5. Ist der Papst unfehlbar? - Auer Verlag

Der Youcat stellt die Frage „Ist der Papst wirklich ... der Kirche die besondere Stellung der Kirche von .... „Aber … ich bin der Stellvertreter Gottes auf Erden!“.
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Sachanalytische Aspekte • Der Youcat stellt die Frage „Ist der Papst wirklich unfehlbar?“ 1 und beantwortet sie aus Sicht der kirchlichen Lehre in sachlich richtiger Form (s.d. B 2). Hinweise auf die geschichtliche Entwicklung des Primats – besonders die unterschiedlichen Akzentsetzungen der beiden vatikanischen Konzilien –, die Problematik des Judisdiktionsprimats und die damit verbundenen Schwierigkeiten der ökumenischen Verständigung fehlen allerdings. • Der KEK kommt sofort auf die Ambivalenz des Themas zu sprechen: „Während die anderen Kirchen und Kirchengemeinschaften darin ein schweres Hindernis für die ökumenische Verständigung sehen, sieht die katholische Kirche darin einen besonders wichtigen Dienst der Einheit in der Kirche.“ 2 Dann wird der Begriff des Papsttums präzisiert: „Um das bleibend Gültige vom geschichtlich Wandelbaren beim Papsttum zu unterscheiden, spricht man heute meist vom Petrusamt. Damit ist der biblische Grund von Primat und Unfehlbarkeit des Papsttums angegeben.“ 3 Der biblische Grund des Petrusamtes wird anschließend ausführlich dargelegt und am Ende heißt es: „Es gibt also schon innerhalb des Neuen Testaments Hinweise für eine Fortdauer der Funktion des Petrus als Felsengrund der Kirche und als bleibender Garant des Glaubens (vgl. Lk 22,32).“ 4 Nach Darstellung des KEK belegt die Geschichte der Kirche die besondere Stellung der Kirche von Rom von Beginn an. „Sei es, dass man Rom als Entscheidungsinstanz anrief oder dass es selbst die Initiative ergriff, Rom wusste sich in besonderer Weise verantwortlich für die universale Kirche.“ 5 Allerdings werden im weiteren Verlauf auch die Probleme des universalen Anspruchs des Bischofs von Rom benannt. „Für die orthodoxen Kirchen des Ostens ist der Primatsanspruch des Bischofs von Rom bis heute der entscheidende Grund für die Aufrechterhaltung der Kirchentrennung von 1054.“ 6 Nach der Darstellung der Aussagen der beiden vatikanischen Konzilien heißt es:„Die beiden Dogmen des I. Vatikanischen Konzils stellen den 1 2 3 4 5 6

Youcat Frage 143 KEK B. 1, 301 KEK B. 1, 301 KEK B. 1, 303 KEK B. 1, 303 KEK B. 1, 303

Abschluss einer langen geschichtlichen Entwicklung auf der Grundlage des Offenbarungszeugnisses der Heiligen Schrift dar. Wie nicht zuletzt das II. Vatikanische Konzil zeigt, ist die Geschichte des Papsttums mit dem I. Vatikanum jedoch nicht zu Ende, sondern zugleich an einen neuen Anfang gekommen. […] Man kann und muss vielmehr die wesentlichen und bleibenden Funktionen des Petrusamtes unterscheiden von den viel weitergehenden geschichtlich gewachsenen Funktionen, die der Papst vor allem als Patriarch der lateinischen Kirche innehat.“ 7 • So problembewusst die Ausführungen des KEK durchaus sind, so kann seiner bibeltheologischen und kirchengeschichtlichen Sicht teilweise auch widersprochen werden. Es gibt Exegeten, die bezweifeln, dass Jesus einen Auftrag an Petrus erteilt hat, der als Amt weitergegeben werden sollte. Zumindest hat die Kirche der ersten 200 Jahre das Wort Jesu so nicht verstanden. Noch am Ende des 1. Jahrhunderts wurde Rom von einem Presbyterium, einem Kollektiv, geleitet, während sich sonst in der christlich werdenden Welt schon der Einzelbischof als Leiter einer Gemeinde durchgesetzt hatte. Es gibt für die ersten zwei Jahrhunderte auch keine historisch verlässlich bezeugte Liste der Bischöfe von Rom. Erst im Jahr 256 beruft sich zum ersten Mal ein Bischof von Rom – Stephan I. – auf die Petrus-Stelle im Matthäus-Evangelium und interveniert in einem Streit mit der afrikanischen Kirche, indem er bestimmt: Taufe ist Taufe, auch wenn sie von einem Häretiker gespendet wurde. Nicht vergessen werden darf, dass die entscheidenden theologischen Konflikte in der alten Kirche auf ostkirchlichen Synoden (325 n. Chr.: Konzil von Nicäa; 381 n. Chr.: 1. Konzil von Konstantinopel; 431 n. Chr.: Konzil von Ephesus; 451 n. Chr.: Konzil von Chalcedon) entschieden wurden. Der Einfluss der römischen Kirche auf die Konzilsentscheidungen war höchst begrenzt. Rom nahm meist Einfluss im Vorfeld und bestätigte die ostkirchlichen Ergebnisse durch eigene römische Synoden.

Vorbereitung • Zwei Sch bereiten das „Interview mit Christian Weisner, KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ (B 4) als Rollengespräch vor. 7 KEK B. 1, 305 f.

42 5. Ist der Papst unfehlbar? Aus dem Werk 07573 "Tabuthemen im Religionsunterricht" BN: 07573 – Auer Verlag - AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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5. Ist der Papst unfehlbar?

Motivation / Themenfindung • L erzählt Papstwitz „Der Papst stirbt und kommt an die Himmelstür.“ (B 1)

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• L: Die Kirche hat tatsächlich ganz klein angefangen, sich aber zur größten Religion der Welt entwickelt. Manchen erscheint die heutige Kirche sogar zu groß und mächtig. Ausdruck dieser Größe ist ein Dogma, das dem Papst in Rom unter bestimmten Bedingungen Unfehlbarkeit zuschreibt. Ob die Kirche dieses Zeichen von Größe braucht, davon handelt die heutige Stunde. alternativ • L spielt Video „Was ist ein Papst?“ aus der Videoserie „Katholisch für Anfänger“ vor. Die Serie erklärt auf einfache und humorvolle Art zentrale Begriffe aus Kirche und Christentum. http://www.katholisch. de/de/katholisch/video/video_details.php?id=10814. • L: Was erfahren wir in diesem Video über den Papst? Sch sammeln. L notiert Stichworte an TA: • Staatschef des Vatikanstaates • Chef von 1,2 Milliarden Katholiken • Christi Stellvertreter • Vorgänger: Apostel Petrus und mehr als 250 Päpste • hat das letzte Wort (Leitung der Kirche, Fels, Schlüssel) • Berater = Kardinäle: Papstwahl; unterschiedliche Päpste Aufgaben des Papstes • Bischöfe ernennen • Konflikte verhindern • Missstände anprangern • Glaubensfragen entscheiden • Frohbotschaft verkünden • L unterstreicht / umkreist die Information: „hat das letzte Wort“ und ergänzt: … und ist unfehlbar. Brainstorming. Sch bringen Ideen ein. L notiert Ideen.

Begegnung 1 • L: Manchmal erhebt der Papst tatsächlich den Anspruch, eine unfehlbare Lehre zu verkünden. L erzählt / legt Folie auf / liest vor „Ist der Papst wirklich unfehlbar?“ (Youcat Frage 143) (B 2). Sch (lesen und) nehmen Stellung.

Begegnung 2 • L: Viele Katholiken meinen allerdings, dass das Prinzip der Unfehlbarkeit geschichtlich zu erklä-

ren ist und in der heutigen Zeit neu verstanden werden muss. Die „KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ setzt sich für eine Reform der katholischen Kirche und. Ihr Sprecher hat zur Frage der Unfehlbarkeit Stellung genommen. • Damit ihr das Interview besser versteht, hier ein paar Informationen: L bringt ein / legt als Folie auf „Vorinformationen zum Interview mit Christian Weisner“ (B 3). • Sch tragen „Interview mit Christian Weisner, KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ (B 4) als Rollengespräch vor.

Erarbeitung • L: Was fällt euch spontan ein, wenn ihr das Interview hört? Schreibt einen Tweet oder einen Kommentar zu diesem Interview. L verteilt leere Sprechblasen-Zettel / Folienschnipsel (B 5). alternativ L bringt (einzelne) „Kommentare zum Interview mit Christian Weisner, KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche“ (B 5) ein. Sch nehmen Stellung.

Vertiefung • L: Wenn der Papst unfehlbar ist, ist er sozusagen die oberste Vertrauensperson für die Katholiken.

• L verteilt AB „Wer sind meine Vertrauensperso-

nen?“ (B 6). L: Wem vertraust du am meisten, wenn es um die entscheidenden Fragen des Lebens geht (Wer bin ich? Was ist das Wichtigste im Leben? Was ist der Sinn meines Lebens?)? Erstelle eine Rangfolge. Du kannst auch eigene Vertrauenspersonen finden und eintragen. Gestalte die Pyramide am Ende farbig.

Sicherung • L verteilt AB „Argumente Pro und Contra – Ist der Papst unfehlbar?“ (B 7) Sch finden Contra-Argumente (arbeitsteilige oder -gleiche EA / PA / GA) (vgl. Lösungsvorschläge S. 88).

Abschluss • L: Als die Kardinäle 1958 Johannes XXIII. zum Papst wählten, sagte er kurz nach der Wahl: „Ich bin zwar jetzt unfehlbar, gedenke aber nicht, davon Gebrauch zu machen.“ Dieser Papst wurde ein Papst des Volkes und leitete mit der Einberufung eines Konzils die Reform der Kirche ein. 5. Ist der Papst unfehlbar? 43

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Papstwitz „Der Papst stirbt und kommt an die Himmelstür.“

B1

Der Papst stirbt und kommt an die Himmelstür. Petrus begrüßt ihn und fragt nach seinem Namen. „Ich bin der Papst!“ „Papst, Papst“, murmelt Petrus, „tut mir leid, ich habe niemanden mit diesem Namen in meinem Buch.“ „Aber … ich bin der Stellvertreter Gottes auf Erden!“ „Gott hat einen Stellvertreter auf Erden?“, fragt Petrus verblüfft, „komisch, davon hat er mir gar nichts gesagt.“ Der Papst läuft krebsrot an: „Ich bin das Oberhaupt der katholischen Kirche!“ „Katholische Kirche … nie gehört“, sagt Petrus, „aber warte mal einen Moment, ich frage den Chef.“ Er geht nach hinten in den Himmel und sagt zu Gott: „Du, da ist einer, der sagt, er sei dein Stellvertreter auf Erden. Er heißt Papst. Sagt dir das was?“ „Nein“, sagt Gott, „kenn ich nicht. Weiß ich nichts davon. Aber warte mal, ich frage Jesus. Jeeesus!“ Jesus kommt angerannt: „Ja, Vater, was gibt’s?“ Gott und Petrus erklären ihm die Situation. „Moment“, sagt Jesus, „ich seh mir den mal an. Bin gleich zurück.“ Zehn Minuten später ist er wieder da, Tränen lachend. „Ich fasse es nicht“, japst er, „erinnert ihr euch an den kleinen Fischerverein, den ich vor 2000 Jahren gegründet habe? Den gibt’s immer noch!“ B2

Ja. Aber der Papst spricht nur dann unfehlbar, wenn er in einem feierlichen kirchlichen Akt („ex cathedra“) ein Dogma verkündet, d. h. eine verbindliche Entscheidung in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre fällt. Unfehlbaren Charakter können auch lehramtliche Entscheidungen des Bischofskollegiums in Gemeinschaft mit dem Papst besitzen, z. B. Entscheidungen eines ökumenischen Konzils. Die Unfehlbarkeit des Papstes hat nichts zu tun mit seiner moralischen Integrität und Intelligenz. Unfehlbar ist eigentlich die Kirche, denn Jesus hat ihr den Heiligen Geist verheißen, der sie in der Wahrheit hält und immer tiefer in sie hineinführt. Wenn eine selbstverständliche Glaubenswahrheit plötzlich geleugnet oder missdeutet wird, muss die Kirche eine letzte Stimme haben, die verbindlich sagt, was wahr und was falsch ist. Dies ist die Stimme des Papstes. Als Nachfolger des Petrus und Erster der Bischöfe hat er die Vollmacht, die umstrittene Wahrheit gemäß der Glaubensüberlieferung der Kirche so zu formulieren, dass sie den Gläubigen für alle Zeiten als „sicher zu glauben“ vorgelegt wird. Es heißt dann: Der Papst verkündet ein Dogma. Ein Dogma kann deshalb inhaltlich nie etwas „Neues“ enthalten. Ein solches Dogma wird sehr selten verkündet. Das letzte stammt von 1950. (Youcat 143) 44 5. Ist der Papst unfehlbar? Aus dem Werk 07573 "Tabuthemen im Religionsunterricht" BN: 07573 – Auer Verlag - AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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Ist der Papst wirklich unfehlbar?

Vorinformationen zum Interview mit Christian Weisner

B3

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• „Verlorene weltliche Macht des Papstes“: Über viele Jahrhunderte war

der Papst auch weltlicher Herrscher über ein großes Territorium von Italien, den Kirchenstaat. Im September 1870, während des Ersten Vatikanischen Konzils, lösten Truppen des Freiheitshelden Guiseppe Garibaldi den Kirchenstaat auf. Die Päpste haben diesen weltlichen Machtverlust erst 1929 akzeptiert. • Enzyklika „Humanae vitae“ (1968; „Pillenenzyklika“): Mit dieser Enzyklika bestätigte Papst Paul VI. die Lehre seiner Vorgänger, dass jeder einzelne eheliche Akt nur dann sittlich gut sei, wenn er für die Weitergabe des Lebens offen bleibe. Eine Studienkommission und eine Bischofskommission kamen mehrheitlich zu der Auffassung, dass Antikonzeptionsmittel an sich nicht verwerflich seien. Der Papst schloss sich dann aber einem gegenteiligen Gutachten von (nur) fünf Kardinälen an. • Pius X.­Bruderschaft: Sie wurde 1970 von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet, um an Riten und Lehren der römisch-katholischen Kirche festzuhalten, die das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) aufgegeben hatte. Sie lehnt Konzilsbeschlüsse zur Ökumene, Religionsfreiheit, Kollegialität der Bischöfe, Anerkennung des Judentums als Heilsweg sowie die Liturgiereform ab. • Jurisdiktionsprimat (höchste Gewalt in allen rechtlichen Fragen): Zusammen mit der Lehrgewalt beansprucht der Papst so die hoheitliche Gewalt über die gesamte Weltkirche.

5. Ist der Papst unfehlbar? 45 Aus dem Werk 07573 "Tabuthemen im Religionsunterricht" BN: 07573 – Auer Verlag - AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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Interview mit Christian Weisner, KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

B4

Wie erklären Sie Jugendlichen in wenigen Worten die Unfehlbarkeit des Papstes? Das beim Ersten Vatikanischen Konzil 1870 beschlossene Unfehlbarkeitsdogma ist der Versuch, als Ausgleich für verlorene weltliche Macht dem Papst eine absolute Macht in Glaubens- und Sittenfragen zu verleihen. Theologen deuten die Unfehlbarkeit des Papstes als Versprechen Gottes, dass er die Kirche vor grundlegenden Irrtümern bewahren wird. Was sagen Sie zu dieser Erklärung? Nicht nur Papst, Bischöfe und Priester, sondern alle Getauften und Gefirmten bilden die Kirche. Insofern ist es folgerichtig, dass das Zweite Vatikanische Konzil (1962–65) der Gesamtheit der Gläubigen ebenfalls diese Art der Unfehlbarkeit zugesprochen hat. Was denken Sie persönlich über die Unfehlbarkeit des Papstes? Unfehlbarkeit und auch das päpstliche Lehramt sind erst sehr junge Elemente der römischkatholischen Kirche, die weder aus der Bibel, noch aus der Tradition hergeleitet werden können.

Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes und dem Reformstau, den viele in der katholischen Kirche feststellen? Das Prinzip der Unfehlbarkeit wird bewusst oder unbewusst auch auf andere Aussagen von Papst und Kirchenleitung übertragen, die Angst haben, einmal festgesetzte Lehren nicht entsprechend den Umständen („Zeichen der Zeit“) abändern zu können.

46 5. Ist der Papst unfehlbar? Aus dem Werk 07573 "Tabuthemen im Religionsunterricht" BN: 07573 – Auer Verlag - AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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Im Alltag der Katholiken spielen unfehlbare Lehrentscheidungen des Papstes keine große Rolle. Wieso ist die Lehre der Unfehlbarkeit des Papstes trotzdem ein Problem für die heutige katholische Kirche? Der Begriff der Unfehlbarkeit, gleiches gilt für Dogmen, vermittelt den Eindruck, als ob hier Wahrheiten „für die Ewigkeit“ formuliert würden. Ein Blick in die 2000-jährige Kirchengeschichte zeigt jedoch, dass vieles, was einmal als absolut formuliert worden ist, heute anders zu beurteilen ist oder gar keine Rolle mehr spielt.

Die Unfehlbarkeit des Papstes bewahrt die Päpste nicht vor Irrtümern in praktischen Fragen der Leitung der Kirche. Welche Irrtümer von Päpsten der letzten 50 Jahre waren für Sie besonders bedauernswert? Bei der Enzyklika „Humanae vitae“ (1968; zur künstlichen Geburtenregelung etc.) ist der damalige Papst nicht den Beratungsgremien gefolgt. Bei der Wiederzulassung der Pius X.-Bruderschaft (2009; sie lehnt das Zweite Vatikanische Konzil ab) erfolgte keine Beratung. In beiden Fällen wurde nicht dem Dialog- und Kollegialitätsprinzip des Zweiten Vatikanischen Konzil entsprochen – mit sehr negativen Folgen in der kirchlichen und nicht-kirchlichen Öffentlichkeit. Für evangelische Christen ist die Unfehlbarkeit des Papstes ein großes Hindernis auf dem Weg zur Einheit der Christen. Wie sollte man mit diesem Hindernis umgehen, damit mehr Ökume­ ne möglich wird? Die absolute Vorrangstellung (Jurisdiktionsprimat) des „Bischofs von Rom“ als Papst der römisch-katholischen Kirche („von oben“) entspricht nicht dem synodalen Verständnis der Kirchen der Reformation („von unten“). Auch die römisch-katholische Kirche braucht, wie die Urkirche, wieder mehr synodale Gremien oder Konzilien, die die Gesamtheit der Kirchenmitglieder repräsentieren und Entscheidungsbefugnis haben. Wünschen Sie sich für eine ferne Zukunft einen Papst, der auf die Unfehlbarkeit verzichtet und doch der Sprecher aller Christen ist? In der Realität spielt der Unfehlbarkeitsanspruch keine Rolle mehr und sollte deshalb von der römisch-katholischen Kirche aufgegeben werden. Dies gilt genauso für den Alleinvertretungsanspruch der katholischen Kirche.

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Welchen Tipp geben Sie Papst Franziskus, wenn er zur Unfehlbarkeit des Papstes gefragt würde. Mit Aussagen wie „Wer bin ich, zu urteilen …“ hat Franziskus schon bei verschiedenen Fragen auf die formale Autorität päpstlicher Aussagen verzichtet. Dies sollte er sehr bald auch im Kirchenrecht umsetzen.

5. Ist der Papst unfehlbar? 47 Aus dem Werk 07573 "Tabuthemen im Religionsunterricht" BN: 07573 – Auer Verlag - AAP Lehrerfachverlage GmbH, Donauwörth

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Kommentare zum Interview mit Christian Weisner (KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche)

B5

Wenn das Kirchliche Lehramt das Interview liest, wird es Herrn Weisner bestimmt nach Rom zum Verhör bestellen.

In der Bibel steht deutlich, dass die Leitungsaufgaben des Petrus an einen Nachfolger übergehen sollen, wenn Petrus gestorben ist (Mt 16,18).

Früher hatten die Könige die volle Macht. Heute sind sie nur noch symbolische Oberhäupter. So eine Art symbolisches Oberhaupt der Kirche sollte auch der Papst sein.

Das Amt des Papstes gehört abgeschafft. Was Christen glauben, das sollen sie selbst entscheiden. Wozu braucht man einen Papst?

Wenn Kritiker des Papstes zu einer Privataudienz beim Papst eingeladen werden, knien viele bestimmt auch nieder und küssen seinen Ring.

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Ich finde, alle Christen auf der Welt sollten ein gewähltes Oberhaupt haben, das für alle sprechen kann.

Wenn die Einheit der Kirche wirklich davon abhängt, welche Machtbefugnisse der Papst hat, sollte er auf bestimmte Machtbefugnisse verzichten.

Wer sind meine Vertrauenspersonen? Vertrauenspyramide

B6

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Wem vertraust du am meisten, wenn es um die entscheidenden Fragen des Lebens geht (Wer bin ich? Was ist das Wichtigste im Leben? Was ist der Sinn meines Lebens?)? Erstelle eine Rangfolge. Du kannst auch eigene Vertrauenspersonen finden und eintragen. Gestalte die Pyramide am Ende farbig.

Bruder

Bücher

Eltern

Facebook

Fernsehen

Freund

Freundin

Geschwister

Gott

Internet

Jesus

Kunst

Lehrer

Ich selbst

Mutter

niemand

Onkel

Papst

Philosoph

Politiker

Priester

Schwester

Tante

Vater

Verwandte

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Argumente Pro und Contra Ist der Papst unfehlbar? Argumente Pro

B7

Argumente Contra

Jesus hat Petrus zum Fels der Kirche erklärt und ihm die Leitung der Kirche übertragen (Schlüsselgewalt).

Unfehlbar ist der Papst nur in ganz bestimmten Fällen, wenn er ausdrücklich eine zentrale Glaubenswahrheit verkünden will. Die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes meint eigentlich: Gott lässt die Kirche nicht in die Irre gehen.

Die Päpste brauchen die Unfehlbarkeit, um die Weltkirche wirksam zu leiten.

Die Päpste brauchen die Unfehlbarkeit, um von den Gläubigen respektiert zu werden.

Päpste nehmen die Unfehlbarkeit entweder gar nicht oder höchst selten in Anspruch.

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Die Kirche braucht unfehlbare Glaubensaussagen, die für alle Zeiten wahr sind.

88 Lösungsvorschläge

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Das ist theoretisch richtig. Aber auch die eingeschränkte Unfehlbarkeit führt in der Wirklichkeit zu einer zentralistischen und autoritären Kirche. Eine solche Zuspitzung kann sehr leicht missverstanden oder sogar missbraucht werden. Daher ist sie nicht nötig.

Unfehlbar ist der Papst nur in ganz bestimmten Fällen, wenn er ausdrücklich eine zentrale Glaubenswahrheit verkünden will.

Die Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes meint eigentlich: Gott lässt die Kirche nicht in die Irre gehen.

Das ist gut so! Aber die Unfehlbarkeit hat trotzdem viele negative Konsequenzen, z. B. ist sie ein großes Hindernis in der Ökumene.

Päpste nehmen die Unfehlbarkeit entweder gar nicht oder höchst selten in Anspruch.

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Respekt gewinnt man durch wahre Menschlichkeit. Tatsächlich haben Päpste sich auch oft geirrt.

Die Päpste brauchen die Unfehlbarkeit, um von den Gläubigen respektiert zu werden.

Das geht auch ohne Unfehlbarkeit. Manche Theologen sagen sogar: Ursprünglich wollte sich der Papst nur einen Ausgleich für verlorene weltliche Macht (Kirchenstaat) verschaffen. Die Kirche braucht unfehlbare Glaubens- Auch Glaubensaussagen sind zeitbedingt aussagen, die für alle Zeiten wahr sind. und müssen immer wieder neu verstanden werden.

Jesus hat aber nicht gesagt, dass das Amt des Petrus auf seine Nachfolger übergehen soll.

Jesus hat Petrus zum Fels der Kirche erklärt und ihm die Leitung der Kirche übertragen (Schlüsselgewalt).

Die Päpste brauchen die Unfehlbarkeit, um die Weltkirche wirksam zu leiten.

Argumente Contra

Argumente Pro

Argumente Pro und Contra Ist der Papst unfehlbar?

Seite 50: Ist der Papst unfehlbar?

Die konkrete Ausgestaltung der Ämter ist geschichtlich gewachsen, und zwar immer auch in Anlehnung an profane Formen.

Das Amt des Papstes und die Ämter der Bischöfe, Priester und Diakone gehen auf Jesus zurück und wurden ihm begründet.

Der Glaubenssinn der Gläubigen darf nicht mit der Mehrheitsmeinung gleichgesetzt werden.

Mehrheitsmeinungen der Gläubigen sind ein sehr wichtiges Instrument, um den Glaubenssinn ermitteln.

Wie in der heutigen Zeit das Evangelium Die Kirche lehrt, dass alle Gläubigen den gelebt werden soll, entscheidet das kirch- sogenannten Glaubenssinn haben. Er liche Lehramt, also Papst und Bischöfe befähigt die Gläubigen, spontan zu erkennen, was dem Evangelium entspricht.

Tatsache ist: Die Kirche hat, was ihre Organisation anbelangt, schon die verschiedensten Formen gekannt.

Weder Wahlen noch Gewaltenteilung noch Machtkontrolle widersprechen dem Neuen Testament.

Es gibt sehr viele Wahlen in der Kirche: Papstwahl, Abstimmungen auf Konzilien, Pfarrgemeinderatswahl. Warum soll es nicht noch mehr Wahlen geben?

Durch die Taufe sind alle Gläubigen zur gleichen Würde berufen worden. Diese Würde muss auch in den Strukturen der Kirche ihren Ausdruck finden.

Argumente Pro

Die heutige Form der Organisation der Kirche ist seit Jahrhunderten so gewesen und muss daher so bleiben.

Eine Kirche, die auf demokratischen Mehrheitsbeschlüssen beruhen würde, wäre nur noch Menschenkirche.

Die Verfassung der Kirche ist das Evangelium. Darüber kann nicht abgestimmt werden.

In der Kirche herrscht Christus, nicht das Volk. Die Herrschaft Christi wird in der Kirche durch die Hierarchie (Papst, Bischöfe, Priester, Diakone) ausgeübt.

Argumente Contra

Argumente Pro und Contra Kann die Kirche demokratisch organisiert werden?

Seite 57: Kann die Kirche demokratisch organisiert werden?