Woran Rot-Grün in Wien scheitern kann

Brocken Schulautonomie gut laufen, dass es sich beim zweiten großen Thema Schulverwaltung aber noch spießt. Laut APA-In- formationen könnte ein Misch-.
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2 INNENPOLITIK

Bildungsreform: Jetzt geht’s ums Eingemachte In drei Wochen soll das Konzept stehen. Wo es sich noch spießt. WIEN. 17. November. Dieses Datum hat sich die Regierung als Deadline für ihre Bildungsreform gesetzt. Gestern, Dienstag, war einmal mehr verhandelt worden. Auch wenn sich die Verhandler zugeknöpft geben, war zu hören, dass die Gespräche beim großen Brocken Schulautonomie gut laufen, dass es sich beim zweiten großen Thema Schulverwaltung aber noch spießt. Laut APA-Informationen könnte ein Mischmodell Abhilfe schaffen. Bei der Schulverwaltung geht es um die alte Frage, welche Kompetenzen im Schulbetrieb dabei Gemeinden, Bund und Ländern zukommen. Dem Vernehmen nach liegen bis zu sechs Modelle auf dem Tisch der Arbeitsgruppe, in der zur Hälfte SPÖ- und ÖVP-Vertreter sitzen (Regierungsmitglieder und Landeshauptleute). Als eher ausgeschlossen gelten die beiden Extreme, dass entweder der Bund oder die Länder die komplette Verwaltung übernehmen, worüber seit Jahren immer wieder gestritten wurde. Bei der Autonomie geht es um den Ausbau der finanziellen, personellen und pädagogischen Eigenständigkeit der Schulen. Direktoren könnten etwa ein Mitspracherecht bei der Lehreranstellung bekommen.

Ehemaliger Staatssekretär Pisa verstorben WIEN. Der ÖVP-Politiker, Journa-

list und Buchautor Karl Pisa ist am Nationalfeiertag im 92. Lebensjahr gestorben. Der gebürtige Wiener trat 1945 unmittelbar nach dem Krieg in den ÖVP-Pressedienst ein, dessen Leiter er später wurde. 1968 holte ihn Bundeskanzler Josef Klaus als Staatssekretär für Information in die ÖVP-Alleinregierung. Pisas Credo lautete: Politiker sollten nicht das sagen, was populär ist, sondern das populär machen, was notwendig ist. SN, APA

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Woran Rot-Grün in Wien scheitern kann

GLOSSE

Maria Zimmermann

Und wer redet über die Schüler? Freuet euch, die Bildungsreform kommt bald! Nur noch 20 Mal schlafen, dann ist sie da und bringt uns hoffentlich viele schöne Neuerungen. Vielleicht mehr Autonomie für die Schulen? Direktoren, die mitreden dürfen bei der Lehrerauswahl? Oder mehr Klarheit im Kompetenz-Wirrwarr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, das sich das kleine Österreich im Schulsystem leistet? Fragen, die schon zum x-ten Mal unter Hochdruck diskutiert werden. Jetzt will man aber wirklich am 17. November etwas auf den Tisch legen. Unser Wunschzettel enthält noch ein paar Punkte: Etwa dass Direktoren nicht nach Parteibuch ausgewählt werden. Dann könnte man ernsthaft über mehr Mitsprache reden. Vor allem aber, dass die Kompetenzstreiterei, ob nun der Bund oder die Länder oder beide für die Lehrer zuständig sind, endgültig abgehakt wird. Dass diese Verwaltungsfrage wieder die meiste Energie bindet, verheißt nichts Gutes. Nicht für die Lehrer, nicht für die Schüler. Ah ja, die Tausenden Schülerinnen und Schüler! Wer in der Arbeitsgruppe beschäftigt sich eigentlich mit ihnen?

Schwierige Aufgabe: Michael Häupl und Maria Vassilakou müssen nicht nur einander, sondern auch ihre Parteigremien überzeugen. ANDREAS KOLLER WIEN. Die Fortsetzung der rot-grünen Koalition im Wiener Rathaus ist keineswegs so sicher, wie es noch am Wahlabend den Anschein hatte. Die Verhandlungen, die Dienstagnachmittag starteten, dürften schwierig werden, ihr Ausgang ist ungewiss. Denn auf dem Weg zur neuen Stadtregierung gibt es etliche Stolpersteine. Und zwar:

Grüne Krise Verhandlungsführerin Maria Vassilakou sitzt nach zwei Wahlniederlagen en suite keineswegs fest im Sattel. Die grünen Parteigremien sind gespickt mit Funktionären, die wegen der danebengegangenen Wahlen um ihr erhofftes Gemeinderatsmandat umgefallen sind. Deren Begeisterung über eine neuerliche Regierungsbeteiligung hält sich in engen Grenzen. Die Ära des grünen Landessprechers Georg Prack, eines engen Vertrauten Vassilakous, könnte demnächst zu Ende gehen, er wird bei der kommenden Landesversammlung mit dem jungen Funktionär Joachim Kovacs einen Gegenkandidaten bekommen. Ob die grünen Gremien einem allfälligen Koalitionspakt ihre Zustimmung geben werden, steht in den Sternen.

Rote Krise Die SPÖ musste vor allem in den bevölkerungsreichen Arbeiterbezirken große Stimmverluste hinnehmen. Viele Funktionäre in diesen Bezirken machen die grüne Regierungsbeteiligung für die Niederlage verantwortlich. Der einzige Vertreter der Arbeiterbezirke in der Stadtregierung, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig aus Floridsdorf, gilt als Gegner Häupls. Und umgekehrt. Wie Vassilakou muss also auch Häupl seinen Gremien einen attraktiven Koalitionspakt vorlegen, will er nicht unter Druck geraten.

Vassilakou und Häupl müssen den Gleichschritt erst üben.

Machtfragen Sollten SPÖ und Grüne die derzeit zwölf Köpfe umfassende Stadtregierung nicht künstlich aufblähen (was in der Bevölkerung nicht populär ist), muss die SPÖ in der künftigen Regierung auf einen Stadtratssitz verzichten (was in der SPÖ nicht populär ist). Auch die Grünen werden auf etwas verzichten müssen, und zwar auf die Vizebürgermeisterwürde für Maria Vassilakou. Grund: Sollte es (was gewiss ist) einen FPÖ-Vizebürgermeister und (was Verhandlungsmasse ist) eine grüne Vizebürgermeisterin geben, wäre im Falle eines bürgermeisterlichen Schnupfens der FPÖ-Mann erster Stellvertreter Michael Häupls. Denn die FPÖ hat mehr Mandate als die Grünen. Da sich Häupl nicht von einem FPÖ-Politiker vertreten lassen will, muss er die grüne Vizebürgermeisterwürde

BILD: SN/APA

an die SPÖ ziehen. Da die SPÖ größer ist als die FPÖ, ist dann die SPÖ-Vizebürgermeisterin die „erste“ Stellvertreterin. Die Grünen werden sich den Vizebürgermeisterhut wohl nur entwinden lassen, wenn sie dafür einen zweiten Stadtrat bekommen. Was die Verhandlungen nicht erleichtert.

Kompetenzen Diese sind derzeit zersplittert. So sind Wohnen (ressortiert zur SPÖ) und Planung (ressortiert zu den Grünen) auf zwei Stadträte verteilt, ebenso der Verkehr (Grüne) und die Wiener Linien (SPÖ). Die Grünen hätten gern die Zuständigkeiten für die Wiener Linien und das Wohnen. Beides sind aber absolute SPÖ-Domänen, die sich die Sozialdemokraten nicht entwinden lassen.

General mahnt zu einsatzfähigem Bundesheer WIEN. Zu einem Bundesheer, das fähig ist, seine Aufgaben auch über längere Zeiträume zu erfüllen, mahnt Generalstabschef Othmar Commenda. Dazu brauche es unter anderem ausreichende Waffensysteme, Führungsfähigkeit und die Fähigkeit zum Truppentransport zu Land und in der Luft. Erst aufgrund dieser ureigenen militärischen Grundfähigkeiten sei es möglich, das Bundesheer auch zu Katastropheneinsätzen oder sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsätzen (wie jetzt in der Asylkrise) heranzuziehen. Mit einer auf paramilitärische Fähigkeiten reduzierten Armee sei das nicht möglich, schreibt Commenda in dem neuen Buch „Die österreichische Neutralität – Chimäre oder Wirklichkeit?“, erschienen im Leykam Verlag. pur

Immer fest drauf auf den kleinen Nachbarn Bayerns Politiker fühlen sich in Deutschland nicht hinreichend gewürdigt. Das kompensieren sie, indem sie Österreich prügeln.

HEVI

Viktor Hermann

Es ist immer wieder das gleiche Theater. Jedes Mal, wenn ein CSU-Politiker (und andere scheint es in unserem Nachbarland Bayern kaum zu geben) das Gefühl hat, er muss jetzt für die eigene Psychohygiene einmal irgendwen so richtig niedermachen, dann wendet er sich gegen den Nachbarn Österreich. Horst Seehofer praktiziert das jetzt gerade wieder einmal mit besonderer Begeisterung. Seine Bundeskanzlerin Angela Merkel – immerhin die Chefin der Schwesterpartei CDU, immerhin die Kanzlerin einer Koalition von CDU, CSU und SPD – tut nicht, was der große Horst aus Bayern will. Sie praktiziert eine Politik der offenen Grenzen, sie ist überzeugt, dass 80 Millionen Deutsche die Aufnahme von etlichen Hunderttausend Flüchtlingen verkraften können. Er, Seehofer, sieht das ganz anders. Er würde am liebsten seinen Gesinnungsfreund Viktor Orbán in Ungarn kopieren. Jenen Demokratieverweigerer, der nicht nur Journalisten

am liebsten verstummen ließe, der den Kulturbetrieb Ungarns stramm nach seinen Parteivorstellungen ausgerichtet hat, der das Wort „Solidarität“ nur kennt, wenn die anderen solidarisch mit Ungarn sind, aber nicht, wenn sein Land gemeinsam mit den anderen EU-Staaten die Last der Flüchtlingsmassen schultern soll. Seehofer träumt also von einem Zaun, hinter dem er sein Bayern verstecken und vor ungewolltem Zuzug beschützen kann. Doch leider, ihm sind die Hände gebunden, denn derartige Entscheidungen werden immer noch in Berlin getroffen und nicht in der Münchner Staatskanzlei. Der Frust darob muss groß sein und wieder einmal müssen bayerische Politiker das Gefühl haben, ihr Wort habe nicht genug Gewicht in Berlin, sie würden nicht so ernst genommen, wie sie das gern hätten. Wie im Kindergarten, in der Sandkiste oder auf dem Schulhof wendet sich der frustrierte Bully weg vom Stärkeren hin zu einem ver-

meintlich Schwächeren. Und in Bayern heißt das allemal: Hau die Österreicher. Also beschwert sich Seehofer lautstark, die Ösis winkten die Flüchtlinge einfach durch. Dass das zwischen Wien und Berlin so vereinbart ist, scheint den Möchtegernstaatsfürsten nicht zu scheren. Er droht „Gegenmaßnahmen“ an, „Notwehr“ und dergleichen. Wer weiß, Seehofer und sein Innenminister Joachim Herrmann würden wohl wirklich gern einen Zaun bauen, schön weiß-blau gestrichen und vier Meter hoch. Vielleicht finden die beiden Herren ja noch ein paar verrostete Elemente jenes „antiimperialistischen Schutzwalls“, der seinerzeit den Osten Deutschlands vor dem Westen „beschützten“ sollte. Oder wird Herr Seehofer jetzt bald einmal öffentlich erklären, dass ja niemand eine Mauer bauen wolle. [email protected]