Georg Lukács. Totalität, Utopie und Ontologie. Studien des ... - Buch.de

dem Jahre 1931, in denen er sich um die Organisation eines Hegel-Kongresses bemüht, der dann aber aufgrund der politischen Ereignisse nicht mehr stattfin-.
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Der vorliegende Band 4 des Gesellschaftswissenschaftlichen Institutes

Studien des Gesellschaftswissenschaftlichen Institutes Bochum Band 4

Bochum (GIB) beschäftigt sich, wie schon die beiden vorausgehenden Bände (GIB 2 und 3), mit Werk und Wirkung des ungarischen Philosophen. und Ontologie sowohl bislang unpublizierte Texte von Georg Lukács aus dem Budapester Nachlass – ebenso wie zwei Briefe aus dem Besitz des Bochumer Hegel-Archivs – als auch Aufsätze, die sich mit systematischen Fragestellungen insbesondere von Lukács’ später Philosophie, der Ästhetik (Daniel Göcht) und Ontologie (Valentin Pluder und Andreas Giesbert) sowie mit der Rezeption von Geschichte und Klassenbewußtsein durch die Studentenbewegung (Michael Grewing) befassen. Hinzu kommt ein umfangreicher Essay (Martin Vialon), der sich mit dem nachhaltig von Lukács beeinflussten Literaturwissenschaftler und Romanisten Erich Auerbach auseinandersetzt.

ISBN 978-3-942158-34-3

9 783942 158343

C. J. Bauer, B. Caspers, W. Jung (Hrsg.) Georg Lukács – Totalität, Utopie und Ontologie

In bewährter Weise versammelt auch Georg Lukács – Totalität, Utopie

GEORG LUKÁCS Totalität, Utopie und Ontologie

Herausgegeben von Christoph J. Bauer Britta Caspers Werner Jung

UVRR Universitätsverlag Rhein-Ruhr

Gesellschaftswissenschaftliches Institut Bochum

Studien des Gesellschaftswissenschaftlichen Institutes Bochum Band 4

Georg Lukács Totalität, Utopie und Ontologie Herausgegeben von Christoph J. Bauer Britta Caspers Werner Jung

Universitätsverlag Rhein-Ruhr Duisburg

Titelbild

Georg Lukács (etwa Mitte der 1960er Jahre) Foto Privatarchiv Frank Benseler



Patrick Presch

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Satz



Druck und Bindung



978-3-942158-35-0 UVRR Format Publishing, Jena Printed in Germany

Inhalt

Christoph J. Bauer, Britta Caspers, Werner Jung Vorwort ............................................................................................................... 5 I. Zwei Briefe und zwei Texte von Georg Lukács. Herausgegeben und kommentiert von Christoph J. Bauer, Britta Caspers und Werner Jung Christoph J. Bauer, Britta Caspers, Werner Jung Editorische Vorbemerkung ................................................................................ 11 Georg Lukács Zwei Briefe ....................................................................................................... 13 Georg Lukács Deutsche Kulturtat im Kriege ........................................................................... 19 Georg Lukács Antwort an Döblin ............................................................................................ 41 II. Abhandlungen Valentin Pluder ‚Realismus‘ oder ‚Wirklichkeit‘. Über die Grundlagen der in Lukács’ Ontologie des gesellschaftlichen Seins vertretenen Erkenntnistheorie ........................................................................... 51 Daniel Göcht Widerspiegelung und Mimesis in Georg Lukács’ Die Eigenart des Ästhetischen .......................................................................... 71

Andreas Giesbert Menschwerdung. Der Begriff der Entfremdung beim späten Lukács ........................................... 93 Michael Grewing Hans-Jürgen Krahl und die Organisationsfrage bei Georg Lukács ............................................................................................ 123 Martin Vialon Erich Auerbachs Mimesis-Brief an Fritz Strich (1948) im Kontext ästhetisch-widerständiger Formgebung als Lebensprinzip ............................................................................................ 133 Autorenverzeichnis ......................................................................................... 181

Vorwort Nachdem im Vorwort zu Band 3 der Studien des Gesellschaftswissenschaftlichen Institutes Bochum noch über eine positive Entwicklung in Sachen LukácsForschung berichtet werden konnte1, müssen die Herausgeber des vorliegenden Bandes an dieser Stelle von einem Ereignis berichten, das die weitere wissenschaftliche Arbeit am Nachlass von Georg Lukács vor erhebliche Schwierigkeiten stellen wird: Am 23. 12. 2011 erreichte uns die Nachricht aus Budapest, das „Georg-Lukács-Archiv, Budapest, [habe] mit dem gestrigen Tage seine wissenschaftliche, editorische und verlegerische Tätigkeit eingestellt.“ Die auf diese Entscheidung hinführende Entwicklung zeichnete sich bereits seit über einem Jahr ab, nachdem einige der Mitarbeiter des Archivs ihre Kündigungen erhalten hatten. Weder eine auf Ungarisch verfaßte Petition, noch der durch die Internationale Georg-Lukács-Gesellschaft initiierte und formulierte und von etwa hundert namhaften Intellektuellen unterzeichnete Aufruf zur Erhaltung des Archivs – von ihnen sollen stellvertretend genannt werden: Iring Fetscher, Frigga und Wolfgang Fritz Haug, Axel Honneth, Rahel Jaeggi, Kurt Lenk, Michael Löwy, Oskar Negt, Claus Offe, Guido Oldrini, Johano Strasser und Nicolas Tertulian – fanden bei den zuständigen ungarischen Stellen Gehör. Nach Auskunft des Schreibens vom 23.12.2011 wurden die verbliebenen wissenschaftlichen Mitarbeiter des Archivs in die zentrale Bibliothek der Ungarischen Akademie der Wissenschaften „abkommandiert“ und mit „bibliothekarischen Routineaufgaben beauftragt“; das Archiv selbst wurde am 1. Januar der Ungarischen Akademie der Wissenschaften untergeordnet. Zwar soll der Nachlass von Georg Lukács der philologischen Forschung weiterhin zur Verfügung stehen, jedoch wird ein wissenschaftlicher Austausch mit den Kollegen in Ungarn künftig unmöglich sein, weil ihnen die wissenschaftliche Arbeit – laut Aussage der genannten Mitteilung – untersagt wurde. Damit ist auch der im vergangenen Jahr zwischen dem Lukács-Archiv und der Lukács-Forschungsstelle innerhalb des Gesellschaftswissenschaftlichen Instituts Bochum geschlossene Kooperationsvertrag hinfällig. Wie sich von nun an die Bemühungen um die Veröffentlichung weiterer Texte aus dem erst in Anfängen erschlossenen Bestand des Nachlasses gestaltet, wird erst die Zukunft erweisen. Zu hoffen bleibt, dass sich die politischen Verhältnisse in Ungarn, die ganz offensichtlich eine nicht unwesentliche Rolle im Zusammenhang der hier angesprochenen Entwicklung gespielt haben, wieder ändern werden. Nach Medienberichten stellt es sich allerdings bekanntlich so dar, dass die gegenwärtige Regierung alles daran 1

Christoph J. Bauer, Britta Caspers, Werner Jung (Hrsg.): Georg Lukács – Kritiker der unreinen Vernunft. (Studien des Gesellschaftswissenschaftlichen Institutes Bochum (GIB)). Duisburg 2010. 5-7.

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C.J. Bauer, B. Caspers, W. Jung

setzt, auch mit einer Demokratie nicht würdigen Methoden, ihre Position so zu festigen, dass es einer Opposition unmöglich gemacht wird, einen Machtwechsel herbeizuführen. Während sich also in Ungarn die Situation hinsichtlich der Forschung am Werk von Georg Lukács durchaus nicht verbessert hat, wurde hier in Bochum in den zurückliegenden zwei Jahren seit Erscheinen des eingangs genannten Bandes versucht, zumindest die Diskussion um seine theoretischen Positionen lebendig zu halten. Neben Vorträgen der arrivierten Wissenschaftler Hans-Christoph Rauh (Berlin), Thomas Metscher (Bremen) und Claudius Vellay (Paris) konnten erneut auch angehende Wissenschaftler gewonnen werden, sich mit den Positionen von Lukács in den von der Forschungsstelle organisierten Kolloquien auseinanderzusetzen. Der vorliegende Band enthält vier Vorträge aus den Lukács-Kolloquien vom 13. November 2010 (Valentin Pluder und Andreas Giesbert) und vom 28. Mai 2011 (Daniel Göcht und Michael Grewing). Neben den in diesen Vorträgen behandelten Themen wurde in zwei von Christoph J. Bauer im Wintersemester 2010/11 und im Sommersemester 2011 veranstalteten Seminaren versucht, der im Vorwort zum Band Georg Lukács: Kritiker der unreinen Vernunft formulierten Aufgabenstellung hinsichtlich des Begriffs der Ideologie nachzukommen.2 Michael Grewing und Andreas Giesbert haben sich auch in diesen Seminaren weit über das in Zeiten der neuen, im Rahmen des „BolognaProzesses“ eingeführten Studiengänge für StudentInnen üblich gewordene ‚normale‘ Maß an Arbeitsaufwand hinaus engagiert. Ihnen sei ausdrücklich für diese Arbeit gedankt. Neben den genannten findet sich eine weitere, umfangreiche Arbeit von Martin Vialon, der sich unter dem Titel „Erich Auerbachs MimesisBrief an Fritz Strich (1948) im Kontext ästhetisch-widerständiger Formgebung als Lebensprinzip“ mit dem Denken der in die Türkei emigrierten deutschen Schriftsteller und Wissenschaftler und deren Wirkung auf türkische Intellektuelle beschäftigt. Der vorliegende Band enthält jedoch weiter erneut einige noch nicht publizierte Texte von Lukács’ eigener Hand. Darunter befinden sich zwei Briefe aus dem Jahre 1931, in denen er sich um die Organisation eines Hegel-Kongresses bemüht, der dann aber aufgrund der politischen Ereignisse nicht mehr stattfinden konnte. Die Briefe befinden sich im Besitz des Hegel-Archivs der RuhrUniversität Bochum, dessen Leiter Prof. Dr. Walter Jaeschke bereit war, sie der Lukács-Forschungsstelle für die Publikation zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus finden sich erneut zwei Texte aus dem Bestand des Lukács-Archivs in Budapest, wobei der eine aus Anlass einer Rede verfasst wurde, die Josef Goebbels 1941 in München gehalten hatte, ein Umstand, der nahelegt, dass auch der Lukács-Text in zeitlicher Nähe zur Publikation dieser Rede verfasst wurde. Die2

Vgl. ebd. 6.

Vorwort7

ser Text enthält eine Fülle von Bezügen auf zeitgenössische Positionen – zum Teil auch auf Positionen aus dem ideologischen Umfeld des Nationalsozialismus (neben Goebbels auf Hitler selbst, Alfred Baeumler und Adolf Bartels) – zum Teil auf historische Positionen und auf Positionen aus dem bürgerlichen Lager. Interessant ist an diesem Text unter anderem auch Lukács’ Stellungnahme zur möglichen Rolle, welche das Werk Friedrich Nietzsches für die Ideologie des Nationalsozialismus gespielt hat. Interessant ist diese Stellungnahme vor allem deshalb, weil hier eine kurze, aber prägnante Einschätzung dieser Rolle formuliert wurde, die als unentbehrliches Korrektiv zu jeder Art von apologetischem Bemühen um die Wirkung Friedrich Nietzsches anzusehen ist. Lukács schreibt: „Selbstverständlich soll und darf man Nietzsche mit den marktschreierischen Banditen des Faschismus nicht einfach identifizieren. Bei Nietzsche und bei ähnlichen bedeutenden Geistern einer verworrenen Übergangszeit handelt es sich um ein tragisches Irregehen der allgemeinen europäischen Dekadenz der imperialistischen Periode. In Nietzsche selbst ist ein Scharfsinn, eine Kultur, eine subjektive Wahrhaftigkeit vorhanden, die jeden menschlichen Vergleich mit seinen faschistischen Schülern unmöglich macht. / Trotz allen diesen notwendigen Vorbehalten sind sie aber doch seine Schüler. Die bei ihm tragisch verhängnisvolle Verkehrung der philosophischen, gesellschaftlichen und moralischen Werte: die Dethronisierung der Vernunft, der Objektivität, der demokratischen Gleichheit der Menschen, des Fortschritts feiert hemmungslose und blutige Orgien in den Worten und Taten seiner bis zur Tierheit pervertierten „Schüler“.3

Der zweite Budapester Text (Antwort an Döblin) wiederum kann als aufschlussreiche Ergänzung zu den Auseinandersetzungen um Lukács’ literaturtheoretische Aufsätze aus den dreißiger Jahren gesehen werden, die unter dem Titel Probleme des Realismus in Band 4 der Werke publiziert wurden4, und die unter anderem die Grundlage bildeten für die unter dem Titel „Die Expressionismus-Debatte“5 geführte literaturtheoretische Auseinandersetzung, an der sich beispielsweise Bertolt Brecht und Ernst Bloch beteiligt hatten. Dieser Text enthält aber auch eine hellsichtige Aussage, die gegenwärtig deshalb von Bedeutung ist, weil wir erneut in einer Zeit der ökonomischen Krise leben, in der die Wirtschaftswissenschaften aber kaum mehr in der Lage sind, die dieser Krise zugrunde liegenden Strukturen angemessen zu beschreiben: 3 Siehe im vorliegenden Band S. 37. 4 Siehe Georg Lukács: Werke. Bd 4: Probleme des Realismus I. Neuwied und Berlin 1970. 5 So der Titel eines von Hans-Jürgen Schmitt herausgegebenen Buches (Frankfurt a. M. 1978). Siehe auch Werner Jung: Georg Lukács. Stuttgart 1989. 107-127 und die dort angegebene einschlägige Literatur.

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C.J. Bauer, B. Caspers, W. Jung „Und die Entwicklung der Literatur ist noch weit weniger gehemmt als die der Gesellschaftswissenschaften. Es klingt für viele paradox, aber ich wage es doch zu behaupten, dass Petty oder Ricardo vom ökonomischen Wesen, Ferguson oder Thierry von der Entstehungsgeschichte des Kapitalismus richtigere Vorstellungen hatten als Böhm-Bawerk, Schumpeter oder Sombart. Natürlich leugne ich nicht, dass in dieser Zeit ausserordentlich viele neue Tatsachen entdeckt, Teilzusammenhänge geklärt wurden, dass die Technik des Aufarbeitens und Ordnens der Tatsachen einen grossen Fortschritt gemacht hat. Aber was konnte man mit diesen Tatsachen und Teilzusammenhängen für die Aufdeckung der fundamentalen Zusammenhänge leisten? So problematisch das „tableau économique“ Quesnays auch sein mag, es ist in ihm ein tieferes Verständnis des kapitalistischen Gesamtprozesses enthalten, als in der ganzen Grenznutzentheorie und Konjunkturforschung.“6

Die Herausgeber danken dem Lukács-Archiv in Budapest, insbesondere Dr. Miklos Mesterhazi für die Erlaubnis, die beiden für den vorliegenden Band edierten Texte Deutsche Kulturtat im Kriege und Antwort an Döblin sowie Prof. Dr. Walter Jaeschke für die Erlaubnis, die beiden Briefe von Lukács aus dem Besitz des Hegel-Archivs zu veröffentlichen. Darüber hinaus danken die Herausgeber dem Universitätsverlag Rhein-Ruhr für die bewährt gute Zusammenarbeit. Bochum, im Januar 2012

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Siehe im vorliegenden Band S. 43 f.

die Herausgeber

I. Georg Lukács Verehrter Herr Doktor, … * Deutsche Kulturtat im Kriege * Antwort an Döblin

Editorische Vorbemerkung Bei den drei in diesem Band präsentierten, von Georg Lukács selbst stammenden Texten handelt es sich um Typoskripte (mit z. T. handschriftlichen Hinzufügungen und Korrekturen). Die beiden Briefe befinden sich im Besitz des HegelArchivs der Ruhr-Universität Bochum, die beiden Texte Deutsche Kulturtat im Kriege und Antwort an Döblin befinden sich im Besitz des Lukács-Archivs in Budapest. Während die beiden Briefe auf den 23. November 1931 bzw. den 22. Dezember desselben Jahres datiert sind, bleibt die genaue Datierung der beiden anderen Texte unsicher und lässt sich jeweils nur aus dem Bezug auf die von Lukács angesprochenen Texte und historischen Ereignisse ableiten. Die Herausgeber haben sich darum bemüht, die zeitgenössischen Hintergründe der Stellungnahmen deutlich werden zu lassen; aus diesem Grunde findet sich jeweils in Fußnoten zu den Texten ein kleiner Stellenkommentar. Rechtschreibungs- und grobe Zeichensetzungsfehler, die Lukács beim Abfassen der Manuskripte unterlaufen sind, wurden von den Herausgebern stillschweigend berichtigt; die Verwendung von ‚ss‘ anstelle von ‚ß‘ wurde entsprechend den Gepflogenheiten des Autors belassen. Textkritische Eingriffe der Herausgeber werden dagegen ebenfalls in den Fußnoten mitgeteilt. Den gestalterischen Vorgaben der Typoskripte wurde bei der Umsetzung für die Druckfassung aus Gründen der Authentizität – soweit möglich – gefolgt. Ergänzungen der Herausgeber im Text werden durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Die Paginierung des Manuskripts folgt der durch Lukács selbst vorgegebenen Zählung, der jeweils ein senkrechter Strich zur Markierung des Seitenumbruchs vorangestellt wurde. Wer der Adressat der beiden Briefe vom November bzw. vom Dezember 1931 ist, konnte nicht festgestellt werden. Für diesbezügliche Hinweise aus der Leserschaft wären die Herausgeber dankbar. In welchem Zusammenhang die Auseinandersetzung mit Goebbels („Deutsche Kulturtat im Kriege“) veröffentlicht wurde oder veröffentlicht werden sollte, konnte ebenfalls nicht ermittellt werden. Die hier von Lukács kritisierte Goebbels-Rede wurde von diesem am 26.7.1941 aus Anlass der Eröffnung der „Großen Deutschen Kunstausstellung 1941“ im Lichthof des „Hauses der Deutschen Kunst“ gehalten. Der Lukács-Text wurde vermutlich unmittelbar nach der Veröffentlichung der Rede abgefasst. Bei der in der Antwort an Döblin angesprochenen „Pariser Tageszeitung“ handelt es sich um eine Zeitung deutscher Exilanten in Frankreich und die Nachfolgezeitung des „Pariser Tageblatts“. Nach Angabe der ersten Ausgabe der „Pariser Tageszeitung“ vom 12. Juni 1936 habe die komplette Redaktion das „Pariser Tageblatt“ verlassen, nachdem die deutsche Regierung diese Zeitung aufgekauft hatte. Die „Tageszeitung“ erschien bis Februar 1940.1 In der Kommentierung 1

Quelle: http://deposit.d-nb.de/online/exil/exil.htm

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C.J. Bauer, B. Caspers, W. Jung

der Antwort an Döblin wurden die Formulierung von Döblin aus Kritisches über zwei Kritiker („Pariser Tageszeitung“, 2. Jg, Nr. 244 vom 10. Februar 1937, 4) wiedergegeben, nicht jedoch die Textstellen aus den Aufsätzen von Lukács, auf die Döblin sich wiederum bezieht. Diese weiterführende Arbeit hinsichtlich der hier geführten Diskussion, die darzustellen sicherlich lohnenswert ist, sei der künftigen Lukács-Forschung überlassen. Christoph J. Bauer

Britta Caspers

Werner Jung

Zwei Briefe

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Berlin, am 23. XI. 31 Tempelhof Kaiserkorso 4. IV. Tr. bei Martin Verehrter Herr Doktor, mein Freund, Herr von Trott hat mir Ihren Brief vom1 17. XI. mitgeteilt. Sie werden gestatten, dass ich Ihnen darauf antworte. Mit grosser Freude erfahre ich aus Ihrem Brief, dass Sie mit den Grundlinien des von uns geplanten HegelKongresses einverstanden sind. Damit ist ja2 die Grundlage zur Zusammenarbeit geschaffen. Auch mit Ihrer methodologischen Bemerkung, dass die Zuhörer des Kongresses nicht mit Vorträgen zu Tode gesprochen – wie dies beim offiziellen Hegelkongress getan wurde – sondern zu breiten Diskussionen nicht nur zugelassen, sondern angeregt werden, bin ich absolut einverstanden. Es ist unbedingt notwendig, dass gerade in den wesentlichen Fragen (Idealismus-Materialismus3, innere Grenzen der idealistischen Dialektik, Staatstheorie etc.) eine breite Diskussion4 entfaltet werde. Nur so ist es möglich, diese Fragen zu klären und die Klärung in eine möglichst breite Schicht der wissenschaftlich Interessierten hineinzutragen. Es ist also auch daran gedacht worden, einzelne5 Herren, die unseren Anschauungen so fremd gegenüberstehen, dass sie als Referenten nicht in Frage kommen können, einzuladen, in der Diskussion mit verlängerter Redezeit teilzunehmen. Es ist auch der Plan aufgetaucht, die Vorträge so zu gruppieren, dass es möglich werde, an jedem Kongresstag ein bestimmtes Thema zum Diskussionsgegenstand zu machen, um auf diese Weise eingehende und fruchtbare Debatten zu ermöglichen. Doch die Durchführbarkeit dieses letzteren Planes lässt sich erst dann übersehen, wenn die Referate bereits feststehen. Was das Thema Ihres Referates betrifft, so finde ich es nach dem Titel geurteilt sehr interessant und wichtig. Denken Sie in diesem Zusammenhang auch die Frage Feuerbach6 aufzurollen? Denn mir scheint, dass hier Feuerbach ein wichtiges Verbindungsglied zwischen Hegel und Marx ist, obwohl – dies meine persönliche Ansicht – die Entwicklung hier einen sehr komplizierten, nicht geradlinigen Weg gegangen ist. Jedoch über diese Fragen werden wir noch viel | Zeit haben, uns auszusprechen. Jedenfalls ist das Thema interessant und für uns wichtig. 1 vom] von 2 ja aus jat 3 Idealismus-Materialismus] mit Bleistift unterschlängelt und am Rande mit einem Fragezeichen versehen. 4 breite Diskussion] mit Bleistift unterschlängelt; am Rande mit Verweiszeichen die Bleistiftnotiz: öffentl.? 5 einzelne] dass wir einzelne 6 Feuerbach] mit Bleistift unterstrichen; am Rande mit Bleistift die Notiz: ja