Diarrhoe beim älteren Patienten - Gastroenterologie Oberaargau

tation sind das Reizdarm-Syndrom vom Diarrhoe-Typ (RDS-D), die bakte- rielle Überwucherung des Dünndar- mes, die Laktose-Intoleranz, Zöliakie und die ...
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© 2014 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern

Therapeutische Umschau 2014; 71 (9): DOI 10.1024/0040-5930/a000550

Übersichtsarbeit Gastroenterologie Oberaargau, Langenthal Kaspar Truninger

Diarrhoe beim älteren Patienten

Die Unterscheidung in akute und chronische Durchfallerkrankungen und deren pathogenetische Klassifizierung gilt in allen Altersklassen, hingegen sind Morbidität und Mortalität der Diarrhoe bei älteren Personen viel höher. Den Altersprozess begleitende Veränderungen der intestinalen Physiologie, Komorbidität und Polymedikation, reduziertes Durst- und Hungergefühl, eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten bei Störungen des Flüssigkeits- und Ernährungshaushaltes und atypische klinische Präsentationen von mit Durchfall einhergehenden Krankheiten gilt es in der Diagnostik und Therapie der Diarrhoe bei älteren Personen zu berücksichtigen. Bei dieser Patientengruppe wird die Durchfallerkrankung häufig durch Stuhlinkontinenz kompliziert. Dieser zugrunde liegt bei älteren Personen und besonders Heimbewohnern oft eine Pseudodiarrhoe infolge einer chronischen Obstipation mit Koprostase. Nebst allgemeinen Aspekten der Diarrhoe bei älteren Personen werden die Clostridium difficile Infektion, die ischämische Kolitis, die mikroskopische Kolitis und die Problematik der Koprostase mit Pseudodiarrhoe und Stuhlinkontinenz dargestellt.

Besonderheiten von Durchfallerkrankungen bei älteren Menschen Die Unterscheidung in akute und chronische Durchfallerkrankungen und deren Klassifizierung entsprechend dem pathophysiologischen Mechanismus (osmotisch, sekretorisch, entzündlich, motilitätsstörungsbedingt, selbstinduziert) gilt für Personen in allen Altersklassen. Dennoch hat die Diarrhoe bei Personen in höherem Alter einen besonderen Stellenwert, weil sich Störungen des Flüssigkeits- und Ernährungshaushaltes rascher entwickeln bzw. die Möglichkeiten, diese zu kompensieren, aus unterschiedlichen Gründen eingeschränkt sind. Hinzu kommt, dass diese Patientengruppe oft ein vermindertes Hunger- und Durstgefühl hat und trotz einem erhöhten Bedarf zu geringe Mengen Flüssigkeit aufnimmt. Daraus ergibt sich, dass rund 90 % der Todesfälle infolge akuter Durchfallerkrankungen ältere Personen betreffen, obwohl auch Kinder häufig erkranken. Bei älteren Personen geht die Diarrhoe aber nicht nur mit einer erhöhten Mortalität, sondern auch mit einer erhöhten Morbidität einher. Ältere Personen

werden häufiger wegen einer Durchfallerkrankung hospitalisiert und diese kann die Lebensqualität wesentlich beeinträchtigen. So kann der Sphinkterapparat zwar zur Kontrolle von solidem, aber nicht von flüssigem Stuhl genügen und bei vielen älteren Patienten geht die Diarrhoe mit fäkaler Inkontinenz einher. Daher muss bei jeder Stuhlinkontinenz aktiv nach dem Vorliegen einer Diarrhoe gefragt werden. Typischerweise mit einer Diarrhoe einhergehende Krankheiten können bei älteren Menschen eine atypische klinische Präsentation mit lediglich milden oder gar fehlenden gastrointestinalen Beschwerden aufweisen. So kann sich eine Sprue isoliert mit extraintestinalen Symptomen wie Osteopenie und Neuropathie manifestieren, bei einer Hyperthyreose können adrenerge Symptome wie Tachykardie und Tremor fehlen und eine exokrine Pankreasinsuffizienz im Rahmen einer chronischen Pankreatitis kann auch ohne schmerzhafte Pankreatitisschübe vorliegen (chronisch idiopathische lateonset Pankreatitis). Das Erregerspektrum der infektiösen Diarrhoe bei älteren Personen hat sich

in den letzten Jahren geändert (Robert Koch-Institut, www.rki.de). Noroviren, dessen einzig bekanntes Reservoir der Mensch darstellt, sind heutzutage meist der wichtigste Durchfallerreger und die Inzidenz ist nebst Kleinkindern bei Senioren am höchsten. Todesfälle sind selten und kommen fast nur bei älteren Personen mit Komorbiditäten vor. Wegen der hohen genetischen Vielfalt hinterlassen Noroviren keine lang anhaltende Immunität und so kann dieser hoch kontagiöse Viruspartikel gerade in Gemeinschaftseinrichtungen bei nicht strikt eingehaltenen Hygieneregeln wiederholt neue Infektketten auslösen. Rotaviren sind die häufigsten Erreger viraler Gastroenteritiden bei Kindern, doch neue epidemiologische Daten zeigen, dass auch ältere Personen ( > 60) zunehmend von Rotavirus-Infektionen betroffen sind. Campylobacter species haben Salmonellen als dominierende bakterielle Erreger abgelöst. Verdauungsbeschwerden nehmen im Alter zu, die zugrunde liegenden Mechanismen sind aber ungenügend verstanden, weil die strukturellen und funktionellen Veränderungen in Dünnund Dickdarm in Abhängigkeit des zunehmenden Alters kaum systematisch untersucht wurden [1]. Das Regenerationspotential der Darmschleimhaut, dessen Epithel alle 5 – 7 Tage erneuert wird, bleibt bis ins hohe Alter erhalten. Ebenso ist die Absorption für die meisten Nahrungsbestandteile im Alter intakt, kann aber für spezifische Substanzen abnehmen, beispielsweise für Laktose. Auch die sekretorischen Kapazitäten von Speicheldrüsen, Magen, biliärem System und Pankreas scheinen im Alter erhalten zu sein, hingegen geht der Altersprozess mit einem Verlust der neurogen und immun vermittelten Regulationsfunktionen einher. Schon sehr früh kommt es im Altersprozess zu einem Verlust spezifischer Zellen des enterischen Nervensystems und es wird

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angenommen, dass 40 – 60 % der enterischen Neurone im Laufe des Lebens verloren gehen. Zellen des Immunsystems sind nicht nur für die Infektionsabwehr zuständig, sondern sezernieren auch Substanzen, welche für die intakte Regulation der Darmfunktion wichtig sind. Das Nachlassen der Leistungsfähigkeit des enterischen Nervensystems (Immunseneszenz) im Altersprozess ist zwar nur unvollständig verstanden, begünstigt aber das Auftreten von Verdauungsbeschwerden im Alter. Diese werden von weiteren, im Alter gehäuft vorkommenden Faktoren wie früheren Therapien (Operation, Bestrahlung), der Einnahme zahlreicher Medikamente, deren Interaktion und erhöhten Blutspiegeln infolge eingeschränkter Nierenfunktion gefördert. Bei der Diagnostik und Therapie der Diarrhoe beim älteren Menschen gilt es diese Besonderheiten im Zusammenhang mit seinen Komorbiditäten zu berücksichtigen.

Clostridium difficile Infektion Für eine vollständige Darstellung der Clostridium difficile Infektion (CDI) wird auf die Literaturangabe verwiesen, im Rahmen dieser Übersichtsarbeit wird nur auf einige Aspekte hingewiesen, welche besonders ältere Personen betreffen. Clostridium difficile (CD), 1935 isoliert und 1978 erstmals als Ursache von Diarrhoe beschrieben, ist ein gram-positiver, nicht invasiver opportunistischer Keim, dessen Enterotoxin A und Zytotoxin B über eine Mukosaschädigung Durchfall auslösen können [2]. CD kolonisiert den Dickdarm bei jungen Erwachsenen in 5 – 15 % und bei Bewohnern von Gemeinschaftseinrichtungen in bis zu 50 %. Infektionsquelle stellen asymptomatische Keimträger und infizierte Patienten dar, die Übertragung geschieht direkt oder indirekt via Hände und

kontaminierte Gegenstände. CD entfaltet seine pathogene Potenz bei geschwächtem Wirtsorganismus, dabei stellen Alter > 65, Spitalaufenthalt, Leben in Alters- und Pflegeheimen, die Einnahme von Antibiotika, Komorbiditäten (Krebserkrankung, chronische Nierenerkrankung, chronischentzündliche Darmerkrankung etc.) sowie die Einnahme von Immunsuppressiva und Protonenpumpeninhibitoren die wichtigsten prädisponierenden Faktoren dar. Die Häufigkeit der CDI und die Anzahl schwerer Verläufe hat in den vergangenen Jahren besonders bei älteren Menschen deutlich zugenommen und von den Verstorbenen waren < 10 % unter 60 Jahre alt. Neue Studien belegen eine Zunahme der CDI in bisher als low-risk CDI beurteilten Populationen, nämlich jüngeren Personen ohne Komorbiditäten und ohne Antibiotika Exposition. Allerdings scheint auch in der Mehrheit der Infektionen dieser Populationen ein medizinischer Kontakt im ambulanten Bereich voraus zu gehen. Das mit CD einhergehende klinische Spektrum reicht von asymptomatischer Darmkolonisation, milder Diarrhoe, blutigem Durchfall bis hin zur pseudomembranösen Kolitis und Entwicklung eines toxischen Megakolons. Ein schwerer und komplizierter Verlauf tritt mit zunehmendem Alter und Vorliegen von Komorbiditäten häufiger auf. Eine CDI liegt vor bei akutem Durchfall mit Nachweis von CD bzw. dessen Toxinen und Ausschluss einer anderen Ursache. Die Diagnose der CDI orientiert sich an der klinischen Präsentation mit wässriger Diarrhoe, mit oder ohne Bauchschmerzen und Fieber einhergehend, und der mikrobiologischen Diagnostik. Dies bedeutet, dass Stuhluntersuchungen ausschließlich bei symptomatischen Patienten erfolgen sollen. Diagnostischer Goldstandard ist die hoch sensitive und spezifische Stuhlkultur und

bei positivem Resultat in einer zweiten Stufe der Nachweis der Toxinbildung. Da bei diesem Verfahren das Resultat erst nach mehreren Tagen vorliegt, wird in der Routinediagnostik meist eine Enzymimmunoassay für Toxin A/B gemacht, dessen Sensitivität allerdings erniedrigt ist (75 – 90 %). Hinzu kommt, dass bei Raumtemperatur das instabile Toxin bereits innert 2 Stunden nicht mehr nachweisbar ist, bei 2 – 8° können die Proben maximal 3 Tage gelagert werden. Eine ähnlich hohe Sensitivität wie die Kultur hat der Nachweis des CD Antigens Glutamat Dehydrogenase (GDH), die GDH ist aber wenig spezifisch, da auch nicht Toxin bildende CD Stämme detektiert werden. Wegen des hohen negativ prädiktiven Wertes (> 95 %) kann der GDH Test als Screeningverfahren eingesetzt werden. Eine hohe Sensitivität und Spezifität weist der PCR Nachweis auf und das Resultat liegt innert 24 Stunden vor. Bei älteren und schwer kranken Patienten soll nach Abnahme der Stuhlproben zur Diagnostik bei entsprechendem klinischem Verdacht nebst den hygienischen und supportiven Maßnahmen umgehend die antibiotische Therapie gestartet werden. Diese erfolgt in Abhängigkeit des Schweregrades der Erkrankung und ob es sich um eine erste CDI oder um Rezidiv handelt mit Metronidazol (3 × 500 mg tgl. po während 10 – 14 Tagen) oder Vancomycin (4 × 125 mg tgl. po während 10 Tagen). Motilitätshemmer sollen keine verabreicht werden. Ältere Personen haben nicht nur ein höheres Risiko, an einer CDI mit schwerem Verlauf zu erkranken, sondern auch ein erhöhtes Rezidivrisiko. Nach einer ersten CDI beträgt dieses 10 – 20 % und steigt nach einem ersten Rezidiv auf 40 – 65 % an. Prophylaktische Maßnahmen zur Verhinderung der CDI beinhalten den kontrollierten Antibiotikaeinsatz und adäquate Hygienemaßnahmen. Probiotika haben

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möglicherweise nicht nur einen Stellenwert in der Prävention der Antibiotika-assoziierten Diarrhoe, sondern auch in der Verhinderung von CDI Rezidiven, hingegen besteht derzeit keine Evidenz für einen therapeutischen Nutzen der gleichzeitigen Einnahme von Probiotika nebst der antibiotischen Therapie. Weitere Therapieoptionen, auf welche hier nicht weiter eingegangen wird, stellen die Behandlung mit Fidaxomicin und die fäkale Mikrobiota-Transplantation dar.

Ischämische Kolitis Die ischämische Kolitis ist eine nicht infektiöse Erkrankung des Dickdarmes als Folge einer akuten, transienten Minderperfusion [3]. In > 95 % der Fälle liegt dieser eine nicht okklusive Gefäßveränderung zugrunde, nur selten lässt sich ein spezifischer arterieller Verschluss und noch seltener eine venöse Ursache identifizieren. Prädisponierende Faktoren der intestinalen Ischämie sind bspw. chirurgische Eingriffe (aorto-iliakal, kardialer Bypass), Hämodialyse, Medikamente, Durchblutungsstörungen anderer Organe infolge Arteriosklerose, aber oft lässt sich kein Ereignis identifizieren, das zu einer akuten Minderperfusion geführt hat. Die ischämische Kolitis betrifft zu 90 % Personen nach dem 60. Lebensjahr. Die Patienten erscheinen nicht wesentlich krank und berichten über plötzlich auftretende, kurz anhaltende, nicht sehr starke krampfartige Unterbauchschmerzen, gefolgt von blutiger Diarrhoe. Spezifische Veränderungen im Labor gibt es keine und ein allfälliger Hämoglobin Abfall ist meist gering und hämodynamisch irrelevant. Die Diagnose wird vermutet bei einer passenden Anamnese, d. h. einem älteren, oft polymorbiden Patienten mit evtl. vorhandenem Risikofaktor, der

sich wegen leichter blutiger Diarrhoe präsentiert und nicht wegen der nach 1 – 2 Tagen bereits sistierten, nur leichten Unterbauchschmerzen. Eine Bildgebung (Sonographie, CT) ist meist nicht notwendig und kann eine unspezifische, segmentale Wandverdickung des Kolons zeigen. Bei entsprechender Klinik wird die Diagnose mittels Koloskopie, durch welche verschiedene Differentialdiagnosen ausgeschlossen werden, gesichert. Die endoskopisch sichtbare Entzündung ist unspezifisch und lokalisiert sich in rund 75 % der Fälle im linken Hemikolon, und zwar in der linken Kolonflexur und am rektosigmoidalen Übergang. Diese Areale sind bei Minderperfusion besonders vulnerabel, da deren Blutversorgung durch Kollateralgefässe limitiert ist. In Abhängigkeit des Schweregrades zeigt sich endoskopisch eine hämorrhagische, erosive, ulceröse oder gangränöse Entzündung. Der klinische Verlauf der ischämischen Kolitis ist mehrheitlich benigne und selbstlimitierend. Die Therapie hängt vom Schweregrad ab, der durch regelmäßige klinische Beurteilungen zu überwachen ist. Mit allgemeinen Maßnahmen wie Flüssigkeitszufuhr und evtl. Nahrungskarenz erholen sich die meisten Patienten innert weniger Tage vollständig. Eine gangränöse Form der ischämischen Kolitis tritt nur in etwa 15 % auf. Prognostisch ungünstige Befunde sind der Befall des proximalen Kolons und das Auftreten peritonitischer Zeichen. Bei schwerem Verlauf wird die empirische Gabe eines Breitspektrumantibiotikums empfohlen. Viele der betroffenen Patienten nehmen bereits einen Thrombozytenaggregationshemmer ein. Falls nicht, dann soll ein solcher nur dann verabreicht werden, wenn zusätzlich eine periphere Gefäßerkrankung vorliegt, allerdings ist die Datenlage hierzu ungenügend. Eine antithrombotische Therapie wird nicht generell empfoh-

len, da die ischämische Kolitis nur selten embolisch oder durch eine mesenteriale venöse Thrombose bedingt ist. Ein chirurgisches Vorgehen ist nur selten indiziert und besteht in der Resektion des betroffenen Segmentes. Ebenfalls selten ist, dass die ischämische Kolitis persistiert bzw. in einen chronischen Verlauf übergeht mit rezidivierter blutiger Diarrhoe, Bakteriämie und gelegentlich Entwicklung symptomatischer Kolonstrikturen.

Mikroskopische Kolitis Die mikroskopische Kolitis (MK), erstmals 1976 beschrieben, ist eine häufige Ursache der wässrigen Diarrhoe bei älteren Personen [4]. Unterschieden werden die kollagene und die lymphozytäre Kolitis, wobei bis heute nicht definitiv geklärt ist, ob es sich dabei um eine oder zwei verschiedene Krankheiten handelt oder ob die MK gar eine Form der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen darstellt. Ungeklärt sind auch die Ätiologie und Pathogenese der MK, diskutiert wird eine komplexe Genese mit genetischen Komponenten (Assoziation mit HLADQ2, DQ1, DQ3), autoimmuner Basis und luminalen Faktoren (Medikamente, Infektionen). Inzidenz und Prävalenz der MK sind in den letzten Dekaden deutlich angestiegen, teilweise wohl auch wegen der erhöhten Sensibilität und der vermehrten Diagnostik für diese Erkrankung. Risikofaktoren für die Entwicklung einer MK sind Alter, Geschlecht, autoimmune Erkrankungen, Krebserkrankung, frühere Organtransplantation und die Einnahme verschiedener Medikamente. Die Ursache der Häufung der kollagenen (4 – 8 : 1) und der lymphozytären (2 – 5 : 1) Kolitis bei Frauen gegenüber Männern ist unbekannt. Die Inzidenz beider Formen der MK steigt mit zunehmendem Alter an und deren

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Diagnose wird meist in der 5. und 6. Dekade gestellt. Der bisher einzige identifizierte Lifestyle Faktor, der mit einem erhöhten Risiko für die MK assoziiert ist, stellt das Rauchen dar (OR 2.4 – 3.8). Die am häufigsten mit einer MK assoziierten Medikamente sind in Tabelle 1 aufgelistet. Die wässrige, unblutige Diarrhoe ist das Leitsymptom der MK, in rund einem Viertel der Betroffenen tritt diese auch nachts auf. Die Diarrhoe beginnt selten akut und ist nicht so ausgeprägt, dass diese zu Dehydratation und Elektrolytstörungen führt. Als Begleitsymptome können Gewichtsverlust (40 %), abdominale Schmerzen (40 %), Übelkeit (20 %) und Meteorismus (10 %) auftreten. Die wichtigsten Differentialdiagnosen dieser klinischen Präsentation sind das Reizdarm-Syndrom vom Diarrhoe-Typ (RDS-D), die bakterielle Überwucherung des Dünndarmes, die Laktose-Intoleranz, Zöliakie und die NSAR-assoziierte Enteropa-

thie. In 30 – 50 % der Patienten mit einer MK liegt eine autoimmune Krankheit vor, am häufigsten der Schilddrüse (10 – 20 %) und die Zöliakie (5 – 25 %), ferner können das Sjögren-Syndrom, Raynaud-Syndrom, eine rheumatoide Arthritis (seropositiv/-negativ) und die Psoriasis mit der MK assoziiert sein. In bis zu 10 % der Patienten mit MK kann eine Krebserkrankung vorliegen. Bei Patienten mit wässriger Diarrhoe, die länger als 4 Wochen dauert, soll die MK aktiv gesucht werden. Bei makroskopisch unauffälliger Koloskopie wird die Diagnose mikroskopisch in Stufenbiopsien normal aussehender Darmschleimhaut gestellt. Eine flexible Sigmoidoskopie alleine ist ungenügend, da sich in bis zu 40 % der Fälle die MK nur proximal des Rektosigmoids nachweisen lässt. Die Kollagenkolitis wird durch den Nachweis eines subepithelialen Kollagenbandes ( > 10 um) gestellt, zudem liegt ein lymphoplasmozytäres Infiltrat in der Lamina propria vor. Ne-

Tabelle 1 Mit der mikroskopischen und ischämischen Kolitis assoziierte Medikamente Mikroskopische Kolitis

Ischämische Kolitis

Aspirin

Alosetron

Nichtsteroidale Antirheumatika

Digitalis

Carbamazepin

Diuretika

Protonenpumpenblocker

Östrogene

Ranitidin

Danazol

Lisinopril

Nichtsteroidale Antirheumatika

Madopar

Tegaserod

Paroxetin

Vasoaktive Substanzen

Flutamid

Antipsychotika

Sertralin

Simvastatin

Ticlopidin

Sumatriptan

Acarbose

Paclutaxel

Simvastatin

Carboplatin

Tardyferon

Kokain

Vinburnin

ben diesem sind für die lymphozytäre Kolitis die intraepithelialen Lymphozyten wegweisend (> 20 pro 100 Epithelzellen). Die genannten Differentialdiagnosen und auch eine Infektion müssen aktiv ausgeschlossen werden, denn eine MK kann zwar vorliegen, muss aber nicht zwingend Ursache der Diarrhoe sein, da eine MK auch asymptomatisch verlaufen kann. Die Datenlage zum natürlichen Verlauf der MK ist beschränkt. Gemäß einer Langzeitstudie ist dieser variabel, bei 42 % der Patienten bestand intermittierend oder chronisch eine Diarrhoe, 17 % der Patienten waren symptomfrei. Die Standard-Therapie der MK erfolgt heute mit Budenosid. Vor Aufnahme einer solchen Behandlung sollen begleitende autoimmune Erkrankungen therapiert und nach Möglichkeit die Einnahme von Medikamenten, welche mit einer MK assoziiert sein können, gestoppt werden (Tab. 1). Einige Patienten profitieren von einer Diät, beispielsweise meiden von Kaffee, Laktose. Bei Patienten mit milder Symptomatik kann ein Therapieversuch mit Loperamid evaluiert werden, auch wenn dieses Vorgehen nicht durch kontrollierte Studien gestützt wird. Randomisierte kontrollierte Studien haben die Überlegenheit von Budenosid gegenüber Placebo vor allem bei der kollagenen und später auch bei der lymphozytären Kolitis gezeigt. Die Induktion der klinischen Remission tritt bei rund 60 % der Patienten innert zwei Wochen ein und bei weiteren 25 % nach 6 Wochen. Die klinische Ansprechrate nach 6 – 8 Wochen Budenosid-Therapie mit 9 mg täglich von gut 80 % entspricht einer „number needed to treat“ (NNT) von 2 für die kollagene und 3 für die lymphozytäre Kolitis. In etwa 60 % geht die klinische Remission mit einer histologischen Verbesserung einher, wobei derzeit unklar ist, ob diese Verbesserung oder das Erreichen der Remission das zu erreichende Ziel im wei-

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teren der Verlauf der MK sein soll. Leider kommt es in bis zu 80 % der Patienten innert einiger Wochen zu einem klinischen Rezidiv und die Indikation für eine Remissions-erhaltende Therapie ist gegeben. Studien bei der Kollagenkolitis zeigten, dass durch die tägliche Einnahme von 6 mg Budenosid während einem halben Jahr beinahe 80 % der Patienten in klinischer Remission bleiben (NNT 2). Noch unklar ist die Behandlungsstrategie danach, ob beispielsweise eine langsame Dosisreduktion von Budenosid sinnvoll ist oder nicht. Bei Therapieversagen von Budenosid werden verschiedene andere Medikamente eingesetzt (Aminosalicylate, Cholestyramin, Probiotika, Azathioprin, Methotrexat, anti-TNF Hemmer), deren potentieller Effekt aber nicht durch randomisierte, Placebo-kontrollierte Studien, sondern retrospektive Daten und Fallserien belegt wird.

Koprostase, Paradoxe Diarrhoe, Stuhlinkontinenz Besonders bei älteren Personen und Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen kann die chronische Obstipation zu einer Koprostase führen, d. h. der Ansammlung harter Stuhlballen im Rektum und/oder Kolon. Wie eine organische Stenose kann auch die Koprostase zu einer Passagebehinderung führen. Durch die Stase proximal des Hindernisses kann es reflektorisch zur Sekretion von Flüssigkeit ins Darmlumen und zur bakteriellen Zersetzung der Stuhlmassen kommen, die dadurch verflüssigt werden. Die so verflüssigten Stuhlmassen können neben den harten Kotballen durchsickern und es kann zum Absetzen von meist kleinen Mengen von flüssigem Stuhl kommen, was fälschlicherweise als Diarrhoe interpretiert wird [5, 6]. Bei Verdacht auf Koprostase gilt es, mittels Anamnese

und digitaler Rektalpalpation nach dieser und der Obstipation zugrunde liegenden Ursachen zu suchen. Eine unauffällige Rektalpalpation schließt eine weiter proximal bestehende Koprostase nicht aus, allenfalls soll daher auch eine Abdomenleeraufnahme erfolgen. Die Obstipation ist bei älteren Personen meist multifaktoriell bedingt. Nebst den üblichen Ursachen gilt es in dieser Altersklasse vor allem auch auf Medikamente, neurologische und myogene Erkrankungen, endokrine und metabolische Störungen, Ernährung, (Im)Mobilität und psychosoziale Faktoren zu achten. Die Koprostase kann nicht nur zu paradoxer Diarrhoe führen, sondern auch mit Stuhlinkontinenz assoziiert sein. Bei älteren hospitalisierten Patienten und Heimbewohnern ist die fäkale Impaktion im Rektum eine der häufigsten Ursachen der Stuhlinkontinenz. Dabei handelt es sich nicht nur um eine sogenannte Überlaufinkontinenz, die fäkale Impaktion kann auch die Sensitivität und Compliance des Rektums sowie die Sphinkterfunktion verändern und dadurch kann es rezidivierend zur passiven Stuhlinkontinenz kommen. Die Therapie erfordert zunächst die Entfernung von hartem Stuhl aus dem Rektum mittels Einlauf oder manuell. Nach den akuten Maßnahmen ist die langfristige Erhaltungstherapie entscheidend, um Rezidiven vorzubeugen, dabei muss individuell vorgegangen werden. Oft ist die Kombination von einem Quellmittel mit einer Polyethylen Glykol Lösung (Makrogol) hilfreich und gelegentlich ist auch die regelmäßige Applikation eines Einlaufes sinnvoll. Nebst der fäkalen Impaktion ist bei älteren Patienten die Einnahme von Laxativa die häufigste Ursache der Diarrhoe. Das Vorliegen einer Diarrhoe wiederum ist ein starker Risikofaktor für die Entwicklung einer Stuhlinkontinenz, welche für den Patienten und

sein Umfeld eine große psychosoziale, medizinische und auch finanzielle Belastung darstellen. Auch wenn ein Patient nicht mehrfach, sondern nur ein bis zweimal täglich wässrigen Stuhlgang hat, geht dies in beinahe der Hälfte aller Fälle mit fäkaler Inkontinenz einher. Von der echten fäkalen Inkontinenz abzugrenzen ist die „Pseudoinkontinenz“ infolge einer perianalen Sekretion bspw. bei Fisteln, prolabierten Hämorrhoiden, anorektalen Neoplasien, sexuell übertragbaren Erkrankungen und mangelnder Hygiene. Die Assoziation einer Stuhlinkontinenz mit Diarrhoe erfordert zuerst die eingehende Abklärung und Behandlung der zugrunde liegenden Durchfallerkrankung.

Diarrhea in the elderly The causes of acute and chronic diarrheal disorders and their underlying pathophysiologic

mechanisms

are

common at all ages. The impact of diarrhea, however, may be more pronounced in the elderly due to various causes, such as age-related structural and functional intestinal changes, concomittant illnesses, consume of preventive and therapeutic drugs, impaired sense of hunger and thirst, compromised nutrition and hydration to withstand the effect of diarrhea, more frequent hospital admissions and courses of antibiotics, and more subtle clinical presentation than in younger patients. These aspects have to be considered when investigating and treating diarrhea of older patients. Diarrhea may have a devastating effect on quality of life in the elderly and above all, fecal incontinence is a common consequence. In elderly institutionalized persons, fecal

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impaction in the rectum with liquid stool leaking around the hard, dry fecal mass is often associated with fecal incontinence. In this article, general aspects of diarrhea in the elderly, clostridium difficile infection, ischemic colitis, microscopic colitis and incontinence due to fecal impaction are discussed.

Literatur 1. Schiller LR. Diarrhea and malabsoprtion in the elderly. Gastroenterol Clin N Am 2009; 38: 481 – 502.

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Korrespondenzadresse PD Dr. med. Kaspar Truninger Gastroenterologie Oberaargau Seilereistraße 1 4900 Langenthal [email protected] www.gastroenterologie-oberaargau.ch