Weinbergsmauern – Handwerk und Tradition - DocCheck

In Deutschland verbindet der Tourist die Mosel mit der Vorstellung von einem klassischen Terrassenweinbaugebiet. Hier befinden sich die steilsten. Weinberge ...
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Gerd Ulrich

Klassische Trockenmauern im Weinbau – Tradition und Technik Die Faszination der Terrassenlandschaften mit ihren Trockenmauern ergibt sich aus der glücklichen Verbindung von Landschaft, Rebe und der stilsicheren Arbeit unserer Vorfahren.

Ulrich

Trockenmauern sind Produktionsmittel des Winzers und gleichzeitig Glied einer vom Menschen geschaffenen Kultur- und Erholungslandschaft. Ihre Erhaltung muss Aufgabe des Winzers und der Gesellschaft sein.

Das Buch wendet sich an Winzer, Baufirmen, die mit Naturstein arbeiten, Flurbereinigungsgemeinschaften, Natur- und Denkmalschützer sowie staatliche Einrichtungen. Der Autor besitzt als Hobbywinzer selbst praktische Erfahrungen mit Trockenmauern und lebt inmitten von Terrassen des sächsischen Weinbaugebietes.

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€ (D) 29,90 € (A) 30,80

ISBN 978-3-8001-5930-7

www.ulmer.de

Handwerk und Tradition

Weinbergsmauern

Erläutert werden: • die notwendigen Maßnahmen zur Beräumung eines Bruchs, • der schrittweise Wiederaufbau einer Trockenmauer, • die entstehenden Kosten, • Möglichkeiten der staatlichen Förderung.

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Gerd Ulrich

Weinbergsmauern Handwerk und Tradition 70 Farbfotos   7 Schwarzweißabbildungen   7 Tabellen

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort  6 Die Schönheit der Trockenmauern  8 Was ist eine Trockenmauer ?  9 Funktionen von Trockenmauern  10 Trockenmauern in der Historie  11 Der Weg der Rebe auf den Hang  14 Trockenmauerbau – Arbeit des Winzers  15 Bedeutung der Trockenmauern heute  16 Ästhetik von Trockenmauer­landschaften  18 Weinbau und Kulturlandschaft  18 Rebe und Architektur  21 Landeskultur und Denkmalpflege  23 Naturschutz  24 Biotop Trockenmauer  27 Trockenmauern sind künstliche Felsen  28 Tiere und Pflanzen an, auf und in der Trockenmauer  29

Die Gesteine zum Trockenmauerbau  33 Regionale Vorkommen nutzen  33 Natur- oder Werksteine ?  34 Verwendbare Gesteinsarten  35 Gabionen  36 Theoretisches zum Trocken­mauerbau  38 Sicherheit gegen Kippen  38 Sicherheit gegen Gleiten  38 Sicherheit des Baugrundes  40 Bodenmechanik  40 Bodenprofile  41 Bodendynamik  41 Naturböschungen  43 Lösswände  44 Jeder Beruf hat seine Werkzeuge  45 Werkzeuge  45 Geräte und Maschinen  47 Bautechnische Begriffe für den Bau von Trockenmauern und Weinbergstreppen  49

Inhaltsverzeichnis

Bau einer Trockenmauer  54 Auch Trockenmauern stehen endlich  54 Die schwierigste und unangenehmste Arbeit – die Bruchberäumung  55 Trennen der Baumaterialien  58 Eigentümlich, die beräumten Steine reichen nicht  59 Arbeitsschutz beachten  59 Der Bau – Schritt für Schritt  60 Zeitgemäße Hilfsmaterialien, Dränrohre und Geo­textilien  68 Für extreme Bedingungen, Stützpfeiler  69 Verwendung von Gabionen  70 Sind zweihäuptige Trockenmauern noch zeitgemäß  71 Begeh- und Befahrbarkeit von Terrassen   73 Treppen und Ecken  74 Rampen  78 Wasserstaffeln und Erdabsetzbecken  79

Kosten von Trockenmauern  80 Kosten der Steine  80 Welcher Handarbeitsaufwand und welcher Lohn müssen ­aufgewendet werden  81 Was kostet eine Trockenmauer in anderen Weinbaugebieten  83 Eigenbau oder Baufirma  83 Fördermöglichkeiten  85 Ausblick und Zukunft der ­Trockenmauern  86 Service  89 Glossar  89 Anschriften der deutschen Weinbauverbände  90 Anschriften der Weinbauverbände im deutsch­ sprachigen Ausland  91 Bezugsquellen  91 Literatur  91 Bildquellen  93 Register  94

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Vorwort

„aus bodenständigen steinen trockenmauern handwerklich kunstvoll gesetzt in langgeschwungenen wellenlängen harmonisch zum elblauf. sims auf sims waagrecht übereinandergestuft oder als gürtel namhafter gärten diebssicher den steilhang hinaufgezogen zum mätressenhügel. terrassen und treppen setzen zäsuren in die aufwölbungen und abhängenden mulden bei Zitzschewig. pedantisch exakt die reben gesteckt in schnurgeraden reihn, …“ Wulf Kirsten (1986) Wer in Deutschlands Flusstälern reist, lernt an den steilsten Stellen Felsen, Hangwälder oder vom Menschen in Generationenarbeit geschaffene Terrassen kennen. Diese Terrassen entstanden durch den Bau von Trockenmauern, die zumeist in Schichtlinie, also hangparallel, angeordnet sind. Um die Terrassen betreten zu können, unterbrechen Treppen diese Trockenmauern in vertikaler Richtung. Wir bewundern heute die Stilsicherheit, mit der unsere Altvorderen die Trockenmauern ohne Verwendung von Bauplänen in die Landschaft eingefügt haben. Entstanden sind die heute bevorzugten Erholungslandschaften, auf deren Terrassen Reben wachsen, die hochgeschätzte Weine garantieren. Der Bau der Terrassen mit Trockenmauern erfolgte in mühseliger Handarbeit der Winzer oder Bauern mit den am Ort vorhandenen Steinen. Häufig wurden die Steine direkt vor Ort gebrochen, sodass so manche Terrasse sogar die Bezeichnung Steinbruch trägt. Das Wissen zum Bau der Trockenmauern wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Die entstandenen Terrassenlandschaften sind schützenswerte Bauten der bäuerlichen Volksarchitektur. Trockenmauern sind jedoch schon seit der Antike im Römischen Reich bekannt. Wie so vieles, ging dieses Wissen im Mittelalter fast verloren. So verwundert es nicht, dass in Deutschland Trockenmauern erst in der frühen Neuzeit, dem 16. und 17. Jahrhundert, nachweisbar sind. Städtebilder dieser Zeit zeigen im Weichbild außerhalb der Stadtmauern durchweg Weingärten, eingefriedet zwar, aber in der Regel ohne Trockenmauern. Der Autor, selbst inmitten von Terrassenweinbergen aufgewachsen und lebend, kennt die Sorgen, die mit Terrassen und Trockenmauern verbunden sind. Just zu der Zeit, als dieses Buch entstand, stürzte 2009/10 in seinem Grundstück eine mehrere hundert Jahre alte Mauer ein … Wein war im Mittelalter ein wichtiges Handelsgut, sodass sich die Rebe in der Ebene so ausbreitete, dass sie zum ernsten Gegner des Getreides,

Vorwort

welches zur Volksversorgung benötigt wurde, geworden war. In Zusammenhang mit einem kräftigen Bevölkerungswachstum führte dies zum von der Obrigkeit verordneten: „Wo der Pflug kann gehen, darf kein Rebstock stehen“, was wiederum der Grund war, dass man mit dem Weinbau auf Hanggelände auswich. Außerdem ging am Ende des Mittelalters eine „Warmzeit“ zu Ende, die von einer von den Meteorologen als „Kleine Eiszeit“ (bis ungefähr 1850) bezeichneten Epoche abgelöst wurde. Auch dies förderte den Terrassenweinbau. Seit der industriellen Revolution im 19. Jahrhundert wurde Handarbeit zum knappen Gut, sodass es zunächst unbemerkt, schließlich im 20. Jahrhundert verstärkt zum Verfall und zur Aufgabe von Terrassen kam. Erfreulicherweise, auch mithilfe staatlicher Förderung, erfolgt derzeit eine Rückbesinnung zum Kulturgut Trockenmauerlandschaften. Dabei spielt natürlich ihr Wert als Erholungslandschaft eine nicht unwichtige Rolle. Dieses Buch soll helfen, verschollenes Wissen um den Trockenmauerbau wieder in Erinnerung zu rufen. Dem Verlag Ulmer, insbesondere Frau Dr. Jansen und Frau Schüller, und allen, die beim Gelingen des Buches mithalfen, gilt mein Dank. Mein Dank gilt auch den Trockenmaurern Sachsens, insbesondere meinem Bruder, die mit Rat und Tat am Entstehen des Buches beteiligt waren. Gerd Ulrich Diesbar-Seußlitz/Elbe, im Herbst 2011

Terrassenlandschaften wie die Weinberge um Radebeul (Sachsen) bieten dem Auge immer wieder neue Blickpunkte.

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Die Schönheit der Trockenmauern

Terrassenlandschaft um St. Magdalena/Südtirol.

Nicht umsonst sind Weinbaulandschaften, insbesondere solche mit unzähligen Terrassen, von Touristen bevorzugte Erholungsgebiete. In Deutschland verbindet der Tourist die Mosel mit der Vorstellung von einem klassischen Terrassenweinbaugebiet. Hier befinden sich die steilsten Weinberge Deutschlands. Das Anbaugebiet Mittelrhein steht dem kaum nach. Der württembergische Neckar wird schlechthin mit Terrassen gleichgesetzt und das Rotweingebiet der Ahr wird nahezu ausschließlich von Terrassen geprägt. Auch große Teile der Anbaugebiete Frankens, der Hessischen Bergstraße, von Saale-Unstrut und Sachsen werden durch Terrassenlandschaften gestaltet. In vielen europäischen Anbaugebieten beherrschen Terrassen das Bild der Weinbaugebiete. Zu denken ist hier beispielsweise an das portugiesische Anbaugebiet am Douro, der Heimat des Madeira, an das Gebiet des schweizerischen Visperterminen im Wallis, er gilt mit 1500 m ü. NN als höchster Weinberg Europas und als Geburtsort des sogenannten Heidenweins aus ‘Weißem Traminer’, an die österreichische Wachau mit ihrem pfeffrigen ‘Grünen Veltliner’ oder an die extremen Terrassenlagen Süd­ tirols um Bozen mit dem ‘Blauen Trollinger’.

Was ist eine Trockenmauer ?

Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen ! Eines eint sie – die von Menschenhand geschaffenen Terrassenlandschaften mittels Trockenmauern ! Und alle werden millionenfach von Gästen zur Erholung genutzt ! Warum das so ist ? Nirgendwo verbinden sich Kulturlandschaft und menschlicher Erwerbssinn so eng mit dem feinsten aller Genussmittel – dem Wein – sowie Kultur und Architektur so harmonisch wie in den Terrassenlandschaften der Weinbaugebiete.

Was ist eine Trockenmauer ? „Maurer“, „Mauern“, „mauern“ – Begriffe, mit denen wir täglich umgehen. Doch, was ist eine Trockenmauer ? Wir verstehen unter einer Mauer gewöhnlich eine mit Backstein unter Zuhilfenahme von Mörtel gefügte Wand und bedenken dabei nicht, dass der Begriff Mauer mehr als nur das Backsteinmauerwerk beinhaltet. Er umfasst eben auch das Natursteinmauerwerk, welches wiederum nach Gesteinsarten zu gliedern ist, und das Trockenmauerwerk. Ist die Trockenmauer eine getrocknete Mauer, wie der Name vermuten lässt ? Nein ! Der Winzer versteht darunter das mit Bruchsteinen ohne Zuhilfenahme von Mörtel kunstvoll aufgesetzte Mauerwerk. Dabei unterscheidet der Winzer zwei Formen, die hauptsächlich verwendete einhäuptige und die freistehende zweihäuptige Trockenmauer. Die zweihäuptige Trockenmauer setzten unsere Vorväter zur Einfriedung ihrer Weinberge ein. Die industrielle Revolution hat jedoch billigere Mittel wie Maschendraht geschaffen. Zweihäuptige Trockenmauern ­werden heute nur noch im denkmalpflegerischen Bereich gesetzt. Sie erfor-

In den steilen Weinbergen um Lausanne schaffen Rebter­rassen in Verbindung mit Wohn- und Keller­archi­ tektur eine har­monische ­Einheit in der Landschaft.

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Die Schönheit der Trockenmauern

Diese repräsentative Trockenmauer vor den Weinstöcken hat schon fast mediterranes Flair.

dern ein noch höheres handwerkliches Geschick als einhäuptige Trockenmauern. Die einhäuptige Trockenmauer gliedert steile und steilste Hänge in bearbeitungsfähige, flacher geneigte oder gar ebene Flächen. Sie wird gegen den Berg gesetzt und mit Erde hinterfüllt. Dabei muss die Trockenmauer so gefügt und so stark gebaut werden, dass sie den Erddruck des Berges auch unter extremen Situationen, etwa durch stark vernässtes Erdreich, aufnehmen kann. Erreicht wird dies durch ihre Elastizität, was sie befähigt, Volumenänderungen des Erdreichs auszugleichen. Neuerdings gibt es von der Betonindustrie Bestrebungen, Trockenmauern unter Nutzung von Betonfertigteilen zu setzen, in denen die Sichtflächen durch flachen Naturstein mit sehr tiefen Fugen die Anmutung einer Trockenmauer besitzen. Verzahnte Betonteile sollen das Packlager zumindest teilweise ersetzen.

Funktionen von Trockenmauern In mitteleuropäischen Verhältnissen verbindet selbst der Nichtwinzer den Anbau von Reben mit dem Weinberg. Aber auch in Südeuropa wachsen Reben oftmals auf dem Hang. Häufig ermöglichte erst die Terrassierung mittels Trockenmauern deren Bewirtschaftung. Dafür wurden aus dem regional unterschiedlich anstehenden Gestein, häufig direkt vor Ort gebrochen, Trockenmauern errichtet. So wurde die Neigung des Hanges vermindert und seine Bearbeitung erleichtert. Um überhaupt auf die Terrassen zu gelangen, mussten Treppen oder Rampen geschaffen werden. Die notwendigen Erdbewegungen waren erheblich – man bedenke dabei, dass unsere Vorväter fast nur ihre Hände hatten, um diese Erdbewegungen zu meistern. Eine wesentliche Aufgabe der Trockenmauer ist es, den Erddruck aufzunehmen, der auf jedem Hang wirkt. Er ist abhängig von der Hangneigung und dem vorhandenen Boden, ebenso von seiner Struktur und vor allem von seiner Fähigkeit, Wasser aufzunehmen, ohne seine Standfestigkeit zu verlieren.