BP Statistical Review of World Energy Juni 2011

Zugriff auf relativ günstiges Erdgas und darüber hinaus ein gutes Jahr für die ... aller neuen Windkraftkapazitäten (48,0 %) ging 2010 auf das Konto Chinas.
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Christof Rühl, London Juni 2011

 

                                                                                                                                                                                                                                                                                         

BP Statistical Review of World Energy Juni 2011 Dies ist eine Übersetzung - rechtlich verbindlich ist allein das englische Original

Inhalt 1

Einleitung

2

Energie und Wirtschaft

3

Die einzelnen Energieträger

4

Fazit

Christof Rühl, Juni 2011 bp.com/statisticalreview © BP 2011

BP Statistical Review of World Energy June 2011 1  

Christof Rühl, London Juni 2011

 

1. Einleitung Vor genau sechzig Jahren stellten Ölexperte Jamie Jamieson und Statistiker Dusty Miller ein paar Daten rund um die weltweite Ölproduktion und den Ölverbrauch zusammen, versahen sie mit handgezeichneten Diagrammen und bezeichneten das – ausschließlich für den internen Gebrauch bestimmte – Ergebnis als Statistical Review. In der Zwischenzeit ist viel passiert. Doch eines hat sich auch während der folgenden sechs Jahrzehnte nie geändert: Noch immer benötigen wir belastbare Zahlen und eine jährliche Analyse der vorliegenden Fakten und Ergebnisse. In diesem Sinne beginnt unser Rückblick auf 2010 mit einer einfachen Beobachtung. Auf den ersten Blick wurde die Energiestatistik 2010 von einem massiven Konsumschub geprägt – genauer gesagt, dem höchsten seit 1973. Verglichen mit dem Zehnjahresmittelwert haben sich die Wachstumsraten aller wichtigen Energieträger 2010 nahezu verdoppelt. In allen großen Weltregionen übertraf der Verbrauch die langfristigen Trendprognosen. Und auch die Energieintensität – d. h. der Energieverbrauch pro Einheit des Bruttosozialprodukts (BSP) – wies die höchste Zuwachsrate seit 1970 auf. Unter dem Strich wurde 2010 also mehr Energie insgesamt und pro Kopf verbraucht als je zuvor. Mit Ausnahme der Kernenergie stieg der Konsum sämtlicher Energieträger auf bisher beispiellose Spitzenwerte. Doch wie kam es zu einer dermaßen extremen Nachfrageerholung? Neben dieser zentralen Frage, die der aktuelle Datenbestand vordringlich aufwirft, beleuchtet der Statistical Review einige weitere diskussionswürdige Aspekte. Welche Rolle z. B. spielen die Preise in besonders turbulenten Zeiten? Kann flexible Preissetzung eventuelle Ungleichgewichte im komplizierten globalen Energiegeflecht ausreichend abfedern, oder wäre es besser, stärker lenkend in diese Prozesse einzugreifen? Ebenso relevant bleiben die Klimathematik, die aktuell etwas an Öffentlichkeit eingebüßt hat, sowie die Bemühungen um eine Dekarbonisierung der Brennstoffe. 2011 haben wir die Druckversion des Reviews erstmals um Daten und Fakten zu erneuerbaren Energien ergänzt und werden uns in diesem Zuge auch etwas genauer mit den entsprechenden Zahlen – und daraus gewonnenen Erkenntnissen – beschäftigen. Dabei gehen wir selbstverständlich mit derselben objektiven Konsequenz vor, die diesen Bericht seit 60 Jahren prägt.

2  

BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

 

2. Energie und Wirtschaft The economy and energy demand GDP

Energy

Annual change, % 10%

Annual change, %

6%

6%

4%

2%

2%

-2% -6%

Renewables Hydro

10-year average

Nuclear Coal Gas Oil

0%

World OECD Non-OECD

-2% 2006

2000 2002 2004 2006 2008 2010

2008

2010 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

S ource:  includes  data  from  O xford  E conomics .  G D P  growth  is  expre s s ed  in  rea l  purchasing  power  parity  (P P P )  terms .

Beginnen wir mit der wichtigsten Frage: Was genau löste 2010 den rapiden Verbrauchssprung von 5,6 % aus? Da Wirtschaftswachstum und Energieverbrauch traditionell eng miteinander verflochten sind, lohnt sich zunächst ein Blick in die Wirtschaft, die tatsächlich durch rapide Erholung und erneutes Wachstum gezeichnet war. 2010 expandierte die Weltwirtschaft um 4,9 %, was nicht zuletzt auf gezielte Regierungsprogramme und die Wiederaufstockung gesunkener Warenbestände zurückzuführen war und so die Wachstumsdynamik von Handel und Industrie ankurbelte. Angeführt wurde das rasante Wirtschaftswachstum von Nicht-OECD-Staaten, die am wenigsten unter der Krise zu leiden hatten. Zum Jahresende hatte die globale Konjunktur das Vorkrisenniveau sogar übertroffen. Und dies war vor allem den sogenannten Entwicklungsländern zu verdanken – die OECD-Länder haben diesen Meilenstein bisher noch nicht erreicht.

Recession and recovery Annual change, % 16%

8%

Annual change, % 6%

2010

4%

0% -8%

GDP Energy

2% 2009

0% -2%

-16% Trade Industry Energy

GDP

S ource:  includes  data  from  O xford  E conomics ,  C P B  Netherlands  B urea u  for  E conomic  P olicy  Analys is .

2007

2008

2009

2010

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BP Statistical Review of World Energy June 2011 3  

Christof Rühl, London Juni 2011

  Konjunkturtypisch waren Industrieproduktion, Handel und Investitionen größeren Schwankungen unterworfen als das BSP. Nach deutlich tieferen Einbrüchen im Vorjahr mussten sie während der Erholungsphase entsprechend größere Spannen wettmachen. Dabei sind insbesondere Industrie und Investitionen nicht nur variabler als das BSP, sondern auch energieintensiver. Auf den ersten Blick spiegelte der weltweite Energieverbrauch den globalen Konjunkturverlauf wider: Er stieg und fiel mit der Wirtschaftsleistung – und schoss sogar zweimal darüber hinaus. 2009 sank die Energienachfrage stärker als das BSP (der erste Rückgang seit fast 30 Jahren), während sie 2010 die BSP-Wachstumsrate überflügelte (mit dem stärksten Anstieg seit fast 40 Jahren). Auch historische Trends untermauern diese Ausschläge: Normalerweise steigt und sinkt der Energieverbrauch im Rahmen des Wirtschaftskreislaufs stärker als das vergleichbare BSP. Eine Regel, die sich während der jüngsten Rezession bestätigten sollte – sowohl 2009 als auch 2010 schwankte der Energieverbrauch stärker als das BSP, was zumindest teilweise auf energieintensive Aktivitäten wie Industrie, Investitionen und Güterverkehr zurückzuführen war, die im Rahmen des Konjunkturverlaufs höhere Ausschläge produzieren.

GDP and energy growth OECD Annual change, % 5%

3%

Non-OECD Annual change, % 10%

GDP Energy

8%

1%

6%

-1%

4%

-3%

2%

-5%

0% 2007

2008

S ource:  includes  data  from  O xford  E conomics .

2009

2010

2007

2008

2009

2010

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In den traditionell vermögenderen OECD-Staaten war dieser Effekt deutlicher ausgeprägt als in den Nicht-OECD-Ländern, da dort auch die Rezession und die darauffolgende Wirtschaftserholung stärkere Auswirkungen zeigte. Viele der größeren Schwellenländer konnten einen BSP-Rückgang – oft dank weitreichender und energieintensiver Konjunkturprogramme – sogar gänzlich abwenden und verzeichneten nach der Krise auch ein schnelleres Wachstum. In diesem Sinne kam es in den Nicht-OECD-Ländern 2009 zwar zu einer Abschwächung des Nachfragewachstums, doch der Konsum ging nicht zurück. Und als diese Wirtschaftsregionen ihr rasantes Wachstum 2010 wieder aufnahmen, trugen sie damit zu einem weiteren Anstieg der Energienachfrage bei, was wiederum die zyklisch bedingte Erholung der OECD-Staaten beschleunigte.

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  Doch es steckt noch mehr dahinter.

Energy intensity Energy intensity level Toe/$Million

300

World OECD Non-OECD

260

Change in energy intensity Toe/$Million per year

4 2

220

0

180

-2

140

-4

100

-6

Effect of increased non-OECD weight

Net change

1990 1994 1998 2002 2006 2010

Change in energy intensity

98-03

S ource:  includes  data  from  O xford  E conomics .

03-08

2009

2010

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Man bedenke, dass der Anteil der Schwellenländer am Weltwirtschaftsprodukt seit den frühen 1990er Jahren beständig steigt. Die jüngste Rezession und Konjunkturerholung hat diesen Trend nur noch bestärkt. Und obwohl die Energieintensität beider Blöcke – OECD-Nationen und Schwellenländer –kontinuierlich sinkt, so bleibt sie in den Nicht-OECD-Ländern fast eineinhalb Mal so hoch. Im Extremfall kann der steigende BSP-Anteil dieser schnell wachsenden und energieintensiveren Nationen also dazu führen, dass die weltweite Energieintensität trotz des relativen Rückgangs in beiden Blöcken weiter ansteigt. Ein Trend, der auch von aktuellen Zahlen bestätigt wird, denn der kontinuierliche Wirtschaftsaufstieg dieser Nicht-OECD-Nationen geht mit einer ebenso allmählichen Verlangsamung bei der Senkung der globalen Energieintensität einher. Zwei Aspekte sind dafür verantwortlich: zum ersten der angezogene Energiekonsum im Rahmen der Konjunkturerholung, zum zweiten der steigende Einfluss energieintensiverer Schwellenländer. Während der erste Effekt – als konjunkturbedingter Trend – auf die generelle Erholung der Industrieproduktion zurückzuführen ist, reflektiert der zweite Aspekt die Auswirkungen des Aufstiegs der Schwellenländer im späten 20. und frühen 21. Jahrhundert. Und dies ist eine Tendenz, die – obgleich relativ neu – wohl noch lange andauern wird. Als 2010 dann beide Effekte aufeinander trafen, produzierten sie ein seltenes Phänomen: eine Phase, in der der globale Energieverbrauch schneller wächst als die Weltwirtschaft.

3. Die einzelnen Energieträger Welche Auswirkungen hatte dieser Trend auf die Entwicklung der einzelnen Energieträger? Beginnen wir mit dem globalen Ölmarkt.

BP Statistical Review of World Energy June 2011 5  

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  Öl

Crude oil prices $/bbl 150

120

12-month moving average volatility, % 50%

Dated Brent Annual averages

40%

90

30%

60

20%

30

10%

0

0%

Lowest since March 1995

Dated Brent 2003

2005

2007

2009

2011

Jan-09

S ource:  includes  data  from  P latts .

Jan-10

Jan-11 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Wie viele andere Energieträger verzeichneten Ölverbrauch und -produktion 2010 eine starke positive Trendwende. Anders als bei den anderen Kraftstoffen brachte dieser Anstieg allerdings auch ebenso rasant steigende Preise mit sich: Mit durchschnittlich 80 $ pro Barrel übertraf der Dated-Brent-Preis das Vorjahresmittel um fast 30 %. Dieser Preisruck begann Ende 2010 und setzte sich auch in diesem Jahr fort – der aktuelle Brent-Preis liegt bei fast 119 $ pro Barrel. Andererseits verschleiern diese klaren Zahlen kompliziertere Zusammenhänge, die sowohl dem Wirtschaftsaufschwung (für alle Energiequellen gleichermaßen relevant), als auch der gedrosselten OPEC-Förderung (welche ausschließlich den Ölmarkt betrifft) geschuldet sind. Größtenteils zeigte sich der Ölmarkt 2010 erstaunlich stabil. In der Zeit vom Herbst 2009 bis zum Herbst 2010 pendelte sich der Rohöl-Preis mehr oder weniger bei 70 bis 80 Dollar pro Barrel ein. Während der Sommer- und Herbstmonate 2010 sank die monatliche Preisfluktuation sogar auf ihren niedrigsten Wert seit 15 Jahren.

Oil consumption and production Annual change, Mb/d 3

2 1

OPEC production

0

Non-OPEC production

-1

Global consumption

-2 -3 -4 1Q09 2Q09 3Q09 4Q09 1Q10 2Q10 3Q10 4Q10 1Q11 S ource:  includes  data  from  E IA.

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Christof Rühl, London Juni 2011

  Unter diesem Deckmantel der Stabilität bereitete das Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage den Markt jedoch auf erneute Preissteigerungen vor. Im vierten Quartal 2010 – also noch deutlich vor den Unruhen in Nordafrika und dem Nahen Osten – machte sich dies erstmals bemerkbar, da die starke Nachfrage das Produktionswachstum bereits gegen Ende 2010 überrundet hatte. Vor diesem Hintergrund stieg der weltweite Ölkonsum 2010 um erstaunliche 2,7 Millionen Barrel pro Tag – bzw. 3,1 % - bis auf den Rekordwert von 87,4 Millionen Barrel pro Tag. Diese Steigerungsrate übertraf das Zehnjahresmittel um mehr als das Doppelte: Während die OECD-Länder zum ersten Mal seit 2005 überhaupt eine steigende Nachfrage registrierten, meldeten die Nicht-OECD-Staaten den größten volumetrischen Anstieg aller Zeiten.

Oil consumption growth in 2010 Largest changes Kb/d -200

China US Russia Brazil Saudi Arabia Singapore India Canada France

0

200 400 600 800

Regional growth by fuel type Kb/d -100

0

100 200 300 400

Asia Pacific N. America S&C America Eur. & Eurasia Middle East Africa

Gasoil Gasoline BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Mit einem Konsumschub von 860.000 Barrel pro Tag oder 10,4 % entfiel der größte Verbrauchsanstieg einer einzelnen Nation auf China, gefolgt von den USA, Russland und Brasilien, die ebenfalls einen großen Nachfragezuwachs registrierten. Doch was steckt hinter diesem beachtlichen Wachstum? Ähnlich wie bei anderen Energieträgern spielten auch hier die wiedererstarkte Weltwirtschaft und besonders der Einfluss energieintensiver Aktivitäten eine wichtige Rolle. Bei den Raffinerieprodukten notierten Mitteldestillate – also Kraft- und Brennstoffe für die Industrie und den Güterverkehr – mit 4,4 % den größten Konsumschub. Auch dort folgt das Ergebnis der Konjunktur, denn 2009 litten genau diese Mitteldestillate und Heizöl unter den heftigsten Nachfrageeinbrüchen, da die Rezession entsprechende Wirtschaftsfelder überproportional in Mitleidenschaft gezogen hatte. Gleichzeitig erhöhte sich der Benzinkonsum eher moderat – in den OECD-Ländern stagnierte er sogar – was wiederum darauf hindeutet, dass die höheren Ölpreise hier schon Wirkung zeigten.

BP Statistical Review of World Energy June 2011 7  

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  Auch im laufenden Jahr zog der Ölverbrauch weiter an, allerdings weniger schnell als noch zuvor. In den OECD-Nationen macht sich der ansteigende Preistrend mittlerweile klar bemerkbar: In den USA, z. B., sinkt die Nachfrage bereits wieder, seitdem die Preiserhöhung auch an den Tankstellen an den Endkunden weitergegeben wird. Und angesichts der Subventionseinschnitte, die in jüngsten Jahren in mehreren Schwellenländern vorgenommen wurden, könnte dieser Preisanstieg bald auch außerhalb der OECD deutliche Wirkung zeigen.

Oil production growth in 2010 Decline Kb/d -300

Norway

-200

Increase -100

UK

Non-OPEC FSU OPEC

0

100

200

300

400

Brazil Canada Saudi Arabia Colombia Qatar Russia Biofuels US China Nigeria

C hanges  of  more  than  100  K b/d.

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Insgesamt stieg die weltweite Ölproduktion um 1,8 Millionen Barrel pro Tag, oder 2,2 %. Auch hier handelt es sich um den höchsten Zuwachs seit 2004, der den Nachfragesprung allerdings nicht vollständig ausgleichen konnte. Ebenso erwähnenswert: ein Plus von 240.000 Barrel pro Tag (oder 13,8 %) bei den Biokraftstoffen – eine der weltweit höchsten Wachstumsraten bei den flüssigen Energieträgern. Produktionssteigerungen auf dem Rohölmarkt verteilen sich etwa gleichmäßig auf OPEC-Mitglieder und Nicht-OPEC-Produzenten. Die Ölproduktion der Nicht-OPEC-Nationen erhöhte sich um etwa 860.000 Barrel pro Tag oder 1,9 %. Dank steigender Offshore-Förderung verzeichnete China den größten Produktionsanstieg seiner Landesgeschichte. Auch Russland und die USA trugen wesentlich zum Wachstum bei, während Norwegen den stärksten Produktionsrückgang der Welt vermeldete. Mithilfe neuer sibirischer Großprojekte konnte Russland seine Position als weltgrößter Ölproduzent behaupten. Die USA gaben sowohl für die Festlandförderung als auch für Offshore-Projekte im Golf von Mexiko erhöhte Produktionsmengen bekannt. Auch bei den Biokraftstoffen verdanken wir die Produktionssteigerungen erneut vor allem den USA (mit 140.000 Barrel pro Tag oder 17 %) – die diese Kraftstoffe subventionieren – und Brasilien (mit 50.000 Barrel pro Tag oder 11,5 %), wo keine Förderung angeboten wird. Gleichzeitig erhöhte die OPEC ihre Förderung um 960.000 Barrel pro Tag oder 2,5 %. Während die offiziellen OPEC-Produktionsziele auch 2010 aufrechterhalten wurden – sie wurden seit Ende 2008 nicht mehr geändert – lässt sich eine 8  

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  allmähliche Erosion der Produktionsdisziplin erkennen. Im OPEC-Raum erzielte Nigeria die welthöchste Wachstumsrate dank neuer Offshore-Förderung und einem Abflauen öffentlicher Unruhen, dicht gefolgt von Katar, das sein Spitzenwachstum lokalen Produktionssteigerungen bei Erdgas und NGL (Flüssiggas)1 verdankt.

Oil inventories OECD commercial oil stocks

Oil in floating storage

Mbbls 2900

Mbbls 160

05-09 Range

2010

2011

2800

120

2700

80

2600

40 0

2500 Jan

Products Crude

Mar May

Jul

Sep

Nov

Jan-09 Jul-09 Jan-10 Jul-10 Jan-11

S ource:  includes  data  from  Monthly  O il  D ata  S ervices  © O E C D /International  E nerg y  Agenc y  Ma y  2011  and  from  E A  G ibs on.

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Angesichts der Tatsache, dass der Verbrauch schneller als die Produktion anwuchs, wäre eigentlich mit einem starken Rückgang der weltweiten Lagerbestände zu rechnen. Doch im Laufe des Jahres 2010 sanken die kommerziellen OECDBestände um relativ moderate 30.000 Barrel pro Tag – also deutlich weniger, als in Anbetracht der großen Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zu erwarten wäre. Die Antwort liefern sogenannte schwimmende Bestände: Im Zuge des mehr als ausreichenden Angebots wurden 2009 große Ölmengen auf See eingelagert und somit nicht von der offiziellen OECD-Statistik erfasst. Als sich 2010 erste Engpässe abzeichneten, griffen Anbieter zunächst auf ihre schwimmenden Bestände zurück, da diese im Unterhalt besonders teuer sind. Anders gesagt verschleierten die relativ unbedeutenden Bewegungen an Land 2010 eine deutlich tiefer greifende Bestandskorrektur. Um Produktionseinbrüche durch den Verlust libyscher Exporte auszugleichen, ganze 1,4 Millionen Barrel pro Tag, erhöhten andere OPEC-Mitgliedsländer ihre Förderung. Doch selbst zusammengenommen konnten diese Produktionssteigerungen den libyschen Ausfall nicht vollständig wettmachen. Aktuell bewegt sich die OPECFörderung noch immer unterhalb des Produktionsniveaus, das vor den nordafrikanischen Unruhen eingehalten wurde, und das bisherige Jahr deutet vor allem auf ein stetiges Absinken der kommerziellen Lagerbestände hin.

                                                                                                                        1

 NGL  steht  für  Natural  Gas  Liquid  und  wird  auf  Deutsch  als  Flüssiggas  übersetzt.  Es  entsteht  bei  der   Gasförderung  und  wird  in  vielen  Statistiken  auch  dem  Erdöl  zugerechnet  (nicht  zu  verwechseln  mit   LNG/Flüssigerdgas).   BP Statistical Review of World Energy June 2011 9  

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  Erstmals seit Mitte 2008 gibt es an den Terminbörsen wieder Kursabschläge (sogenannte backwardation) – ein weiteres Anzeichen für das verknappte AngebotNachfrage-Gleichgewicht.

Cumulative consumption and production Changes since 2005 Mb/d 8

6 4 2

Iraq

300

OPEC NGLs Biofuels Non-OPEC

200

OECD

OPEC-11 Crude

100

Consumption

Production

NonOECD

0 -2

Oil rig count and oil price Index: Jan 2005 = 100 400

OPEC Non-OPEC

Brent price

0

-4 S ource:  includes  data  from  P latts ,  B aker-­‐H ug hes .

Jan-05

Jan-07

Jan-09

Jan-11

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An dieser Stelle lohnt es sich, einen Schritt zurückzutreten, um einen besseren Überblick zu gewinnen. Im Laufe der vergangenen fünf Jahre stieg die weltweite Ölnachfrage um insgesamt 3,3 Millionen Barrel pro Tag, wobei das Wachstum in Nicht-OECD-Ländern (+19 % oder 6,8 Millionen Barrel pro Tag) durch einen Rückgang des OECD-Konsums (-8 % oder 3,6 Millionen Barrel pro Tag) teils wieder aufgehoben wurde. Im selben Zeitraum erhöhte sich die Ölförderung der NichtOPEC-Länder um 2,5 Millionen Barrel pro Tag (einschließlich des Anstiegs von 1,2 Millionen Barrel pro Tag bei den Biokraftstoffen). Gleichzeitig lag die OPECProduktion im vergangenen Jahr um 600.000 Barrel pro Tag unter dem Wert von 2005 – trotz Produktionssteigerungen bei Energieträgern, die nicht unter die OPECProduktionsvereinbarungen fallen, wie z. B. NGL (1,3 Millionen Barrel pro Tag) oder die irakische Produktion (600.000 Barrel pro Tag). Diese Differenz zwischen Förderung und Verbrauch lässt sich durch Raffineriezuwächse und Bestandsverringerungen erklären. Im Zuge höherer Ölpreise ist auch die Zahl der Bohrplattformen in Nicht-OPECLändern stark angestiegen, während in der OPEC selbst kaum Veränderungen zu beobachten waren. Dies ist der aktuelle Stand für 2011. Sollten unerwartete Ereignisse (wie die diesjährigen Kernenergieausfälle in Japan oder die libyschen Exportverluste) zu weiteren Marktengpässen führen, so ist mit einer Neuauflage der Diskussionen um Peak Oil oder die Auswirkungen globaler Finanzinvestitionen zu rechnen. Doch auch hier lassen sich die allgemeinen Preistrends der vergangenen Jahre durch die bereits erwähnten dynamischen Verschiebungen im globalen Ölverbrauch, Bestand und der Produktion erklären, einschließlich der Zahlen von 2010 sowie denen des laufenden Jahres. 10  

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Christof Rühl, London Juni 2011

  Raffinerien

Refining capacity and margins Refining margins $/bbl 20

Refining capacity BP RMM 10-yr. Av.

15

Mb/d 48

46

10

44

5

42

OECD Non-OECD

40

0 2005

2007

S ource:  includes  data  from  P arpinelli-­‐T echnon,  P latts .

2009

2011 ytd

2005 2006 2007 2008 2009 2010 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Auch das Raffineriegeschäft profitierte 2010 vom erneuten Nachfrageschub. Sowohl die Auslastung als auch die Margen hatten sich deutlich verbessert. Trotz einer immer länger werdenden Liste stillgelegter Anlagen und ganzer Standorte gibt es in der Branche heute im Vergleich zu vor fünf Jahren eine zusätzliche ungenutzte Verarbeitungskapazität von 5 Millionen Barrel pro Tag. Die globalen Raffineriemargen, hier erfasst mit BPs neuem RaffineriemargenMesswert (RMM), lagen 2010 bei durchschnittlich 10 $ pro Barrel, also deutlich unter den Ergebnissen des „Goldenen Zeitalters“, aber dennoch leicht über dem Vorjahreswert von 9 $ pro Barrel. Diese Margenerholung begann schon im ersten Quartal 2010, da die kühle Witterung zu einem Abschmelzen der OECD-Vorräte geführt hatte. Weltweit stieg die Raffineriekapazität im vergangenen Jahr um 720.000 Barrel pro Tag. Ein Großteil dieser Mehrkapazitäten entstand jedoch in Nicht-OECD-Ländern, während die OECD einen Nettorückgang (von 620.000 Barrel pro Tag) verzeichnete. Fast 90% der neuen Kapazitäten (640.000 Barrel pro Tag) entstanden in China; damit übertreffen die Raffineriekapazitäten in Nicht-OECD-Ländern die der OECDNationen nun um 1,5 Millionen Barrel pro Tag.

BP Statistical Review of World Energy June 2011 11  

Christof Rühl, London Juni 2011

 

Crude runs and light-heavy spreads Light-heavy spreads

Crude runs and utilisation Mb/d 45

OECD World (rhs)

Utilisation, % 90% Non-OECD

$/bbl 20

40

85%

15

35

80%

10

30

75%

5

70%

0

25 1995

2000

S ource:  includes  data  from  E S A I,  P latts .

2005

2010

2005

LLS-Maya 10-yr. Av.

2007

2009

2011 ytd

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Die globale Raffinerieauslastung verbesserte sich 2010 auf 81,5 %, weil der weltweite Rohöldurchsatz um 1,8 Millionen Barrel pro Tag anstieg – ein Volumen, das den Nettozuwachs an Raffineriekapazitäten deutlich übertrifft. 85 % des weltweiten Anstiegs der Rohölverarbeitung, und erstmals mehr als 50 % der gesamten globalen Verarbeitung, entfiel auf die Nicht-OECD-Nationen. Doch auch die OECD erhöhte erstmals seit 2004 ihre Rohölverarbeitung. Die zentrale Herausforderung bleibt, die Raffineriekapazität an die lokalen Marktbedingungen anzupassen. 2011 führte der Ausfall wichtiger japanischer Raffinerien sowie der Ersatz leichter, schwefelarmer Rohöle aus Libyen durch schwerere Rohöle aus dem Nahen Osten zu einem Anstieg der bereits seit Ende 2010 zu beobachtenden Preisdifferenz zwischen leichten und schweren Rohölsorten. Dies begünstigt komplexe Raffinerien, die sehr wenig Schweröl produzieren. Weniger komplexe Anlagen werden langfristig in eine verbesserte Flexibilität bei der Verarbeitung unterschiedlicher Rohölsorten investieren müssen. Gleichzeitig stehen beide Raffinerietypen vor zwei Herausforderungen, einerseits weltweiter Überkapazitäten und andererseits zunehmendem Wettbewerb mit Biokomponenten und Kraftstoffen aus Erdgas.

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  Erdgas

Natural gas markets Consumption and production growth 2010 vs 2009, Bcm 250

200 150

12

Other

50 0

6

UK NBP US Henry Hub

4

FSU

2

N America

S ource:  includes  data  from  P latts ,  B AF A.

Germany

8

Europe

Consumption

Japan LNG

10

Asia Mid East

100

Prices $/Mmbtu 14

Production

0 2008

2009

2010

2011 ytd

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Sowohl bei der Produktion als auch beim Verbrauch verzeichnete Erdgas 2010 weltweit ein außergewöhnliches Wachstum. Während die Nachfrageentwicklung vor allem auf die Konjunktur, den andauernden Konsumschub in Nicht-OECD-Ländern und klimatische Bedingungen zurückzuführen war, kamen auf Angebotsseite vor allem unkonventionelle Gasquellen und LNG zum Tragen. Zu weiteren, weniger sichtbaren Einflussfaktoren zählen die rapide globale Vernetzung, der Wettbewerb zwischen Spotmarkt- und Vertragspreisen sowie der preislich bedingte Umstieg auf andere Energieträger. Der globale Gasverbrauch stieg um 7,4 %, das bisher höchste Volumenplus aller Zeiten. Während die Nicht-OECD-Länder ihren Marktanteil auf mehr als 51 % ausbauen konnten, verfestigte China seine Position als größter asiatischer Gasmarkt. Doch auch die OECD-Märkte legten stark zu (6,4 % oder + 93 Mrd. m³) und brachen alle bisherigen Verbrauchsrekorde. Desgleichen verzeichnete der globale Produktionsanstieg mit 7,3 % eine RekordZunahme. Davon entfiel 31% auf die ehemalige Sowjetunion, gefolgt vom Nahen Osten. Die Spotmarktpreise spiegelten diese Marktdynamik wider: Dank des reichlichen Angebots wurde Erdgas auf dem US-Markt zu den niedrigsten Preisen aller liberalisierten Märkte gehandelt. In Europa sorgten Konjunkturerholung und Wetterverhältnisse indes für steigende Spotmarktpreise, die auch in diesem Jahr noch etwas zulegten. Dennoch pendelten sich die Spotmarktpreise dank guter globaler Verfügbarkeit im Durchschnitt unter den ölpreisgebundenen Indexwerten ein. Die Entwicklung der ölpreisgebundenen Indexwerte war hingegen ungewöhnlich: Während der Preis für japanisches LNG im vergangenen Jahr um 20 % anzog, fiel der durchschnittliche deutsche Importpreis trotz überwiegender Ölpreisbindung um 6 %. BP Statistical Review of World Energy June 2011 13  

Christof Rühl, London Juni 2011

  Die US-amerikanische Schiefergasrevolution sowie massive Umwälzungen auf den LNG-Märkten läuteten eine Neuordnung des globalen Erdgasmarkts ein. Beginnen wir mit den Vereinigten Staaten.

US natural gas market Horizontal gas and oil drilling

Gas in power generation

Number of horizontal rigs 800 Gas Oil 600

Gas share in generation from coal and gas 40% 2008 2009 35% 2010

400

30%

200

25%

0

20%

Jan-09 Jul-09 Jan-10 Jul-10 Jan-11 S ource:  includes  data  from  S mith  B its  S T AT S ,  E IA.

1Q

2Q

3Q

4Q

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Nordamerika produziert mittlerweile mehr oder weniger ausreichend Gas für den eigenen Bedarf. Dank preisgünstiger Schiefergasvorkommen stieg die US-Produktion um 4,7 % (28 Mrd. m³) auf das bisher höchste Fördervolumen seit 1973. Gegen Anfang des Jahres 2010 stieg die Zahl horizontaler Bohrverfahren sprunghaft an, und auch der Schiefergasanteil an der gesamten US-Förderung erhöhte sich von 4 % (2005) auf mittlerweile 23 %. Dieses Produktionsplus sorgte für niedrige Preise. 2010 notierte Henry-Hub-Gas 54 Dollar pro Barrel Öläquivalent unter dem Rohölpreis und gab im laufenden Jahr sogar noch nach. Produzenten wie Verbraucher reagieren auf die veränderten Marktbedingungen. Auf Angebotsseite konzentrieren sich die Produzenten nun verstärkt auf Schiefergasvorkommen mit hohem Flüssiganteil – oder verlagern ihre Aktivitäten gleich auf Öl. Trockenere Gasvorkommen werden seltener angebohrt, und Technologien, die eigentlich für die Schiefergasförderung perfektioniert wurden, finden nun auch in der Ölproduktion Anwendung. Dies lässt sich unter anderem an der starken Zunahme horizontaler Ölförderanlagen ablesen – die Festlands-Ölproduktion erreicht aktuell das höchste Niveau seit 2001. Auf Verbraucherseite wirkt sich der Wettbewerb mit Kohle in der Stromerzeugung auf den Gaspreis aus. Im zweiten Halbjahr 2010 begünstigten niedrige Preise den Wechsel von Kohle zu Gas; und auch im laufenden Jahr setzt sich dieser Trend zum Wechsel fort.

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BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

  Gleichzeitig könnte das Überangebot noch weitere Folgen haben. Einige Produzenten haben begonnen, empfangene LNG-Lieferungen weiter zu verschiffen, und zwar von den USA in Märkte mit höherer Nachfrage. Einige bemühen sich aktiv um Genehmigungen für den Export von nordamerikanischem Gas in Form von LNG. Es wird über GTL (Gasverflüssigung), Gas als Treibstoff und den Einsatz in anderen Sektoren diskutiert. Dieser Kurs wird sich weiter fortsetzen, da auch der Rest der Welt verstärkt auf die Ausbeutung unkonventioneller Gasreserven setzt. Schon jetzt führt der sinkende US-Importbedarf zu zusätzlichen LNG-Mengen auf anderen Märkten und beeinflusst die Vertragspreise auf der anderen Seite des Atlantiks. Um die Hintergründe dieses Phänomens zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf die LNG-Märkte.

Global natural gas trade Global gas trade growth

LNG trade links

Annual change, % Four main importers, av. number of sources

30% Pipeline

LNG

9

20%

11 14

10%

All exporters, av. number of markets

0%

2005

5

2009

8

-10% 2009 S ource:  includes  data  from  C edigaz,  G IIG NL ,  C IS S tat.

2010

9

2010 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Im Laufe der vergangenen fünf Jahre erhöhte sich das globale LNG-Angebot um insgesamt 58 % – und wuchs damit dreimal so schnell wie die gesamte Erdgasproduktion. 2010 expandierte die LNG-Produktion sogar um bisher beispiellose 22,6 % (55 Mrd. m³). Katar konnte seinen Vorsprung als weltgrößter LNG-Produzent weiter ausbauen: Die LNG-Exporte des Emirats stiegen 2010 um 53 % (26 Mrd. m³) – ein Aufwärtstrend, der auch 2011 anhält. Doch nicht nur das Produktionsvolumen, sondern auch die Handelsverflechtungen intensivierten sich mit den wachsenden Möglichkeiten. 2010 exportierte Katar LNG in 19 verschiedene Länder und damit in vier mehr als noch ein Jahr zuvor. Im Gegenzug lassen sich die vier größten Importnationen aktuell von durchschnittlich 14 Quellen beliefern – 2005 waren es noch 9 Anbieter. Die weltweite Vernetzung schreitet zügig voran. Allein 2010 expandierte der LNGHandel viermal so schnell wie der Pipelinehandel. Auch der Anteil von LNG am internationalen Gashandel erhöhte sich auf 31 % (von 23 % im Jahr 2005). Ein derartiges Wachstum kann bahnbrechende Veränderungen einleiten. Und einige der Auswirkungen zeichnen sich schon jetzt in Europa ab. BP Statistical Review of World Energy June 2011 15  

Christof Rühl, London Juni 2011

 

OECD Europe natural gas market Prices

Import growth

$/Mmbtu 15

Annual change, % 40% LNG Pipeline 30%

12

20%

9

10% 6 3 0 1Q07

0% -10%

Av. German Import Price UK NBP 1Q08

1Q09

1Q10

-20% 1Q11

S ource:  includes  data  from  P latts ,  B AF A,  Monthly  G as  D ata  S ervice  © O E C D /International  E nerg y  Ag enc y  Ma y  2011.

1Q07

1Q08

1Q09

1Q10

BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Im vergangenen Jahr erreichte der europäische Gasverbrauch ein neues Hoch (+7,7 %, 39 Mrd. m³), bedingt durch den konjunkturellen Aufschwung und zwei harte Winter in Folge. Trotzdem gab es einen intensiven Wettbewerb zwischen diversen Angebotsquellen. Obwohl Europas Nettoimportbedarf 2010 um 8,8 % (22 Mrd. m³) anstieg, blieb ölpreisgebundenes Pipelinegas trotz verhandelter Abschläge weiterhin kaum wettbewerbsfähig. Angesichts einer – über das Jahr gemittelten – Kursdifferenz von 22 % zwischen Spotmarktpreisen (UK NBP) und ölpreisgebundenen Vertragskursen (AGIP) kam es zu einer weiteren Verdrängung von Pipelinegas durch das zu Spotkursen erhältliche LNG. Entsprechend sanken auch die russischen Exporte nach Europa im zweiten Jahr in Folge (-1 %, 1,5 Mrd. m³). Europäische Käufer importierten die bisher beispiellose Menge von 87 Mrd. m³ LNG (+18 Mrd. m³, 27 % mehr als 2009). So führte die erhöhte Flexibilität am Gasmarkt zu europaweiten Preisabschlägen. Anderorts nahm der Wettbewerb auf dem Gasmarkt subtilere Formen an. In Asien stieg der Anteil von Spotkäufen, während japanische Stromerzeuger Vorteil aus dem LNG-Überangebot zogen, indem sie mittelfristige Verträge zu günstigeren ölpreisgebundenen Kursen aushandelten. Doch generell gesehen hatten die Spotmarktpreise keinen allzu großen Einfluss auf das Marktgefüge, und das Gros der asiatischen Stromversorger konkurriert bisher noch nicht um alternative Gasanbieter. Global gesehen lässt sich eine wachsende Verflechtung der Gasmärkte feststellen. Dank dieser intensiveren Vernetzung können auch externe Schocks besser und flexibler aufgefangen werden, da sowohl Russland (Pipelinegas) also auch Katar (LNG) über ausreichend ungenutzte Kapazitäten verfügen. So konnten die Gasmärkte auch den Ausfall der libyschen Förderung sowie die Auswirkungen des japanischen Erdbebens problemlos abfedern.

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BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

  Akteure auf den Gasmärkten gehen davon aus, dass sich dieser Trend nahtlos fortsetzen wird: Auch 2011 liegt der Spotmarktpreis für Erdgas bislang unter den durchschnittlichen Vertragspreisen.

Kohle, Wasserkraft und Kernenergie Die übrigen „traditionellen“ Energieträger werde ich nur kurz anreißen – und mich dabei in einigen Punkten wiederholen.

Coal consumption and imports Consumption changes

China’s imports

Mtoe

300

RoW EU US India China

200 100 0 -100 -200

Mtes 40 Price spread* (rhs)

$/te 32

30

RoW Indonesia Australia 24

20

16

10

8

0

2006

2008

2010

0 1Q09

3Q09

S ource:  includes  data  from  IH S  C E R A,  IH S  McC los key.  *S pread  between  C hina’s  Q inhuangdao  and  Aus tralia ’s  Newcas tle  coal  prices .

1Q10

3Q10

1Q11

BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Wie alle anderen Kraftstoffe auch verzeichneten Kohleproduktion und -konsum 2010 überproportional starke Zuwachsraten – und zwar um 6,3 % (220 Mio. t Öläquivalent) bzw. 7,6 % (250 Mio. t Öläquivalent). Auch hier verschob sich der Verbrauchsschwerpunkt weiter in Richtung der Nicht-OECD-Staaten. Allein in China und Indien erhöhten sich die Verbrauchszahlen um 10 % (157 Mio. t Öläquivalent) bzw. 11 % (27 Mio. t Öläquivalent). Ähnlich wie bei den anderen aufgeführten Energieträgern schoss der OECD-Kohlekonsum steil in die Höhe, und zwar um 5,2 % (54 Mio. t Öläquivalent). Dies war der höchste Anstieg seit 31 Jahren – und das direkt nach einem 10 %-igen Konsumrückgang im Jahr davor. Mit diesen Werten verzeichnete Kohle den höchsten Verbrauchsanstieg unter allen fossilen Energieträgern. Auch der internationale Kohlehandel wuchs 2010 um geschätzte 17,5 % - und damit doppelt so schnell wie die eigentliche Nachfrage. Die Handelsströme verdeutlichten klare regionale Gefälle, bildeten vorhandene Preisdifferenzen ab und machten den ausgeprägten Wettbewerb auf dem internationalen Kohlemarkt sichtbar. Nach Japan blieb China – aufgrund relativ hoher Inlandspreise – der weltweit zweitgrößte Importeur. Gleichzeitig wurde Import-Kraftwerkskohle in Europa durch Gas verdrängt, während Import-Kokskohle dank der wiedererstarkten Stahlindustrie einen Nachfrageschub verzeichnete.

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Christof Rühl, London Juni 2011

  Doch selbst die Importhandelsströme verschoben sich – je nach Ursprungsland – zum Teil deutlich, um das Gleichgewicht zwischen internationaler Nachfrage und dem höheren Preisniveau in Asien wiederherzustellen. Dies geschah allerdings ohne größeres Aufsehen oder Medienecho. Die Kohlemärkte funktionierten – leise und effizient.

Hydro and nuclear power consumption Hydro

Nuclear

Annual change, % 8%

Annual change, % 8%

6%

6%

4%

4%

2%

2%

0%

0%

-2%

-2%

-4%

10-year average

-4% 2000 2002 2004 2006 2008 2010

2000 2002 2004 2006 2008 2010 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Sowohl Wasserkraft (5,3 %) als auch Kernenergie (2 %) notierten Wachstumsraten über dem jeweiligen Zehnjahrestrend. Da der globale Niederschlag 2010 alle Messrekorde seit 1900 übertraf, ist es kaum verwunderlich, dass Wasserkraft den absolut größten Anstieg aller Zeiten notierte. Hingegen hatte der Atomsektor in den vergangenen Jahren – also schon vor dem Reaktorunglück in Japan – mit relativ hohen Ausfällen zu kämpfen. 2010 verzeichnete dieser Bereich, nach drei Jahren Rückgang in Folge, erstmals wieder positive Zuwachsraten.

CO2-Emissionen

CO2 emissions CO2 intensity of energy

CO2 emissions growth 2010 Contributions to growth 6% China

4%

2%

Tonnes of CO2 per toe 3.0 Non-OECD

Coal

2.9 2.8

Other nonOECD

Gas

OECD

Oil

By region

By fuel

0%

2.7

World OECD

2.6 2.5 1990

1995

2000

2005

2010

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BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

  Für den CO2-Ausstoß ist der starke Energieverbrauchsanstieg erwartungsgemäß eine schlechte Nachricht. Die Produktion nicht-fossiler Energieträger zur Stromerzeugung stieg um insgesamt 4,9 % – und damit weniger als die Produktion primärer Energiequellen. Da der Kohleverbrauch besonders stark zulegte, erhöhten sich 2010 die globalen CO2Emissionen aus Energiequellen – gemessen nach Standardumrechnungskursen – um insgesamt 5,8 % und damit nicht nur schneller als der gesamte Energiekonsum, sondern auch stärker als in jedem Jahr seit 1969. Laut der uns vorliegenden Daten stiegen die Emissionen sowohl in OECD-Nationen (3,4 %) als auch in Nicht-OECD-Regionen (7,6 %) rapide an. Aus Ländersicht steuerte China den weltweit größten Emissionsanteil bei – ganze 43 % des globalen Mehrausstoßes entfielen auf China, gefolgt von den USA mit 13 %. In einigen Ländern sanken die Emissionswerte zwar, doch dies war entweder auf besondere Umstände zurückzuführen – z. B. den umfangreichen Ersatz von Kohle durch Wasserkraft in Australien – oder auf eine schwache Konjunktur. Auch die globale Emissionsintensität – d. h. die CO2-Menge, die pro Energieeinheit freigesetzt wird – stieg 2010 weiter an. Und dies ist ein Problem, das uns noch von der Energieintensitätsdebatte vertraut sein sollte: Der wachsende Anteil CO2intensiver Länder (wie China) am weltweiten Energieverbrauch könnte zu einem Anstieg der globalen Emissionsintensität beitragen, selbst wenn es den meisten dieser Nationen (einschließlich China) gelingen sollte, die eigene Emissionsintensität zu verringern. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, wie eng die Staatenwelt miteinander verknüpft ist.

Erneuerbare Energien Schließen möchte ich jedoch mit optimistischeren Aussichten – und der versprochenen Analyse erneuerbarer Energien.

Renewable energy Renewables growth

Share of primary energy Percent 2.0%

Contributions to growth 25% Renewables in power Biofuels 20%

1.5%

15%

1.0% Renewables in power

0.5%

5% Biofuels

0.0% 2001

10%

2004

2007

0%

2010

2001

2004

2007

2010

BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

BP Statistical Review of World Energy June 2011 19  

Christof Rühl, London Juni 2011

  Das Timing ist perfekt: Zu einer Zeit, da die öffentliche Hand kaum Geld zu verteilen hat und CO2-Einsparungen eher zähe Fortschritte machen, erobern erneuerbare Energien – endlich – ihren Platz in den globalen Energieverbrauchsstatistiken. Dies ist sicherlich nur ein erster Schritt, doch langsam kristallisieren sich die Grenzen und Potenziale dieser neuen Energiequellen heraus. Unsere Daten erfassen sowohl den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung – Windkraft, Solarenergie, Geothermie, Biomasse und Müllverstromung – als auch Biokraftstoffe für den Transport, d. h. Ethanol und Biodiesel. Zusammengerechnet decken diese Energieträger 1,8 % des globalen Primärenergiekonsums im Jahr 2010 ab – davon 1,3 % bei der Stromerzeugung und 0,5 % im Bereich der Biokraftstoffe. Das ist nicht viel, stellt jedoch eine Verdreifachung des Anteils innerhalb eines Jahrzehnts dar. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben erneuerbare Energien 10 % zum Primärenergiewachstum beigetragen – und damit mehr als mineralölbasierte Produkte.

Renewables in power Share of power generation Percent 6%

4%

Share of power generation in 2010 Percent

World OECD Non-OECD

0%

10%

20%

30%

Denmark Portugal New Zealand Spain

2%

Philippines

0% 2000 2002 2004 2006 2008 2010

Germany BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

In der Stromerzeugung legten die erneuerbaren Energien 2010 um 15,5 % zu und konnten so den Vorjahreseinbruch der OECD-Länder mehr als ausgleichen. 2010 betrug ihr Anteil an der weltweiten Stromerzeugung 3,3 % – verteilt über mehrere Länder, doch 78 % des Verbrauchs konzentrierte sich auf die OECD-Nationen. Insbesondere die europäischen Länder sind hier traditionell führend. Auch heute noch befinden sich 9 der 10 Länder mit dem höchsten Pro-Kopf-Verbrauch sowie 8 der 10 Nationen mit dem höchsten Verbrauchsanteil in Europa. Einsamer Spitzenreiter: das windverwöhnte Dänemark, welches 29 % seines Stroms aus erneuerbaren Energien bezieht.

20  

BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

 

Renewables in Germany and Spain Spain

Germany Share of primary energy, %

6%

Power generation, TWh 400 Oil

300

4%

Gas Coal

200

Solar

2% Nuclear (1974-1983) Renewables (2001-2010)

0% 1

2 3 4 5 6 7 8 9 10 Years after reaching 1% share

S ource:  includes  data  from   MIT yC .S E E .

Biomass

100

Wind Hydro Nuclear

0 2006

2007

2008 2009

2010

BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Mittlerweile gibt es genügend faktische Hinweise auf die Potenziale und Beschränkungen, die der Einsatz im größeren Stil mit sich bringt. Beste Beispiele sind Spanien und Deutschland. Beide Länder treiben die Entwicklung und Nutzung von Windkraft und Solarenergie seit Jahren aktiv voran. In Spanien beträgt der Stromerzeugungsanteil von Windkraft und Solarenergie 14,5 % bzw. 2,4 %; in Deutschland liegen die vergleichbaren Anteile bei 5,9 % und 1,9 %. Allein im vergangenen Jahr hat sich die Erzeugung von Solarenergie in Deutschland nahezu verdoppelt und war damit für 57 % der Expansion des globalen Solarenergie-Outputs verantwortlich. Aus den Erfahrungen dieser beiden Länder lassen sich mehrere Lehren ziehen. Erstens zum Tempo der Markteinführung. Der vielleicht ironische, aber trotzdem lehrreiche Vergleich zwischen der Geschwindigkeit, mit der erneuerbare Energien im letzten Jahrzehnt in Deutschland Marktanteile erobert haben, und dem Tempo, mit dem die Atomkraft vor 35 Jahren auf dem Energiemarkt Fuß fassen konnte, drängt sich dabei auf – denn bei beiden Beispielen handelt es sich um neue Energietechnologien, die dank öffentlicher Unterstützung im großen Maßstab eingeführt wurden. Und auch bei der eigentlichen Umsetzung gab es bemerkenswerte Parallelen: Beginnend mit dem Jahr, in dem die neuen Technologien 1 % des Primärenergiemarkts bedienten, stieg der Anteil beider Energieträger im Laufe von zehn Jahren auf mehr als 5 %. Sowohl Kernenergie als auch erneuerbare Energien verzeichneten also über ein Jahrzehnt jährliche Wachstumsraten von etwa 20 %, was einer Verdopplung alle vier Jahre gleichkommt. Doch trotz dieser hohen Wachstumsraten braucht es nachweislich seine Zeit, bis eine neue Technologie den Energiemix nachhaltig verändert. Zweitens verdeutlichen die aufgeführten Beispiele den potenziellen Konflikt zwischen Förderung und Größe. Es gibt tatsächlich so etwas wie „zu viel Erfolg“.

BP Statistical Review of World Energy June 2011 21  

Christof Rühl, London Juni 2011

  Obwohl erneuerbare Energien in beiden Ländern schnell Fuß fassten, verdankten sie ihren Erfolg (noch) nicht eitel Sonnenschein oder besonders vorteilhafter Technik, sondern vor allem attraktiven und garantierten Netzeinspeisetarifen. Angesichts des rasanten Sektorwachstums und fallender Preise pro Einheit hat die unverhoffte Popularität dieser Fördermaßnahmen (oder – je nach Sichtweise – allzu großzügiger Anreize) dazu geführt, dass die entsprechenden finanziellen Anreize in vielen Teilen Europas 2010 und 2011 wieder zurückgenommen wurden. Und schließlich greift immer noch das „Gesetz unbeabsichtigter Folgen“, wenn Politiker in die Energieerzeugung eingreifen. In unserem Beispiel könnten sich derartige Folgen aus der politisch gewollten Neugewichtung des Energiemixes ergeben. In vielen europäischen Ländern schützt der Gesetzgeber z. B. Arbeitsplätze im Kohlebergbau. Gleichzeitig hat der Ausbau erneuerbarer Energien, der einfache Zugriff auf relativ günstiges Erdgas und darüber hinaus ein gutes Jahr für die Wasserkraft in Spanien dazu geführt, dass Kohle in der Stromerzeugung mittlerweile eine geringere Rolle spielt. Diese Verschiebung fiel so dramatisch aus, dass die Regierung Schutzmaßnahmen für Kohlekraftwerke ergreifen musste. So entstehen zusätzliche Kosten durch den Schutz von Arbeitsplätzen in genau den Bereichen, die durch die Förderung anderer Sektoren unter Druck geraten. Was können wir daraus lernen? Erstens lassen sich erneuerbare Energien auch im größeren Stil nutzen, allerdings geschieht dies nicht über Nacht. Zweitens kann eine allzu erfolgreiche Expansion das Fördersystem auf die Probe stellen. Drittens ist die öffentliche Förderung erneuerbarer Energien nicht unbedingt mit anderen politischen Zielen vereinbar.

Renewable power growth Growth by region

Renewables consumption

Contributions to growth

18%

China

Other non-OECD

Index: 2000=100

OECD

1800

15%

1500

12%

1200

9%

900

6%

600

3%

300

Spain China Germany

0

0% 2005 2006 2007 2008 2009 2010

2000 2002 2004 2006 2008 2010 BP Statistical Review of World Energy © BP 2011

Glücklicherweise stehen erneuerbare Energien mittlerweile nicht nur in reifen und wohlhabenden Ländern auf der Tagesordnung. Während der weltweite Stromverbrauch aus erneuerbaren Energien im vergangenen Jahr um 15,5 % anstieg, blieb der Zuwachs in OECD-Ländern mit 12,4 % hinter den Spitzenwerten von 2007 und 2008 zurück. 22  

BP Statistical Review of World Energy June 2011

Christof Rühl, London Juni 2011

  In den Nicht-OECD-Nationen beschleunigte sich das Wachstum hingegen weiter und erreichte 2010 27,7 %. Somit tragen die Nicht-OECD-Länder inzwischen deutlich mehr zum Ausbau erneuerbarer Energien bei als noch vor 2007. Besonders hervorzuheben wäre hier China mit dem größten Anteil aller Nicht-OECDStaaten an der Einführung erneuerbarer Energien. Allein im Bereich der Windkraft hat China mittlerweile die USA überholt und gilt damit als weltweit führend. Nahezu die Hälfte aller neuen Windkraftkapazitäten (48,0 %) ging 2010 auf das Konto Chinas und führte zu einer Verdreifachung der dortigen Kapazitäten seit 2008. Gleichzeitig spielt Windkraft – trotz des rasanten Ausbaus – in der chinesischen Stromerzeugung mit nur 1,2 % noch immer eine recht untergeordnete Rolle.

4. Fazit 60 years of energy World fuel shares

World GDP, energy and emissions

Percent 60%

40%

Oil Coal Gas Hydro Nuclear Renew

20%

0% 1950

1970

1990

Index: 1950=100 1000 GDP Energy CO2 700

2010

400

100 1950

1970

1990

2010

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S ource:  includes  data  from  O xford  E conomics ;  E temad,  L uciani,  B airoch,  and  T outain,  1991;  Ma ddis on,  2009.

Sechzig Jahre sind vergangen, seit Jamie Jamieson und Dusty Miller ihren ersten Bericht verfasst haben. Und wo stehen wir heute? Welchen Stellenwert hat 2010 in der langfristigen Entwicklung? Dazu lässt sich zusammenfassend einiges sagen. 2010 verzeichnete die Welt eine außergewöhnlich hohe Nachfrage nach sämtlichen Energieträgern. Doch dieser Konsumschub war nichts weiter als eine Rückkehr zum Trend – und kein Bruch mit der Vergangenheit. Der rasante Aufstieg der Schwellenländer und ihr wachsender Beitrag zum globalen BSP hatte daran maßgeblich Anteil – ein Prozess, der durch die jüngste Rezession und Markterholung nur noch bestärkt wurde. Vor diesem Hintergrund wird es zunehmend schwieriger, Verbesserungen der Energieintensität, oder auch der Emissionsintensität, auf ein verlangsamtes Wachstum des globalen Energieverbrauchs (oder Emissionsausstoßes) zu übertragen.

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Christof Rühl, London Juni 2011

  Allgemein öffnet sich also langsam die Schere zwischen Verbesserungen der Wirtschaftsleistung und des Energiekonsums – aber auch, und dort zu langsam, zwischen Energieverbrauch und CO2-Emissionen. Zur Steuerung dieses System sind Marktpreise gut geeignet. Ob künstlich erschwerter Zugang zu Öl, verstärkter Wettbewerb zwischen Energieträgern und bestimmten Gassorten auf dem Erdgasmarkt oder auch der kaum sichtbare, doch ausgesprochen effiziente internationale Kohlehandel – überall dienen Preise als wichtige Informationsquellen zur Steuerung der Ressourcenströme. Erneuerbare Energien benötigen, und erhalten, öffentliche Unterstützung. Doch auch hier hilft der Markt, wichtige Merkmale aufzudecken. Er macht sowohl positive als auch negative Aspekte öffentlich. Wir nennen es „das Gesetz unbeabsichtigter Folgen“ – und es greift selbst bei gut gemeinten Projekten. In diesem Sinne wird dieses hervorragende Enthüllungsinstrument auch bei dem Ausbau CO2-freier Energien zeigen, welche Maßnahmen und Technologien langfristig sinnvoll sind. Denn wenn wir diese Energiequellen zu lange vor echtem Wettbewerb schützen, könnte es sehr schnell teuer werden. Angesichts der heutigen Zahlen würden mir Jamie Jamieson und Dusty Miller bestimmt beipflichten.

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