ALT UND JUNG - EINE KINDERTAGESSTÄTTE IM SENIORENHEIM

Begegnungsmöglichkeiten zwischen Kindern und Senioren gefragt ... gebend für die Gegenwart und Zukunft vieler alter und junger Menschen sein kann.
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ALT UND JUNG - EINE KINDERTAGESSTÄTTE IM SENIORENHEIM

EIN GEMEINSAMES PROJEKT DES ÖJAB-HAUSES WIEN-NEUMARGARETEN UND KINDERCOMPANY Begegnungsmöglichkeiten zwischen Kindern und Senioren gefragt Veränderungen der demographischen Situation wie z. B. steigende Lebenserwartung, geringere Geburtenrate, Patchworkfamilien, berufsbedingt erzwungene Mobilität, die zu großen Entfernungen zwischen den Wohnorten von Familienmitgliedern führt, bringt es mit sich, dass sich immer mehr Aufgaben und Funktionen, die bisher die Familie ausgefüllt hat, auf andere Institutionen verlagern. Alte Menschen sind aus diesen Gründen oft nicht mehr ins Familienleben integriert. Kinder wachsen auf ohne die Erfahrung von Großeltern. Jene Senioren - die hochbetagt alleine oder in einer Einrichtungen leben, verschwinden aus dem öffentlichen Leben und werden zu einer Randgruppe. Zu einer Randgruppe werden auch die Kinder, die nicht nur weniger an der Zahl als in früheren Jahren - zudem oft keine Möglichkeit der Begegnung mit alten Menschen haben und dadurch keinerlei Beziehung zu diesen aufbauen können. Dadurch fehlt beiden Seiten die Möglichkeit, viele für das Leben wichtige Erfahrungen zu sammeln. Ein Nebeneinander der Generationen entsteht, Vorurteile werden gefördert, Ängste geschürt. Aus der Erfahrung, dass die Großfamilien geringer werden und deshalb Kinder wenig Kontakt mit Großeltern oder älteren Menschen haben, wurde in den Jahren 2000 und 2003 im ÖJAB-Haus Neumargareten (einem Pensionisten- und Pflegeheim der Österreichischen Jungarbeiterbewegung) und in Zusammenarbeit mit der kindercompany, einem Verein, der in Wien mehrere Kindergärten betreibt, ein besonderes Projekt gestartet, nämlich einen Kindergarten in ein Seniorenheim zu integrieren. Damit wurde ein Begegnungsrahmen für Alt und Jung geschaffen, der beispielgebend für die Gegenwart und Zukunft vieler alter und junger Menschen sein kann. Der integrierte Kindergarten ermöglicht die Begegnung zwischen Alt und Jung, die in den Familien oft nicht mehr gegeben ist und fördert Lebenskompetenzen sowohl für Kinder als auch für Senioren. Der Kindergarten im Seniorenheim Der Kindergarten befindet sich im ersten Stock des Heimes. Dadurch kommt es bereits - unabhängig von Angeboten und Aktivitäten - immer wieder im Eingangsbereich, im Garten, auf Gängen zu spontanen Begegnungen zwischen Kindern und Heimbewohnern Bei den geplanten Aktivitäten steht ausgleichendes Geben und Nehmen im Vordergrund: Alte Menschen tun etwas für Kinder, Kinder tun etwas für alte Menschen, beide tun etwas gemeinsam. Anknüpfungspunkte für gemeinsames Tun ergeben sich durch die Angebote des Hauses für die Senioren, wie z. B. Singrunde, Bastelrunde, Kochen und Turnstunde. Besuchsnachmittage im Kindergarten beziehen die Senioren in den Alltag der Kinder ein und bieten die Möglichkeit zu Gespräch, Kennenlernen, Freundschaften zu knüpfen und - für die alten Menschen nicht unwichtig, aus ihrem Leben erzählen und Kinderlieder singen zu können. Dabei nimmt man sich so an, wie man ist. So entstehen spontane Gespräche, ein Miteinander und ein unkomplizierter Austausch zwischen der Lebenswelt von Kindern und Senioren und ihren Eigenheiten. Wichtig ist, dabei auf Rückzugsmöglichkeiten zu achten bzw. solche bereit zustellen. - Gemeinsame Unternehmungen lehrt die Praxis - erfordern verlässliche Planung und Absprachen zwischen dem Personal des Kindergartens und des Seniorenheimes. Daher sind regelmäßige Team- und Mitarbeiterbesprechungen unerlässlich. Beobachtungen und Möglichkeiten Kinder - so eine weit verbreitete Meinung - sind laut und stören deshalb die alten Menschen, die ihre Ruhe möchten. Daher sollte man sie möglichst von ihnen fernhalten. Die alltägliche Praxis zeigt aber das Gegenteil. Natürlich sind gesunde Kinder spontane, aufgeweckte und offene Wesen. Sie können aber auch unkompliziert auf andere Menschen zu gehen und diese aus ihrer Zurückgezogenheit und Reserve locken. Alte Menschen fühlen sich oft in ihrem Alleinsein nicht wohl und wünschen sich Abwechslung und Leben. Es ist schön zu beobachten, was kindliche Neugierde, Lebenslust und ein Kinderlachen unter den alten Menschen bewirken! Nicht zu unterschätzen sind die Möglichkeiten, mit Kindern Themen wie Krankheit, Hinfälligkeit, Hilfsbedürftigkeit, Vergänglichkeit und Tod ungezwungen und als zum Leben zugehörig zu besprechen. Wichtig ist, dass beim gemeinsamen Tun Rückzugsmöglichkeiten bestehen, die die älteren Menschen jederzeit aufsuchen können. Aber auch die Kinder brauchen immer wieder einen Ruhepol. Auch sie möchten sich einmal zurückziehen, die Welt aus einem geschütz-

ten Bereich beobachten, um dann wieder aktiv zu sein und zu spielen. Spielen ist die besondere Lernform des Kindes. Durch das gemeinsame Tun erfahren sowohl Kinder wie Senioren Selbstbestätigung, lernen Rücksichtnahme, aufeinander eingehen und sich gegenseitig schätzen. Ein Schritt zum positiven Altern Der Kindergarten im Seniorenheim verbindet. Die Senioren erhalten wieder ein Lebensziel, eine Aufgabe, erleben mehr Fröhlichkeit, und die Kinder finden Zugang zu alten Menschen. Kinder mit Erfahrungen im intergenerativen Bereich sehen ihn ihm nicht nur einen alten, gebückten Menschen, sondern auch seine Stärken. Ein Beispiel: Ein Kind eines Geschwisterpaares besuchte einen Integrationskindergarten, das andere den Kindergarten außerhalb des Seniorenwohnheims. Als die Mutter mit ihren Kindern auf der Straße spazieren ging, sahen sie eine Bewohnerin des Seniorenheims. Ein Kind sagte: Schau, da vorn geht eine alte Hexe. Das andere Kind entgegnete: Nein, das ist eine Bewohnerin aus unserem Seniorenheim. Mit der hab ich einen Kuchen gebacken, und sie kann das voll gut! Vieles, was für das Alter wichtig ist und dem in jüngeren Jahren kaum Beachtung geschenkt wird, wird bereits im Kindes- und Jugendlichenalter angelegt. Kontaktfähigkeit, Toleranz, Gemeinschaftsfähigkeit erhalten auch Blick auf die steigende Lebenserwartung immer größere Bedeutung für die eigene Lebensqualität. Dies stellt die Erziehung und auch den Kindergarten vor neue Aufgaben. Die intergenerative Ausrichtung des Kindergartenkonzepts ist dazu ein wesentlicher Beitrag. Der Weg der Zukunft auch in der Seniorenpastoral Die heutige Seniorenarbeit nimmt die älteren Menschen nicht mehr nur als Gruppe in den Blick, sondern immer mehr auch in ihren vielfältigen Beziehungen zu anderen Altersgruppen. Daher fördert sie generationenübergreifende Kontakte und Beziehungen. Pfarren sind seit jeher ein Ort, an dem Beziehungen vielfältig gelebt werden. Sie leisten wichtige Beiträge zu einer Beziehungskultur und Beziehungspflege. Über den Kindergarten und Hort hinaus ist eine Pfarre durch ihre Kinder-, Jugend- und Seniorengruppen, besonders auch durch den gemeinsamen Gottesdienst ein Ort der Generationenbegegnung wie kein anderer. Diese Chance sollte zum Vorteil aller genutzt werden! Gemeinsames Symposion Das Anliegen eines solidarischen Miteinander der Generationen war Thema eines Symposions, das vom Fachbereich Seniorenpastoral Wien und der ÖJAB am 2. Oktober 2009 unter dem Titel „Generationen Miteinander. Der Dialog der Generationen - die Chance für eine solidarische Welt“ gemeinsam veranstaltet wurde. Dort wurde auch das Projekt „Kindergarten im Seniorenheim“ vorgestellt. Dazu gibt es einen Bericht, der die Grundlage für obenstehende Text darstellt: Bericht zum Projekt Kindergaren im Seniorenheim Elisabeth Grabenhofer: Alt und Jung. Eine Kita im Seniorenheim. Weimar-Berlin (verlag das netz) 2009, ISBN 978-3-86892-018-5, € 7,90 Der Bericht enthält die Vorüberlegungen, den Werdegang des Projektes und ein Resümee von der Zeit des Beginnes im Jahr 2000 bis heute und gibt einen anschaulichen Einblick in den das Alltagsgeschehen des Kindergartens im Heim. Er ist gehalten in lebendiger Sprache, aufgelockert durch viele Dialoge und Wortmeldungen, liebevoll gestaltet durch zahlreiche Bilder sowie durch Kinderzeichungen und dadurch ein Beleg dafür, dass Jung und Alt, Kinder und Senioren nicht nur unter einem Dach leben können, sondern sich viel zu sagen haben. Er berichtet nicht nur über ein zukunftsweisendes Projekt, sondern nimmt den Trägern von Kindertagesstätten und Seniorenheimen die Scheu vor neuen Wegen und ermutigt die Leiterinnen und Leiter von Kinder- und von Seniorengruppen zu gemeinsamem Tun.