Kunst und Lebensstil
Historismus
Park und Villa Haas Kunst und Lebensstil
Historismus
Kunst und Lebensstil
Villa Haas Historismus
Klaus Friedhelm Müller
Park und Villa Haas Historismus Kunst und Lebensstil
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Impressum Klaus Friedhelm Müller, »Park und Villa Haas« www.edition-winterwork.de © 2014 edition winterwork Alle Rechte vorbehalten. Druck und Bindung: winterwork Borsdorf ISBN Print: 978-3-86468-160-8 ISBN E-Book: 978-3-86468-765-5
Für Anne
Park und Villa Haas Hi t ri Historismus – Kunst K t undd Lebensstil L b til • Hintergründe Hi d • Architektur • Park • Umfeld • Erinnerungen
Werkslok Hohenzollern Typ Viktor 1887-1978 bei W. E. Haas & Sohn
Inhaltsverzeichnis Vorwort
06
Schmiedeeisen – ein Gestaltungsmittel
128
Historismus – Voraussetzung, Relikte, Grundlagen
08
Parkbeschreibung
138
Anno 1892 – Planung der Villa Haas
18
Nebengebäude, Ausstattung, Geschichten
34
Die Einbindung der Umgebung als (garten)architektonisches Konzept
142
Dachgestaltung
60
Nachbetrachtung zur Parkentwicklung
150
Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg
66
Veränderung der Kulturlandschaft
151
Hörre und Bezug zur Parklandschaft
154
Die Parkanlage – Ausgestaltung, Ausgestaltung Geschichte und Stilelemente der Gartenarchitektur
172
Jahreszeiten im Park
204
1983 Wiederaufbau des Hauptturmes mit Glocken, Schlagwerk und elektromechanischer Uhr
74
Uhren mit Glockenschlag als Zeitgeber
80
Licht- und Raumgestaltung in der historistischen Architektur
82
Fauna und Flora
218
Künstlerische Ausgestaltung im Historismus
95
Villa und Park – Motive für Kunstschaffende
224
Die veränderte Rolle der Frau im Späthistorismus
110
Ende des Historismus
234
Freizeit
113
Vitales Wissen
236
Si h h it Sicherheit
114
N h t Nachwort
243
Fassaden und Ornamentik
118
Literatur und Quellen
244
Vorwort Nicht durch den 2. 2 Weltkrieg, Weltkrieg sondern durch bis in die heutige Zeit hineinreichende Bebauungsvorgaben wurde ein Großteil der alten Dorfsubstanz ausgelöscht. Die Ausblicke auf das heutige Sinn dürften gemischte Empfindungen hinterlassen. Trotz sichtbarer Einbußen hat sich ein kleines Erbe des alten Geistes von Sinn mit dem Kulturdenkmal – Gesamtanlage Rudolfstraße/Hansastraße – erhalten. Park und Villa Haas, die gegenüberliegenden frei stehenden Bauten für die leitenden Angestellten sowie die für das ausgehende 19. Jahrhundert hochmodernen zweigeschossigen Doppelhausbebauungen für Arbeiter zeigen das Zusammenleben aller sozialen Schichten. Schichten Den Park unter Denkmalschutz zu stellen, stellen den erweiterten Landschaftsgarten dem Lahn-Dill-Bergland Naturpark zuzuordnen, kennzeichnen ein gesellschaftliches Umdenken und bestätigen die „alten Ideen“, die Schönheiten der Umgebung einzubeziehen. Damit die Parkanlage ihre Atmosphäre behalten konnte, musste sie notgedrungen durch schnell wachsende Nadelbäume vom neu angrenzenden Gewerbegebiet im Westen abgeschirmt werden. werden Dieser Bildband gestattet es, es einen Blick in die Privatsphäre eines für die Gegend einzigartigen Anwesens zu werfen. Die Familien Müller/Airoldi möchten das historische Vermächtnis bewahren und bei Interessierten neu begründen. Knappe Texte und Fotografien bilden den Schwerpunkt dieses Buches und erinnern an den Wunsch der deutschen Neorenaissance einer i r Wiederbelebung Wi d rb l b alt r kultureller alter k lt r ll r Werte. W rt
Mit Dank an meine Eltern. Klaus Friedhelm Müller
6
In dieser kollektivistischen Zeit so individualistisch zu leben, ist der einzig echte Luxus, den es noch gibt. Orson Wells
Das Interessante an der Beschäftigung mit den Werten des Historismus ist, dass dieses Lebensgefühl der luxuriösen b bürgerlichen li h Wohnkultur W h k l auchh heute h nochh in i allen ll Bevölkerungsschichten lk hi h Nachahmer N h h undd Bewunderer d fi d Dem haben findet. h b Zukunftsangst, ungesicherte materielle Verhältnisse oder der Rückzug ins „Private“ keinen Abbruch getan. Die Diskussionen um das Berliner Stadtschloss oder die Neugestaltung der „historistischen“ Frankfurter Innenstadt sind beispielhaft für die bis heute anhaltende Kraft eines aufkommenden „Neohistorismus“. 7
Historismus – Voraussetzungen, Relikte, Grundlagen Die Gründung Di Gü d d neuen Deutschen des D t h Kaiserreiches, K i i h der d Übergang Üb von Nassau N zu Preußen, P ß eine i verbesserte b t Infrastruktur I f t kt durch Bau der Eisenbahn Gießen-Köln-Siegen 1859-62 führte in Bergbau und Hüttenwesen sowie im weiterverarbeitenden Handwerk zu regionalem Wirtschaftswachstum. Im Lahn/Dill/Sieg-Gebiet kam es im Wandel von der Landwirtschaft zur Industrie zu einer Vielzahl von Bauprojekten, die das neue SSelbstbewusstsein der aufstrebenden f Unternehmerschichten repräsentierten. p Nur 100 Jahre später ist kaum eines dieser Objekte aus der Zeit von Historismus und Jugendstil im ursprünglichen Zustand sowie seines Umfeldes erhalten. Eine glückliche Ausnahme in Hessen sind Park und ehemalige Villa Haas am Ortsausgang von Sinn in Richtung Herborn, am Südwesthang des Mittelgebirgszuges „Hörre“, an den Flurstücken Beilstein und Bräutigamsstück. Historismus, nicht zu verwechseln mit dem philosophischen Begriff Historizismus, setzte in „preußisch Nassau“ vergleichsweise spät ein. In der Mitte des 19. Jahrhunderts trat diese neue Stilrichtung auf. Ihre Wurzeln lagen in der Romantik. Vorwiegend im wohlhabenden Bildungsbürgertum regte sich das Interesse an der Vergangenheit und trug dazu bei, ältere Bau- und Kunstformen wieder neu zu beleben. Mit dieser neuen deutschen Renaissance war ein Größerwerden der Kluft zwischen den Architekten und Ingenieuren verbunden. verbunden Die Villa Haas, Haas als spätes Beispiel des Historismus, Historismus zeigt, zeigt wie das Ingenieurwesen den praktischen Nutzen (Wasserversorgung, Elektrifizierung, Aufzugsystem etc.) vergrößerte, während die Architekten den alten Baustilen wieder neue Lebensgeister einhauchten. Die Gegner dieses neuen Stils waren anfangs in der Überzahl. Sie beschimpften die Architekten und warfen ihnen, durch ihre Anlehnung an alte Vorbilder, Einfallslosigkeit vor. Die Befürworter hingegen behaupteten, dass die Nachahmung eines alten Stils, und hier wartet die Villa Haas mit unzähligen Beispielen auf, in erster Linie eine Verehrung dieses Stils und seiner Künstler zeige und in zweiter Linie enorme Handfertigkeit und Genauigkeit der Baumeister erfordere.
8
Seine Blütezeit erreichte der Historismus europaweit gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Die alten Stein-, Holz- und die neueren Glas- und Schmiedearbeiten veranschaulichen, dass gegenüber der industriellen Massenproduktion geschickte Handwerkskunst nur zum Teil ersetzt werden konnte.
Das Schmuckkästchen (Maße 12 x 8 x 7 cm) aus Grauguss von Haas & Sohn ist in vielerlei Hinsicht von Interesse. Eine hohe Plastizität, die durch unter sich gehende Stellen der Figuren erreicht wird, war gusstechnisch nur mit Tricks herzustellen. Als Massenprodukt ist es ein Sinnbild für die bis in das zweite Kaiserreich reichende geistige Grundhaltung der Befreiungskriege: „Gold gab ich für Eisen“
Motiv: Liebesszenen und Schäferidyll von Vergil inspiriert. Ein Abglanz von Arkadien?
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Der Historismus als Lebensstil, gerade in der wilhelminischen Ära gefördert, macht auch in der Kleinkunst vor dem früher bäuerlich geprägten Westerwälder Steingut nicht Halt.
Mittelalterlich „gestylter“ Krug und ein Bowlengefäß Kobaltblaue b l bl Farbgebung F b b mit i Salzglasur S l l
10
Bär aus der Kunstgießerei Buderus Hirzenhain Die künstlerischen Erzeugnisse der umliegenden d Eisenhütten Ei hü waren von prägendem ä d Einfluss auf die bürgerlichen Kulturträger.
Die Bleiverglasung spiegelt sich in dem weiß geaderten schwarzen h Lahnmarmor L h der d Fensterbänke F t bä k wider. id
Kl F. Klaus F Müll Müllers erste t Schuhe S h h in i Bronze-Guss B G von H&S: „Historismus light“ 11
Schon lange vor Haas & Sohn und ihren Vorgängern Treupel beschäftigte sich der ansässige Adel wie z. B. Sayn, Solms-Lich oder Nassau mit der Eisenverhüttung. Eine Produktionssteigerung erfolgte erst durch Beteiligung eines gut ausgebildeten Bürgertums. Mit Blick auf die Konkurrenz von Buderus, die schon 150 Jahre länger „im Geschäft“ war, sieht man die Veränderungg der Dorfbilder. f Platzierungg der Fabriken k in Tallage g und Dorfnähe, f , Eisenbahnanbindungg sowie w ein SStausee zur Wasserversorgung und Stromgewinnung stellten eine Basis für die wirtschaftliche Entwicklung des Historismus.
Vom Bauerndorf zur Industriegemeinde – Das Bild von Buderus Hirzenhain (Vogelsberg) verdeutlicht die Verdichtung der Landschaft in ihrer neuen Funktionalität. Siehe auch Aufnahme der Neuhoffnungshütte bei Sinn (Buchrückseite). 12
Ingenieurleistung als Wachstumsmotor zur Jahrhundertwende Arnold Müller, Gießerei- und Maschinenbauingenieur Studierte um die Jahrhundertwende, und das gab es schon damals, an der größten privaten Ingenieurschule Deutschlands, dem sächsischen Mittweida. Bis 1930 Leiter der ältesten Gießerei von Buderus in Hirzenhain, Vogelsberg. Danach bis zu seinem Tode Gießereileiter bei Haas & Sohn in Sinn bei Herborn. Er lebte in dem der Villa gegenüberliegenden Wohnhaus für leitende Angestellte (Rudolfstraße 6), dem Geburtshaus seines Enkels Klaus F. Müller. Am Beispiel des Großvaters ist zu sehen, wie der vorwiegend von England bestimmte Fortschritt im Dampfmaschinenbau und in der Eisenverarbeitung in unserer Heimat Einzug hielt. Die ffarbigen g Tuschezeichnungen g sind Zeugnisse g ffür den hohen Stand der Ingenieurausbildung bis zum Ersten Weltkrieg. Kunstguss bei Buderus und Haas & Sohn war damals noch keine richtige Massenproduktion. Handwerklich wurde noch in einer echten Manuffaktur k ggearbeitet und man stellte hohe A Ansprüche p an die G Gussobjekte. jk
*1.12.1884 †20.12.1950 13
Ein Kennzeichen dynamischer Modernität der im Historismus beschleunigten wirtschaftlich-technischen Entwicklung sind die Übernahme des englischen Vorbildes und die praktische Anwendung mit deutlichen Verbesserungen in Schlüsselindustrien wie z. B. Dampfmaschinenbau, Stromerzeugung, Steuerungstechnik etc. Grundlage war auch die von 1880 bis 1910 währende Preisstabilität, d. h. die Kaufkraft f f der Mark blieb nahezu unverändert!
Originalpläne Arnold Müller 14
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