Wie lautet Ihre Diagnose? - Gastroenterologie Oberaargau

Anamnestisch war der Stuhlgang in Konsistenz und Farbe unauffällig. Ein Jahr zuvor erfolgte ... re of the jejunum in a patient on long-term indomethacin therapy.
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PRAXIS

Diagnose

Praxis 2008; 97: 117–118

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Innere Medizin

Wie lautet Ihre Diagnose? (Auflösung auf der nächsten Seite) Anamnese und Befunde Eine 57-jährige Patientin präsentiert sich mit seit 6 Monaten bestehender Obstipation und aktuell zunehmenden krampfartigen Unterbauchschmerzen. Seit zwei Tagen musste sie regelmässig erbrechen (kein Kaffeesatz, kein Frischblut), deswegen trank sie nur noch Tee. Anamnestisch war der Stuhlgang in Konsistenz und Farbe unauffällig. Ein Jahr zuvor erfolgte aufgrund eines ungewollten Gewichtsverlustes (keine gastrointestinalen Beschwerden) eine Kolonoskopie. Damals wurde eine geringgradige Sigmadivertikulose mit unauffälliger Histologie diagnostiziert. Aufgrund einer Arteriosklerose mit Status nach Verschluss der A. subclavia links nimmt die Patientin Acetylsalicylsäure 100 mg (Aspirin cardio®) täglich ein sowie bei schmerzhafter Omarthrose rechts Diclofenac (Voltaren®) retard 75 mg morgens und abends. Aufgrund einer Osteopenie zusätzlich Ibandronat (Bonviva®) 150 mg einmal pro Monat und täglich Calcium/Vitamin D (Calcimagon D3®). In der klinischen Untersuchung besteht eine Druckdolenz im Bereich des Unterbauches rechtsbetont, die Bauchdecke ist weich. Konventionell-radiologisch zeigen sich dilatierte Dünndarmschlingen und laborchemisch eine leichte normochrome, normozytäre Anämie von 118 g/l, eine Thrombozytose von 412 G/l und eine Rechtsverschiebung im Differentialblutbild bei normalen Leukozyten. Bis auf eine leichte Kreatininerhöhung auf 107 mol/l und ein CRP von 21 mg/l keine weiteren Auffälligkeiten. Die Kolonoskopie zeigte den folgenden Befund (Abb. 1). Abbildung 2 zeigt die Histologie und Abbildung 3 den postinterventionellen endoskopischen Befund.

Abb.1: Stenose von 7–8 mm mit floridem Ulkus

Abb. 3: Nach Dilatation, im Vergleich

© 2008 by Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

Abb. 2: Dickdarmschleimhaut mit Ödem und drei Herden mit teils unregelmässigem Stromagewebe mit bis schwergradigem Infiltrat und angrenzend bis reichlich fibrinopurulentem Exsudat sowie teils eosinophil und basophil, feingranulärem Material. DOI 10.1024/1661-8157.97.3.117

PRAXIS

Diagnose

Praxis 2008; 97: 117–118

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Lösung Diagnose NSAR-bedingte Stenose im Bereich des Colon ascendens, sogenannte «Diaphragma Disease» Kommentar Unsere Patientin hat zwei Risikomedikamente für eine «Diaphragma Disease»: Acetylsalicylsäure (Aspirin®) und ein Retard-NSAR (Voltaren®). Die Diaphragma Disease zählt zu den NSAR-Kolopathien. In der Literatur finden sich erste Fallbeschreibungen von NSAR-induzierten Strikturen im Dünndarm und Kolon in den 1970er [1] und 80er [2] Jahren. Pathophysiologisch können nicht nur der Magen und das Duodenum, sondern auch tiefer gelegene Gastrointestinalabschnitte betroffen sein. Endokskopisch finden sich Erosionen, Ulzerationen, Perforationen und Blutungen sowie Strikturen und symptomatische Divertikel in Dünn- und Dickdarm. Vor allem NSAR Retardpräparate können diese unerwünschten Wirkungen insbesondere in den tiefer gelegenen Darmabschnitten «entfalten». Untersuchungen haben gezeigt, dass auch anatomische Faktoren eine Rolle spielen [3]: die Läsionen treten gehäuft nahe der Valvula Bauhini, des Zökums und im Bereich des Colon ascendens (wie bei unserer Patientin) auf. Läsionen in distaleren Bereichen erklären sich möglicherweise im Rahmen einer beschleunigten Magendarmpassage, beispielsweise bei gleichzeitiger Einnahme motilitätsfördernder Medikamente. Grundsätzlich kann eine Schädigung über drei Mechanismen erfolgen: 1. direkte Schädigung (Inhibition des Schutzfaktors Prostaglandin), 2. Induktion von Komplikationen bereits bestehender Ulzera, 3. verstärkte Blutung aus einer Läsion (Inhibition der Thrombozytenaggregation) [3]. Zu den ernsthaften Komplikationen zählt hierbei die Ausbildung diaphragmaartiger Stenosen, die whs. über rezidivierende Läsionen im Verlauf des immer wiederkehrenden Schadens- und Heilungsprozesses durch Narbenbildung mit ausgeprägter submuköser Fibrose zustande kommt (Abb. 4).

Abb.4: Mechanismus der Strikturbildung durch NSAR (modifiziert nach [3])

Differentialdiagnostisch darf ein Tumor oder ein M.Crohn nicht verpasst werden. Die primäre Therapie besteht in der Bougierung der Stenosen, häufig sind im Verlauf jedoch auch chirurgische Interventionen notwendig, um Subileus- und Ileuszustände zu beheben. Auf ein NSAR sollte in Zukunft verzichtet werden. Bei unserer Patientin war eine Aufdilatation mittels Controlled Radial Expansion (CRE)-Technik im Rahmen der Kolonoskopie auf 10–12 mm möglich. Abhängig vom klinischen Verlaufe sind weitere diagnostisch-therapeutische Kolonoskopien zu erwägen, da die Patientin nicht dazu zu bewegen war, auf ihr NSAR (bei Omarthrose) zu verzichten. Wir verabreichten zusätzlich einen Protonenpumpeninhibitor.

Inselspital Bern, 3Institut für Pathologie der Universität Bern

Autoren J. Schmidtko1, K. Truninger2, M. Gugger3, P. Cottagnoud1, A. Stucki1 1Klinik und Poliklinik für Allgemeine Innere Medizin, Inselspital Bern, 2Klinik und Poliklinik für Gastroenterologie,

2. Klee M, Vogel CU, Diehl HG, Stolte M. Das Diaphragma-Kolon – Eine schwerwiegende Nebenwirkung nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR). Leber Magen Darm (1998). 28:137-141

Korrespondenzadresse Dr. A. Stucki, FMH Innere Medizin, Pneumologie BernerRehaZentrum Heiligenschwendi [email protected] Klinik und Poliklinik für Allgemeine Innere Medizin, Universitätsspital Bern [email protected]

Bibliographie 1. Sturges HF, Krone CL. Ulceration and stricture of the jejunum in a patient on long-term indomethacin therapy. Gastrointest Endosc (1973). 19(3): 119-122

3. Vieth M. NSAR-Kolopathie. Pathologe (2006). 27:65-72