Niemals Routine: das Wunder der Geburt - Krankenhaus 14 Nothelfer

Im statistischen Durchschnitt kommen hier täglich zweieinhalb Kinder auf die. Welt, im letzten Jahr waren es insgesamt 630 neue Erdenbürger. Routine gibt es ...
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REPORTAGE: NACHTS IM KREISSSAAL

Niemals Routine: das Wunder der Geburt Die Frauenklinik des Krankenhaus 14 Nothelfer Weingarten ist in der Region beliebt, bietet sie doch eine familienorientierte Geburtshilfe im kleinen Rahmen. Im statistischen Durchschnitt kommen hier täglich zweieinhalb Kinder auf die Welt, im letzten Jahr waren es insgesamt 630 neue Erdenbürger. Routine gibt es nicht, weil jede Entbindung anders ist. auf den großen Moment, aber

Bald ist es soweit: Die familienorientierte Geburtshilfe im Krankenhaus 14 Nothelfer ist beliebt bei werdenden Müttern aus der Region.

Hatices Kind will nicht kommen. Aufgeregt läuft der werdende Vater auf dem Flur auf und ab, während Bernd König, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und Leitender Arzt der Frauenklinik, nach dessen Frau schaut. Das Kind findet den Weg nicht. „Geburtsstillstand durch Fehleinstellung des Kindes“, so lautet die Diagnose des Arztes. Er bestellt den Anästhesisten und ruft die Kollegen im Operationsaal an. Sie kommen um einen Kaiserschnitt nicht mehr herum. Judith Gärtner begleitet die werdenden Eltern in den OP hinein. Sie richtet das Wärmebettchen für das Neugeborene, veratmet mit Hatice noch eine Wehe und spricht beruhiEs ist kurz vor 20 Uhr an einem

die stöhnenden Laute einer Frau

gend auf sie ein, während der

lauen Sommerabend. Im Foyer

unter Wehen heraus. Es ist Hatices

Anästhesist die regionalwirksame

des Krankenhauses sitzen erwar-

erstes Kind, und es dauert schon

Spinalanästhesie einleitet. Kai-

tungsvoll etwa 100 Menschen,

zu lange. Der Muttermund bewegt

serschnitte sind im Krankenhaus

die meisten von ihnen mit großen

sich seit Stunden nicht. Judith

14 Nothelfer relativ selten, darauf

schwangeren Bäuchen. Sie alle

Gärtner ist an diesem Abend die

sind auch die Hebammen stolz,

wollen sich auf den großen Tag

diensthabende Hebamme. Immer

lassen sich aber nicht gänzlich

bestens vorbereiten und sind

wieder schaut sie nach der jungen

vermeiden.

gekommen, um einen Blick in

Frau. Ihre Kollegin Beatrix Wage-

den Kreißsaal zu werfen, Fragen

mann packt gerade ihre Tasche.

Das Kind ist da

zu stellen, den richtigen Ort für

Wenn nichts Unvorhergesehenes

Um 22.45 Uhr erblickt ein klei-

die Geburt des Kindes zu finden.

passiert, dann endet ihr regulä-

nes Mädchen das Licht der Welt.

In Gruppen gehen sie neugierig

rer Dienst jetzt. Sie hat in dieser

Beatrix Wagemann ist derweil

über die Wöchnerinnenstation,

Nacht zwar Rufbereitschaft, aber

zurück im Dienst. Eine weitere

betrachten die Geburtswanne und

es ist bisher nicht viel los.

Geburt kündigt sich an. In ihrem geblümten Kleid läuft Simone im

schauen in den Kreißsaal hinein.

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Das Wehenzimmer ist an diesem

Kaiserschnitt ist nötig

Arm ihres Mannes über die Flure.

Abend nicht zu besichtigen. Die

Die Luft draußen ist warm. Vor

Bewegung tut ihr gut. Auch sie

Tür ist verschlossen, und in un-

dem Haupteingang wartet die ge-

bekommt ihr erstes Kind. Sie hat

regelmäßigen Abständen dringen

samte türkische Verwandtschaft

keine Angst, weil sie weiß, dass

Besuchszeit August 2017

im sanften Licht des Kreißsaales hat Simone starke Wehen. Dass in der Nacht mehr Kinder als am Tag geboren werden, stimmt nicht. So lautet zumindest die Erfahrung von Judith Gärtner und doch ist der Kreißsaal nachts immer gut belegt. Nachts kommen die Frauen zur Ruhe, können in sich hineinspüren und nehmen die Wehen wahr. Simone hat versucht, sich auf diesen Moment vorzubereiten, doch den Schmerz kann man nicht üben, und so ist sie dankbar über die ruhigen Worte von Judith Gärtner. Baby und Mutter wohlauf – und eine zufriedene Hebamme Judith Gärtner: Um 22:45 Uhr hat diese neue Erdenbürgerin das Licht der Welt erblickt.

Geburt lässt sich nicht üben

das, was jetzt kommt, das Natür-

sie gewartet, und nun schleicht

Auf dieser Reise ins Ungewisse

lichste auf der Welt ist. Sie sucht

ein Verwandter nach dem anderen

ist ihr die Hebamme eine Beglei-

sich einen der beiden Kreißsäle

herein. Mit Freudentränen in den

terin. Das Kind liegt bereits tief

aus, entscheidet sich für den in

Augen, sich kaum aus eigener

im Becken, das Köpfchen steckt

warmen Rot-Tönen. Als Paar ge-

Kraft auf den Beinen haltend, wird

schön fest, und Simone hat starke

hen sie hinein, als Eltern werden

auch Oma herbeigeführt, und die

Wehen. Noch weiß sie nicht, wel-

sie herauskommen. Simone weiß,

ersten Fotos werden über den

chen Weg sie mit der Geburt ihres

dass nun das größte Abenteuer

Erdball geschickt. Judith Gärtner

Kindes gehen muss. „Eine Geburt

ihres Lebens beginnt.

dokumentiert in der Zwischenzeit

lässt sich nicht erahnen, nicht

den Verlauf im dicken Gebur-

üben, sie ist jedes Mal anders“,

Freudentränen fließen

tenbuch und schaut regelmäßig

sagt die Hebamme. Dann wird

Im zweiten Kreißsaal liegt der

nach Mutter und Kind. Das kleine

es erstmal ruhig auf Station, das

junge türkische Vater, den Ober-

Mädchen trinkt bereits, es ist alles

Paar richtet sich im Kreißsaal ein,

körper frei und darauf ein kleiner

gut. Kurz vor Mitternacht wird die

und im Verlaufe der Nacht wird

nackter Mensch. Weil die Mutter

Großfamilie auf die Wochenstation

ganz natürlich ein zweites Kind

im OP noch versorgt wird, ist er

verlegt. Es ist Zeit zum Schlafen.

geboren werden. (sk)

der sichere Hafen für seine kleine

Draußen ist es dunkle Nacht, und

Tochter, damit sie die Nähe spürt und die Wärme. Damit auch nach Durchtrennung der Nabelschnur die Bindung nicht unterbrochen wird. Die Hebammen wissen,

Auf dem Weg in den OP: Bei der werdenden Mutter Hatice ist ein Kaiserschnitt nötig.

wie wichtig diese Momente sind. Doch die traute Zweisamkeit dauert nicht lange. Noch im großen Gefühlsglück bricht sogleich die Verwandtschaft über ihn herein. Alle wollen es sehen, das neue Familienmitglied; so lange haben

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