Tradition und Familienleben sind ihr wichtig Herzlich und ...

um die Kinder, gefrühstückt und Mittag geges- sen wird im Restaurant. Und beim Aufräumen und Staubsaugen helfen die Kinder“, sagt die Pa- tronin und ...
5MB Größe 14 Downloads 375 Ansichten
4

der

hotelier

Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung · 19. April 2014 · Nr. 16

Tradition und Familienleben sind ihr wichtig Herzlich und heimatverbunden

Von Christoph Aichele

L

inks, das ist die Trettachspitze. Geradeaus sehen Sie den Linkerskopf und rechts, das ist der Biberkopf.“ Sichtlich stolz zeigt Martina Berktold-Thaumiller auf das grandiose Alpenpanorama, das sich vor ihrem Hotel unweit von Oberstdorf auftut. Eine Begeisterung, die wohl die allermeisten Gäste des Birgsauer Hofs teilen, zumal die Lage im wahrsten Wortsinn exklusiv ist. Bereits die Anfahrt auf dem für den öffentlichen Verkehr gesperrten Sträßchen ist spektakulär, sie führt entlang der Stillach durch üppige Natur. Dann öffnet sich das Bergtal. Im Hotel angekommen, scheint der Ferienort Oberstdorf ganz weit weg. Allenfalls sorgen Kühe draußen für eine gewisse Geräuschkulisse. „Wir sind Deutschlands südlichstes Hotel“, sagt Berktold-Thaumiller. Ein Superlativ, mit dem die 43-Jährige künftig verstärkt werben will. Doch bereits jetzt hat sich der Birgsauer Hof mit seinen 30 Zimmern und 57 Betten als Ferienhotel gut positioniert. Die Bewertungen auf Plattformen wie Holidaycheck sind prima, die Auslastung liegt bei 65 Prozent. Auch das hauseigene Restaurant mit seinen rund 280 Sitzplätzen drinnen und auf der Terrasse ist – trotz reglementierter Zufahrt – hinreichend frequentiert. „Meine Klientel ist ganz gemischt – vom Urlauber, der wandern will und die Natur liebt bis hin zum Gast, der einfach nur gut essen will“, berichtet die Chefin, die das 3-Sterne-superiorHotel nebst Restaurant nicht nur führt, sondern auch Eigentümerin ist. Warum ihr Haus erfolgreich ist? „Es liegt wohl am Mix aus Lage, familiärer Handschrift, guter Küche und meinem tollen Personal“, sagt Berktold-Thaumiller selbstbewusst. „Und eine Kooperation brauche ich dafür nicht, ich bin Einzelkämpfer.“ Im Jahr 2004 – die Patronin war damals 34 – stieg Berktold-Thaumiller ins elterliche Unternehmen ein. Der Start war mit Tragik verbunden, denn eigentlich hatte bereits der ältere Bruder das Sagen im Haus. Nach dessen überra-

schendem Tod aber war die Nachfolge wieder offen. „Ich entschied mich dann, den Betrieb zu übernehmen“, erzählt die Ällgäuerin und wird dabei stiller, als es ihrem Temperament entspricht. Denn die Anfangsphase war nicht ganz einfach, auch wegen alter Rollenklischees. „Es gab damals durchaus Ressentiments, dass jetzt eine Frau das Hotel führt“, so Berktold-Thaumiller. Aber sie setzte sich durch – mit einer ordentlichen Portion Beharrlichkeit und Unterstützung durch ihren Mann, der gelernter Zim-

‘‘

spiel in ihrem persönlichen Motto: „Leben – mit allem was dazu gehört“, sagt sie und schmunzelt. Oder in ihrem Verständnis als Gastgeberin: „Hier kann ich jeden Tag neue Menschen kennenlernen, jeden Tag neue Charaktere studieren, jeden Tag neue Gespräche führen.“ Oder in der Vita, die sich nicht nur auf den Beruf beschränkte: Martina Berktold-Thaumiller ist herumgekommen. Ihre Hofa-Lehre machte sie zwar noch im Parkhotel Frank in Oberstdorf, doch dann ging es hinaus. Sie arbeitete un-

An einem anderen Ort könnte ich kein Hotel führen

‘‘



Martina Berktold-Thaumiller gehört das „südlichste Hotel Deutschlands“ – der Birgsauer Hof in Oberstdorf. Die Auslastung von 65 Prozent zeigt, dass es der dreifachen Mutter gelungen ist, ihr Ferienhotel erfolgreich in der Region zu etablieren. Was ihr Erfolgsgeheimnis ist und wie es die 43-Jährige jeden Tag aufs Neue schafft, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.

Martina Berktold-Thaumiller, Birgsauer Hof

mermann ist und sich im Birgsauer Hof für kaum einen Job zu schade ist. „Außerdem habe ich es mittlerweile gelernt, mit meiner Rolle als Frau zu kokettieren“, erzählt sie. Tradition und Heimatverbundenheit sind der Chefin wichtig. Doch vor allem als neugierig bezeichnet sie sich: „Ich will nicht einschlafen. Und ich kann es überhaupt nicht ertragen, wenn es Grenzen gibt.“ Wie sich das äußert? Zum Bei-

Frühling im Allgäu: Der Birgsauer Hof liegt im Stillachtal bei Oberstdorf

ter anderem in der Alpenrose in Zürs und in namhaften Privatschulen in London. Später kamen die Kinder. Zwei Söhne hat sie. Beide gehen noch zur Schule, während die bereits erwachsene Tochter eine Lehre als Mediengestalterin macht und als Fotografin tätig ist. Den Spagat als Hotelchefin und Mutter meistert Martina Berktold-Thaumiller mit beneidenswerter Gelassenheit, auch weil die Familie

mitspielt und sich alles unter einem Dach abspielt. Alle wohnen im Hotel. „Einen eigenen Haushalt gibt’s bei uns eigentlich gar nicht“, berichtet sie, in den Privaträumen ist die Familie nur selten. „Morgens kümmert sich mein Mann um die Kinder, gefrühstückt und Mittag gegessen wird im Restaurant. Und beim Aufräumen und Staubsaugen helfen die Kinder“, sagt die Patronin und schwärmt: „Ich habe eine ganz tolle Familie.“ Umso mehr bedauert es die Hotelchefin, dass es ihr nicht immer gelingt, dem Privatleben den nötigen Stellenwert einzuräumen, mehr Zeit für den Mann, für die Kinder und Freunde zu haben. Ein klassischer Arbeitstag beginne für sie gegen 7 Uhr und ende um 23 Uhr mit einem letzten Rundgang durchs Haus. „Man muss schon lernen, den Betrieb einfach mal sein zu lassen, sonst verliert man sich“, berichtet sie. Wichtig fürs Wohlergehen sei es auch, sich gezielt zu entspannen, kleine Auszeiten zu nehmen. „Leider zu selten“ geht die Chefin mit ihrem Mann hoch in die Berge. „Regelmäßig schaue ich mir dagegen andere Städte an, oder auch mal eine Galerie“, so Berktold-Thaumiller. „Und lesen ist mir sehr, sehr wichtig“, erzählt sie, „besonders gern das Magazin Geo mit seinen Reportagen.“ Dann zeigt sie stolz ihre gut sortierte Bibliothek, aus der sich auch die Gäste bedienen dürfen. Und wie charakterisiert sie sich als Chefin? „Freundlich, umgänglich, kommunikativ“, sagt Martina Berktold-Thaumiller. „Wir lachen wahnsinnig gern“, bekräftigt ihr Mann. 20 Mitarbeiter, darunter zwei Azubis, sind im Birgsauer Hof beschäftigt, manche davon arbeiteten bereits bei den Eltern. Das Betriebsklima sei gut, es lebe vom Familiensinn, aber auch von Betriebsausflügen, gemeinsamen Essen zum Saisonende oder Nettigkeiten zu Geburtstagen und Jubiläen. Ihr Team führt die gebürtige Oberstdorferin nach einem simplen Prinzip. „Nach Rücksprache mit meinen Mitarbeitern mache ich die Ansagen“, beschreibt sie das Procedere. Sie könne dabei durchaus stur sein. Doch Ehrlichkeit und

Gut kalkuliert: Das Doppelzimmer Biberkopf kostet in der Hauptsaison 182 Euro