Die St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg zu Zeiten ...

Zeit war Karl-Andreas Krieter Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef in ... Chowanietz, Walter und Gertrud, geborene Poprawa. S. 29 - 39.
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Ulrich Krieter

Ja, so war das damals … Die St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg zu Zeiten des Pfarrers Krieter, 35 Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1934 bis 1963

disserta Verlag

Krieter, Ulrich: Ja, so war das damals …: Die St. Bonifatius-Gemeinde in HamburgWilhelmsburg zu Zeiten des Pfarrers Krieter, 35 Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1934 bis 1963, Hamburg, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-700-3 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-701-0 Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Ja, so war das damals… 35 Zeitzeugen berichten aus den Jahren 1934 bis 1963

Die Abbildungen auf der Titelseite Oben rechts: Messdiener im Jahre 1934 Mitte links:

Pastor Krieter im Jahre 1935 mit der Marianischen Jungfrauenkongregation im „Höpen“

Mitte rechts: Die St. Bonifatiuskirche im Jahre 1939 nach der Neugestaltung der Wand hinter dem Hauptaltar Unten links:

Die St. Bonifatiuskirche auf einer Postkarte aus dem Jahre 1941

Unten rechts: Fronleichnamprozession im Jahre 1954

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Vorwort „Ja, so war das damals …“, diese Feststellung hörte ich immer wieder, nachdem ich mich im Jahre 2003 entschlossen hatte, meine Recherchen zur Anfertigung einer Biografie des Pfarrers Karl-Andreas Krieter mit der Befragung von Personen zu beginnen, die in den Jahren 1934 bis 1963 in Wilhelmsburg gelebt haben, Mitglieder der Kirchengemeinde St. Bonifatius waren oder einen anderen Bezug zum Pfarrer Krieter hatten. Die Aussagen der Zeitzeugen zur allgemeinen deutschen Zeitgeschichte, zur Ortsgeschichte Wilhelmsburgs und vor allem zum Leben des Pfarrers Krieter und seiner Kirchengemeinde waren so informativ, dass ich mich entschlossen habe, sie als gesondertes Buch zu veröffentlichen.

Abb.6: Karl-Andreas Krieter im Alter von 71 Jahren (1961) während der Trauung eines Brautpaares

Pfarrer Karl-Andreas Krieter galt in Hamburg vielen Menschen seiner Zeit als bedeutende und liebenswerte Persönlichkeit. Am 4. Februar des Jahres 1969 gab der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg einer Straße auf der Elbinsel Wilhelmsburg den Namen „Krieterstraße“. Die Straße liegt im Bahnhofsviertel und zweigt in nördlicher Richtung von der Neuenfelder Straße ab.

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Karl-Andreas Krieter wurde im Jahre 1890 geboren, er starb im Jahre 1963. Der Hintergrund seines Lebens sind also vier Epochen der jüngeren deutschen Geschichte, die nicht nur ihn, sondern auch das Wesen des gegenwärtigen Deutschland geprägt haben. Seine Kindheit verbrachte er in seinem Geburtsort Hilkerode auf dem Eichsfeld, seine Schulzeit in Duderstadt. Dem schlossen sich das Studium der Theologie in Münster und die Zeit im Priesterseminar des Bistums Hildesheim an. Seine Priesterweihe empfing er am 11. Oktober 1914. Den Ersten Weltkrieg, das Ende des Kaiserreiches und die ersten Jahre der Weimarer Republik erlebte Karl-Andreas Krieter als Kaplan in Bremerhaven-Lehe. Die Jahre von 1923 bis 1934 kann man als seinen zweiten Lebensabschnitt ansehen. In dieser Zeit war Karl-Andreas Krieter Pastor der katholischen Kirchengemeinde St. Franz-Josef in Harburg-Wilstorf. Er durchlebte das Inflationsjahr 1923, die „Goldenen Jahre“ der Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise, die Endzeit der Demokratie und den Beginn der Hitler-Diktatur. Den nächsten Lebensabschnitt verbrachte Karl-Andreas Krieter in Hamburg-Wilhelmsburg als Pfarrer der St. Bonifatius-Gemeinde. In Wilhelmsburg durchlebte er die weiteren Jahre der Hitler-Diktatur, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und die Jahre des Neubeginns von 1945 bis 1961. Während der Anfangsjahre der Bundesrepublik Deutschland errang Pfarrer Krieter die Erfolge, die ihm außerhalb der Seelsorgearbeit die größte Anerkennung einbrachten: Er ließ die Schäden an der Kirche und am Pfarrhaus der Gemeinde St. Bonifatius beseitigen. Die katholische Schule Wilhelmsburgs - in der Bonifatiusstraße wurde aufgrund seines engagierten Einsatzes schon 1946 wieder eröffnet. Das im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörte Gemeindehaus wurde durch einen Neubau ersetzt. Hamburgs Stadtteil Wilhelmsburg erhielt 1950 durch das Wirken des katholischen Pfarrers ein Krankenhaus, das - heute wie von Anbeginn - nicht nur Katholiken zu Gute kommt. Schon 1956 wurde ein Erweiterungsbau erstellt. Wegen seiner Verdienste um den Bau und die Erweiterung des Wilhelmsburger Krankenhauses Groß-Sand erhielt Pfarrer Krieter im Jahre 1960 das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. Seit 1944 war Karl-Andreas Krieter Dechant. Sein Dekanat umfasste die Hamburger Stadtteile Harburg und Wilhelmsburg und darüber hinaus ein Gebiet Niedersachsens, das sich von Dannenberg über Lüneburg und Stade bis nach Cuxhaven und Bremerhaven-Lehe erstreckte. Heinrich-Maria Janssen, der Bischof von Hildesheim, ernannte Karl-Andreas Krieter im Jahre 1959 zu seinem Geistlichen Rat. Im August 1961 trat Karl-Andreas Krieter aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, den er in seinem Heimatdorf Hilkerode verbrachte. Die Zeit der Ruhe war kurz. Schon bald erkrankte er so schwer, dass er zur Behandlung nach Wilhelmsburg in „sein Krankenhaus Groß-Sand“ ging. Dort starb er am 24. Februar 1963. Möge der verdienstvolle Staatsbürger und vorbildliche Geistliche, Karl-Andreas Krieter, nicht in Vergessenheit geraten. Diesem Zweck soll das vorliegende Buch dienen.

Ulrich Krieter im August 2014

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Die Zeitzeugen Adamczyk, Irmtraud Bergmann, Renate, geborene Deinert Chowanietz, Walter und Gertrud, geborene Poprawa Czys, Jürgen und Werner Diedrich, Rudolf Ernst, Joachim Fittkau, Uwe Greschek, Werner Gross, Gerhard Hölsken, Herbert Jonek, Werner Kinne, Bernhard Kränkel, Christa Kuhnigk, Monika Liesewicz, Albin Lota, Franz Matzat, Gertrud, geborene Grytka und Grytka, Johannes Matuczak, Ewald und Elke Mlotek, Hilde, geborene Warzsta Müller, Marianne, geborene Krieter Nowacki, Erna Pachowiak, Karla Schwalfenberg, Margret, geborene Nolte Stryakowski, Anton Swoboda, “Jonny” und Martha, geborene Honisch Walczak, Peter Wantoch, Waldemar von Weichler, Manfred Wellner, Karl-Heinz Wesolowski, Gerhard Wollersen, Hedwig, geborene Krieter Verzeichnis der Abbildungen

S. 6 - 13 S. 14 - 27 S. 29 - 39 S. 40 - 50 S. 51 - 54 S. 55 - 69 S. 70 - 77 S. 78 - 80 S. 81 - 84 S. 85 - 102 S. 103 - 113 S. 114 - 121 S. 122 - 131 S. 132 - 138 S. 139 - 151 S. 152 - 157 S. 158 - 167 S. 168 - 173 S. 174 - 185 S. 186 - 193 S. 194 - 203 S. 204 - 215 S. 216 - 225 S. 226 - 232 S. 233 - 247 S. 248 - 251 S. 252 - 256 S. 257 - 267 S. 268 - 283 S. 284 - 286 S. 287 - 301 S. 302 - 304

Die Auswahl der Zeitzeugen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Sie ergab sich nach und nach im Zuge meiner Vorbereitungsarbeiten zur Anfertigung einer Biografie des Pfarrers und Dechanten Karl-Andreas Krieter. Sie resultiert a) aus meiner Bekanntschaft mit einigen Persönlichkeiten der Bonifatiusgemeinde, b) aus Hinweisen auf weitere Zeitzeugen, die ich durch meine Gesprächspartner erhielt, c) aus der Lektüre historischer Quellen und d) - vor allem - aus der dankenswerten Bereitschaft der Zeitzeugen, sich befragen zu lassen oder mir zu schreiben. Ulrich Krieter im August 2014

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Adamczyk, Irmtraud, geborene Demus geboren im Dezember 1924 wohnhaft zur Zeit des Gespräches in Hamburg-Harburg Gespräch vom 20. 1. 2004

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A. = Frau Adamczyk

Kt. = Ulrich Krieter

Die in Klammern geschriebenen Wörter / Texte sind zum besseren Verständnis des Lesers eingefügt. Das Gespräch wurde mittels Diktiergerät aufgezeichnet. Kt.: Am Anfang bin ich immer ein wenig unhöflich. Ich frage nach dem Geburtsjahr. A.: (lacht) Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin im Dezember 1924 geboren, in Römerstadt, in der Tschechoslowakei. Kt.: Sind Sie von dort aus direkt nach Wilhelmsburg gekommen? A.: Nein, nein, ich bin erst ... mein Bruder war (während der letzten Kriegsjahre) in der Luftfahrtsforschungsanstalt (in Braunschweig) tätig, weil er Ingenieur war, und hat da gearbeitet. Er war von der Luftwaffe wegkommandiert worden, weil er bei irgendeinem Gerät - von einem abgestürzten englischen Flugzeug - eine Verbesserung gemacht hatte. Seine Addresse in Braunschweig war unsere einzige Anschrift in Deutschland. Ich kam im November 1945 dahin. Vorher war ich zusammen mit meiner Freundin unterwegs auf einem Lastwagen, der mit Fahrrädern und Lebensmitteln beladen war. Die Tschechen haben uns Deutschen nach Kriegsende alles weggenommen und uns über die Grenze geschafft. Dann habe ich bei Braunschweig meinen Bruder wieder getroffen. Danach habe ich bis 1948 in der Landwirtschaft auf dem Feld arbeiten müssen. 1948, im März, kam ich zur Vorstellung nach Hamburg, zum Herrn Dechant (Krieter). Mit meiner Anstellung als Lehrerin hat es geklappt. Der Dechant hat mit der Schulbehörde verhandelt, und dann bin ich zum 1. April 1948 eingestellt worden. Als ich mich vorgestellt habe, sagte der Dechant: „Und wissen Sie auch, dass das Ideal für eine katholische Lehrerin die Ehelosigkeit ist?“ Ich weiß nicht mehr, was ich darauf geantwortet habe. Als ich mich dann später mit meinem Mann (der ebenfalls Lehrer an der Bonifatiusschule war) angefreundet habe, haben wir beiden uns nur abends - in der Dunkelheit - getroffen.

Abb.. 7: Das Lehrerkollegium der Katholischen Schule Wilhelmsburg im Jahre 1951 bei der Verabschiedung von Frl. Rahlfs.

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Wir sind an der Trasse der Reichsstraße, die damals im Bau war, spazieren gegangen. Der Dechant sollte zunächst nichts von uns erfahren. Aber irgendwie hat der Dechant es dann aber doch erfahren. Er hat dann wohl Rektor Nolte angesprochen: „ Ich glaube, da bahnt sich etwas an.“ Herr Nolte fand das aber wohl ganz gut und hat nichts zu uns gesagt. (Unser Kollegium), das war ein ganz altes Kollegium, wie Sie es auf dem Bild ja gesehen haben.

Abb. 8: Das Lehrerkollegium der Katholischen Schule Wilhelmsburg im Jahre 1958 bei der Verabschiedung von Frau Braumann, Frl. Kraushaar und Herrn Beirowski

Es gab mehrere alte Kolleginnen, die nach dem Lehrerinnenideal der alten Zeit wirklich unverheiratet geblieben waren. Und da waren wir drei Jüngeren, die haben Sie auch noch gekannt: Frl. Matzen, die kam aus Heide, Frl. Redepenning und ich. Wir drei mussten dann natürlich irgendwie untergebracht werden. Also da, das muss ich sagen, hat sich der Herr Dechant rührend um uns gekümmert. In der „Alten Schule“, ganz oben, unterm Dach, waren ein großer Raum und zwei Seitenzimmer. Dort wurden Frl. Matzen und ich untergebracht. Und Maria Redepenning hat irgendwo anders in diesem Haus einen Raum gekriegt. Unseren großen Raum konnte man nur schlecht beheizen. Es gab nur einen alten Ofen. Es war kalt, und dann konnten wir ins Pfarrhaus gehen und konnten uns Torf holen. Also da hat der Dechant schon sehr gut für uns gesorgt. Also wirklich, so uneigennützig! Er ist selbst zu uns raufgestiegen und hat sich angeschaut, ob das alles gut ging. Ich habe dann auch von irgendwoher eine Matratze gekriegt, und der Dechant hat für einen Tisch gesorgt. Den hat er über Herrn Ciuda, (der in Wilhelmsburg eine Tischlerei hatte) angeschafft. Also der Dechant hat sich rührend um uns gekümmert! Das muss ich sagen! Und so habe ich ihn eigentlich in Erinnerung, so selbstlos und für sich selbst so bescheiden. Also, das sind meine Eindrücke bis heute. Später hatte ich ja mit ihm nicht mehr viel zu tun, höchstens durch den Religionsunterricht, wenn er in die Schule kam. Das wurde dann aber anders, als die Kapläne kamen, und die Kapläne den Unterricht in der Schule übernahmen. Ansonsten war ja immer (der Rektor) Herr Nolte derjenige, der mit Herrn Dechant alles verhandelt hat. 8

Kt.: Noch einmal zu der „Alten Schule“! Das Gebäude hatte ja schwere Bombenschäden erlitten und war nach Kriegsende nur notdürftig nutzbar gemacht worden. Ganz unten in dem Haus war nach 1945 das Pfarrbüro eingerichtet worden, nicht wahr? A.: Ja, rechts unten, wenn man reinkam, rechts! Kt. : Im Pfarrbüro wohnte und arbeitete die Pfarrsekretärin, Frau Spiegel. Zu der haben Sie wohl nur wenig Kontakt gehabt? A.:Ganz im Gegenteil, viel Kontakt hatten wir! Wir haben damals doch noch unser Gehalt bei ihr abgeholt. Und Frau Spiegel! Also, was die immer so vom Herrn Dechant erzählt hat! Also, „Herr Dechant, Herr Dechant, Herr Dechant!“, das waren ihre ständigen Worte. Sagen Sie `mal, lebt die Frau Spiegel noch? Kt.: Das ist unwahrscheinlich. Ich weiß gar nicht, wo sie geblieben ist. Ich weiß nur, dass Frau Spiegel 1961 in den Ruhestand gegangen ist, im selben Jahr wie Dechant Krieter. A.: Später war es so, dass wir unser Gehalt überwiesen bekamen, auf unser Postscheckkonto. Aber davor haben alle Lehrkräfte ihr Gehalt bei Frau Spiegel abgeholt. Das hat gut geklappt. Über dem Pfarrbüro wohnte in der „Alten Schule“ die Familie Nolte, gegenüber Dr. Heimann vom Krankenhaus „Groß-Sand“. Über Noltes haben zuerst zwei Nonnen gewohnt und, als die weg waren, wohnten da Frau Kraushaar und ihre Schwester. 1952 haben wir (Herr Johannes Adamczyk und Frau Adamczyk) geheiratet. Da haben wir die Wohnung über der Wohnung des Dr. Heimann bekommen. Dass mein (Mann) Hans und ich diese Wohnung gekriegt haben, dazu muss ich sagen, das haben wir auch dem Herrn Dechant und Herrn Nolte zu verdanken. Der Dr. Heimann hätte es nämlich gern gesehen, wenn die Wohnung an einen Arzt des Krankenhauses vergeben worden wäre.

Abb. 9: Die „Alte Schule“ auf einem Foto aus dem Jahre 1933

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Kt.: War Herr Nolte eigentlich schon Rektor, als Sie an der Bonifatiusschule als Lehrerin angefangen haben? A.: Nein, da war als Rektor noch Herr Rohde da - ein Jahr lang oder etwas länger. Ganz genau weiß ich nicht, wann Herr Nolte gekommen ist. Kt.: Herr Nolte wurde von Dechant Krieter aus Hamburg geholt ... A.: Ja, als Herr Nolte da war, hat der Dechant sich selbst nicht mehr so viel um die Schule kümmern müssen. Er hat immer mit Herrn Nolte verhandelt. Und ich glaube, Herr Nolte hat alles im Sinne vom Herrn Dechant gemacht. Damit war Herr Dechant sicher zufrieden, denn Herr Nolte hat ja sehr viel erreicht. Da ging es doch damals um die Lehrergehälter, um die 80 oder 90 Prozent (die von der Schulbehörde Hamburgs bezahlt werden sollten). Herr Nolte war damals der Vorsitzende des (katholischen) Lehrerverbandes und hat sehr viel verhandelt. Ich glaube, da war der Dechant dem Herrn Nolte dankbar, dass der ihm das alles abgenommen hat. Aber die Wiedereröffnung der Katholischen Schule (nach der nationalsozialistischen Zeit), das war ein Verdienst vom Herrn Dechant! Dass die Katholische Schule vor dem Krieg schon bestanden hatte, das habe ich von meiner Kollegin, Frau Kraushaar, erfahren, (die schon vor dem Krieg Lehrerin an der Bonifatiusschule gewesen war). Kt.: Kam der Dechant zum Religionsunterricht in die Schule? A.: Am Anfang ja, später haben die Kapläne den Religionsunterricht gegeben. Kt.: Ich habe im Jahre 1952 selbst die Bonifatiusschule besucht. Was mich damals sehr gestört hat, war, dass die Schüler gemeinschaftlich zum Beichten in die Kirche geführt wurden, während der Schulzeit! Das fand ich schrecklich! A.: Ja, aber wissen Sie, da war Herr Dechant noch von der ganz alten Schule! Und auch die Lehrer noch! Da standen ja Frau Kraushaar und die anderen älteren Kolleginnen und Kollegen hundertprozentig dahinter! Aber das glaube ich, dass Sie das gestört hat. Kt.: War die Schulmesse eigentlich eine „Zwangsschulmesse“? A.: Na, „Zwangsschulmesse“ würde ich das nicht nennen! Wir haben zweimal pro Woche eine Schulmesse gehabt. Und wir Lehrkräfte haben unsere Schüler immer am Tag vorher auf die Schulmesse aufmerksam gemacht. Die Schulmesse fand immer um viertel nach sieben (Uhr) - vor dem Unterricht - statt, und das war schon ein bisschen Abb. 10 : Rektor Wilhelm früh! Von der Kirche sind wir (Lehrkräfte und die Rohde Schulkinder) dann gleich in die Schule gegangen. Der Besuch der Schulmesse war natürlich auch für die Lehrkräfte verpflichtend, denn man kann den Besuch der Schulmesse ja nicht von den Schülern verlangen, wenn man selbst nicht da ist. Ich selbst habe nicht nachgezählt, wer (aus meiner Schulklasse) zur Schulmesse gekommen ist. Es sollen aber einige Lehrkräfte ihre Schüler gezählt haben. Einige Lehrkräfte sollen auch abgefragt haben, wer sonntags in der Messe gewesen war und wer nicht hingegangen war.

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Kt.: Ist der Dechant eigentlich bei Feiern des Lehrerkollegiums anwesend gewesen? A.: Er hat `mal schnell reingeguckt. Wir haben damals mit Herrn Nolte vom Kollegium aus zum Beispiel Fasching gefeiert. Da hat der Dechant `mal reingeguckt und ist dann aber bald wieder gegangen. Er ist nie lange geblieben, aber immerhin, er ist da gewesen, doch, doch! Kt.: Die Fronleichnamsprozessionen wurden sicher auch von der Schule vorbereitet und getragen. A.: Ja, eigentlich ja! Damals waren die Feierlichkeiten nicht nur auf dem Schulhof. Wir sind noch über die Straße gegangen! Da war noch das alte zerstörte Gemeindehaus da, in dem der (Hausmeister) Herr Czys mit seiner Familie wohnte. Dahin sind wir mit der Prozession hingezogen, über die Straße! Während der Prozession war auch Polizei da, die den Verkehr absperrte. Seit wann wir die Fronleichnamfeier in der Gemeinde nur noch auf dem Schulhof gefeiert haben, weiß ich nicht. Eine genaue Jahreszahl kann ich Ihnen (in diesem Zusammenhang) nicht sagen. Aber wie die Altäre vorbereitet wurden, und wie mein Mann geholfen hat beim Altaraufbau auf dem Schulhof, daran erinnere ich mich genau, z.B. wie das Zelt (über dem Altar) entworfen wurde und wie das Kreuz aussah. Das weiß ich noch ganz genau. Kt.: Wie war in der älteren Zeit die Sitzordnung der Kinder und der erwachsenen Gläubigen während des Gottesdienstes? A.: Na ja, damals hatten wir ja noch nach Jungen und Mädchen getrennte Schulklassen. Die Klasse, die Sie selbst in der Bonifatiusschule besucht haben, war ja auch noch eine reine Jungenklasse! Aber es gab auch schon eine gemischte Klasse, die hatte Frl. Redepenning. In der Kirche waren die Schüler auch getrennt! Die Mädchen saßen links, und die Jungen saßen rechts. Also das war schon so. Kt.: Gab es bei den Erwachsenen auch eine Trennung? A.: Das glaube ich nicht. Aber komischerweise setze ich mich - auch heute noch - in der Kirche immer links hin. (Frau A. lacht) Das steckt wohl so drin! Kt.: Glauben Sie, dass die Organisation des Gottesdienstes durch den Dechanten und seine Pädagogik insgesamt etwas „vom alten Stil“ waren? A.: Das glaube ich! Aber wissen Sie, er war für mich so ein natürlich frommer Mann. Also mich hat das nicht gestört! Kt.: War Dechant Krieter ein besonders guter Redner? A.: Also ich hatte an seinen Predigten nichts auszusetzen, wenn ich jetzt so überlege. Er erschien mir da auch „menschlich“. Natürlich war er vielleicht ein bisschen „orthodox“ oder wie man das heute nennen will - starr in seinen Ansichten. Aber das ist aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Er war ja auch nicht mehr so jung! (Dechant Krieter wurde im Jahre 1890 geboren.) Aber man hat bei ihm immer die „menschliche Seite“ gespürt. Auch - glaube ich - wenn er mit Eltern oder Müttern gesprochen hat, merkte man, dass er immer hilfsbereit war, selbstlos! Kt.: Ein guter Sänger- beim Gottesdienst- war er wohl auch nicht. A.: Das war er sicher nicht. Wissen Sie, er war ja überhaupt ein stiller Mann. Pathos lag ihm nicht, auch beim Predigen nicht! Aber das ist ja viel besser, natürlich und menschlich zu sein. Kt.: Wissen Sie, ob der Dechant viel zu Besuch in die Familien gegangen ist? A.: Wenn Erstkommunion war oder so etwas, dann hat er wohl Besuche in den Familien gemacht, das kann ich mir gut vorstellen; aber immer nur kurze Zeit, denn sonst wäre er ja überhaupt nicht überall hingekommen.

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