Stadtgespräche aus Memmingen

Staatsminister a. D. Josef Miller erzählt im Park Neue Welt . ... Johnny Ekkelboom gibt am Alten Friedhof den Ton an . . . . . . 71. 14 In den Farben der Kindheit ///.
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Memmingen Alexandra Wehr

Stadtgespräche aus

Memmingen Alexandra Wehr

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© 2014 – Gmeiner-Verlag GmbH Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch Telefon 0 75 75/20 95 - 0 [email protected] Alle Rechte vorbehalten 1. Auflage 2014 Lektorat/Redaktion: Ricarda Dück Satz: Alexander Somogyi Umschlaggestaltung: Alexander Somogyi Bildbearbeitung: Alexander Somogyi Kartendesign: Alexander Somogyi Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Printed in Germany ISBN 978-3-8392-4551-4

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Sie umklammern flehend meine Knie /// Sabine Rogg empfängt Besucher am Marktplatzbrunnen. . . . . 11 Der Teamspieler /// Armin Buchmann managt in der Fußball-Arena. . . . . . . . . . . . . . 17 Fischertagspremiere im Stadtbach /// Jonas sprintet am Fischerbrunnen los. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Was für eine Karriere! /// Bernd Käser wacht am Einlaß über die Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 Mit Motorsäge und Schnitzmesser unterwegs /// Cornelia Brader erschafft in der Bodenseestraße kleine Welten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Der Erfahrene /// Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger begrüßt im Rathaus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Auf feine Weise betroffen machen /// Karin Keller lädt ein ins Parterretheater im Künerhaus. . . . . . . 43 Seelen im Angebot /// Rita und Karl Standhartinger backen in der Ulmer Straße. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Der Netzwerker /// Staatsminister a. D. Josef Miller erzählt im Park Neue Welt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Der Kirchturmkraxler /// Wikipedia-Autor Thomas Mirtsch hat die Frauenkirche im Fokus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Salto, Flickflack und Menichelli /// Andrea Groß und Martina Mauerer turnen beim TV Memmingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Eine Stadt feiert ihre Kinder /// Ria singt mit 2.000 Mädchen und Buben auf dem Marktplatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

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Mit der Stadtkapelle unterwegs /// Johnny Ekkelboom gibt am Alten Friedhof den Ton an. . . . . . . 71 In den Farben der Kindheit /// Ellen Weckwerth malt in der Zangmeisterstraße. . . . . . . . . . . . . . . 77 Der ökumenischste aller Orte /// Dekane Kurt Kräß und Ludwig Waldmüller auf dem Waldfriedhof. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Eine Kindheit vor dem Zweiten Weltkrieg /// Weihbischof Max Ziegelbauer wurde in der Kramerstraße geboren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 In den Bergen überlebt /// Helmut Reuter erinnert sich im Stadtpark Grimmelschanze. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 Leidenschaft für »alten Kram« /// Christoph Engelhard formt im Archiv das Gedächtnis der Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Zu Besuch in der Malerwerkstatt /// Auf den Spuren von Bernhard Strigel im Gymnasium. . . . . . . 101 Ein echter Memminger /// Der Martinsturm ragt hoch über die Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Ein Album reicht für dieses Leben nicht aus /// Sieglinde Pfeifer blickt am alten Firmensitz zurück. . . . . . . . . . 111 Zwei aus dem Gefolge Wallensteins /// Andrea und Gerhard Müller stellen sich im Zollerngarten vor. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 Die Pikeniere sind mein Leben /// Ein Treffen mit Inge Wolff am Kempter Tor. . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Bei ihr dreht sich alles ums Herz /// Gabriele Lemke arbeitet am Memminger Klinikum. . . . . . . . . 127

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Der Nachrichtenmann /// Helmut Kustermann recherchiert in der Donaustraße. . . . . . . Der Wein erfreue des Menschen Herz /// Gertraud Manner empfängt ihre Gäste im Weinlokal Löwen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Den Charme alter Mauern erhalten /// Simone Uhlmann und Wolfgang Krischke am Weinmarkt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weit mehr als ein Heimatmaler /// Josef Madlener ist in der MEWO Kunsthalle zu sehen. . . . . . Ich liebe meinen Kommissar! /// Walter Kärger findet am Martin-Luther-Platz Inspiration. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auf das Wohlgefühl kommt es an /// Siegrun und Axel Lorinser tanzen in der Jägerndorfer Straße. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Beruf Beobachter /// Walter Weyers inszeniert im Landestheater Schwaben. . . . . . Zu anstrengend und gefährlich für eine Frau /// Erika Gäble hält in der Kalchstraße Rückschau. . . . . . . . . . . . . . Vom Wert der Freiheit /// Gottfried Voigt zeigt die ehemalige Kramerzunft. . . . . . . . . . . . Meister der Unterwelt /// Jürgen Lindner steigt in der Mozartstraße ins Kanalsystem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufwühlen statt Einlullen /// Christian Weiherer erfüllt die Josefskirche mit Musik. . . . . . .



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S ie umk lamme rn fle he nd mein e Kn ie Sabine Rogg empfängt Besucher am Marktplatzbrunnen

Mit einer Traube von Menschen im Schlepptau zieht Sabine Rogg durch die Straßen. »Stellen Sie sich in den Schatten. Von dort sieht man am besten.« Die Gruppe folgt ihrem Rat willig. Die Blicke richten sich auf eine Wetterfahne hoch oben auf dem Welfenhaus. »1967«, das Baujahr, ist darauf für gute Augen erkennbar. Und ein Mond. Pardon, ein Mau. Der Mau. »Kennen Sie die Geschichte vom Memminger Mau?«, fragt Rogg in die Runde. Einige schütteln den Kopf. Die Stadtführerin legt los: »Sie beginnt wie fast alle Memminger Geschichten: Ein Ratsherr kam betrunken aus der Wirtschaft.« Die Aufmerksamkeit steigt, einige Zuhörer lächeln. »Im Regenzuber sah er den Mond und wollte ihn rausziehen. Allein schaffte er’s nicht, also holte er noch andere Ratsherrn und Fischer aus dem Gasthaus. Fünf Mann versuchten schließlich den Memminger Mau aus dem Zuber zu fischen.« Die Zuhörer schmunzeln. Vielen ist die Anekdote in Varianten bekannt. »Diese Geschichte erzähle ich meist nur vor Einheimischen«, bemerkt Rogg beiläufig. »Wenn Norddeutsche so was hören, denken die doch: An welches Bergvolk sind wir da denn geraten?« Und das ginge für Rogg gar nicht. Wer in ihre Stadt kommt und sie auf einen Rundgang begleitet, soll begeistert heimkehren, glücklich, ein oberschwäbisches Juwel entdeckt zu haben. »Bei Sonne und guter Laune ist das einfach«, berichtet sie aus jahrzehntelanger Erfahrung. »Aber führen Sie mal eine Gruppe bei Kälte und Regen, vielleicht sogar nach einem schweren Mittagessen!« Und genau in solchen Situationen packt sie der Ehrgeiz. »Am Ende sollen sie alle am liebsten nach Memmingen umziehen wollen.« Ihr heutiges Publikum betrachtet mittlerweile einen aufwendigen Ausleger, auch »Nasenschild« genannt, kurz gesagt: die mittelalterliche Reklame für die ehemalige Gaststätte Rad in der Kalchstraße. In der Sonne glänzt es golden vor dem tiefblauen Himmel. »Die waren nicht blöd früher, durch die Vergoldung haben sie Aufmerksamkeit gewonnen. Sie brauchten keine LED-Strahler«, plaudert 11

Reich verzierte Ausleger: Werbemittel früherer Jahrhunderte

Rogg. »Im September 1958 radelte ein Stadtpolizist hier vorbei und wunderte sich, warum so viele Leute versammelt waren. Der griechische König samt Königin und königlicher Kinder sei im Rad zum Essen, erfuhr er und benachrichtigte sofort den Oberbürgermeister. Der eilte zum Wirtshaus und postierte sich für eine Begrüßungsrede. Königs hatten jedoch mehr Interesse an Brathähnchen, Wurstsalat und Memminger Bier. Bei der Verabschiedung knallte auch noch aus Versehen die Tür auf den royalen Hintern. Seitdem war kein König mehr bei uns«, bemerkt die Stadtführerin mit bedauernder Miene. Zumindest kein auswärtiger. Könige gibt es in Memmingen bekanntlich zur Genüge, sogar alle zwölf Monate einen neuen. Am Fischertag im Juli wird derjenige gekrönt, der die schwerste Forelle aus dem Stadtbach geholt hat. Und was macht Rogg an diesem wichtigsten Festtag der Stadt? Sie ist natürlich mittendrin im Geschehen. Für die gebürtige Memmingerin beginnt der Fischertag als Kübelesträgerin. »Mein Bruder juckt in den Bach. Ich steh mit dem Kübel am Rand und nehme die Forellen entgegen. Viel zu tun hatte ich allerdings noch nie«, sagt sie lachend, mit einem kleinen Funken Spott in den Augen. Als Stadträtin nimmt 12

Sabine Rogg empfängt Besucher am Marktplatzbrunnen

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sie im weiteren Tagesverlauf im Rathaus an einem Empfang für die offiziellen Gäste teil. Und nachmittags gibt sie eine thematische Führung zum traditionellen Heimatfest. »Das ist jedes Jahr so, ich kann aber trotzdem immer wieder Neues erzählen!« Zu Hause hat sich die Hobbyhistorikerin ein stattliches privates Archiv aufgebaut. »Ich besitze über 30 Aktenordner und viele Bücher zur Stadtgeschichte. Dazu Literatur über Reichsstädte oder das Mittelalter. Und eine Datenbank habe ich zu Stichworten wie ›Alltag‹, ›Ehe‹ oder ›Südstadt‹ erarbeitet, und zu den Häusern, nach Straßen sortiert. Ich gebe alle Informationen ein, die ich finde, irgendwann kann ich sie für eine neue Führung mal brauchen«, erklärt sie auf dem Weg zur nächsten Wetterfahne. Amüsiert berichtet sie von einer Episode aus der jüngsten Vergangenheit, die sie erst kürzlich gehört habe. »Mitte der 80er-Jahre saßen einige Organisatoren der Wallensteinwoche im Wirtshaus. Sie überlegten, wie sie die großen Umzüge in der historischen Festwoche verbessern könnten. Einer schlug vor, er könne einen weißen Elefanten organisieren, der mitlaufen sollte. Die Idee zu vorgerückter Stunde wurde begeistert aufgenommen. Wo sollte man den Dickhäuter jedoch unterbringen? Vielleicht im Innenhof des Gasthauses zum Löwen. Aber würde er auch durch das historische Portal passen? Kurzerhand wurde eine lebensgroße Schablone des Elefanten angefertigt und ans Tor gehalten. Ein Foto dieser Aktion veröffentlichte sogar die Zeitung. Doch wer kam nie nach Memmingen?« Der weiße Elefant! Schade eigentlich, allerdings hatte der echte Wallenstein ohnehin keinen Kriegselefanten bei seinen Schlachten eingesetzt. Seit 1984 unterhält die gelernte Bankkauffrau in ihrer Freizeit Menschen bei ihren Rundgängen durch Memmingen mit solchen Anekdoten. »Angefangen habe ich 1977 im Bauernhofmuseum in Illerbeuren, ich war damals 17. Meine Mutter hat dort Kurse in Bauernmalerei gegeben und der Museumsleiter kam eines Tages auf mich zu, ob ich mir nicht vorstellen könne, Führungen zu machen.« Sie versuchte es und kam gut an. »Mir hat das vom ersten Augen13