Hochschule Darmstadt Optotechnik und Bildverarbeitung 28. Juni 2011
Grenzen des Sehens bei Mensch und Tier
Frank Schaeffel, Tel 29-80739 E-mail:
[email protected] http://www.uak.medizin.uni-tuebingen.de/frank/
das Auge der Wirbeltiere: Stäbchen, Zapfen, Retina und Fovea
Sieht die Katze "besser" als der Mensch?
welche Information ist für ein Tier relevant ? - für diese Sehleistung dann evt. besser sein als der Mensch
7. Bewegungssehen ?
1. Sehschärfe ? 6. Farbensehen ? 2. Kontrastempfindlichkeit ?
5. Tiefenwahrnehmung ? 3. Sehen in Wasser und Luft ? 4. Lichtempfindlichkeit ?
Alles geht nicht : Problem der meisten Sehsysteme ist der Informationsüberschuss
Beispiel: Mensch
125 Millionen Photorezeptoren = 125 Megapixel-Chip
1 Million Nervenfasern
~100 mg Netzhaut
beschäftigen
50% des gesamten Cortex Visueller Cortex
Nur möglich bei Informationsreduktion gleich am Anfang
Beispiel eines wichtigen Schrittes zur Informationskompression
Trennung der rezeptiven Felder der Netzhautneurone in ON- und OFF-Bereiche
ON-center OFF-periphery
OFF-center ON-periphery
stimulus
homogene Beleuchtung
homogen beleuchtete Flächen erzeugen keine Ganglienzell-Antwort: die Information über die absolute Helligkeit ist ohne Belang
absolute Helligkeiten können nicht geschätzt werden
1. Sehschärfe
erfordert:
gute optische Abbildung auf der Netzhaut hohe "Abtastrate", also dicht gepackte Photorezeptoren
Problem: Photorezeptoren können nicht beliebig dicht gepackt werden, sonst "optisches Übersprechen" ausserdem können Zellen nicht beliebig klein gemacht werden
bessere Auflösung nur durch grösseres Bild !
Grosses Auge grosses Bild !
umso bessere Sehschärfe, je grösser das Auge? ab hier nur noch Komplexaugen
beste Sehschärfe im Tierreich: Adler
"Knochen" im Auge zur mechanischen Stabilisierung ("scleral ossicles")
PhotorezeptorAbstand in der Fovea 1.6 µm
Augenlänge 36 mm bis 5 mm Pupillendurchmesser fast perfekte Optik (Mensch bis 2.5 mm) 1 Grad Sehwinkel = 380 µm auf der Netzhaut (Mensch 290 µm) Auflösung etwa 130 Streifen / Grad (Mensch bis 60)
Sehschärfe kann nicht überall so gut sein:
Gehirn wäre so gross wie ein Klassenzimmer ! --> Fovea (Grube) oder Area centralis
Verarbeitungskapazität wird konzentriert auf Gebiet von Interesse:
2. Kontrastempfindlichkeit menschliche Kontrastempfindlichkeitskurven
Kontrastempfindlichkeit = 1 / Kontrastschwelle
Michelson-Kontrast
1.0
=
Imax - Imin Imax + Imin
0.0
Kontrast = 1.0 - 0.0 = 1.0 1.0+ 0.0
Kontrast = 0.6 - 0.4 = 0.2 0.6+ 0.4 0.6
0.4
hohe Kontrastempfindlichkeit erfordert: scharfe und helle optische Abbildung auf der Netzhaut feine Abstufung der Photorezeptor-Lichtantwort: kein Problem im Hellen, aber im "Dunkeln" ...
Antworten der Stäbchen bei geringer Helligkeit: 0 oder 1 !
zufällige Ankunft von Lichtquanten bestimmt Kontrastempfindlichkeit
n+Vn um 10% Kontrast zu unterscheiden, muss ein Stäbchen mindestens 1,000 Lichtquanten sammeln V Anzahl Lichtquanten Anzahl Lichtquanten > 10%
--> Stäbchenantworten müssen zusammengeschaltet werden, geht aber auf Kosten der Sehschärfe
wenig Photonen verfügbar bei geringer Helligkeit, um Kontraste zu messen Eule
Chameleon
Optimierung:
lichtstarke Abbildung auf der Netzhaut
Pupillengrösse und Brennweite bestimmen Bildhelligkeit auf der Netzhaut: kleine Blendenzahl = Brennweite / Pupillen
maximal lichtempfindliche Photorezeptoren
Auch beim Menschen können Stäbchen ein einzelnes Lichtquant detektieren
Höhere Kontrastempfindlichkeit des Steinkauzes geht nur auf helleres Bild auf der Netzhaut zurück
Grenzen durch die Optik: die optische Kontrastübertragungsfunktion
Das optische System ist ein "Tiefpassfilter"
Kontrastübertragung =
Kontrast (aus) Kontrast (ein)
KontrastempfindlichkeitsFunktionen
Bei Tageslicht ist der Mensch weit überlegen sowohl bzgl. Kontrastempfindlichkeit, als auch der Sehschärfe
In der Dämmerung nähern sich Katze, Schleiereule und Mensch an
Nachts "gewinnen" Katze und Schleiereule (Faktor 6 besser)
N.B. Alle drei Spezies haben exzellente Optik des Auges (beugungslimitiert bei Tageslicht)
Weitere Begrenzung: Verlust von Kontrastempfindlichkeit in einem analogen Prozessor - der Netzhaut
Borghuis, Sterling, Smith, J. Neurosci 10, 3045-3058 (2009)
keine Verluste an der Dunkelschwelle !
bemerkenswert: keine Kontrastadaptation im Bereich höchster Kontrastempfindlichkeit (physikalisch/neuronale Grenze erreicht?)
Warum hat die Schleiereule so gute Optik ? optische Fehler: RMS 0.068 µm Mensch: bestenfalls 0.149 µm (mit 6 mm Pupillen !)
und geringe Sehschärfe ? Gittersehschärfe der Schleiereule nur 2 - 4 Zyklen/Grad
Sehschärfe der Schleiereule minimal im Vergleich zur optischen Qualität des Auges
Sehschärfe des Menschen nutzt die optische Qualität des Auges aus
Kontrastübertragungsfunktion
3. Sehen in Wasser und Luft erfordert:
Luft
Wasser
Brechungsindex Luft 1.0 Wasser 1.333
Kompensation des Verlusts der Brechkraft der Kornea unter Wasser
eine Möglichkeit: Akkommodation ?
lange nicht ausreichend, um den Verlust an Brechkraft unter Wasser auszugleichen (46 Dioptrien nötig beim Mensch)
Kinder, die unter Wasser scharf sehen?
Brille abnehmen: die Orientierung der Streifen kann auch dann noch gesehen werden
Akkommodationsmessung - z.B. Infrarot-Photorefraktion
Erfolgreicher :
extreme Akkommodation bei Wassernattern
Ringelnatter
Luft
Vipernatter
Würfelnatter
Wasser
und bei Enten und Komoranen
Luft
weitere "Tricks":
astigmatische Kornea und Schlitzpupille (Seehunde) flache Kornea mit wenig Brechungsänderung im Wasser (Pinguine)
Wasser
kompletter Umbau der Optik des Auges bei der Kröte beim Übergang vom Wasser zu Land - in 36 Stunden
4. Lichtempfindlichkeit
erfordert:
lichtstarke Abbildung auf der Netzhaut
maximal empfindliche Photorezeptoren
Pupillengrösse und Brennweite bestimmen Bildhelligkeit auf der Netzhaut: kleine Blendenzahl = Brennweite / Pupillen
Auch beim Menschen können Stäbchen ein einzelnes Lichtquant detektieren
Höhere Lichtempfindlichkeit des Steinkauzes geht nur auf helleres Bild auf der Netzhaut zurück
Bildhelligkeit auf der Netzhaut
Pupillendurchmesser bestimmt die Anzahl der Lichtstrahlen, die zu jedem Bildpunkt beitragen, und damit die Helligkeit
Nacht mit wenigen Sternen andere Rauschquellen thermisch Spontanzerfall des Rhodopsins ein R* pro 1010 Sekunden = 317 Jahre
"phototransduction noise" biochemisch, Enzyme + Kanäle
Stäbchen
Die Grenzen der Lichtempfindlichkeit - Körpertemperatur und thermisches Rauschen "thermisches Rauschen" bei 37° C Spontanzerfall des Sehfarbstoffs ein R* in 1010 sec = 317 Jahre
"Schnapphäufigkeit" der Kröte
15°C Mensch: "irgendwas gesehen"
SehfarbstoffIsomerisierung
Elektrophysiologie retinale Ganglienzellen
5. Tiefenwahrnehmung
erfordert: genaue Akkommodation oder Vergleich relativer Bewegung oder Binokularsehen
monokular
binokular
(+ andere)
Beispiel: Akkommodation
gezeigt auch bei Hühnern, Eulen, Schildkröten - kaum genutzt beim Mensch
Messung der Akkommodation beim Chameleon
Messung der Brechkraft der Hornhaut (je stärker gekrümmt, desto mehr Brechkraft)
Messung der Bildgrösse auf der Netzhaut (je grösser das Bild, desto besser kann die Sehschärfe sein)
Messung der Brechkraft der Linse (nach Neutralisierung der Hornhaut))
Brennweite mit Chamelon-Augenoptik
Brennweite mit üblicher Augenoptik
die meisten Vögel habe unabhängige Akkommodation in beiden Augen
Entfernungsmessung über Akkommodation deshalb gute Methode
Bewegungsparallaxe (Vergleich von Relativbewegung)
Binokulares Sehen zur Tiefenwahrnehmung: Stereopsis
gekoppelte Akkommodation: bisher nur bei Eule gezeigt
binokulare Zellen und Stereopsis bei Primaten und Vögeln
chiasma opticum
nucleus opticus principalis thalami
supraoptic chiasma
visual wulst
6. Farbsehen
erfordert: verschiedene Photopigmente
Verrechnung der spektral unterschiedlichen Eingänge
Es gibt kaum Tiere, die nur ein Photopigment haben gewisses Farbunterscheidenvermögen ist fast immer da
420 nm 530 nm 560 nm
Farbsehen - 3 spektrale Prozesse
3. Auge
1. Sonnenlicht
1. spektrale Helligkeitsverteilung der Beleuchtung (z.B. Sonnenlicht, Glühlampe, Leuchtstoffröhre)
Reflektionsspektrum
2. spektrale Reflektivität der Oberfläche des Gegenstandes
3. spektrale Empfindlichkeit der Photorezeptoren 2. grünes Blatt absorbiert primär im Grün … check with spectroscope
Evolution - Sehpigmente (Opsine) der Wirbeltiere Prof. Leo Peichl, MPI Frankfurt
● vor ca. 450 Mio Jahren RH1
S1
S2
RH2
L
Wirbeltiere
X
X Mehrheit der Säuger
vor ca. 150 Mio Jahren S
L
vor 40-50 Mio Jahren Blau
Stäbchen
Grün
Zapfen
Rot
AltweltPrimaten
weitere Aufteilung der Wellenlängenempfindlichkeit bei Vögeln, Reptilien und Fischen: Öltröpfchen
Trichromaten
Dichromaten
Tetra++ chromaten
Gentherapie beim Farbensehen
squirrel monkey (South America)
dichromatisches Sehen
trichromatisches Sehen
Gentherapie beim Farbensehen Affe muss farbigen, isoluminanten Fleck berühren
Saturierungsdetektion vor - und nach der Therapie (Erwartung)
Zeitverlauf der Therapieeffekte, und Ergebnisse
ungesalzen
salzig
gleiche berechnete Photonenabsorption
7. Bewegungssehen
erfordert: gute zeitliche Auflösung ("hohe Flickerfusionsfrequenz") + Verschaltung zum zeitl. Vergleich der Position eines Objektes Flickerfusionsfrequenzen: Mensch 55 Hz (hell), 25 Hz (Fernseher) Huhn 100 Hz, Hund 80 Hz, Katze 60 Hz, Maus 30 Hz, Kröte 6 Hz
Und: Bewegung der Bilder auf der Netzhaut sind erforderlich zum Sehen einer stationären Umgebung
wenn keine Augenbewegung: Bild "bleicht aus" - bewegte Fliege sticht umso mehr hervor "bug detector" (Lettvin et al 1959)
50 µm auf der Netzhaut
Vermeidung der Adaptation der Photorezeptorsignale: Fixationsaugenbewegungen
ca 50 µm auf der Retina
Rossi EA, Roorda A. The relationship between visual resolution and cone spacing in the human fovea. Nat Neurosci. 2010 Feb;13(2):156-7.
Vergleich der Sehleistungen
Literaturzitate aus Platzmangel weggelassen