserer Mitte riss. Am 15. Februar 1957 trat Heinz Bolsenkötter als Prüfungsassistent in die WIBERA ein. 1961 wurde er von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln mit einer Dissertation über „Die gemischtwirtschaftliche Unternehmung in der Energiewirtschaft der Bundesrepublik Deutschlands und Westberlins“ zum Dr. rer. pol. promoviert. Die WIBERA berief ihn 1963 zum handlungsbevollmächtigten Leiter der Wissenschaftlichen Koordination. Das Berufsexamen als Wirtschaftsprüfer legte er 1968 ab. 1972 übertrug ihm die WIBERA die Leitung der Berichtskritik, die er bis 1999 innehatte. Zwischen 1973 und 1976 leitete er das WIBERA-Projekt „Ökonomie der Hochschule“, aus dem eine angesehene und viel beachtete dreibändige Studie hervorging. 1975 wurde er Geschäftsführer der DFK WIBERA GmbH. 1979 bestellte ihn der Vorstand der WIBERA zum Direktor. Der Bundespräsident verlieh Heinz Bolsenkötter im Jahr 1995 das Verdienstkreuz am Bande. Vielseitig war seine Mitwirkung in Fachbeiräten und Ausschüssen, u. a. im Wissenschaftlichen Beirat der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (GÖW), im Redaktionsbeirat dieser Zeitschrift (ZögU), im Europäischen Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP) oder im Prüfungsausschuss für die Eignungsprüfung als Wirtschaftsprüfer oder als vereidigter Buchprüfer beim Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Energie und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Heinz Bolsenkötter aber war nicht nur in der Ökonomie, sondern auch in allen Bereichen der Kultur zu Hause. Seine Zuneigung zur Musik (aktiv als Pianist, passiv als Opern- und Konzertfreund) sowie seine Liebe zur Sprache sind hier an erster Stelle zu nennen. Seiner intensiven Beziehung zur Sprache verdankte sich auch seine Freude am Publizieren. Heinz Bolsenkötters jahrelange fachliterarische Tätigkeit (u. a. Handbuch für kommunale Eigenbetriebe, Handbuch des Jahresabschlusses, Integriertes öffentliches Rechnungswesen) dokumentiert eine Publikationsliste, die anlässlich seines 75. Geburtstages im Jahr 2008 zusammengestellt wurde. Seine Hauptarbeitsgebiete erstreckten sich auf das wirtschaftliche Prüfungswesen, die Rechnungslegung mit ihren vielfältigen Einzelfragen, die öffentliche Wirtschaft – insbesondere mit Blick auf

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die Energiewirtschaft, das integrierte öffentliche Rechnungswesen sowie Internationalisierungstendenzen – und auf die Ökonomisierung der Hochschulen. In allen Bereichen hat er entscheidend an der Beantwortung von Grundsatzfragen mitgearbeitet. Als langjährigem Leiter der Berichtskritik lag Heinz Bolsenkötter überdies die Schulung der Prüferinnen und Prüfer am Herzen; davon zeugt sein Engagement bei der Konzeption betrieblicher Schulungsprogramme. Schulung war ihm stets ein Teil der Qualitätskontrolle und der nachhaltigen Qualitätssicherung – und im beständigen Lernen sowie durch wissenschaftliche Neugier blieb er selbst bis zum Schluss jung. Das Eigenbetriebsrecht der gemeindlichen Wirtschaftsbetriebe der öffentlichen Hand war eine der großen wirtschaftswissenschaftlichen Passionen Heinz Bolsenkötters. Er führte das bei Kohlhammer erschienene Standardwerk „Das Recht der gemeindlichen Eigenbetriebe“ von Friedrich Zeiß, des 1986 verstorbenen Vorstandsmitglieds der WIBERA, fort und bearbeitete es mit Fachkollegen der WIBERA für die vierte Auflage neu. Sie erschien 1993 unter demselben Titel und Autor, jedoch ohne dass die neuen Bundesländer berücksichtigt werden konnten, und war dennoch schnell wieder vergriffen. Als vollständige Überarbeitung der vierten Auflage kam unter Federführung von Heinz Bolsenkötter die neunhundertseitige fünfte Auflage im Jahr 2004 als „Bolsenkötter/Dau/Zuschlag, Gemeindliche Eigenbetriebe und Anstalten. Länderübergreifende Darstellung“ heraus. Auch diese Ausgabe ist nicht mehr im Buchhandel erhältlich. Eine weitere Neuauflage hätte er gerne noch mit auf den Weg gebracht. In den vergangenen Jahren setzte sich Heinz Bolsenkötter außerdem für die Einführung der kaufmännischen doppelten Buchführung (Doppik) im öffentlichen Rechnungswesen ein. Mit einer WIBERA/PwC-Projektgruppe hat er das Konzept eines integrierten öffentlichen Rechnungswesens auf doppischer Grundlage erarbeitet und vielfach darüber publiziert. Einige Publikationsprojekte konnte er nun nicht mehr abschließen. Wir werden seine Arbeit in seinem Geiste fortsetzen. Wir vermissen in Heinz Bolsenkötter einen stets freundlichen, geduldigen, engagierten, universell gebildeten und nicht zuletzt humorvollen Menschen. Dr. Ludger Mansfeld Franz-Josef Gräf Dr. Norbert Vogelpoth Vorstand der WIBERA Wirtschaftsberatung AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

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Zum Tode von Dr. Heinz Bolsenkötter

Wiederabdruck: Dr. Heinz Bolsenkötter: Ein Wanderer zwischen zwei Welten Zum 75. Geburtstag des Verstorbenen im Jahr 2008 Dr. Heinz Bolsenkötter war ein Wanderer zwischen zwei Welten: der Wissenschaft und der Praxis, genauer zwischen der Welt der Betriebswirtschaftslehre und der der öffentlichen Wirtschaft. In beiden Welten kennt er sich sehr gut aus. Seit seiner Kölner Dissertation im Jahre 1960 über die gemischtwirtschaftliche Unternehmung in der Energiewirtschaft in Deutschland gelingt es ihm in zahlreichen Veröffentlichungen, Forschungserkenntnisse und empirische Einsichten zu gewinnen und zu verbinden und beiden Welten anzudienen. Sein profundes Wissen insbesondere in den Bereichen Betriebsorganisation, Finanzwirtschaft und Rechnungswesen von Stadtwerken und darüber hinaus in deren Trägerverwaltungen machen ihn zu einem gefragten Berater, Gutachter, Prüfer und Publizisten. Wir kennen uns seit den sechziger Jahren, und unser Gedanken- und Erfahrungsaustausch fand und findet in ungezählten Sitzungen des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft der öffentlichen Wirtschaft – seit 1. Januar 2008: Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen – statt, in den er 1975 berufen wurde. In den Jahren danach und bis heute werden ihm die Leitung und/oder die Mitarbeit in mehreren Arbeitskreisen des Beirats angetragen. Sie befassen sich z. B. mit den gemeinwirtschaftlichen Lasten – lies: Leistungen – des ÖPNV, mit der Leitung und Überwachung öffentlicher Unternehmen – heute als Public Corporate Governance bezeichnet –, mit Problemen des Querverbunds, der Treuhandanstalt oder der Ökonomisierung des Staates. Der Schwerpunkt seiner jüngeren Arbeitsgebiete liegt in der öffentlichen Rechnungs- und Rechenschaftslegung im internationalen Kontext. Stets leistet er innovativen Transfer von Know-how. Es ist immer eine Freude, dem Jubilar zu begegnen. Früher war es das Vorrecht seiner unmittelbaren Weggenossen Friedrich Zeiß, Erich Potthoff und Eberhard Laux, mit ihm beruflich zusammenzuarbeiten. In seinen mittleren Jahren bis heute schätzen sich alle jene glücklich, die in dieser Zeitschrift zu Wort kommen und seine Wegbegleiter im genannten Beirat sind, einen solch kundigen und kollegialen Gesprächs- und Autorenpartner an ihrer Seite zu wissen. Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn Em. Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft (1992 bis 2005)

Anmerkung der Redaktion: In Kürze erscheint ein ZögU-Beiheft mit dem Thema „NRW-Pilotprojekt zum kommunalen Gesamtabschluss“, das von Dr. Heinz Bolsenkötter initiiert wurde und ihm gewidmet sein wird.

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Buchbesprechungen Herbert Mandelartz, Sisyphos lebt. Modernisierung der Verwaltung – alte Probleme, neue Fragen, Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2009, 228 S. Aktionismus statt kontinuierlicher Reformen der Politik und das fehlende Gedächtnis der Verwaltung hemmen eine konsequente Verwaltungsmodernisierung. In dieser Weise nimmt der Autor, ein ausgewiesener und überzeugter Praktiker der Ministerialverwaltung, holzschnittartig das Ergebnis seiner detailreichen und mit präzisen Hinweisen auf die Fachliteratur versehenen Ausführungen quasi vorweg. Was dann aber folgt, ist eine nüchterne und gleichwohl bilderreiche Analyse der vielfältigen Baustellen von der Föderalismusreform über das Dienstrecht, der negativen Haushaltsentwicklung bis zu e-governement. In jedem Kapitel spürt der Leser, dass jemand formuliert, der das Ethos des „Staatsdieners“ im besten Sinne hochhält, die Fehlentwicklungen und Schleifspuren in Politik und Verwaltung selbst erlitten hat, aber der dennoch nicht destruktiv und schadenfroh polemisiert, sondern die Selbstbehauptungskräfte der Verwaltung mit einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess stärken möchte. Die theoretischen Konzepte der jüngeren Zeit, die mit Schlagworten wie „schlanker Staat“ oder „aktivierender Staat“ beispielhaft angesprochen sein mögen, und selbst die Föderalismusreform werden nur knapp und konzentriert behandelt. Allen Konzepten sei gleich, dass Modernisierungsgewinne des Bürokratieabbaus unausgesprochen der Dominanz der Haushaltssanierung unterlagen. Wer sich beim Lesen zunächst eine vertiefte Auseinandersetzung über die einzelnen Instrumente wie Gesetzesfolgenabschätzung, Experimentierklauseln, Behörden- und Kommunalreform gewünscht haben sollte, begreift beim Weiterlesen schnell, dass der Autor eine auf die Verwaltungspraxis bezogene Didaktik der Darstellung bevorzugt, weil er dabei seine reichhaltigen persönlichen Erfahrungen illustrativ einbringen kann.

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Besonders anschaulich gelingt dies in den Fällen, in denen der Autor an der Behördenleitung beteiligt war, etwa beim Bundespresseamt, für dessen Eingliederung ins Bundeskanzleramt er plädiert. Die ausufernden Regierungsbeauftragten, über deren Zahl man sich offenbar noch nicht einmal einig ist, sind dem Autor ein Dorn im Auge. Es bestehe die Gefahr, dass der Grundsatz der Einheitlichkeit der Verwaltung aufgegeben werde, einer effizienten Aufgabenerledigung zuwider gehandelt werde oder der Blick fürs Ganze verloren gehe. Die Ausrichtung der Verwaltung an Leistungskriterien habe ungeachtet hochtrabender Vorhaben über mehrere Legislaturperioden wie das Dienstrechtsreformgesetz, das Strukturreformgesetz und das Dienstrechtsneuordnungsgesetz nur bescheidene Ergebnisse erbracht. Der Autor rügt eine ungenügende Beachtung der praktischen Erfahrungen in der Privatwirtschaft und in anderen Ländern, die in verschiedenen Studien recht gut aufgearbeitet seien. Er bezweifelt zudem, ob die Vorgesetzten in der Lage seien, mit dem Instrumentarium sachgerecht umzugehen. Folgerichtig widmet das nächste Kapitel seine Aufmerksamkeit der Führungskraft in der Verwaltung, der Professionalität und der Balance von Freiheit und Verantwortung. Ausführlich werden die notwendigen Voraussetzungen beschrieben, die ein operatives Management bei der Verwaltungsmodernisierung einbringen muss. Zugleich werden leichtfertige Behauptungen zurückgewiesen, die Stellen politischer Beamter seien ein Tummelplatz verfassungswidriger Ämterpatronage und mit Unfähigen und Minderqualifizierten besetzt. Gleichwohl sei die Vereinbarung von fachlicher Qualifikation und Vertrauen oft ein Auswahlproblem der politischen Leitungsebene. In ungewohnter Offenheit leitet der Autor das Kapitel über parteipolitische Ämterpatronage mit seiner eigenen Verwaltungskarriere auf dem Wege von Nordrhein-Westfalen über das Saarland zum Bund ein. Ein eigener Abschnitt ist dem Vergleich des Öffentlichen Dienstes mit der Privatwirtschaft gewidmet. Der Autor greift die Kritik an dem

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Organisationsaufbau und den Dysfunktionalitäten der Verwaltung sowie an der weitgehenden Unkündbarkeit der Mitarbeiter, gepaart mit einer großzügigen Versorgung, auf. Die Gründe für die unterschiedliche Eigenlogik und Governance der Systeme werden gut herausgearbeitet; zuweilen bezieht sich jedoch die Rechtfertigung mangelnder Effizienz und strukturellem Beharrungsvermögen im Öffentlichen Dienst allein auf den Vergleich der Fehlentwicklungen und Skandale in der Privatwirtschaft. Es wird nicht problematisiert, dass der unnötige Ressourcenverbrauch im öffentlichen Sektor den Steuerzahler trifft, der sich nicht gegen seine übermäßige Beanspruchung wehren kann, während im Privatsektor schließlich das Geld der Anteilseigner verbrannt wird und das ökonomische Scheitern in der Regel mit dem Verschwinden vom Markt bestraft wird. Im Schlusskapitel werden neue, bisher verdrängte Herausforderungen, die aber eine erhebliche Sprengkraft in sich tragen, erörtert. Dazu gehören die demographische Entwicklung, die Versorgungslasten, die sog. Nebenhaushalte und die Beteiligungsrisiken der öffentlichen Hand insbesondere im Kreditsektor. Gemessen an den Grundsätzen einer nachhaltigen Entwicklung kann man im Öffentlichen Sektor erst von zarten Ansätzen eines Problembewusstseins reden. Das gilt in den operativen Bereichen der Leistungserbringung ebenso wie bei der Verschuldung generell. Das Buch endet mit einem kurzen Ausblick auf die Globalisierung und die Bedeutung der Verwaltung als Standortfaktor. In der Gesamtwertung überwiegen die politischen Motive des Autors bei der Feststellung des Scheiterns der Verwaltungsmodernisierung. Die Bewertungen bleiben jedoch stets sachlich und ausgewogen, oft enthält der Autor sich einer abschließenden Stellungnahme und überlässt dem Leser die Schlussfolgerungen. In der Grundtendenz ist die Sympathie für einen unabhängigen und effizienten Öffentlichen Dienst durchgängig erkennbar. Hier hat ein Insider kritisch über seine ehemalige Profession geblickt; die Praxis wurde an dem verfassungsrechtlichen Leitbild prägnant gespiegelt. Das macht die Kritik glaubwürdig. Die lebendige Sprache und die zahlreichen Beispiele aus der Lebenswirklichkeit lassen den Leser nie ermüden. Ob man sich mit Albert

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Camus Sisyphos in der Verwaltung als einen glücklichen Menschen vorstellen muss, erscheint nicht abwegig, da die Politik die Verwaltungsmodernisierung immer wieder in neue Schläuche abfüllt (siehe „better regulation“ der EU-Kommission). Reinhold Kopp Martin Wambach, Alexander Etterer und Gunnar Stark, Kommunales Zins- und Schuldenmanagement. Der Einsatz von Zinsderivaten in Städten und Gemeinden, FinanzBuch Verlag, München 2009, 250 S. Besonders im Zuge der Doppik-Umstellung gewinnt die Bewertung der Vermögensseite an Bedeutung. Wurde in der Kameralistik der Umgang mit den Kosten der Verschuldung eher passiv vollzogen, wächst im Rahmen der Doppik-Anwendung die aktive Auseinandersetzung mit dieser Thematik. Intensiviert wird diese Sensibilisierung durch steigende Verschuldung, welche durch die Finanz- und Konjunkturkrise verstärkt wurde. Die Städte und Gemeinden in Deutschland stehen sowohl einnahme- als auch ausgabeseitig vor großen Herausforderungen. Durch absehbar sinkende Steuereinnahmen, steigende Verschuldung sowie mittelbare Auswirkungen der Finanzkrise auf die Kommunen, steigen die Anforderungen an das kommunale Zins- und Schuldenmanagement. Das Buch Kommunales Zins- und Schuldenmanagement. Der Einsatz von Zinsderivaten in Städten und Gemeinden offeriert eine Einführung in das kommunale Schuldenmanagement unter besonderer Berücksichtigung von Zinsderivaten. Es richtet sich in erster Linie an Praktiker aus der kommunalen Verwaltung. Der Themenkomplex Doppik wird im Buch nur rudimentär betrachtet, was allerdings hinsichtlich einer adäquaten Rahmeneinschätzung kommunalen Schuldenmanagements in größerer Ausführlichkeit wünschenswert wäre. Nichtsdestotrotz erläutert das Buch kurz, prägnant, zum Teil auch recht trivial die Notwendigkeit eines hinreichenden Schuldenmanagements. Dies kann allerdings insofern nur als Einstieg verstanden werden, da es sich im Rahmen von Zins- und Verschuldungsstrukturen und damit korrespondierenden Finanzinstrumenten (Derivate) um komplexe Zusam-

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menhänge handelt. Aufgrund der einfach gehaltenen Struktur des Buches werden komplexere Zusammenhänge teilweise nicht sichtbar. Bei Annuitätendarlehen beispielsweise wird zwar auf die Interdependenz von Zinssatz und Laufzeit verwiesen, jedoch ist dies schwer nachvollziehbar. Der in diesem Kontext bedeutendere Aspekt, folglich der Einfluss des Tilgungssatzes und des Zinssatzes auf die Gesamtkosten des Darlehens bleibt unerwähnt. Somit könnte bei weniger in der Materie stehenden Lesern die Verwunderung entstehen, dass ein Annuitätendarlehen mit 10 % Verzinsung und 3 % Tilgung am Ende günstiger ausfällt als eines mit 5 % Verzinsung und ein 1 % Tilgung, wegen der längeren Laufzeit. Ebenfalls fallen kleinere Ungenauigkeiten auf, wie beispielsweise die Synonymverwendung von Zinsrisiko und Zinsänderungsrisiko. Dennoch werden die Vor- und Nachteile der verschiedenen Konzepte praxisnah erläutert, womit eine leicht verständliche Nachschlageoption geboten wird. Die Autoren stellen ferner bei der Betrachtung der Finanzinstrumente klar heraus, was diese Instrumente leisten können und was nicht. Positiv anzumerken ist die seitens der Autoren gebrachte Bemerkung, „there is no such thing as a free lunch“ mit Bezug auf die Kosten von Swaps, da häufig der Eindruck entsteht, dass Zinsswaps als Allheilmittel eingesetzt werden können. Auch der häufig mit negativen Assoziationen belegte hochkomplexe CMS Ladder Swap wird beschrieben. Dabei wird exemplarisch dargelegt, welche Risikoausweitungen den Einsparungen entgegenstehen. Des Weiteren wird seitens der Autoren die Bedeutung der eigenen Zinsmeinung in den Kommunen hervorgehoben. Diese ist teilweise nur rudimentär vorhanden, wenngleich sie doch einen notwendigen Bestandteil im Rahmen der Bewirtschaftung des kommunalen Schuldenportfolios bildet. Alles in allem leistet das Buch einen anschaulichen, komprimierten und einführenden Beitrag zur komplexen Welt des kommunalen Zins- und Schuldenmanagements. Es kann als hilfreicher Start in die Thematik betrachtet werden. Selbstverständlich bedarf es zur Bewirtschaftung der kommunalen Schulden weiterführender Kenntnisse. Thomas Lenk, Oliver Rottmann

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Werner Sesselmeier, Lothar Funk und Bernd Waas, Arbeitsmarkttheorien – Eine ökonomisch-juristische Einführung, 3. vollständig überarbeitete Auflage, Physica-Verlag, Heidelberg 2010, 341 S. Das Lehrbuch bietet einen fundierten Überblick über die theoretischen Grundlagen der Arbeitsmarktökonomie. Die Autoren verfolgen einen erfrischend anderen, didaktisch wertvollen Ansatz, indem sie auf langwierige mathematisch-modelltheoretische Darstellungen verzichten und eine interdisziplinäre Herangehensweise wählen. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung mit Sachargumenten, die dem Leser das Verständnis für die Funktionsweise des Arbeitsmarktes sowie für die Ursachen von Arbeitslosigkeit erleichtert. Eine exzellente Einführung, die lesenswert für Jedermann ist, der über ökonomische Grundkenntnisse verfügt. Nach einer systematischen Darstellung der empirischen und theoretischen Grundlagen im ersten Kapitel werden die relevanten Grundlagen des Arbeitsrechts in Kapitel II kompakt und eingängig thematisiert. Diese sind für das Verständnis des Arbeitsmarktes sehr wichtig, spielen doch beispielsweise das Betriebsverfassungs- oder das Tarifvertragsrecht eine wesentliche Rolle für die ökonomischen Realitäten. Mit der Verzahnung ökonomischer und juristischer Gesichtspunkte hebt sich das Werk positiv von anderen Lehrbüchern ab. Dieser praxisorientierte Ansatz ist auch hilfreich für das Verständnis der nachfolgenden Kapitel, die Erweiterungen des zuvor dargestellten neoklassischen Basismodells umfassen, welche auf eine realitätsnähere Betrachtung des Arbeitsmarktes abzielen. Kapitel III befasst sich dabei mit der Humankapitaltheorie, der Suchtheorie und Gewerkschaftstheorien, die alle das Angebots- und Nachfrageverhalten am Arbeitsmarkt betrachten. Kapitel IV widmet sich dagegen mit Prinzipal-Agent-Ansätzen – Effizienzlohnmodellen und Insider-OutsiderTheorien – speziell den Arbeitsbeziehungen im Unternehmen. Darauf rücken in Kapitel V mit der Transaktionskostentheorie institutionelle Aspekte wie Vertragsregeln in den Vordergrund und schließlich verschiedene Konzepte der Arbeitsmarktsegmentation als Antwort auf das neoklassische Modell. Mit der Integration der mikroökonomisch orientierten Ansätze in einen makroökonomischen Rahmen zu einem ZögU 33. Jg. 4/2010

gesamtwirtschaftlichen Modell wird das Gesamtwerk sinnvoll abgerundet. Die Darstellung ist durchweg sehr verständlich und umfassend. Zuweilen komplexe Sachverhalte werden spannend und mit Praxisbezug erklärt. Die einzelnen Theorien werden zueinander in Relation sowie in ihren historischen Entstehungskontext gesetzt. Das Heranziehen der Ergebnisse empirischer Studien verdeutlicht die Aussagekraft bzw. die Reichweite der jeweiligen Ansätze. Zusätzliche Informationen in den „Kästen“ reichern die Theorien mit aktuellen wirtschaftspolitischen und juristischen Aspekten an. Die Literaturübersichten erleichtern darüber hinaus eine gezielte Vertiefung. Fazit: Das Lehrbuch ist überaus empfehlenswert. Eine Einführung, die man sich auch in anderen wirtschaftswissenschaftlichen Fächern nur wünschen kann. Romana Leuthardt Heinz-J. Bontrup und Ralf-M. Marquardt, Kritisches Handbuch der deutschen Elektrizitätswirtschaft, Forschung aus der Hans-BöcklerStiftung, Bd. 112, Edition Sigma, Berlin 2010, 475 S. Die vorliegende Schrift beschreibt die Strukturen und die regulierenden Rahmenbedingungen der deutschen Elektrizitätswirtschaft nach 1945 und vor allem nach 1998 und 2005. Nach diesem Einstieg in die grundlegenden Sachverhalte des Wirtschaftszweigs beschäftigen sich die Autoren ausführlich mit den Auswirkungen des Liberalisierungsprozesses. Sie stützen sich dabei auf umfangreiches statistisches Material und Befragungen von Betriebsräten und Geschäftsführungen von Stromversorgungsunternehmen. In einem methodischen Anhang werden diese Datengrundlagen und deren Auswertungen ausführlich dargelegt. Das von der EU und den Mitgliedsstaaten mit der Liberalisierung der Stromversorgung angestrebte Ziel war ja, durch Intensivierung des Wettbewerbs Produktivitätsreserven zu heben und diese vor allem den Stromkunden zugute kommen zu lassen. Zugleich sollten die Unternehmen moderner werden, die Versorgungssicherheit und der Klimaschutz sollten deutlich verbessert werden. Die Autoren gehen nun kritisch der Frage nach, ob diese hohen Ziele nun wirklich erreicht werden konnten.

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Sie untersuchen dies an Hand der vorliegenden statistischen Daten und Fakten. Ergebnis: Die Marktstrukturen haben sich in Richtung auf oligopolistische Strukturen hin verändert („Big-4“ und heftig gegen diese ankämpfende Stadtwerke). Es werden sodann die bekannte ernüchternde Entwicklung der Strompreise nach 1998/2005 und das Investitionsverhalten der Marktakteure untersucht, insbesondere das der vier großen Verbundunternehmen und unter dem Aspekt der allseits kritisierten Energiepolitik in Deutschland. Ein besonderes Kapitel beschäftigt sich mit der Analyse der Struktur und des Verhaltens der „Big-4“, der vier deutschen Verbundunternehmen. Ein wichtiges Kapitel beschäftigt sich mit der Entwicklung der Unternehmenskultur in den Unternehmen als Folge des Liberalisierungsund Regulierungsprozesses nach 2005. Hier kommen die Autoren auf Grundlage umfangreicher Recherchen bei Betriebsräten zu einer eher ernüchternden Erkenntnis: Die Liberalisierung in Verbindung mit der immer stärker werdenden Regulierung hat den Leistungsdruck auf die Beschäftigten stark erhöht, ohne daß es zu einer adäquaten Erhöhung der Bezüge gekommen wäre. Auch die Kunden haben im Grunde nicht oder nur zeitweise und partiell davon profitiert. Die Strompreise sind eher gestiegen als gefallen. Nur die Unternehmensgewinne seien deutlich besser geworden – auf allen Stufen. Allerdings seien die Gewinne der Stadtwerke den öffentlichen Haushalten zugute gekommen und haben hier gemeinwohlorientiert zur Abdeckung von Defiziten in anderen öffentlichen Aufgabenbereichen eingesetzt werden können. Dies führt die Autoren zu einem weiteren Kapitel, das sich mit der Stärkung der Stadtwerke beschäftigt. Sie attestieren den kommunalen Unternehmen große Chancen in den absehbaren Auseinandersetzungen mit den vier großen Verbundunternehmen, merken aber an, dass auch die Stadtwerke im Rahmen der Regulierungsprozesse nicht umhin können, deutliche Kostenminimierungen und Personaleinsparungen vorzunehmen und die Gewinnerwartungen der kommunalen Eigner zu berücksichtigen. Gleichwohl sehen sie in dem umfangreichen Katalog der kommunalen Unternehmensstrategien („Stadtwerk der Zukunft“) eine gute Chance, dass Stadtwerke nicht nur überleben,

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sondern ihren Marktanteil auch noch ausdehnen können. Die vorliegende Schrift ist eine wissenschaftliche Studie auf hohem Niveau, aber trotz der vielen Daten und Details sehr gut zu lesen. Sie wird sicher nicht nur Wissenschaftler ansprechen, sondern auch Praktiker aus Geschäftsführungen und Betriebsräten, letztere weil in einigen Teilen des Buches die Dinge aus der Sicht der Beschäftigten angegangen werden.

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Literatur- und Quellenverzeichnis, sowie methodischer Anhang sind fundiert und ermöglichen eine vertiefende Weiterarbeit an einem spannenden und zugleich höchst aktuellen Thema. Wer sich mit der Elektrizitätswirtschaft in Deutschland intensiv beschäftigen will, wird an diesem Buch nicht vorbeigehen können. Wolf Gottschalk

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Autorenverzeichnis Prof. Dr. Silke Boenigk, Professur für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management von Öffentlichen, Privaten & Nonprofit-Organisationen, Universität Hamburg, [email protected] Dipl.-Kfm. Patrick Brämer, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, [email protected] Prof. Dr. Hans Czap, FB IV – Wirtschaftsinformatik 1, [email protected] Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Peter Eichhorn, Em. Ordinarius für Betriebswirtschaftslehre, Universität Mannheim Prof. Dr. Horst Gischer, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und Forschungszentrum für Sparkassenentwicklung e. V., [email protected] Prof. Dr. Wolf Gottschalk, Universität Göttingen, Professur für Produktion und Logistik, [email protected] Franz-Josef Gräf, PricewaterhouseCoopers, WIBERA Wirtschaftsberatung, Reinhold Kopp, Rechtsanwalt, Heussen-Law Berlin, [email protected] Prof. Dr. Thomas Lenk, Institut für Öffentliche Finanzen und Public Management, Professur Finanzwissenschaft, Universität Leipzig, [email protected] Dipl.-Vw. Romana Leuthardt, Finanzministerium NRW, [email protected] Dr. Ludger Mansfeld, PricewaterhouseCoopers, WIBERA Wirtschaftsberatung, [email protected] Dr. Julia Naskrent, Hochschule für Ökonomie & Management (FOM) Siegen, [email protected] Dr. Ann-Marie Nienaber, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Organisation, Personal und Innovation, [email protected] Prof. Dr. Andreas Pfingsten, Institut für Kreditwesen und Finance Center Münster, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, [email protected] Dipl.-Vw. Toni Richter, Otto-von-Guericke-Universität, Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, [email protected] Dr. Oliver Rottmann, Kompetenzzentrum für Öffentliche Wirtschaft und Daseinsvorsorge, Universität Leipzig, [email protected] Christian Scherhag, Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management von Öffentlichen, Privaten & Nonprofit-Organisationen, Universität Hamburg, [email protected] Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Universität zu Köln, Seminar für Sozialpolitik, [email protected]

Dr. Philipp Siebelt, Hochschule für Ökonomie & Management (FOM) Siegen, [email protected] Dr. Jan Tietmeyer, terra nova e.V., [email protected] Dr. Norbert Vogelpoth, PricewaterhouseCoopers, [email protected] Priv.-Doz. Dr. habil. Lilia Waehlert, Universität Trier, FB IV – Wirtschaftsinformatik 1, [email protected] Dipl.-Kffr. Andreea Wagner, Universität Trier, FB IV – Wirtschaftsinformatik 1, [email protected]

Die Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen (Journal for Public and Nonprofit Services) ist eine wissenschaftliche Fachzeitschrift. Sie versteht sich ferner als Informations-, Diskussionsund Dokumentationsschrift und ist zugleich Organ des Bundesverbandes Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP (BVÖD). Die ZögU wendet sich an – Forscher, Lehrer und Studierende in wissenschaftlichen Hochschulen, Fachhochschulen sowie Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, ferner an – wissenschaftlich interessierte Führungskräfte sowohl in den Unternehmen des Bundes, der Länder und der Kirchen, Stiftungen, Parteien, Verbänden und Gewerkschaften einschließlich der öffentlich gebundenen und genossenschaftlichen Unternehmen, nicht zuletzt an – Politiker und Angehörige von öffentlichen Verwaltungen, Verbänden und Gewerkschaften, die mit öffentlichen und gemeinwirtschaftlichen Unternehmen zu tun haben. Referee-Verfahren: Die in der ZögU veröffentlichten Abhandlungen werden durch zwei fachkundige Dritte beidseitig anonym begutachtet, evtl. wird ein Drittgutachten eingeholt. Dem Verfasser wird danach mitgeteilt, ob der Beitrag zur Veröffentlichung – gegebenenfalls nach empfohlener Überarbeitung – angenommen werden kann.

Impressum Schriftleiter: Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt (V.i.S.d.P.) Redaktionsteam: Dipl.-Ges.-Ök. Saskia Alich, Dipl.-Volksw. Elisabeth Bünnagel, Benjamin Haas und Miriam Heins Alle zur Veröffentlichung bestimmten Manuskripte sind an Prof. Dr. Frank Schulz-Nieswandt, Seminar für Sozialpolitik, Universität zu Köln | Albertus-Magnus-Platz | D-50923 Köln | Telefon 0221/470-6615 | E-Mail: [email protected], zu senden. Mitteilungen an den Bundesverband Öffentliche Dienstleistungen – Deutsche Sektion des CEEP e.V. (BVÖD) | Sponholzstraße 11 | D-12159 Berlin | Telefon 0 30/ 8521045. Nicht verlangte Besprechungsexemplare können nicht zugesandt werden. Mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers, nicht die der Herausgeber wieder. Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG | Waldseestraße 3-5 | D-76530 Baden-Baden | Telefon 07221/2104-0 | Fax 07221/2104-27 Anzeigen: sales friendly Verlagsdienstleistungen | Siegburger Str. 123 | 53229 Bonn Telefon 0228/978980 | Fax 0228/9789820 | E-Mail [email protected] Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Unverlangt eingesandte Manuskripte – für die keine Haftung übernommen wird – gelten als Veröffentlichungsvorschlag zu den Bedingungen des Verlages. Es werden nur unveröffentlichte Originalarbeiten angenommen. Die Verfasser erklären sich mit einer nicht sinnentstellenden redaktionellen Bearbeitung einverstanden. Erscheinungsweise: viermal jährlich Bezugspreis 2010: jährlich 118,–€, Einzelheft 33,–€. Aus besonderen Anlässen oder zu Schwerpunktthemen erscheinen in unregelmäßiger Folge Beihefte, deren Preis jeweils umfangabhängig festgelegt wird. Die Preise verstehen sich incl. MwSt. zzgl. Versandkosten. Bestellungen nehmen entgegen: Der Buchhandel und der Verlag; Kündigung: Drei Monate vor Kalenderjahresende. Zahlungen jeweils im Voraus an: Nomos Verlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto 73636-751 (BLZ 66010075) und Stadtsparkasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ 66250030). ISSN 034-9777