Andreas Krieter Pfarrer der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg.

genannten Röhm-Revolte erschien Adolf Hitler - der Kanzler des Deutschen Reiches - in einem denkbar ungünstigen Licht, und wie die Bischöfe sich am ...
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Ulrich Krieter

Für die Menschen bestellt in schwerer Zeit Karl - Andreas Krieter Pfarrer der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg. – Wilhelmsburg von 1934 bis 1961

disserta Verlag

Krieter, Ulrich: Für die Menschen bestellt in schwerer Zeit: Karl-Andreas Krieter Pfarrer der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg. – Wilhelmsburg von 1934 bis 1961, Hamburg, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-728-7 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-729-4 Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Für die Menschen bestellt in schwerer Zeit Karl - Andreas Krieter Pfarrer der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg. – Wilhelmsburg von 1934 bis 1961

Dieses Werk widme ich meiner lieben Frau, Ingrid Krieter.

Das Titelblatt zeigt Pfarrer Karl-Andreas Krieter, etwa 65 Jahre alt.

Danksagung Ich bedanke mich herzlich bei Herrn Heribert Brodmann, Domkapitular des Erzbistums Hamburg und Dechant im Ruhestand. Er hat mich vor Jahren ermutigt, das Leben des Pfarrers Karl-Andreas Krieter zu beschreiben. Er verschaffte mir Zugang zu der Chronik der Katholischen Kirchengemeinde St. Maria in Harburg und zeigte sich am Fortgang meiner Arbeit immer wieder interessiert. Herr Pfarrer Peter Wohs ermöglichte mir den Zugang zur Chronik der Katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf. Pfarrer Burkhard Göcke stellte mir die Chronik der Katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius in Wilhelmsburg zur Verfügung. Sein Nachfolger, Pfarrer Dr. Jürgen Wätjer, gewährte mir Einsicht in die Akten des Archivs der Kirchengemeinde St. Bonifatius. Allen drei Herren danke ich herzlich. Den Leitern der katholischen Grund-, Haupt- und Realschulen in Harburg und Wilhelmsburg, den Herren Michael Pfennig und Erhard Porten, danke ich, weil sie mir Material zur Geschichte ihrer Schulen zur Verfügung gestellt haben. Ich danke den Damen und Herren im Bistumsarchiv Hildesheim und Herrn Dr. Clemens Brodkorb, dem Leiter des Archivs der deutschen Provinz der Jesuiten. Sie haben mir geholfen, indem sie ebenfalls Quellen bereit stellten. Mein Dank gilt schließlich den Herren Dr. Günter Dörnte und Monsignore Peter Schmidt-Eppendorf. Dr. Dörnte hat mir zu Beginn meiner Arbeit durch Anregungen hinsichtlich der Konzeption und durch die Bereitstellung von Büchern aus seiner Privatbibliothek geholfen. Monsignore Schmidt-Eppendorf war am Fortschritt meiner Arbeit immer besonders interessiert. Auch er stellte mir Bücher zur Verfügung.

Zuletzt danke ich Herrn Adolf Cramer. Er war bereit, mehrmals Teile meines Manuskripts und schließlich das gesamte Buch zu lesen und hinsichtlich der Orthografie zu überprüfen.

Ulrich Krieter, im August 2014

3

Vorwort Am 4. Februar des Jahres 1969 gab der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg im „Amtlichen Anzeiger“ bekannt, dass eine Straße auf der Elbinsel Wilhelmsburg den Namen „Krieterstraße“ erhalten habe.1 Die Straße liegt im Bahnhofsviertel von Wilhelmsburg und zweigt in nördlicher Richtung von der Neuenfelder Straße ab. Die Benennung der „Krieterstraße“ erfolgte zu Ehren des Pfarrers der katholischen Kirchengemeinde St. Bonifatius, Karl-Andreas Krieter, auf einstimmigen Vorschlag des Ortsausschusses Wilhelmsburg. Pfarrer Krieter war sechs Jahre vorher, am 24. Februar des Jahres 1963, verstorben. Er galt vielen Menschen seiner Zeit als bedeutende und liebenswerte Persönlichkeit. Damit Karl-Andreas Krieter nicht in Vergessenheit gerät, habe ich mir schon vor Jahren das Ziel gesetzt, sein Leben und Wirken zu beschreiben. Karl-Andreas Krieter wurde im Jahre 1890 geboren. Er starb im Jahre 1963. Von 1923 bis 1934 wirkte er in Harburg-Wilstorf als Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef. Vom Oktober 1934 bis zum August des Jahres 1961 war Karl-Andreas Krieter Pfarrer in Hamburg-Wilhelmsburg. Der hier vorgelegte zweite Teil der Biografie des Pfarrers Krieter beschreibt dessen Leben und Wirken in der Kirchengemeinde St. Bonifatius und im Dekanat Lüneburg / Harburg während der Vorkriegsjahre der nationalsozialistischen Diktatur, während des Zweiten Weltkrieges, während der ersten Nachkriegsjahre und während der Aufbaujahre der Bundesrepublik Deutschland. Weil Pfarrer Krieter in diesen für Deutschland so wichtigen Epochen gelebt hat, können in seiner Biografie zugleich die überpersönlichen Umstände, die Sorgen, Nöte und die positiven Möglichkeiten des jeweiligen Zeitabschnittes verdeutlicht werden. Zugunsten dieses Ziels und zugunsten einer möglichst hohen Anschaulichkeit der Darstellung kommen in diesem Buch die historischen Quellen selbst so oft wie irgend möglich zu Wort. Bis zum Jahre 1995 - dem Jahr der Wiederbelebung des Erzbistums Hamburg - nahmen die katholischen Kirchengemeinden in Wilhelmsburg und Harburg eine Sonderstellung ein. Sie unterstanden dem Bischof von Hildesheim, während die Mehrheit der katholischen Kirchengemeinden auf dem Gebiet der Freien und Hansestadt zum Bistum Osnabrück gehörte. Bis 1995 gab es zwischen den beiden katholisch-kirchlichen Teilen Hamburgs wenig Kontakt. Aus diesem Grund ist die Geschichte der ehemals Hildesheimer Gemeinden bei den Katholiken Hamburgs, die nördlich der Elbe wohnen, fast unbekannt. Das vorliegende Werk kann somit eine Wissenslücke schließen. Gleichzeitig werden einige neue Forschungsergebnisse und noch nicht beschriebene Einzelheiten der allgemeinen Ortsgeschichte Wilhelmsburgs und Harburgs bekannt und zugänglich gemacht. Deswegen sollte das Buch nicht nur bei Katholiken Interesse finden. Ulrich Krieter, im August 2014

1

Amtlicher Anzeiger, Teil II des Hamburger Gesetz- und Verordnungsblattes; herausgegeben vom Senat der Freien und Hansestadt Hamburg, Staatliche Pressestelle, Nr. 26, Donnerstag, den 6. Februar 1969

4

Inhaltsverzeichnis 1. 1.1 1.2 1.3

Pastor Krieter wird Pfarrer der Gemeinde St. Bonifatius in Harburg-Wilhelmsburg. Das Angebot des Bischofs

S. 10 S. 13

Die Zusage Die Unterschriftensammlung des Kirchenvorstehers Born Unangenehme Hinterlassenschaften

S. 19 S. 20

1.6

Die Geschichte und die soziale Struktur der Gemeinde St. Bonifatius Die Amtseinführung

S. 24 S. 32

2. 2.1. 2.2 2.3

Pfarrer Krieter richtet sich in St. Bonifatius ein. Alltag im Pfarrhaus Die Organisation der pastoralen Arbeit Die weltlichen Mitarbeiter

S. 33 S. 33 S. 39 S. 44

3. 3.1

Das erste Jahr im Amt des Pfarrers von St. Bonifatius Nationalsozialistischer Geist in der katholischen Schule Die Nutzung der „Höpenwiese“ Bauliche Mängel an der Bonifatiuskirche, am Kirchplatz und am Pfarrhaus Advent und Weihnachten 1934 Die „Kindersegnung“ am Fest der unschuldigen Kinder Anordnungen zum Gebet, zum Glockenläuten und zum Beflaggen der Bonifatiuskirche Karitatives Wirken Der erste Besuch des Bischofs Joseph-Godehard in Harburg-Wilhelmsburg Sorgen um das Weiterleben der Bekenntnisschule Nur „rein-religiöse“ Jugendarbeit ist noch erlaubt. Die „Wandernde Kirche“ NS-Lügengeschichten über einen Bischof und einen Generalvikar Kirchliche Feiern in Harburg-Wilhelmsburg Pfarrer Krieter, ein pragmatischer Seelsorger Pfarrer Krieter macht sich beliebt.

S. 47

1.4 1.5

3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8 3.9 3.10 3.11 3.12 3.13 3.14 3.15

5

S. 18

S. 47 S. 49 S. 54 S. 55 S. 58 S. 60 S. 63 S. 66 S. 68 S. 70 S. 73 S. 74 S. 76 S. 79 S. 85

3.16

Die Sitzung des Kirchenvorstandes im Juli 1935

S. 87

4. 4.1 4.2 4.2.1

Die Kapläne der Jahre 1935 bis 1940 Kaplan Konrad Dorenkamp geht Kaplan Johannes Wosnitza kommt Finanzielle Verhandlungen mit dem Generalvikariat wegen des Kaplans Wosnitza Kaplan Wosnitza zu Beginn seiner Zeit in St. Bonifatius Joseph Krautscheidt, Kaplan für die „Wandernde Kirche“ Kaplan Antonius Holling

S. 90 S. 91 S. 93

4.2.2 4.3 4.4 5. 5.1 5.2 5.3 5.4

Die Jahre der Bedrängnis, 1936 bis 1939 Seelsorgerliche Anstrengungen Die Bischöfe und die Rheinlandbesetzung Beleidigt und verleumdet Die Bischöfe bieten der NS-Regierung vergeblich ein Bündnis an. 5.5 In die Sonderstellung gedrängt 5.6 Das „Stift St. Willehad“ schafft Sorgen. 5.7 Die Enzyklika „Mit brennender Sorge …“ 5.8 Der Kampf gegen erneute Verleumdungen 5.9 Drohungen des Reichsstatthalters Kaufmann 5.10 Das Ende der katholischen Schulen in Wilhelmsburg und Harburg 5.11 Das kirchliche Leben geht dennoch weiter. 5.11.1 Jubel in St. Franz-Josef 5.11.2 Bautätigkeiten in Wilhelmsburg 5.12 Rückblick auf die „große Politik“ der Jahre 1936 bis 1939 6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.4.1 6.4.2

Während des 2. Weltkrieges Erste Auswirkungen des Krieges in St. Bonifatius Priesterjubiläum im zweiten Kriegsmonat Gebote, Verbote, Anordnungen und Bekanntgaben Das Jahr 1940 Einschränkungen im Alltagsleben und Sorgen wegen Zusatzkosten für die Kirchenkasse Kaplan Holling wird versetzt. 6

S. 94 S. 95 S. 98 S. 101 S. 102 S. 102 S. 104 S. 106 S. 107 S. 108 S. 111 S. 114 S. 115 S. 118 S. 118 S. 126 S. 128 S. 131 S. 135 S. 140 S. 141 S. 143 S. 145 S. 149 S. 149 S. 151

6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.4.6 6.4.7 6.4.8 6.4.9 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.5.5 6.5.6 6.5.7 6.5.8 6.5.9 6.6 6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5 6.6.6 6.6.7 6.6.8 6.7 6.7.1

6.7.2

Pfarrer Friedrich Schmidts wird Nachfolger des Dechanten Carl Kopp. Die ersten Bomben fallen auf Hamburg. Primiz am Morgen nach dem Luftangriff Kaplan Wosnitza wird versetzt. Die Weihe der Gemeinde St. Bonifatius an die Gottesmutter Der Zorn des Dr. Offenstein Rückblick auf das Jahr 1940 Das Jahr 1941 Die Luftangriffe gehen weiter. Die Kinderlandverschickung Die seelsorgerliche Betreuung dienstverpflichteter Ausländer Der Hirtenbrief der deutschen Bischöfe vom 26. 6. 1941 Der „Klostersturm“ „Euthanasie“; die dritte Predigt des Bischofs von Münster Rettung aus der psychiatrischen Anstalt Lüneburg Pater Jussen kommt, Kaplan Surkemper wird versetzt Rückblick auf das Jahr 1941 Das Jahr 1942 Die Gemeinde „opfert“ Kirchenglocken. Gedanken und Trostworte zum Soldatentod Wahrzeichen der Angst an der „Heimatfront“ Nachbesserungen an der Verdunkelungseinrichtung der Bonifatiuskirche Folgen einer Denunziation Seelische und körperliche Anforderungen bis an die Grenze der Belastbarkeit Der sorgenerfüllte Dezember 1942 Freude am Engagement der Pfarrjugend 1943, das „Jahr des Schreckens“ Stalingrad und der Umgang mit der militärischen Niederlage bei Katholiken und Nationalsozialisten Die Bomben- und Brandkatastrophe für Hamburg

7

S. 152 S. 154 S. 156 S. 158 S. 160 S. 161 S. 163 S. 165 S. 165 S. 167 S. 170 S. 171 S. 173 S. 176 S. 178 S. 178 S. 180 S. 182 S. 183 S. 184 S. 186 S. 189 S. 190 S. 191 S. 194 S. 196 S. 198

S. 198 S. 201

6.7.3 6.7.4 6.7.5 6.7.6 6.8 6.8.1 6.8.2 6.8.3 6.8.4

„Bereitseinkönnen zum Sterben“ und das Gebet für den Frieden der Völker Die Versetzung des Pfarrers Wüstefeld Nachrichten von den Verwandten Die letzten Monate des Jahres 1943 Das Jahr 1944 Das Kriegsgeschehen und die Folgen für den Gottesdienst Unglückswochen für die Kirchengemeinde St. Bonifatius im Juni und August 1944 Pfarrer Krieter wird Dechant des Dekanates Lüneburg. Die Unglückswochen für die Kirchengemeinde St. Maria in Harburg

S. 205 S. 207 S. 208 S. 210 S. 211 S. 211 S. 213 S. 217 S. 218

6.9

In Erwartung des Kriegsendes

S. 221

6.9.1

Erneutes Unglück für St. Bonifatius

S. 223

6.9.2

Die Woche nach dem 31. 3. 1945

S. 228

6.9.3

Während der letzten Tage des Krieges

S. 229

7.

Dechant Krieter in den ersten Nachkriegsjahren

S. 231

7.1

Neue Personen in der Regierung und Verwaltung Hamburgs Der Wiederaufbau des religiösen Lebens und karitative Anstrengungen Die Stellungnahme der Bischöfe zur „Hitlerzeit“ und ihre „Grundsätze des religiösen Lebens nach Kriegsende“. Die Bonifatiuskirche wird restauriert. Keine Kontinuität auf den Kaplanstellen Senator Velthuysen macht der Bonifatiusgemeinde ein Geschenk. Zwei Briefe von Bischof Joseph-Godehard Die Wiedereinrichtung der katholischen Schulen in Wilhelmsburg und Harburg Dechant Krieter bestellt Andreas Nolte zum Rektor der Bonifatiusschule. Die Gründung des Krankenhauses Groß-Sand

7.2 7.3

7.4 7.5 7.6 7.7 7.8 7.9 7.10

8

S. 231 S. 233

S. 237 S. 238 S. 241 S. 246 S. 248 S. 249 S. 255 S. 259

7.11

Dechant Krieter und die besonderen Nöte der ersten Nachkriegszeit

S. 271

7.11.1 7.11.2 7.11.3 7.12

Die Entnazifizierung Die Hunger- und Kältekatastrophe 1946 / 1947 Die Währungsreform Die Verwandten während der ersten Nachkriegszeit

S. 271 S. 275 S. 279 S. 284

8. 8.1 8.2 8.3

Jahre der Zufriedenheit und Kontinuität Dechantentätigkeit Die Kapläne Rademacher, Goedde und Hölsken Verzicht auf die Privatsphäre und Kapitulation vor der Aufgabe, Pflegevater zu sein Die Bauvorhaben der Fünfziger Jahre Der Bau des neuen Gemeindehauses Die Erweiterung des Krankenhauses Freude über den Priesternachwuchs aus der Bonifatiusgemeinde

S. 291 S. 292 S. 297

8.4 8.4.1 8.4.2 8.5

S. 304 S. 307 S. 309 S. 316 S. 321

9. 9.1 9.2 9.3

Schwere Prüfungen in den letzten Amtsjahren Körperliche Beschwerden Zwei „schwierige“ Kapläne Der Tod des Rektors Nolte

10.

13.

Zustimmung zur Wiedereinrichtung des Sportvereins DJK-Wilhelmsburg Silbernes Ortsjubiläum und unerwartete Ehrungen Die Bitte um Versetzung in den Ruhestand Ruhestand in Hilkerode

S. 340 S. 347

14.

Tod, Bestattung und Nachrufe

S. 350

11. 12.

Literaturverzeichnis Personenregister Abbildungsnachweis

S. 356 - 368 S. 369 - 380 S. 381 - 392

9

S. 324 S. 324 S. 325 S. 329

S. 332 S. 336

1.

Pastor Krieter wird Pfarrer der Gemeinde St. Bonifatius in Harburg-Wilhelmsburg.

Seit dem 1. Oktober 1923 war Karl-Andreas Krieter Pastor der Gemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf. Im Jahre 1931 bat er den damaligen Bischof von Hildesheim, Dr. Nikolaus Bares, zum ersten Mal um Versetzung und um Zuteilung einer Pfarrerstelle am liebsten in seiner Heimat, auf dem Eichsfeld.2 Bischof Nikolaus bot ihm eine Pfarrvikar-Stelle in Groß-Ilsede an. Diese Stelle - zwischen den Städten Hildesheim und Peine gelegen - wollte und konnte er nicht annehmen. Seine weiteren Bitten um Versetzung, die er im Januar und August 1933 schriftlich3 und im September 1933sogar mündlich seinem Bischof vortrug, wurden nicht erhört. 4 Am 16. Dezember 1933 wurde Dr. Bares von Papst Pius XI. zum Bischof von Berlin ernannt.5 Der Bischofssitz in Hildesheim war vorerst vakant. Abb.1: Karl-Andreas Krieter im Alter Deswegen wandte sich Karl-Andreas Krieter mit von 45 Jahren ; ein Foto aus dem Jahre dem nächsten Schreiben, das den Wunsch nach 1935 Versetzung aussprach, an den Generalvikar des Bistums, an Dr. Otto Seelmeyer. Sein Schreiben ist auf Montag, den 4. Juni 1934, datiert. Dieses Mal erklärte Pastor Krieter sich bereit, jede Pfarrei anzunehmen, „für die man ihn geeignet halte.“6 Die Hoffnung, eine Pfarrstelle auf dem Eichsfeld zu bekommen, hatte er also aufgegeben. Generalvikar Dr. Seelmeyer antwortete schon am nächsten Tag. Er forderte Pastor Krieter auf, seinen Versetzungswunsch zu wiederholen, sobald der Hildesheimer Bischofsstuhl wieder besetzt sei.7 Am 22. 6. 1934 wurde Dr. Josef-Godehard Machens von Papst Pius XI. zum Bischof von Hildesheim ernannt. Karl-Andreas Krieter konnte sich aber nicht umgehend an den neuen Bischof wenden, denn in den Tagen vom 30. Juni bis zum 2. Juli 1934 geschah in Deutschland Ungeheuerliches. Der Führer der NSDAP, Reichskanzler Hitler, verhaftete persönlich den obersten SA-Führer, Ernst Röhm, und einige andere Personen der SA-Führung. 2 3

4

5

6 7

Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte K.-A. Krieter, Bischöfliches Generalvikariat, Eingang 19. 1. 1931 Briefe vom 16. 1. 1933 und 16. 8. 1933 an das Bischöfliche Generalvikariat, Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl- Andreas Krieter Anlässlich des Besuches von Bischof Dr. Bares im Pfarrhaus von St. Franz-Josef, Reeseberg 16, am 4. 9. 1933, hatte K.-A. Krieter Gelegenheit, seinem Bischof den Wunsch nach Versetzung mündlich vorzutragen. Vgl. Chronik der Kirchengemeinde St. Maria, Seite 103 Das Bistum Berlin war am 13. 8. 1930 neu gegründet worden. Der erste Bischof, Dr. Christian Schreiber, war am 1. 9. 1933 verstorben. Am 16. 12. 1933 wurde Dr. Nikolaus Bares zum Bischof von Berlin ernannt. Vgl. Kluck, A. und Sauermost B., 75 Jahre Bistum Berlin, Glaube für die Zukunft - Spuren der Geschichte - Konturen des Lebens, SERVI -Verlag, Berlin 2005, S. 78 ff. Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter

10

Hitler ließ diese Männer ohne Gerichtsprozess erschießen, weil sie nicht mehr in sein politisches Konzept passten. Gleichzeitig nutzte er die günstige Gelegenheit, die Ermordung weiterer Personen, die ihm unliebsam waren, in Auftrag zu geben. Pastor Krieter erfuhr sehr bald, dass unter den unschuldigen Opfern der „Reichsmordwoche“ prominente Vertreter des katholischen Vereinswesens waren, so Adelbert Probst, der Reichsführer der katholischen Sportvereinigung „Deutsche Jugendkraft“, und Dr. Erich Klausener, der Führer der „Katholischen Aktion“ im Bistum Berlin.8 In den folgenden Tagen und Wochen schwiegen die deutschen Bischöfe, obwohl sie über die Mordaktionen Hitlers gut informiert waren. Sie hatten Sorge, ein klares Wort gegen die Regierung könne für die Katholiken ein Blutbad zur Folge haben. Vor allem aber standen die Bischöfe zu diesem Zeitpunkt mit der Hitler-Regierung in Verhandlungen wegen des Konkordatsartikels 31 (katholisches Vereinswesen). Eventuell positive Ergebnisse sollten nicht gefährdet werden. Karl-Andreas Krieter musste einsehen, dass es in diesen Tagen wenig Sinn machte, seinen Versetzungswunsch zu wiederholen. Am 23. Juli 1934 vereidigte Reichserziehungsminister Rust - in seiner Funktion als Reichskultusminister - den neuen Bischof von Hildesheim. Das Konkordat, das der Vatikan am 20. Juli 1933 mit dem Deutschen Reich abgeschlossen hatte, schrieb die staatliche Vereidigung jedes neu inthronisierten Bischofs vor.

Abb.2 : Dr. Joseph-Godehard Machens, vom 22. 6. 1934 bis zum 14. 8 1956 Bischof von Hildesheim

8

Die „Katholische Aktion“ wurde 1922 von Papst Pius XI. als Form des katholischen Laienapostolats gegründet.

11

Auch die folgenden Wochen erschienen Pastor Krieter nicht geeignet, sich um eine Pfarrstelle zu bewerben. Wieder stand ihm die „große Politik“ im Wege: Zwei Tage nach der Vereidigung des Bischofs Joseph-Godehard war Europa durch einen Putsch der NSDAP Österreichs, die dort illegal war, erschreckt worden. Die Putschisten hatten in Wien den Bundeskanzler Österreichs, Engelbert Dollfuß, am 25. Juli 1934 niedergeschossen. Sie hatten dem streng gläubigen Katholiken, als er im Sterben lag, weder ärztliche Hilfe noch die kirchlichen Sakramente gewährt. Am Abend desselben Tages war der Putsch zusammengebrochen. Alle Welt sah damals Adolf Hitler als Drahtzieher des schändlichen Mordes. Papst Pius XI. verkündete öffentlich, Dollfuß sei eine bedeutende christliche Persönlichkeit gewesen, der treueste Sohn der Kirche. Hitler bestritt jede Teilhabe an den Vorgängen in Österreich und sprach in Erklärungen und Telegrammen das Bedauern Deutschlands aus. Den deutschen Botschafter, der sich von den Putschisten nicht eindeutig distanziert hatte, setzte Hitler scheinheilig ab. Nachfolger sollte Vizekanzler Franz von Papen werden. Der folgte dem Willen Adolf Hitlers, obwohl er genug Gründe gehabt hätte, sich zu verweigern. Pastor Krieter, der als Mitglied der katholischen Zentrumspartei 9 die Politik aufmerksam verfolgte, erlebte eine Wiederholung, die ihn traurig stimmen musste: Wie bei der so genannten Röhm-Revolte erschien Adolf Hitler - der Kanzler des Deutschen Reiches - in einem denkbar ungünstigen Licht, und wie die Bischöfe sich am Monatsbeginn opportunistisch gefügt hatten, so fügte sich am Monatsende der prominente Katholik, Franz von Papen. Wenige Tage nach den Ereignissen in Wien las Pastor Krieter in den „Harburger Anzeigen und Nachrichten“,10 Reichspräsident von Hindenburg läge auf seinem Gut Neudeck im Sterben. Aus derselben Zeitung erfuhr Pastor Krieter, dass Hitler nach Neudeck gefahren sei, um sich den Segen des sterbenden Reichspräsidenten zu holen. Als er sich diese anrührende Szene vorgestellt hat, mag Pastor Krieter eine andere Nachricht der Zeitung nicht so ernst bewertet haben wie es notwendig gewesen wäre: Noch vor seiner Abreise hatte Adolf Hitler ein Gesetz über die Nachfolge des Reichspräsidenten durch das Reichskabinett beschließen lassen. Das Gesetz vereinte das Amt des Reichskanzlers mit dem Amt des Reichspräsidenten. Damit war Adolf Hitler uneingeschränkter Herrscher über das Deutsche Reich, Diktator auf Lebenszeit. Zur Abrundung seiner Alleinherrschaft ließ Hitler erst die Soldaten der Reichswehr und wenige Tage danach alle Beamten auf sich vereidigen.11 Die Soldaten der Reichswehr hatten am 2. August 1934 - also am Todestag Paul von Hindenburgs - zu sprechen: „Ich schöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Oberbefehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als deutscher Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen.“ Es gibt keine Gewissheit, dass Pastor Krieter im August 1934 das zielbewusste Machtstreben Hitlers sofort und vollständig durchschaut hat. Wenn man politisch gutgläubig war, konnte man annehmen, der Reichskanzler bürde sich die zusätzliche Arbeitslast nur auf, um Deutschland wohlzutun. Im Übrigen sollte das Gesetz nur Bestand haben, wenn das Deutsche Volk sein Einverständnis gäbe. Hitler ließ am Sonntag, den 19. August 134, eine „Volksabstimmung über das Staatsoberhaupt“ durchführen. 9

Vgl. Bistumsarchiv Hildesheim, Personalakte Karl-Andreas Krieter Harburger Anzeigen und Nachrichten vom 1. und 2. August 1934 11 Das „Gesetz zum Neuaufbau des Reiches“ vom 30. Januar 1934 hob in Artikel 1 die Länderparlamente auf, in Artikel 3 wurden alle Länderregierungen der Reichsregierung unterstellt, damit auch alle Beamten. Sie wurden am 22. 8. 1934 verpflichtet, ihren Treue-Schwur auf den „Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler“ zu leisten. 10

12

89,9% der Deutschen stimmten an diesem Tag dafür, dass in der Person Adolf Hitler die Ämter Reichskanzler und Reichspräsident vereinigt würden.

4,3 Millionen Deutsche stimmten dagegen. Unter diesen Deutschen befand sich vielleicht auch Pastor Krieter. Falls er sich gegen Adolf Hitler entschieden haben sollte, dann war Pastor Krieter kein „treuer“ Deutscher, dann gehörte er nicht zur „einigen Nation“. Dann war er einer der „Miesmacher und Kritikaster“, gegen die seit Wochen in der Presse und von Rednern bei Großveranstaltungen Beleidigungen und Drohungen ausgesprochen wurden.12

Abb.3: „Harburger Anzeigen und Nachrichten” vom 20. August 1934

1.1

Das Angebot des Bischofs

Von Dienstag, den 4. September, bis Montag, den 10. September 1934, fand in Nürnberg der Sechste Reichsparteitag der NSDAP statt. Die Festtage der Nationalsozialisten standen in diesem Jahr unter dem Motto „Triumph des Willens“. Alle Deutschen und auch das Ausland sollten sehen, dass „Führer und Volk“ eine unzertrennliche Einheit und bereit zu großen Taten seien. In diesen Hochtagen nationalsozialistischer Propaganda erhielt Pastor Krieter ein Telegramm aus Hildesheim. Am Donnerstag, den 6. September 1934, las er: „ Bischof beabsichtigt, Ihnen Wilhelmsburg, Bonifatius, zu übertragen; erbitten Drahtantwort, Generalvikariat“ 13 Karl-Andreas Krieter war überrascht. Weil der damalige Pfarrer von St. Bonifatius, Friedrich Schmidts, sein Duz-Freund war, wusste er gewiss, dass „Fritze“ die Pfarrei in Wilhelmsburg verlassen wollte, aber Pastor Krieter war dennoch erstaunt. Es war verwunderlich, dass der Bischof ausgerechnet ihm die große Pfarrei St. Bonifatius übertragen wollte, denn bis dahin hatte Karl-Andreas Krieter auf einer Stelle gesessen, die recht unbedeutend war. Als Pastor der Tochtergemeinde St. Franz-Josef war er rechtlich nur Hilfsgeistlicher bzw. Kaplan des Pfarrers Wüstefeld von der Muttergemeinde St. Maria.14

12 13

14

Vgl. die Ausgaben der „HAN“ vom 14. 4. 1934, vom 2. 5. 1934 und vom 12. 5. 1934 Das Telegramm findet sich im Archiv der Kirchengemeinde St. Bonifatius in Wilhelmsburg, Akte „Personalia“ Die Duzfreundschaft mit Pfarrer Schmidts und einige Passagen im Brief des Bischofs Josef-Godehard an den Kirchenvorsteher Born (siehe unten) legen die Vermutung nahe, dass Pfarrer Schmidts dem Bischof vorgeschlagen hat, Karl-Andreas Krieter als Nachfolger in St. Bonifatius einzusetzen.

13