Zwangs- vollstreckung - Nomos Shop

Kontopfändungsschutz ist nunmehr gänzlich durch das P-Konto abgelöst. ...... Gläubiger hierüber unverzüglich,29 dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 .... ners, durch die Gebühren für die Einholung der Vermögensauskunft und für die.
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Gesamtes Recht der

2. Auflage

Zwangsvollstreckung

Zwangsvollstreckung

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Zwangsvollstreckung ZPO | ZVG | Nebengesetze | Europäische Regelungen | Kosten Handkommentar 2. Auflage

ISBN 978-3-8329-7545-6

Nomos

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NomosKommentar Johann Kindl | Caroline Meller-Hannich | Hans-Joachim Wolf (†) [Hrsg.]

Gesamtes Recht der

Zwangs­ vollstreckung ZPO | ZVG | Nebengesetze | Europäische Regelungen | Kosten Handkommentar 2. Auflage Ralf Bendtsen, Vorsitzender Richter am LG Lüneburg | Ass.-Prof. Mag. Dr. Thomas Garber, Universität Graz | Dr. Michael Giers, Direktor des AG Neustadt am Rübenberge | Prof. Dr. Urs Peter Gruber, Universität Mainz | Prof. Dr. Lutz Haertlein, Universität Leipzig | Gün­ ter Handke, Richter am OLG Naumburg, Lehrbeauftragter an der Universität HalleWittenberg | Karl-Ludwig Kessel, Diplom-Rechtspfleger, LG Bonn, Lehrkraft am Ausbildungszentrum der Justiz NRW | Prof. Dr. Johann Kindl, Universität Münster | PD Dr. Raphael Koch, LL.M., EMBA, Universität Münster | Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg | Dr. Daniel Krone, Rechtsanwalt, München | Prof. Dr. Gerald Mäsch, Universität Münster, Richter am OLG Hamm | Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich, Universität Halle-Wittenberg | Dr. Kim J. Müller, Richterin, Troisdorf | Dr. Felix Netzer, LL.M., Rechtsanwalt, Frankfurt am Main | Hon.-Prof. Dr. Matthias Neumayr, Richter am Obersten Gerichtshof, Universität Linz | Mark Noethen, LL.M., Richter am LG Aachen | Dr. Julia Bettina Onderka, Richterin am LG Bonn | Robert Plastrotmann, Direktor des AG Monschau | Daniel Radke, Stellvertretender Direktor des AG Euskirchen | Dr. Hartmut Rensen, Richter am OLG Köln | Uwe Schneiders, Vorsitzender Richter am LG Bonn, Lehrbeauftragter an der Universität Bonn | Dr. Hans-Jörg Schultes, Rechtsanwalt, Bonn | Rainer Sievers, Rechtspfleger, AG Dortmund | Werner Sternal, Richter am OLG Köln | Bernd Stumpe, Diplom-Rechtspfleger a.D., Kamen | Prof. Dr. Michael Stürner, M.Jur., Universität Konstanz

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8329-7545-6

2. Auflage 2013 © Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2013. Printed in Germany. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.

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Vorwort Seit dem erstmaligen Erscheinen des Handkommentars zum gesamten Zwangsvollstreckungsrecht („Hk-ZV“) vor zwei Jahren hat das Vollstreckungsrecht eine Reihe von bedeutsamen Neuerungen und Veränderungen erfahren: Das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung mit seinen gravierenden inhaltlichen und strukturellen Änderungen tritt am 1.1.2013 in vollem Umfang in Kraft. Der frühere Kontopfändungsschutz ist nunmehr gänzlich durch das P‑Konto abgelöst. Für die europäische Vollstreckung in Unterhaltssachen gilt jetzt die EuUntVO. Am 1.8.2012 sind auch die deregulierten Fassungen der GVGA und der GVO in Kraft getreten, die in diesem Zuge an das FamFG angepasst wurden. Damit ist nur ein Teil der Aktivitäten des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Zwangsvollstreckungsrechts angesprochen. Bemerkenswert ist auch der beträchtliche Umfang der in den vergangenen beiden Jahren erschienenen Rechtsprechung und Literatur zum Zwangsvollstreckungsrecht, der dem Rechtsanwender wieder einmal die besondere Bedeutung dieses Rechtsgebiets vor Augen führt. Dies und die überaus freundliche Aufnahme, die der Handkommentar in seiner Erstauflage in Praxis und Wissenschaft gefunden hat, veranlassen uns zur Herausgabe dieser Neuauflage. Der Zuspruch, der dem Kommentar von Seiten seiner Nutzer entgegengebracht worden ist, hat uns ermutigt, das Konzept des HkZV unberührt zu lassen. Nach wie vor streben wir eine anspruchsvolle, verständlich formulierte und aktuelle Kommentierung aller wesentlichen vollstreckungsrechtlichen Vorschriften an, die nicht übertrieben in die Breite geht und den Praktiker ebenso anspricht wie den Wissenschaftler und die Studierenden. Von Nutzen ist der Kommentar darüber hinaus im Referendariat. Die für die Entscheidung von Streitfragen wesentlichen Gesichtspunkte werden dargestellt und sollen helfen, Argumentationsgrundlagen für Lösungen vollstreckungsrechtlicher Fragen zu finden. Die Darstellung sowohl des nationalen Rechts als auch der Rechtsquellen des internationalen Zwangsvollstreckungsrechts in einem Werk ermöglicht dem Leser ein effektives Arbeiten selbst in Spezialbereichen. Neu aufgenommen wurde im Bereich der internationalen Zwangsvollstreckung eine Kommentierung der EuMahnVO nebst den nationalen Durchführungsbestimmungen. Ebenfalls neu hinzugekommen ist jeweils eine eigenständige Kommentierung der EheEuGVO, der EuUntVO sowie des Auslandsunterhaltsgesetzes (AUG). Während der Arbeiten an der 2. Auflage ist unser lieber und hochgeschätzter Mitherausgeber Hans-Joachim Wolf plötzlich und viel zu früh verstorben. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren und sind erfüllt von Dank für sein tatkräftiges Schaffen an unserem Kommentar. Allen Autoren danken wir für die hervorragende Arbeit an der Neuauflage. Die Kommentierung beruht auf dem Gesetzesstand vom 1.1.2013. Rechtsprechung und Literatur konnten in der Regel bis August 2012 berücksichtigt werden. Unser besonderer Dank gilt wiederum Frau Rechtsanwältin Gertrud Vorbuchner für das ausgezeichnete Lektorat und die jederzeit gute Zusammenarbeit. Münster, Halle/Saale, im September 2012

Johann Kindl Caroline Meller-Hannich

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Inhaltsverzeichnis Vorwort ..............................................................................

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Bearbeiterverzeichnis ...............................................................

11

Abkürzungsverzeichnis .............................................................

13

Literaturverzeichnis .................................................................

27

Zivilprozessordnung Buch 8 Zwangsvollstreckung Abschnitt 1 Allgemeine Vorschriften (§§ 704–802) ........................ Abschnitt 2 Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 802a–882h) ..................................................... Titel 1 Allgemeine Vorschriften (§§ 802a–802l) ...................... Titel 2 Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (§§ 803–863) ........................................................ Untertitel 1 Allgemeine Vorschriften (§§ 803–807) ....... Untertitel 2 Zwangsvollstreckung in körperliche Sachen (§§ 808–827) ....................................... Untertitel 3 Zwangsvollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828–863) ....... Titel 3 Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (§§ 864–871) ........................................................ Titel 4 Verteilungsverfahren (§§ 872–882) ............................ Titel 5 Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 882a) ............................................ Titel 6 Schuldnerverzeichnis (§§ 882b–882h) .........................

33 437 437 527 529 555 632 932 963 990 995

Abschnitt 3 Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen (§§ 883–898) .............................................

1039

Abschnitt 4 (aufgehoben) §§ 899–915 ........................................

1122

Abschnitt 5 Arrest und einstweilige Verfügung (§§ 916–945) ............

1123

Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) Erster Abschnitt Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung von Grundstücken im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 1–161) .................................................. Erster Titel Allgemeine Vorschriften (§§ 1–14) ..................... Zweiter Titel Zwangsversteigerung (§§ 15–145a) .................... I. Anordnung der Versteigerung (§§ 15–27) .......

1283 1283 1314 1315 7

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II.

Aufhebung und einstweilige Einstellung des Verfahrens (§§ 28–34) .............................. III. Bestimmung des Versteigerungstermins (§§ 35–43) ............................................. IV. Geringstes Gebot Versteigerungsbedingungen (§§ 44–65) ............................................. V. Versteigerung (§§ 66–78) .......................... VI. Entscheidung über den Zuschlag (§§ 79–94) ... VII. Beschwerde (§§ 95–104) ........................... VIII.Verteilung des Erlöses (§§ 105–145) ............. IX. Grundpfandrechte in ausländischer Währung (§ 145a) ................................................ Dritter Titel Zwangsverwaltung (§§ 146–161) ...................... Anhang: Zwangsverwalterverordnung (ZwVwV) (Abdruck) .................................................... Zweiter Abschnitt Zwangsversteigerung von Schiffen, Schiffsbauwerken und Luftfahrzeugen im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 162–171n) .................................... Erster Titel Zwangsversteigerung von Schiffen und Schiffsbauwerken (§§ 162–171) .................................... Zweiter Titel Zwangsversteigerung von Luftfahrzeugen (§§ 171a–171n) ............................................

1343 1392 1407 1464 1509 1549 1590 1655 1657 1715 1721 1721 1727

Dritter Abschnitt Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung in besonderen Fällen (§§ 172–186) .......................

1730

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) (Auszug) ...........................

1755

Schwerpunktbeiträge 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Zwangsvollstreckung und Betreuung ........................................ Zwangsvollstreckung in IT-Güter ............................................ Zwangsvollstreckung in Ansprüche auf Sozialleistungen ................. Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsanteile ............................... Zwangsvollstreckung in Immaterialgüterrechte ............................ Zwangsvollstreckung im Mietverhältnis .................................... Zwangsvollstreckung und Gewaltschutzgesetz ............................. Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Einzelzwangsvollstreckung ......................................................................... 9. Haftung wegen unberechtigter Zwangsvollstreckung .....................

1907 1923

Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz – AnfG) ............

1935

VERORDNUNG (EG) Nr. 44/2001 DES RATES vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen .......................................................................

2015

8

1815 1824 1836 1855 1869 1882 1896

http://www.nomos-shop.de/15164 Inhaltsverzeichnis

Gesetz zur Ausführung zwischenstaatlicher Verträge und zur Durchführung von Verordnungen und Abkommen der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz – AVAG) ...........

2125

VERORDNUNG (EG) Nr. 805/2004 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen ....

2163

Anhang zur EuVTVO: §§ 1079–1086 ZPO ....................................

2244

VERORDNUNG (EG) Nr. 1896/2006 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens ..............................

2257

Anhang zur EuMahnVO: §§ 1087–1096 ZPO ................................

2320

VERORDNUNG (EG) Nr. 861/2007 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen ................

2333

Anhang zur EuBagatellVO: §§ 1097–1109 ZPO ..............................

2389

VERORDNUNG (EG) Nr. 2201/2003 DES RATES vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ................................................

2399

Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz – IntFamRVG) (Abdruck) ...................

2451

VERORDNUNG (EG) Nr. 4/2009 DES RATES vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen ...........................................

2469

Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (Auslandsunterhaltsgesetz – AUG) ...................

2565

Rechtspflegergesetz (RPflG) (Auszug) ...........................................

2617

Gesetz über Kosten der Gerichtsvollzieher (Gerichtsvollzieherkostengesetz – GvKostG) ...................................

2647

Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) (Abdruck) .............

2741

Gerichtsvollzieherordnung (GVO) (Abdruck) ..................................

2873

Stichwortverzeichnis ................................................................

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Bearbeiterverzeichnis Ralf Bendtsen, Vorsitzender Richter am Landgericht Lüneburg (§§ 765 a, 828–849, 872–882 a, 883–890, 892–898 ZPO) Ass.-Prof. Mag. Dr. Thomas Garber, Universität Graz (Art. 1, 16–22 EuUntVO) Dr. Michael Giers, Direktor des Amtsgerichts Neustadt am Rübenberge (§§ 704–721, 724–752 ZPO; FamFG) Prof. Dr. Urs Peter Gruber, Universität Mainz (Schwerpunktbeitrag „Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Einzelzwangsvollstreckung“) Prof. Dr. Lutz Haertlein, Universität Leipzig (§§ 916–945 ZPO; AnfG; Schwerpunktbeitrag „Haftung wegen unberechtigter Zwangsvollstreckung“) Günter Handke, Richter am OLG Naumburg, Lehrbeauftragter an der Universität Halle-Wittenberg (§§ 771–787, 789–793 ZPO) Karl-Ludwig Kessel, Diplom-Rechtspfleger, Landgericht Bonn, Lehrkraft am Ausbildungszentrum der Justiz NRW (kostenrechtliche Erläuterungen der §§ 704–945 ZPO; §§ 788, 891 ZPO; GvKostG; Einl. GVGA/GVO) Prof. Dr. Johann Kindl, Universität Münster (§§ 803–806 a, 808–827 ZPO) PD Dr. Raphael Koch, LL.M., EMBA, Universität Münster (§§ 857–863 ZPO; Schwerpunktbeitrag „Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsanteile“) Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg (Schwerpunktbeitrag „Zwangsvollstreckung in Ansprüche auf Sozialleistungen“) Dr. Daniel Krone, Rechtsanwalt, München (Schwerpunktbeitrag „Zwangsvollstreckung in IT-Güter“) Prof. Dr. Gerald Mäsch, Universität Münster, Richter am OLG Hamm (EuGVVO; EheEuGVO) Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich, Universität Halle-Wittenberg (§§ 850–856 ZPO; AVAG; AUG) Dr. Kim J. Müller, Richterin, Troisdorf (§§ 794–802 ZPO) Dr. Felix Netzer, LL.M., Rechtsanwalt, Frankfurt am Main (§§ 722, 723, 1087–1096, 1097–1109 ZPO; EuMahnVO; EuBagatellVO) Hon.-Prof. Dr. Matthias Neumayr, Richter am Obersten Gerichtshof, Universität Linz (Art. 23–43, 48 EuUntVO) Mark Noethen, LL.M., Richter am Landgericht Aachen (§§ 864–871 ZPO; §§ 28–34 ZVG) Dr. Julia Bettina Onderka, Richterin am Landgericht Bonn (Schwerpunktbeitrag „Zwangsvollstreckung in Immaterialgüterrechte“) Robert Plastrotmann, Direktor des Amtsgerichts Monschau (Schwerpunktbeiträge „Zwangsvollstreckung und Betreuung“ und „Zwangsvollstreckung und Gewaltschutzgesetz“) 11

http://www.nomos-shop.de/15164 Bearbeiterverzeichnis

Daniel Radke, Stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Euskirchen (RPflG) Dr. Hartmut Rensen, Richter am OLG Köln (§§ 95–104 ZVG) Uwe Schneiders, Vorsitzender Richter am Landgericht Bonn, Lehrbeauftragter an der Universität Bonn (§§ 767–770 ZPO) Dr. Hans-Jörg Schultes, Rechtsanwalt, Bonn (Schwerpunktbeitrag „Zwangsvollstreckung im Mietverhältnis“) Rainer Sievers, Rechtspfleger, Amtsgericht Dortmund (§§ 753–765 ZPO; §§ 1–27, 105–179 ZVG) Werner Sternal, Richter am OLG Köln (§§ 766, 802 a–802 l, 807, 882 b–882 h ZPO) Bernd Stumpe, Diplom-Rechtspfleger a.D., Kamen (§§ 35–94, 180–186 ZVG) Prof. Dr. Michael Stürner, M.Jur. (Oxford), Universität Konstanz (§§ 1079–1086 ZPO; EuVTVO)

Zitiervorschlag Hk-ZV/Bearbeiter, § 704 ZPO Rn 1 bzw Hk-ZV/Bearbeiter, FamFG Rn 1 bzw Hk-ZV/Bearbeiter, Schwerpunktbeitrag „(Kurz-)Titel“ Rn 1

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Abschnitt 2 | Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

§ 802 b Gütliche Erledigung; Vollstreckungsaufschub bei Zahlungsvereinbarung (1) Der Gerichtsvollzieher soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Erledigung bedacht sein. (2) 1Hat der Gläubiger eine Zahlungsvereinbarung nicht ausgeschlossen, so kann der Gerichtsvollzieher dem Schuldner eine Zahlungsfrist einräumen oder eine Tilgung durch Teilleistungen (Ratenzahlung) gestatten, sofern der Schuldner glaubhaft darlegt, die nach Höhe und Zeitpunkt festzusetzenden Zahlungen erbringen zu können. 2Soweit ein Zahlungsplan nach Satz 1 festgesetzt wird, ist die Vollstreckung aufgeschoben. 3Die Tilgung soll binnen zwölf Monaten abgeschlossen sein. (3) 1Der Gerichtsvollzieher unterrichtet den Gläubiger unverzüglich über den gemäß Absatz 2 festgesetzten Zahlungsplan und den Vollstreckungsaufschub. 2Widerspricht der Gläubiger unverzüglich, so wird der Zahlungsplan mit der Unterrichtung des Schuldners hinfällig; zugleich endet der Vollstreckungsaufschub. 3 Dieselben Wirkungen treten ein, wenn der Schuldner mit einer festgesetzten Zahlung ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät. § 114 a GVGA [noch zu § 806 b aF] Literatur zu § 802 b: Fischer, Die Reform der Sachaufklärung im Lichte der Vollstreckungsmodernisierung – Anmerkung zu einer reformbedürftigen Reform, DGVZ 2010, 113; Schwörer, Die Zukunft der gütlichen Vollstreckung, DGVZ 2011, 77. Siehe auch die Literaturhinweise zu Vor §§ 802 a–802 l. Literatur zu § 806 b aF: Harnacke, Rateninkasso durch den Gerichtsvollzieher unter Berücksichtigung der neuen GVGA, DGVZ 1999, 81; Helwich, Ratenzahlungsvereinbarung bei Gläubigermehrheit, DGVZ 2000, 105; Kessel, Kostenrechtliche Folgen des Rateninkassos durch den Gerichtsvollzieher, DGVZ 1999, 163; Nies, Ratenzahlungsmodalitäten in der Mobiliar-Zwangsvollstreckung nach neuem Recht, MDR 1999, 659; Schilken, Die Einziehung von Teilbeträgen durch den Gerichtsvollzieher gemäß §§ 806 b, 813 a, 900 Abs. 3 ZPO nF, DGVZ 1998, 145. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der gütlichen Erledigung (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zahlungsvereinbarung (Abs. 2) 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Ausschluss der Ratenzahlungsvereinbarung durch Gläubiger (Abs. 2 S. 1) . . . . . . 3. Glaubhafte Ratenzahlungsversicherung durch den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4. Vollstreckungsaufschub (Abs. 2 S. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Widerspruch des Gläubigers (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vollstreckungsaufträge mehrerer Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Weitere praktische Hinweise . . . . VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsvollzieherkosten . . . . 2. Rechtsanwaltsvergütung . . . .

12 15 18 21 22 25 25 29

I. Normzweck 1 Abs. 1 fasst den früher in den §§ 806 b S. 1, 813 a und 900 Abs. 3 aF zum Aus-

druck kommenden Grundsatz der gütlichen Erledigung zusammen und verallgemeinert ihn als Leitgedanken für alle Verfahren. Der Gerichtsvollzieher ist berechtigt und verpflichtet, in jedem Abschnitt der Zwangsvollstreckung auf eine

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gütliche Erledigung hinzuwirken.1 Abs. 2 übernimmt die bisher in § 806 b S. 2 aF enthaltene Regelung und schafft für den Gerichtsvollzieher die gesetzliche Grundlage für eine Tilgung der Schuld durch Gewährung einer Zahlungsfrist oder der Einräumung von Ratenzahlungen. Zudem werden Inhalt und Rechtsfolgen einer getroffenen Zahlungsvereinbarung geregelt.2 Abs. 3 regelt das weitere Verfahren nach der Aufstellung eines Zahlungsplans durch den Gerichtsvollzieher. Ist der Gläubiger hiermit nicht einverstanden, muss er, um alsbald Rechtsklarheit zu schaffen, unverzüglich reagieren und Widerspruch einlegen. Zudem bestimmt die Vorschrift die Folgen, sofern der Schuldner die Zahlungsvereinbarung nicht einhält. Zum Übergangsrecht s. Vor §§ 802 a–802 l Rn 9 f.

II. Grundsatz der gütlichen Erledigung (Abs. 1) Der Grundsatz der gütlichen Erledigung gilt für alle Abschnitte der Zwangsvollstreckung von dem Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft bis zur Eintragung des Schuldners in das Schuldnerverzeichnis.3 Ein Instrument der gütlichen Vollstreckung kann bspw eine doppelseitige Sicherungstreuhand sein.4 Aus einem Verstoß gegen diesen Grundsatz der effizienten Vollstreckung lassen sich noch keine unmittelbaren Rechtsfolgen herleiten. Der Schuldner und der Gläubiger können ggf das Verhalten des Gerichtsvollziehers, insb. die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder die Weigerung des Gerichtsvollziehers, eine Vollstreckungshandlung dem Auftrag gemäß durchzuführen, mit der Erinnerung nach § 766 gerichtlich überprüfen lassen (s. dazu § 766 Rn 14 ff); zu der daneben bestehenden Möglichkeit der Einlegung einer Dienstaufsichtsbeschwerde s. § 766 Rn 9.

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III. Zahlungsvereinbarung (Abs. 2) 1. Allgemeines. Der Gerichtsvollzieher kann, sofern der Gläubiger mit dem Voll- 4 streckungsauftrag keine gegenteilige Weisung erteilt hat (vgl Rn 9), dem Schuldner entweder eine Zahlungsfrist einräumen oder die Tilgung der Schuld durch Ratenzahlungen gestatten (Abs. 2 S. 1);5 zudem ist der Gerichtsvollzieher befugt, eine Kombination von beiden Möglichkeiten wählen.6 Voraussetzung ist, dass der Schuldner glaubhaft darlegt (s. Rn 10), er könne die 5 Forderung des Gläubigers einschließlich Zinsen und Kosten zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in Raten tilgen. Der Gerichtsvollzieher kann die Raten in unterschiedlicher Höhe bzw den Zeitpunkt unregelmäßig bestimmen. Die dem Schuldner gewährte Tilgungsfrist soll zwölf Monate nicht übersteigen (Abs. 2 S. 3). Nach pflichtgemäßem Ermessen darf der Gerichtsvollzieher in Ausnahmefällen auch eine längere Frist gewähren,7 sofern der Gläubiger im Vollstreckungsauftrag (§§ 753, 754) keine entgegenstehende Erklärung abgegeben hat. Das Ermessen hat sich an dem Grundsatz der zügigen Beitreibung der Forderung des Gläubigers (§ 802 a Abs. 1) zu orientieren. Insoweit kann der Gerichtsvollzieher die 1 BT-Drucks. 16/10069, S. 24; Sternal, in: Wolf u.a., Zwangsvollstreckungsrecht aktuell, § 6 Rn 10. Kritisch wegen der Übertragung richterähnlicher Aufgabe Brüne, DGVZ 2010, 24, 28 f. 2 BT-Drucks. 16/10069, S. 24. 3 BT-Drucks. 16/10069, S. 24; Thomas/Putzo/Seiler, § 802 b Rn 1; Schwörer, DGVZ 2011, 77. 4 Thomas/Putzo/Seiler, § 802 b Rn 1; Riggert, DGVZ 2011, 137. 5 Sternal, in: Wolf u.a., Zwangsvollstreckungsrecht aktuell, § 6 Rn 11. 6 Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 3. 7 BT-Drucks. 16/10069, S. 25; BT-Drucks. 16/13432, S. 43. Hk-ZV/Sternal

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Abschnitt 2 | Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen

Überwachung einer längerfristig eingeräumten Ratenzahlung dem Gläubiger übertragen und diesem die Vollstreckungsunterlagen zurückgeben. Die Unterlagen sind in diesem Falle bei Wegfall des Vollstreckungsaufschubs und Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erneut an den Gerichtsvollzieher zu übersenden. Abs. 2 schreibt für den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung keinen bestimmten Zeitpunkt vor; vielmehr darf der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Zwangsvollstreckungsverfahrens eine entsprechende Vereinbarung treffen. In der Einräumung einer Zahlungsfrist oder der Tilgung durch Teilleistungen liegt keine Stundung der Forderung,8 wie der Gesetzgeber durch den gewählten Terminus „Zahlungsvereinbarung“ ausdrücklich klargestellt hat. Entsprechend hat die mit dem Gerichtsvollzieher getroffene Vereinbarung keinen Einfluss auf die Fälligkeit und den Verzug. Auch bei einer Teilzahlungsvereinbarung fallen weiterhin Verzugszinsen an.9 Im Falle einer Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner hat der Gerichtsvollzieher einen Zahlungsplan festzusetzen (Abs. 2 S. 2), in dem er den Zahlungszeitpunkt bzw bei der Gewährung von Ratenzahlungen die einzelnen Zahlungstermine sowie die Höhe und Anzahl der Teilleistungen bestimmt. Zudem sind in dem Plan die Art der Zahlung (Überweisung auf ein Konto, Barzahlung etc.) sowie der Zahlungsempfänger (Gerichtsvollzieher, Gläubiger etc.) festzulegen. Zudem ist es geboten, den Schuldner über die Folgen eines Zahlungsrückstands (vgl Rn 13) zu belehren. Der Gerichtsvollzieher hat die Umstände der vom Schuldner angebotenen Ratenzahlungen, die für oder gegen die Glaubhaftigkeit des Angebots sprechenden Gründen, das Einverständnis des Gläubigers, die Belehrung des Schuldners über die Folgen des Zahlungsrückstands und die Einziehung der Raten in das Protokoll (§ 762) aufzunehmen (vgl § 114 a Abs. 1 GVGA).10 Zudem hat er dem Schuldner über die geleisteten Teilbeträge eine Quittung zu erteilen (§ 757 Abs. 1). Die von dem Schuldner aufgrund einer Zahlungsvereinbarung an den Gerichtsvollzieher ausgehändigten oder überwiesenen Teilzahlungen können von nachfolgenden Gläubigern nicht gepfändet werden.11 Demgegenüber unterliegen die vom Schuldner erbrachten Ratenzahlungen im Rahmen eines anschließenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners der Insolvenzanfechtung nach § 131 InsO12 bzw § 133 Abs. 1 InsO.13 2. Kein Ausschluss der Ratenzahlungsvereinbarung durch Gläubiger (Abs. 2 S. 1). Die Bewilligung einer Zahlungsfrist oder von Ratenzahlung setzt das Einverständnis des Gläubigers voraus. Indes fordert das Gesetz keine ausdrückliche Einverständniserklärung seitens des Gläubigers bei Erteilung des Vollstreckungsauftrags. Vielmehr vermutet Abs. 2 S. 1 ein entsprechendes Einverständnis zur Einziehung der Schuld in Teilbeträgen durch den Gerichtsvollzieher,14 sofern der Gläubiger keine gegenteilige Erklärung abgibt. Zu Nachfragen ist der Gerichtsvollzieher nicht gehalten. Daher ist er zum Abschluss einer Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner berechtigt (vgl § 754), sofern der Gläubiger bei Erteilung des Vollstreckungsauftrags diese Möglichkeit nicht ausdrücklich aus8 9 10 11

Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 3; Thomas/Putzo/Seiler, § 802 b Rn 4. BT-Drucks. 16/13432, S. 42 f; Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 3. Stein/Jonas/Münzberg, § 806 b Rn 8. LG Wiesbaden DGVZ 2002, 73; Stein/Jonas/Münzberg, § 806 b Rn 7; Zöller/Stöber, § 806 b Rn 13; Helwich, DGVZ 2000, 105, 108. 12 BGHZ 136, 309 = NJW 1997, 3445; BGHZ 157, 353 = NJW 2004, 1444; BGHZ 167, 11 = NJW 2006, 1870; NJW-RR 2008, 919; jew. zur Anfechtung der Zwangsvollstreckung in der kritischen Zeit. 13 BGH NJW 2010, 1671; Thomas/Putz/Seiler, § 806 b Rn 2. 14 BT-Drucks. 16/10069, S. 24; Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 4.

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schließt. Zudem kann der Gläubiger bereits bei der Beauftragung des Gerichtsvollziehers sein Einverständnis nur eingeschränkt erteilen,15 zB hinsichtlich der Höhe und der Anzahl der Raten oder der Höchstdauer der Tilgungsfrist; auch über zwölf Monate hinaus.16 Hieran ist der Gerichtsvollzieher wegen des im Vollstreckungsrecht geltenden Grundsatzes der Parteiherrschaft17 gebunden; in diesem Fall darf er grds. nur eine entsprechende Zahlungsvereinbarung abschließen. Zudem kann der Gläubiger nach Abs. 3 S. 2 nachträglich einer vom Gerichtsvollzieher getroffenen Vereinbarung widersprechen (s. Rn 15). 3. Glaubhafte Ratenzahlungsversicherung durch den Schuldner. Die Gewährung 10 einer Zahlungsfrist oder die Einräumung von Ratenzahlungen kommt nur in Betracht, wenn der Schuldner glaubhaft darlegt, die Forderung des Gläubigers einschließlich der Zinsen und Kosten begleichen zu können. Mit der glaubhaften Darlegung ist keine förmliche Glaubhaftmachung iSd § 294 gemeint.18 Es reicht ein nachvollziehbarer Vortrag, der ggf durch aussagekräftige Unterlagen (zB Gehaltsabrechnung, Kontoauszüge) belegt werden muss;19 hierbei dürfen die Anforderungen an die Darlegung nicht überspannt werden. Dem Gerichtsvollzieher steht hinsichtlich der Würdigung der Angaben des Schuldners ein relativ großer Ermessensspielraum zu. Insbesondere darf er auch das bisherige Verhalten des Schuldners frei würdigen. Ein pauschal gehaltenes Zahlungsversprechen genügt nicht.20 Vielmehr muss der 11 Schuldner grds. nähere Angaben zu seiner Zahlungsfähigkeit und ‑bereitschaft machen, zB wie und wann er die von ihm zugesagten oder von dem Gerichtsvollzieher vorgegebenen Zahlungen erbringen kann. Weiterhin können Angaben über die Herkunft der Mittel erforderlich sein, die der Schuldner zur kurzfristigen Tilgung der Schuld einsetzen möchte.21 Insoweit kann es ausreichen, dass der Schuldner glaubhaft darlegt, dass Dritte – zB Familienangehörige – die Mittel zur Verfügung stellen werden.22 Im Einzelfall können auch Angaben dazu geboten sein, warum der Schuldner bisher aus den nunmehr aufgezeigten finanziellen Mitteln keine Zahlungen auf den Vollstreckungstitel erbracht hat. Für die Glaubhaftigkeit der Darlegung kann die sofortige Leistung der ersten Ratenzahlung sprechen. 4. Vollstreckungsaufschub (Abs. 2 S. 2). Die Aufstellung eines Zahlungsplans 12 durch den Gerichtsvollzieher führt zu einem gesetzlichen Vollstreckungsaufschub (Abs. 2 S. 2). Die Zwangsvollstreckung darf nicht fortgesetzt werden; die Vollstreckungsunterlagen bleiben beim Gerichtsvollzieher. Bereits ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen (zB Pfändungen) bleiben bestehen und werden nicht aufgehoben. Dies wird zwar gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt; folgt jedoch aus dem Gesetzeswortlaut „Vollstreckungsaufschub“ und den in der Gesetzesbegründung aufgeführten Beispiele.23 Der Gerichtsvollzieher muss einen bereits bestimmten Termin zur Vermögensauskunft (§§ 802 c, 802 f) oder zur Verwertung gepfändeter Sachen (§ 814) auf den Zeitpunkt nach dem nächsten Zahlungstermin verlegen.24 Bei der Gewährung von Ratenzahlungen dürfte sich aus Prakti15 16 17 18 19 20 21 22 23 24

BT-Drucks. 16/10069, S. 24. BT-Drucks. 16/13432, S. 43. Vgl Zöller/Stöber, Vor § 704 Rn 19. BT-Drucks. 16/10069, S. 24; Thomas/Putzo/Seiler, § 802 b Rn 3; sowie Musielak/ Becker, § 806 b Rn 2 (noch zu § 806 b). BT-Drucks. 16/10069, S. 24. LG Frankenthal Rpfleger 1981, 363. MüKo-ZPO/Gruber, § 806 b Rn 5; Stein/Jonas/Münzberg, § 806 b Rn 4; Thomas/ Putzo/Seiler, § 806 b Rn 4. Schilken, DGVZ 1998, 145, 146. Musielak/Voit, § 802 b Rn 3; BR-Drucks. 304/08, S. 53. BT-Drucks. 16/10069, S. 24; Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 7. Hk-ZV/Sternal

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kabilitätsgründen indes anbieten, den Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft zunächst auf unbestimmte Zeit zu verschieben, damit nicht im Falle von fristgerechten Teilzahlungen weitere Terminsverlegungen erforderlich sind. Im Falle des Wegfalls des Vollstreckungsaufschubs kann dann kurzfristig ein neuer Termin bestimmt werden. Der mit der Zahlungsvereinbarung gesetzlich verbundene Vollstreckungsaufschub endet von Gesetzes wegen, sofern der Schuldner mit der Zahlung der festgesetzten Raten ganz oder teilweise länger als zwei Wochen in Rückstand gerät. Ein Schuldnerverzug ist nicht erforderlich; vielmehr tritt der Wegfall des Vollstreckungsaufschubs automatisch auch bei einem unverschuldeten Leistungshindernis ein.25 Erforderlich ist, dass innerhalb der Frist die in dem Zahlungsplan vorgegebene Zahlungsmodalität (zB Überweisung auf Konto, Barzahlung) erfüllt wird. Ein überwiesener Geldbetrag muss auf dem angegebenen Konto eingegangen sein;26 die Erteilung des Überweisungsauftrags innerhalb der Frist genügt nicht. Will der Schuldner eine Fortsetzung der Vollstreckung vermeiden, muss er schon vor Fälligkeit der nächsten Rate innerhalb der Zwei-Wochen-Frist mit dem Gläubiger eine Regelung über die Modifizierung der Ratenzahlungsvereinbarung treffen.27 Kommt eine entsprechende Änderung der Zahlungsvereinbarung mit dem Gläubiger zustande, bleibt der Vollstreckungsaufschub erhalten.28 Mit der Beendigung des Vollstreckungsaufschubs wird der Zahlungsplan hinfällig (Abs. 3 S. 3) und der Gerichtsvollzieher setzt die Vollstreckung fort. Der Vollstreckungsaufschub endet ebenfalls nach Abs. 3 S. 2 automatisch, wenn der Gläubiger dem Zahlungsplan unverzüglich widerspricht (s. Rn 15 f). Auch nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist besteht die Möglichkeit einer erneuten (modifizierten) Zahlungsvereinbarung, sofern sich der Gläubiger hiermit einverstanden erklärt und nicht auf eine Fortsetzung der Vollstreckung besteht.

IV. Widerspruch des Gläubigers (Abs. 3) 15 Kommt eine Zahlungsvereinbarung zustande, muss der Gerichtsvollzieher den

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Gläubiger hierüber unverzüglich,29 dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), informieren (Abs. 3 S. 1). Die Unterrichtung ist nicht Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Zahlungsaufschub.30 Eine bestimmte Form der Mitteilung sieht das Gesetz nicht vor; sie kann auch telefonisch oder per E-Mail erfolgen.31 § 114 a Abs. 3 GVGA sieht im Falle der Einziehung von Teilbeträgen eine Unterrichtung durch Übersendung einer Abschrift des Protokolls (§ 762) vor. Sofern der Gläubiger dem Zahlungsplan widerspricht, wird dieser hinfällig und der Vollstreckungsaufschub endet automatisch.32 Die Wirkung tritt mit der Unterrichtung des Schuldners durch den Gerichtsvollzieher über den Widerspruch des Gläubigers ein (Abs. 3 S. 2). Um alsbald Rechtsklarheit zu schaffen,33 muss der Gläubiger den Widerspruch unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB), erklären. Geschieht dies nicht, kann der Gläubiger später weder sein Einverständnis wider-

25 26 27 28 29 30 31 32 33

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BT-Drucks. 16/10069, S. 25. EuGH NJW 2008, 1935; Palandt/Grüneberg, § 270 BGB Rn 5 f. Schuschke/Walker/Walker, § 806 b Rn 7; Thomas/Putzo/Seiler, § 802 b Rn 5. BT-Drucks. 16/10069, S. 25. Hierzu krit. Jäger/Schatz, ZVI 2008, 143, 146. Musieilak/Voit, § 802 b Rn 5; Fischer, DGVZ 2010, 113, 118. Musieilak/Voit, § 802 b Rn 5. Dazu krit. Fischer, DGVZ 2010, 113. BT-Drucks. 16/10069, S. 25. Hk-ZV/Sternal

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rufen34 noch zu einem späteren Zeitpunkt Widerspruch gegen die Zahlungsvereinbarung einlegen. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Form für die Abgabe der Erklärung vor; möglich ist ein schriftlicher (zB Brief, Fax, E-Mail) oder mündlicher (zB Telefonat) Widerspruch. Die Erklärung muss gegenüber dem Gerichtsvollzieher, nicht gegenüber dem Schuldner abgegeben werden. Eine Obliegenheit zum Widerspruch besteht auch dann, wenn der Gerichtsvollzieher abweichend von Abs. 2 S. 3 eine zwölf Monate übersteigende Tilgungsfrist einräumt.35 In diesem Fall kann der Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner eine neue Zahlungsvereinbarung nach Maßgabe des Widerspruchs treffen. Kommt diese Vereinbarung nicht zustande, ist die Vollstreckung fortzusetzen.

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V. Vollstreckungsaufträge mehrerer Gläubiger Zu dem Verfahren bei der Durchführung von Vollstreckungsaufträgen für meh- 18 rere Gläubiger enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Insoweit ist letztlich auf die bisherigen Grundsätze abzustellen. Wird für mehrere Gläubiger gleichzeitig (§ 168 GVGA) vollstreckt, dann kommt keine Zahlungsvereinbarung und damit kein Vollstreckungsaufschub in Betracht, sofern der Schuldner nicht der Lage ist, Zahlungen zur Befriedigung aller vollstreckender Gläubiger anzubieten. Legt der Schuldner glaubhaft dar, er könne die Forderungen aller Gläubiger in- 19 nerhalb der Frist durch Einmalzahlung oder durch Teilbeträge tilgen, dann darf der Gerichtsvollzieher eine entsprechende Zahlungsvereinbarung treffen. Voraussetzung ist, dass kein Gläubiger bereits bei Erteilung des Vollstreckungsauftrags der Vereinbarung widersprochen hat. Der Gerichtsvollzieher hat einen Zahlungsplan aufzustellen, in dem für jeden Gläubiger entsprechende Tilgungsbeiträge gesondert festgesetzt werden müssen. Widerspricht nach Mitteilung dieses Plans ein Gläubiger nach Abs. 3 S. 2, führt dies zum Wegfall der übrigen Zahlungspläne und damit des Vollstreckungsaufschubs. Ebenso sind die getroffenen Zahlungsvereinbarungen und der damit verbundene vollständige Vollstreckungsaufschub insgesamt hinfällig, wenn der Schuldner seinen Verpflichtungen auch nur gegenüber einem Gläubiger nicht nachkommt. Ansonsten könnten Vollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger die vereinbarten Ratenzahlungen an die übrigen Gläubiger gefährden. Möglich werdende Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sind dann wieder zugunsten aller Gläubiger auszubringen. Vollstrecken nach Abschluss einer Zahlungsvereinbarung weitere Gläubiger, so 20 kann der Gerichtsvollzieher versuchen, auch mit diesen eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Kommt diese nicht zustande, dann besteht auch keine Grundlage mehr für die bereits getroffene Vereinbarung. Etwaige weitere Vollstreckungsmaßnahmen könnten – trotz der an sich bestehenden besseren Rangstelle – die Befriedigungschancen der früheren Gläubiger gefährden; insb. wenn in das Vermögen vollstreckt wird, aus dem Teilzahlungen erbracht werden.

VI. Rechtsbehelfe Vollstreckt der Gerichtsvollzieher trotz eines wirksamen Vollstreckungsaufschubs, dann kann der Schuldner die Erinnerung nach § 766 Abs. 1 einlegen. Dem Gläubiger steht die Möglichkeit der Erinnerung nach § 766 Abs. 2 Alt. 1 zu, 34 So bereits zu § 806 b aF: MüKo-ZPO/Gruber, § 806 b Rn 9; Helwich, DGVZ 2000, 105, 107. Die zu § 806 b aF von Musielak/Becker, § 806 b Rn 2 und Zöller/Stöber, § 806 b Rn 2 vertretene aA dürfte angesichts der nunmehr bestehenden Notwendigkeit des unverzüglichen Widerspruchs (Abs. 3 S. 2) nicht vertretbar sein. 35 BT-Drucks. 16/10069, S. 25; Schuschke/Walker/Walker, § 802 b Rn 8; krit. Fischer, DGVZ 2010, 113. Hk-ZV/Sternal

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sofern der Gerichtsvollzieher sich weigert, die Vollstreckung trotz Erhebung eines Widerspruchs gegen eine Zahlungsvereinbarung oder eines erstellten Zahlungsplans fortzusetzen.

VII. Weitere praktische Hinweise 22 Formulierungsvorschlag für einen anfänglichen Widerspruch des Gläubigers gegen den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung:36

u In der Zwangsvollstreckungssache … (Bezeichnung des Gläubigers und des Schuldners) ist der Gläubiger mit dem Abschluss einer Zahlungsvereinbarung nicht einverstanden.37 t

23 Formulierungsvorschlag für einen anfänglichen eingeschränkten Widerspruch des Gläubigers gegen den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung:38

u In der Zwangsvollstreckungssache … (Bezeichnung des Gläubigers und des Schuldners) ist der Gläubiger nur dann mit dem Abschluss einer Zahlungsvereinbarung einverstanden, sofern der Schuldner die Zahlung monatlicher Raten in Höhe von mindestens … € anbietet/der Schuldner anbietet, die offenstehende Forderung nebst Zinsen und Kosten der Zwangsvollstreckung in höchstens … Raten vollständig auszugleichen.39 t

24 Formulierungsvorschlag für einen nachträglichen Widerspruch des Gläubigers gegen den Abschluss einer Zahlungsvereinbarung:

u In der Zwangsvollstreckungssache … (Bezeichnung des Gläubigers und des Schuldners) widerspricht der Gläubiger der vom Gerichtsvollzieher mit dem Schuldner getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung (§ 802 b Abs. 3 S. 2 ZPO). Damit sind der Zahlungsplan sowie der Vollstreckungsaufschub hinfällig, so dass die Zwangsvollstreckung durch … (nähere Bezeichnung der Maßnahme, zB Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft oder Durchführung Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen) zügig fortzusetzen ist.40 t

VIII. Kosten 25 1. Gerichtsvollzieherkosten. Nach § 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 kann der Gläubiger

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den Gerichtsvollzieher isoliert mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache beauftragen.41 In diesem Fall soll der Gerichtsvollzieher eine Gebühr (Nr. 207 KV-GvKostG) erheben können, um den mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung verbundenen Aufwand abzugelten. Ohne diesen Gebührentatbestand würde der Gerichtsvollzieher bei einem erfolglosen Güteversuch für seine Tätigkeit keinerlei Gebühren erhalten.42 Aus S. 1 der Anmerkung zu Nr. 207 KVGvKostG ergibt sich ausdrücklich, dass die Gebühr auch im Fall der erfolgreichen gütlichen Erledigung entsteht, also nicht nur – wie dem Gebührentatbestand entnommen werden könnte – im Falle eines „Versuchs“ einer gütlichen Einigung. Nach S. 2 der Anmerkung zu Nr. 207 KV-GvKostG entsteht die Gebühr jedoch nicht, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme 36 37 38 39 40 41 42

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Vgl auch Hasselblatt/Sternal/Weber, Form. G.II.1. Eine nähere Begründung verlangt das Gesetz nicht. Vgl auch Hasselblatt/Sternal/Weber, Form. G.II.1. Eine nähere Begründung verlangt das Gesetz nicht. Eine nähere Begründung verlangt das Gesetz nicht. BT-Drucks. 16/10069, S. 48. BT-Drucks. 16/10069, S. 48. Hk-ZV/Sternal

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nach § 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 gerichteten Amtshandlung beauftragt wird (Nr. 2: Einholung einer Vermögensauskunft des Schuldners gem. § 802 c; Nr. 4: Pfändung und Verwertung körperlicher Sachen). In diesen Fällen wird sein Aufwand für den Versuch der gütlichen Erledigung, insb. das Aufsuchen des Schuldners, durch die Gebühren für die Einholung der Vermögensauskunft und für die Pfändung mit abgegolten.43 Bei einem Auftrag zur gütlichen Einigung in Verbindung mit einem Vollstreckungsauftrag, einem Auftrag zur Vermögensauskunft oder einem Kombi-Auftrag kann damit die Gebühr Nr. 207 KV-GvKostG also nicht entstehen. Werden Raten an den Gerichtsvollzieher gezahlt, kann für jede Rate eine Hebegebühr (Nr. 430 KV-GvKostG) angesetzt werden (§ 10 Abs. 2 S. 3 GvKostG). Neben den Gebühren entstehen ggf Auslagen nach dem 7. Abschnitt des Kostenverzeichnisses zum GvKostG, insb. die Auslagenpauschale und für jede Rate ein Wegegeld, wenn diese durch den Gerichtsvollzieher abgeholt wird (§ 114 a Abs. 4 S. 3 GVGA). 2. Rechtsanwaltsvergütung. Führt der Auftrag zur isolierten gütlichen Einigung (§ 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1) durch den Gerichtsvollzieher zum Erfolg, kann eine Einigungsgebühr Nr. 1000 VV-RVG für den Gläubigervertreter nicht entstehen. Der Gerichtsvollzieher wird nicht etwa als Vertreter des Gläubigers tätig, sondern er vertritt – selbständig und neutral – die Vollstreckungsgewalt des Staates.44 Es handelt sich bei der vom Gerichtsvollzieher vermittelten gütlichen Einigung nicht um einen Vertrag im Sinne des BGB, sondern um eine dem Gerichtsvollzieher durch Gesetz eingeräumte Möglichkeit, Ratenzahlung zu gewähren. Eine Abrede zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner auf vertraglicher Basis kommt nicht zustande, weil der Gerichtsvollzieher nicht aufgrund Privatautonomie, sondern kraft des ihm verliehenen öffentlichen Amtes in Ausübung der staatlichen Vollstreckungsgewalt gehandelt hat. Der Gerichtsvollzieher ist bei der Gewährung von Ratenzahlungen an den Schuldner nicht Vertreter des Gläubigers.45 Die Entgegennahme der Information über die bewilligte Ratenzahlungsmöglichkeit reicht für das Entstehen einer Gebühr Nr. 1000 VV-RVG nicht aus.46 Es fehlt damit an der Mitwirkung bei Verhandlungen bzw dem Abschluss der Vereinbarung.47 Eine „Mitwirkung“ wird noch nicht darin gesehen werden können, dass der Anwalt in seinem Vollstreckungsauftrag formularmäßig erklärt, er sei mit einer Ratenzahlung einverstanden.48 Nicht der Gläubiger entscheidet, ob dem Schuldner Ratenzahlungen bewilligt werden können, sondern der Gerichtsvollzieher.49

§ 802 c Vermögensauskunft des Schuldners (1) 1Der Schuldner ist verpflichtet, zum Zwecke der Vollstreckung einer Geldforderung auf Verlangen des Gerichtsvollziehers Auskunft über sein Vermögen nach 43 BT-Drucks. 16/10069, S. 48. 44 BGH 9.11.2000 – III ZR 314/99, NJW 2001, 434; BGH 28.6.2006 – VII ZB 157/05, DGVZ 2006, 133. 45 BGH 28.6.2006 – VII ZB 157/05, DGVZ 2006, 133. 46 AG Neu-Ulm 7.2.2005 – 15 M 203/05, DGVZ 2005, 47. 47 AG Euskirchen 11.1.2005 – 15 M 2334/04, DGVZ 2005, 29; LG Bonn 21.3.2005 – 4 T 94/05, DGVZ 2005, 77; LG Koblenz 20.2.2006 – 2 T 94/06, DGVZ 2006, 61. 48 Enders, JurBüro 1999, 57, 58. 49 BGH 28.6.2006 – VII ZB 157/05, DGVZ 2006, 133; LG Koblenz 20.2.2006 – 2 T 94/06, DGVZ 2006, 61. Hk-ZV/Sternal

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Maßgabe der folgenden Vorschriften zu erteilen sowie seinen Geburtsnamen, sein Geburtsdatum und seinen Geburtsort anzugeben. 2Handelt es sich bei dem Vollstreckungsschuldner um eine juristische Person oder um eine Personenvereinigung, so hat er seine Firma, die Nummer des Registerblatts im Handelsregister und seinen Sitz anzugeben. (2) 1Zur Auskunftserteilung hat der Schuldner alle ihm gehörenden Vermögensgegenstände anzugeben. 2Bei Forderungen sind Grund und Beweismittel zu bezeichnen. 3Ferner sind anzugeben: 1. die entgeltlichen Veräußerungen des Schuldners an eine nahestehende Person (§ 138 der Insolvenzordnung), die dieser in den letzten zwei Jahren vor dem Termin nach § 802 f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat; 2. die unentgeltlichen Leistungen des Schuldners, die dieser in den letzten vier Jahren vor dem Termin nach § 802 f Abs. 1 und bis zur Abgabe der Vermögensauskunft vorgenommen hat, sofern sie sich nicht auf gebräuchliche Gelegenheitsgeschenke geringen Wertes richteten. 4 Sachen, die nach § 811 Abs. 1 Nr. 1 und 2 der Pfändung offensichtlich nicht unterworfen sind, brauchen nicht angegeben zu werden, es sei denn, dass eine Austauschpfändung in Betracht kommt. (3) 1Der Schuldner hat zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er die Angaben nach den Absätzen 1 und 2 nach bestem Wissen und Gewissen richtig und vollständig gemacht habe. 2Die Vorschriften der §§ 478 bis 480, 483 gelten entsprechend. §§ 185 a ff GVGA [noch zu § 807 aF] § 3 VermVV [abgedr. bei § 802 k Rn 23] Literatur zu § 802 c: Horst, Sicherung und Beitreiben von Mietforderungen wird im kommenden Jahr (hoffentlich) leichter, GE 2012, 246; Seip, Vermögensoffenbarung als erste Maßnahme der Zwangsvollstreckung und Minderung des Schuldnerschutzes, ZRP 2007, 23; Würdinger, Sachaufklärung in der Einzelzwangsvollstreckung, JZ 2011, 177. Siehe auch die Literaturhinweise zu Vor §§ 802 a–802 l. Literatur zu § 807 aF (Auswahl): App, Dispositionskredit des Schuldners als bei der eidesstattlichen Versicherung im Vermögensverzeichnis anzugebender Vermögenswert, DGVZ 2001, 132; Dressel, Unpfändbarkeit des Schuldners als besondere Voraussetzung des eV-Verfahrens, DGVZ 1988, 22; ders., Sicherungsvollstreckung im Offenbarungsverfahren, Rpfleger 1991, 43; Gilleßen/Polzius, Die eidesstattliche Offenbarungsversicherung in der Hand des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1998, 97; Goebel, Gläubigerfragen zur Erweiterung und Nachbesserung des Vermögensverzeichnisses, DGVZ 2001, 49; Harnacke, Die Durchsuchungsverweigerung als Voraussetzung zur Einleitung des Offenbarungsverfahrens, DGVZ 2001, 58; Hascher, Die Pflicht zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 807 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, DGVZ 2001, 105; Heß, Auslandssachverhalte im Offenbarungsverfahren, Rpfleger 1996, 89; Keller, Die eidesstattliche Versicherung nach §§ 807, 899 ZPO, 2. Aufl. 2000; Könnecke, Umfang der Angaben zu Lebens- und Rentenversicherungsverträgen bei Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung gem. §§ 807, 900 ZPO, DGVZ 2012, 17; Kölk, Die eidesstattliche Versicherung in der Sicherungsvollstreckung, MDR 2006, 841; Leisner, Durchsuchungsverweigerung und Unpfändbarkeit, Rpfleger 1989, 443; Otto, Reform des Zwangsvollstreckungsrechts: Abnahme der eV durch den Gerichtsvollzieher bei der Verhaftung, DGVZ 1994, 17; Scherer, Offenbarungspflichten hinsichtlich des Taschengeldanspruchs im Verfahren der eidesstattlichen Versicherung, DGVZ 1995, 81; Schilken, Gedanken zu Anwendungsbereich und Reform des § 807 ZPO, DGVZ 1991, 97; Schmidt, Die Einkommensangaben des Schuldners im Vermögensverzeichnis, DGVZ 2000, 149; Steder, Erfasst eine Anordnung gem. § 21 II Nr. 3 InsO das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 807,

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899 ff ZPO?, NZI 2000, 458; Stöber, Vermögensverzeichnis und Fragerecht des Gläubigers, Rpfleger 1994, 321; Viertelhausen, Eidesstattliche Versicherung im Insolvenzverfahren?, DGVZ 2001, 36. I. Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzung für die Abnahme einer Vermögensauskunft (Abs. 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Antrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfang der Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen . . . . . . . . . c) Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besondere Voraussetzungen; Fehlen eines Vollstreckungshindernisses . . III. Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Natürliche Personen . . . . . . . . . 3. Juristische Personen; Personengesellschaften; Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Inhalt des Vermögensverzeichnisses (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewegliches Vermögen . . . . . .

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3. Unbewegliches Vermögen . . . 4. Forderungen und vermögenswerte Rechte . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einkünfte aus unselbständiger und selbstständiger Tätigkeit . . . . . . . . . . . c) Renten und Pensionszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterhaltsleistungen . . . . . e) Konto- und Sparguthaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Sonstige Forderungen . . . 5. Veräußerungen und unentgeltlichen Leistungen (Abs. 2 S. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entgeltliche Veräußerungen an nahestehende Personen (Abs. 2 S. 3 Nr. 1) b) Unentgeltliche Leistungen (Abs. 2 S. 3 Nr. 2) . . . V. Eidesstattliche Versicherung (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Weitere praktische Hinweise . . . . VIII. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsvollzieherkosten . . . . 2. Rechtsanwaltsvergütung . . . .

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I. Normzweck Die Vorschrift ersetzt als eine der Kernregelungen der Reform der Sachaufklärung den bisherigen § 807 aF, der neu gefasst wird. Der Gerichtsvollzieher darf die Informationen über das Vermögen des Schuldners bereits zu Beginn eines Vollstreckungsverfahrens vom Schuldner erfragen. Dadurch soll die Effizienz des Zwangsvollstreckungsverfahrens gesteigert werden.1 Abs. 1 regelt im Interesse des Gläubigers die zentrale vollstreckungsrechtliche Mitwirkungspflicht des Schuldners.2 In Abweichung von der bisherigen Regelung soll der Schuldner bereits zu Beginn des Zwangsvollstreckungsverfahrens ein Vermögensverzeichnis vorlegen sowie deren eidesstattliche Bekräftigung abgeben, damit der Gläubiger frühzeitig erfährt, wo sich pfändbares Vermögen des Schuldners befindet.3 Insoweit tritt die Vermögensauskunft an die Stelle der eidesstattlichen Versicherung nach dem früheren Recht. Hierdurch sollen dem Gläubiger und dem Gerichtsvollzieher die Entscheidung über das weitere Vorgehen erleichtert werden. Abs. 2 greift die bisher in § 807 Abs. 1, 2 aF enthaltene Auskunftspflicht auf; es werden Einzelheiten zum Inhalt des Vermögensverzeichnisses festgelegt. Weitere Regelungen zum Ablauf des Verfahrens finden sich in den §§ 802 c–802 l. Um zu gewährleisten, dass die vom Schuldner abgegebene 1 Schuschke/Walker/Walker, § 802 c Rn 1; Thomas/Putzo/Seiler, § 802 c Rn 1. 2 BT-Drucks. 16/10069, S. 25. 3 BT-Drucks. 16/10069, S. 25. Hk-ZV/Sternal

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Vermögensauskunft richtig ist, sieht Abs. 3 in Übereinstimmung mit § 807 Abs. 3 aF die Bekräftigung der Vermögensauskunft an Eides statt vor.4 Zum Übergangsrecht s. Vor §§ 802 a–802 l Rn 9 f.

II. Voraussetzung für die Abnahme einer Vermögensauskunft (Abs. 1) 3 1. Grundsatz. Voraussetzung für die Abgabe der Vermögensauskunft ist die

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Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 803 ff), wobei eine Sicherungsvollstreckung (§ 720 a) ausreicht.5 Es muss ein entsprechender, auf eine Geldleistung lautender Titel gegen den Schuldner existieren; ein vorläufig vollstreckbarer Titel bzw ein Arrestbefehl6 genügen. Ist die Haftung des Schuldners in dem Titel nur auf Teile seines Vermögens beschränkt (zB in den Fällen der §§ 124 Abs. 2, 129 Abs. 4, 161 Abs. 2 HGB), so besteht die Auskunftsverpflichtung auch nur hinsichtlich dieses Vermögens. Weitere Voraussetzung ist ein entsprechender Antrag des Gläubigers (s. Rn 4) beim Gerichtsvollzieher. Zudem müssen neben dem Vorliegen eines Titels die weiteren allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (s. Rn 12 ff) gegeben sein und es dürfen keine Vollstreckungshindernisse bestehen (s. Rn 16). Die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft trifft den Schuldner bzw seinen gesetzlichen Vertreter (zu Einzelheiten s. Rn 17 ff). 2. Antrag. Das Verfahren wird durch einen Antrag des Gläubigers (im Gesetz als „Auftrag“ bezeichnet) an den nach § 802 e zuständigen Gerichtsvollzieher eingeleitet (§ 802 a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 iVm § 754). Der Antrag kann schriftlich, elektronisch (arg. e § 753 Abs. 3 S. 2) oder durch Mitwirkung der Geschäftsstelle (vgl § 753 Abs. 2) gestellt werden; Anwaltszwang besteht nicht (§ 78 Abs. 3). Die früher in § 754 aF bestehende Möglichkeit der mündlichen Beautragung des Gerichtsvollziehers hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung nicht übernommen, ohne in der Gesetzesbegründung klarzustellen,7 dass diese Möglichkeit – zumindest bis zur Einführung der verbindlichen Formulare auf der Grundlage der Rechtsverordnung nach § 753 Abs. 3 S. 1 – nicht mehr besteht. Der Antrag ist an den Gerichtsvollzieher unmittelbar oder an die Gerichtsvollzieherverteilungsstelle des Vollstreckungsgerichts zu richten; zum zuständigen Vollstreckungsgericht s. § 802 e. Antragsberechtigt ist jeder Vollstreckungsgläubiger, der noch Inhaber der Forderung ist,8 auch ein Inkassounternehmen (vgl § 79 Abs. 2 Nr. 4).9 In dem Antrag müssen der Vollstreckungstitel und die Höhe der Forderung, wegen derer vollstreckt wird, angegeben werden; eine Beschränkung auf einen Teilbetrag der titulierten Forderung ist möglich.10 Der Vorlage einer substantiierten Aufstellung von Teil- und Restforderung bedarf es nicht.11 Zudem muss in dem Antrag der auskunftspflichtige Schuldner bzw sein auskunftspflichtiger gesetzlicher Vertreter (vgl Rn 17 ff) so genau bezeichnet werden, dass eine Ladung möglich ist. Dem Antrag sind die Vollstreckungsunterlagen (Titel, Klausel und Zustellungsurkunden,12 soweit Zustellungen als Voraussetzung für eine Zwangsvollstreckung 4 5 6 7 8 9 10 11

BT-Drucks. 16/10069, S. 25. BGH NJW-RR 2007, 416; BGH NJW-RR 2006, 996. BGH NJW-RR 2006, 996. BT-Drucks. 16/10069, S. 23. LG Augsburg JurBüro 1997, 212. So auch bereits früher LG Bremen DGVZ 2001, 62; LG Wuppertal DGVZ 2007, 188. OLG Schleswig Rpfleger 1976, 224; Schilken, DGVZ 1989, 33. OLG Schleswig Rpfleger 1976, 224; LG Oldenburg Rpfleger 1980, 353; aA LG Deggendorf DGVZ 2006, 116; LG Dortmund DGVZ 1977, 169. 12 LG Stuttgart DGVZ 2001, 120.

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erforderlich sind) beizufügen. Eines Nachweises der Sicherheitsleistung (vgl § 751 Abs. 2) bedarf es nicht,13 da auch eine Sicherungsvollstreckung nach § 720 a zum Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft berechtigt.14 Ebenso wenig müssen die Kosten der Vollstreckung nachgewiesen werden.15 Dem Antrag sind entsprechende Abschriften der Unterlagen beizufügen, deren Übersendung an den Schuldner erforderlich ist.16 Soweit keine gesetzliche Pflicht hierzu besteht, darf der Gerichtsvollzieher die Terminsladung nicht von der Vorlage entsprechender Abschriften durch den Gläubiger abhängig machen.17 Ist der Schuldner der deutschen Sprache nicht mächtig, darf der Gerichtsvollzieher den Gläubiger auffordern, vor der Bestimmung eines Termins einen Vorschuss für den Dolmetscher einzuzahlen.18 Der Antrag auf Abnahme der Vermögensauskunft kann jederzeit bis zum Ende des Verfahrens zurückgenommen werden.19 Zudem besteht für den Gläubiger die Möglichkeit, dem Gerichtsvollzieher hinsichtlich der Durchführung des Verfahrens Weisungen zu erteilen; er kann zB einer Zahlungsvereinbarung mit dem Schuldner vorab widersprechen. 3. Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen. a) Umfang der Prüfungspflicht. Reicht der Gläubiger einen wirksamen Antrag ein, hat der Gerichtsvollzieher von Amts wegen das Vorliegen der Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung zu prüfen. Diese müssen während des gesamten Verfahrens gegeben sein. Fehlt es an einer Verfahrensvoraussetzung, hat der Gerichtsvollzieher den Antrag unter Rückgabe der eingereichten Unterlagen zurückzuweisen. Im Falle behebbarer Mängel kann dem Gläubiger vorab Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden. b) Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen. Der Gerichtsvollzieher hat seine Zuständigkeit (§ 802 e) sowie die Fähigkeit des Schuldners zur Abgabe der Vermögensauskunft zu prüfen. Insoweit sind an eine Unfähigkeit des Schuldners strenge Maßstäbe anzulegen.20 Eine Verpflichtung kann ausnahmsweise entfallen, wenn der Schuldner aufgrund seines Gesundheitszustands keinen Überblick mehr über sein Vermögen hat.21 Weiterhin muss der Gläubiger das Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Abnahme der Vermögensauskunft besitzen. Dieses liegt auch bei geringfügigen Forderungen vor, ebenso wenn der Gläubiger bereits in der Vergangenheit mehrfach Anträge zurückgenommen hat.22 Das Bestehen von Sicherheiten oder das Angebot, neue Sicherheiten zu stellen, schließt das Rechtsschutzinteresse nicht aus.23 Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn die Erfüllung der Forderung durch den Schuldner unstreitig ist,24 wenn der Gläubiger die Vermögensverhältnisse des Schuldners kennt, wenn feststeht, dass der Schuldner vermö-

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Schuschke/Walker/Schuschke, § 900 Rn 5. BGH NJW-RR 2007, 416; BGH NJW-RR 2006, 996. LG Düsseldorf JurBüro 1987, 1101. AG Lahr DGVZ 2000, 124; AG Mainz JurBüro 2000, 665. LG Hamburg DGVZ 2005, 77; Zöller/Stöber, § 900 Rn 8; aA LG Deggendorf DGVZ 2006, 116. LG Amberg DGVZ 2006, 181. KG OLGZ 1991, 101. OLG Frankfurt NJW 1968, 1194; OLG Jena Rpfleger 1997, 446; OLG Köln Rpfleger 1978, 32. Musielak/Voit, § 900 Rn 7. LG Detmold Rpfleger 1991, 212; LG Kaiserslautern JurBüro 2000, 46. LG Stade DGVZ 1999, 8. LG Hamburg Rpfleger 1985, 34. Hk-ZV/Sternal

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genslos ist,25 oder wenn der Gläubiger während des Verfahrens zuverlässige Kenntnis von Forderungen des Schuldners gegen einen Drittschuldner erlangt.26 Das Rechtsschutzinteresse kann ebenfalls fehlen, wenn gegen den Schuldner in den letzten zwei Jahren bereits eine Haftanordnung erlassen oder vollstreckt worden ist. Die nach § 95 AO bei einer Finanzbehörde eidesstattlich versicherten Angaben zum Vermögen stehen einer Verpflichtung zur Abgabe einer Vermögensauskunft nach § 802 c nicht entgegen.27 Ebenso wenig fehlt das Rechtsschutzinteresse für die Abgabe der Vermögensauskunft, wenn der Schuldner seine Vermögensverhältnisse bei einem Notar offenbart und dort die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben eidesstattlich versichert hat.28 c) Allgemeine Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung. Der Gerichtsvollzieher hat stets das Vorliegen der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, nämlich Titel, Klausel und Zustellung, zu prüfen. d) Besondere Voraussetzungen; Fehlen eines Vollstreckungshindernisses. Weiterhin muss der Gerichtsvollzieher etwaige besondere Voraussetzungen für die Abnahme der Vermögensauskunft beachten. So hat er von Amts wegen anhand des Schuldnerverzeichnisses29 zu prüfen, ob der Schuldner bereits in den letzten zwei Jahren die Vermögensauskunft abgegeben hat bzw ob die Voraussetzungen für eine erneute Vermögensauskunft vorliegen (s. dazu § 802 d). Entgegen der früheren Regelung in § 807 Abs. 1 aF setzt die Verpflichtung zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802 c nicht mehr einen fruchtlosen Fahrnispfändungsversuch bzw dessen Surrogat voraus. Vielmehr besteht eine Auskunftspflicht des Schuldners bereits zu Beginn des Vollstreckungsverfahrens.30 Demgegenüber muss der Gerichtsvollzieher bei einer sofortigen Vermögensauskunft nach § 807 zusätzlich prüfen, ob der Schuldner die Durchsuchung verweigert oder eine Pfändung nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers führen wird (s. dazu § 807 Rn 3 ff). Vollstreckungshindernisse sind, sofern sie dem Gerichtsvollzieher bekannt sind, von diesem zu beachten. Ansonsten finden sie nur auf entsprechende Einwendung des Schuldners Berücksichtigung. Gleiches gilt für Verzicht, ausreichende Sicherung (§ 777), Einstellung nach § 775 Nr. 4 und 5 und Vollstreckungsschutz (§ 765 a). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (§ 89 InsO) muss berücksichtigt werden.31 Dagegen hindert allein die Einleitung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens noch nicht die Vollstreckung, so dass die Vermögensauskunft weiterhin abgegeben werden muss;32 anders wenn die Zwangsvollstreckung nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO untersagt oder einstweilen eingestellt worden ist.33

III. Auskunftspflicht 17 1. Allgemeines. Zur Auskunft ist grds. der im Titel bzw in der Klausel aufge-

führte Schuldner verpflichtet. Dies gilt auch bei einer freiwilligen Verwaltung des Vermögens durch einen Dritten (zB Vermögensverwalter). Der Erbe muss sein eigenes Vermögen einschließlich des Nachlasses angeben, solange er seine Haftung 25 26 27 28 29 30 31 32 33

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BVerfG NJW 1983, 559; LG Itzehoe Rpfleger 2000, 89. LG Hamburg DGVZ 2006, 73. BGH FamRZ 2004, 1555 (zu § 807 aF). LG Detmold DGVZ 2007, 72; LG Flensburg DGVZ 2000, 89; LG Frankenthal Rpfleger 1985, 33. Zöller/Stöber, § 900 Rn 5. BT-Drucks. 16/10069, S. 25. BGH ZInsO 2012, 1262. AG Westerburg DGVZ 2006, 119. LG Darmstadt NJW-RR 2003, 1493; LG Heilbronn Rpfleger 2008, 88; Musielak/Voit, § 900 Rn 7; aA LG Würzburg NJW-RR 2000, 781. Hk-ZV/Sternal

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nicht wirksam beschränkt hat. Bei Gesamtschuldnern sind alle Schuldner und bei einer Erbengemeinschaft alle Miterben auskunftspflichtig. Eine Partei kraft Amtes (Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker, Zwangsverwalter, Insolvenzverwalter) oder ein Nachlasspfleger34 ist zur Auskunft über das der Verwaltung unterliegende Vermögen verpflichtet, soweit nicht besondere Regelungen (zB §§ 98 Abs. 1, 153 Abs. 2 InsO) diese Verpflichtung einschränken. 2. Natürliche Personen. Die Auskunftspflicht trifft den prozessfähigen Schuldner persönlich (vgl § 478); eine Vertretung durch einen Verfahrensbevollmächtigten oder Vermögensverwalter ist nicht möglich. Bei einem Minderjährigen ist ein gesetzlicher Vertreter35 offenbarungspflichtig; eine Ausnahme besteht für die nach §§ 112, 113 BGB erlaubten Tätigkeiten, für die der Minderjährige auskunftspflichtig ist.36 Bei einer unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt (§ 1903 BGB) stehenden Person trifft die Pflicht den Betreuer.37 Maßgebend ist jeweils der Termin zur Abnahme der Vermögensauskunft.38 Ist zu diesem Zeitpunkt Volljährigkeit eingetreten oder die Betreuung aufgehoben worden, muss der Schuldner persönlich die Erklärung abgeben.39 Sofern für die Vermögenssorge des Schuldners ein Vertreter bestellt, aber kein Einwilligungsvorbehalt gem. § 1903 BGB angeordnet ist, hat das Vollstreckungsgericht nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, ob der Vertreter oder der Schuldner die Auskunft abzugeben hat.40 3. Juristische Personen; Personengesellschaften; Gemeinschaften. Bei juristischen Personen bzw Personengesellschaften ist die Vermögensauskunft durch den gesetzlichen Vertreter abzugeben, so durch den Geschäftsführer bei einer GmbH,41 den geschäftsführenden Gesellschafter bei einer GbR (§ 709 Abs. 1 BGB), den vertretungsberechtigten Gesellschafter bei einer OHG oder KG (§ 125 HGB iVm § 161 Abs. 1 HGB), den vertretungsberechtigten Partner bei einer Partnerschaft (§ 7 Abs. 3 PartGG iVm § 125 HGB), den Vorstand bei einer AG oder einem Verein (§ 26 BGB). Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, die Vermögensauskunft für die Wohnungseigentümergemeinschaft abzugeben.42 Bei mehreren gesetzlichen Vertretern, denen die Einzelvertretungsbefugnis zusteht, reicht die Abgabe durch einen aus;43 der Gerichtsvollzieher kann den vom Gläubiger benannten bzw nach pflichtgemäßem Ermessen einen anderen Vertreter zum Termin laden. Müssen alle Vertreter gemeinsam handeln, ist auch die Vermögensauskunft von allen abzugeben. Maßgebend sind die Vertretungsverhältnisse zum Zeitpunkt des Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft.44 Bei einem Wechsel der Vertretungsverhältnisse zwischen Antrag und Termin ist grds. der neue Vertreter auskunftspflichtig. Aus34 LG Düsseldorf JurBüro 1984, 1425. 35 MüKo-ZPO/Eickmann, § 807 Rn 30, 32; aA Schuschke/Walker/Schuschke, § 807 Rn 21 (alle gesetzlichen Vertreter). 36 KG NJW 1968, 2245. 37 LG Frankfurt Rpfleger 1988, 528. 38 BGH NJW-RR 2007, 185; MüKo-ZPO/Eickmann, § 807 Rn 29; Zöller/Stöber, § 807 Rn 6. 39 OLG Hamm OLGZ 1986, 343. 40 BGH NJW-RR 2009, 1. 41 OLG Köln JurBüro 2000, 599; LG Dortmund DGVZ 1989, 121 (auch bei einer noch nicht eingetragenen GmbH). 42 BGH NJW-RR 2012, 460. 43 BGH NJW-RR 2009, 1; aA Zöller/Stöber, § 807 Rn 10 (die für die Gesamtvertretung erforderlichen Vertreter). 44 BGH NJW-RR 2007, 185; OLG Hamm OLGZ 1985, 227; OLG Köln Rpfleger 2000, 399; aA OLG Frankfurt Rpfleger 1976, 27 (Tag der Zustellung). Hk-ZV/Sternal

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InsO). Eine Pflicht, in der Insolvenz einen Antrag nach der Norm zu stellen, besteht nur gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern.34

V. Kosten 26 Gerichtskosten werden für den Antrag und die Entscheidung nicht erhoben. Ge-

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richtsgebühren entstehen nur im Rechtsmittelverfahren (Nr. 2121, 2124 KVGKG), soweit ein Rechtsmittel verworfen oder zurückgewiesen wird. Wird ein Rechtsmittel nur teilweise verworfen oder zurückgewiesen, kann das Gericht die Gebühr nach billigem Ermessen auf die Hälfte ermäßigen oder bestimmen, dass eine Gebühr nicht zu erheben ist (Anm. zu Nr. 2121, Anm. zu Nr. 2124 KVGKG). Für den die Vollstreckung betreibenden Rechtsanwalt gehört der Antrag zu der Tätigkeit, die durch die Gebühr Nr. 3309 VV-RVG abgegolten ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 RVG). Für den erstmals in der Vollstreckung tätigen Rechtsanwalt des Schuldners entsteht durch den Antrag die Gebühr Nr. 3309 VV-RVG nebst Auslagen.

§ 850 k Pfändungsschutzkonto (1) 1Wird das Guthaben auf dem Pfändungsschutzkonto des Schuldners bei einem Kreditinstitut gepfändet, kann der Schuldner jeweils bis zum Ende des Kalendermonats über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages nach § 850 c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 850 c Abs. 2 a verfügen; insoweit wird es nicht von der Pfändung erfasst. 2Zum Guthaben im Sinne des Satzes 1 gehört auch das Guthaben, das bis zum Ablauf der Frist des § 835 Absatz 4 nicht an den Gläubiger geleistet oder hinterlegt werden darf. 3Soweit der Schuldner in dem jeweiligen Kalendermonat nicht über Guthaben in Höhe des nach Satz 1 pfändungsfreien Betrages verfügt hat, wird dieses Guthaben in dem folgenden Kalendermonat zusätzlich zu dem nach Satz 1 geschützten Guthaben nicht von der Pfändung erfasst. 4Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend, wenn das Guthaben auf einem Girokonto des Schuldners gepfändet ist, das vor Ablauf von vier Wochen seit der Zustellung des Überweisungsbeschlusses an den Drittschuldner in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt wird. (2) 1Die Pfändung des Guthabens gilt im Übrigen als mit der Maßgabe ausgesprochen, dass in Erhöhung des Freibetrages nach Absatz 1 folgende Beträge nicht von der Pfändung erfasst sind: 1. die pfändungsfreien Beträge nach § 850 c Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 850 c Abs. 2 a Satz 1, wenn a) der Schuldner einer oder mehreren Personen aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt oder b) der Schuldner Geldleistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch für mit ihm in einer Gemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch oder der §§ 19, 20, 36 Satz 1 oder 43 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch lebende Personen, denen er nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften zum Unterhalt verpflichtet ist, entgegennimmt; 2. einmalige Geldleistungen im Sinne des § 54 Abs. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch und Geldleistungen zum Ausgleich des durch einen Körper- oder 34 BGHZ 162, 234; OLG Koblenz NJW-RR 2005, 1457.

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Gesundheitsschaden bedingten Mehraufwandes im Sinne des § 54 Abs. 3 Nr. 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch; 3. das Kindergeld oder andere Geldleistungen für Kinder, es sei denn, dass wegen einer Unterhaltsforderung eines Kindes, für das die Leistungen gewährt oder bei dem es berücksichtigt wird, gepfändet wird. 2 Für die Beträge nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 3 entsprechend. (3) An die Stelle der nach Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 pfändungsfreien Beträge tritt der vom Vollstreckungsgericht im Pfändungsbeschluss belassene Betrag, wenn das Guthaben wegen der in § 850 d bezeichneten Forderungen gepfändet wird. (4) 1Das Vollstreckungsgericht kann auf Antrag einen von den Absätzen 1, 2 Satz 1 Nr. 1 und Absatz 3 abweichenden pfändungsfreien Betrag festsetzen. 2Die §§ 850 a, 850 b, 850 c, 850 d Abs. 1 und 2, die §§ 850 e, 850 f, 850 g und 850 i sowie die §§ 851 c und 851 d dieses Gesetzes sowie § 54 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 4 und 5 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, § 17 Abs. 1 Satz 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und § 76 des Einkommensteuergesetzes sind entsprechend anzuwenden. 3Im Übrigen ist das Vollstreckungsgericht befugt, die in § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. (5) 1Das Kreditinstitut ist dem Schuldner zur Leistung aus dem nach Absatz 1 und 3 nicht von der Pfändung erfassten Guthaben im Rahmen des vertraglich Vereinbarten verpflichtet. 2Dies gilt für die nach Absatz 2 nicht von der Pfändung erfassten Beträge nur insoweit, als der Schuldner durch eine Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist. 3Die Leistung des Kreditinstituts an den Schuldner hat befreiende Wirkung, wenn ihm die Unrichtigkeit einer Bescheinigung nach Satz 2 weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. 4Kann der Schuldner den Nachweis nach Satz 2 nicht führen, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag die Beträge nach Absatz 2 zu bestimmen. 5Die Sätze 1 bis 4 gelten auch für eine Hinterlegung. (6) 1Wird einem Pfändungsschutzkonto eine Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch oder Kindergeld gutgeschrieben, darf das Kreditinstitut die Forderung, die durch die Gutschrift entsteht, für die Dauer von 14 Tagen seit der Gutschrift nur mit solchen Forderungen verrechnen und hiergegen nur mit solchen Forderungen aufrechnen, die ihm als Entgelt für die Kontoführung oder aufgrund von Kontoverfügungen des Berechtigten innerhalb dieses Zeitraums zustehen. 2Bis zur Höhe des danach verbleibenden Betrages der Gutschrift ist das Kreditinstitut innerhalb von 14 Tagen seit der Gutschrift nicht berechtigt, die Ausführung von Zahlungsvorgängen wegen fehlender Deckung abzulehnen, wenn der Berechtigte nachweist oder dem Kreditinstitut sonst bekannt ist, dass es sich um die Gutschrift einer Geldleistung nach dem Sozialgesetzbuch oder von Kindergeld handelt. 3Das Entgelt des Kreditinstituts für die Kontoführung kann auch mit Beträgen nach den Absätzen 1 bis 4 verrechnet werden. (7) 1In einem der Führung eines Girokontos zugrunde liegenden Vertrag können der Kunde, der eine natürliche Person ist, oder dessen gesetzlicher Vertreter und das Kreditinstitut vereinbaren, dass das Girokonto als Pfändungsschutzkonto geführt wird. 2Der Kunde kann jederzeit verlangen, dass das Kreditinstitut sein Girokonto als Pfändungsschutzkonto führt. 3Ist das Guthaben des Girokontos bereits gepfändet worden, so kann der Schuldner die Führung als Pfändungsschutzkonto zum Beginn des vierten auf seine Erklärung folgenden Geschäftstages verlangen.

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(8) 1Jede Person darf nur ein Pfändungsschutzkonto unterhalten. 2Bei der Abrede hat der Kunde gegenüber dem Kreditinstitut zu versichern, dass er kein weiteres Pfändungsschutzkonto unterhält. 3Das Kreditinstitut darf Auskunfteien mitteilen, dass es für den Kunden ein Pfändungsschutzkonto führt. 4Die Auskunfteien dürfen diese Angabe nur verwenden, um Kreditinstituten auf Anfrage zum Zwecke der Überprüfung der Richtigkeit der Versicherung nach Satz 2 Auskunft darüber zu erteilen, ob die betroffene Person ein Pfändungsschutzkonto unterhält. 5 Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung zu einem anderen als dem in Satz 4 genannten Zweck ist auch mit Einwilligung der betroffenen Person unzulässig. (9) 1Unterhält ein Schuldner entgegen Absatz 8 Satz 1 mehrere Girokonten als Pfändungsschutzkonten, ordnet das Vollstreckungsgericht auf Antrag eines Gläubigers an, dass nur das von dem Gläubiger in dem Antrag bezeichnete Girokonto dem Schuldner als Pfändungsschutzkonto verbleibt. 2Der Gläubiger hat die Voraussetzungen nach Satz 1 durch Vorlage entsprechender Erklärungen der Drittschuldner glaubhaft zu machen. 3Eine Anhörung des Schuldners unterbleibt. 4Die Entscheidung ist allen Drittschuldnern zuzustellen. 5Mit der Zustellung der Entscheidung an diejenigen Kreditinstitute, deren Girokonten nicht zum Pfändungsschutzkonto bestimmt sind, entfallen die Wirkungen nach den Absätzen 1 bis 6. I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kontopfändung und P‑Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historie und Übergangsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übersicht über den Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sinn, Zweck und Geeignetheit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . II. „Automatischer“ Pfändungsschutz (Abs. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . 1. Sockelbetrag (Abs. 1) . . . . . . . . a) Monatlicher Pfändungsfreibetrag auf dem P‑Konto . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Begriff des Guthabens (Abs. 1 S. 1) bb) Der Freibetrag im Kalendermonat (Abs. 1 S. 1 und 3) . . cc) „Monatsanfangsproblematik“ und Auszahlungsmoratorium (Abs. 1 S. 2) . . . . . . . . . b) Umstellung eines Kontos auf ein P‑Konto nach der Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Berechnung und weitere Hinweise zum Verfahren d) Beispielrechnung . . . . . . . . . 2. Aufstockung des Sockelbetrages (Abs. 2) . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Übersicht zum Fallbeispiel und Fallfortsetzung

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bis Dezember bei aufgestocktem Sockelbetrag . . . c) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . aa) Unterhalt . . . . . . . . . . . . bb) Bedarfsgemeinschaft cc) Sozialleistungen . . . . . dd) Geldleistungen für Kinder . . . . . . . . . . . . . . . ee) Übertragbarkeit des aufgestockten Sockelbetrages auf den Folgemonat . . . . . ff) Rechtsfolge: Kein Pfandbeschlag; Bedeutung der Nachweise nach Abs. 5 für den nach Abs. 2 aufgestockten Sockelbetrag . . . . . . . . III. Anordnungen des Vollstreckungsgerichts (Abs. 3, 4 und 5 S. 4) . . . . . . . . . . . . 1. Ersetzung des Sockelbetrages bei Pfändung wegen Unterhaltsansprüchen (Abs. 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersetzung des Sockelbetrages nach Maßgabe der §§ 850 ff in Bezug auf Sozialleistungen und Kindergeld (Abs. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung der Beträge nach Abs. 2 durch das Vollstreckungsgericht (Abs. 5 S. 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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http://www.nomos-shop.de/15164 Titel 2 | Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen IV. Verpflichtung zur Auszahlung des Guthabens an den Schuldner (Abs. 5) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Leistungspflicht an den Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nachweisobliegenheiten des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ausschluss von Aufrechnung und Verrechnung (Abs. 6) . . . . . . . VI. Die Vereinbarung des P‑Kontos (Abs. 7) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vereinbarung (S. 1 und 2) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Girokonto für jedermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Umstellung nach der Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Nur ein P‑Konto pro Person, nur eine Person pro P‑Konto (Abs. 8 und 9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berechtigung zur Führung eines P‑Kontos . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mitteilungen an und Auskünfte von Auskunfteien (Abs. 8 S. 3 und 4) . . . . . . . . . . . 3. Wegfall der Führung eines Kontos als P‑Konto (Abs. 9) VIII. Bedeutung in der Insolvenz . . . . . . IX. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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I. Allgemeines 1. Überblick. a) Kontopfändung und P‑Konto. Die Pfändung eines Kontogutha- 1 bens gestaltet sich grds. nach allgemeinen Regeln. Es gelten also die §§ 829 ff, insb. § 833 a (s. dort). Für das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto (P‑Konto) erhält der Schuldner einen Pfändungsschutz in Höhe eines pauschalen Pfändungsfreibetrages, der an die Unterhaltspflichten angepasst wird. Der Pfändungsfreibetrag ist durch das Kreditinstitut als Drittschuldner zu berechnen und zu berücksichtigen; es bedarf also grds. keines Antrags des Schuldners und keiner Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, um Kontopfändungsschutz zu erreichen. Es spielt zudem keine Rolle, ob die auf dem Konto eingehenden Beträge Arbeitseinkommen (vgl § 850 Rn 36 ff) sind oder aus einer sonstigen Quelle stammen. b) Historie und Übergangsrecht. Rechtliche Grundlage des P‑Kontos ist das Ge- 2 setz zur Reform des Kontopfändungsschutzes vom 7.7.2009.1 Es trat am 1.7.2010 bzw 1.1.2012 in Kraft. Neben der Einführung der neuen §§ 833 a, 850 k und 850 l umfasst es Änderungen der §§ 833, 835, 840, 850 i sowie Änderungen des EGZPO, der InsO, des EStG, des SGB I, des ZVG und des WEG. Der herkömmliche Kontopfändungsschutz (§§ 850 k, 850 l aF) endete vollends 3 zum 31.12.2011.2 Wer kein P‑Konto hat, erhält also keinen Pfändungsschutz für Kontoguthaben, auch wenn dieses aus überwiesenem Arbeitsentgelt oder Sozialleistungen erwächst. Wurde bis zum 31.12.2011 ein Girokonto auf ein P‑Konto umgestellt, erledigen sich bereits bestehende Vollstreckungsschutzentscheidungen „automatisch“.3 Wurde das Konto nicht bis zum 31.12.2011 umgewandelt, geht das Bundesjustizministerium ebenfalls davon aus, dass die Freigabebeschlüsse des alten Rechts wirkungslos werden.4 Das Gesetz trifft dazu allerdings keine ausdrückliche Übergangsregelung, so dass auch vertreten wird, Beschlüsse nach altem Recht wirkten fort.5 Dafür spricht in der Tat einiges, denn durch den Wegfall einer gesetzlichen Regelung wird eine auf ihrer Basis getroffene gerichtliche Entscheidung nicht von selbst wirkungslos.

1 BGBl. I S. 1707. 2 Zu § 850 l aF s. die Erl. in der Vorauflage (1. Aufl. 2010). 3 AG Hannover VuR 2010, 390; aA (Fortbestand „alter“ Vollstreckungsschutzentscheidungen) Strunk, ZVI 2010, 336. 4 Information „Das neue Pfändungsschutzkonto – endgültige Umstellung zum 1. Januar 2012 FAQ“, Stand: November 2011, abrufbar unter www.bmj.de (Pfändungsschutzkonto). 5 AG Altenkirchen ZVI 2010, 355. Hk-ZV/Meller-Hannich

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4 Im diesem Zusammenhang ist auch auf die Aufhebung von § 55 SGB I (Konto-

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pfändungsschutz bei Sozialleistungen) sowie § 76 a EStG (Kontopfändungsschutz bei Kindergeld) seit dem 1.1.2012 hinzuweisen.6 Ihre Funktionen sollen von § 850 k übernommen werden (s. § 850 k Rn 41). Seit 1.1.2012 regelt § 850 l ein Antragsverfahren für die Freistellung von P‑Kontoguthaben. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes wurde § 850 k zweimal geändert. Die erste Änderung7 betraf die Absätze 8 und 9 und zielte vor allem darauf, das Unterhalten mehrerer P-Konten effektiver zu verhindern;8 ein Problem, das in der Vorauflage9 bereits befürchtet wurde und nach wie vor nicht beseitigt erscheint (s. näher Rn 62). Die zweite Änderung10 betraf Absatz 1 und die sog. Monatsanfangsproblematik11 (s. näher Rn 16), wodurch das ohnehin zu komplizierte System der Berechnung (s. Rn 21) noch umständlicher wurde. c) Übersicht über den Regelungsinhalt. Im Überblick stellt sich der Inhalt der umfangreichen12 Norm wie folgt dar: Bei einer Kontenpfändung wird das Guthaben auf einem Pfändungsschutzkonto (P‑Konto) in Höhe eines Pfändungsfreibetrages von vornherein nicht von einer Pfändung erfasst (Abs. 1 und Abs. 2). Der Pfändungsfreibetrag errechnet sich nach Maßgabe des § 850 c Abs. 1 und 2 a unter Berücksichtigung der Unterhaltspflichten des Schuldners (Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. a) und wird um Eingänge aus sozialrechtlichen Geldleistungen sowie Kindergeld erhöht (Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 und Nr. 3). An die Stelle des blankettmäßig vom Kreditinstitut zu errechnenden Pfändungsschutzes kann ein vom Vollstreckungsgericht im Pfändungsbeschluss konkret errechneter (geringerer) Pfändungsschutz treten, wenn Unterhaltsberechtigte iSd § 850 d pfänden (Abs. 3). Auch sonstige pfändungserweiternde und pfändungsbeschränkende Anordnungen können auf Antrag durch das Vollstreckungsgericht getroffen werden (Abs. 4). Geregelt werden Auszahlungspflichten des Kreditinstituts an den Schuldner im Hinblick auf die Pfändungsfreibeträge, die zum Teil von bestimmten Nachweisen des Schuldners abhängen (Abs. 5). Neben verfahrensrechtlichen Anordnungen enthält die Norm auch solche des materiellen Rechts, etwa ein Verrechnungs- und Aufrechnungsverbot für das Kreditinstitut im Hinblick auf Kontoeingänge aus Geldleistungen nach dem Sozialgesetzbuch oder aus Kindergeld (Abs. 6) sowie zur Verpflichtung von Kreditinstituten, ein Girokonto als P‑Konto zu führen (Abs. 7). Schließlich ist das Verfahren zur Feststellung und ggf Streichung bei Führung mehrerer P-Konten geregelt (Abs. 8 und 9). Die häufigen Verweise auf das Sozialgesetzbuch I, II und XII verstehen sich vornehmlich durch den Wegfall des Kontenpfändungsschutzes des § 55 SGB I und des § 76 a EStG (s. Rn 4) zum 31.12.2011.

6 S. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 22.4.2009, BT-Drucks. 16/12714, S. 22. 7 Art. 8 des Gesetzes zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 22.12.2010 (BGBl. I S. 2248, 2250). 8 BT-Drucks. 17/3356, S. 1, 18 f. 9 S. Vorauflage (1. Aufl. 2010), § 850 k Rn 37. 10 Art. 3 Nr. 2 des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der Zivilprozessordnung und der Abgabenordnung vom 12.4.2011 (BGBl. I S. 615). 11 BT-Drucks. 17/4776, S. 1, 8 f. 12 Die Absätze 6, 8 und 9 wurden in die Ursprungsfassung erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 22.4.2009 eingefügt, s. BT-Drucks. 16/12714, S. 7 f, 20 f; die weiteren Änderungen (s. Rn 5) haben den Umfang der Norm noch erhöht.

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2. Sinn, Zweck und Geeignetheit der Norm. Beweggrund13 für § 850 k war die Beobachtung, dass eine Kontopfändung ein typischer Anlass für die Kündigung einer Girokontenverbindung ist, was wegen der Bedeutung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs nicht hingenommen werden sollte. Der vorhandene Kontopfändungsschutz wurde als ungeeignet angesehen, da er nicht für jede Art von Einkünften gelte und ein aufwändiges Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht erfordere. Ziel der Reform war, das Bankkonto als Objekt des Gläubigerzugriffs zu erhalten und gleichzeitig einen effektiveren und unkomplizierten Schutz des Schuldners zu besorgen. Der als unzulänglich empfundene Pfändungsschutz für die Einkünfte Selbständiger (s. § 850 i aF) sollte verbessert, und typischerweise der Existenzsicherung dienende Einkünfte sollten jedem Schuldner erhalten bleiben. Der Aufwand für die Banken und Sparkassen sollte in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden. Sowohl die Ziele als auch die Geeignetheit der Regelung für deren Umsetzung waren in der Gesetzgebungsgeschichte umstritten und sind dies nach wie vor.14 Die Idee eines „automatischen“ Kontopfändungsschutzes ist aber grds. zu begrüßen, da das in §§ 850 k, 850 l aF geregelte Verfahren in der Tat einigen Aufwand und Initiative des Schuldners forderte. Dass nunmehr alle Einkommensarten berücksichtigt werden, steht zwar in gewissem Widerspruch zu den ausdifferenzierten Schutzerwägungen speziell für das Arbeitseinkommen, in denen es gerade nicht nur um die Existenzsicherung, sondern auch um den Arbeitsanreiz geht (s. § 850 Rn 1). Die Vereinheitlichung führt aber immerhin positiverweise zur Einbeziehung der Arbeitseinkünfte Selbständiger, die vom Anwendungsbereich des § 850 erfasst werden (s. § 850 Rn 37), früher aber keinen Kontopfändungsschutz genossen. Zudem werden auch in § 850 k nach wie vor existenzsichernde Einkünfte besonders behandelt (im Hinblick auf die Transparenz der Regelung problematisch, s. Rn 10 ff), und das Konto kann ohnehin nur für natürliche Personen eingerichtet werden. Die übrigen Einkommensarten schließlich sind idR nicht von überragender Bedeutung, wobei man sich durchaus fragen kann, warum etwa auf Konten eingezahlte Schenkungen, Erbschaften und Mietzahlungen (s. § 851 b Rn 2) Pfändungsschutz genießen sollen (vgl § 850 i Rn 7). Letztlich ist die einheitliche Behandlung der Einkunftsarten im Hinblick auf die Art der auf dem Konto einer Privatperson typischerweise eingehenden Beträge aber angemessen. § 850 k gestaltet allerdings das Berechnungssystem für den „automatischen“ Kontopfändungsschutz sehr kompliziert. Geschützt wird gleichsam ein gegenständliches Guthaben des Schuldners,15 nicht aber eine konkrete Forderung. Dabei muss das Kreditinstitut sowohl aus einem Vormonat übertragene Guthaben und Pfändungsfreibeträge (s. Rn 13, 15) als auch – entgegen dem Ziel der Re13 Im Einzelnen RegE vom 19.12.2007 (BT-Drucks. 16/7615, S. 1 f, 9 ff); vgl Beschlussempfehlung Rechtsausschuss vom 22.4.2009 (BT-Drucks. 16/12714, S. 1, 16 ff). 14 Zur rechtspolitischen Diskussion während der Gesetzgebungsgeschichte des P‑Kontos: Bitter, WM 2008, 141; Fölsch/Janca, ZRP 2007, 253; Graf-Schlicker/Linder, ZIP 2009, 989; Jungmann, ZVI 2009, 1; Kohte, in: Zypries (Hrsg.), Die Renaissance der Rechtspolitik, 2008, S. 97; Meyer, Rpfleger 2007, 513; Stellungnahme des Bundesrates vom 9.1.2007 (BR-Drucks. 663/07); Stellungnahme des Deutschen Richterbundes Nr. 08/07 vom März 2007 (abrufbar unter: www.drb.de); Stellungnahmen des Zentralen Kreditausschusses vom 20.3.2007 und 17.1.2008 (abrufbar unter: www.voeb.de); Positionspapier Verbraucherzentrale Bundesverband vom 29.10.2008 (abrufbar unter: www.vzbv.de). Zur aktuellen Bewertung in der Normanwendung: (eher) krit. etwa Bitter, ZIP 2011, 152; Sudergat, ZVI 2010, 445; Jäger, ZVI 2010, 325; (eher) positiv etwa Ahrens, NJW 2010, 2001; ders., NZI 2011, 183; Kohte, VuR 2010, 257. 15 Zum Guthabenbegriff du Carrois, ZInsO 2009, 1801; krit. Jungmann, ZVI 2009, 1; Bitter, WM 2008, 141. Hk-ZV/Meller-Hannich

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form – die Quelle des Einkommens und den Rechtsgrund der Pfändung berücksichtigen (s. Rn 29 ff). Da auf einem Konto kontinuierlich Geld ein- und ausgeht, während gleichzeitig ein Pfändungszugriff von einem fixen (Zustellungs-)Zeitpunkt aus in die Zukunft auf alle Tagesguthaben wirkt (§ 833 a), ist es insgesamt ein strukturelles Problem, dass die Norm an ein zu schützendes kalendermonatliches Guthaben anknüpft. Trotz dieser Schwierigkeiten schon des „automatischen“ Pfändungsschutzes bewirkt er allein noch keinen angemessenen Ausgleich zwischen den Beteiligten (s. etwa Rn 29). Die Kombination mit nach wie vor umfangreichen Möglichkeiten, weiteren oder abweichenden Pfändungsschutz durch das Vollstreckungsgericht zu beantragen (s. Rn 35), macht den Kontopfändungsschutz wiederum ineffizient. Darüber hinaus enthält die Norm durchaus maßgebliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit (s. Rn 52), ohne aber letztlich einen Anspruch auf ein „Girokonto für jedermann“16 zu begründen – obwohl gerade dieser Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr eines der Hauptanliegen der Reform war. Schließlich ist zweifelhaft, ob die Führung mehrerer P-Konten durch die Auskunftsmöglichkeiten bei Auskunfteien (s. Rn 64) tatsächlich verhindert werden kann. Die Norm ist aus diesen Gründen sowohl schwer praktikabel als auch inhaltlich unzulänglich.

II. „Automatischer“ Pfändungsschutz (Abs. 1 und 2) 12 Grundgedanke des Kontopfändungsschutzes ist, dem Schuldner auf dem P‑Konto

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einen monatlichen Grundfreibetrag ohne besonderen Antrag für die Dauer eines Kalendermonats zu belassen.17 Voraussetzung ist immer, dass der Schuldner Inhaber des Kontos ist. Der Pfändungsschutz greift also nicht für den Gläubiger der auf das Konto eingezahlten Forderungen, sondern für das Kontoguthaben.18 1. Sockelbetrag (Abs. 1). a) Monatlicher Pfändungsfreibetrag auf dem P‑Konto. aa) Der Begriff des Guthabens (Abs. 1 S. 1). Das „Guthaben“ meint immer alle bei Pfändung auf dem Konto befindlichen und nach der Pfändung eingehenden Beträge im Kalendermonat (s. auch § 833 a). Ausgänge vor Wirksamkeit der Pfändung (§ 829 Abs. 3) sind für das Guthaben ohne Bedeutung; sie werden also bei seiner Berechnung nicht mit einbezogen und können deshalb auch den pfändbaren Betrag nicht erhöhen bzw den Freibetrag verringern. Ausgänge nach der Pfändung werden vom Pfändungsfreibetrag abgezogen, da der Schuldner (nur) über diese Summe frei verfügen kann. Ausgänge haben also für die Bestimmung des pfändbaren Betrages im jeweiligen Monat selbst keine Bedeutung. Sie wirken erst auf den pfändbaren Betrag des Folgemonats ein, falls sie unter dem Freibetrag geblieben sind. Ist das Konto im „Soll“, besteht mangels Guthaben kein Pfändungsschutz;19 einzelne Zahlungseingänge sind nicht geschützt. Der Schuldner kann also nur über solche Pfändungsfreibeträge verfügen, die von einem Gut16 Lücke, BKR 2009, 457. Zum Stand des Vorhabens einer Selbstverpflichtung des Zentralen Kreditausschusses s. Bericht der Bundesregierung vom 16.12.2008 (BT-Drucks. 16/11495) und vom Dezember 2011 (abrufbar unter: www.voeb.de/download/bundesregierungsbericht.pdf); zum Konsultationsprozess wegen möglicher europäischer Legislativmaßnahmen „Basiskonto“ s. zuletzt Pressemitteilung der Kommission vom 18.7.2011 (http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=MEMO/11/514 &type=HTML); bei Sparkassen besteht vielfach Kontrahierungszwang: s. Giers, FamRB 2012, 25, 26; PG/Ahrens, § 850 k Rn 15. 17 BT-Drucks. 16/7615, S. 18 passim. 18 Vgl LG Wuppertal JurBüro 2010, 664 (Einzahlung von Forderungen des Schuldners auf das Konto seiner Ehefrau). 19 AG Köln ZIP 2011, 168; Bitter, ZIP 2011, 149, 152; Sudergat, Kontopfändung und P‑Konto, 2. Aufl., Rn 560 ff (Letztere aber krit. de lege ferenda); aA (ohne gesetzliche Grundlegung) PG/Ahrens, § 850 k Rn 52.

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haben gedeckt sind, nicht aber über abstrakte Freibeträge ohne Guthaben. Das gilt auch für Eingänge auf dem Debet-Konto nach der Pfändung, es sei denn, es handelt sich um nicht verrechenbare Einkünfte (s. Rn 52) oder Einkünfte in einer solchen Höhe, dass der Freibetrag als Haben-Bestand überstiegen wird. Auch die Übertragung (s. Rn 15) eines abstrakten Freibetrages auf den Folgemonat ohne Guthaben ist nicht möglich.20 bb) Der Freibetrag im Kalendermonat (Abs. 1 S. 1 und 3). Wird das Guthaben auf einem P‑Konto gepfändet, erhält der Schuldner für sich einen monatlichen Pfändungsfreibetrag nach § 850 c Abs. 1 S. 1 in Höhe von derzeit (s. § 850 c Rn 3) 1.028,89 €. Dieser Betrag unterfällt der Pfändung nicht, gleichgültig, aus welcher regelmäßigen oder einmaligen Quelle das Guthaben stammt. Keine Rolle spielt auch, ob die auf dem P‑Konto eingegangenen Beträge aus schon einmal „an der Quelle“, also beim Arbeitgeber (oder sonstigen Drittschuldner), gepfändeten Forderungen stammen oder diese Forderungen durch den Schuldner in Höhe des pfändbaren Betrages abgetreten wurden,21 obwohl es sich in diesen Fällen bei der auf das Konto überwiesenen Summe lediglich um unpfändbare Beträge handelt. Für den Gläubiger kann es deshalb lohnend sein, „Quellenpfändung“ und Kontopfändung durchzuführen.22 In Betracht kommt zu Gunsten des Schuldners aber eine Berücksichtigung im Rahmen des Abs. 4 (s. Rn 39). Der Freibetrag wird für jeweils einen Kalendermonat23 gewährt, gleichgültig, wann im Kalendermonat der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt wird. Bei Pfändung auch zukünftiger Kontoeingänge (§ 833 a) ist auch für die Monate nach der Pfändung der pfändungsfreie Betrag zu gewähren.24 Es spielt also weder eine Rolle, wann im Monat die Pfändung erfolgt, noch wann die konkreten Gutschriften eingehen („Guthabenbegriff“, s. Rn 13). Alle der Pfändung folgenden weiteren Eingänge erfasst die Pfändung ebenfalls (s. aber „Monatsanfangsproblematik“, Rn 16). Alle weiteren Ausgänge können nur im Rahmen des Sockelfreibetrages erfolgen. Ausgänge vor Wirksamwerden der Pfändung verringern den monatlichen Freibetrag nicht,25 so dass dem Schuldner selbst bei einer Pfändung gegen Ende des Monats noch der volle Monatsfreibetrag bleibt. Ein in einem Monat vom Schuldner nicht in Höhe des Pfändungsfreibetrages verbrauchtes Guthaben wird auf den Folgemonat übertragen, so dass es im nächsten Monat den Pfändungsfreibetrag erhöht (S. 3). Wird es auch im Folgemonat nicht verbraucht, steht es dem Gläubiger zur Verfügung. Auf dem P‑Konto kann also niemals mehr als der Freibetrag von zwei Monaten angespart werden. Mit Ablauf des zweiten Monats entfällt der nicht ausgeschöpfte Freibetrag aus dem Vormonat, so dass ein Ansparen nicht möglich ist.26 cc) „Monatsanfangsproblematik“ und Auszahlungsmoratorium (Abs. 1 S. 2). Geht nach einer Pfändung noch Guthaben auf dem P‑Konto ein und hat der Schuldner über seinen kalendermonatlichen Freibetrag schon verfügt, erfasst die Pfändung den Neueingang (s. Rn 13, 15). Problematisch kann dies sein, wenn es sich um Eingänge handelt, die gegen Ende eines Monats zur Verwendung für den Folgemonat überwiesen werden (zB Sozialleistungen). Wären sie im Monat, 20 AG Köln ZIP 2011, 168, 169; Stöber, Forderungspfändung, Rn 1300 f; Sudergat, Kontopfändung und P‑Konto, 2. Aufl., Rn 586, 438 b. 21 So jedoch noch RegE BT-Drucks. 16/7615, S. 19; geändert nach Empfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 16/12714, S. 7, 19 f; krit. Zöller/Stöber, § 850 k Rn 9 f. 22 Homann, ZVI 2010, 365, 369. 23 LG Berlin ZVI 2011, 97. 24 BT-Drucks. 16/12714, S. 19; die insoweit ausdrückliche Anordnung im Regierungsentwurf (s. BT-Drucks. 16/7615, S. 18) ist entfallen und soll durch das „jeweils“ in Satz 1 ihren Ausdruck finden; Zöller/Stöber, § 850 k Rn 3. 25 Zöller/Stöber, § 850 k Rn 4; aA Goebel, FoVo 2010, 121 mwN für beide Ansichten. 26 BT-Drucks. 16/7651, S. 31; aA wohl Ahrens, NJW 2010, 2001, 2005. Hk-ZV/Meller-Hannich

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für den sie verwendet werden sollen, eingezahlt worden, hätten sie von dessen neuen monatlichen Freibetrag „profitiert“; nun erhält sie gänzlich der Gläubiger. Im Folgemonat stehen dem Schuldner dann ggf existenzsichernde Mittel nicht zur Verfügung. Hinter der „Monatsanfangsproblematik“27 steckt also die Normierung des Abs. 1 S. 1, wonach der Freibetrag immer kalendermonatlich gewährt wird, und diejenige des Abs. 1 S. 3, dass geschütztes Guthaben von einem in den anderen Monat nur übertragen werden kann, soweit der Freibetrag noch nicht ausgeschöpft ist. Dass bei schon ausgeschöpftem Freibetrag alle Eingänge (auch solche am Monatsende) dem Gläubiger zustehen, entspricht im Prinzip genau dem gesetzgeberischen Willen und dem Wortlaut der Norm (s. Rn 13, 15), spiegelt aber auch deren strukturelles Problem (s. Rn 10) wider. Es kann nämlich nach Obigem zur Folge haben, dass ein Eingang in dem Kalendermonat, in dem er erfolgt, vollends ungeschützt bleibt, und in dem Kalendermonat, für den er gedacht ist, aufgrund der vollständigen Pfändbarkeit bereits dem Gläubiger zusteht. Im Extremfall sind dann im Monat, für den der Eingang verwendet werden soll, keine Mittel vorhanden, um einen neuen existenzsichernden Freibetrag auszufüllen, denn abstrakte Freibeträge ohne Guthaben gibt es nicht; (wobei freilich ein weiterer Eingang am Monatsende wieder geschützt ist). Nachdem die Praxis sich bei der Monatsanfangsproblematik vor allem mit einer Anwendung von § 765 a28 (oder § 850 k Abs. 4 analog)29 beholfen hat oder für vorfristige Eingänge ungeschriebene Sonderregeln entwickelte30 und die Politik gesetzlich ungeregelte Wünsche an die Banken veröffentlichte,31 soll seit April

27 Ahrens, NZI 2010, 183; Becker, NJW 2011, 1317; Bitter, ZIP 2011, 149, 154. 28 LG Koblenz 22.11.2010 – 2 T 617/10; AG Lörrach VuR 2011, 104; LG Essen ZVI 2010, 350; LG Lübeck 18.2.2011 – 7 T 46/11; LG Oldenburg ZVI 2011, 31; AG Esslingen ZVI 2010, 481; AG Ludwigshafen ZVI 2010, 354; LG Kassel JurBüro 2011, 385 (aber keine dauerhafte Aufhebung); aA („Pech gehabt“) AG Hannover FoVo 2010, 235; AG Hannover 19.10.2010 – 712 M 125995/10; AG Hannover 19.10.2010 – 714 M 146205/10. 29 Homann, ZVI 2010, 365, 367. 30 LG Oldenburg ZVI 2011, 31 (Zahlungseingänge, die weniger als fünf Tage vor Monatsende eingehen, gelten als im Folgemonat eingegangen); LG Münster ZVI 2010, 479 u. AG Leipzig ZVI 2010, 351 (kein Recht des Drittschuldners zu Verweigerung der Auszahlung an den Schuldner bei vorfristigen Eingängen); AG Duisburg-Hamborn FoVo 2010, 196 (Pflicht des Drittschuldners zur Anrechnung auf den Folgemonat); AG Köln WM 2011, 31 (Auskehrung an den Gläubiger nur dann, wenn das vorhandene Guthaben zusätzlich zum Sockelbetrag des aktuellen Monats auch den des Folgemonats übersteigt). 31 Stellungnahme der Bundesjustizministerin vom September 2010: „Die Banken haben … zu gewährleisten, dass, unabhängig vom Zeitpunkt von Gutschriften, der monatliche Freibetrag für den Kunden zur Verfügung steht. Zahlungen am Monatsende können daher am Ende des Kalendermonats nur an den Gläubiger ausgekehrt werden, soweit das Guthaben den monatlichen individuellen Freibetrag für den Folgemonat übersteigt.“; mit Stand April 2011: „klarstellendes Gesetz“, abrufbar unter www.bmjbund.de; Abdruck idF vom September 2010 in ZVI 2010, 404: „unabhängig vom Zeitpunkt der Gutschrift muss jeweils der monatliche Freibetrag zur Verfügung stehen“. Einen Widerspruch zur gesetzlichen Konstruktion sahen darin auch Bitter, ZIP 2011, 149, 154; Jäger, ZVI 2010, 325, 328 f; Sudergat, ZVI 2010, 445, 451. Als von der Auslegung gedeckt sehen derartige Pflichten wohl die in voriger Fn genannten Instanzgerichte sowie Kohte, VuR 2010, 81, 82. Inzwischen muss man sich nur noch darüber streiten, ob die Einführung des Moratoriums eine Klarstellung oder eine Änderung (richtig, s. Rn 17) war.

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§ 850 k

2011 (s. Rn 5) – rückwirkend32 – das Moratorium des Abs. 1 S. 2 iVm dem ebenfalls zu diesem Zeitpunkt neu geregelten § 835 Abs. 4 das Monatsanfangsproblem lösen: § 835 Abs. 4 separiert nach der Wirksamkeit der Pfändung eingehendes Gutha- 19 ben für einen Zeitraum bis zum Ablauf des nächsten auf die Gutschrift folgenden Kalendermonats. Dieses Guthaben darf vom Drittschuldner (der Bank) erst nach diesem Zeitraum an den Gläubiger geleistet werden. Das gem. § 835 Abs. 4 separierte Guthaben wird durch Abs. 1 S. 2 als Guthaben iSd Abs. 1 S. 1 definiert.33 Der Freibetrag kann sich infolge der Regelungen aus dem im laufenden Kalendermonat vorhandenen Guthaben und dem separierten Guthaben speisen.34 Der Schuldner kann also über Guthaben in Höhe des monatlichen Freibetrages jedenfalls verfügen, auch wenn sich dieses Guthaben aus wirksam gepfändeten Beträgen speist. Es kommt also dazu, dass im Folgemonat zumindest soviel Geld vorhanden ist, dass ein tatsächlicher und nicht nur ein abstrakter Freibetrag erreicht wird, der dann auch pfändungsgeschützt ist. Nicht erreicht, aber auch nicht gewollt ist,35 dem Schuldner einen doppelten Freibetrag zu gewähren. b) Umstellung eines Kontos auf ein P‑Konto nach der Pfändung. Ist der Schuld- 20 ner nicht Inhaber eines P‑Kontos und wird sein Kontoguthaben gepfändet, kann er ein Girokonto noch innerhalb von vier Wochen seit Zustellung des Überweisungsbeschlusses (!) an den Drittschuldner in ein P‑Konto umstellen und die Wirkung des Abs. 1 erreichen (S. 4). Beantragt er die Umstellung erst nach Ablauf der Frist, kommt rückwirkender Pfändungsschutz nicht mehr in Betracht.36 Entscheidend für das Fristende ist die Umwandlung selbst, nicht der Umwandlungsantrag,37 für dessen Umsetzung freilich die Kreditinstitute nur drei Bankarbeitstage Zeit haben (Abs. 7 S. 3; s. Rn 59). Die Umstellungsfrist entspricht der ohnehin zu beachtenden Vier-Wochen-Frist nach § 835 Abs. 3 S. 2, so dass innerhalb der Umstellungsfrist nicht an den Gläubiger ausgezahlt werden darf, wobei nunmehr auch noch das Moratorium des § 835 Abs. 4 (s. Rn 19) die Auszahlung verzögert. Bedeutung hat die nachträgliche Umstellungsmöglichkeit vornehmlich im Hinblick darauf, dass mit dem 31.12.2011 der herkömmliche Pfändungsschutz gänzlich entfallen ist (s. Rn 3); eine Schutzlücke soll durch die Möglichkeit einer der Pfändung und Überweisung nachfolgenden Umwandlung in ein P‑Konto geschlossen werden.38 Wird ein Girokonto in ein P‑Konto umgewandelt, erledigen sich für das Girokonto bereits bestehende Vollstreckungsschutzentscheidungen „automatisch“.39 Um in den Genuss von Pfändungsschutz zu kommen, muss jeder Schuldner ein P‑Konto vereinbaren. c) Berechnung und weitere Hinweise zum Verfahren. Der pfändbare Betrag 21 kann nicht der Tabelle zu § 850 c entnommen werden, da er sich nicht aus Einzelforderungen, sondern nach dem monatlichen Guthaben (s. Rn 13, 15) bemisst, der Pfändungsfreibetrag sich außerdem je nach Ausgaben im Vormonat ändert und zudem § 850 c Abs. 2 (Pfändungsbeschränkung auch für den überschießen32 Dh auch, wenn die Pfändung vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 835 Abs. 4 S. 1 stattgefunden hat: BGH WM 2011, 1565; BGH NZI 2011, 717; BGH 28.7.2011 – VII ZB 94/10. 33 BT-Drucks. 17/4776, S. 9. 34 BT-Drucks. 17/4776, S. 9. 35 BT-Drucks. 17/4776, S. 9. 36 AG Hannover FoVo 2011, 119. 37 Sudergat, Kontopfändung und P‑Konto, 2. Aufl., Rn 593; PG/Ahrens, § 850 k Rn 25, 27. 38 BT-Drucks. 16/12714, S. 19. 39 AG Hannover VuR 2010, 390; aA (Fortbestand „alter“ Vollstreckungsschutzentscheidungen) Strunk, ZVI 2010, 336. Hk-ZV/Meller-Hannich

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den Anteil) nicht gilt.40 Durch den Drittschuldner zu ermitteln ist vielmehr die Differenz zwischen dem Guthaben und dem monatlichen Freibetrag. Aus dieser Differenz ergibt sich der durch den Gläubiger pfändbare Betrag, dessen Auszahlungshöhe sich allerdings wieder verringert, wenn er zur Speisung des Freibetrages des folgenden Monats notwendig ist (s. Rn 16). Guthaben ./. Freibetrag = von der Pfändung erfasstes Guthaben Der Freibetrag kann sich für den Folgemonat erhöhen, wenn er vom Schuldner nicht vollständig verbraucht wird: Guthaben ./. Freibetrag (monatlicher Freibetrag + aus Vormonat übertragener Freibetrag) = von der Pfändung im Folgemonat erfasstes Guthaben d) Beispielrechnung41 Beispiel: Grundfall: Am 10. Juli Pfändung (auch zukünftiger Forderungen) bei einem P‑Konto-Guthaben von 1.500,00 €. ./. =

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1.500,00 € 1.028,89 € 471,11 €

(Guthaben) (Freibetrag) (von der Pfändung erfasst)

Folge: Guthaben wird im Juli iHv 471,11 € von der Pfändung erfasst und an den Gläubiger ausgezahlt. 1.028,89 € stehen auf dem Konto zur Verfügung des Schuldners. Alle weiteren Eingänge erfasst die Pfändung ebenfalls. Alle weiteren Ausgänge sind vom Verfügungsbetrag abzuziehen. Beispiel: Fallfortsetzung 1: Schuldner verbraucht bis zum Ende des Juli (nur) 600,00 €. Der Guthabenstand am Ende des Juli beträgt also 428,89 € (Verbleib). ./. =

1.028,89 € 600,00 € 428,89 €

(Freibetrag) (Verbrauch im Juli) (aus Juli für August übertragener Freibetrag)

Am 1. August gehen weitere 1.500,00 € auf dem Konto ein. + =

428,89 € 1.500,00 € 1.928,89 €

(Verbleib aus Juli) (Eingang August) (Guthaben am 1. August)

+ =

428,89 € 1.028,89 € 1.457,78 €

(aus Juli für August übertragbarer Freibetrag) (Freibetrag für August) (gesamter Freibetrag für August)

./. =

1.928,89 € 1.457,78 € 471,11 €

(Guthaben) (gesamter Freibetrag für August) (von der Pfändung erfasst)

40 Krit. Zöller/Stöber, § 850 k Rn 8; Homann, ZVI 2010, 365, 369. 41 S. auch die schematische Übersicht in Rn 28.

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§ 850 k

Folge: Guthaben wird im August iHv 471,11 €42 von der Pfändung erfasst. 1.457,78 € (1.928,89 € – 471,11 €) stehen auf dem Konto zur Verfügung des Schuldners. Alle weiteren Eingänge erfasst die Pfändung ebenfalls. Alle weiteren Ausgänge sind vom Verfügungsbetrag abzuziehen. Beispiel: Fallfortsetzung 2: Schuldner verbraucht bis zum Ende des August nur 300,00 €. Der Guthabenstand am Ende des August beträgt also 1.157,78 € (Verbleib). Am 1. September gehen weitere 1.500,00 € auf dem Konto ein. Obwohl bislang noch kein Guthaben in Höhe des Juli-Freibetrages aufgebraucht ist (1.028,89 € – 600,00 € – 300,00 € = 128,89 €), kann der restliche Juli-Freibetrag von 128,89 € nicht auf den September übertragen werden. Die im August getätigten Ausgaben sind aber im August zunächst vom restlichen Juli-Freibetrag abzuziehen.43 Für September gelten also der monatliche Freibetrag sowie der aus August übertragene, bislang gänzlich unverbrauchte Freibetrag iHv 1.028,89 €. + =

1.500,00 € 1.157,78 € 2.657,78 €

(Eingang September) (Verbleib aus August) (Guthaben am 1. September)

+ =

1.028,89 € 1.028,89 € 2.057,78 €44

(aus August für September übertragbarer Freibetrag) (Freibetrag für September) (gesamter Freibetrag für September)

./. =

2.657,78 € 2.057,78 € 600,00 €

(Guthaben) (gesamter Freibetrag für September) (von der Pfändung erfasst)

Folge: Guthaben wird im September iHv 600,00 € von der Pfändung erfasst. 2.057,78 € (2.657,78 € – 600,00 €) verbleiben auf dem Konto zur Verfügung des Schuldners. Alle weiteren Eingänge erfasst die Pfändung ebenfalls. Alle weiteren Ausgänge sind vom Verfügungsbetrag abzuziehen. Beispiel: Fallvariante zum Grundfall (mit „Monatsanfangsproblematik“): Der Schuldner verbraucht bis zum Ende des Juli noch 1028,89 €, also den gesamten Juli-Freibetrag. Am 28. Juli gehen 1.500,00 € auf seinem Konto ein. Diese werden von der Pfändung erfasst, fallen aber zunächst unter das „Moratorium“ des § 835 Abs. 4. Erst nach Ablauf des August (= „nächster auf die Gutschrift folgender Kalendermonat“) dürfen sie an den Gläubiger geleistet werden. Zum AugustGuthaben werden sie zunächst hinzugezählt (Abs. 1 S. 2), so dass es zur Berechnung wie im Grundfall (s. Rn 23) kommt. Erreichen die sonstigen Eingänge im

42 Der Betrag ist identisch mit dem Pfändungsbetrag im Juli, weil dem – durch unterbliebene Ausgaben im Juli (Verbleib) – höheren August-Guthaben auch ein höherer – aus Juli übertragener – Gesamtfreibetrag für August gegenübersteht. Dass im Juli weniger als der Pfändungsfreibetrag ausgegeben wurde, hat also nur die Folge, dass diese Differenz dem Gläubiger im August nicht zugutekommen darf. 43 Ganz eindeutig ist der Wortlaut hier nicht, da er lediglich davon spricht, dass das nicht in Höhe des Pfändungsfreibetrages ausgegebene Guthaben im Folgemonat zusätzlich nicht von der Pfändung erfasst wird. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich aber, dass gemeint ist, bei Ausgaben unterhalb des vom Vormonat übertragenen Freibetrages werde der Freibetrag des laufenden Monats nicht ausgeschöpft und vollständig auf den folgenden Kalendermonat übertragen, vgl BT-Drucks. 16/7615, S. 31. 44 Der maximale Freibetrag beträgt 1.970,30 €, da immer nur derjenige aus einem Monat übertragen werden kann und sich zu dem des Folgemonats addiert, vgl BT-Drucks. 16/7651, S. 31; Zöller/Stöber, § 850 k Rn 5. Hk-ZV/Meller-Hannich

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August den Pfändungsfreibetrag nicht, wird Guthaben nur in Höhe eines Betrages, der den Freibetrag übersteigt, an den Gläubiger ausgezahlt. ./. =

1.028,89 € 1.028,89 € 0€

(Freibetrag) (Verbrauch im Juli) (aus Juli für August übertragener Freibetrag)

Das am 28. Juli eingehende Guthaben wird von der Pfändung umfasst, fällt aber bis zum 31. August unter das Auszahlungsmoratorium des § 835 Abs. 4. In Höhe des Pfändungsfreibetrages für August (1028,89 €) darf der Schuldner darüber verfügen. Gibt es keine weiteren Eingänge bis Ende August, werden an den Gläubiger die den Freibetrag übersteigenden Pfändungsbeträge (1500,00 € – 1028,89 € = 471,11 €) ausgezahlt. Im Ergebnis stehen sich also Gläubiger und Schuldner so wie bei einer Überweisung am 1. August (s. Rn 24). Auch bei der „Monatsanfangsproblematik“ gelten insoweit die fortgeführten Tabellen der Rn 28 f.45 Folge: Guthaben wird im August iHv 471,11 €46 von der Pfändung erfasst. 1.457,78 € (1.928,89 € – 471,11 €) stehen auf dem Konto zur Verfügung des Schuldners. Alle weiteren Eingänge erfasst die Pfändung ebenfalls. Alle weiteren Ausgänge sind vom Verfügungsbetrag abzuziehen.

27 2. Aufstockung des Sockelbetrages (Abs. 2). a) Allgemeines. Der Sockelfreibe-

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trag erhöht sich automatisch nach den Vorgaben des Abs. 2 (s. Rn 29 ff) und kann nach Abs. 3 und 4 durch das Vollstreckungsgericht verändert werden (s. Rn 35 ff). b) Übersicht zum Fallbeispiel47 und Fallfortsetzung bis Dezember bei aufgestocktem Sockelbetrag. Der Schuldner hat monatliche Eingänge von jeweils 1.500,00 €. Am 10.7. erfolgt die Pfändung. Im Juli hat der Schuldner nach der Pfändung noch Kontoausgänge von 600,00 €, ab August bis Dezember von jeweils 300,00 €. Im Dezember bekommt der Schuldner ein Kind, für das er zusätzlich Unterhalt in gesetzlicher Höhe48 leistet. Juli €

August €

Sept. €

Okt. €

Nov. €

Dez. €

Kontoeingänge

1.500,00

1.500,00

1.500,00

1.500,00

1.500,00

1.500,00

Guthaben (Eingänge im laufenden Monat + Verbleib aus Vormonat + noch nicht ausgezahlter Pfändungsbetrag des Vormonats, Rn 19)

1.500,00

1.928,89

2.657,78

3.257,78

3.257,78

3.257,78

45 Allerdings handelt es sich bei den hinter der Monatsanfangsproblematik stehenden Fällen in der Praxis regelmäßig um solche, in denen kein Freibetrag angespart, geschweige denn übertragen wurde. 46 Der Betrag ist identisch mit dem Pfändungsbetrag im Juli, weil dem – durch unterbliebene Ausgaben im Juli (Verbleib) – höheren August-Guthaben auch ein höherer – aus Juli übertragener – Gesamtfreibetrag für August gegenübersteht. Dass im Juli weniger als der Pfändungsfreibetrag ausgegeben wurde, hat also nur die Folge, dass diese Differenz dem Gläubiger im August nicht zugutekommen darf. 47 S. Rn 23. 48 Leitlinien der Düsseldorfer Tabelle (Nettoeinkommen bis 1.500,00 € und Altersstufe 1–5 = 317,00 €).

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(46)

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haltlich der Übergangsbestimmungen dieser Verordnung sollten die Mitgliedstaaten bei Unterhaltssachen, ab dem Zeitpunkt der Anwendbarkeit dieser Verordnung die Bestimmungen dieser Verordnung über die Zuständigkeit, die Anerkennung, die Vollstreckbarkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen und über die Prozesskostenhilfe anstelle der entsprechenden Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 anwenden. Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Schaffung eines Instrumentariums zur effektiven Durchsetzung von Unterhaltsforderungen in grenzüberschreitenden Situationen und somit zur Erleichterung der Freizügigkeit der Personen innerhalb der Europäischen Union, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht hinreichend verwirklicht und daher aufgrund des Umfangs und der Wirkungen dieser Verordnung besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus. Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands hat Irland mitgeteilt, dass es sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchte. Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands beteiligt sich das Vereinigte Königreich nicht an der Annahme dieser Verordnung, und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet. Dies berührt jedoch nicht die Möglichkeit für das Vereinigte Königreich, gemäß Artikel 4 des genannten Protokolls nach der Annahme dieser Verordnung mitzuteilen, dass es die Verordnung anzunehmen wünscht. Gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks beteiligt sich Dänemark nicht an der Annahme dieser Verordnung und ist weder durch diese gebunden noch zu ihrer Anwendung verpflichtet, unbeschadet der Möglichkeit für Dänemark, den Inhalt der an der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vorgenommenen Änderungen gemäß Artikel 3 des Abkommens vom 19. Oktober 2005 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen17 anzuwenden.

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Vorbemerkung zur EuUntVO Literatur: Amos, Englisches Unterhaltsrecht – paternalistisch oder pragmatisch?, in: Coester-Waltjen/ Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 39; Andrae, Zum Verhältnis der Haager Unterhaltskonvention 2007 und des Haager Protokolls zur geplanten EU-Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 196; 17 ABl. L 299 vom 16.11.2005, S. 62. Hk-ZV/Garber

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http://www.nomos-shop.de/15164 EuUntVO Vor dies., Das neue Auslandsunterhaltsgesetz, NJW 2011, 2545; Beaumont, International Family Law in Europe – the Maintenance Project, the Hague Conference and the EC: A Triumph of Reverse Subsidiarity, RabelsZ 73 (2009) 509; Binder, Der Schutz des Kindes im Internationalen Zivilverfahrensrecht und Internationalen Privatrecht am Beispiel der Europäischen Unterhaltsverordnung, in: Clavora/Garber (Hrsg.), Die Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten im Zivilverfahren (2012) 205; Boele-Woelki/ Mom, Europäisierung des Unterhaltsrechts – Vereinheitlichung des Kollisionsrechts und Angleichung des materiellen Rechts, FPR 2006, 232; dies., Vereinheitlichung des internationalen Unterhaltsrechts in der Europäischen Union – ein historischer Schritt, FPR 2010, 485; Bonomi, Explanatory Report on the Protocol of 23 November 2007 on the Law Applicable to Maintenance Obligations (2009); Borrás/Degeling, Explanatory Report on the Hague Convention of 23 November 2007 on the international Recovery of Child Support and other Forms of Family Maintenance (2009); Botur, Besonderheiten bei der Vollstreckbarerklärung englischer Unterhaltsentscheidungen in Deutschland, FPR 2010, 519; Brückner, Unterhaltsregreß im internationalen Privat- und Verfahrensrecht (1994); Burgstaller/ Neumayr (Hrsg.), Internationales Zivilverfahrensrecht, Loseblatt (Stand: 2012) (zit.: Burgstaller/Neumayr/Bearbeiter, IZVR); Coester-Waltjen, Einführung, in: Coester-Waltjen/Lipp/ Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 39; Conti, Grenzüberschreitende Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in Europa (2012); Dörner, Der Vorschlag für eine europäische Verordnung zum Internationalen Unterhalts- und Unterhaltsverfahrensrechts, in: FS Yamauchi (2006) 81; ders., Vorschlag für eine Unterhaltsverordnung – Vorsicht bei Gebrauch der deutschen Fassung!, IPRax 2006, 550; Dose, Das deutsche Unterhaltsrecht unter dem Einfluss der UnterhaltsVO und der Haager Unterhaltsübereinkommen – Vollstreckbarkeit ausländischer Unterhaltstitel, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 81; Duncan, The Development of the New Hague Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance, Family Law Quarterly 2004, 663; ders., The New Hague Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance, IFL 2008, 13; Fasching/Konecny, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen – Band V/1: EuGVVO, EuBVO, EuVTVO, §§ 39, 39 a JN, §§ 63 bis 73, 283, 291 a bis 291 c ZPO, 2. Aufl. 2008; dies., Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen – Band V/2: EuEheKindVO, EuMahnVO, EuBagatellVO, EuZVO, EuUVO, §§ 38 bis 40 JN, §§ 11, 12 ZustG, 2. Aufl. 2010; Fucik, Unterhaltsansprüche in der Europäischen Union, FamZ 2007, 97; ders., Unterhaltsdurchsetzung mit Auslandsbezug, iFamZ 2007, 315; ders., Das neue Haager Unterhaltsprotokoll – globales Einheitskollisionsrecht gezeichnet, iFamZ 2008, 90; ders., Rechtsdurchsetzung von Unterhalt im Ausland, iFamZ 2008, 356; ders., Habemus Regulationem! Europäische Unterhaltsverordnung beschlossen, iFamZ 2009, 126; ders., Das Haager Unterhaltsübereinkommen – Gemeinschaftsrechtliche Kooperations- und Anerkennungsmechanismen, iFamZ 2009, 219; ders., Die neue Unterhaltsverordnung (und weitere Projekte im Bereich des Familienrechts), in: König/Mayr (Hrsg.), Europäisches Zivilverfahrensrecht in Österreich II: 10 Jahre nach dem Vertrag von Amsterdam (2009) 105; ders., Die neue Europäische Unterhaltsverordnung: Gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeits- und Kooperationsmechanismen, iFamZ 2009, 245; ders., Die neue Unterhaltsverordnung: Gemeinsame Anerkennungs- und Vollstreckungsmechanismen, iFamZ 2009, 305; ders., Fachbereich Außerstreit, ÖRPfl 2011, H. 2, 12; ders., Neues zur Unterhaltsdurchsetzung im Ausland: Europäische Unterhaltsverordnung ist ab 18.6.2011 anwendbar, iFamZ 2011, 170; Garber, Zum Begriff der Ehe iSd Art. 1 Abs. 1 lit. a EuEheKindVO, in: FS Simotta (2012) 145; ders., Zur Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen über die Auflösung gleichgeschlechtlicher Ehen und Partnerschaften in Österreich, in: Clavora/Garber (Hrsg.), Die Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten im Zivilverfahren (2012) 273; Garber/Neumayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht (Brüssel I/Brüssel IIa u.a.), in: Eilmansberger/Herzig (Hrsg.), Jahrbuch Europarecht 11 (2011) 255; dies., Europäisches Zivilverfahrensrecht (Brüssel I/Brüssel IIa u.a.), in: Eilmansberger/Herzig (Hrsg.), Jahrbuch Europarecht 12 (2012) 235; Gebauer, Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach der EuVTVO und der geplanten Unterhaltsverordnung, FPR 2006, 252; Geimer/Schütze (Hrsg.), Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Loseblatt-Handbuch mit Texten, Kommentierungen und Länderberichten, 42. Auflage 2011 (Stand: Oktober 2011) (zit.: Geimer/ Schütze/Bearbeiter, IRV); Gebauer/Wiedmann (Hrsg.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss – Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze. Kommentierung der wichtigsten EU-Verordnungen. Kapitel 36: Europäische Unterhaltsverordnung (EuUnt-

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http://www.nomos-shop.de/15164 Vor EuUntVO VO), 2. Aufl. 2010; Gottwald, Prozessuale Zweifelsfragen der geplanten EU-Verordnung in Unterhaltssachen, in: Liber amicorum Walter F. Lindacher (2007) 13; Gruber, Die neue EG-Unterhaltsverordnung, IPRax 2010, 128; Gsell/Netzer, Vom grenzüberschreitenden zum potenziell grenzüberschreitenden Sachverhalt – Art. 19 EuUnterhVO als Paradigmenwechsel im Europäischen Zivilverfahrensrecht, IPRax 2010, 403; Hau, Das Zuständigkeitssystem der Europäischen Unterhaltsverordnung – Überlegungen aus der Perspektive des deutschen Rechts, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 57; ders., Die Zuständigkeitsgründe der Europäischen Unterhaltsverordnung, FamRZ 2010, 516; Heger, Die europäische Unterhaltsverordnung, ZKJ 2010, 52; ders., Haager Unterhaltsübereinkommen und UnterhaltsVO der Europäischen Union, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 5; Heger/Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunterhaltsgesetz – Die erleichterte Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 2011, 1101; Hess/Mack, Der Verordnungsvorschlag der EG-Kommission zum Unterhaltsrecht, Das Jugendamt 2007, 229; Hilbig, Der Begriff des Familienverhältnisses in Art. 1 HPUnt 2007 und Art. 1 EuUntVO, GPR 2011, 310; Hirsch, The New Hague Convention on the International Recovery of Child Support and Other Forms of Family Maintenance, IFL 2008, 13; dies., Das neue Haager Unterhaltsübereinkommen und das Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/ Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 17; Hohloch, Grenzüberschreitende Unterhaltsvollstreckung, FPR 2004, 315; Janzen, Die neuen Haager Übereinkünfte zum Unterhaltsrecht und die Arbeiten an einer EG-Unterhaltsverordnung, FPR 2008, 218; Junker, Das Internationale Zivilverfahrensrecht der Europäischen Unterhaltsverordnung, in: FS Simotta (2012) 263; Karsten, The new Hague Convention and EU Regulation on Maintenance Obligations – an English Perspective, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit (Hrsg.), Europäisches Unterhaltsrecht: 8. Göttinger Workshop zum Familienrecht 2009 (2010) 47; Kohler/Pintens, Entwicklungen im europäischen Familien- und Erbrecht 2008–2009, FamRZ 2009, 1529; Kropholler/von Hein, Europäisches Zivilprozessrecht, Kommentar, 9. 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I. Entstehungsgeschichte 1 Die internationale Zuständigkeit für unterhaltsrechtliche Klagen sowie die Vor-

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aussetzungen für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen wurden bereits im EuGVÜ und der dem Übereinkommen nachfolgenden EuGVVO geregelt. Um Unterhaltsansprüche effektiver durchsetzen zu können, hat der Europäische Rat auf seiner Tagung in Tampere vom 15. und 16.10.1999 u.a. besondere gemeinsame Verfahrensregeln für eine vereinfachte und beschleunigte Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten sowie die Abschaffung von Zwischenmaßnahmen, die notwendig sind, um die Anerkennung und Vollstreckung einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung im ersuchten Staat zu ermöglichen, gefordert.1 Aus diesem Grund sollte nach dem gemeinsamen Maßnahmenprogramm der Kommission und des Rates vom 30.11.2000 zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen2 das Exequaturverfahren bei Entscheidungen über Unterhaltsansprüche gänzlich abgeschafft werden. Dadurch sollte die Wirksamkeit der Mittel, die den Anspruchsberechtigten zur Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Verfügung stehen, erhöht werden. In diesem Programm wurde ferner drauf hingewiesen, dass auf europäischer Ebene in Bezug auf unterhaltsrechtliche Streitigkeiten Verfahrensvorschriften festzulegen sind. Die Dringlichkeit entsprechender Maßnahmen wurde – angesichts der großen praktischen Bedeutung von grenzüberschreitenden Unterhaltsstreitigkeiten – in dem am 15.4.2004 von der Kommission vorgelegten Grünbuch „Unterhaltspflichten“,3 in dem Rechtsfragen zur Regelung grenzüberschreitender Unterhaltsstreitigkeiten formuliert wurden, besonders betont. Die Kommission wurde im Haager Programm vom 4. und 5.11.20044 ersucht, im Jahr 2005 den Entwurf eines Rechtsinstruments zur Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen einschließlich Sicherungsmaßnahmen und vorläufige Vollstreckung vorzulegen; die Kommission veröffentlichte am 15.12.2005 den ersten Entwurf.5 Am 21.10.2008 wurde ein neuerlicher Entwurf vorgelegt, der zT erheblich vom ersten Entwurf abwich. Dieser Entwurf wurde vom Rat in dessen Sitzung vom 18.12.2008 beschlossen und ist am 30.1.2009 in Kraft getreten und grds.6 seit 18.6.20117 in der gesamten Europäischen Union einschließlich Irland, dem Vereinigten Königreich und – mit Ausnahme des Kapitels III (Anwendbares Recht) und Kapitels VII (Zusammenarbeit der Zentralen Behörden) – in Dänemark (s. dazu Art. 1 Rn 44) anzuwenden.

II. Regelungsziel 3 Die EuUntVO regelt die internationale Zuständigkeit einschließlich Fragen zur

Rechtshängigkeit und zu zusammenhängenden Verfahren (Kapitel II), das Kollisionsrecht (Kapitel III), die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen, gerichtlichen Vergleichen und öffentlichen Urkunden (Kapitel IV und VI), die Prozesskostenhilfe (Kapitel V) sowie die Zusammenarbeit auf Verwaltungsebene über Zentrale Behörden (Kapitel VII). Ferner enthält Kapitel VIII Sonderbestimmungen für öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtungen.

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Die Schlussfolgerungen sind zT abgedruckt in NJW 2000, 1925. ABl. 2001 C 12/1. KOM(2004) 254 endg. ABl. 2005 C 53/1; s. dazu Schmidt/Hess, Unterhaltsrealisierung, Teil 1 Rn 4. KOM(2005) 649 endg. Zu den Ausnahmen s. Art. 76 Abs. 2. Dazu ausf. Garber/Neumayr, in: Jahrbuch Europarecht 11, S. 255, 259; Mankowski, FamRZ 2010, 1487.

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Ziel der Verordnung ist es, die effektive Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen 4 in grenzüberschreitenden Streitigkeiten zu gewährleisten,8 um dadurch den freien Personenverkehr innerhalb des Europäischen Binnenmarktes erheblich zu erleichtern (vgl ErwGr. 45) und somit zu einem möglichst reibungslosen Funktionieren des europäischen Binnenmarktes beizutragen (vgl ErwGr. 1 und 2). Dies wird insb. durch den weitgehenden Verzicht auf ein im Vollstreckungsstaat durchzuführendes Exequaturverfahren erreicht (vgl Art. 17). Ferner wird die bisherige Pluralität der internationalverfahrensrechtlichen Bestimmungen, aufgrund derer sich die Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in der Praxis als undurchsichtig und schwierig gestaltete,9 beseitigt, wodurch ebenfalls die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen in grenzüberschreitenden Streitigkeiten erleichtert werden soll.10 Aus ErwGr. 15 folgt als weiteres Ziel der Verordnung, dass der Unterhaltsbe- 5 rechtigte als die grds. wirtschaftlich schwächere Partei besonders geschützt werden soll.11 Da die EuUntVO eine möglichst umfassende Regelung unterhaltsrechtlicher Fragen bezweckt, 12 enthält die EuUntVO allerdings auch Regelungen, die für den Unterhaltsberechtigten nachteilig sein können. So werden etwa auch Entscheidungen, die eine Klage auf Unterhaltszahlung abweisen, sowie sonstige für den Unterhaltsberechtigten ungünstige Entscheidungen nach den Bestimmungen der Verordnung anerkannt, vollstreckt bzw für vollstreckbar erklärt (s. dazu Art. 16 Rn 14).

III. Auslegung und Vorabentscheidungsverfahren 1. Auslegung. Die EuUntVO ist nach den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätzen auszulegen.13 Um eine einheitliche Anwendung der EuUntVO zu gewährleisten, sind die in der Verordnung verwendeten Begriffe grds. unionsrechtlich autonom auszulegen (s. Vor EuVTVO Rn 4), wobei auch Schrifttum und Rspr zu anderen Unionsrechtsakten – insb. zu Art. 5 Nr. 2 EuGVÜ bzw EuGVVO – zu beachten sind.14 Ferner kann ErwGr. 8 und 17 entnommen werden, dass für die Auslegung der EuUntVO grds. auch das HUP 2007 sowie das HÜU 2007 von Bedeutung sind.15 Da die EuUntVO als supranationale Verordnung zT allerdings andere Ziele als die genannten völkerrechtlichen Übereinkommen bezweckt, können sich in Einzelfällen auch Abweichungen zwischen der Verordnung und den genannten Übereinkommen ergeben.16 Ein Gleichlauf zwischen der EuUntVO und dem HUP 2007 bzw dem HÜU 2007 ist demnach nicht zwingend erforderlich.

8 Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Vor Art. 1 EuUVO Rn 2. 9 Geimer/Schütze/Hilbig/Picht/Reuß, IRV, Vor Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 14; s. auch Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 7; Pietsch, AnwBl 2009, 486, 487 f. 10 Geimer/Schütze/Hilbig/Picht/Reuß, IRV, Vor Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 14. 11 Coester-Waltjen, Einführung, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 1, 2; Gruber, IPRax 2010, 128, 129; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, Vorbem. Art. 1 EuUnterhaltsVO Rn 34. 12 Vgl ErwGr. 10; s. auch Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO Rn 13 ff; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht, Kap. 36 Rn 1. 13 Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Vor Art. 1 EuUVO Rn 8; Burgstaller/ Neumayr/Weber, IZVR, Vor Art. 1 EuUntVO Rn 32. 14 Vgl nur Geimer/Schütze/Hilbig/Picht/Reuß, IRV, Vor Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19. 15 Gruber, IPRax 2010, 128, 129; Geimer/Schütze/Hilbig/Picht/Reuß, IRV, Vor Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19. 16 Geimer/Schütze/Picht, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 16. Hk-ZV/Garber

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8 2. Vorabentscheidungsverfahren. Für die Auslegung der EuUntVO kann der

EuGH angerufen werden (s. dazu Art. 267 AEUV).17 Ist die Entscheidung des Gerichts nach innerstaatlichem Recht nicht mehr anfechtbar, ist das Gericht verpflichtet, eine entscheidungswesentliche Auslegungsfrage dem EuGH vorzulegen.

IV. Rechtsnatur und Verhältnis zu anderen Unionsrechtsakte 9 1. Allgemeines. Die EuUntVO ist als Verordnung in allen Mitgliedstaaten (s. da10

zu Art. 1 Rn 42 ff) unmittelbar anwendbares Recht (Art. 288 AEUV, ex-Art. 249 EG); eine Umsetzung in das innerstaatliche Recht ist nicht erforderlich. 2. Verhältnis zu EuGVVO und EuVTVO. Die Verordnung ersetzt in ihrem Anwendungsbereich die bisher maßgeblichen Vorschriften der EuGVVO, insb. deren Art. 5 Nr. 2 (vgl ErwGr. 44 und Art. 68 Abs. 1) sowie – zumindest grds. – die Regelungen der EuVTVO (vgl Art. 68 Abs. 2). Titel über unbestrittene Unterhaltsforderungen aus Staaten, die nicht an das HUP 2007 gebunden sind, können nach der EuVTVO – dh ohne Vollstreckbarerklärungsverfahren – vollstreckt werden; insofern kann der Gläubiger bei der Vollstreckung einer Entscheidung zwischen den Bestimmungen der EuUntVO und jenen der EuVTVO wählen. Derzeit sind Dänemark und das Vereinigte Königreich nicht an das HUP 2007 gebunden. Da für Dänemark die EuVTVO nicht gilt (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO; s. dazu auch Vor EuVTVO Rn 11), können nur Entscheidungen aus dem Vereinigten Königreich wahlweise nach den Bestimmungen der EuUntVO oder der EuVTVO vollstreckt werden.18

V. Durchführung im deutschen Recht: AUG 11 Da die EuUntVO in einigen Fragen der Ergänzung durch innerstaatliche Bestim-

mungen bedarf, hat der deutsche Gesetzgeber das „Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 und zur Neuordnung bestehender Aus- und Durchführungsbestimmungen auf dem Gebiet des internationalen Unterhaltsverfahrensrechts“ vom 23.5.201119 erlassen. Dessen Art. 1 bildet das AUG. S. dazu die dortige Kommentierung sowie Andrae, Das neue Auslandsunterhaltsgesetz, NJW 2011, 2545; Heger/Selg, Die europäische Unterhaltsverordnung und das neue Auslandsunterhaltsgesetz – Die erleichterte Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, FamRZ 2011, 1101.

KAPITEL I ANWENDUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN Artikel 1 Anwendungsbereich (1) Diese Verordnung findet Anwendung auf Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. (2) In dieser Verordnung bezeichnet der Begriff „Mitgliedstaat“ alle Mitgliedstaaten, auf die diese Verordnung anwendbar ist. 17 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Einl. EG-UntVO Rn 33; Fucik, Die neue Unterhaltsverordnung, in: König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S. 105, 110; Thomas/ Putzo/Hüßtege, ZPO, Vorbem. Art. 1 EuUnterhaltsVO Rn 34. 18 S. dazu. Garber/Neumayr, in: Jahrbuch Europarecht 12, S. 235, 237 Fn 8; Rechberger/ Simotta, Grundriss, Rn 1331; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 68 EuUntVO Rn 5, jew. mwN. 19 BGBl. I S. 898, berichtigt durch BGBl. I S. 2094.

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http://www.nomos-shop.de/15164 KAPITEL I | ANWENDUNGSBEREICH, BEGRIFFSBESTIMMUNGEN I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Beschränkung auf Zivilsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die vom Anwendungsbereich der EuUntVO ausgenommenen Rechtssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begriff der Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Familien-, Verwandtschaftsoder eherechtliches Verhältnis oder Schwägerschaft . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Verwandtschaftsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eherechtliches Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . .

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Art. 1 EuUntVO

d) Schwägerschaft . . . . . . . . . . e) Familienverhältnis . . . . . . . 4. Rechtsgrund der Unterhaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . b) Vertragliche Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlungen aufgrund eines Delikts . . . . . . . . . . . . . 5. Vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasste Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klagen/Anträge des Unterhaltsberechtigten . . b) Klagen/Anträge des Unterhaltsverpflichteten c) Regressansprüche . . . . . . . . III. Räumlicher Anwendungsbereich

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I. Allgemeines Art. 1 bestimmt den sachlichen und – zumindest zT – den räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung. Zum zeitlichen Anwendungsbereich s. Art. 76, zum räumlich-persönlichen Anwendungsbereich s. Rn 42 ff sowie Art. 16 Rn 10.

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II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Einführung. a) Allgemeines. Nach Abs. 1 gelten die Bestimmungen der EuUntVO für Unterhaltspflichten, die auf einem „Familien-, Verwandtschafts-, oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen“. Die Formulierung entspricht im Wesentlichen Art. 1 Abs. 1 HUP 2007 sowie Art. 1 Abs. 1 HÜU 2007, sodass Schrifttum und Rspr zu den genannten Bestimmungen grds. auch für die Auslegung des Abs. 1 zu beachten sind (zur Auslegung allgemein s. Vor EuUntVO Rn 6 f).1 b) Beschränkung auf Zivilsachen. Der Anwendungsbereich der Verordnung beschränkt sich – trotz Fehlens einer ausdrücklichen Bestimmung – auf Zivilsachen.2 Dies folgt aus Art. 61 lit. c EG, der iVm Art. 65 und 67 EG die Kompetenzgrundlage für die Erlassung der Verordnung bildete;3 die Bestimmung erlaubt es dem europäischen Gesetzgeber nämlich nur, Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit anzuordnen. Der Begriff der Zivilsache ist unionsrechtlich autonom – dh ohne Rückgriff auf die lex causae bzw die lex fori – auszulegen; die Abgrenzung zu öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten bestimmt sich nach der zu Art. 25 EuGVÜ bzw Art. 32 EuGVVO ergangenen Rspr des EuGH,4 wonach zivilrechtliche Streitigkeiten im Unterschied zu öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht im Zusammenhang mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse stehen bzw der geltend gemachte An1 Vgl auch Gruber, IPRax 2010, 128, 129 f. 2 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 44; Zöller/Geimer, ZPO, Anh. II EG-VO Zuständigkeit Unterhaltssachen Art. 1 Rn 1; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 2; Reuß, in: FS Simotta, S. 483, 484; Weber, ÖJZ 2011, 947, 951 Fn 50; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 22 Fn 112. 3 Vgl vor ErwGr. 1; dazu ausf. Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 24. 4 EuGH 14.10.1976 – Rs. 29/76 (LTU/Eurocontrol), Slg 1976, 1541; EuGH 16.12.1980 – Rs. 814/79 (Niederlande/Rüffer), Slg 1980, 3807. Hk-ZV/Garber

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spruch seinen Ursprung nicht in der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit hat (s. dazu ausf. Vor Art. 32 ff EuGVVO Rn 12).5 Da sich der Begriff der Zivilsache ausschließlich nach materiell-rechtlichen Kriterien bestimmt, ist für die Frage, ob der Anwendungsbereich der EuUntVO eröffnet ist, die Art des Verfahrens, in dem der Anspruch durchzusetzen ist, ohne Bedeutung. Die Bestimmungen der EuUntVO gelten daher unabhängig davon, ob die vom sachlichen Anwendungsbereich erfassten unterhaltsrechtlichen Ansprüche in der streitigen oder in der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzusetzen sind.6 Zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde s. Art. 16 Rn 13. Auch die Beteiligung einer öffentlichen Einrichtung schließt das Vorliegen einer vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfassten Zivilsache nicht grds. aus.7 Nach Auffassung des EuGH stellen Unterhaltsregressklagen, die von öffentlichen Einrichtungen erhoben werden, eine Zivilsache dar, wenn der Anspruch zivilrechtlicher Natur ist; für die Grundlage der Klage und die Modalitäten ihrer Erhebung müssen die allgemeinen Vorschriften über die Unterhaltsverpflichtung gelten.8 Werden nach autonomem Recht der handelnden staatlichen Stelle hoheitliche Sonderrechte eingeräumt, ist der Anwendungsbereich der Verordnung hingegen nicht eröffnet; eine entsprechende Entscheidung des EuGH betraf den Anwendungsbereich der EuGVVO, ist allerdings auch für die EuUntVO von Bedeutung.9 c) Die vom Anwendungsbereich der EuUntVO ausgenommenen Rechtssachen. Vom sachlichen Anwendungsbereich der EuUntVO sind Ansprüche, die dem Erb-10 bzw dem (Ehe-)Güterrecht11 zuzuordnen sind, nicht erfasst. Die Verordnung enthält zwar keine entsprechende ausdrückliche Regelung, die Beschränkung des Anwendungsbereichs ergibt sich vielmehr aus der Parallele zu Art. 1 Abs. 2 EuGVVO. Da durch die EuUntVO nur die unterhaltsrechtlichen Regelungen der EuGVVO ersetzt werden sollen,12 ist der in Art. 1 Abs. 2 EuGVVO normierte Ausschluss erb- bzw (ehe-)güterrechtlicher Ansprüche auch für die EuUntVO von Bedeutung. Da für erbrechtliche Streitigkeiten die „Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie die Einführung eines Europäischen

5 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 4; aA Rauscher/Andrae, EuZPR/ EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 45. 6 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 2; Reuß, in: FS Simotta, S. 483, 484 Fn 5. 7 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 5; EuGH 14.11.2002 – Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen/Baten), Slg 2002, I-10849. 8 EuGH 14.11.2002 – Rs. C-271/00 (Gemeente Steenbergen/Baten), Slg 2002, I-10849. 9 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 4; aA Rauscher/Andrae, EuZPR/ EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 45 ff; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 22. 10 Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 52 f; Zöller/Geimer, ZPO, Anh. II EG-VO Zuständigkeit Unterhaltssachen Art. 1 Rn 1; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/3; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 28. 11 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 24; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht, Kap. 36 Rn 12; Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 48; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/3; aA wohl Fucik, iFamZ 2009, 245 Fn 10; Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Art. 1 EuUVO Rn 1. 12 Gruber, IPRax 2010, 128, 130.

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Nachlasszeugnisses“13 und für güterrechtliche Streitigkeiten die derzeit in Vorbereitung befindliche „Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Ehegüterrechts“14 sowie die ebenfalls in Vorbereitung befindliche „Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen im Bereich des Güterrechts eingetragener Partnerschaften“15 Anwendung finden sollen, besteht auch keine Notwendigkeit, die genannten Materien in der EuUntVO zu regeln. Die Abgrenzung zwischen unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten und erb- bzw (ehe-)güterrechtlichen Streitigkeiten hat anhand der Funktion des der Streitigkeit zugrunde liegenden Anspruchs zu erfolgen.16 Dient der Anspruch nicht der Sicherung der Lebensbedürfnisse des Berechtigten (s. dazu Rn 11 ff), sondern der Regelung der Vermögensnachfolge, der Aufteilung der Güter zwischen den Ehegatten bzw den eingetragenen Partnern oder der Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen, die sich unmittelbar aus der Ehe/registrierten Partnerschaft bzw deren Auflösung ergeben,17 sind die Bestimmungen der EuUntVO nicht anzuwenden. Daher ist eine im Rahmen eines Scheidungsverfahrens ergangene Entscheidung, durch die die Zahlung eines Pauschalbetrages und die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen von einem ehemaligen Ehegatten auf den anderen angeordnet werden, als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, sofern durch die Anordnung der Unterhalt des begünstigten ehemaligen Ehegatten gesichert werden soll.18 Der Unterhaltscharakter wird in diesem Fall auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass zugleich die Übertragung des Eigentums an bestimmten Gegenständen zwischen den früheren Ehegatten angeordnet wird, weil dadurch Kapital gebildet werden soll, das den Unterhalt eines Ehegatten sichern soll.19 Sofern durch eine Leistung mehrere Zwecke erreicht werden sollen, ist bei der Frage, ob der Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, zu differenzieren: Besteht eine Leistung aus mehreren Teilen, die eindeutig voneinander abgrenzbar sind, sind nur jene Teile der Leistung vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst, deren Zweck die Sicherung des Lebensbedürfnisses des Berechtigten ist.20 Ist hingegen keine eindeutige Abgrenzung der einzelnen Teile möglich, ist die ge13 ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 107; dazu jüngst: Fucik, EuErbVO verabschiedet, ÖJZ 2012, 625. 14 KOM(2011) 126/2 endg. 15 KOM(2011) 127/2 endg. 16 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 21, 24 f; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 24; EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147; vgl auch BGH FamRZ 2009, 1659; s. auch Dose, Das deutsche Unterhaltsrecht, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 81, 89. 17 EuGH 27.3.1979 – Rs. 143/78 (de Cavel/de Cavel), Slg 1979, 1055; EuGH 31.3.1981 – Rs. 25/81 (C. H. W./G. J. H.), Slg 1982, 1189; vgl auch Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 48. 18 EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147; vgl auch Amos, Englisches Unterhaltsrecht, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 39, 40. 19 EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147; vgl auch Amos, Englisches Unterhaltsrecht, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 39, 40. 20 EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147; vgl auch Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 27; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 26; Karsten, The new Hague Convention, in: CoesterWaltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 47, 53; Weber, ÖJZ 2011, 947, 949; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 11. Hk-ZV/Garber

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samte Leistung als unterhaltsrechtlich zu qualifizieren, sofern sie überwiegend der Sicherung des Lebensbedarfs dient.21 2. Begriff der Unterhaltspflichten. Der Begriff der Unterhaltspflichten wird in der Verordnung nicht definiert. Auch das HUP 2007 und das HÜU 2007 enthalten keine Legaldefinition des Begriffs, auf die zurückgegriffen werden könnte, allerdings können Schrifttum und Rspr zu Art. 1 Abs. 1 HUP 2007 und Art. 1 Abs. 1 HÜU 2007 bei der Auslegung des Begriffs der Unterhaltspflichten – zumindest grds. – berücksichtigt werden (zur Auslegung allgemein s. Vor EuUntVO Rn 6 f).22 Als Auslegungshilfe können auch die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Übersicht über die Unterhaltsansprüche in der EU23 sowie Lehre und Rspr zu Art. 5 Nr. 2 EuGVVO dienen (zur Auslegung allgemein s. Vor EuUntVO Rn 6 f).24 Der Begriff der Unterhaltspflichten ist – wie in ErwGr. 11 ausdrücklich normiert wird – unionsrechtlich autonom auszulegen, sodass weder die lex fori noch die lex causae maßgeblich ist.25 Aus ErwGr. 11 und der Aufzählung der verschiedenen personenrechtlichen Verhältnisse in Abs. 1 folgt auch, dass der Begriff der Unterhaltspflichten weit auszulegen ist.26 Für die Bestimmung des Begriffs ist nicht die innerstaatliche Bezeichnung des Anspruchs, sondern die Funktion des jeweiligen Anspruchs, dem Berechtigten das Bestreiten seines Lebensunterhalts zu ermöglichen, maßgeblich,27 wobei es unerheblich ist, ob die Leistung in Geld oder Sachwerten erfolgen soll.28 Um einen Anspruch als unterhaltsrechtlich qualifizieren zu können, muss sich dessen Höhe zudem wesentlich an der Bedürftigkeit des Berechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten orientieren.29 Unterhalt wird nämlich grds. 21 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 27; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 26; Weber, ÖJZ 2011, 947, 949; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 11; zu Art. 5 Nr. 2 EuGVVO s. Fasching/Konecny/ Simotta, Kommentar V/1, Art. 5 EuGVVO Rn 229. 22 Fucik, Die neue Unterhaltsverordnung, in: König/Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht, S. 105, 107; Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Art. 1 EuUVO Rn 1. 23 Abgedruckt bei Fucik, FamZ 2007, 97. Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Art. 1 EuUVO Rn 1; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 4. 24 Gruber, IPRax 2010, 128, 130; Nimmerrichter, Handbuch internationales Unterhaltsrecht, Rn 115. 25 Binder, Schutz des Kindes, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 205, 209; Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Art. 1 EuUVO Rn 1; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/1; M. Roth/Egger, ecolex 2009, 818; Weber, ÖJZ 2011, 947, 948; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 2, 7; vgl auch Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529, 1530. 26 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 22; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht, Kap. 36 Rn 17; Junker, in: FS Simotta 263, 264; Kohler/Pintens, FamRZ 2009, 1529, 1530; Mansel/Thorn/Wagner, IPRax 2010, 1, 7. 27 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 23; Binder, Schutz des Kindes, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 205, 209; Nimmerrichter, Handbuch internationales Unterhaltsrecht, Rn 115; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/1; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19; Weber, ÖJZ 2011, 947, 948; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 2; zu Art. 5 Nr. 2 s. EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147 sowie Fasching/Konecny/Simotta, Kommentar V/1, Art. 5 EuGVVO Rn 222. 28 Fasching/Konecny/Fucik, Kommentar V/2, Art. 1 EuUVO Rn 1; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19. 29 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 23; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/1; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19; Weber, ÖJZ 2011, 947, 948; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 2; vgl auch EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147.

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nur gewährt, wenn die berechtigte Person auch tatsächlich bedürftig ist – andernfalls hat sie für ihren Lebensbedarf selbst aufzukommen – und wenn der Verpflichtete tatsächlich im Stande ist, Leistungen zu erbringen.30 Durch den Umstand, dass auch andere Kriterien bei der Bemessung der Höhe des Unterhalts berücksichtigt werden – wie etwa der Grad des Verschuldens eines Ehegatten an der Scheidung –, wird nicht verhindert, dass ein Anspruch als unterhaltsrechtlich qualifiziert werden kann.31 Der Begriff des Unterhalts setzt nicht voraus, dass der Anspruch auf Leistung periodischer Zahlungen gerichtet ist. Sofern die genannten Voraussetzungen vorliegen, können auch Einmalzahlungen als unterhaltsrechtlich qualifiziert werden.32 Einmalige Zahlungen sind etwa in jenen Fällen, in denen der Betrag so festgesetzt ist, dass er ein zuvor festgelegtes Einkommensniveau sichert, vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst.33 Auch einmalige Zahlungen zur Deckung des Sonderbedarfs bei Kindesunterhalt sind als unterhaltsrechtlich iSd Abs. 1 zu qualifizieren.34 Der Anwendungsbereich der Verordnung erfasst ferner Ansprüche nach § 1613 Abs. 2 BGB,35 Ansprüche des Ehegatten gegenüber dem anderen auf Leistung eines Prozesskostenvorschusses nach § 1360 a Abs. 4 BGB36 sowie Ansprüche eines geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten gegen den anderen Ehegatten auf Erstattung des ihm durch das begrenzte Realsplitting entstandenen Nachteils.37 3. Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtliches Verhältnis oder Schwägerschaft. a) Allgemeines. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Abs. 1 muss die Unterhaltspflicht auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen. Unterhaltspflichten, die sich nicht aus einem der genannten Verhältnisse ergeben, sind vom Anwendungsbereich der EuUntVO nicht erfasst.

30 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 19. 31 Weber, ÖJZ 2011, 947, 950; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 16. 32 Binder, Schutz des Kindes, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 205, 209; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/1; vgl auch Dose, Das deutsche Unterhaltsrecht, in: Coester-Waltjen/Lipp/Schumann/Veit, Europ. Unterhaltsrecht, S. 81, 89. 33 EuGH 27.2.1997 – Rs. C-220/95 (van den Boogaard/Laumen), Slg 1997, I-1147; s. auch Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 25; Weber, ÖJZ 2011, 947, 949; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 6. 34 Binder, Schutz des Kindes, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 205, 209; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 21; Weber, ÖJZ 2011, 947, 948 f; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 3. 35 Weber, ÖJZ 2011, 947, 949; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 9; zu Art. 5 Nr. 2 EuGVVO s. Fasching/Konecny/Simotta, Kommentar V/1, Art. 5 EuGVVO Rn 224. 36 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 21; Weber, ÖJZ 2011, 947, 948 f; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 3. 37 Weber, ÖJZ 2011, 947, 949; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 9; vgl auch BGH NJW-RR 2008, 156; aA Zöller/Geimer, ZPO, Anh. II EG-VO Zuständigkeit Unterhaltssachen Art. 1 Rn 1; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 22; wie hier zu Art. 5 Nr. 2 EuGVVO Fasching/Konecny/Simotta, Kommentar V/1, Art. 5 EuGVVO Rn 225. Hk-ZV/Garber

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17 Die in Abs. 1 genannten besonderen Verhältnisse sind unionsrechtlich autonom –

dh ohne Rückgriff auf die lex fori bzw auf die lex causae – auszulegen,38 wobei Lehre und Rspr zu Art. 1 HUP 2007 bzw Art. 1 HÜU 2007 grds. zu berücksichtigen sind (zur Auslegung allgemein s. Vor EuUntVO Rn 6 f). Aufgrund der unionsrechtlichen Auslegung ist der Anwendungsbereich der EuUntVO auch dann eröffnet, wenn die betreffende Beziehung nach dem Recht des Mitgliedstaats, dessen Gerichte für das Erkenntnisverfahren oder die Vollstreckung angerufen werden, nicht als Familien-, Verwandtschafts-, eherechtliches oder auf Schwägerschaft beruhendes Verhältnis qualifiziert wird.39 18 b) Verwandtschaftsverhältnis. Zu den Unterhaltspflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis zählen alle Unterhaltspflichten zwischen Personen, die in gerader Linie verwandt sind – etwa Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber den Kindern40 bzw umgekehrt41 oder der Großeltern gegenüber den Enkelkindern bzw umgekehrt42 – sowie zwischen Personen, die in der Seitenlinie verwandt sind, etwa zwischen Geschwistern43 oder Cousinen/Cousins.44 19 Der Grad der Verwandtschaft ist nicht maßgeblich.45 Auch die Art der Begründung des Verwandtschaftsverhältnisses – also etwa durch Geburt, Adoption46 oder Vaterschaftsanerkenntnis47 – ist für die Frage des Vorliegens einer verwandtschaftlichen Beziehung zwischen den Parteien ohne Bedeutung.48 Eine verwandtschaftliche Beziehung iSd Abs. 1 liegt auch dann vor, wenn zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltsverpflichteten keine enge persönliche Beziehung besteht; daher sind auch Unterhaltszahlungen des biologischen Vaters, der in seiner Vaterrolle auf die Pflicht zur Zahlung von Unterhalt beschränkt wird, vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst. Auch eine allfällig bestehende Unterhaltspflicht des nicht biologischen Vaters gegenüber einem Kind ist

38 Weber, ÖJZ 2011, 947, 953; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 37; zT abweichend Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 15 f, sowie Hilbig, GPR 2011, 310, 312, nach deren Auffassung der Begriff „Familie“ nicht unionsrechtlich autonom auszulegen ist (s. dazu Rn 28 ff). 39 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 15. 40 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 6; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht, Kap. 36 Rn 17; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/2. 41 Martiny, FamRZ 2008, 1681, 1689. Unterhaltsansprüche eines Kindes gegenüber einem Elternteil (bzw umgekehrt) werden ungeachtet des Familienstandes der Eltern erfasst, sodass auch die Ansprüche eines unehelichen Kindes gegenüber dem Elternteil (bzw umgekehrt) erfasst werden (Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 2; Binder, Schutz des Kindes, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 205, 208; Gebauer/Wiedmann/Bittmann, Zivilrecht, Kap. 36 Rn 17). 42 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 6; Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 37. 43 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 6; Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 37; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 27. 44 Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 37 f, 46. 45 Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 37; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 41. 46 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 7. 47 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 41. 48 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 7; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 29; Geimer/Schütze/ Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 41.

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vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst.49 Ihr Verhältnis zueinander kann idR zumindest als Familienverhältnis qualifiziert werden (s. dazu Rn 28 ff). Als Unterhalt aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses sind nach deutschem Recht insb. Ansprüche nach §§ 1601 ff BGB zu qualifizieren. Als eine vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasste Unterhaltsleistung aufgrund eines Verwandtschaftsverhältnisses ist auch der Anspruch des Elternteils gegenüber dem anderen Elternteil auf Zahlung von Unterhalt aufgrund Geburt sowie der Pflege und Erziehung des Kindes erfasst.50 Nach deutschem Recht fallen daher Unterhaltsansprüche nach §§ 1570, 1615 BGB in den Anwendungsbereich der Verordnung. c) Eherechtliches Verhältnis. Zu den Unterhaltspflichten, die auf einem eherechtlichen Verhältnis beruhen, gehören Unterhaltspflichten zwischen den Eheleuten bei bestehender Ehe, der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sowie Unterhaltspflichten zwischen ehemaligen Ehegatten nach der Scheidung bzw Auflösung der Ehe.51 Der Begriff der Ehe ist iSd Art. 1 Abs. 1 lit. a EheGVVO auszulegen.52 Demnach ist unter den Begriff der Ehe eine auf einer entsprechenden Willensentschließung der Parteien beruhende, auf Dauer angelegte Gemeinschaft zweier verschiedengeschlechtlicher Personen unter Ausschluss dritter Personen, für deren Begründung – zumindest grds. – die Mitwirkung einer hoheitlichen Stelle, dh des Staats oder der Kirche, erforderlich ist, zu verstehen.53 Wird allerdings – wie etwa nach slowenischem Recht54 – eine eheähnliche Lebensgemeinschaft aufgrund der Dauer ipso facto zur Ehe, die nur mehr in einem förmlichen gerichtlichen Verfahren geschieden werden kann, stellt die Lebensgemeinschaft – trotz fehlender Mitwirkung einer hoheitlichen Stelle bei ihrer Begründung – ab dem Zeitpunkt, ab dem sie nur mehr in einem förmlichen gerichtlichen Verfahren geschieden werden kann, eine Ehe iSd Art. 1 Abs. 1 EheGVVO/EuUntVO dar.55 Da dem Begriff der Ehe die traditionelle Bedeutung als rechtliche Verbindung zwischen Mann und Frau zugrunde liegt, stellen Ehen zwischen Personen desselben Geschlechts keine Ehe iSd Art. 1 Abs. 1 EheGVVO/EuUntVO dar.56 Zur Fra49 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 7; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 29; aA Geimer/Schütze/ Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 43. 50 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 6; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 42; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 29. 51 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 3; Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 38; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 26. 52 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 3 Fn 6; Rechberger/Simotta, Grundriss, Rn 184/2. 53 Garber, Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 273, 284; ders., in: FS Simotta, S. 145, 149 mwN. 54 Zupančič/Novak, in: Bergmann/Ferid, Ehe- und Kindschaftsrecht Slowenien, Loseblatt, 180. Lfg. (1.12.2008), S. 39. 55 Garber, Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 273, 284; ders., in: FS Simotta, S. 145, 149; Staudinger/Spellenberg, EGBGB/IPR, Art. 1 EheGVO Rn 13. 56 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 3; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 36; aA Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 39 ff; zum Meinungsstand Garber, Anerkennung zivilgerichtlicher Entscheidungen, in: Clavora/Garber, Rechtsstellung von wirtschaftlich, sozial und gesellschaftlich Benachteiligten, S. 273, 285 ff; ders., in: FS Simotta, S. 145, 155 ff. Hk-ZV/Garber

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ge, ob homosexuelle Ehen unter den Begriff der Familie subsumiert werden können, s. Rn 33. Auch registrierte Partnerschaften hetero-57 bzw homosexueller Personen können aufgrund der dem Begriff der Ehe zugrunde liegenden traditionellen Bedeutung als rechtliche Verbindung zwischen Mann und Frau nicht als eine Ehe iSd Art. 1 Abs. 1 EheGVVO/EuUntVO qualifiziert werden.58 Zur Frage, ob registrierte Partnerschaften hetero- bzw homosexueller Personen unter den Begriff der Familie subsumiert werden können, s. Rn 33. Nach deutschem Recht sind Ansprüche nach §§ 1569 ff BGB als auf einem eherechtlichen Verhältnis beruhende Unterhaltsansprüche zu qualifizieren und sind daher vom Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst. Auch die Geltendmachung des Ruhens des Unterhaltsanspruchs im Falle des Eingehens einer Lebensgemeinschaft oder des Erlöschens des Unterhaltsanspruchs aufgrund einer Wiederverehelichung des Unterhaltsberechtigten sowie die Geltendmachung der Verwirkung des Anspruchs sind vom sachlichen Anwendungsbereich der EuUntVO erfasst.59 d) Schwägerschaft. Schwägerschaft besteht zwischen den Ehegatten und den Verwandten des anderen Ehegatten60 einschließlich dessen Stiefkinder, Adoptivkinder61 und unehelicher Kinder.62 Nicht maßgeblich ist, ob das Verwandtschaftsverhältnis in gerader Linie oder in Seitenlinie besteht. Wird die Ehe, durch die die Schwägerschaft begründet wurde, aufgelöst, besteht die Schwägerschaft fort.63 e) Familienverhältnis. Die Bestimmungen der EuUntVO gelten auch für Unterhaltspflichten, die auf einem Familienverhältnis beruhen. Der Begriff der Familie wird in der EuUntVO nicht definiert. Nach ErwGr. 8 der Rom I-VO und ErwGr. 10 der Rom II-VO ist unter dem Begriff des Familienverhältnisses die Verwandtschaft in gerader Linie, die Ehe, die Schwägerschaft und 57 Sofern durch die Eintragung der Partnerschaft allerdings nahezu dieselben Wirkungen wie durch das Eingehen einer Ehe begründet werden, sollte die registrierte Partnerschaft mE vom sachlichen Anwendungsbereich der EheGVVO erfasst werden. Andernfalls könnte der nationale Gesetzgeber durch die Bezeichnung einer Lebensgemeinschaft als Ehe oder als registrierte Partnerschaft über die Anwendbarkeit der EheGVVO disponieren. Dies würde der gebotenen unionsrechtlich autonomen Auslegung des Begriffes der Ehe widersprechen (s. dazu Garber, in: FS Simotta, S. 145, 153 f). 58 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 3; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 37; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 26; aA Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 39 ff, insb. 45; wie hier zum Anwendungsbereich der EheGVVO Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003, 2014, Rn 107; Gruber, IPRax 2005, 293; Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht, Rn 05.07; Neumayr/Thoma-Twaroch, FamZ 2006, 112 f; Niklas, Die europäische Zuständigkeitsordnung in Ehe- und Kindschaftsverfahren, 2003, S. 34. 59 Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 16. 60 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 8; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 40; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/ Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 30. 61 Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 40. 62 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 8; Weber, ÖJZ 2011, 947, 952; Burgstaller/Neumayr/Weber, IZVR, Art. 1 EuUntVO Rn 30; Geimer/Schütze/ Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 40. 63 Rauscher/Andrae, EuZPR/EuIPR, Art. 1 EG-UntVO Rn 8; Conti, Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen, S. 38; Geimer/Schütze/Reuß, IRV, Art. 1 VO Nr. 4/2009 Rn 40.

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