harz-zeitschrift

Beitrag zur Kultur- und Landesgeschichte, hg. v. Mathias. Tullner, Halle/S. 2001 (Michael Scholz). 261. Die Braunschweigische Landesgeschichte.
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HARZ-ZEITSCHRIFT 2000/2001

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HARZ-ZEITSCHRIFT FÜR DEN HARZ-VEREIN FÜR GESCHICHTE UND ALTERTUMSKUNDE herausgegeben von Christof Römer

52./53. Jahrgang 2000/2001 133./134. Jahrgang der Zeitschrift des Harzvereins für Geschichte und Altertumskunde Berlin 2002

Lukas Verlag 3

Schriftleitung: Dr. Christof Römer (Herausgeber), Fasanenstraße, 38102 Braunschweig Für die einzelnen Beiträge sind die Verfasser verantwortlich. Die Zeitschrift ist die Fortführung der Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde, die bis zum 74./75. Jahrgang 1941/42 erschienen ist. Zuschriften: Sendungen für die Schriftleitung und die Anzeigenverwaltung sowie Besprechungsstücke für den Rezensionsteil sind an Dr. Christof Römer (Fasanenstraße, 38102 Braunschweig) erbeten. Bezug: Mitglieder des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde e.V. erhalten die Zeitschrift für den Jahresbeitrag sowie Sonderveröffentlichungen zum Vorzugspreis. Nichtmitglieder zahlen den jeweiligen Ladenpreis. Der reguläre Verkauf erfolgt über den engagierten Buchhandel. Direktbestellungen sind auch möglich über die Buchhandlung Michael Seidel (Johannisplatz 9, 06449 Aschersleben, Tel. 034 73 / 81 25 90), Jüttners Buchhandlung (Westernstraße 10, 38855 Wernigerode, Tel. 039 43 / 691 10) sowie über den Lukas Verlag (Kollwitzstraße 57, 10405 Berlin, Tel. 030 / 44 04 92 20, Fax 030 / 442 81 77 bzw. online unter http://www.lukasverlag.com).

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Harz-Zeitschrift : … Jg. der Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde / für den Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde hrsg.. – Jg. 1 (1948) –. – Berlin : Lukas-Verl., 1948 Forts. von: Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde: Zeitschrift des Harz-Vereins für Geschichte und Altertumskunde

ISSN 0073–0882

© by Harz-Verein für Geschichte und Altertumskunde sowie Lukas Verlag Erstausgabe, 1. Auflage 2002 Alle Rechte vorbehalten Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte Kollwitzstraße 57 D–10405 Berlin http://www.lukasverlag.com Umschlagabbildung: Merian, Sangerhausen, um 1650 (Ausschnitt) Umschlag und Satz: Ben Bauer, Berlin Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany ISSN 0073–0882 ISBN 3–931836–81–9

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Inhalt

Aufsätze

SANGERHAUSEN UND DER TERRITORIALSTAAT DER LUDOWINGER UND WETTINER Königsherrschaft und Hochadel im Raum Nordhausen /Sangerhausen Immo Eberl

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Vom Fürstentum zu Thüringen zum Thüringer Kreis. Zur administrativen Einbindung von Sangerhausen im wettinischen Thüringen Frank Boblenz

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HARZGESCHICHTE NACH EPOCHEN UND SACHGEBIETEN Der Halberstädter Karls- oder Philosophenteppich Anette Schmidt-Erler

69

Kantensäulen. Ein Merkmal sächsischer Romanik in der zweiten Hälfte des 12. Jahehunderts Klaus Höller

95

Halberstadt im Mittelalter und das Goslarer Stadtrecht – dargestellt an städtischen Rechtsfällen Dieter Pötschke

133

Die mitteldeutschen Universitäten des 18. Jahrhunderts als Ausbildungsstätten Harzer Mediziner Wolfram Kaiser

153

Zur Gewinnung und Verwendung von Lauterberger Kupfer Gerhard Laub

175

Der Übergang zur Koksverwendung in den Mansfelder Hütten Hans-Otto Gericke

197

Rückbesinnung auf zwei Harzer Schriftsteller und Bergmannssöhne – Paul Ernst und Oswald Bergener Renate Völker

229

Die katholische Kirche St. Gregor VII. in Bad Harzburg-Bündheim Maria Kapp

241

50 Jahre Notzeit-Kirche »Justus Jonas« in Nordhausen Hans-Jürgen Grönke

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Rezensionen

REGIONAL Sachsen-Anhalt. Beitrag zur Kultur- und Landesgeschichte, hg. v. Mathias Tullner, Halle/S. 2001 (Michael Scholz) 261 Die Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region, hg, v. H.-R. Jarck, G. Schildt, Braunschweig 2000 (Michael Scholz)

262

Die Kopfsteuerbeschreibung des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel von 1678, bearb. v. Heinrich Medefink u.a., Hannover 2000 (Hans-Heinrich Hillegeist) 266 H. Noack, S. Rohland, M. Schröter: Die Grenzsteine der historischen Grenze Chursachsen-Churhannover im Südharz, Halle 2000 (Hans-Jürgen Grönke)

267

Jens Heckl: Das Geldwesen Anhalts unter Berücksichtigung der Staatsschulden 1690 bis 1875, Hamburg 1999 (Paul Lauerwald)

269

Goslar und die Stadtgeschichte. Forschungen und Perspektiven 1399–1999, hg. v. C.-H. Hauptmeyer u. J. Rund, Bielefeld 2001 (Christof Römer) 271 Karl-Heinz Börner: Fürsten, Bürger und Betrüger. Residenzstadt Harzgerode 1635–1709, Harzgerode 2001 (Bernd Feicke)

272

MONTAN Torsten Schöpfer: Fundgrube. Wissenswertes über den Westharzer Bergbau und das Hüttenwesen, Clausthal-Zellerfeld 2000 (Wilfried Ließmann) 273 Europäische Monanregion Harz, hg. v. H.-J. Gerhard, K.H. Kaufhold, E. Westermann, Bochum 2001 (Hans-Heinrich Hillegeist)

275

Auf den Spuren einer frühen Industrielandschaft. Naturraum – Mensch – Umwelt im Harz, hg. v. Christiane Segers-Glocke, Hannover 2000 (Hans-Jürgen Grönke) 277 Mirja Steinkamp: Die Eisenhütte Gittelde 1700–1787, Stuttgart 1997 (Hans-Heinrich Hillegeist)

279

Wilfried Ließmann: Kupfererzbergbau und Wasserwirtschaft. Zur Montangeschichte von Bad Lauterberg/Südharz, Duderstadt 2001 (Hans-Heinrich Hillegeist; Paul Lauerwald)

281

6

Ulrich Reiff: Vom Bergmann zum Arbeiter? Die Verbrüderung der Bergmanns-, Handwerker- und Arbeitervereine in der Revolution 1848/1849 im Oberharz, Göttingen 2001 (Thomas Gundermann)

282

KIRCHE UND KULTUR Arno Wand: Heiligenstadt und seine Stadtpatrone. Die Geschichte der Aureus- und Justinusverehrung, Heiligenstadt 2001 (Christof Römer)

284

Bischof Burchard I. in seiner Zeit. Tagungsband zum biographisch-landeskundlichen Kolloquium in Heilbad Heiligenstadt, Heiligenstadt 2001 (Christof Römer) 285 Memleben. Königspfalz – Reichskloster – Probstei, hg. v. H. Wittmann, Petersberg 2001 (Michael Scholz) 286 Urkundenbuch des Stifts Hilwartshausen Göttigen, bearb. v. M. v. Bötticher, Hannover 2001 (Christof Römer)

289

Gerlinde Wappler: Menschen um Gleim, Bd. 1–2, Oschersleben 1998–2000 (Bernd Feicke)

290

Winfried Freund: Novalis, München 2001 (Bernd Feicke)

291

»Ein Mann wie Voß …«, hg. v. F. Baudach, U. Pott, Katalog der Ausstellung in Eutin und Halberstadt, Bremen 2001 (Bernd Feicke)

292

Hermann Zschoche: Caspar David Friedrich im Harz, Amsterdam/ Dresden 2000 (Bernd Feicke)

293

Erika Dittrich: Die katholischen Darfkirchen des Eichsfeldes in kurmainzischer Zeit (1670–1802), hg. v. Ver. f. Eichsfeld. Heimatk. u. v. Heimatver. Goldene Mark (Untereichsfeld), Duderstadt 2001 (Paul Lauerwald)

294

Irene Bormann: Geschichte des Staatlichen Gymnasiums in Duderstadt 1676–2001, Duderstadt 2001 (Paul Lauerwald)

295

Bert Bödeker: 100 Jahre Mecke Duderstadt, Duderstadt 2001 (Paul Lauerwald)

296

ZEITFOLGE Wolf-Dieter Steinmetz: Geschichte und Archäologie der Harzburg unter den Saliern, Staufern und Welfen 1065–1254, Bad Harzburg 2001 (Klaus Albert Höller) 298 7

Thomas T. Müller: Bauernkrieg nach dem Bauernkrieg. Die Verwüstung der Mühlhäuser Dörfer Dörna, Hollenbach und Lengefeld durch den Eichsfelder Adel und Klerus, hg. v. Ver. f. Eichsfeld. Heimatk. u. d. Th.-Müntzer-Gesell., Duderstadt 2001 (Christof Römer) 300 Ulrich Rosseaux: Die Kipper und Wipper als publizistisches Ereignis (1620–1626). Eine Studie zu den Strukturen öffentlicher Kommuniation im Zeitalter des Dreißigjährigen Krieges, Berlin 2001 (Paul Lauerwald) 301 Angelika Kroker: Konflikt und Reformbestrebungen im reichsstädtischen Regiment Goslars 1666–1682, Goslar/Bielefeld 2001 (Christof Römer) 303 Der Handel im Kurfürstentum / Königreich Hannover (1780–1850), hg. v. K.H. Kaufhold u. M. S. Stenzel, Stuttgart 2000 (Hans-Heinrich Hillegeist)

304

Klaus von See: Die Göttinger Sieben. Kritik einer Legende, 2. Aufl., Heidelberg 1997 (Holger Dainat)

305

Michael A. Kanther, Dieter Petzina: Victor Aimé Huber (1800–1869). Sozialreformer und Wegbereiter der sozialen Wohnungswirtschaft, Berlin 2000 (Richard Wernicke)

308

Der Bau der Helmtalbahn. Ein Bericht von der Eisenbahngeschichte, den KZ-Außenlagern der SS-Baubrigaden und der Zwangsarbeit im Südharz in den Jahren 1944–45 und den Evakuierungsmärschen im April 1945, hg. v. d. Arbeitsgem. Spurensuche in der Südharzregion, Duderstadt 2000 (Hans-Heinrich Hillegeist) 310 Literaturschau für den Harzraum 2000/2001

313

(Christof Römer u.a.) Berichte

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Harzverein 2000/2001 (Christof Römer; Bernd Feicke)

365

Arbeitskreis Archäologie (Hans-Jürgen Grönke, Lothar Klappauf )

370

Fachkommission für Rechtsgeschichte (Dieter Pötschke)

373

Westerhäuser Museumstag: Novalis-Gedenken (Bernd Feicke)

375

Bisher erschienene und geplante Bände der »Forschungen und Quellen zur Geschichte des Harzgebietes«

378

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Autoren der Aufsätze, Rezensionen und Berichte

Dr. Frank Boblenz, Schillerstraße 28, 99610 Sömmerda Prof. Dr. Immo Eberl, Breslauer Straße 11, 73479 Ellwangen Dr. Holger Dainat, Institut für Germanistik/Universität, Virchowstraße 24, 39104 Magdeburg Dr. Bernd Feicke, Straße des Friedens 269, 06484 Westerhausen Prof. Dr. Hans Otto Gericke, Rückertstraße 53, 39128 Magdeburg Dr. Sabine Graf, Niedersächsisches Staatsarchiv Stade, Am Sande 4c, 21682 Stade Hans-Jürgen Grönke, Andersen-Nexö-Straße 2, 99734 Nordhausen Thomas Gundermann, Sägemüllerstraße 47, 38678 Clausthal-Zellerfeld Hans-Heinrich Hillegeist, Brauweg 9, 37073 Göttingen Klaus Albert Höller, Homburgstraße 11, 39116 Braunschweig Prof. Dr. med. habil. Dr. phil. Wolfram Kaiser, Heinrich-Heine-Straße 3, 06114 Halle/Saale Dr. Maria Kapp, M. A., Dorothea-Borchers-Straße 4, 38640 Goslar Gerhard Laub, Talstraße 32, 38642 Goslar Paul Lauerwald, Töpferstraße 16, 99734 Nordhausen Dr. Wilfried Ließmann, Rosdorfer Weg 33A, 37073 Göttingen Thomas T. Müller, M.A., Göttinger Straße 14, 37308 Heiligenstadt Dr. Dieter Pötschke, Schmidtshof 1, 14469 Potsdam Dr. Christof Römer, Fasanensraße 67, 38102 Braunschweig Annette Schmidt-Erler, Marperger Straße 14, 04229 Leipzig Dr. Michael Scholz, Am Upstall 9, 14476 Fahrland Renate Völker, Stadtweg 230b, 06493 Straßberg/Harz Richard Wernicke, Hammer Landstraße 24, 20537 Hamburg 9

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AUFSÄTZE

Königsherrschaft und Hochadel im Raum Nordhausen/Sangerhausen Immo Eberl

Der Stamm der Thüringer scheint sich im Laufe des 4. Jahrhunderts aus verschiedenen Bestandteilen gebildet zu haben.1 Die Forschung hat herausgearbeitet, daß neben den Bevölkerungsteilen elbgermanischer Herkunft zuwandernde Gruppen beteiligt waren. Diese werden in den Warnen und Angeln gesehen. Dabei wird vor allem auf einen Zweig der Überlieferung der Lex Thuringorum, des thüringischen Volksrechts, abgehoben, das dort als Lex Angliorum et Vuerinorum hoc est Thuringorum bezeichnet wird.2 Neben diesem vermutlich 802/803 im Auftrag Karls des Großen aufgezeichneten Volksrecht finden sich die Warnen in den 805 östlich der Saale bezeugten Werinofeld wieder, während die Angeln auch in den vom 8.–10. Jahrhundert in den Urkunden auftretenden Landschaftsnamen Engilin »bei den Angeln« an Unstrut und Wipper festgestellt werden. Im Rahmen der Ethnogenese des thüringischen Stammes bildete sich ein Reich aus, das von einem Königsgeschlecht einheitlich regiert wurde. Dieses Reich und seine Königssippe wurden in den Quellen erst greifbar, als sie mit den Franken zusammenstießen, was zu ihrem Untergang führte. Unter dem letzten König Herminafrid hat sich das Thüringerreich von der Altmark im Norden über den Obermain vielleicht bis zur Donau im Süden erstreckt. Dazu unterstanden Böhmen, Brandenburg und das Leinetal einer thüringischen Vorherrschaft.3 Die archäologische Forschung hat diese Ausdehnung des Thü1 W. Schlesinger, Das Frühmittelalter, in: Geschichte Thüringens, hrsg. von H. Patze und W. Schlesinger, Band 1, Köln/Wien ²1985, S. 320; vgl. dazu auch E. Schwarz, Thüringer, Angeln, Warnen. in: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 11/12 (1953) S. 23–28; R. Wenskus, Stammesbildung und Verfassung, Köln/Wien ²1977, S. 551ff. Auf die ähnliche Ethnogenese der Alemannen und Franken nach den neuesten Forschungen ist besonders hinzuweisen. Vgl. dazu jetzt F. Siegmund, Alemannen und Franken (Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germ. Altertumskunde, Bd. 23), Berlin-New York 2000. 2 Vgl. Schlesinger (wie Anm.1), S. 319 und 355; ferner Lex Thuringorum, in: Handwörterbuch zur Deutschen Rechtsgeschichte, Band 2, Berlin 1978, Sp. 1965f. 3 H. Löwe, Deutschland im fränkischen Reich, in: Gebhardt. Handbuch der Deutschen Geschichte, Band 1, Stuttgart 91970, S. 114f.; dazu vgl. auch Schlesinger (wie Anm. 1), S. 324–326.

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ringerreichs nur teilweise bestätigen können.4 Während ein vereinzeltes Ausgreifen der Funde über den Thüringer Wald ins Maingebiet festzustellen ist, fehlt der Nachweis bis zur Donau. Der Ostgotenkönig Theoderich der Große hat die Thüringer in sein Bündnissystem einbezogen und seine Nichte Amalaberga mit dem letzten Thüringerkönig Herminafrid vermählt.5 Als nach dem Tode Theoderichs (526) das von diesem aufgebaute und vor allem gegen die seit den Expansionsbestrebungen König Chlodwigs wachsende Macht des Frankenreiches gerichtete Bündnissystem zerbrach, waren die Thüringer politisch isoliert.6 Mit den Sachsen und Franken waren sie verfeindet, und die Langobarden wandten sich nach der Verlobung der Tochter König Wachos, Wisigarda, mit Theudebert, dem Sohn des Merowingerkönigs Theuderichs I., in dieser Zeit ebenfalls von den Thüringern ab. König Herminafrid unterlag, auf sich allein gestellt, 531 den von den Merowingerkönigen Theuderich I. und Chlothar I. mit sächsischer Unterstützung geführten Angriff auf sein Reich in der Entscheidungsschlacht an der Unstrut. Ob diese Schlacht in Burgscheidungen stattfand, wie eine Quelle des 9. Jahrhunderts behauptet, oder in Ronneberg bei Hannover oder Ohrum an der Oker, wie die späteren sächsischen Überlieferungen behaupten, muß offengelassen werden.7 Das Thüringerreich blieb nach der verlorenen Schlacht wohl in Abhängigkeit von den Franken bestehen. Doch wurde kurze Zeit später – wohl 534 – König Herminafrid von den Merowingern nach Zülpich gelockt und dort durch einen Sturz von der Stadtmauer getötet. Das Thüringerreich wurde im Anschluß daran endgültig mit dem Merowingerreich verbunden. Das heutige Thüringen wurde bis zur Saale in das Frankenreich integriert, behielt jedoch sein eigenes Volksrecht. Die Belegung zahlreicher thüringischer Reihengräberfelder insbesondere östlich der Saale, aber auch westlich desselben brach ab, was auf Abwanderungen der dort ansässigen Bevölkerung schließen läßt.8 Die Franken haben anscheinend in dem in ihr Reich einbezogenen Raum fränkische Amtsherzöge eingesetzt.9 Für König Dagobert I. ist die Einsetzung 4 G. Mildenberger, Die vorgeschichtlichen Grundlagen, in: Geschichte Thüringens (wie Anm. 1), S. 201ff.; dazu vgl. im Überblick auch Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Sp. 747ff. 5 H. Wolfram, Geschichte der Goten. Von den Anfängen bis zur Mitte des 6. Jahrhunderts, München ²1980, S. 395f. 6 Schlesinger (wie Anm. 1), S. 322. 7 Die Angaben zur fränkischen und sächsischen Überlieferung vgl. ebd., S. 340. 8 Ebd., S. 324. Die archäologische Forschung hat darauf aufmerksam gemacht, daß die Reihengräberfelder im Unterschied zum westlichen Merowingerreich verhältnismäßig klein und nur selten über längere Zeiträume belegt wurden. Mit aller Vorsicht wird daraus auf eine weniger dichte und vor allem instabile Bevölkerung geschlossen. 9 Schlesinger (wie Anm. 1), S. 337; vgl. auch H. Ebling, Prosopographie der Amtsträger des Merowingerreiches (Francia Beiheft 2), München 1974, S. 204; A. Friese, Studien zur Herrschafts-

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Immo Eberl

dieses Herzogs quellenmäßig nachgewiesen. Dabei bleibt offen, ob er im Rahmen einer bereits seit dem 6. Jahrhundert bestehenden Institution gehandelt hat oder ob er bei der Expansion des Merowingerreiches nach Osten unter seiner Regierung eine neue Institution geschaffen hat. Die Thüringer mußten als Anerkennung ihrer Abhängigkeit einen Schweinezins bezahlen, den erst 1002 der Liudolfinger Heinrich II. als neugewählter König aufhob.10 Die Sachsen erhielten für ihre Unterstützung der fränkischen Expansion das westsaalische Gebiet bis zur Unstrut-Helme-Linie, die seither die Grenze des sächsischen Stammesgebietes gegen Thüringen bildete11, sich von der Helme bei Heringen Zorge aufwärts über Nordhausen bis Ellrich hinzog und von hier aus westwärts in das Tal der Wieda nach Walkenried und am Südabhang des Harzes in das Tal der Eller westwärts bis Stockhausen und zuletzt die Leine aufwärts über Marzhausen und Hebenhausen nach Witzenhausen an der Werra verlief. Die in diesem Raum, der später im Bereich zwischen Bode und Ohre als Nordthüringgau bezeichnet wurde12, siedelnde Bevölkerung hat sich durch Wegzug sehr verringert, wie sich in den Reihengräberfeldern deutlich zeigte. Sie wurde aber keineswegs vollständig vertrieben. Die Sachsen haben anscheinend überwiegend eine adelige Oberschicht über die bisher ansässige bäuerliche Bevölkerung ausgebildet. Das Maingebiet hat sich in der Folgezeit dem merowingisch-fränkischen Einfluß am weitesten geöffnet und vor allem auch durch fränkische Siedlung seine Verbindung zum thüringischen Raum verloren.13 Die Merowinger haben aufgrund der Aufstände der Thüringer und Sachsen gegen die fränkische Oberherrschaft anscheinend planmäßige Siedlungsmaßnahmen eingeleitet.14 Diese ließen Landschaftsnamen wie Friesenfeld15 und

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geschichte des fränkischen Adels, Der mainländisch-thüringische Raum vom 7. bis 11. Jahrhundert, (Geschichte und Gesellschaft. Bochumer Historische Studien, Band 18) Stuttgart 1979, S. 17–28, S. 36–41; R. Butzen, Die Merowinger östlich des mittleren Rheins (Mainfränkische Studien, Bd. 38), Würzburg 1987, S. 139–170. Löwe (wie Anm. 3), S. 115. R. Sebicht, Die Teilung des thüringischen Königreiches zwischen Franken und Sachsen nach der Schlacht bei Scheidungen im Jahre 531 nach der Zeitrechnung, in: Zeitschrift des Harzvereins 74/ 75 (1941/1942) S. 26–30; Löwe (wie Anm. 3), S. 115, mit weiterer Literatur; B. Schmidt, Zur Sachsenfrage im Unstrut-Saale-Gebiet und im Nordharzvorland, in: Studien zur Sachsenforschung II. Festschrift für A. Genrich, Hildesheim 1980, S. 423ff.; W. Schlesinger, Zur politischen Geschichte der fränkischen Ostbewegung vor Karl dem Großen, in: Ausgewählte Aufsätze von W. Schlesinger 1965–1979, hrsg. von H. Patze und F. Schwind, Sigmaringen 1987, S. 5, Anm. 22; jetzt auch W. Müller, Das Frühmittelalter, in: Geschichte Sachsen-Anhalts I, Berlin/München 1993, S. 33. Schlesinger (wie Anm. 1), S. 324f. Vgl. Löwe (wie Anm. 3), S. 115; Butzen (wie Anm. 9), S. 112–121. Schlesinger (wie Anm.1), S. 335. Ebd., S. 330.

Königsherrschaft und Hochadel im Raum Nordhausen/Sangerhausen

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Schwabengau16 entstehen. Um die für Thüringen zentrale Landschaft um Erfurt herum, die auffallenderweise keine eigene Bezeichnung aufwies, entstanden in einem Halbkreis die mit der Endsilbe -feld gebildeten Landschaftsnamen Folcfeld, Gozfeld, Grabfeld, Tullifeld, Eichsfeld, Onfeld, Friesenfeld und Werinofeld, wobei letzteres bereits östlich der Saale lag. Diese Landschaftsnamen wurden in Mitteldeutschland meist im Zusammenhang mit den Ortsnamen auf die Endsilbe -leben gesehen17 und nach ihrer dem angenommenen Umfang des Thüringerreichs weitgehend entsprechenden Ausdehnung in ihrer Entstehungszeit auf dieses zurückdatiert. Die Überprüfung hat aber gezeigt, daß die Landschaftsnamen auf -feld vermutlich eher aus einer fränkisch-thüringischen Verschmelzung der Namensgebung durch einen Ersatz der betont fränkischen Endsilbe -gau durch das thüringische -feld entstanden sind. Damit wurde ihre Entstehung ins 6. oder 7. Jahrhundert datiert18, also genau in die Zeit der fränkischen Verwaltungs- und Siedlungsmaßnahmen in Thüringen, um dieses dem Merowingerreich zu integrieren. Neben den auf die Endsilbe -feld gebildeten Landschaftsnamen, unter denen das Friesenfeld ebenso wie das Grabfeld, Folcfeld, Gozfeld und das südlich desselben gelegene Swalafeld als Schöpfungen fränkischer Siedlung und Landesordnung gelten, während im Werinofeld vermutlich auf den Namen der dort ehemals ansässigen Bevölkerung zurückgegriffen wurde, standen die auf die Endsilbe -gau gebildeten Landschaftsnamen. Während für den Schwabengau zwischen Bode und Wipper wegen der Ansiedlung der Nordschwaben die Entstehung in fränkischer Zeit als gesichert erscheint, ist in dem Landschaftsnamen Engilin (auch Englehem und Englide) nördlich von Kölleda wohl wie im Falle des Werinofeldes in der Bezeichnung auf die ehemaligen Bewohner zurückgegriffen worden. Dasselbe wird für den Hardegau nördlich des Harzes vermutet (Gau der Haruden), während der Hassegau zwischen Unstrut und Wipper seinen Namen von dort durch die Franken angesiedelten Hessen erhalten haben dürfte, was in ähnlicher Weise für das sich mit ihm räumlich teilweise überlappende Friesenfeld gilt. Auch die zwischen Harz und Thüringer Becken gelegenen Helmegau, Zorgegau und Nabelgau werden nach ihren nach Flüssen gebildeten Namen in ihrer Entstehung in die fränkische Zeit datiert. Damit scheinen die auf -gau gebildeten Landschaftsnamen wie die auf -feld im 6./7. Jahrhundert entstanden zu sein. Eine zeitlich parallele Bildung aufgrund politisch-verwaltungsmäßiger Eingriffe durch die Franken erscheint damit für alle Landschaftsnamen gegeben. Aufgrund der in einigen Fällen aufgezeigten Siedlungsvorgänge mit 16 Ebd., S. 331 und S. 335. 17 Ebd., S. 326ff. 18 Ebd., S. 331.

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