Kleine Trumps gibt es überall - Othmar Karas

Das halte ich für richtig, weil wir die. Globalisierung gestalten müs- sen. Wer sich abschottet ... das letzte Wort. Was passiert ... erst, wenn Europa das Problem.
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Othmar Karas gilt als einer der einflussreichsten Abgeordneten Österreichs in Brüssel

„Kleine Trumps gibt es überall“ Der ÖVP-Politiker und EU-Abgeordnete Othmar Karas warnt vor Nationalismus, TTIPPopulismus und dem Zerbrechen der EU

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ür TTIP sind in Europa viele, in Österreich aber sind fast alle dagegen. Können wir dieses Abkommen im Alleingang verhindern? Jedes Land kann das blockieren. Es steht dann aber unter großem Druck. Alle Mitgliedsstaaten, auch Österreich, haben die EU-Kommission 2013 aufgefordert, ein Abkommen mit den USA zu verhandeln. Das halte ich für richtig, weil wir die Globalisierung gestalten müssen. Wer sich abschottet, verliert. Wenn der Handel ungeregelt ist, gewinnt immer der mit den niedrigsten Standards. Entscheidend ist, dass das EU-Parlament TTIP nur zustimmen wird, wenn die Ängste der Bürger ernst genommen und die Bedingungen der EU erfüllt wer­den. Das EU-Parlament hat das letzte Wort. Was passiert, wenn am Ende ein Vertrag steht, dem alle zustimmen, den Österreich aber aus innenpolitischen Gründen trotzdem ablehnt? Diese Sorge habe ich immer öf40

ter bei politischen Debatten in Österreich. Wir gehen weg von der Information der Bürger und hin zum Populismus. Ängste schüren ist für mich kein Mittel der Politik. Es fehlt eine Debatte darüber, was unsere Bedingungen an den Vertrag sind. Noch gibt es kein Verhandlungsergebnis. Ich bewerte erst, wenn das Resultat auf dem Tisch liegt, und erwarte mir das auch von der österreichischen Regierung. Norbert Hofer, der Kandidat der Europa-skeptischen FPÖ, hat bei der Bundespräsidentenwahl 35 Prozent bekommen. Wie wird das in Brüssel wahrgenommen? Auf europäischer Ebene fragen sich alle, welche Rolle Österreich in der EU spielen will und was bei uns los ist. Zur Wahl haben bisher nur Le Pen, Geert Wilders und die AfD applaudiert. Dieser Applaus stellt uns in ein falsches Eck. Da gehören wir nicht hin. Unsere Rolle und Mitverantwortung in Europa ist eine andere. Daher findet am 22. Mai auch eine Grundsatzentscheidung statt.

ZUR PERSON

Othmar Karas ist seit 1999 EU-Abgeord­ neter. Er ist Delegations­ leiter der ÖVP-Parlamentarier und war von 2012 bis 2014 Vizepräsident des EU-Parlaments. 2009 reihte die ÖVP Ernst Strasser vor, Karas erhielt daraufhin 100.000 Vorzugsstimmen. Innerparteilich wurde dem Freigeist das nicht gedankt: Als EU-Kommissar, Minister und Präsidentschaftskandidat wurde er genannt, aber nicht nominiert.

18 | 2016

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Sie sind der letzte noch aktive Politiker, der die ÖVP in einem bundespolitischen Wahlkampf 2014 auf den ersten Platz geführt hat. Kann Ihre Partei davon lernen? Ja. Ich habe zwar die Weisheit auch nicht mit dem Löffel gefressen, aber die Ursache für den Erfolg war wohl die klare Positionierung als Proeuropäer und die Übereinstimmung zwischen Person, Wort und Tat. Das schafft Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Es gibt zu viele, die sich an den Problemen profilieren wollen, und nicht genügend Brückenbauer. Die Bürger haben von der Parteipolitisierung, der Kleingeistigkeit und dem Populismus die Nase voll. Aber leider werden unterschiedliche Meinungen oft pauschal als Illoyalität gebrandmarkt. Das halte ich für völlig falsch. Wir brauchen offene Debatten. In der ÖVP gibt es Politiker wie Franz Fischler, Erhard Busek oder Sie, die ihre Arbeit auf Europa ausgerichtet haben. Kann man, wenn man so arbeitet, den Provinzialismus ‣

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Von Daniel Steinlechner

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zu Hause immer schlechter nachvollziehen? Es gibt diesen bösen Satz: Der Standort bestimmt den Standpunkt. Aber da unterschätzt man die europapolitisch denkenden Menschen. Schon als ich in der Hainburger Au saß, bin ich bei manchen angeeckt. Erhard Busek ist es mit den „bunten Vögeln“ und Franz Fischler mit der Agrarpolitik genauso gegangen. Aber eines ist klar: Wenn man in Europa tätig ist, weiß man, dass verantwortliches Handeln keine nationale Grenze hat. Mit einer „Mia san mia und die sind die“-Mentalität erreicht man in Europa nichts. Österreich war sehr solidarisch bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Andere EUStaaten haben uns im Stich gelassen. Ist es nicht verständlich, dass viele an einer europäischen Lösung zweifeln? Aus meiner Sicht, nein. Denn für den Zustand der EU sind wir mitverantwortlich. Ich habe den Eindruck, dass absichtlich so getan wird, als würde Österreich nicht mitentscheiden. Die Flüchtlingskrise ist sicher nicht gelöst, wenn bei uns keine Flüchtlinge ankommen, sondern erst, wenn Europa das Problem gemeinsam löst. Mir wird zu viel mit dem Finger aufeinander gezeigt. Man muss nicht bis Amerika schauen. Kleine Trumps gibt es in allen Ländern und Parteien. Österreich setzt in der Europapolitik immer stärker auf Alleingänge, zuletzt mit der Drohung, am Brenner Grenzkontrollen einzuführen. Wird es einsam um uns? Wir haben jedenfalls einen hohen Argumentationsbedarf. Wortwahl und Ankündigungen irritieren. Die Frage ist, ob wir die Kraft haben, die EU in der Flüchtlingskrise weiterzuentwickeln oder nur den Nationalismus zu stärken. Oft verweigern die Mitgliedsstaaten der EU das Recht und die Mittel zum Handeln. Ich wünsche mir, dass Österreich zum Motor der Weiterentwicklung wird. Da haben wir Luft nach oben.

Im Juni stimmt Großbritannien über den EU-Austritt ab. Kann das eine Dynamik auslösen, die zum Ende der EU führt? Wenn es in Großbritannien eine sachliche Debatte gibt, geht das pro Europa aus. Wenn es nur um Emotionen geht oder um innenpolitische Scharmützel, dann nicht. Ob es zum Schneeballeffekt kommt, hängt vom Umgang mit dem Ergebnis ab.

Ein britisches Nein muss wirklich zu einem Austritt führen und darf nicht der Beginn des Backens eines Rosinenkuchens für Großbritannien sein. Gibt es für Sie als Proeuropäer einen Punkt, an dem Sie sagen: Europa ist gescheitert? Wenn der Nationalismus derart voranschreitet, dass die EU nicht mehr handlungsfähig ist. Die EU darf nicht scheitern,

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denn wir sind die EU. Es kann Verzögerungen bei der Weiterentwicklung geben, aber wenn das, was bisher möglich war, auch nicht mehr geht, dann wäre das eine Gefährdung des europäischen Projektes zum Schaden aller.