5. Auflage Grundlagen Klausuren Stationsprofile ... - IURRATIO Online

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LEITFADEN FÜR RECHTSREFERENDARE

Grundlagen Klausuren Stationsprofile w w w. r e f g u i d e . d e

5 . Au f l a g e

www.iurratio.de/jobs Talent trifft Karriere.

JOBS

Iurratio Jobs – Der perfekte Partner für Nachwuchsjuristen und Arbeitgeber! Unternehmen, Boutique, Mittelständische Kanzlei oder Großkanzlei: Iurratio Jobs bietet dir den umfassenden Zugang zu den wirklich wichtigen Informationen für deinen persönlichen Karriereweg! Einstiegsgehälter, wöchentliche Arbeitszeit, Aufstiegschancen, Mandantenkontakt, die Anzahl der Urlaubstage – alles aufbereitet und auf einen Blick: Besuche uns jetzt und starte deine Karriere!

J E T Z T LO S L E G E N www.iurratio.de/jobs

EDITORIAL

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Sie halten die mittlerweile 5. Auflage unseres RefGuides in Ihren Händen. Diese Auflage ist noch vielfältiger und stärker an die Bedürfnisse aller Referendarinnen und Referendare ausgerichtet. Mit diesem RefGuide können Sie sich schon nach dem ersten Examen einen Überblick darüber verschaffen, was Sie im Referendariat erwartet. Wenn Sie noch vor der Entscheidung stehen, wo Sie Ihr Referendariat absolvieren wollen, werfen Sie doch einen Blick in unsere bundesweit aktuellste Übersicht, die Ihnen alle wirklich wesentlichen Informationen an die Hand gibt. Für alle, die sich schon einen Referendarsplatz sichern konnten, bietet der RefGuide viele Informationen über die einzelnen Pflichtstationen, methodische Hinweise und Fallbearbeitungen zum Üben.

Dabei sind wir unserem Anspruch folgend, immer ganz nah bei den Interessen unserer Leser zu sein, darauf angewiesen, dass Sie uns unterstützen. Haben Sie Kritik, Anregungen, interessante Informationen für Referendare oder einfach den Wunsch, in unserem jungen Team mitzuarbeiten, freuen wir uns über eine Kontaktaufnahme. Für Ihr Referendariat und das zweite Staatsexamen wünschen wir Ihnen alles Gute und viel Erfolg. Genießen Sie diese abwechslungsreiche, mitunter gelegentlich aufreibende, aber stets spannende Zeit und nutzen Sie das Referendariat für eine echte Berufsorientierung. Sie werden nie wieder die Chance haben, in so kurzer Zeit so intensiv in verschiedene juristische Berufe hinein zu schnuppern. Wahlstationen eignen sich gelegentlich auch schon, um sich potentiellen Arbeitgebern vorzustellen.

Wenn Sie noch auf der Suche nach einer interessanten Ausbildungsstelle für die Verwaltungs-, Rechtsanwalts- oder die Wahlstation sind, ist der RefGuide Pflichtlektüre. Wir haben für Sie bei vielen Ansprechpartnern recherchiert, wie die Stationen aussehen und v.a. wie im Rahmen der Stationsausbildung Ihren Interessen Rechnung getragen wird. In den Stationsprofilen stellen sich Ihnen deshalb verschiedene Stellen vor, bei denen Sie sich bewerben können. Weitere interessante Stationsangebote von Arbeitgebern finden Sie auch in unserer neuen Karriereplattform Iurratio Jobs unter https://www.iurratio.de/jobs/#/.

Hier dient zur Entscheidungsfindung dieses Buch, das Ihnen bei der Beantwortung folgender Grundfragen hilft: s 7ARUMSOLLMAN eigentlich promovieren?

s )NWELCHEM3TILSOLLTE ich schreiben?

s 7IEVIEL:EITBRAUCHT man dazu?

s 7IEVIELE3EITENSIND angemessen?

s 7ERlNANZIERTMICH

s 5NDWIEKONTROLLIEREICH meinen Fortschritt?

s 7IElNDETMANEIN geeignetes Thema?

PROMOVIEREN FÜR JURISTEN

Sie haben das erste oder zweite juristische Staatsexamen hinter sich und überlegen, ob Sie Ihr wunderbares Examen nicht vielleicht doch noch mit einer Promotion krönen sollten? Eine naheliegende Frage, auf die sich jedoch nicht so einfach eine Antwort finden lässt.

Jens-Peter Thiemann Herausgeber

Wenn Sie merken, dass Sie bei einer oder mehreren Fragen ins Schwimmen geraten, wird sich die Investition sicher lohnen. Der Autor hat weit über 100 Juristen in den letzten Jahrzehnten zur Promotion geführt und weiß, wovon er redet und um welche Fragen es beim Promovieren wirklich geht.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski

PROMOVIEREN FÜR JURISTEN

Das gilt übrigens auch für Studierende aus dem Ausland: Es lohnt sich die deutsche Rechtssprache zu erlernen, um an einer deutschen Universität zu promovieren.

Wie, warum und womit man sonst seine Zeit vergeuden kann

Besuchen Sie uns auch auf

WISSEN KOMPAKT

WISSEN KOMPAKT

Ref Guide 5. Auflage

ISBN 978-3-943082-10-4

12,80 €

WISSEN KOMPAKT

WISSEN KOMPAKT

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INHALT / IMPRESSUM

Inhaltsverzeichnis

Editorial Inhalt/Impressum RefGuide aktuell OLG-Bezirke in der Übersicht Checkliste für das Referendariat Iurratio Online-Awards 2016

3 4 6 7 11 Heftmitte

Einführungsbeiträge SCHRÖDER Das Relationsgutachten und die Urteilsklausur im Rahmen der zivilrechtlichen Klausur im juristischen Vorbereitungsdienst

12

Kleine Einführung in den Sitzungsdienst in Strafsachen für Referendare

18

SOYKA

THIEMANN & OHMS Die Verwaltungsstation – eine Einführung in die praktische Arbeit und Klausurbearbeitung VELDHOFF & LEßNER Einführung in die zivilrechtliche Anwaltsklausur aus Kläger- und Beklagtensicht OĞLAKCIOĞLU Ein paar Tipps für die Revisionsklausur im Zweiten Staatsexamen DRESSEL Die zivilrechtliche Kautelarklausur – Willkommen in der Praxis

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Impressum RefGuide 5. Auflage

Herausgeber (V.i.S.d.P.): Jens-Peter Thiemann ([email protected]) Chefredaktion: Leonid Sagolov ([email protected]) Redaktion: Ressort Rechtsprechung ([email protected]) Dr. Dirk Veldhoff (Ltg.), Jakob Leßner (stv. Ltg.)

Fallbearbeitungen & Aktenvorträge GRÖNE 42

Achtung Kontrolle – (Ein neuer) Einsatz für die Ordnungshüter

50

Zivilrechtlicher Aktenvortrag

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HORN

Weitere Mitarbeiter: Julie Tiltmann, Joelle Wyra, Alex Becker, Claudia Tasch, Isabelle Jakobi, Flavia Schardt Ausschluss: Namentlich gekennzeichnete Beiträge repräsentieren nicht unbedingt die Meinung der Redaktion.

Assessorexamenskandidaten im Strafrecht: „Dreistigkeit schützt vorm Zahlen nicht“

SCHRÖDER

Layout & Satz: MEDIENREGIE // Tilo Kemnitz ([email protected]) Fotos und Bildquellen, falls nicht anders angegeben: www.fotolia.com Kundenservice und Profile: Maik Stang, Charlotte von Danwitz, Dr. Eike Post, Tony Klonczynski ([email protected]) Postanschrift: Iurratio, Salzweg 62, 48431 Rheine Druck: Gutverlag, 48477 Hörstel, www.gutverlag.com Urheber- und Verlagsrechte aller in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Der Rechtsschutz gilt auch gegenüber Datenbanken und ähnlichen Einrichtungen. Kein Teil dieser Zeitschrift darf außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ohne schriftliche Genehmigung in irgendeiner Form reproduziert werden. Autorenhinweise: Ausführliche Autorenhinweise finden Sie auf unserer Homepage www.iurratio.de

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Hintergrundwissen & Karriereausblick RÜEGG & DWOROG Praktische Steuer-Tipps für Referendare KIRCHHOFF & SIEBELS IM INTERVIEW MIT IURRATIO Perspektive Projektjurist im Bereich eDiscovery und Document Review

Stationsprofile

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Ref Guide 5. Auflage

REFGIUDE AKTUELL

Iurratio kooperiert mit innovativem Anbieter „JurCase“ Jetzt 5€ Rabatt als RefGuide-Leser mitnehmen In der Vorbereitungsphase stellt sich jeder Examenskandidat unweigerlich die Frage: „Mieten oder Kaufen?“ Die von den Prüfungsämtern der Bundesländer zugelassene Fachliteratur kann je nach Bundesland bis zu 700 Euro kosten. Für viele Studenten stellt dies eine hohe finanzielle Belastung dar. Seit einigen Jahren bieten sowohl Buchhandlungen als auch Onlinehändler die entsprechenden Werke zur Miete an. Eine kostengünstige und praktische Alternative, besonders da die meisten Prüfungsteilnehmer nach erfolgreichem Bestehen keine Verwendung mehr für die Literatur haben. Iurratio freut sich daher mitteilen zu können, fortan mit „JurCase.com“ zusammen zu arbeiten. Diese Kooperation ist nicht nur wegen der für RefGuide-Leser und Mitglieder auf iurratio.de ausgehandelten Rabatte interessant, sondern insbesondere deshalb, weil JurCase.com ein völlig neuartiges Konzept bietet: Seit Anfang 2013 ist es bei JurCase.com möglich, neben den Standardkommentaren für das zweite Staatsexamen auch die Gesetzestexte, welche für beide Staatsexamen benötigt werden, zu mieten. JurCase

ist damit der einzige Anbieter, der die komplette Literaturliste für beide Staatsexamen und alle Bundesländer abdeckt. Die Nachfrage nach den Literaturpaketen steigt stetig, viele Examensmonate sind bereits mehr als ein halbes Jahr im Voraus ausgebucht. Es lohnt sich also, sich frühzeitig mit dem Thema auseinander zu setzen und eine entsprechende Buchung vorzunehmen, um nicht kurz vor dem Examen ohne Mietpaket da zu stehen. Verschickt werden die Kommentare und Gesetzessammlungen in praktischen Alu-Rolltrolleys. Bei einem Gesamtgewicht von bis zu 25 Kilo kann einem das schon auf dem Weg zur Klausur viele Nerven sparen. Für unsere Leser gibt es einen Nachlass von 5 Euro bei einer Buchung auf Jurcase.com, wenn bei der Bestellung der Code „CJCRG68“ mit angegeben wird. Für Arbeitsgemeinschaften gibt es darüber hinaus noch ein besonders lukratives Angebot: Bei einer AG-Bestellung ab 10 Personen erhält jeder 10% Nachlass auf sein Paket, der AG-Sprecher sogar 35%.

Rabatte auf Prüfungsprotokolle Iurratio kooperiert mit dem Juridicus Verlag - 10 % Rabatt auf die Prüfungsprotokolle für das 1. und 2. Staatsexmanen für Mitglieder von „Iurratio Jobs“

Zu der Protokollsammlung von Juridicus gehören über 50.000 auf Qualität geprüfte Prüfungsprotokolle, aus mündlichen Prüfungen im Ersten und Zweiten Staatsexamen. Zwar sind nicht alle Prüfer „protokollfest“, d.h. dass sie immer die gleichen oder zumindest ähnliche Fälle prüfen, doch sind Prüfungsprotokolle auch in diesen Fällen für die Vorbereitung hilfreich. Die Protokolle, die die Prüflinge nach der Prüfung anfertigen und den nachfolgenden Examenskandidaten zur Verfügung stellen, geben auch in diesen Fällen Aufschluss nicht nur über die Person des Prüfers sondern auch über die Themengebiete, die dieser prüft. Hierdurch kann man sich gezielt auf die Prüfung vorbereiten. Ein weiterer Aspekt, den viele Prüflinge herausstellen ist, dass man nach dem Studium der Protokolle den Eindruck hat, die Prüfer zu „kennen“ und so ein wenig Examensangst verloren geht. Da in der 6

mündlichen Prüfung grundsätzlich der gesamte Ausbildungsstoff abgefragt werden kann, lohnt es sich für Sie, die Prüfungsprotokolle Ihrer Kommission durchzuarbeiten. Durch eine Mitgliedschaft bei iurratio.de bekommen Sie die von juridicus garantierte Qualität und Zuverlässigkeit noch günstiger.

Ref Guide 5. Auflage

Bezirk

OLG-BEZIRKE

Einstellungstermine

Zugelassene Hilfsmittel

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3-5 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Ziegler/Tremel: Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern Beck'sche Textausgaben: Aktuelle Steuertexte, Arbeitsgesetze Nomos Textausgabe: Europarecht Kalender Im schriftlichen Teil zusätzlich: Palandt: BGB Baumbach/Hopt: HGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG Jäde/Dirnberger/Weiß: Baugesetzbuch u. Baunutzungsverordnung Böhme/Fleck/Kroiß: Formularsammlung für Rechtspflege und Verwaltung

1.202,08 €

Bamberg

April und Oktober

Der schriftliche Teil des Examens besteht aus 11 Klausuren davon eine auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und eine auf dem Gebiet des Steuerrechts.

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Trojahn: Die Gesetze über die Berliner Verwaltung Nomos Gesetze: Landesrecht Brandenburg Thomas/Putzo: ZPO Palandt: BGB Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.170,38 €

Die Ausbildung in der Rechtsanwaltsstation kann auch im Ausland absolviert werden, ebenso wie die Wahlstation.

Februar, Mai, August, November

4 Monate Zivilstation 3 ½ Monate Strafstation 3 ½ Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Trojahn: Die Gesetze über die Berliner Verwaltung Nomos Gesetze: Landesrecht Brandenburg Thomas/Putzo: ZPO Palandt: BGB Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.228,89 €

Die Rechtanwaltsstation kann bis zu drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

März, Juni, September, Dezember

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 4 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze März: Niedersächsische Gesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO

1.058,94 €

Die Rechtanwaltsstation kann für drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

April, Oktober

5 Monate Zivilstation 3 ½ Monate Strafstation 3 ½ Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer: VwVfG Kopp/Schenke: VwGO

1.163,61 €

Die Rechtanwaltsstation kann zum Teil im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

März, Juni, September, Dezember

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 4 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze März: Niedersächsische Gesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO

1.117,00 €

Die Rechtanwaltsstation kann für drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

Mai und November

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Beck-Texte: Arbeitsgesetze Beck-Texte: Europarecht oder Sartorius Band II C.H. Beck Verlang Band I: Gesetze des Freistaats Sachsen Übersichtskalender für das aktuelle Jahr Taschenrechner Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.265,20 €

Die Rechtanwaltsstation kann bis zu drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

Berlin Brandenburg an der Havel

In der Rechtsanwaltsstation können bis zu drei Monate bei einer ausländischen Ausbildungsstelle und bis zu fünf Monate bei Organen der EU abgeleistet werden. Die Wahlstation kann im Ausland absolviert werden.

4 Monate Zivilstation 3,5 Monate Strafstation 3,5 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Bremen

Braunschweig

Besonderheiten

Februar, Mai, August, November

Dresden

Celle

Gehälter (brutto)

Stationsreihenfolge

Ref Guide 5. Auflage

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Einstellungstermine

Stationsreihenfolge

Frankfurt am Main

Besonderheiten

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze v. Hippel/Rehborn: Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Baumbach/Hopt: HGB Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer: VwVfG Kopp/Schenke: VwGO

1.155,17 €

Die Ausbildung in der Zivilstation kann bis zu zwei, die Ausbildung in der Straf- und der Verwaltungsstation bis zu drei Monate, die Ausbildung in der Rechtsanwaltsstation bis zu sechs Monate und die Wahlstation ganz bei einer geeigneten ausländischen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die außerhalb der Wahlstation im Ausland absolvierten Ausbildungszeiten dürfen insg. acht Monate nicht überschreiten.

Januar, März, Mai, Juli, September und November

4 Monate Zivilstation 4 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetz von Zezschwitz: Landesrecht Hessen Beck-Texte, Band 5006: Arbeitsgesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO

1.030,00 €

Eine der folgenden Stationen kann bis zur Hälfte der auf sie entfallenden Zeit bei einer ausländischen Stelle absolviert werden: Straf-, Verwaltungs- und Rechtsanwaltsstation. Die Wahlstation kann ganz im Ausland absolviert werden.

Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember

3 Monate Staatsanwaltschaft oder Gericht in Strafsachen 3 Monate Zivilstation 3 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 6 Monate in 2 Wahlstationen á 3 Monaten.

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer: VwVfG Kopp/Schenke: VwGO

988,33 €

Die Wahlstation I (vor den schriftlichen Prüfungen) muss bei einer staatlichen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die Rechtsanwaltsstation kann bis zu sechs und die Wahlstationen können ganz im Ausland absolviert werden.

Zu jedem Monatsersten

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 10 Monate Rechtsanwaltsstation 4 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze v. Hippel-Rehborn: Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Baumbach/Hopt: HGB Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer: VwVfG Kopp/Schenke: VwGO

1.155,17 €

Die Ausbildung in der Zivilstation kann bis zu zwei, die Ausbildung in der Straf- und der Verwaltungsstation bis zu drei Monate, die Ausbildung in der Rechtsanwaltsstation bis zu sechs Monate und die Wahlstation ganz bei einer geeigneten ausländischen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die außerhalb der Wahlstation im Ausland absolvierten Ausbildungszeiten dürfen insg. acht Monate nicht überschreiten.

Mai und November

5 Monate Zivilstation 4 Monate Verwaltungsstation 3 Monate Strafstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Beck´sche Textausgabe: Gesetze des Freistaats Thüringen Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG ein nicht programmierbarer Taschenrechner ein Übersichtskalender des aktuellen Jahres und der drei zurückliegenden Jahre

1.309,97 €

Die Ausbildung in der Rechtanwaltsstation kann bis zu drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

April und Oktober

5 Monate Zivilstation 3 ½ Monate Strafstation 4 ½ Monate Rechtsanwaltsstation 3 ½ Monate Verwaltungsstation 4 ½ Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze dtv-Beck-Texte Nr. 5006: Arbeitsgesetze oder Nipperdey Bd. I: Arbeitsrecht, dtv-Beck-Texte Nr. 5014: Europa-Recht oder Sartorius Bd. II: Internationale Verträge – Europarecht Sartorius Bd. I: Verfassungs und Verwaltungsgesetze Dürig: Gesetze des Landes Baden-Württemberg Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.182,51 €

Eine der Rechtanwaltsstationen kann im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation. Es ist möglich, die Verwaltungsstation an einer EUInstitution zu absolvieren.

Hamm

Hamburg

Gehälter (brutto)

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 10 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Jena Karlsruhe

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Zugelassene Hilfsmittel

Zu jedem Monatsersten

Düsseldorf

Bezirk

OLG-BEZIRKE

Ref Guide 5. Auflage

Einstellungstermine

Stationsreihenfolge

Gehälter (brutto)

Besonderheiten

5 Monate Zivilstation 4 Monate Verwaltungsstation 3 Monate Strafstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Hufen / Jutzi / Westenberger: Landesrecht Rheinland-Pfalz, Beck-Texte, dtv 5006: Arbeitsgesetze Sartorius Band II, Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer (VwVfG) Kopp/Schenke (VwGO)

1.133,32 €

Die Zivil- und die Verwaltungsstation können jeweils für zwei Monate, die Rechtsanwaltsstation bis zu sechs Monate und die Wahlstation ganz bei einer ausländischen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die Ausbildungszeit im Ausland soll insgesamt zehn Monate nicht überschreiten.

Zu jedem Monatsersten

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 10 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze v. Hippel-Rehborn: Gesetze des Landes Nordrhein-Westfalen Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Baumbach/Hopt: HGB Thomas Fischer: StGB und Nebengesetze Meyer-Goßner: StPO Kopp/Ramsauer: VwVfG Kopp/Schenke: VwGO

1.155,17 €

Die Ausbildung in der Zivilstation kann bis zu zwei, die Ausbildung in der Straf- und der Verwaltungsstation bis zu drei Monate, die Ausbildung in der Rechtsanwaltsstation bis zu sechs Monate und die Wahlstation ganz bei einer geeigneten ausländischen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die außerhalb der Wahlstation im Ausland absolvierten Ausbildungszeiten dürfen insg. acht Monate nicht überschreiten.

April und Oktober

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Zieler/Tremel: Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern Beck'sche Textausgaben: Aktuelle Steuertexte Beck Texte (dtv), Band5006: Arbeitsgesetze, Europarecht Kalender Palandt: BGB Baumbach/Hopt: HGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG Jäde/Dirnberger/Weiß: Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung Böhme/Fleck/Kroiß: Formularsammlung für Rechtspflege und Verwaltung

1.232,08 €

In der Rechtsanwaltsstation können bis zu drei Monate bei einer ausländischen Ausbildungsstelle und bis zu fünf Monate bei Organen der EU abgeleistet werden. Die Wahlstation kann im Ausland absolviert werden. Der schriftliche Teil des Examens besteht aus 11 Klausuren davon eine auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und eine auf dem Gebiet des Steuerrechts.

März und September

4 Monate Zivilstation 4 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Sartorius Band II oder Beck-Texte im dtv., Nr. 5014: Europa-Recht Beck’sche Textausgabe: Gesetze des Landes Sachsen-Anhalt Beck-Texte im dtv., Nr. 5006: Arbeitsgesetze Palandt: BGB Zöller: ZPO Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.141,75 €

Eine Auslandsstation ist erst nach Abschluss des schriftlichen Examens ab dem 20. Ausbildungsmonat zulässig.

April und Oktober

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3-5 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Zieler/Tremel: Verwaltungsgesetze des Freistaates Bayern Beck'scheTextausgaben: Aktuelle Steuertexte Beck Texte, (dtv), Band 5006: Arbeitsgesetze Nomos: Europarecht Kalender Palandt: BGB Baumbach/Hopt: HGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG Jäde/Dirnberger/Weiß: Baugesetzbuch, Baunutzungsverordnung Böhme/Fleck/Kroiß: Formularsammlung für Rechtspflege und Verwaltung

1.202,08 €

In der Rechtsanwaltsstation können bis zu drei Monate bei einer ausländischen Ausbildungsstelle und bis zu fünf Monate bei Organen der EU abgeleistet werden. Die Wahlstation kann im Ausland absolviert werden. Der schriftliche Teil des Examens besteht aus 11 Klausuren davon eine auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und eine auf dem Gebiet des Steuerrechts.

März, Juni, September und Dezember

5 Monate Zivilstation 3 Monate Strafstation 3 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 4 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze März: Niedersächsische Gesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO

1.117,00 €

Die Rechtanwaltsstation kann für drei Monate im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation.

Köln München Naumburg Nürnberg Oldenburg

Zugelassene Hilfsmittel

Mai und November Koblenz

Bezirk

OLG-BEZIRKE

Ref Guide 5. Auflage

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Einstellungstermine

Stationsreihenfolge

Besonderheiten

Schönfelder. Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Erbguth/Kronisch/Darsow: Gesetze des Landes MecklenburgVorpommern oder Nomos: Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern Beck-Texte im dtv, Nr. 5014: Europarecht Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Baumbach/Hopt: HGB Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.125,00 €

März, September

3 Monate Strafstation 5 Monate Zivilstation 3 Monate Verwaltungsstation 6 Monate Rechtsanwaltsstation I 4 Monate Rechtsanwaltsstation II 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius Band I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Beck-Texte, dtv-Band 5014: Europarecht Sartorius Band II Hümmerich/Kopp: Saarländische Gesetze Freymann/Kröninger/ Wendt: Landesrecht Saarland Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Tröndle/Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.091,26 €

Die Rechtsanwaltsstation II und die Wahlstation können im Ausland absolviert werden.

Kiel und Flensburg: Februar, Juni und Oktober jedes Jahres

3 ½ Monate Strafstation 4 ½ Monate Zivilstation 4 Monate Verwaltungsstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze, Sartorius I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Tröndle/Fischer: StGB Kleinknecht/Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1.134,79 €

Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Verwaltungs-, der Rechtsanwalts- (bis zu drei Monate) und der Wahlstation ins Ausland zu gehen, jedoch insgesamt nicht länger als sieben Monate.

Oktober und April

5 Monate Zivilstation 3 ½ Monate Strafstation 4 ½ Monate Rechtsanwaltsstation 3 ½ Monate Verwaltungsstation 4 ½ Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze dtv-Beck-Texte Nr. 5006: Arbeitsgesetze oder Nipperdey Bd. I: Arbeitsrecht dtv-Beck-Texte Nr. 5014: Europa-Recht oder oder Sartorius Bd. II: Internationale Verträge – Europarecht Sartorius Bd. I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Dürig: Gesetze des Landes Baden-Württemberg Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO Kopp/Schenke: VwGO Kopp/Ramsauer: VwVfG

1152,51 €

Eine der Rechtanwaltsstationen kann im Ausland absolviert werden, ebenso wie die gesamte Wahlstation. Es ist möglich, die Verwaltungsstation an einer EUInstitution zu absolvieren.

Mai und November

5 Monate Zivilstation 4 Monate Verwaltungsstation 3 Monate Strafstation 9 Monate Rechtsanwaltsstation 3 Monate Wahlstation

Schönfelder: Deutsche Gesetze inkl. Ergänzungsband Sartorius I: Verfassungs- und Verwaltungsgesetze Hufen/Jutzi/Westenberger: Landesrecht Rheinland-Pfalz Beck-Texte, dtv 5006: Arbeitsgesetze Sartorius II, Palandt: BGB Thomas/Putzo: ZPO Fischer: StGB Meyer-Goßner: StPO

1.083,96 €

Die Zivil- und die Verwaltungsstation können jeweils für zwei Monate, die Rechtsanwaltsstation bis zu sechs Monate und die Wahlstation ganz bei einer ausländischen Ausbildungsstelle absolviert werden. Die Ausbildungszeit im Ausland soll insgesamt zehn Monate nicht überschreiten.

Saarbrücken Schleswig

Gehälter (brutto)

5 Monate Zivilstation 3 Monate Verwaltungsstation 4 Monate Strafstation 9 Monate Rechtsberatung 3 Monate Wahlstation

Lübeck und Iztehoe: April, August und Dezember jedes Jahres

Stuttgart Zweibrücken

Zugelassene Hilfsmittel

Juni und Dezember

Rostock

Bezirk

OLG-BEZIRKE

KOMMUNIKATION MIT STRATEGIE WWW.MEDIENREGIE.DE

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Ref Guide 5. Auflage

CHECKLISTE

Checkliste für das Referendariat MUST HAVES • Die eigene Prüfungsordnung und die dazugehörigen Ausbildungspläne und Prüfungshinweise des zuständigen Justizministeriums • Ohne aktuelle Gesetze geht nichts: • Sartorius, C.H. Beck Verlag; evtl. mit Ergänzungsband • Schönfelder, C.H. Beck Verlag; evtl. mit Ergänzungsband • Landesgesetze (erst in der Verwaltungsstation erforderlich) • Kommentare, für das Referendariat/ Klausurenkurs in einer alten Auflage (am besten nicht älter als 3 Jahre), zum Examen kann man günstig die neueste Auflage jeweils leihen: • Palandt, BGB • Thomas/Putzo, ZPO • Fischer, StGB • Meyer-Goßner, StPO je nach Prüfungsordnung: • Kopp/Schenke, VwGO • Kopp/Ramsauer, VwVfG

KLASSIKER UND ALTBEWÄHRTES • der Kochbuch-Klassiker: Anders/Gehle: Das Assessorexamen im Zivilrecht, Vahlen in einer relativ neuen Ausgabe • Pietzner/Ronellenfitsch: das Assessorexamen im öffentlichen Recht, Vahlen • Klausurenkurs: An manchen OLGs wird ein Klausurenkurs angeboten, wem dieses Angebot nicht zur Verfügung steht, kann sich Klausuren zuschicken und korrigieren lassen. • Skripten zu allen Rechtsgebieten von verschiedenen Repetitorien. Hier ist nicht immer das Rep aus dem ersten Examen genauso geeignet; in die Bib gehen und gucken, womit man für das Ref. am besten lernen kann!

• Eine Private Arbeitsgemeinschaft, hier kann man Fragen aus der AG oder vom Arbeitsplatz besprechen und Aktenvorträge üben. Außerdem ist die Motivation die Klausurenkurse zu dritt • Für den staatsanwaltlichen Sitzungsdienst: oder zu viert zu besuchen größer. • weißes Hemd/Bluse • weiße Krawatte • Typfrage: Manche lieben sie, viele • Anzug oder Hosenanzug/Kostüm benötigen sie nicht: Kurse der führenden • Taschenrechner Repetitorien zum zweiten Staatsexamen. • Telefonliste mit Nummern des Ausbilders, AG-Leiters, Eildienststelle, Zentrale (immer dabei haben!)

ÜBERFLÜSSIG • Niemand benötigt für als Referendar eine eigene Robe. Bei der Staatsanwaltschaft werden Referendarsroben (Zaubermäntel) bereit gehalten und gestellt. • Erwerb aller Kommentare in der aktuellen Auflage zu den Examens- Klausuren: Kann man machen, muss man aber nicht. Es gibt preisgünstige Anbieter, die einem zum richtigen Zeitpunkt einen Rollkoffer mit den zugelassenen Kommentaren in aktueller Auflage zur Miete überlassen. Das Rückporto ist meist inkludiert und eine Paketmarke schon beigefügt. • Teure Ausbildungszeitschriften, hier gilt das gleiche wie für das Studium: ab in die Bib und das wichtigste kopieren! • Tipp: auf diversen Onlineportalen kann man kostenlos Newsletter zu aktuellen, relevanten Urteilen erhalten.

• Prüfungsprotokolle zu den mündlichen Prüfungen: Wenn die Ladung da ist, sollte man sich zügig um die Prüfungsprotokolle kümmern. Die geben häufig einen ersten Eindruck, was einen erwartet. Gebot der Fairness: Wer sich welche (meist kostenpflichtig) besorgt hat, sollte seinerseits ein umfangreiches Protokoll anfertigen. Davon profitieren alle. Man darf dennoch nie darauf vertrauen, dass die Prüfer protokollfest sind. • Tipp: Herausfinden, was der Prüfer derzeit in der Praxis macht, eine Materie in der er sich wohlfühlt, prüft er auch gerne ab! • Iurratio - die Zeitschrift für junge Juristen: Mit unserer Rechtsprechungsübersicht haben wir nicht nur einmal den Zahn der Prüfer getroffen.

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EINFÜHRUNGSBEITRAG

Das Relationsgutachten und die Urteilsklausur im Rahmen der zivilrechtlichen Klausur im juristischen Vorbereitungsdienst von Dr. Holger Schröder +++ Schröder studierte Jura an der Universität Bremen und Holger absolvierte 2004 sein 1. und 2006 in Oldenburg sein 2. Staatsexamen. In der Zeit von 2006-2007 promovierte er an der Universität Bremen. Nach einjähriger Anwaltstätigkeit ist er heute Richter am Landgericht Bremen. Zusätzlich ist er als Prüfer beim Senator für Justiz und Verfassung für das 1. Staatsexamen, in der Referendarausbildung sowie als Repetitor für Jura Intensiv in Bremen tätig.

I. Der Sachbericht

Dem Relationsgutachten ist ein Sachbericht4 voranzustellen, der aus unstreitigen und streitigen Tatsachen, den Parteianträgen und ggf. einer Prozessgeschichte besteht. Der Sachbericht stellt den entscheidungsreifen und nach bestimmten - im nachfolgenden dargestellten - Kriterien sortierten Rechtsstreit dar.

A. Einleitung

1. Unstreitige Tatsachen

Die Relationstechnik stellt in der (zivil-)gerichtlichen Praxis ein Instrument dar, mit dem der Richter den Prozessstoff sortiert, auswertet und bewertet und damit schließlich zu einer Entscheidung gelangt, die im Ergebnis häufig mit einem Urteil oder Beschluss verkündet wird.1 Für Rechtsreferendare ist von daher die in einem Relationsgutachten umgesetzte Relationstechnik unabdingbarer Ausbildungsgegenstand.2 Dabei wird der Klausursachverhalt regelmäßig aus einem zivilgerichtlichen Aktenstück bestehen, das z.B. eine Klageschrift, eine Klageerwiderung, ggf. eine Replik und Duplik sowie ein Sitzungsprotokoll enthalten kann. Hieraus sind dann die notwenigen Informationen für das Relationsgutachten zu entnehmen. Die Parteien tragen in einem zivilgerichtlichen Gerichtsverfahren eine Vielzahl von Tatsachen vor, die insgesamt unstreitig, streitig, aber auch - wie regelmäßig - teilweise unstreitig und streitig sein können. Diese gilt es nach eben diesen Kriterien zu sortieren, um einen besseren und geordneteren Überblick zu erhalten, und um entscheiden zu können, ob die seitens des Klägers vorgetragenen Tatsachen überhaupt sein Begehren in rechtlicher Hinsicht tragen, und im bejahenden Fall, ob auch die seitens des Beklagten vorgetragenen Tatsachen für die Verteidigung gegen den klägerischen Anspruch in rechtlicher Hinsicht von Bedeutung sind. Auch ist der sortierte Tatsachenvortrag wichtig für die Frage, welche - nur streitigen - Tatsachen Anlass zur Beweiserhebung geben. Schließlich endet das Relationsgutachten in der Regel mit dem, womit das Urteil nach dem Rubrum anfängt, nämlich mit dem Hauptsachetenor und den Nebenentscheidungen. Das Urteil ist dabei wohl eine der häufigsten Entscheidungsformen eines Gerichtes. Es stellt dabei nichts anderes als die Umsetzung des zuvor (wenn auch nur gedanklich) angefertigten Relationsgutachtens dar. Den Referendaren fällt es dabei oft schwer, sich den über Jahre hinweg schwer antrainierten Gutachtenstil in einem für den Ausbilder angefertigten Urteilsentwurf oder aber in der Urteilsklausur wieder aufzugeben. Von daher gilt das Erfordernis des regelmäßigen Lesens und Schreibens von Urteilen, um den Urteilsstil zu trainieren.

Der Sachbericht beginnt zunächst mit den unstreitigen Tatsachen5, die sprachlich zwingend im Imperfekt6 darzustellen sind. Unstreitig sind solche Tatsachen, die von den Parteien7 übereinstimmend vorgetragen worden sind, oder aber von einer Seite vorgetragene Tatsachen, die von der anderen Seite nicht bestritten werden. Trägt der Kläger z.B. vor, dass der Beklagte ihn geschlagen und dabei die Nase gebrochen habe, und erwidert der Beklagte darauf, dass er den Kläger zwar auf die Brust geschlagen habe, aber eben nicht auf die Nase, so dass jedenfalls er diese nicht gebrochen haben könne, wäre der Sachbericht bezüglich dieser Informationen einfach wie folgt zu fassen: Der Beklagte schlug den Kläger. Denn den Schlag selbst bestreitet nicht mal der Beklagte. Nur das Ziel des Schlages und die daraus resultierende Verletzungsfolge wären streitig. 2. Streitige Tatsachen

Nachdem akribisch alle unstreitigen Tatsachen in der Imperfektform zusammengetragen wurden, schließen sich die streitigen Tatsachen an, und zwar eben solche, die von der jeweils anderen Partei bestritten werden. a) Streitiges Klägervorbringen

Dabei ist zwingend mit dem streitigen klägerischen Tatsachenvortrag anzufangen, der im Konjunktiv darzustellen ist. Im vorgenannten Fall müsste es heißen: Der Kläger behauptet, dass der Beklagte ihm auf die Nase geschlagen und ihm diese dadurch gebrochen habe.8 Wichtig ist, dass nur Tatsachen streitig sein können. Rechtsansichten stellen gerade keine Tatsachen dar, und gehören somit grundsätzlich nicht in den Sachbericht.9 Meint der Kläger, der Darlehensvertrag sei wegen der vereinbarten Zinsen i.H.v. 20% sittenwidrig, so kann allenfalls nur die vereinbarte Höhe (20%) als Tatsache streitig werden, nicht aber die Sittenwidrigkeit, die als Rechtsfrage vom Gericht zu beantworten ist.10

B. Relationsgutachten

Das Relationsgutachten3 unterteilt sich in einen Sachbericht, ggf. einer Auslegungs- und Zulässigkeitsstation, einer Kläger- und Beklagtenstation, Beweisstation, Tenorierungsstation und der abschließenden Hauptsacheentscheidung und den Nebenentscheidungen.

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Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. Aber auch das Erfordernis eines rechtlichen Hinweises z.B., kann das Ergebnis eines Relationsgutachtens sein. Ob eine Relationsklausur als Pflichtklausur für das 2. Staatsexamen gestellt wird, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Bremen wird eine solche nicht gestellt, aber durchaus noch als zu bewertende Übungsklausur eingesetzt. Die nachfolgende Darstellung kann nur einen groben Umriss zur Thematik bieten, die als Einstiegshilfe zum besseren Verständnis des Sinns und Zwecks einer Relation gedacht ist.

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Der Sachbericht ähnelt dem Tatbestand im Urteil. Unterscheidend ist nur, dass der (Urteils) Tatbestand nur diejenigen Tatsachen zum Inhalt hat, die wesentlich für die Entscheidung sind, während in den Sachbericht auch solche gehören, die darüber hinausgehen. Der Sachbericht wird jedoch in einer Klausursituation regelmäßig erlassen. 5 Bei einem längeren Sachverhalt bietet sich ein Einleitungssatz an, wie etwa: Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall. 6 Einfache Vergangenheitsform. 7 Dazu gehören regelmäßig der Kläger und der Beklagte. 8 Wichtig ist zu erkennen, dass der Beklagte nicht den Bruch der Nase als solchen bestreitet, sondern nur seinen Verursachungsbeitrag dazu, mithin die haftungsbegründende Kausalität, also ob zwischen dem Verhalten des Schädigers (Schlag) und der eingetretenden Rechtsgutverletzung (gebrochene Nase) ein Ursachenzusammenhang gegeben ist; vgl. Grüneberg, in: Palandt, 70. Auflage, Vorb. v. § 249, Rn. 24 . In der Praxis würde wohl auch der Bruch selbst bestritten werden, so dass dieser durch ein ärztliches Attest oder durch eine Inaugenscheinnahme zu beweisen wäre. 9 Anders ist dies, wenn nur durch die Darstellung der Rechtsansicht der Zusammenhang verständlich wird, oder aber, wenn wesentlich um solche gestritten wird. 10 Damit ist den Parteien natürlich nicht verwehrt, ihre Meinungen dazu kundzutun, die auch Einfluss auf die richterliche Entscheidungsfindung haben können. Nur gehören diese Ansichten eben nicht in den Sachbericht aufgenommen.

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EINFÜHRUNGSBEITRAG

b) Parteianträge

Nach dem streitigen Klägervorbringen werden zunächst die Parteianträge angebracht. Dabei werden diese aus der Klageschrift11 und der Klageerwiderung12 unverändert übernommen, und zwar auch dann, wenn die Anträge unverständlich, missverständlich oder gar unvollständig sind. Solche Mängel werden dann ggf. in der Auslegungsstation beseitigt.13 Die Anträge werden jeweils mit: Der Kläger/ Der Beklagte beantragt, eingeleitet und in der nächsten Zeile dann eingerückt - weiter der konkrete Antrag übernommen.14

formationen sind z.B. Zustellungsdaten von Klageschrift oder Repliken und Dubliken, wenn z.B. Verspätung gerügt wird, oder aber wenn sich Besonderheiten ergeben, wie z.B. (teilweise) Erledigungen.18 Stellen sich solche Probleme nicht, braucht eine Prozessgeschichte nicht mit aufgenommen zu werden.19 Nur wenn eine Beweisaufnahme stattgefunden hat, ist im Rahmen der Prozessgeschichte diese darzustellen. Es könnte wie folgt formuliert werden: Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen X, Y und Z. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.02.2011 Bezug genommen.

c) Streitiges Beklagtenvorbringen

Nach den übernommenen Parteianträgen folgt das streitige Beklagtenvorbringen. Hier gilt nichts anderes als das unter 2. a) Gesagte, auch hinsichtlich der in sprachlicher Form zu verwendenden Konjunktivform. Dabei ist aber hervorzuheben, dass nur solches streitige Beklagtenvorbringen darzustellen ist, mit dem auf das klägerische Vorbringen eingegangen wurde.15 Wenn also der Kläger z.B. behauptet, dass der Beklagte ihn geschlagen habe, und der Beklagte stellt schon den Schlag selbst in Abrede, bräuchte nach der Darstellung des dann streitigen Klägervorbringens (Der Kläger behauptet, dass der Beklagte ihn geschlagen habe) bei dem streitigen Beklagtenvorbringen nichts mehr dazu gesagt werden. Denn aus dem streitigen Klägervorbringen wird diese streitige Tatsache deutlich. Es würde eine reine - und damit überflüssige - Wiederholung darstellen, würde es dann noch im Rahmen des streitigen Beklagtenvorbringens heißen: Der Beklagte behauptet, dass er den Kläger nicht geschlagen habe. Da hier aber der Beklagte den Schlag nicht negiert, sondern näher auf ihn eingegangen ist16, wäre an dieser Stelle im streitigen Beklagtenvorbringen anzuführen: Der Beklagte behauptet, den Kläger nicht auf die Nase, sondern auf die Brust geschlagen zu haben. In diesem Fall würde es nicht ausreichen, wenn der Beklagte den Schlag zwar ohne nähere Konkretisierung zugibt, den dadurch seitens des Klägers behaupteten Nasenbruch aber einfach bestreitet. Denn für jeden objektiven Leser würde sich dann die Frage ergeben, wieso der Beklagte dem Kläger die Nase denn nicht gebrochen haben soll, wenn er ihn doch geschlagen habe: Weil er ihn eben nicht auf die Nase, sondern auf die Brust geschlagen haben will. Diese Information muss der Beklagte deshalb hier liefern. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die - nur gedankliche - Feststellung der Beweislastverteilung17, um ermitteln zu können, ob die jeweilige Behauptung in das streitige Kläger- oder in das streitige Beklagtenvorbringen anzuführen ist. In unserem zuerst genannten Fall ist der Kläger beweisbelastet für die anspruchsbegründenden Tatsachen im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB, also u.a. für die hier dargestellte Handlung, Rechtsgutverletzung und haftungsbegründende Kausalität. Von daher gehört diese Behauptung in das streitige klägerische Vorbringen. 3. Prozessgeschichte

Die Prozessgeschichte, die sprachlich in der Perfektform zu fassen ist, enthält nur solche Fakten, die im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahren stehen. Sie haben dagegen nichts mit den materiell rechtlichen Fragen zu tun. Solche prozessgeschichtlich relevanten In11 12 13 14

Das sind in der Regel der Hauptsacheantrag (z.B. Zahlung) und ggf. die Nebenanträge (z.B. Zinsen). Das wird in der Regel der Klagabweisungsantrag sein. Siehe dazu unten, II. 1.. Dabei können lediglich die häufig angebrachten, aber überflüssigen Anträge auf Kostenauferlegung und Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit weggelassen werden, weil über diese ohnehin von Amts wegen zu entscheiden ist, siehe § 308 Abs. 2, §§ 708 ff. ZPO. 15 Sog. qualifiziertes Bestreiten. 16 Womit er qualifiziert bestritten hat. 17 Wobei die allgemeine Grundregel gilt, dass jede Partei die Behauptungs- und Beweislast dafür trägt, dass der Tatbestand der ihr günstigen Rechtsnorm erfüllt ist, wenn denn nicht besondere Beweislastregeln durch Gesetz oder Rechtsprechung greifen, vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, 29. Auflage, Vorb. § 284, Rn. 23.

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II. Das Gutachten

Nach dem Sachbericht folgt nun das Gutachten, das mit den sog. Darlegungsstationen beginnt. Dort werden die jeweiligen tatsächlichen Darlegungen der Parteien - wie aus dem ersten Staatsexamen bekannt - einer rechtsgutachterlichen Prüfung unterzogen. Eingeleitet wird das Gutachten mit einem Entscheidungsvorschlag wie z.B.: Ich schlage vor, der Klage stattzugeben oder: Ich schlage vor, die Klage abzuweisen.20 1. Auslegungsstation

Eine Auslegungsstation ist nur dann aufzunehmen, wenn die Anträge von auch nur einer Partei nicht hinreichend bestimmt gestellt sind. Sind sie also auslegungsbedürftig und auch auslegungsfähig21 kann hier der tatsächlich gewollte Antrag dargelegt werden. Stellt z.B. der Kläger den Antrag, den Beklagten zu verurteilen, ihm die geliehenen 200,- € zurück zu bringen, müsste der Antrag auf Zahlung von 200,- € ausgelegt werden. 2. Zulässigkeitsstation oder auch Prozessstation

In der Zulässigkeitsstation werden nur solche Zulässigkeitsfragen geklärt, die klärungsbedürftig sind oder von einer Partei gerügt werden, wie z.B. die örtliche oder sachliche Zuständigkeit des Gerichts. Stellen sich hinsichtlich der Zulässigkeit der Anträge keine Probleme, fällt diese Station ersatzlos weg. 3. Klägerstation

In der Klägerstation werden die Behauptungen des Klägers als wahr unterstellt und unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass man an dieser Stelle nicht von der Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage spricht, sondern lediglich von der Schlüssigkeit oder Unschlüssigkeit des Klägervorbringens. Denn auch wenn seine Behauptungen sich unter einer rechtlichen Norm subsumieren lassen, bedeutet dies nicht, dass der Kläger auch seinen Anspruch durchgesetzt bekommt.22 In unserem ersten Beispiel steht dem Kläger nach seinem Vortrag ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs.1 BGB und auch ein solcher aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 Abs. 1 StGB zu, so dass sein Vorbringen schlüssig ist.23 Auch wenn der Beklagte den Schlag auf die Nase bestreitet, ist das an dieser Stelle bedeutungslos, weil eben der Vortrag 18 Diese Darstellung ist bei Weitem nicht abschließend. Die Kenntnisse dazu können nur im Rahmen der weiteren Ausbildung erworben und vertieft werden. 19 Der Sachbericht ist hier nicht vollständig dargestellt, sondern wird z.B. durch Widerklage oder besondere Klagearten entsprechend modifiziert oder ergänzt. Insoweit wird auf Fn. 18 verwiesen. 20 Es kann sich anbieten in der Klausur eine Zeile offen zu lassen, wenn sich einem das Ergebnis erst später erschließt. Man sollte aber nicht vergessen, zum Schluss den Entscheidungsvorschlag nachzutragen. Wichtig ist, dass man an dieser Stelle noch von „stattgeben der Klage“ reden darf, weil es sich eben nur um einen Vorschlag handelt und noch nicht um den Tenor selbst. Ein häufig gemachter Fehler sollte dringend vermieden werden, nämlich später im Tenor von „der Klage wird stattgegeben“ zu sprechen. Siehe dazu Fn. 40. 21 Andernfalls wäre ein richterlicher Hinweis zu erteilen, so dass ggf. nachgebessert werden könnte, § 139 ZPO. 22 Denn der Beklagte könnte sich z.B. auf die Einrede der Verjährung berufen, auf den Untergang der Forderung etc. 23 Im Gutachten ist hier, wie aus der universitären Ausbildung bekannt, der § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB durchzuprüfen.

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EINFÜHRUNGSBEITRAG

des Klägers als wahr zu unterstellen ist. Der Sinn liegt darin, dass es auf den Beklagtenvortrag nicht mehr ankommt, wenn schon der eigene Vortrag des Klägers seinen Anspruch nicht tragen würde. Legt z.B. der Kläger dar, dass er dem Beklagten eine DVD geschenkt habe, und klagt er nunmehr auf Herausgabe derselben, wäre sein Vorbringen unschlüssig, weil weder ein vertraglicher noch ein dinglicher Herausgabeanspruch ersichtlich ist.24 4. Beklagtenstation

In der Beklagtenstation verhält es sich wie in der Klägerstation, d.h., das Beklagtenvorbringen ist als wahr zu unterstellen und unter jedem rechtlichen Gesichtpunkt einer gutachterlichen Prüfung zu unterziehen. Auch an dieser Stelle spricht man nicht von Be- oder Unbegründetheit, sondern, weil der Beklagte sich verteidigt, von Erheblich- oder Unerheblichkeit des Beklagtenvorbringens. In unserem Fall wäre das Beklagtenvorbringen erheblich, weil nach dem Vortrag des Beklagten es mangels Schlages auf die Nase an der erforderlichen haftungsbegründenden Kausalität fehlt und demnach § 823 BGB nicht greift und auch andere Verletzungsfolgen nicht vorgetragen sind, die zu der Annahme der Kausalität führen könnten. 5. Beweisstation

Für den Fall, dass schon das Klägervorbringen unschlüssig ist, wäre das Gutachten beendet, weil es dann auf das Beklagtenvorbringen nicht mehr ankommt.25 Ist dagegen zwar das Klägervorbringen schlüssig, das Beklagtenvorbringen aber unerheblich, wäre das Gutachten ebenfalls - dann nach der Beklagtenstation - beendet, weil der Kläger zwar mit seinem Anspruch durchdringt, der Beklagte aber keine erheblichen Tatsachen vorträgt, die eine Beweisaufnahme erforderlich machen würden.26 Nur wenn - wie hier - sowohl das Klägervorbringen schlüssig, als auch das Beklagtenvorbringen erheblich ist, schließt sich die Beweisstation an, weil nunmehr im Wege einer Beweisaufnahme zu ermitteln ist, welcher Vortrag in tatsächlicher Hinsicht richtig ist. In einer Klausursituation wird häufig ein Hauptverhandlungsprotokoll Aktenbestandteil sein, das eine, oder auch mehrere Zeugenaussagen enthalten kann. Diese Aussagen gilt es dann zu würdigen. Im Gutachten würde im unseren Fall wie folgt eingeleitet werden. Ist bewiesen, dass der Beklagte den Kläger auf die Nase geschlagen hat? Auch an dieser Stelle wird wieder gedanklich die Beweislastverteilung gefasst.27 Denn nur weil der Kläger für die Tatsache der haftungsbegründenden Kausalität beweisbelastet ist, ist die Frage so zu formulieren. Ginge es z.B. um einen unstreitig geschlossenen Kaufvertrag, aus dem der Kläger den Kaufpreis fordert, der Beklagte aber einwendet, diesen schon bezahlt zu haben, so müsste es heißen: Ist bewiesen, dass der Beklagte den Kaufpreis in Höhe von X € bezahlt hat? Denn für die Erfüllung ist der Schuldner, mithin der Beklagte nach § 362 Abs. 1 BGB beweisbelastet.28 Sodann ist weiter anzuführen: Dies könnte bewiesen sein durch die Aussage/Bekundungen/Angaben der Zeugin Y.29 Die von der Gegenseite benannten und vernommenen Zeugen sind dann im Anschluss zu würdigen: Der Schlag auf die Nase ist auch nicht durch die Aussage des Zeugen Z widerlegt. 24 Anders natürlich dann, wenn z.B. eine Herausgabeverpflichtung wegen Widerrufs bei groben Undanks bestünde, §§ 530 Abs. 1, 531 Abs. 2, 812 BGB. Die dafür erforderlichen Tatsachen müssten dann aber vorgetragen werden. 25 Die Klage wäre abzuweisen, es folgt unmittelbar die Tenorierungsstation und dann der Tenor, siehe II. 6. 26 Der Klage wäre stattzugeben, es geht wiederum unmittelbar mit der Tenorierungsstation weiter, siehe II. 6. 27 Die Erklärung, wer die Beweislast trägt ist entbehrlich, weil an der Beweisfrage zu sehen ist, ob die Beweislastverteilung richtig verstanden und vorgenommen worden ist. 28 Konsequent müsste es dann im streitigen Beklagtenvorbringen heißen: Der Beklagte behauptet, den Kaufpreis gezahlt zu haben. 29 Es sind nun die protokollierten Aussagen zu würdigen, was an dieser Stelle nicht vertieft werden kann. Hierzu empfiehlt sich die Lektüre einschlägiger Ausbildungsliteratur oder einfach das Lesen von Urteilen!

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Denn dieser hat den Schlag nach eigener Bekundung nicht einmal gesehen. Das Ergebnis dieser Station könnte dann lauten: Damit ist bewiesen, dass der Beklagte den Kläger auf die Nase geschlagen hat; die Klage ist damit begründet30, oder: Damit ist nicht bewiesen, dass der Beklage den Kläger auf die Nase geschlagen hat; die Klage ist damit unbegründet31. Sollte der seitens des Beklagten benannte und vernommene Zeuge Z glaubhaft32 und glaubwürdig33 den Schlag nur auf die Brust bestätigen, könnte es heißen: Damit steht fest, dass der Beklagte den Kläger nicht auf die Nase geschlagen hat.34 6. Tenorierungsstation

Die Tenorierungsstation muss in jedem Fall folgen, unabhängig davon, ob eine Tatsache bewiesen worden ist oder nicht. Denn hier werden nunmehr die rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung dargestellt35, also im Falle der Begründetheit der Klage die für die Verurteilung, und im Falle der Unbegründetheit der Klage die für die Klagabweisung notwendigen Vorschriften für die Kostentragung und für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit.36 Im erstgenanten Fall könnte es z.B. wie folgt heißen: Der Beklagte trägt nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist nach § 709 S. 2 ZPO für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären.37 Im zuletzt genannten Fall könnte formuliert werden: Dem Kläger sind nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Das Urteil ist für den Beklagten nach § 708 Nr. 11 ZPO (ohne Sicherheitsleistung) für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Gemäß § 711 ZPO ist zugunsten des Klägers, hier als Schuldner38, eine Abwendungsbefugnis aufzunehmen. 7. Tenor

Zuletzt ist der vollständige Tenor, also die Hauptsacheentscheidung sowie die Nebenentscheidungen ausformuliert darzustellen.39 z.B.: 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.300 € zu zahlen.40 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.41 C. Die Anfertigung einer Urteilsklausur

Die Aufgabenstellung einer anzufertigenden Klausur besteht regelmäßig (wenn auch nicht zwingend) in der Anfertigung einer Gerichtsentscheidung, wobei damit dem Kandidaten üblicherweise die Anfertigung eines Urteil abverlangt wird. Dieses folgt dabei einem logischen Aufbaugerüst, das im Nachfolgenden dargestellt werden soll.42 30 An dieser Stelle muss von Begründetheit oder Unbegründetheit der Klage gesprochen werden, weil nunmehr das Ergebnis feststeht. 31 Z.B. bei einem non liquid. 32 Glaubhaft kann nur die Aussage als solche sein, nicht aber der Zeuge selbst. Bei diesem kann nur von Glaubwürdigkeit gesprochen werden. Wenn z.B. der Zeuge angeben würde, dass der Beklagte 2,80 groß sein würde, ist die Aussage nicht glaubhaft, wobei der Zeuge selbst durchaus glaubwürdig sein könnte, wenn er das selbst nachvollziehbar glaubt. Lügt der Beklagte offenkundig ist er unglaubwürdig. 33 Siehe Fn. 32. 34 Mit dieser Formulierung ist aber keine Beweislastumkehr gemeint. Der Beklagte hat nur den Gegenbeweis erbracht. 35 In dieser Station ist es durchaus möglich, sich auf den Urteilsstil zu beschränken. 36 Vgl. § 708 ff. ZPO, hierzu ausführlich im Beitrag des Verfassers: Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit in einem zivilgerichtlichen Gutachten, in: Iurratio 2011, S. 158 ff. 37 Das wäre der Fall, wenn der Hauptsachebetrag der Verurteilung 1.250 € übersteigt, wie sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 ZPO ergibt. 38 Denn der Kläger schuldet dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits. 39 Hier zeigt sich, ob eine Auslegungsstation sinnvoll gewesen wäre. Der Tenor muss so konkret sein, dass er vollstreckbar ist, was mitunter bei Herausgabe- oder Unterlassungsklagen Schwierigkeiten bereiten kann. 40 Der Rechtsgrund der Zahlung, wie z.B. Schmerzensgeld, ist nicht mit aufzunehmen, dieser ergibt sich aus den Entscheidungsgründen im anschließenden Urteil. Wie bereits oben erläutert (Fn. 20), darf es hier auf keinem Fall heißen: „Der Klage wird stattgegeben“. Ein solches Urteil wäre nicht vollstreckbar. 41 Der Kläger braucht keine Erwähnung zu finden, weil sich aus Nr. 2 des Tenors ergibt, dass nur der Kläger Gläubiger ist, und damit nur er vollstrecken kann. Anders ist dies bei Teilabweisungen. 42 Die folgende Darstellung kann auf Grund der vielfältigen möglichen Fallgestaltungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, sondern dient lediglich als Einsteighilfe. Zur Verständniserleichterung bietet es sich an, ein Urteil beim Lesen bereitzulegen, um Vergleiche ziehen zu können.

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I. Das Rubrum

Das Rubrum findet sich auf der ersten Seite des Urteils und besteht neben der Angabe des Aktenzeichens aus der Eingangsformel „Im Namen des Volkes“, dem erkennenden Gericht, den Parteibezeichnungen nebst Anschriften und ihren Prozessbevollmächtigen, dem Spruchkörper sowie dem Namen des Richters mit dessen Dienstbezeichnung sowie dem Tag der letzten mündlichen Verhandlung. 1. Im Namen des Volkes

Nachdem das aus dem Aktenstück zu entnehmende Aktenzeichen links oben auf der Seite wiedergegeben worden ist, ist dem Urteil als aller erstes „Im Namen des Volkes - Urteil“43 voranzustellen. Damit wird kundgetan, dass die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, wie es in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG grundgesetzlich verankert ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Urteilsinhalt nun auch dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Volkes entspricht. Der Richter ist mit seiner Entscheidung nämlich ausschließlich an das Gesetz gebunden (Art. 97 Abs. 1 GG).44 2. Parteien

Sodann wird die Phrase „In dem Rechtsstreit“ - und zwar wie die Eingangsformel zentriert - aufgeführt.45 Danach folgt unmittelbar die klägerische Partei mit deren Anschrift. Darunter wird die Partei in ihrer Funktion als Kläger - eingerückt - dargestellt und wiederum darunter der Prozessbevollmächtigte benannt. Beispiel: „des Heinz Müller, Musterstraße 10, 22222 Musterhausen Prozessbevollmächtigter: RA Klaus Meier, Mühlenstraße 22, 00000 Musterhausen“

Kläger

Dem anschließend wird mit dem Übergang „gegen“ die gegnerische Partei ebenso aufgeführt. Beispiel: „gegen die Marta Meier, Mischweg 50, 22222 Musterhausen Prozessbevollmächtigte: Rain Luise Lahm, Teichstraße 81, 22222 Musterhausen“

Beklagte

Kommt den Parteien eine weitere Parteirolle zu, z.B. Widerkläger oder Berufungskläger, ist dies ebenfalls kenntlich zu machen. 3. Das erkennende Gericht

Damit auch transparent wird, wer was wann und wo entschieden hat, schließt sich den Parteibezeichnungen sodann folgende beispielhafte Phrase an: „hat das Amtsgericht Bremen durch den Richter am Amtsgericht Dr. Meier auf die mündliche Verhandlung vom 02.05.2012 für Recht erkannt:“ Dabei ist zwingend darauf zu achten, welcher Spruchkörper (Landgericht, Amtsgericht) entscheidet. Entscheidet z.B. eine Zivilkammer in Bremen, so müssen in diesem Fall alle drei Richter nebst ihren jeweiligen Dienstbezeichnungen mit aufgeführt werden: 43 Dabei ist je nach Bundesland das „Urteil“ dem „Im Namen des Volkes“ oberhalb voran-, oder unterhalb nachzustellen, oder nach manchen Auffassungen sogar ganz wegzulassen. Zwingend ist die Darstellung einer besonderen Urteilsform z.B. wenn es sich um ein Versäumnis-, oder Anerkenntnisurteil handelt. Dann muss ein solches ebenso bezeichnet werden. 44 Derartige Ausführungen sind selbstverständlich weder in einem Urteilsentwurf noch in einer Urteilsklausur zu machen. 45 Unsauber wäre es, hier von „In Sachen“ zu sprechen.

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„hat das Landgericht Bremen durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Meier, den Richter am Landgericht Müller und den Richter am Landgericht Schreiner auf die mündliche Verhandlung vom 02.05.2012 für Recht erkannt:“ II. Der Entscheidungstenor

Sodann folgen mit dem Entscheidungstenor die Hauptsacheentscheidung, die Kostenentscheidung46 sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit.47 Gerade im Rahmen des Hauptsachetenors passieren häufige, aber vermeidbare Fehler. So darf der Tenor nie lauten: „Der Klage wird stattgegeben“, denn dieser Tenor wäre nicht vollstreckbar. Der Referendar muss unbedingt darauf achten, dass der Tenor so konkret formuliert wird, dass dieser durch einen Gerichtsvollzieher auch vollstreckt werden kann. Bei einer Leistungsklage müsste es demnach beispielhaft heißen: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.000,- € zu zahlen.“ Bekommt der Kläger nur einen Teil zugesprochen, darf nicht vergessen werden, den übrigen, nicht zugesprochenen Teil abzuweisen: „Der Beklagte wird verurteilt an den Kläger 9.000,- € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“ Andernfalls ist über 1.000,€ noch nicht abschließend entschieden worden, diese hängen dann sozusagen in der Luft. Bei einem Herausgabetenor muss die herauszugebende Sache so konkret wie möglich bezeichnet werden: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Pkw Honda Civic, amtliches Kennzeichen HB- HB 000 mit der Fahrgestellnr.: 012345 herauszugeben.“ Zur Kontrolle, ob der Tenor den Anforderungen einer Vollstreckung genügt, muss man sich einfach gedanklich in die Rolle des Gerichtsvollziehers begeben. Heißt es z.B. in einem Urteil: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Fernseher der Marke Sony herauszugeben“, muss man sich fragen, was man macht, wenn man als Gerichtsvollzieher die Schuldnerwohnung mit drei TV-Geräten der Marke Sony betritt. Es wird einem nicht möglich sein, den richtigen wegzunehmen, so dass der Tenor nicht hinreichend genug bestimmt ist. Es ist also die Gerätenummer, besser noch die Bildschirmgröße und die Art des Fernsehers mit aufzunehmen: „Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Flachbildfernseher der Marke Sony, Bildschirmdiagonale 55 Zoll, Gerätenummer: 012345 herauszugeben“. Nun erschließt sich auch, warum der Gerichtsvollzieher mit dem falschen Tenor: „Der Klage wird stattgegeben“ nichts anfangen kann.48 Dagegen wird bei einem Unterliegen natürlich mit: „Die Klage wird abgewiesen“ richtig tenoriert, weil der Kläger nichts bekommt, also auch nichts wegzunehmen ist. In Einzelfällen sind im Tenor weitere Entscheidungen zu treffen, z.B. Zulassung der Berufung oder Revision, Einräumung einer Räumungsfrist etc. III. Der Tatbestand

Der Tatbestand49 gleicht nahezu vollständig dem Sachbericht der Relation. Er sollte mit einem prägnanten Einleitungssatz beginnen. Er enthält also zunächst das unstreitige Parteivorbringen, das streitige Klägervorbringen, ggf. die klägerische Rechtsansicht, die Anträge, das streitige Beklagtenvorbringen, ggf. die Rechtsansicht des Beklagten und die Prozessgeschichte. Der Tatbestand unterscheidet sich nur insofern von dem Sachbericht einer Relation, als dass der Informationsgehalt in einem Sachbericht weitreichender ist, als der eines Tatbestandes. 46 Vgl. §§ 91 ff. ZPO. 47 Vgl. §§ 708 ff. ZPO, hierzu ausführlich im Beitrag des Verfassers: Die Nebenentscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit in einem zivilgerichtlichen Gutachten, in: Iurratio 2011, S. 158 ff. 48 Bei einem Entscheidungsvorschlag in einer Relation ist dies natürlich anders, weil es sich eben nur um einen Vorschlag, nicht aber um einen Tenor handelt. 49 Der Tatbestand kann (muss aber nicht) in den Fällen des § 313a und § 313b ZPO wegelassen werden, wobei hier unbedingt auf die Aufgabenstellung zu achten ist, weil es vorkommen kann, dass diese eine Tatbestandsdarstellung zwingend vorschreibt.

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Der Tatbestand in einem Urteil beschränkt sich auf die Wiedergabe derjenigen Tatsachen, die für die Urteilsfindung wesentlich waren. Der Sachbericht gibt dagegen auch Randgeschehnisse und solche Tatsachen wieder, die für die Entscheidung selbst ohne Belang sind.50 IV. Die Entscheidungsgründe 1. Aufbau und Urteilsstil

Nach dem Urteilstatbestand folgt mit den Entscheidungsgründen die Begründung, die den Urteilsspruch tragen soll. Obsiegt der Kläger z.B. ganz, können die Entscheidungsgründe mit dem Satz: „Die Klage ist zulässig und begründet“ eingeleitet werden. Bekommt der Kläger mit dem Urteil von den geforderten 1.000,- € nur 950,- € zugesprochen, wird regelmäßig wie folgt eingeleitet: „Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet“. Bekommt der Kläger von den eingeklagten 1.000,- € nur 600,- €, kann mit den Entscheidungsgründen wie folgt begonnen werden: „Die Klage ist zulässig und zum Teil begründet“. Verliert der Kläger letztendlich lautet es: „Die zulässige Klage ist unbegründet“. Ist die eingereichte Klage unzulässig, heißt es: „Die Klage ist bereits unzulässig“. Der Aufbau der Entscheidungsgründe beginnt mit der Zulässigkeitsprüfung (soweit problematisch), folgt dann mit der (materiellen) Begründetheitsprüfung und schließt mit der Begründung zu den Nebenentscheidungen (soweit problematisch) ab. Finden sich keine zu erörternden Probleme zur Zulässigkeit der Klage, werden nun die materiellen Anspruchsvoraussetzungen geprüft. Diese sind zwingend im Urteilsstil darzustellen. Der Referendar muss sich zwingen, den Urteilsstil einzuhalten, und muss darauf achten, auch später nicht in den gewohnten Gutachtenstil zurückzufallen. Wird das klägerische Begehren von mehreren Anspruchsgrundlagen getragen, braucht und darf nur eine aufgezeigt werden. Jede darüber hinaus gehende Begründung mit weiteren Anspruchsgrundlagen ist überflüssig. Solche werden nur in einem Gutachten dargestellt, nicht aber in einem Urteil. Der Richter wird die Anspruchsgrundlage heranziehen, die am einfachsten aufzuzeigen ist. Dies bietet mehrere Vorteile. Kann z.B. das Urteil51 bereits mit einem vertraglichen Schadensersatzanspruch52 begründet werden, braucht eine Beweisaufnahme zum Verschulden nicht erfolgen, wenn die Widerlegung eines solchen vom Beklagten nicht dargelegt ist. Denn das Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch die mit der Vernehmung von Zeugen verbundenen Kosten.53 Ebenso wenig braucht sich der Verfasser auch im Rahmen der Entscheidungsgründe nicht mit einem solchen Prüfungspunkt zu beschäftigen. Es genügt die Angabe, dass ein vermutetes Verschulden vorliegt, welches auch nicht widerlegt ist. Einfache Anspruchsgrundlagen schaffen zudem auch Transparenz für die nicht rechtskundigen und nicht vertretenden Parteien, denn nicht selten können mit unkomplizierten Anspruchsgrundlagen bürgernähere Begründungen erfolgen, als mit rechtsdogmatisch komplizierten und für den Laien nicht verständlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Verliert der Kläger allerdings den Rechtsstreit, muss jede in Betracht kommende Anspruchsgrundlage systematisch durchgeprüft und schließlich abgelehnt werden.54 Im Urteil ist aber nur das TB-Merkmal zu nennen, an dem die AGL scheitert. Die Entscheidungsgründe können dann mit den Worten: „Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu“ eingeleitet werden. 50 51 52 53 54

Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden. Angenommen wird ein Obsiegen der klägerischen Partei. Anstelle mit eines auch einschlägigen deliktischen Anspruches aus § 823 Abs. 1 BGB z.B. Reisekosten, Lohnausfall etc. Dabei ist eine Reihenfolge, wie aus der universitären Ausbildung bekannt, nach vertraglichen, quasivertraglichen, EBV, bereicherungsrechtlichen und deliktischen Ansprüchen zu wählen, aber auch hier im Urteilsstil darzustellen.

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Man kann sich zu der Einhaltung des Urteilsstils dadurch zwingen, indem Sätze mit „denn“, „weil“ oder „deshalb“ gebildet werden. Musste man im Gutachtenstil Sätze regelmäßig im Konjunktiv beginnen (Der K könnte einen Anspruch gegen B aus einem Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB haben), verbietet sich eine solche Einleitung in einem Urteil, weil erst das Ergebnis dargestellt und dieses dann begründet werden muss. Es muss also heißen: „Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch aus einem Darlehensvertrag gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.“ Nun sind im Folgenden die unproblematischen Tatbestandsvoraussetzungen kurz darzustellen, und vertiefter auf die streitigen näher einzugehen. „Unstreitig haben die Parteien am 01.04.2012 einen Darlehensvertrag geschlossen, aus dem der Beklagte zur Rückzahlung verpflichtet ist. Das Darlehen ist auch zur Rückzahlung fällig, denn…“ Sodann folgt die nähere Begründung, warum das Gericht meint, dass die Fälligkeit eingetreten ist, wenn dies ein Problem des Falles war, z.B. die Würdigung von Zeugen zur mündlichen Vereinbarung eines Rückzahlungstermins. Die Definition von Tatbestandsmerkmalen erfolgt in einem Urteil auch nur, wenn um diese gestritten wird. Unproblematisches muss nicht definiert werden. 2. Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung schließt sich der jeweils streitigen Tatsache an, es folgt also keine komprimierte Beweiswürdigung im Ganzen. Im Urteil darf auch nicht - wie in einer Relation - mit einer Beweisfrage eingeleitet werden.55 Ist z.B. ein Darlehensvertrag unstreitig geschlossen worden, im Weiteren aber streitig, ob der Beklagte das Darlehen tatsächlich zurückgezahlt hat, könnte es wie folgt in den Entscheidungsgründen heißen: „Die Parteien haben am 15.02.2012 einen Darlehensvertrag (§ 488 BGB) über 100,- € geschlossen. Dem Kläger steht aber kein Rückzahlungsanspruch aus § 488 Abs. 1 S. 2 BGB gegen den Beklagten zu, denn es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte das Darlehen am 10.04.2012 in bar an den Kläger zurückgezahlt und demgemäß erfüllt hat (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Zeugin Meier hat dazu ausgesagt, dass sie bei der Geldübergabe zugegen gewesen sei, weil sie den Beklagten vom Flughafen abgeholt habe. Dieser habe dort zufällig den Kläger getroffen, der ihn auf die vor einigen Wochen geliehenen 100,- € angesprochen habe. Die Zeugin habe unmittelbar neben dem Kläger gestanden, und gesehen, wie dieser einen 100,- € Schein aus seiner Geldbörse genommen und dem Kläger gegeben habe.“ Die Zeugenaussage soll dabei nicht im Ganzen zusammengefasst wiederholend dargestellt werden. Denn am Ende des Tatbestandes wird schließlich darauf hingewiesen, dass eine Zeugenvernehmung stattgefunden hat, wegen deren Inhalts auf das Sitzungsprotokoll verwiesen wird. Demnach würde eine Zusammenfassung eine reine und damit überflüssige Wiederholung darstellen. Vielmehr muss sich der Richter, und damit der Klausurbearbeiter, mit denjenigen Angaben auseinandersetzen, die die tatbestandsausfüllende Norm betreffen. Wenn also die Zeugenaussage für die Tatsache der Rückzahlung des Darlehensbetrages gewürdigt wird, dann muss eben zunächst auf dieses konkrete Übergabegeschehen abgestellt werden. Was der Zeuge sonst noch alles zu einem nicht relevanten Geschehen berichtet, braucht demnach nicht wiedergegeben zu werden, mit Ausnahme solcher Angaben, die die Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage und die Glaubwürdigkeit des Zeugen untermauern. Denn nur wenn der Richter dem Zeugen auch glaubt, ist der Beweis geführt. Das kann wie folgt lauten:

55 Ist bewiesen, dass…

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„Das Gericht hat keine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage. Diese ist in sich schlüssig und widerspruchsfrei.56 Insbesondere konnte die Zeugin ihre Angaben mit Detailwissen untermauern, indem sie weiter bekundete, dass der Beklagte sich den 100,- € Schein unmittelbar vor der Übergabe noch aus dem Geldautomaten gezogen habe, weswegen er sich anschließend nochmals Geld habe ziehen müssen“. Systematisch sind jetzt alle Zeugenaussagen derjenigen Zeugen zu würdigen, die für die beweisbelastete Partei ausgesagt haben.57 In der Klausursituation wird häufig ein Sitzungsprotokoll Aktenbestandteil sein, das protokollierte Zeugenaussagen enthält. Sicherlich ist es dann schwierig, eine Beweiswürdigung vorzunehmen, wenn man doch an der (fiktiven) mündlichen Verhandlung nicht mitgewirkt hat, sich also keinen unmittelbaren Eindruck von den Zeugen verschaffen konnte. Allerdings ist diese Situation nicht praxisfremd. Durch Zeugenvernehmungen im Wege der Rechtshilfe oder aber durch einen Dezernatswechsel nach einer bereits durchgeführten Beweisaufnahme, werden auch an den Tatrichter solche Anforderungen gestellt. Gelangt man nach dieser Würdigung schon zu der festen Überzeugung, dass die behauptete(n) Tatsache(n) nicht richtig ist bzw. sind, der Beweis also nicht geführt ist, braucht man auf die Gegenzeugen mit keinem Wort mehr einzugehen. Denn wenn eine zu beweisende Tatsache schon nicht bewiesen ist, bedarf es keines Gegenbeweises mehr. Nur wenn der Richter bzw. Klausurbearbeiter durch die Zeugenaussage von der Richtigkeit der jeweiligen Behauptung überzeugt, oder aber noch nicht fest davon überzeugt ist, dass die Tatsachen nicht bewiesen sind, ist eine Würdigung der von den Gegenzeugen getätigten Aussagen vorzunehmen. Denn ist der Beweis erst einmal erbracht, könnte er durch die Gegenzeugen erschüttert werden. Kann das Gericht den Sachverhalt in der Beweisaufnahme nicht aufklären, weil z.B. kein Zeuge eine zuverlässige Aussage tätigt, tritt für die beweisbelastete Partei Beweisfälligkeit ein. Neben dem Zeugenbeweis sollen natürlich die weiteren Beweismittel, nämlich Sachverständige, Inaugenscheinnahme, Parteivernehmung und der Urkundsbeweis nicht unterschlagen werden. Liegt über die bestrittene Rückzahlung eines Darlehens eine Quittung vor, deren Echtheit nicht bestritten ist, ist die Beweiswürdigung einfach: „Der Beklagte hat den streitgegenständlichen Betrag auch bezahlt. 56 Eine in Urteilen nicht selten verwandte Floskel, die nicht unbedingt jedem Richter zusagt. M.E. kann sie aber ruhig Verwendung finden, wenn sie mit weiteren Tatsachen untermauert wird, und nicht alleine im Raum stehen bleibt. 57 Von daher muss der Bearbeiter mit den Beweislastregeln vertraut sein, insbesondere mit Beweiserleichterungen, Beweislastumkehrungen oder auch nur mit der sekundären Darlegungsund Behauptungslast, die an der Beweislast selbst gerade nichts ändert.

Dies ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten und von dem Kläger unterschriebenen Quittung, deren Echtheit unbestritten ist, und in der der Erhalt von 100,- € bestätigt wird.“58 3. Die Nebenentscheidungen

Die Nebenentscheidungen finden sich im Tenor selbst, und zwar immer nach dem Hauptsachetenor, die Rechtsgrundlage hierfür ist immer am Ende der Entscheidungsgründe kurz wiederzugeben. Der letzte Satz im Urteil lautet also z.B.: „Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 S. 2 ZPO“ oder aber auch: „Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 2 ZPO.“ Diese brauchen regelmäßig nicht begründet zu werden, es sei denn es stellen sich dort bestimmte Problembereiche; typischerweise im Falle einer Teilerledigung und damit einer Entscheidung nach § 91a ZPO. D. Fazit

Das Relationsgutachten bereitet - z.B. - ein Urteil vor. Nach Abschluss des Relationsgutachtens sind also alle Grundlagen für das in der Praxis nunmehr anzufertigende Urteil geschaffen. Das erleichtert die Absetzung des Urteils in erheblichem Maße. Tatsächlich verhält es sich so, dass in der Praxis wohl kaum jemand die Zeit dafür hat, ein solches Gutachten zu erstellen. Jedoch wird die Relationstechnik jedenfalls gedanklich - und meist - unbewusst bei der Urteilsabsetzung angewandt, so dass sie eine wichtige Rolle nicht nur für die Arbeitserleichterung, sondern auch für das Verständnis und nicht zuletzt bei der richtigen Entscheidungsfindung spielt. Der Ausbildungsabschnitt über das Relationsgutachten sollte von daher nicht unterschätzt werden. Der in der universitären Ausbildung erlernte Gutachtenstil bleibt für die Anfertigung eines Relationsgutachtens relevant, der Urteilsstil muss für die gerichtlichen Entscheidungsentwürfe neu hinzutrainiert werden. Das oberste Gebot ist auch hier das Verständnis, d.h., dass bei Aufbau- oder Darstellungsproblemen der verständlicheren Darstellungsweise der Vorzug zu geben ist. Die Entscheidungsgründe eines Urteils müssen dem Leser eine nachvollziehbare und logische Wiedergabe des rechtlichen Gedankenweges aufzeigen. Systematische Brüche sind auch hier zu vermeiden.

58 Bestreitet der Kläger allerdings die Echtheit der Urkunde, muss im Wege eines Sachverständigenbeweises die Urheberschaft geklärt werden.

Kleine Einführung in den Sitzungsdienst in Strafsachen für Referendare von Dr. Martin Soyka

Dr. Martin Soyka ist Staatsanwalt als Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Kiel und dort Arbeitsgemeinschaftsleiter, ferner beim Landgericht Kiel und bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht. Er ist Verfasser des in der Reihe „Referendarpraxis“ im Verlag Vahlen erschienenen Leitfadens „Die Referendarstation bei der Staatsanwaltschaft“, in dem er die Arbeit der Staatsanwaltschaft erläutert und Referendaren eine Anleitung für den Sitzungsdienst gibt.

diese Aufgabe entweder nicht zutrauen oder Angst haben, etwas falsch zu machen. Zu Unrecht, denn Fehler gehören zur Ausbildung und außerdem ist ja auch noch ein Berufsrichter anwesend, der Ihnen ggf. auf die Sprünge helfen kann. Dieser Beitrag soll Ihnen beim Einstieg helfen. I. Vorbereitung

Für viele Referendare ist der staatsanwaltschaftliche Sitzungsdienst die erste Gelegenheit, die im Studium erworbenen Kenntnisse im Strafrecht mit Außenwirkung einzusetzen. Ohne Netz sollen die Referendare die Staatsanwaltschaft vor Gericht nach außen rechtswirksam vertreten. Das erfüllt manche Kandidaten mit Nervosität, weil sie sich insgeheim

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Sie sollten sich ruhig vorher schon mal einen Strafprozess als Zuhörer ansehen. Strafsachen gegen Erwachsene und Heranwachsende sind grundsätzlich öffentlich. In einigen Behörden besteht die Möglichkeit, den Einzelausbilder oder einen Amtsanwalt bei seinem Sitzungsdienst zu begleiten. Dies sollten Sie nutzen, denn es eröffnet Ihnen die Möglichkeit, zu den Fällen zunächst die Handakten zu lesen, also diejenigen

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Vorgänge, mit denen der Sitzungsvertreter im Termin arbeiten muss. Außerdem sollten Sie sich darüber informieren, wie Sie Einblick in den Sitzungsplan erhalten können, wo Sie in der Behörde künftig Ihre Handakten entgegennehmen werden und woher Sie die Robe für den Dienst bekommen. Sind Sie zum ersten Mal eingeteilt, müssen Sie die betreffenden Handakten durcharbeiten. Dazu gehört auch, nachzuschauen, ob gegen den Angeklagten weitere Ermittlungsverfahren anhängig gemacht oder Anklagen erhoben worden sind. Haben Sie in Ihrer Ausbildungsbehörde keinen eigenen Zugriff auf diese Daten, sollten Sie Ihren Ausbilder darum bitten, diese für Sie zu beschaffen. Sinnvoll ist es auch, bei der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts nachzufragen, ob noch Anklagen für den Sitzungstag hinzugekommen sind. Kurz bevor es losgeht, sollte Ihr Ausbilder mit Ihnen die Akten besprechen. Sie müssen in der Lage sein, ihm in wenigen Worten den Gegenstand des Falles und eventuelle Schwierigkeiten darzulegen. Auch sollten Sie eine Vorstellung zur Frage der zu beantragenden Sanktion im Falle einer Verurteilung haben. Dabei kann, falls so etwas in Ihrer Behörde existiert, eine Strafrahmenübersicht zu typischen Deliktsformen helfen. Jetzt ist auch der richtige Moment um zu klären, ob eventuell eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung (§ 55 StGB) nötig werden könnte. Da so etwas vielen im ersten Anlauf Schwierigkeiten bereitet, kann der mögliche Antrag, der im Schlussvortrag zu stellen wäre, schon jetzt erarbeitet werden. Näheres wird im Abschnitt zum Plädoyer dargelegt werden. Weiter sollte geklärt werden, ob Sie eventuell (ausnahmsweise) sichergestellte oder beschlagnahmte Dinge aus der Asservatenkammer mit zu Gericht nehmen müssen, insbesondere Gegenstände richterlichen Augenscheins. Auch ist wichtig, ob das Gericht über diese oder andere Asservate zu entscheiden hat, z. B. beschlagnahmte Waffen, Gelder, Drogen. Muss ein Verfalls- oder Einziehungsantrag gestellt werden? Bereiten Sie auch dies vor, falls der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin nicht auf die Herausgabe verzichten sollte (was Angeklagte jedoch häufig tun; in diesem Fall sollte der Verzicht deutlich in den Handakten vermerkt werden). Noch etwas ist sehr wichtig: Meist ist es Referendaren untersagt, in der Hauptverhandlung eigenverantwortlich eine Zustimmung zu einer Einstellung, insbesondere gemäß §§ 153 Abs. 2, 153 a Abs. 2 StPO, zu erteilen, eine Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO zu beantragen oder im Falle des Nichterscheinens des Angeklagten Strafbefehlsantrag nach § 408 a StPO zu stellen. Derartige Entscheidungen können von der Staatsanwaltschaft nicht angefochten werden (vgl. §§ 153 Abs. 2 S. 3, 153 a Abs. 2 S. 4 StPO). Hinzu kommt, dass nach ständiger Rechtsprechung bei allen gerichtlichen Einstellungen nach den vorbenannten Vorschriften ein partieller Strafklageverbrauch hinsichtlich aller Vergehen eintritt, auch bei §§ 153 und 154 StPO1. Wird ein Strafbefehl erlassen, hilft nur ein Wiederaufnahmeverfahren (§ 373 a StPO) und dies auch nur bei Verbrechen. Selbst wenn Referendare dies in aller Regel im Innenverhältnis nicht dürfen, ist eine entsprechende Erklärung bei Gericht gleichwohl gültig. Häufig wird aber im Zuge der weiteren Ausbildung bereits beim Vorgespräch dem Referendar vom Ausbilder eine carte blanche erteilt. Und: ein Nein zu einer Einstellung dürfen Sie ohne Rücksprache erklären. Telefonieren müssen Sie nur, wenn Sie ebenso wie der Richter der Auffassung sind, das Verfahren sollte eingestellt oder ein Strafbefehl erlassen werden werden.

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Vgl. zum Meinungsstand bei § 153 StPO: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 58. Auflage, § 153 Rn. 37 ff, bezüglich § 154: BGH, Beschl. vom 30.03.2009 – 1 StR 745/08 = BGHSt 54, 1

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II. Hauptverhandlung

Nachdem Sie sich rechtzeitig zum Gericht begeben und den korrekten Sitzungssaal aufgesucht haben, sollten Sie sich dem Richter und der Protokollkraft vorstellen. Das ist nicht nur höflich, sondern dient dazu, dass Ihr Name korrekt in Protokoll und Urteil wiedergegeben werden kann, denn Sie werden dort namentlich im Rubrum aufgeführt werden. Nehmen Sie dann auf der Fensterseite des Sitzungssaals Platz. Dieser Sitzplatz hat sich für die Staatsanwaltschaft eingebürgert. Denken Sie an Schreibwerkzeug und Kommentare. Stellen Sie ihr Mobiltelefon aus, nicht nur auf Vibration; es darf sich nicht rühren. Anders als Richtern2 ist es den Vertretern der Staatsanwaltschaft zwar nicht verwehrt, während der Sitzung Textnachrichten zu verfassen, aber es ist sehr ungebührlich. Gleichwohl kann ein Smartphone während der Hauptverhandlung durchaus nützlich sein, um Tatsächliches im Internet zu kurz zu überprüfen. Essen und Trinken während der Hauptverhandlung ist in jedem Fall zu unterlassen. Nutzen Sie hierfür die Sitzungspausen. 1. Ablauf

Es bietet sich an, zunächst die Vorschriften der RiStBV zur Hauptverhandlung zu lesen (Nrn. 123 ff.). Diese formulieren auch Rechte und Pflichten des Staatsanwalts (und damit auch des Referendars), insbesondere hinsichtlich der Einhaltung des Gesetzes (Nr. 127), der Wahrung der Ordnung (Nr. 128) und der ordnungsgemäßen Belehrung (Nr. 130). a) Der Gang der Hauptverhandlung ist § 243 StPO zu entnehmen: Die Sache wird aufgerufen. Der Vorsitzende stellt fest, ob der Angeklagte und ggf. sein Verteidiger anwesend und die Beweismittel, namentlich Zeugen, erschienen sind. Nachdem die Zeugen den Sitzungssaal wieder verlassen haben, wird der Angeklagte über seine persönlichen Verhältnisse vernommen, also seine Identität festgestellt. Dabei werden die Angaben i. S. d. § 111 Abs. 1 OWiG abgefragt, allerdings nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse, denn diese können für den Rechtsfolgenausspruch von Bedeutung sein, so dass der Angeklagte – schon gar nicht vor Belehrung über sein Schweigerecht - hierzu keine Angaben machen muss3. Ein häufig zu beobachtender Fehler. b) Jetzt wird der Anklagesatz (im Stehen) verlesen. Dabei können die persönlichen Daten, die eben vom Vorsitzenden ohnehin überprüft worden sind, weggelassen werden. Der Anklagesatz reicht bis zu den anzuwendenden Strafvorschriften. Statt „Angeschuldigter“ (z. T. wird auch in der Anklageschrift vom „Beschuldigten“ gesprochen) wird dabei „Angeklagter“ vorgelesen (was einige Sitzungsvertreter dazu verleitet, diese Veränderungen mit Bleistift in die Ablichtung der Anklageschrift der Handakten einzupflegen, um keinen Fehler beim Vorlesen zu machen). Handelt es sich um eine Anklageschrift, die eine Vielzahl von gleichförmigen Einzeltaten zum Gegenstand hat, die z. B. tabellarisch aufgeführt sind, muss nur die Zusammenfassung, nicht aber alles vorgelesen, denn das Gesetz spricht von Verlesen, also den wesentlichen Inhalt zur Kenntnis bringen, nicht vom vollständigen Vorlesen4. Ist Einspruch gegen einen Strafbefehl eingelegt worden, ist dieser zu verlesen, und zwar üblicherweise umformuliert in einen neutralen Anklagesatz ohne die im Strafbefehl enthaltenen Rechtsfolgen5. c) Sodann muss vom Vorsitzenden nach § 243 Abs. 4 StPO mitgeteilt werden, ob Verständigungsgespräche geführt worden sind und welchen Inhalt diese gehabt haben. Diese Verpflichtung gilt nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn keine Verständigungsgespräche geführt worden sind. Achten Sie darauf, dass das Gericht sich hierzu verhält. Lassen Sie sich nicht aus der Ruhe bringen, falls der Richter genervt reagieren sollte. 2 3 4 5

Siehe BGH, Urt. v. 17.06.2015 – 2 StR 228/14 Meyer-Goßner/Schmitt, § 243 Rn. 12. BGHSt 56, 109. Meyer-Goßner/Schmitt, § 411 Rn. 3, § 243 Rn. 14.

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d) Jetzt wird der Angeklagte darüber belehrt, dass es ihm frei stehe, sich zu der Anklage zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen. Falls ja, wird er vom Richter vernommen. e) Nun folgt die Beweisaufnahme, § 244 Abs. 1 StPO. Bewiesen werden müssen alle entscheidungserheblichen Tatsachen, die der Angeklagte nicht glaubhaft eingesteht, und über Erfahrungssätze, die nicht allgemeingültig sind (oder gar mit einem Beweisverbot belegt sind). Sie unterliegen dem Strengbeweisverfahren nach §§ 244 bis 256 StPO. Alle Tatsachen, die für die Feststellung der Schuld und die Bestimmung der Rechtsfolgen erheblich sind, müssen mittels Beschuldigtenvernehmung, Zeugen, Sachverständigen, Urkunden und Augenscheinsobjekten prozessordnungsgemäß in der Hauptverhandlung bewiesen werden, sofern sie nicht offenkundig sind6. Geht es dagegen in der Verhandlung um Prozessvoraussetzungen oder Verfahrenshindernisse, Verwertungsverbote oder ähnliches, wird die jeweilige Frage im Freibeweisverfahren geklärt. Das Gericht kann dabei alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen nutzen, z. B. schriftliche oder telefonische Auskünfte. Urkunden müssen nicht verlesen werden, soweit die im Freibeweis gewonnenen Ergebnisse zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht werden7. Geht es darum, was ein Zeuge gesehen hat, muss er also nach Möglichkeit vernommen werden. Wird dagegen ein Beweisverwertungsverbot geltend gemacht, z. B. wegen einer fehlerhaften Durchsuchung, kann das Gericht die entsprechenden Vorgänge anhand der Akten klären und die Erkenntnisse mündlich mitteilen. Es ist nicht erforderlich, Durchsuchungsbeschlüsse zum Zweck des Beweises des Nichtvorliegens eines Beweisverwertungsverbotes vorzulesen. f) Das Gericht hat seiner Amtsaufklärungspflicht nach § 244 Abs. 2 StPO dergestalt nachzukommen, dass der aus §  250 StPO folgende Unmittelbarkeitsgrundsatz gewahrt wird, wonach der Vorrang des Personalbeweises vor dem Urkundsbeweis gilt. Nur ausnahmsweise kann eine schriftliche Erklärung die persönliche Vernehmung ersetzen, z. B. gemäß § 251 StPO. Die Grenzen, die § 252 StPO den Ersetzungsmöglichkeiten hinsichtlich eines Zeugen mit Zeugnisverweigerungsrecht zieht, dürfen als bekannt vorausgesetzt werden. Sollten Sie hier Lücken haben, müssen Sie sich noch einmal mit dieser wichtigen Vorschrift befassen, die auch hohe Examensrelevanz hat. Es ist möglich, einem Zeugen das Protokoll über seine frühere richterliche Vernehmung vorzuhalten, um sein Gedächtnis zu unterstützen, § 253 Abs. 1 StPO. Über den Wortlaut der Norm gestattet die Norm nach hM aber auch die Einführung der früheren Aussage im Wege des Urkundsbeweises8, wenn der Zeuge sich trotz des Vorhaltes nicht erinnern kann. Hierdurch kann vermieden werden, dass der seinerzeitige Vernehmungsbeamte in einem neuen Termin als Zeuge vom Hörensagen über die frühere Aussage des Zeugen vernommen werden muss, zumal dieser sich erfahrungsgemäß das Protokoll noch einmal durchlesen und bestätigen wird, dass der Zeuge die Angaben damals so zu Protokoll gegeben hat. Auch § 256 StPO enthält Aufweichungen des Unmittelbarkeitsgrundsatzes z. B. im Hinblick auf bestimmte Gutachten oder ärztliche Atteste. g) Die Befragung von Zeugen wird in erste Linie vom Vorsitzenden durchgeführt, § 238 Abs. 1 StPO. Auf Verlangen kann er auch den übrigen Prozessteilnehmern gestatten, Fragen zu stellen, § 240 StPO. Es besteht zwar die Möglichkeit, gemäß § 239 StPO ein Kreuzverhör nach anglo-amerikanischem Vorbild durchzuführen, hiervon wird aber in der Praxis nie Gebrauch gemacht. Nach jeder Beweiserhebung soll der Angeklagte befragt werden, ob er dazu etwas zu erklären habe, § 257 StPO, wobei auch der Staatsanwalt und der Verteidiger auf Verlagen Gelegenheit zu einer Erklärung haben, solange dies nicht in ein vorweggenommenes Plädoyer ausartet. Dieser Zeitpunkt ist noch aus einem

anderen Grund wichtig: Schweigt der verteidigte Angeklagte hier, verliert er die Möglichkeit, ein unselbstständiges Beweisverwertungsverbot geltend zu machen, wenn es der sog. Widerspruchslösung der Rechtsprechung unterliegt. Wird also z. B. das Ergebnis der Untersuchung einer rechtswidrig entnommenen Blutprobe verlesen und widerspricht der Angeklagte oder sein Verteidiger jetzt nicht, kann ein Beweisverwertungsverbot nicht mehr entstehen und die Blutprobe ist verwertbar. h) Aus dem Amtsaufklärungsgrundsatz folgt auch, dass es in aller Regel nicht nötig ist, einen Beweisantrag zu stellen, sondern dass man z. B. anregen kann, den einen oder anderen Zeugen zusätzlich zu vernehmen. Sieht das Gericht sich hierzu jedoch nicht veranlasst, kann ein Beweisantrag gestellt werden. Ein solcher ist gegeben, wenn eine Beweistatsache und ein Beweismittel benannt wird und – soweit erforderlich – Konnexität dargelegt wird, also warum das Beweismittel geeignet ist, die Tatsache zu beweisen9. Sie sollten in der Lage sein, einen Beweisantrag formulieren und zu gestellten Beweisanträgen Stellung nehmen zu können. Die Möglichkeiten, einen Beweisantrag abzulehnen, sind in § 244 Abs. 3 – 6 StPO geregelt, ferner in § 245 Abs. 2 StPO für von Staatsanwaltschaft oder Angeklagten vorgeladene und erschienene Zeugen und Sachverständigen und für herbeigeschaffte Beweismittel. Besonderheiten bestehen im beschleunigten Verfahren gemäß § 420 StPO hinsichtlich der Beweisaufnahme. Diese Vorschrift enthält erweiterte Verlesungsmöglichkeiten. Wichtiger ist aber, dass nach Abs. 4 Beweisanträge ohne Bindung an § 244 Abs. 3 – 5 StPO abgelehnt werden können10. Und: in der Hauptverhandlung nach einem Einspruch gegen einen Strafbefehl gilt § 420 StPO gemäß § 411 Abs. 2 S. 1 StPO entsprechend, d. h. der Richter muss auch hier den Beweisantrag nur an seiner richterlichen Aufklärungspflicht messen. i) Verändert sich ein rechtlicher Gesichtspunkt während der Hauptverhandlung nicht nur unwesentlich, ist der Angeklagte gemäß § 265 StPO vom Gericht hierauf hinzuweisen, denn das Gesetz verbietet Überraschungsurteile, weil der Angeklagte sich unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt verteidigen können muss. Das gilt auch, wenn statt des ursprünglichen jetzt ein milderes Strafgesetz zur Anwendung kommen könnte. j) Nach Abschluss der Beweisaufnahme erhalten erst der Staatsanwalt, dann der Verteidiger und der Angeklagte das Wort, § 258 StGB. Die Schlussvorträge sollen frei (und wiederum im Stehen) gehalten werden, wobei schriftliche Aufzeichnungen benutzt werden dürfen. Der Vortrag des Staatsanwaltes soll die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände gleichermaßen berücksichtigen. Näheres regeln Nrn. 138, 139 RiStBV. Skizzieren Sie ihren Antrag in den Handakten, so dass der Anklageverfasser versteht, was geschehen ist. (Teil-) Einstellungen, z. B. nach § 154 Abs. 2 StPO, sollten auch dort aufgeschrieben werden, möglichst mit kurzer Begründung und mit Hinweis auf die von einem Staatsanwalt erteilte Zustimmung. Dies gilt natürlich erst Recht, wenn das Verfahren insgesamt mit einer Einstellung endet. k) Nach den Schlussvorträgen und dem obligatorischen letzten Wort des Angeklagten folgt eine Unterbrechung, in der sich das Gericht zur Beratung zurückzieht. Anschließend erfolgt der Wiederaufruf der Sache. Nachdem sich alle im Saal erhoben haben, verkündet der Vorsitzende das Urteil durch Verlesung der schriftlich niedergelegten Urteilsformel, § 268 StPO. Dann nehmen alle wieder Platz und der Vorsitzende begründet in freier Rede den wesentlichen Inhalt des Urteils. Auch hinsichtlich der Frage der Fortdauer der Untersuchungshaft muss das Gericht entscheiden, § 268 b StPO. Dieser Beschluss muss mit dem Urteil zusammen verkündet werden. Abschließend ist der Angeklagte gemäß § 35 a StPO über die möglichen Rechtsmittel zu belehren. Dann

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9 Meyer-Goßner/Schmitt § 244 Rn. 19 ff. 10 Meyer-Goßner/Schmitt § 420 Rn. 1.

Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn. 3 ff. Meyer-Goßner/Schmitt, § 244 Rn. 9. Meyer-Goßner/Schmitt § 253 Rn. 1.

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wird die Sitzung geschlossen. Sie müssen nur noch in den Handakten den Inhalt des Urteils vermerken. 2. Besondere Situationen

So glatt geht es nicht immer. Sie sollten fähig sein, in folgenden Fällen sachgerechte Anträge zu stellen: a) Häufig erscheint der Angeklagte nicht. Da gegen einen ausgebliebenen Angeklagten gemäß § 230 Abs. 1 StPO nicht verhandelt wird, kann er nach Abs. 2 dieser Vorschrift vorgeführt werden (entweder gleich oder zum nächsten Termin), auch ist ein Haftbefehl möglich, wenn er ordnungsgemäß geladen worden ist und sich nicht genügend entschuldigt hat. Das gleiche gilt, wenn er verschuldet in einem verhandlungsunfähigen Zustand erscheint oder sich aus der Hauptverhandlung entfernt11. Ob der Angeklagte ordnungsgemäß geladen ist, stellt der Vorsitzende fest. Problematisch ist zuweilen, ob er genügend entschuldigt ist, speziell bei plötzlicher Krankheit. Dabei gilt: Legt der Angeklagte zur Entschuldigung für sein Ausbleiben dem Gericht eine nicht näher spezifizierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor – was nicht ausreichend ist -, liegt darin konkludent die Erklärung, dass er den ausstellenden Arzt bei etwaigen Nachfragen des Gerichts von der Schweigepflicht entbindet12. Der Vorsitzende kann den Arzt also telefonisch über die Krankheit des Angeklagten befragen. Wenn die Entschuldigung nicht ausreicht, um von einer Unzumutbarkeit der Durchführung der Hauptverhandlung auszugehen, sollten Sie einen Antrag i. S. v. § 230 Abs. 2 StPO stellen, natürlich unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Findet die Hauptverhandlung statt, weil der Angeklagte gegen einen Strafbefehl Einspruch eingelegt hat, kann dieser gemäß § 412 StPO verworfen werden. b) Auch Zeugen haben zu erscheinen. Tun sie dies trotz Ladung und ohne ausreichende Entschuldigung nicht, werden dem Zeugen gemäß § 51 Abs. 1 StPO die Kosten seines Ausbleibens auferlegt. Gleichzeitig wird gegen ihn obligatorisch ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dies nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt werden (z. B. 100,- € Ordnungsgeld, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft). Auch die zwangsweise Vorführung ist zulässig. c) Sie sollten sich zudem mit den Möglichkeiten des Ausschlusses der Öffentlichkeit gemäß §§ 171 a GVG vertraut machen. Manchmal wird dies von Verteidigern oder Zeugenbeiständen beantragt; die Möglichkeiten hierzu sind aber relativ eingeschränkt. Dies sollte im Hinblick auf § 338 Nr. 6 StPO im Falle eines Falles sorgfältig geprüft werden. Sollte es einmal während der Verhandlung hoch hergehen, obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung dem Vorsitzenden, § 176 GVG. Er ist gegenüber bestimmten Personen (aber nicht allen, z. B. Verteidigern) zu Ordnungsmitteln befugt, § 177 ff. GVG. Und sollte gar in der Sitzung eine Straftat geschehen, z. B. eine Beleidigung, hat das Gericht gemäß § 183 GVG den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. Hierauf sollten Sie hinwirken. Sogar eine Festnahme des Täters ist möglich. d) Häufig lügt ein Zeuge. Dann soll der Staatsanwalt gemäß Nr. 136 RiStBV beantragen, dass die beanstandete Aussage zur Feststellung des Tatbestandes für ein künftiges Ermittlungsverfahren zu beurkunden ist (§ 183 GVG, § 273 Abs. 3 StPO). In diesem Fall sollten sie trotzdem den wesentlichen Inhalt mitschreiben, damit notfalls auf Grundlage dieses Vermerks ein neues Verfahren gegen den Zeugen eingeleitet werden kann. Außerdem ist über eine Vereidigung nach § 59 Abs. 1 S. 1 StPO zu entscheiden, denn das Gericht kann einen Zeugen vereidigen, wenn es dies zur Herbeiführung einer wahren Aussage nach seinem Ermessen für notwendig hält. Dabei ist aber nicht ausreichend, dass der Zeuge lügt, sondern auch, dass bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, 11 Meyer-Goßner/Schmitt, § 230 Rn. 15. 12 OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.10.1993, 3 Ws 154/93.

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dass er unter Eideszwang erhebliche Tatsachen bekunden werde13. An dieser Voraussetzung wird es meist fehlen, so dass man ihn nicht ohne Not in einen Meineid zwingen sollte. e) Nimmt der Verletzte der Tat während seiner Befragung den Strafantrag gegen den Angeklagten zurück, ist zu unterscheiden: Ist ein absolutes Antragsdelikt angeklagt (z. B. § 185 StGB), tritt ein Verfahrenshindernis ein. Damit muss ein Prozessurteil nach § 260 Abs. 3 StPO ergehen (es sei denn, die Verhandlung hat bereits die Unschuld des Angeklagten ergeben, dann gilt der Vorrang des Freispruchs14). Handelt es sich dagegen um ein relatives Antragsdelikt (z. B. §§ 223, 230 oder §§ 242, 248 a StGB), dann sollten Sie das Vorliegen des besonderen öffentlichen Interesses prüfen, welches den Strafantrag ersetzen kann. Gegebenenfalls sollten Sie laut erklären, dass sie dieses bejahen. Begründen müssen Sie Ihre Entscheidung nicht, denn nach hM handelt es sich um eine gerichtlich nicht nachprüfbare Ermessensentscheidung15. Zwar kann das besondere öffentliche Interesse auch konkludent durch Anklageerhebung oder Beantragung eines Strafbefehls bejaht werden, aber dies gilt nur, solange sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. So enthält eine Anklage wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall oder wegen gefährlicher Körperverletzung keine konkludente Erklärung, wenn sich die Tat später als Diebstahl geringwertiger Sachen oder als normale Körperverletzung erweist. Hier muss die Erklärung abgegeben werden, wenn eine Verurteilung angestrebt wird16. 3. Der Schlussvortrag

Nachdem der Vorsitzende die Beweisaufnahme geschlossen hat, erhalten Sie für Ihren Schlussvortrag das Wort. Dessen wesentlichen Inhalt können Sie Nrn. 138 f. RiStBV entnehmen. Hier ein Vorschlag für den Ablauf des Plädoyers: • Einleitung: Tatnachweis geglückt? • Festgestellter Sachverhalt • Beweiswürdigung • Einlassung des Angeklagten • Darstellung der Beweismittel und Würdigung derselben • Rechtliche Erwägungen: Subsumtion unter das Strafgesetz • Strafzumessungserwägungen: Strafrahmen, besonders/minder schwerer Fall, benannte Strafmilderungsgründe • Nebenentscheidungen und Kosten • Antrag Wie Sie sehen, orientiert sich dieser Aufbau an dem Aufbau der Urteilsgründe in der künftigen Urteilsschrift. Die erste Hälfte beschäftigt sich mit der Frage des Schuldspruchs, die zweite mit dem Rechtsfolgenausspruch. Es ist also unnötig, sich Muster-Lochtexte aus dem Internet zu beschaffen, wie es manchmal zu beobachten ist. Aber bitte unterwerfen Sie sich nicht sklavisch diesem Aufbau. Gehen Sie nur dann auf alles ein, wenn der Fall sehr wichtig ist oder aber tatsächlich alles problematisch ist. Ist der Tatnachweis einfach gewesen (z. B. Trunkenheitsfahrt i. S. d. § 316 Abs. 1 StGB), dann kann man sich auch auf die Feststellung beschränken, dass die Tat bewiesen ist, und nur die Rechtsfolgenseite beleuchten. Seien Sie so präzise wie nötig und so kurz wie möglich. Übrigens dürfen Sie auch ohne Rücksprache mit der Behörde einen Freispruch beantragen. Vergessen Sie nicht, etwas zu Nebenentscheidungen (Haftbefehl, Entziehung der Fahrerlaubnis, Sperre, Fahrverbot) zu sagen. Besondere Schwierigkeit bereitet vielen anfangs die Strafzumessung. Lesen Sie zunächst die §§ 46 ff. StGB durch. Besonders wichtig ist § 46 Abs. 2 StGB. Ist nur ein Strafgesetz verwirkt, bestimmen Sie zu13 14 15 16

BGHSt 16, 99 (103); Meyer-Goßner/Schmitt, § 59 Rn. 4. Z. B. BGH NStZ-RR, 213, 50. BayObLG, NJW 1991, 1765. Fischer, StGB, 62. Auflage, § 230 Rn. 3.

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nächst den abstrakten Strafrahmen. Bei Tateinheit ist der Strafrahmen des schwersten Gesetzes maßgebend. Ggf. kommt es zu einer Strafrahmenverschiebung wegen eines besonders/minder schweren Falls. Auch sind benannte Milderungsgründe möglich, z. B. gemäß §§ 21 27 Abs. 2 StGB. Ist der abstrakte Strafrahmen bestimmt, wägen Sie gemäß §§ 46 ff. StGB die für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände ab. Meist kommen Sie zu einer Geldstrafe. Diese wird gemäß § 40 StGB in Tagessätzen verhängt, und zwar mindestens fünf und höchstens 360 Tagessätze (bei Tatmehrheit gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 StGB maximal 720). Ein Tagessatz soll dabei dem Nettoeinkommen pro Tag entsprechen, mindestens ein, maximal dreißigtausend Euro, § 40 Abs. 2 StGB, wobei Unterhaltsverpflichtungen vom Einkommen abzuziehen sind, nicht aber Miete oder Schulden, die nur bei einer möglichen Ratenzahlung i.S.d. § 42 StGB eine Rolle spielen sollten. Gemäß § 40 Abs. 3 StGB darf das Einkommen geschätzt werden. Wollen Sie dagegen eine Freiheitsstrafe beantragen, muss auch ein Antrag zu einer möglichen Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB, der Bewährungszeit, § 56 a StGB, und ggf. hinsichtlich Auflagen und Weisungen gemäß § 56 b ff. StGB gestellt werden. Denken Sie daran: eine kurze Freiheitsstrafe unter sechs Monaten wird in aller Regel nicht verhängt. Selbst wenn das Gesetz keine Geldstrafe androht, eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten oder darüber aber nicht in Betracht kommt, verhängt das Gericht gleichwohl eine Geldstrafe, § 47 Abs. 1, 2 StGB. Wenn es dagegen um tatmehrheitlich begangene Straftaten geht, müssen Sie diese Erwägungen prinzipiell gesondert für jede Tat anstellen, um dann gemäß §§ 53 – 55 StGB zu einer Gesamtstrafe zu gelangen. Dabei wird in aller Regel auf eine einheitliche Strafe erkannt, § 53 Abs. 2 StGB. Man geht von der schwersten verwirkten Strafe aus, der sog. Einsatzstrafe. Diese wird durch die Einzelstrafen erhöht, wobei die Gesamtstrafe höher liegen muss als die Einsatzstrafe, die Summe der

insgesamt verwirkten Einzelstrafen aber nicht erreicht werden darf, § 54 StGB. Tagessätze werden in Tage Freiheitsstrafe umgerechnet, wenn Geld- mit Freiheitsstrafe zusammen trifft. Geht es z. B. um drei Taten, bei denen Sie 30, 50 und 40 Tagessätze für tat- und schuldangemessen erachten, werden die 50 Tagessätze erhöht, ohne die Summe von 120 zu erreichen. 90 Tagessätze könnten hier hierauskommen. Es gibt also Rabatt. Wenn aber die Tat, um die es geht, schon in einer früheren Hauptverhandlung, in der der Angeklagte verurteilt worden ist, hätte abgeurteilt werden können, hätte er schon damals Rabatt bekommen. Um ihn nicht schlechter zu stellen, gestattet § 55 StGB eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung. Die Strafe aus der früheren Verurteilung wird dabei einbezogen und eine Gesamtstrafe gebildet, allerdings nur, wenn die frühere Strafe noch nicht vollstreckt, verjährt oder erlassen worden ist. In diesem Fall ist dem Angeklagten ein Härteausgleich zu gewähren17. III. Nachbereitung

Nach Beendigung des Sitzungstages wird es meist erforderlich sein, die Sitzungsstunden statistisch zu erfassen. Sollten Sie Reisekosten gehabt haben, müssen Sie deren Erstattung beantragen. Die Handakten müssen binnen kurzer Zeit mit dem Ausbilder besprochen werden, damit dieser ggf. Rechtsmitteleinlegungen und Neueinleitungen von Ermittlungsverfahren veranlassen kann. Sie werden spätestens nach dem ersten Sitzungstag feststellen, dass alles halb so wild ist. Immer daran denken: bevor Sie Unsinn reden, lieber um eine Unterbrechung bitten, um Rechtsfragen anhand des Kommentars klären zu können. Der Richter war auch einmal Referendar und wird dafür Verständnis haben. 17 Siehe hierzu Fischer, § 55 Rn. 21 ff.

WISSEN KOMPAKT

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Die Verwaltungsstation – Eine Einführung in die praktische Arbeit und Klausurbearbeitung von Jens-Peter Thiemann und Sven-Sebastian Ohms1 A. Einleitung1

Die Verwaltungsstation bereitet vielen Referendaren im Vorfeld gewisse Sorgen, was nicht zuletzt daran liegt, dass das öffentliche Recht während des Studiums für viele eine abstrakte Materie ohne persönliche Bezüge bleibt. Da hilft auch die in vielen Bundesländern bestehende Pflicht zur Absolvierung eines Verwaltungspraktikums nur bedingt weiter. Denn nur selten befinden sich die Studierenden dabei bereits in einem solchen Ausbildungsstadium, dass sie zum Abfassen von Bescheiden herangezogen werden könnten. Dieser Beitrag soll daher in Teil B. den Einstieg in die Verwaltungsarbeit und Klausurbearbeitung erleichtern die Scheu vor der Verwaltungsstation zu reduzieren. In einem zweiten großen Block C. wird den Unterschieden eines verwaltungsgerichtlichen Urteils im Vergleich zu einem zivilgerichtlichen Urteil nachgegangen, was erfahrungsgemäß mehr für die Klausuren relevant ist. B. Die häufigste Aufgabe in der Verwaltungsstation – der Entwurf eines Verwaltungsaktes

Die häufigste praktische Aufgabe in der Verwaltungsstation ist der Entwurf eines Verwaltungsaktes i.S.d. § 35 Satz 1 VwVfG. I. Die Vorüberlegungen vor Erlass eines Verwaltungsaktes

Bevor eine Entscheidung über das „ob“ und „wie“ des konkret zu erlassenden Verwaltungsaktes von der jeweiligen Behörde getroffen werden kann, muss der Sachbearbeiter einige Vorüberlegungen anstellen. 1. Die Frage der Zuständigkeit

Ausgangspunkt einer jeden behördlichen Entscheidung unabhängig davon, ob es um den Erlass eines belastenden oder begünstigenden Verwaltungsaktes geht, ist die Frage, ob überhaupt die Zuständigkeit der Behörde gegeben ist. Diese ergibt sich aus den jeweiligen Regelungen der Fach- und Organisationsgesetze. 2. Die Frage des Tätigwerdens – das Offizial- und das Opportunitätsprinzip

Liegt die Zuständigkeit der Behörde vor schließt sich die Frage an, ob für die Behörde eine Pflicht zum Tätigwerden besteht (Offizialprinzip). Dies ist nicht immer der Fall. Die allgemeine Befugnis zum Tätigwerden einer Behörde ergibt sich aus § 22 Satz 1 VwVfG.  Danach obliegt es grundsätzlich der zuständigen Behörde zu entscheiden, ob sie ein Verwaltungsverfahren durchführen will (Opportunitätsprinzip). Diese Entscheidung hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (sog. Entschließungsermessen). Eine Ausnahme hiervon ergibt sich jedoch regelmäßig aus § 22 Satz 2 VwVfG, wenn ein Tätigwerden von Amts wegen oder in Folge eines Antrags geboten ist, bzw. ein solcher Antrag die Voraussetzung für ein behördliches Tätigwerden bildet. Ein Beispiel für verpflichtendes Tätigwerden ergibt sich aus § 35 Abs. 1 GewO, wonach die zuständige Behörde bei Bekanntwerden gewisser Tatsachen einzuschreiten hat, ein klassisches Beispiel für Tätigwerden auf Antrag ergibt sich aus den landesrechtlichen Regelungen des Bauordnungsrechts für die Beantragung einer Baugenehmigung, etwa § 72 BauO NRW.   3. Ermittlung des Sachverhaltes

Entschließt sich die Behörde zum Tätigwerden oder ist sie zum Tätigwerden verpflichtet, gilt es zunächst den Sachverhalt zu ermitteln, der in der * 1

Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. Sven-Sebastian Ohms ist Rechtsanwalt in Hagen im Bremischen. Jens-Peter Thiemann ist als Rechtsanwalt im Münsterland und als Prokurist für ein Unternehmen in Köln tätig.

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Praxis – anders als in der Klausur – regelmäßig noch nicht feststeht. Dabei sind die konkreten Umstände des Einzelfalls festzustellen, auf die es für die konkret zu treffende Entscheidung ankommt. Diese sind gem. § 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in aller Regel von Amts wegen zu ermitteln (sog. Amtsermittlungsgrundsatz oder Untersuchungsgrundsatz). Besonderheiten ergeben sich jedoch, sofern ein begünstigender Verwaltungsakt beantragt wird. In dem Fall gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nur eingeschränkt. Den Antragssteller trifft dann vielmehr eine Mitwirkungspflicht, die in seinem Bereich liegenden Tatsachen der Behörde von sich aus mitzuteilen, § 26 Abs. 2 VwVfG. Unabhängig davon ist die Behörde gem. § 25 VwVfG in allen Fällen gehalten darauf hinzuwirken, dass sachdienliche Anträge gestellt werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn offensichtlich ist, dass Anträge aus Unkenntnis des Antragsstellers nur versehentlich falsch gestellt worden sind, denn die Verwirklichung der Rechte der Beteiligten soll nicht an Unkenntnis oder Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden scheitern. 4. Rechtliche Würdigung

Anschließend prüft die Behörde anhand des zuvor ermittelten Sachverhaltes genau wie ein Referendar während der Ausbildung, welche Ermächtigungs- oder Anspruchsgrundlage in Betracht kommt und ob die Voraussetzungen dieser Ermächtigungs- oder Anspruchsgrundlage vorliegen. 5. Evtl. Anhörung

Nach § 28 Abs. 1 VwVfG ist die Behörde vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes, also eines Verwaltungsaktes, durch den in die Rechte des Betroffenen eingegriffen werden soll, verpflichtet, den Betroffenen anzuhören. Diesem muss Gelegenheit gegeben werden, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Soll ein beantragter, begünstigender Verwaltungsakt ganz oder teilweise abgelehnt werden, bedarf es nach der Rechtsprechung2 – entgegen der Auffassung der Literatur3 – keiner vorherigen Anhörung. Denn durch den Antrag soll die bestehende Rechtsposition erst erweitert werden, sodass durch dessen Versagung nicht in bereits bestehende Rechte eingegriffen wird. 6. Entscheidung

Den Abschluss des Entscheidungsprozesses bildet die Frage „wie“, d.h. mit welchem Inhalt ein belastender oder begünstigender Verwaltungsakt erlassen werden soll (sog. Auswahlermessen). Nach § 40 VwVfG hat die Behörde ihr Ermessen dabei entsprechend dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Bei gebundenen Entscheidungen oder einer Ermessensreduzierung auf „Null“, wenn also nur eine Art von Rechtsfolge möglich bzw. gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist, ist selbstverständlich diese zu wählen. Ein Auswahlermessen besteht in diesen Fällen nicht. II. Das Abfassen eines Bescheides

Die am Ende des Entscheidungsprozesses gefundene Entscheidung muss dann in einer dem Betroffenen wahrnehmbaren Form, dem Ausgangsbescheid, mitgeteilt werden. Der Ausgangsbescheid setzt sich aus vier Teilen zusammen, dem Einleitungsteil, dem Tenor, der Begründung und der Rechtsbehelfsbelehrung. Abgeschlossen wird der Bescheid durch die sog. Schlussformel und die Unterschrift. 2 3

BVerwG, Urteil v. 14.10.1982, 3 C 46/81. Material der Arbeitsgruppe Ausbildung ÖR I, Justizministerium Nordrhein-Westfalen, „Der Ausgangsbescheid (begünstigender Verwaltungsakt)“, zuletzt abgerufen am 21.08.2012, http://www.justiz.nrw.de/JM/landesjustizpruefungsamt/juristischer_vorbereitungsdienst/ lernmaterialien/beguenstigender_ausgangsbescheid.pdf, S. 8f.

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1. Einleitungsteil

Der Einleitungsteil muss zwingend die erlassende Behörde erkennen lassen, da gem. § 44 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG ein Verwaltungsakt, der die erlassende Behörde nicht erkennen lässt, nichtig ist. Hierzu zählt auch die Angabe der jeweiligen Organisationseinheit (z.B. Ordnungsamt, Umweltamt) mit Postanschrift. Daran schließen sich das behördeneigene Aktenzeichen sowie Ort und Datum an. Sodann ist die gewählte Zustellart (Postzustellungsurkunde (PZU, § 4 VwZG), Einschreiben (§ 3 VwZG), gegen Empfangsbekenntnis (EB, § 5 VwZG)) zu nennen. In der Regel soll eine beweistaugliche Zustellungsart, d.h. PZU oder EB, gewählt werden. Als Nächstes ist der Adressat des Verwaltungsaktes mit vollständiger Anschrift anzugeben. Bei Eheleuten als Adressaten ist zu beachten, dass es einer Ausfertigung für jeden Ehepartner bedarf. Anschließend folgen Betreff und Bezug. Der Betreff bezeichnet den konkreten Sachbereich oder Vorgang (z.B. „Baugenehmigung“), beim Bezug wird der jeweilige Anknüpfungspunkt für das Tätigwerden genannt (z.B. „Ihr Antrag vom 01.09.2012“). Schließlich folgen die Anrede und der erste Satz, aus dem der Erlass eines Bescheides hervorgeht („Sehr geehrter Herr ..., hiermit ergeht (eventuell: gegen Sie) folgender Bescheid:“) Beispiel eines Einleitungsteils

Briefkopf der Behörde Aktenzeichen

Datum

Mit PZU Empfänger Betreff Bezug

3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnung zu Ziffer 1 drohe ich Ihnen ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € an. 4. Dieser Bescheid ergeht gebührenfrei. 3. Begründung

Die Begründung, die auch mit diesem Begriff überschrieben wird, setzt sich aus den beiden großen Blöcken Sachverhalt („I.“) und Entscheidungsgründe („II.“) zusammen. Die Darstellung orientiert sich dabei an den Darstellungskriterien eines Urteils aus § 117 Abs. 3 VwGO: Die tragenden Erwägungen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Unter „I.“ wird in der Sachverhaltsdarstellung der Ablauf des Verwaltungsverfahrens kurz chronologisch dargestellt. Soweit eine Anhörung erfolgt oder ein Antrag gestellt worden ist, ist die wesentliche Einlassung des Betroffenen wiederzugeben. Anschließend sind die aus der Behördensicht relevanten Umstände darzulegen. Unter „II.“ wird der Bescheid in rechtlicher Hinsicht begründet. Der Aufbau sieht in der Regel so aus, dass nach einer kurzen Begründung der Zuständigkeit der handelnden Behörde die einzelnen im Tenor ausgesprochenen Anordnungen begründet werden. Die Begründung erfolgt dabei im Urteilsstil. Es sind sowohl formelle als auch materielle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzungen darzustellen, insbesondere zum Tatbestand und zur Rechtsfolge der Ermächtigungs- oder Anspruchsgrundlage. Je nach Einzelfall bedarf es weiterer Ausführungen, sofern es sich um eine Ermessensentscheidung handelt. Dann müssen die Gesichtspunkte deutlich werden, auf die die Ermessensentscheidung gestützt wird. Nicht vergessen werden darf, nach der Hauptsachentscheidung auch die ggf. weiter getroffenen Anordnungen – Anordnung der sofortigen Vollziehung und/oder Zwangsmittelandrohung – zu begründen. Abschließend ist in der Praxis auch die Kostenentscheidung durch Nennung der einschlägigen Norm(en) zu begründen (in Klausuren in der Regel erlassen). 4. Rechtsbehelfsbelehrung

Sehr geehrter Herr …, hiermit ergeht gegen Sie folgender Bescheid: 2. Tenor

Darauf folgt der Tenor, der sich grundsätzlich aus Hauptsache- und Kostenentscheidung zusammensetzt, und durchnummeriert wird. Hinzutreten können noch eine Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Vollziehung i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und/oder die Androhung von Zwangsmitteln. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass der Tenor beim belastenden Verwaltungsakt einen vollstreckbaren Inhalt hat und beim begünstigenden Verwaltungsakt die Rechtserweiterung eindeutig festgestellt werden kann, der Inhalt also hinreichend bestimmt ist, § 37 Abs. 1 VwVfG.4 Schließlich gilt zu beachten, dass im Tenor selbst keine Norm genannt werden darf. Die zugrundeliegenden Normen gehören ausschließlich in die Begründung.

In aller Regel erfolgt am Ende eines Verwaltungsaktes eine Rechtsbehelfsbelehrung. Diese ist in § 73 Abs. 3 VwGO für Widerspruchsbescheide ausdrücklich vorgeschrieben. Daneben ist eine Rechtsbehelfsbelehrung nach § 59 VwGO für alle von einer Bundesbehörde erlassenen Verwaltungsakten vorgeschrieben, die der Anfechtung unterliegen, also auch für Ausgangsbescheide. In allen übrigen Fällen – landesbehördliche Ausgangsbescheide oder bundesbehördliche Verwaltungsakte, die nicht der Anfechtung unterliegen – sollte eine Rechtsbehelfsbelehrung im Hinblick auf § 58 VwGO aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgen. Andernfalls würden die Fristen für einen möglichen Rechtsbehelf nicht zu laufen beginnen. Die Folge wäre, dass in diesen Fällen statt der verkürzten Einlegungsfristen die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO gelten würde. Ein derartig langer Schwebezustand kann nicht im Interesse der entscheidenden Behörde liegen. Inhaltlich muss die Rechtsbehelfsbelehrung folgende Punkte enthalten: • Die Art des Rechtsbehelfs (Widerspruch oder Klage, sofern das Landesrecht ein Widerspruchsverfahren nicht vorsieht)5, • die Frist (Monatsfrist, § 74 Abs. 1 Satz 1 oder Satz 2 VwGO), • die Form (§ 70 Abs. 1 VwGO für Widersprüche / § 81 Abs. 1 VwGO für Klagen), • die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf einzulegen ist.

Beispiel eines möglichen Tenors:

1. Hiermit untersage ich Ihnen, Ihren Schäferhund Asko ohne Maulkorb im Gebiet der Stadt Münster auszuführen.

Beachte: Bei Anordnung bzw. gesetzlicher sofortiger Vollziehung ist auch über die Möglichkeiten des einstweiligen Rechtsschutzes zu belehren.

2. Die sofortige Vollziehung der Anordnung zu Ziffer 1 wird angeordnet. 4

Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 37 Rdnr. 5.

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Vgl. § 110 JustG NRW.

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Beispiel für einen Widerspruch:

Beispiel eines Rubrums:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Oberbürgermeister Münster, Amt für Grünflächen und Umweltschutz, Stadthaus 3, Albersloher Weg 33, 48155 Münster, einzulegen.

Verwaltungsgericht Münster Im Namen des Volkes Urteil Az.

Beispiel für eine Klage:

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage erhoben werden. Die Klage ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht Münster, Piusallee 38,  48147 Münster, zu erheben. 5. Schlussformel & Unterschrift

Der Bescheid schließt mit der sog. Schlussformel, in aller Regel „Mit freundlichen Grüßen“, und der Unterschrift des jeweiligen Sachbearbeiters in der folgenden Form: • normale Sachbearbeiter im Auftrag: „i.A. Name“, • stellv. Behördenleiter in Vertretung: „i.V. Name“, • Behördenleiter nur mit ihrer Unterschrift: „Name“. C. Die häufigste Aufgabe in der Verwaltungsklausur – die verwaltungsge-

des Herrn …, …straße …, … Münster, Klägers, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …, …straße …, Steinfurt, gegen, das/den/die … (i.d.R. Rechtsträger: Stadt Münster, vertreten durch den Oberbürgermeister), Beklagte/r, [Beigeladene/r: …] wegen: … (Kern des Rechtsstreits – nicht Klageart!)

richtliche Entscheidung

Entgegen der Aufgabenstellung in der Verwaltungsstation ist die häufigste Aufgabe in der Klausur nicht das Abfassen eines Bescheides, sondern die Anfertigung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.6 Hinzu kommen anwaltliche Aufgaben sowie rein gutachterliche Aufgaben ohne einen praktischen Teil, auf die hier aber nicht weiter eingegangen wird.7 Bei der Anfertigung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ist zwischen der Anfertigung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils und eines verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutz zu unterscheiden. I. Das verwaltungsgerichtliche Urteil

Ausgehend von der Annahme, dass die Anforderungen an das Verfassen eines zivilrechtlichen Urteils spätestens seit Ende der Zivilstation beherrscht werden, sollen vorliegend nur die wesentlichen Abweichungen eines verwaltungsgerichtlichen Urteils gegenüber einem zivilgerichtlichem Urteil dargestellt werden. 1. Rubrum

Urteile ergehen – wie im Zivilrecht – nach Nennung des Gerichtes gem. § 117 Abs. 1 VwGO „Im Namen des Volkes“ als „Urteil“. Darauf folgt das Aktzeichen. Der Eingangssatz („In dem Rechtsstreit“) beginnt jedoch mit den Worten „In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren“. Es folgt die Benennung der Verfahrensbeteiligten (nicht: Parteien!), bei der darauf zu achten ist, dass für den Beklagten das Rechtsträgerprinzip gilt, sofern nicht landesrechtlich etwas anderes geregelt ist („Stadt Dormagen, vertreten durch den Bürgermeister“). Sofern dem Kläger insoweit eine „laienhafte“ Verwechslung unterlaufen ist (z.B. wenn die Klage gegen die Behörde statt gegen den Rechtsträger gerichtet wurde), ist das Rubrum entsprechend gem. § 88 VwGO von Amts wegen auszulegen und gegenüber dem Klageantrag zu berichtigen.8

6 7 8

Vgl. dazu das sehr gute, auf den Seiten des OLG Düsseldorf zum Download bereitgestellte Skript von VRVG Michael Huschens, zuletzt abgerufen am 21.08.2012, http://www.olg-duesseldorf.nrw.de/aufgaben/referendarabteilung/09_merkbl/skript_verw.pdf. Vgl. Kaiser/Köster, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, Rn. 1. Ziegler, Auslegung und Umdeutung von Anträgen in der öffentlichrechtlichen Assessorklausr, JuS 1999, 481 (485).

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Es ist weiter darauf zu achten, dass der von der Beklagten entsandte Terminsvertreter nicht im Rubrum aufzuführen ist, da er kein Prozessbevollmächtigter der Beklagten ist. Gerade im Baurecht ist auf die Aufnahme eines Beigeladenen nach den Verfahrensbeteiligten zu achten. Daran schließt sich – anders als im Zivilurteil – durch die Formulierung „wegen“ eingeleitet eine kurze Umschreibung des Kerns des Rechtsstreites (nicht der Klageart!) an. Es folgt gem. § 117 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Bezeichnung des Gerichts, des Spruchkörpers und der an der Entscheidung beteiligten Richter. Bei der Besetzung der Richterbank, die regelmäßig in Namen und Umfang nicht vorgegeben, sondern vom Bearbeiter zu fingieren ist, ist darauf zu achten, dass beim verwaltungsgerichtlichen Urteil drei Berufsrichter und zwei ehrenamtliche Richter mitwirken, § 5 Abs. 3 VwGO. Unter den Berufsrichtern ist der Vorsitzende an erster Stelle zu nennen, unter den Beisitzern darf max. ein Richter auf Probe („Richter“) sein, § 29 DRiG. Das Rubrum schließt mit dem obligatorischen „für Recht erkannt:“. Bsp. für die komplette Bezeichnung des Gerichts, des Spruchkörpers und der Richter mit Abschluss:

hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.02.2012 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Abelmann, die Richterin am Verwaltungsgericht Bebelmann, den Richter Cebelmann sowie die ehrenamtlichen Richter Debelmann und Ebelmann für Recht erkannt: 2. Tenor

Der Tenor setzt sich aus den drei Teilen Hauptsacheentscheidung9, Kostenentscheidung (§§ 161 Abs. 1, 154 ff. VwGO; ggf. auch § 162 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 167 Abs. 2 VwGO – i.d.R nur wegen der Kosten!) zusammen. Ggf. ist vor der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit in einem eigenen Punkt noch die Hinzuziehung eines Anwalts im Vorverfahren nach § 162 Abs. 2 VwGO für notwendig zu erklären. Eine Nummerierung der einzelnen Aussprüche des Tenors ist nicht notwendig und daher i.d.R. unüblich, weil keine unterschiedlichen Rechtsmittelbelehrungen zu verfassen sind. 9

Zu den unterschiedlichen Tenorierungsmöglichkeiten je nach Klageart vgl. das Skript von Huschens (Fn. 6), S. 19.

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Einer Streitwertfestsetzung bedarf es im Urteil nicht, sie wäre sogar verfehlt, weil die Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 1 GKG durch Beschluss zu erfolgen hat.

alle wesentlichen Gesichtspunkte enthalten, weil es ja gerade um das ordnungsgemäße Abfassen auch eines Tatbestandes geht, welches durch die Verwendung des obligatorischen Schlusssatzes nicht umgangen werden kann.

3. Tatbestand

Der Tatbestand, der im verwaltungsgerichtlichen Urteil auch mit diesem Begriff überschrieben wird, bekommt keinen Einleitungssatz, da der Streitgegenstand bereits aus dem Rubrum unter „wegen“ ersichtlich ist. Der Tatbestand beginnt mit der sog. Ausgangssituation. Das ist der in aller Regel nach den Ermittlungen der Behörde feststehende Sachverhalt, bestehend aus den tatsächlichen Gegebenheiten und dem durchgeführten Verwaltungsverfahren.10 Dabei werden aus Gründen der Verständlichkeit im Rahmen der Darstellung des Verwaltungsverfahrens in der Regel auch bereits die im Verfahren geäußerten unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Beteiligten mit aufgeführt. Daran knüpft der erste Teil der Prozessgeschichte, die sog. Prozessgeschichte I., an, in dem der Zeitpunkt der Klageerhebung mitgeteilt wird (Bsp. „Am … hat der Kläger Klage erhoben.“). Maßgeblich ist dabei der Tag, an dem die Klage bei Gericht eingegangen ist, nicht der, unter dem sie verfasst worden ist. Sodann folgt das Klägervorbringen. Es besteht, da aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes der Sachverhalt in aller Regel abschließend ermittelt worden ist, zumeist nur aus zur Behörde abweichenden Rechtsansichten. Diese sind jedoch in der Regel – s.o. – in der Darstellung der Ausgangssituation bzw. des Verwaltungsverfahrens aus Gründen der Verständlichkeit bereits zum Ausdruck gekommen. Daher ist darauf zu achten, dass Wiederholungen aus der Darstellung des Verwaltungsverfahrens in jedem Fall zu vermeiden sind. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Anordnung in § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Unnötige Wiederholungen entsprächen kaum dem Erfordernis einer gedrängten Darstellung. Um den Punkt des Klägervorbringens nicht völlig zu übergehen, hat sich in Klausuren folgender Überleitungssatz bewährt: „Der Kläger bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren und beantragt …“ Als Nächstes folgen dann direkt die zuletzt gestellten Anträge, die wie im Zivilrecht durch Einrückung hervorzuheben sind, sowie das Beklagtenvorbringen, wobei wiederum Wiederholungen aus dem Verwaltungsverfahren zu vermeiden sind. Sofern es einen weiteren Beteiligten gibt, etwa einen Beigeladen, schließen sich an das Beklagtenvorbringen der Antrag und das Vorbringen des weiteren Beteiligten an. In einigen Fällen folgt darauf dann noch der zweite Teil der Prozessgeschichte, die sog. Prozessgeschichte II, unter der eventuell durchgeführte Beweiserhebungen und ihr Ergebnisse mitzuteilen sind. Für das Ergebnis wird wie im zivilgerichtlichen Urteil auf das etwaige Gutachten/die etwaige Niederschrift Bezug genommen. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen nötig, da wie aufgezeigt der Sachverhalt aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes in aller Regel abschließend ermittelt worden ist und es somit keiner Beweiserhebung mehr bedarf. Sofern ein Verzicht auf eine mündliche Verhandlung gem. § 102 VwGO vorliegt, sollte dies ebenfalls in die Prozessgeschichte II mit aufgenommen werden.11 Der Schlusssatz eines verwaltungsgerichtlichen Tatbestandes lautet: „Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten (und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten) verwiesen. Dieser Inhalt ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.“12 Er ist in der Praxis üblich um deutlich zu machen, dass sich das Gericht seiner Amtsermittlungspflicht bewusst gewesen ist. In der Klausur muss der Tatbestand aber natürlich dennoch 10 Kaiser/Köster, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, Rn. 86 f. 11 Kaiser/Köster, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, Rn. 102. 12 Vgl. Kaiser/Köster, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, Rn. 103.

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4. Entscheidungsgründe

Die Entscheidungsgründe untergliedern sich in drei Teile, etwaige prozessuale Vorfragen, die Entscheidung in der Hauptsache sowie die Nebenentscheidungen. a) Prozessuale Vorfragen

In den Entscheidungsgründen, die selbstverständlich im Urteilsstil zu verfassen sind, ist zunächst auf mögliche prozessuale Vorfragen einzugehen. Dabei haben sich einige prozessuale Vorfragen herausgebildet, auf die in Klausuren des Öfteren einzugehen ist. Ist die Entscheidung etwa nach § 6 Abs. 1 VwGO durch Beschluss der Kammer auf einen Einzelrichter übertragen worden, ist dies anzugeben. Das Gleiche gilt, sofern die Entscheidung aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gem. § 87a Abs. 2, 3 VwGO durch den Vorsitzenden der Kammer alleine erfolgt ist. Dann folgt die Darstellung einer ggf. vorgenommen Berichtigung des Rubrums von Amtswegen, wenn z.B. die Klage gegen die Behörde statt gegen den Rechtsträger gerichtet worden ist. Daran schließen sich Ausführungen zur Auslegung oder Umdeutung des Klageantrages nach § 88 VwGO an, sofern eine solche erforderlich war. Wurde wegen des Einverständnisses der Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung i.S.d. § 101 Abs. 2 VwGO verzichtet, so ist auch dies anzugeben. b) Die Entscheidung in der Hauptsache

Erst nach Abhandlung der prozessualen Vorfragen ist die Begründung der Hauptsacheentscheidung darzustellen. Dem Urteilsstil folgend ist das Gesamtergebnis voranzustellen. Dann ist zunächst auf die Frage der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges – aus Praktikersicht ein eigenständiger Prüfungspunkt, keine Zulässigkeitsvoraussetzung – einzugehen. Daran schließen sich, sofern erforderlich, Ausführungen zu den in der Entscheidung problematischen Punkten der Zulässigkeit der Klage an. Hierzu gehören häufig die Frage nach der statthaften Klageart, der Klagebefugnis sowie etwaige Klage- bzw. Widerspruchsfristen.13 Anschließend ist auf die Begründetheit der Klage einzugehen, selbstredend unter Nennung der jeweils relevanten Norm (Normbezug!). Abschließend sind noch die Nebenentscheidungen (Vollstreckbarkeit und Kosten) durch Nennung der Normen kurz zu begründen. Dieser Punkt darf nicht vergessen werden, weil sonst die Entscheidungsgründe nicht alle Teile des Tenors abdecken. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, dass im Bearbeitervermerk die Entscheidung über einzelne Nebenentscheidungen erlassen ist. 5. Rechtsmittelbelehrung

Die Rechtsmittelbelehrung bezieht sich beim verwaltungsgerichtlichen Urteil einheitlich auf Hauptsacheentscheidung und Nebenentscheidungen. In der Klausur genügt üblicherweise die Kurzform: RMB: Antrag auf Zulassung der Berufung, §§ 124a Abs. 4, 124 VwGO; Frist: 1 Monat.14 6. Unterschriften

Das Urteil schließt mit den Unterschriften nur der drei an der Entscheidung beteiligten Berufsrichter (vgl. § 117 Abs. 1 VwGO). Die ehrenamt13 Vgl. Kaiser/Köster, Die öffentlich-rechtliche Klausur im Assessorexamen, Rn. 6. 14 Huschens-Skript (Fn. 6), S. 25.

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lichen Richter unterschreiben das Urteil nicht, obwohl sie im Rubrum genannt wurden.

Ausgehend von einem verwaltungsgerichtlichen Urteil werden im Folgenden die wichtigsten Unterschiede zwischen einem verwaltungsgerichtlichen Urteil und einem verwaltungsgerichtlichen Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutz dargestellt.

scheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit, weil Beschlüsse nach § 149 Abs. 1 VwGO stets vorläufig vollstreckbar sind. Unter 2. erfolgt dann noch – anders als beim verwaltungsgerichtlichen Urteil – die Streitwertentscheidung, § 63 Abs. 1 GKG. Der Streitwert ist in der Regel auf ½ des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen. Vielfach wird die Streitwertfestsetzung aber auch ganz erlassen. Die unterschiedliche Nummerierung dient später der besseren Zuordnung der unterschiedlichen Rechtsmittelbelehrungen (dazu unten 4.).

1. Rubrum

3. Gründe

Anders als Urteile ergehen Beschlüsse nicht „Im Namen des Volkes“, sondern nach Nennung des Gerichts und des gerichtlichen Aktenzeichens schlicht als „Beschluss“. Die Verfahrensbeteiligten heißen „Antragssteller“ und „Antragsgegner“, ein möglicherweise vorhandener Rechtsanwalt wird als „Verfahrensbevollmächtigter“ in das Rubrum aufgenommen. An das aus dem Urteil bekannte „wegen“, durch das wiederum der Kern des Rechtsstreits umschrieben wird, folgt als weitere Konkretisierung noch ein „hier:“, unter dem die Unterscheidung zwischen dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und dem Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO vorgenommen wird (etwa „hier: Regelung der Vollziehung“ / „hier Erlass einer einstweiligen Anordnung“). Ergehen Beschlüsse wie in aller Regel ohne mündliche Verhandlung, heißt es statt „aufgrund der mündlichen Verhandlung vom …“ schlicht „am …“. Ohne mündliche Verhandlung sind nur drei Richter in das Rubrum aufzunehmen, sollte einmal ein Beschluss nach mündlicher Verhandlung ergehen, sind wie im Urteil fünf Richter aufzunehmen, vgl. § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Schließlich wird in Beschlüssen nicht „für Recht erkannt“, sondern „beschlossen“.

Die Gründe setzen sich im Prinzip wie im Urteil aus Tatbestand und Entscheidungsgründen zusammen, wobei sie unter der Überschrift „Gründe“ zusammengefasst und in „I.“ (≈ Tatbestand) sowie „II.“ (≈ Entscheidungsgründe) untergliedert werden.

II. Der verwaltungsgerichtliche Beschluss im einstweiliger Rechtsschutz

4. Rechtsmittelbelehrung

Die Rechtsmittelbelehrung muss im verwaltungsgerichtlichen Beschluss bezogen auf beide Entscheidungsblöcke – 1. Hauptsacheentscheidung und Nebenentscheidung, 2. Kostenfestsetzung – getrennt erfolgen, weil die Rechtsmittel nicht identisch sind. Ist die Streitwertfestsetzung erlassen, genügt die erste Rechtsmittelbelehrung. In der Klausur genügt üblicherweise die Kurzform: Rechtsmittelbelehrung zu Ziff. 1.: Beschwerde, §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO; Frist: 2 Wochen; Rechtsmittelbelehrung zu Ziff. 2.: Beschwerde, § 68 Abs. 1 GKG; Frist: 6 Wochen.15 5. Unterschriften

Es folgen die Unterschriften der drei beteiligten Berufsrichter.

2. Tenor

Der Tenor erfolgt anders als im Urteil in zwei großen Blöcken, wobei unter 1. die Hauptsacheentscheidung und die Nebenentscheidung getroffen werden. Als Nebenentscheidung bedarf es bei Beschlüssen keiner Ent-

15 Vgl. Huschens-Skript (Fn. 6), S. 58 f.

III. Übersicht

Zum Abschluss noch eine vergleichende Übersicht zum Aufbau einer verwaltungsgerichtlichen Klausur: Verwaltungsgericht Minden Im Namen des Volkes Urteil

Verwaltungsgericht Minden Beschluss

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ... Klägers, ... Beklagte, Prozessbevollmächtigter: …

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren ... Antragstellers, ... Antragsgegnerin, Verfahrensbevollmächtigter: …

wegen: ... [Kern des Rechtsstreits]

wegen: ... [Kern des Rechtsstreits] hier: Regelung der Vollziehung / Erlass einer einstw. Anordnung

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom ...

am ... [Datum der Entscheidungsfindung]

durch [5 Richter – 3 Berufs-, 2 ehrenamtliche (§ 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO)]

durch [3 Richter; 5 nur, wenn mündliche Verhandlung (§ 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO)]

für Recht erkannt: [Tenor komplett ohne Nummerierung!]

beschlossen: [Tenor mit Nummerierung: 1. Hauptsache- und Nebenentscheidung, 2. Streitwert]

1. Hauptsacheentscheidung 2. Kostenentscheidung 3. Vollstreckungsentscheidung [ggf. Anordnung sofortige Vollziehung + Zwangsmittel)

1. Hauptsacheentscheidung Kostenentscheidung 2. Streitwertfestsetzung [1/2 Hauptsache]

Tatbestand: […] Entscheidungsgründe: […]

Gründe: I. [≈ Tatbestand] […] II. [≈ Entscheidungsgründe] […]

Rechtsmittelbelehrung: - Antrag auf Zulassung d. Berufung, §§ 124 Abs. 1, 124a Abs. 4 VwGO

Rechtsmittelbelehrung: - Zif. 1: Beschwerde, §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO; Frist: 2 Wochen - Zif. 2: Beschwerde, § 68 Abs. 1 GKG; Frist: 6 Monate

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Einführung in die zivilrechtliche Anwaltsklausur aus Kläger- und Beklagtensicht von Dr. Dirk H. Veldhoff und Jakob Leßner* A. Einführung

Zu den ersten Aufgaben eines jeden Referendars zählen das Verfassen von Urteilen und das Erlernen des dafür notwendigen Urteilstils. Beides ist unerlässlich, um die Zivilstation zu meistern und um sich auf kommende Urteilsklausuren vorzubereiten. Möglichst frühzeitig sollte auch die Anfertigung zivilrechtlicher Anwaltsklausuren eingeübt werden, da deren Bedeutung im zweiten Staatsexamen stark zugenommen hat.1 Mit ein wenig Vorbereitung lassen sich hier durchaus ordentliche Ergebnisse erzielen. Anwaltsklausuren ähneln den Zivilrechtsklausuren im ersten Staatsexamen, und zwar insofern, als auch hier ein rechtliches Gutachten über das Bestehen eines oder mehrerer Ansprüche anzufertigen ist. Ungeachtet dessen sind zahlreiche Besonderheiten zu beachten, die an dieser Stelle überblickartig behandelt werden.2 Jedes Aktenstück einer Anwaltsklausur beginnt mit einem Aktenvermerk, in dem der Anwalt - in dessen Rolle Sie als Bearbeiter schlüpfen - ein Gespräch mit dem ratsuchenden Mandanten protokolliert hat. Inhaltlich sind sodann verschiedene Erscheinungsformen der Anwaltsklausur zu unterscheiden. Am häufigsten werden Sie aus Sicht des Anwalts eines potentiellen Klägers oder eines Beklagten die Erfolgsaussichten einer Klage oder einer Klageerwiderung zu prüfen haben, weswegen hier schwerpunktmäßig auf diese beiden Typen eingegangen wird. Daneben sind Klausuren aus dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Antrag auf einstweilige Verfügung oder Arrestbefehl bzw. Einlegung eines Widerspruchs), dem Berufungsverfahren (Einlegung einer Berufung oder Berufungserwiderung) oder dem Zwangsvollstreckungsverfahren möglich. Vermehrt müssen sich Referendare auch auf die Anfertigung von rechtsgestaltenden Klausuren (Kautelarklausur) einstellen, bei denen nach Anfertigung eines Gutachtens ein Vertragsentwurf zu erstellen ist.3 Nach einigen allgemeinen Hinweisen sollen anhand zweier Beispielsfälle die Grundzüge zur Erstellung einer Anwaltsklausur aus Klägersicht und aus Beklagtensicht erläutert werden. B. Allgemeine Hinweise zur Anfertigung einer Anwaltsklausur I. Grundlegender Aufbau

Unabhängig davon, welcher Klausurtyp Sie erwartet, empfiehlt sich bei allen Spielarten das Einhalten des folgenden Grobschemas: • • • •

Mandantenbegehren Rechtsgutachten Zweckmäßigkeitserwägungen (Prozesstaktik) Praktischer Teil (Anfertigung eines Schriftsatzentwurfes)

Zu Beginn fast jeder Klausur gilt es das Begehren des Mandanten festzustellen.4 Oftmals enthält der Anwaltsvermerk wichtige Hinweise, worauf es dem Mandanten besonders ankommt. Darauf aufbauend folgt das Gutachten, in dem der Sachverhalt unter materiell- und prozessrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen ist. Im Gegensatz zu einem stattgebenden Zivilurteil, bei dem Sie sich auf die Prüfung einer einzigen * 1 2 3 4

Dr. Dirk H. Veldhoff ist als Richter am Amtsgericht Bremen tätig, Jakob Leßner arbeitet als Rechtsanwalt in Bremen. Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. Das Gemeinsame Prüfungsamt der Länder Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein (GPA) stellt von insgesamt vier zivilrechtlichen Klausuren regelmäßig zwei Anwaltsklausuren. Zur Vertiefung wird die Lektüre von Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012 oder Mürbe/Geiger/Haidl, Die Anwaltsklausur in der Assessorprüfung, 6. Auflage, München 2011 empfohlen. Das GPA hat angekündigt, ab 2014 kautelarjuristische Klausuren zu stellen. Hin und wieder ist vorab ein Sachbericht anzufertigen, der mit Ausnahme der Parteianträge dem Tatbestand eines Urteils gleicht. Sollte dies von Ihnen gefordert werden, wird man Sie hierauf im Bearbeitervermerk am Ende der Klausur hinweisen.

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Anspruchsgrundlage beschränken dürfen, müssen Sie wie im ersten Examen auf sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen eingehen.5 Anschließend sind Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen, d.h. prozesstaktische Überlegungen, auf welche Art und Weise dem Mandanten am besten geholfen werden kann. Den Abschluss bildet der praktische Teil. Je nach Klausurtyp werden Sie einen Schriftsatzentwurf anzufertigen haben, z.B. eine Klageschrift, eine Klageerwiderung oder auch nur ein Mandantenanschreiben, etwa wenn ein gerichtliches Vorgehen nicht sinnvoll erscheint. II. Formalien 1. Einschichtiger oder zweischichtiger Gutachtenaufbau

Das Gutachten kann auf zwei verschiedene Arten aufgebaut werden, und zwar einschichtig oder zweischichtig. Der zweischichtige Aufbau gleicht einem Relationsgutachten und untergliedert sich in eine Klägerstation, eine Beklagtenstation und einer Beweisstation.6 In der Klägerstation werden die Behauptungen des Klägers als wahr unterstellt und unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt geprüft. Es wird also untersucht, ob die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen den Tatbestand einer Norm ausfüllen, oder mit anderen Worten, ob der Klägervortrag schlüssig ist. Sodann ist in der Beklagtenstation der Vortrag des Beklagten als wahr zu unterstellen und erneut umfassend zu prüfen. Kommt man zum Ergebnis, dass der Anspruch des Klägers durch den abweichenden Tatsachenvortrag zu Fall gebracht wird, spricht man von einem erheblichen Beklagtenvorbringen, andernfalls von einem unerheblichen. Nur wenn das Klägervorbringen schlüssig und das Beklagtenvorbringen erheblich ist, muss letztlich in der Beweisstation eine Beweisprognose angestellt werden, in welcher zu ermitteln ist, welchem Parteivortrag aller Wahrscheinlichkeit nach Glauben zu schenken sein wird. Beim einschichtigen Aufbau entfällt die Aufteilung in einzelne Stationen. Es ist lediglich ein durchgängiges Gutachten anzufertigen. Sie prüfen in einem Schritt, ob Ansprüche des Anspruchstellers schlüssig vorgetragen werden können und ob der Anspruchsgegner Einwendungen hiergegen erheben kann. Sofern Teile des Parteivortrags zwischen den Parteien streitig sind, müssen Sie relevante Beweisfragen im Gutachten unter dem jeweiligen Tatbestandsmerkmal diskutieren. Für welchen Aufbau Sie sich entscheiden, wird Ihnen von den Prüfungsämtern – soweit ersichtlich – freigestellt.7 Unserer Ansicht nach hat sich der einschichtige Aufbau wegen seiner Einfachheit und der damit einhergehenden besseren Handhabbarkeit bewehrt. Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich daher auf den einschichtigen Aufbau.8 2. Kombination aus Gutachten- und Urteilsstil

Referendare, die denken, sie könnten den Gutachtenstil nach dem ersten Staatsexamen für immer ad acta legen, müssen wir leider enttäuschen. Ihre Aufgabe als „Rechtsanwalt“ ist es, die Erfolgsaussichten eines ggf. geltend zu machenden Anspruchs (Klägersicht) oder eines bereits geltend gemachten Anspruchs (Beklagtensicht) zu prüfen. Das Ergebnis ist also – anders als beim Urteil – noch offen, so dass Sie das 5

6 7 8

Im Klartext bedeutet das, dass Sie z.B. nach der Prüfung eines vertraglichen Sekundäranspruchs nach § 280 BGB Ihre Prüfung nicht beenden dürfen, soweit alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, sondern Sie müssen im Anschluss alle anderen in Betracht kommenden gesetzlichen Anspruchsgrundlagen ebenfalls prüfen, etwa aus EBV, Deliktsrecht, GoA oder Bereicherungsrecht. Vgl. den Aufsatz von Schröder zur Relationstechnik in dieser Ausgabe, S. 14 ff. Sollte Ihr Prüfungsamt einen bestimmten Aufbau vorschreiben, sind Sie natürlich an diesen gebunden. Anders Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 3, die den zweistufigen Aufbau wegen der – ihrer Ansicht nach - besseren Übersichtlichkeit leicht favorisieren. S. dort zum zweischichtigen Aufbau Rn. 4 ff.

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Gutachten grundsätzlich im Gutachtenstil abfassen sollen. Nur unproblematische Tatbestandsmerkmale dürfen und sollten möglichst knapp im Urteilsstil abgehandelt werden, nicht dagegen die problematischen. Denn noch wichtiger als im ersten Examen ist es Schwerpunkte zu setzen. Sie müssen dem Korrektor zeigen, dass Sie Wichtiges von Unwichtigem trennen und somit praxisgerecht und effizient arbeiten können (Praxisexamen!).

Arztkosten i.H.v. 2.500,- € gebeten. Ich verfüge derzeit über keine Krankenversicherung und habe die Arztrechnung bereits beglichen Der Betreiber will aber nicht zahlen. Mir wurde sogar gedroht, dass man die Kosten für die kaputte Tür geltend machen werde, wenn ich nicht endlich Ruhe geben würde. Das sehe ich nicht ein. Ich möchte, dass Sie es denen mal richtig zeigen und alles für mich rausholen, was möglich ist.

III. Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung

Advomann Rechtsanwalt

Achten Sie bei der Anfertigung des Gutachtens darauf, sich nach der höchstrichterlichen Rechtssprechung zu richten. Auch wenn Sie die Rechtsprechung des BGH nicht teilen, ist dem Mandanten wenig geholfen, wenn Sie wegen der Favorisierung einer Minder- oder Literaturmeinung damit rechnen müssen, gleich in erster Instanz zu unterliegen. Sollte es Ihnen nur so möglich sein, einen Anspruch zu begründen, können Sie formulieren, dass aus „anwaltlicher Vorsicht von der Geltendmachung des begehrten Anspruchs abzuraten ist.“ C. Anwaltsklausur aus Klägersicht

Bei der Anwaltsklausur aus Klägersicht ist es Ihre Aufgabe, herauszuarbeiten, ob und in welcher Höhe die durch Ihren Mandanten begehrten Ansprüche bestehen und ein (gerichtliches) Vorgehen gegen den Anspruchsgegner sinnvoll ist. Zur besseren Veranschaulichung soll zunächst ein Beispielsfall in Form einer Musterakte skizziert werden. I. Musterakte

Seite 1 Neues Mandat eintragen:

Rechtsanwalt Advomann Gerichtsstr. 5, 28195 Bremen

Max Sunlover, Gerichtsstr. 4, 28195 Bremen Vermerk Zum vereinbarten Gesprächstermin erschien Herr Max Sunlover und schilderte folgenden Sachverhalt: Vor zwei Wochen, am 13.07.2013, habe ich das Sonnenstudio „Sunstroke“, Gerichtsstr. 3, 28195 Bremen, besucht und mir hierbei einige erhebliche Schäden zugezogen. Ich bin zwanzig Minuten vor Ladenschluss hineingegangen, wollte aber noch schnell meine Kellerbräune auffrischen. Ich legte mich unter das Solarium, schlief unglücklicherweise aber ein. Als ich aufwachte und den Laden verlassen wollte, stellte ich fest, dass die Eingangstür mittels eines automatischen und nicht hörbaren Mechanismus abgeschlossen worden war. Leider gab es im Sonnenstudio kein Telefon und mein Handy hatte ich auch nicht dabei, so dass ich keine Hilfe rufen konnte. Ich wusste mir nicht anders zu helfen, als die Tür aufzubrechen. Mir gelang es erst nach mehrmaligem Zutreten, die Tür zu zerstören. Hierbei brach ich mir das Bein. Mein Arzt sagt, dass der Bruch sehr kompliziert sei. Es hat ja auch ganz schön wehgetan. Jedenfalls sei es sehr wahrscheinlich, dass auch in Zukunft weitere Operationen notwendig sein werden. Die Polizei hat den Sachverhalt später aufgenommen und festgestellt, dass die Tür tatsächlich abgeschlossen war, als ich die Tür eintrat und ich auch nicht anders hätte entkommen können. Die Polizeibeamten Handschell und Knüppel aus Bremen werden das sicher bezeugen. Ich bin der Ansicht, dass ein Mitarbeiter des Solariumsbetriebs hätte gucken müssen, ob sich noch jemand im Laden befindet. Es gab auch keine Durchsage oder ähnliches, dass alle Türen verschlossen werden würden. Ich habe das Sonnenstudio angeschrieben und um Übernahme der

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Überreichte Unterlagen: 1. Medizinisches Gutachten, 2. Schreiben an das Solarium „Sunstroke“, 3. Antwort an das Solarium „Sunstroke“, 4. Quittung über die Arztrechnung, 5. Vollmacht; Seite 2 (Medizinisches Gutachten), Seite 3 (Schreiben des Arbeitgebers) u. Seite 4 (Schreiben an das Sonnenstudio „Sunstroke“) Hinweis: Das Medizinische Gutachten und das Schreiben seines Arbeitgebers bestätigen den Vortrag des Mandanten. In dem Anschreiben an das Sonnenstudio gibt der Mandant den vorgetragenen Sachverhalt wieder und macht die Erstattung der Arztkosten geltend. Seite 5 Sehr geehrter Herr Sunlover,

Sunstroke GmbH Gerichtsstr. 3, 28195 Bremen

leider können wir Ihrem Anliegen auf Erstattung der Arztkosten nicht entsprechen. Unser Hausmeister Herr Willi schaut vor Geschäftsschluss immer in alle Räume, um sicherzustellen, dass niemand eingeschlossen wird. Leider ist er gestern verstorben, weswegen wir ihn nicht mehr fragen können. Jedenfalls sind Sie an Ihren Verletzungen selbst Schuld. Daher raten wir Ihnen vor weiteren Schritten abzusehen. Hilfsweise müssen wir Ihnen die kaputte Tür in Rechnung stellen. Diese hatte einen Wert von 1.500,- €. Mit freundlichen Grüßen Manfred Blackburn Geschäftsführer Bearbeitervermerk: Prüfen Sie auf Grundlage der Unterlagen die Erfolgsaussichten einer Klage und stellen Sie auch prozesstaktische Erwägungen an. Bei positiven Erfolgsaussichten ist ein Klageentwurf anzufertigen, andernfalls ein Mandantenanschreiben, indem Sie dem Mandanten mitteilen, warum die gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche nicht erfolgversprechend ist. II. Mandantenbegehren

Das Begehren des Mandanten ergibt sich meist eindeutig aus dessen Sachvortrag und dem Bearbeitervermerk. Halten Sie nur kurz fest, worum es dem Mandanten geht („Der Mandant verlangt von der Sunstroke GmbH (nachfolgend „B“) vorrangig die Erstattung seiner Arztkosten in Form von Schadensersatz“ etc.). Nur in Ausnahmefälle müssen Sie das Begehren näher konkretisieren, etwa wenn der Mandant sich angesichts des Umfangs des Anspruchs unklar ausdrückt. Im Beispielsfall hat der Mandant (nachfolgend „S“) angegeben, dass der Anwalt für ihn alle erdenklichen Ansprüche geltend machen soll. Daher können Sie folgendermaßen fortfahren: „Darüber hinaus könnten ihm ein Anspruch auf Schmerzensgeld sowie ein Ausgleich zukünftiger Schäden zustehen.“

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III. Gutachten

Das Gutachten sollte sich an dem Mandantenbegehren orientieren. Bei der Anwaltsklausur aus Klägersicht empfiehlt es sich - im Gegensatz zur Klausur aus Beklagtensicht - zunächst mit der Prüfung der materiellen Rechtslage zu beginnen und Zulässigkeitsprobleme sodann am Ende des Gutachtens und in den Zweckmäßigkeitserwägungen zu erörtern. Dieses Vorgehen orientiert sich an der Arbeitsweise des Rechtsanwalts. Dieser prüft zunächst, ob überhaupt Ansprüche bestehen, bevor er über prozessuale Aspekte nachdenkt, beispielsweise welches Gericht zuständig ist. 1. Prüfung aller in Betracht kommender Anspruchsgrundlagen

Beginnen Sie das Gutachten mit einem Einleitungssatz wie „Zu prüfen ist, ob Ansprüche des S schlüssig vorgetragen werden können und ob die B Einwendungen hiergegen vorbringen kann.“ Fahren Sie sodann fort wie Sie es aus dem ersten Examen gewohnt sind und beginnen Sie mit der Prüfung vertraglicher Ansprüche. Im Beispielsfall könnte sich ein Anspruch auf die genannten Schadenspositionen aus den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. mit dem Sonnenstudiovertrag ergeben. Sofern es B unterlassen hat, vor Ladenschluss zu kontrollieren, ob sich noch Kunden in den Geschäftsräumen aufhalten, liegt hierin die Verletzung einer Schutzpflicht i.S. des § 241 Abs. 2 BGB; genauer gesagt, B hat seine Verkehrssicherungspflicht missachtet (zur Beweisprognose s. unter. 2.). Je nach Fall kann es auch vorkommen, dass sich zwar nicht der begehrte Anspruch des Mandanten begründen lässt, ihm dafür aber ein „Aliud“ i.S. des § 308 ZPO zusteht (Anspruch auf Schadenersatz statt auf Herausgabe einer Sache).9 Da Sie als Anwalt eine umfassende Beratungspflicht gegenüber dem Mandanten haben, müssen Sie auch alternativ in Betracht kommende Ansprüche prüfen. Gleiches gilt, wenn der Mandant nur ein „Minus“ (z.B. Freistellung statt Zahlung) oder gar ein „Plus“, also mehr als er Ihnen gegenüber geäußert hat, geltend machen kann. Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass dem Mandanten zumindest ein Teil der begehrten Schadenspositionen zusteht, sind rechtshindernde (z.B. §§ 134, 138 BGB), rechtsvernichtende (z.B. §§ 119 ff. BGB) und/oder rechtshemmende Einwendungen (§§ 273, 320 BGB) des Anspruchgegners zu untersuchen. Einwendungen können sich entweder aus dem Sachvortrag des Mandanten sowie dem abweichenden Sachvortrag des Gegners („Bestreiten“) ergeben oder aus abweichenden Rechtsansichten. Im Beispielsfall müsste geprüft werden, ob der Anspruch des S durch Aufrechnung nach § 387 BGB wegen der zerstörten Tür zumindest teilweise zum Erlöschen gebracht werden könnte. Im Anschluss dürfen Sie nicht versäumen, auch gesetzliche Ansprüche - hier § 823 Abs. 1 BGB – zu prüfen. Da Sie die relevanten Probleme des Falls schon unter dem vertraglichen Anspruch diskutiert haben werden, können Sie diese Prüfung natürlich in aller Kürze abhandeln. Relevant wird die Prüfung verschiedener Anspruchsgrundlagen insbesondere dann, wenn diese unterschiedliche Anspruchsvoraussetzungen haben. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Ihnen für die Nachweis des Verschuldens bei der Prüfung eines deliktischen Anspruchs keine ausreichenden Beweismittel zur Verfügung stehen, Sie Ihr Begehren aber stattdessen auf eine bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage stützen können. Zum Schluss müssen Sie noch etwaige Zinsansprüche ansprechen, also Verzugszinsen nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB oder Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Bestimmte Zulässigkeitsprobleme sollten Sie bereits im Gutachten ansprechen, vorausgesetzt der Sachverhalt legt deren Prüfung nahe. 9

Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 6.

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Namentlich sind dies Fragen nach der entgegenstehenden Rechtskraft nach § 322 ZPO und der anderweitigen Rechtshängigkeit nach § 261 ZPO. Andere Zulässigkeitsprobleme (z.B. Gerichtszuständigkeit, Streitverkündung etc.) sprechen Sie in den Zweckmäßigkeitserwägungen an. Sinnvollerweise ist auf diese erst dort einzugehen, wenn sie zuvor herausgearbeitet haben, ob überhaupt Ansprüche bestehen und in welcher Weise diese gerichtlich geltend gemacht werden können.10 2. Integrierte Beweisprognose

Beim einschichtigen Aufbau sind beweisbedürftige Tatsachenfragen unter dem relevanten Tatbestandsmerkmal zu behandeln. Da noch kein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, können Sie freilich noch keine abschließende Beweiswürdigung, sondern nur eine Beweisprognose vornehmen. Diese gliedert sich in folgende Schritte: • Beweislast (Welche Partei ist beweisbelastet?) • Beweismittel (Welche Beweismittel stehen zur Verfügung?) • Beweiswürdigung (Wem wird das Gericht vermutlich glauben?) Klären Sie zunächst, welche Partei beweisbelastet ist und denken Sie an besondere Beweislastregeln- und –erleichterungen (vgl. §§ 280 Abs. 1 S. 2, 476, 891, 1006 BGB). Im nächsten Schritt stellen Sie fest, welche Beweismittel zur Verfügung stehen und ggf. ob deren Verwertung möglich ist (etwa bei heimlichen Tonbandaufnahmen). Mit der Eselsbrücke „SAPUZ“ können Sie sich die zur Verfügung stehen Beweismittel einprägen11: S = Sachverständigengutachten, §§ 402 ff. ZPO A = Augenschein, §§ 371 ff. ZPO P = Parteivernehmung, §§ 447 f. ZPO U = Urkunden, §§ 415 ff. ZPO Z = Zeugen, §§ 373 ff. ZPO Nehmen Sie dann eine kurze Beweiswürdigung vor.12 Können sich beide Parteien hinsichtlich einer streitigen Tatsache auf unterschiedliche Beweismittel berufen, haben Sie eine antizipierte Beweiswürdigung durchzuführen und zu erläutern, welcher Seite sich das Gericht voraussichtlich anschließen wird. Im Beispielsfall obliegt S im Rahmen des § 280 Abs. 1 BGB der Nachweis einer Pflichtverletzung, welche von B bestritten wird. S kann jedenfalls mithilfe der Polizisten als Zeugen beweisen, dass er eingeschlossen wurde und keine andere Möglichkeit hatte, sich zu befreien, als die Tür einzutreten. Damit ist es Sache der B, darzutun, dass sie ihrer Verkehrssicherungspflicht gleichwohl nachgekommen ist und alles Zumutbare getan hat. B hat lediglich behauptet, dass der Hausmeister immer vor Ladenschluss eine entsprechende Kontrolle durchführt. Da der Hausmeister verstorben ist, wird sie diese Behauptung allerdings nicht mehr belegen können und beweisfällig bleiben. Das Verschulden wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet; einen Entlastungsbeweis wird B nicht führen können. IV. Zweckmäßigkeitserwägungen 1. Allgemein

Vernachlässigen Sie keinesfalls die Zweckmäßigkeitserwägungen, da Sie hier anwaltliches Geschick unter Beweis stellen können. Sie haben zu erörtern, wie der Anwalt vorgehen sollte, um das Mandantenbegehren 10 Kaiser/Kaiser/Kaiser, ebenda. 11 Zu den einzelnen Beweismitteln vgl. Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 13; Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, 11. Auflage, München 2013, S. 183 ff. 12 Zur Beweiswürdigung nebst Formulierungsbeispielen s. Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Zivilgerichtsklausur I, 5. Auflage, München 2012, S. 82 ff.

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am effektivsten umzusetzen. Eine zentrale Rolle spielen dabei prozesstaktische Überlegungen und die sich daraus ergebende Zulässigkeitsprobleme und Kostenfragen.13 Ein starres Prüfungsschema der Zweckmäßigkeit existiert nicht. Zu behandelnde Punkte hängen vom konkreten Klausursachverhalt ab. Grob sollten Sie sich an fünf Punkten orientieren14:

Gelangen Sie zum Schluss, dass Ansprüche dargelegt und bewiesen werden können, halten Sie zunächst fest, dass dem Mandanten zur Einreichung einer Klage zu raten ist (1.). Beachten Sie dabei § 93 ZPO. Wurde der Klagegegner bislang noch nicht vergeblich zur Erfüllung des Anspruchs des Mandanten aufgefordert, besteht gem. § 93 ZPO die Gefahr, dass der Beklagte den Anspruch nach Rechtshängigkeit anerkennt und der Mandant unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits die Prozesskosten zu tragen hat. Je nach Fall kann das Bedürfnis bestehen, die Klägerpartei näher zu konkretisieren (2.). Relevant werden können Fragen zur einfachen oder materiell notwendigen Streitgenossenschaft, zur Rechts- und Parteifähigkeit oder zur Prozessführungsbefugnis. Wechselseitig ist anschließend festzulegen, wer verklagt werden soll (3.). Neben den unter 2. genannten Punkten (diesmal in Bezug auf den Klagegegner), kann beispielsweise zu prüfen sein, ob einer dritten Partei der Streit zu verkünden ist (§§ 72 ff. ZPO). Besondere Beachtung verdient Punkt 4. Machen Sie sich Gedanken, auf welcher Art und Weise im Sinne des Mandanten Klage zu erheben ist und inwieweit ein solches Vorgehen zulässig und sinnvoll ist. Vorausgesetzt der Sachverhalt gibt entsprechenden Anlass, können Sie z.B. folgende Aspekte untersuchen: Einleitung eines Mahnverfahrens; Klage im Wege des Urkundsprozess; Erhebung einer Feststellungsklage; Stellung eines unbezifferten Klageantrags; Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens.15 Schließlich müssen Sie erörtern (5.), bei welchem Gericht Sie Klage einreichen müssen. Hier geht es insbesondere um die sachliche (§§ 23 ff., 71 ff. GVG) und die örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO).

die für die Bemessung des Schmerzensgeld notwendigen Tatsachen vortragen. Zeigen Sie praktisches Verständnis und wägen Sie die Vorund Nachteile der Alternativen ab. Vorteile einer genauen Bezifferung sind, dass dem Gericht eine klare Leitlinie vorgegeben wird und im Fall des Unterliegens eine konkrete Beschwer für die Berufung vorgetragen werden kann. Dagegen besteht bei einem bezifferten Antrag ein höheres Kostenrisiko, wenn ein geringerer Betrag zugesprochen wird, als beantragt. Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht nicht § 308 Abs. 1 ZPO beachten, d.h. es ist mangels eines konkreten Antrags nicht an eine begehrte Schadenssumme gebunden und kann dem Kläger ggf. mehr zu sprechen, als dieser beantragt hat. Zu empfehlen ist, die goldene Mitte zu wählen und einen unbezifferten Antrag, jedoch versehen mit einer sog. Begehrensvorstellung, zu stellen. Hierdurch können die Vorteile beider Antragsalternativen zulasten der jeweiligen Nachteile miteinander kombiniert werden.16 Der Mandant S hat ferner mitgeteilt, dass sein Arzt weitere Operationen in Zukunft für wahrscheinlich hält. Für die Klausurbearbeitung hat dies zur Konsequenz, dass dem Mandanten zu einer zusätzlichen Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO zu raten ist. Die Feststellung, dass zukünftig eintretende materielle und immaterielle Schäden, die sich auf das Schadensereignis zurückführen lassen, vom Klagegegner zu ersetzen sind, ist zweckmäßig, da dieser den Haftungsgrund anschließend nicht mehr angreifen kann. Ferner wird durch ein Feststellungsurteil die mit Entstehung des Schadens beginnende Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).17 Gehen Sie abschließend noch auf die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung einer Feststellungsklage, namentlich das Feststellungsinteresse ein. Dieses liegt bei der Möglichkeit eines zukünftigen Schadens – wie hier – unproblematisch vor.18 Die Anregung eines Mahnverfahrens nach §§ 688 ff. ZPO ist im Beispielsfall nicht sinnvoll und sollte gar nicht angesprochen werden. Da B bereits angekündigt hat, die Arztkosten nicht zu ersetzen, ist davon auszugehen, dass er einem Mahnbescheid widersprechen wird (§ 694 ZPO). Folge für S wäre eine Verzögerung des Verfahrens. Ein Mahnverfahren wäre dagegen sinnvoll, wenn die Verjährung eines Anspruchs droht. Diese kann durch die rechtzeitige Beantragung eines Mahnbescheids gehemmt werden (§ 204 Nr. 2 BGB, § 167 ZPO). Letztlich ist auf die Gerichtszuständigkeit einzugehen (5.). Da der Streitwert über 5.000,- € liegen dürfte, ist nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG das Landgericht sachlich zuständig. Die örtliche Zuständigkeit des LG Bremen ergibt sich hier aus §§ 12, 17 ZPO.

2. Zweckmäßigkeitserwägungen am Beispiel der Musterakte

V. Praktischer Teil – Entwurf der Klageschrift

Im Beispielsfall ist dem Mandanten zur Erhebung zur Klage zu raten, da die Erfolgsaussichten positiv sein dürften (1.). Auch wurde B erfolglos zur Schadensliquidation aufgefordert, so dass kein Kostenrisiko nach § 93 ZPO besteht. Die Konkretisierung der Klägerpartei und des Klagegegners bereiten hier keine Probleme und sind nicht gesondert zu erwähnen (2. und 3.). Würde der Hausmeister noch leben, wäre darüber nachzudenken, ob ein Vorgehen auch gegen ihn (passive Streitgenossenschaft) nach § 823 BGB in Betracht käme. Hinsichtlich der Art und Weise der Klageerhebung ist im Beispielsfall auf den Schmerzensgeldantrag und auf die Geltendmachung zukünftiger Schäden einzugehen. Ein Antrag auf Zahlung einer Geldsumme ist in der Klageschrift grds. genau zu beziffern (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Eine Ausnahme gilt bei Schmerzensgeldansprüchen nach § 253 Abs. 2 BGB. Sie können entweder eine exakte Summe angeben oder die Höhe in das Ermessen des Gerichts stellen (§ 287 ZPO), solange Sie

Ihre letzte Aufgabe ist es, den Entwurf einer Klageschrift anzufertigen. Hier müssen Sie ggf. Besonderheiten beachten, z.B. bei einer Klage im Urkundsprozess, einem PKH-Antrag mit „bedingter“ Klageschrift oder einer Anspruchsbegründung nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid.19 Ausgehend von dem oben dargestellten Fall könnte der Klageentwurf wie folgt strukturiert werden:

1. Anwaltlicher Rat an den Mandanten 2. Bestimmung der Klägerpartei 3. Bestimmung des Klagegegners 4. Art und Weise der Klageerhebung 5. Gerichtszuständigkeit

13 Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 14. 14 Vgl. im Detail Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 16 ff. 15 Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 24 ff.

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Rechtsanwalt Advomann Gerichtsstrasse 5, 28195 Bremen An das Landgericht Bremen, - Zivilkammern – Domsheide 16, 28195 Bremen

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Datum

- Entwurf -

Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 31. Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 38. Vgl. BGH NJW 2001, 1431 ff. Vgl. hierzu die Darstellungen bei Kaiser/Kaiser/Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 47 ff.

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Klage

Neues Mandat eintragen:

des Max Sunlover, Gerichtsstrasse 4, 28195 Bremen

- Kläger

Prozessbevollmächtigter: RA Advomann, Gerichtsstr. 5, 28195 Bremen gegen die Sunstroke GmbH, Gerichtsstr. 3, 28195 Bremen, vertr. durch den Geschäftsführer Herrn Manfred Blackburn - Beklagte wegen Schadenersatz. Vorläufiger Streitwert: 20.000,- € Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich hiermit Klage zum Landgericht Bremen. In der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen: 1. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.000,- € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zuzahlen, 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen und immaterielle Schäden, soweit sie nach Rechtshängigkeit aus dem Unfall am 13.07.2013 in Bremen künftig entstehen, zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht auf Dritte übergeht oder übergegangen ist. Ich rege die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und beantrage für den Fall der Fristversäumnis oder des Anerkenntnisses bereits jetzt, die Beklagte durch Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil antragsgemäß zu verurteilen. Begründung - Einleitungssatz - Wiedergabe des Sachverhalts nebst Angabe der Beweismittel („Beweis: Medizinisches Gutachten des Dr. XY, S. 3, Anlage K 3“)20 - ggf. Rechtsausführungen (Zulässigkeit & Begründetheit) - ggf. Erklärung nach § 253 II ZPO Unterschrift RA Advomann D. Anwaltsklausur aus Beklagtensicht

Bei der Anwaltsklausur aus Beklagtensicht steht das Angriffsmittel gegen Ihren Mandanten in der Regel fest. Der Mandant wird Ihnen eine gegen ihn gerichtete Klage oder einen Mahnbescheid vorlegen und sich eine Beratung über die Erfolgsaussichten und die Art seiner Verteidigungsmöglichkeiten sowie eventueller Gegenangriffsmöglichkeiten wünschen. I. Musterakte21

Seite 1

Rechtsanwalt Dr. V. Horst Asselstr. 5, 28199 Bremen

20 Ob Sie im Klageentwurf den relevanten Sachverhalt und/oder Rechtsausführungen darstellen sollen, entnehmen Sie dem Bearbeitervermerk. Denkbar ist auch, dass nur die Anträge zu formulieren sind. 21 Nachempfunden BGH, Urt. 01.08.2013, Az. VII ZR 6/13.

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Herr Ulfried Hohnes, Münchner Str. 13, 28215 Bremen Vermerk: Zum kurzfristig vereinbarten Termin erschien heute Herr Hohnes und schilderte folgenden Sachverhalt: „Ich bin ausgebildeter Maurer. In diesem Beruf arbeite ich bereits seit über zehn Jahren in einer Baufirma in Bremen, die Bauvorhaben in ganz Deutschland realisiert. Nebenher erledige ich immer wieder kleine Aufträge ohne Rechnung. Im März 2012 habe ich die Einfahrt des Herrn Michael Fredde gepflastert. Zusammen mit meinem Bekannten Max Mauschel habe ich für die Arbeit 800 Euro bekommen. Herr Fredde war mit der Arbeit sehr zufrieden und freute sich, so günstig weggekommen zu sein. Herr Fredde behauptet jetzt, er hätte darauf hingewiesen, dass der Weg besonders stabil sein müsse. Das stimmt aber nicht. Hierfür bin ich gar nicht qualifiziert. Als Maurer bin ich nicht spezifisch ausgebildet, Wege zu pflastern. Ich kann nur eine ganz normale Pflasterung vornehmen. Dass Herr Fredde dazu nichts gesagt hat, kann Max auch bezeugen. Dessen Anschrift kann ich noch nachreichen. Im Juni 2012 rief mich Herr Fredde an und beschwerte sich, dass sich bereits sehr deutliche Spurrillen gebildet hätten und der Weg kaum noch mit seinem Auto zu befahren sei. Er verlangte von mir, dass ich diesen Schaden behebe. Da ich zu dieser Zeit bei meiner Arbeit voll eingespannt war, hatte ich für die Reparatur keine Zeit und wies die Forderung ab. Außerdem bin ich der Meinung, dass Herr Fredde, der ja durch meine Schwarzarbeit eine Menge Geld gespart hat, von mir nicht verlangen kann, dass ich noch einmal erheblich Zeit zur Befestigung des Weges aufwende. Hätte er diese Sicherheit gewollt, hätte er ordnungsgemäß eine spezialisierte Firma beauftragen müssen. Dies sagte ich ihm auch. Ich hörte danach nichts mehr von Herrn Fredde und dachte die Sache hätte sich erledigt. Als ich jedoch gestern aus Frankfurt, wo ich drei Wochen auf einer Baustelle gearbeitet hatte, wieder nach Hause kam, hatte ich Post vom Landgericht Bremen. Dabei handelte es sich um eine Klage des Herrn Fredde auf Schadenersatz in Höhe von 5.500 Euro. Wie sich aus der Klage ergibt, hat Herr Fredde den Weg nun von einer Firma reparieren lassen, die den gesamten Weg wieder abräumen, den Untergrund komplett neu befestigen und wieder pflastern mussten. Es kann doch nicht sein, dass ich diese Kosten nun ersetzen muss? Was mir zusätzlich Sorgen bereitet ist, dass mir die Klage offenbar bereits nach meiner Abreise zugeschickt wurde, am 22.08.2013. In dem Begleitschreiben des Landegerichts zur Klage stand, dass ich zwei Wochen Zeit hätte, um anzuzeigen, ob ich mich gegen die Klage verteidigen möchte und weitere zwei Wochen um dies zu begründen. Wenn ich mich nicht melde, könne dann unmittelbar ein Versäumnisurteil gegen mich ergehen. Wie ist dies zu verstehen und muss ich jetzt deshalb zahlen, weil ich mich noch nicht gemeldet habe?“ Auf Nachfrage: „Nein, mein Bekannter war nicht bei allen Gesprächen mit Herrn Fredde anwesend. Aber er war bei allen Gesprächen dabei, in denen es um die Ausführung der Arbeiten und die Bezahlung ging. Er könnte deshalb auch bestätigen, dass ich die Arbeit auf Herrn Freddes Wunsch ohne Rechnung durchgeführt habe. Lediglich die erste Kontaktaufnahme zu Herrn Fredde habe ich alleine vorgenommen.“ Unterschrift, Bremen den 06.09.2013 Dr. Horst Rechtsanwalt

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Seite 2 RA Tappsich, Sommerstr. 25, 28215 Bremen An das Landgericht Bremen -ZivilsachenDomsheide 16 28195 Bremen

Bremen, den 01.04.2013

Klage des Michael Fredde, Dellfeld 101, 28279 Bremen Prozessbevollmächtige: Rechtsanwalt Tappsich, Sommerstraße 25, 28215 Bremen

- Kläger-

gegen Herr Ulfried Hohness, Münchner Str. 13, 28215 Bremen

- Beklagter-

wegen Schadenersatz Streitwert: 5.500 € Im Namen und mit Vollmacht des Klägers erhebe ich hiermit Klage zum Landgericht Bremen. In der mündlichen Verhandlung werde ich beantragen, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 5.500 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem je weiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

für schwere Pkw nicht geeignet war. Um ein Wiederkehren der Spurrillen zu vermeiden, musste also auch der Untergrund komplett ausgetauscht werden. Beweis: Schreiben der M. Ohlroggisch LG GmbH vom 01.07.2012, Anlage B1 Der Kläger beauftragte sodann die Gesellschaft mit der Neupflasterung seines Weges. Die Kosten für diese Arbeiten beliefen sich auf insgesamt 5.500 €. Beweis: Rechnung der M. Ohlroggisch LG GmbH vom 20.08.2012, Anlage B2 Unterschrift Tappsich Rechtsanwalt Hinweis: Die Anlagen enthalten den vorgetragenen Inhalt. In Anlage B1 heißt es ausdrücklich: „Der Untergrund des Weges ist zu weich, um dauerhaft durch schwere Pkw befahren zu werden. Ob die Schäden auch durch den Gebrauch von normalen Pkw aufgetreten wären, kann ohne weitere kostenverursachende Untersuchungen nicht beurteilt werden.“ Bearbeitervermerk: Prüfen Sie auf Grundlage der Unterlagen die Erfolgsaussichten einer Verteidigung des Mandanten. Stellen Sie hierbei auch prozesstaktische Erwägungen an. Fertigen Sie bei positiver Erfolgsaussicht einen Verteidigungsschriftsatz an das Gericht, andernfalls ein Mandantenschreiben, in dem die Gründe der fehlenden Erfolgsaussicht darzulegen sind. II. Mandantenbegehren

Begründung: Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadenersatz aufgrund nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung aus einem Werkvertrag. Die Parteien schlossen im März 2012 einen Vertrag, wonach der Beklagte die Einfahrt des Klägers nach dessen Vorgaben neu pflastern sollte. Hierfür wurde zwischen den Parteien ein Pauschalpreis von 600 Euro vereinbart. Beweis: Zeugnis Pascal Hans, Dellfeld 101, 28279 Bremen Das Material hatte der Kläger bereits zuvor auf eigene Rechnung gekauft. Der Kläger wies den Beklagten ausdrücklich darauf hin, dass er gerne auf großem Fuß lebe und deshalb einen Pkw Hummer H2 fahre, der Weg also aufgrund des Pkw-Gewichts besonders stabil sein müsse. Beweis: wie zuvor Nach Beendigung der Arbeiten war der Kläger zunächst zufrieden und zahlte das vereinbarte Geld aus. Nach einigen Wochen gaben einige der Pflastersteine jedoch nach. Es entwickelten sich sog. „Spurrillen“ welche mit der Zeit immer tiefer wurden. Daraufhin rief der Kläger den Beklagten am 06.06.2012 an und forderte diesen auf, diese Schäden zu beheben. Beweis: Zeugnis Frau Eva Meier, Staustr. 123, 28279 Bremen Frau Eva Meier ist die uneheliche Tochter des Herrn Fredde und war bei diesem Telefonat zufällig anwesend. Der Beklagte verweigerte jedoch jegliche Reaparatur. Da der Weg mit der Zeit unbefahrbar wurde, wandte sich der Kläger an die Firma M. Ohlroggisch Landschaftsgestaltung GmbH, deren Geschäftsführerin Marina Ohlroggisch - eine national bekannte Expertin auf dem Gebiet der Wegepflasterung - ist. Diese kam zu dem Ergebnis, dass bereits der von dem Beklagten gewählte Untergrund

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Bei der Anwaltsklausur aus Beklagtensicht ergibt sich das Mandantenbegehren meist noch deutlicher als bei einer solchen aus Klägersicht; der Beklagte wird wissen wollen, ob er sich gegen die gegen seine Person erhobenen Ansprüche zur Wehr setzen kann. Achten Sie darauf, dass auch Fälle vorkommen können, in denen der Beklagte eigene Ansprüche vortragen kann. Der Mandant möchte dann regelmäßig auch die Durchsetzbarkeit dieser Ansprüche geprüft haben. Im vorliegenden Fall ließe sich das Begehren folgendermaßen zusammenfassen: „Der Mandant begehrt die Abwehr des gegen ihn geltend gemachten Schadensersatzanspruchs.“ III. Gutachten

Abweichend zur Klausur aus Klägersicht sollten Sie hier das Gutachten klassisch mit der Zulässigkeit der Klage beginnen. Es liegt bereits eine eingereichte Klage vor, die daraufhin untersucht werden kann. Da Sie eine umfassende Beratung des Mandanten schulden, müssen sie im Gutachten auch bei Unzulässigkeit der Klage gleichwohl die materielle Rechtslage prüfen. 1. Prüfung der Zulässigkeit

Die Prüfung ist weitgehend identisch zur Prüfung der Zulässigkeit im Rahmen einer Urteilsklausur. Es können alle möglichen Zulässigkeitsprobleme auftauchen. Angesprochen werden sollten jedoch nur die wirklich problematischen und diese auch nur in der gebotenen Kürze. Immer erwähnt werden sollte dagegen die Zuständigkeit des Gerichts. Nachdem der vorliegende Beispielfall keine Zulässigkeitsprobleme aufweist, reicht insofern der feststellende Satz: „Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Bremen gemäß §§ 12, 13 ZPO örtlich und gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich zuständig.“

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Prüfung der materiellen Rechtslage

Auch hier sind alle aufgrund des in der Klage vorgetragenen Sachverhalts in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Denken Sie daran, dass die rechtliche Bewertung allein dem Gericht obliegt, welches nicht an die Vorstellung des Klägers gebunden ist. Anders als bei der Urteilsklausur reicht es deshalb auch nicht aus, wenn Sie einen erheblichen Einwand gegen den Anspruch des Klägers gefunden haben. Die anwaltliche Vorsicht gebietet es auf jede Entscheidung des Gerichts vorbereitet zu sein und deshalb auch jedes mögliche Verteidigungsmittel zu prüfen. Im Beispielsfall könnte sich ein Anspruch des Klägers aus den Mängelgewährleistungsrechten des Werkvertrags ergeben. Es müsste also zunächst ein wirksamer Werkvertrag gemäß § 631 BGB vorliegen. Dies ist nach dem Klägervorbringen der Fall. Innerhalb dieses Prüfungspunktes müssen Sie jetzt die möglichen Einwendungen Ihres Mandanten beachten. Nach dessen Aussage verabredeten die Parteien die Arbeit ohne Rechnung zu vergüten, also „schwarz“. Prüfen Sie nun, ob diese Erwiderung rechtliche Konsequenzen für den Anspruch des Klägers hat. Achtung: Zu diesem Themenkomplex hat der BGH seine Rechtsprechung geändert.22 War die „ohne-Rechnung-Abrede“ bereits bislang nach §§ 134, 138 BGB nichtig, führt sie nach der neuen Rechtsprechung in jedem Fall gemäß § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages. Insbesondere ist es dem Werkunternehmer nicht mehr nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auch auf diese Nichtigkeit zu berufen. Das Vorbringen des Beklagten ist hiernach erheblich. In der anschließenden Beweisprognose müssen Sie zunächst herausarbeiten, auf wessen Seite die Darlegungs- und Beweislast liegt. Vorliegend liegt die Beweislast des Vertragsschlusses als solchen bei dem Kläger. Der Vertragsschluss ist jedoch unstreitig. Die Beweislast für das Vorliegen des Nichtigkeitsgrundes, also der Abrede, die Arbeiten ohne Rechnung zu bewirken, liegt dagegen bei Ihrem Mandanten. Diese Tatsache trägt er vor und beruft sich auf die sich hieraus ergebende, für ihn positive Rechtsfolge. Der entsprechende Beweis kann hier durch die Zeugenaussage des Max Mauschel geführt werden. Wie dargelegt dürfen Sie Prüfung aber nicht bereits an dieser Stelle abbrechen, sondern Sie müssen weiter prüfen, ob auch ein Mangel vorlag. Dies wäre der Fall, wenn eine besondere Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden wäre. Ihr Mandant bestreitet dies. Beide Parteien haben Beweis durch Zeugen angeboten. Da der Zeuge Ihres Mandanten nicht bei jedem Gespräch anwesend war, ist er insofern jedoch in der schlechteren Position. Prüfen Sie nun, ob der Kläger Ansprüche aus anderen Anspruchsgrundlagen haben könnte, etwa aus § 823 Abs. 1 BGB. Dies ist nicht der Fall. Insofern reicht eine kurze Feststellung, da der Schwerpunkt ersichtlich auf der Prüfung des vertraglichen Anspruchs liegt. Zeigen Sie nur auf, dass Sie nichts übersehen oder aus Zeitdruck unterschlagen haben. Letztendlich müssten sie auch mögliche Gegenansprüche Ihres Mandanten prüfen. Solche sind vorliegend jedoch nicht ersichtlich. 3. Zweckmäßigkeitserwägungen

Die möglichen Erwägungen sind teilweise denen der Anwaltsklausur aus Klägersicht ähnlich.23 Nun müssen Sie sich keine Gedanken machen, ob alle Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage erfüllt sind, sondern wie Sie mit dem Fehlen einer solchen umgehen. Da die Zulässigkeit grundsätzlich das Gericht von Amts wegen prüft, rügen sie lediglich mögliche Verstöße. Dies dient als Hinweis an das Gericht. Anders ist dies zum Beispiel bei der Zuständigkeit des Gerichts. Hier 22 Aufbereitung dieser neuen Rechtsprechung in Iurratio Heft 4/13. 23 Zu den übrigen Zweckmäßigkeitserwägungen siehe die ausführliche Übersicht bei Kaiser/Kaiser/ Kaiser, Die Anwaltsklausur Zivilrecht, 4. Auflage, München 2012, Rn. 56 ff.

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ist die Rüge zwingend, da eine anfängliche Unzuständigkeit gemäß § 39 ZPO durch rügeloses Einlassen überwunden werden kann. Gegebenfalls müssen Sie darlegen, wie Sie weiter vorgehen wollen, wenn die Klage ganz oder teilweise begründet ist (z.B. Anerkenntnis) oder Ihr Mandant eigene Ansprüche durch Aufrechnung oder Widerklage geltend machen könnte. Im vorliegenden Fall spielen diese Punkte keine Rolle. Zulässigkeitsprobleme sind nicht ersichtlich; dagegen ist die Klage vollständig unbegründet. Es kommt allein ein Antrag auf Klageabweisung in Betracht. Dem Mandanten ist also zu raten, als Rechtsbehelf seine Verteidigung anzuzeigen (§ 276 Abs. 1 ZPO) und auf die Klage zu erwidern (§ 277 Abs. 1 ZPO). Besonders zu beachten ist im Beispielsfall der Ablauf der Frist zur Verteidigungsanzeige. Viele Referendare denken in so einem Fall zu schnell an § 233 ZPO und einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Der Fristablauf ist jedoch unschädlich so lange kein Versäumnisurteil gegen den Beklagten ergangen ist. Gemäß § 331 Abs. 3 S. 1 ZPO reicht es aus, die Verteidigungsbereitschaft angezeigt wird, bevor das Versäumnisurteil bei der Geschäftsstelle des Gerichts eingeht. Da die Frist vorliegend erst wenige Tage abgelaufen ist, sollten Sie Ihrem Mandanten empfehlen, die Verteidigungsanzeige zusammen mit der Klageerwiderung schnellstmöglich per Fax an die Geschäftsstelle zu schicken, um ein Versäumnisurteil zu verhindern. Der Prozess wird in diesem Fall regulär und ohne weitere Konsequenzen weitergeführt.24 IV. Praktischer Teil

Anwalt V. Horst, Asselstr. 5, 28199 Bremen An das Landgericht Bremen -ZivilsachenVorab per Telefax

Bremen, den 10.09.2013

In Sachen Fredde ./. Hohness Aktenzeichen zeige ich an, dass ich den Beklagten vertrete. Der Beklagte wird sich gegen die Klage verteidigen. Namens und mit Vollmacht des Beklagten werde ich beantrage, die Klage abzuweisen. Begründung: - Einleitungssatz - Sachverhalt nebst Beweismittel (z.B. Zeuge Max Mauschel) - ggf. rechtliche Ausführungen Das Original dieses Schriftsatzes wird mit einfacher Post nachgesandt. Unterschrift Dr. Horst Rechtsanwalt

24 Auf diesen Punkt können Sie alternativ auch schon im Mandantenbegehren bzw. einer dort verorteten Rechtsbehelfsstation eingehen, so Kaiser/Kaiser/Kaiser, a.a.O. Rn. 50.

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Ein paar Tipps für die Revisionsklausur im Zweiten Staatsexamen von Akad. Rat a.Z. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu

Akad. Rat a.Z. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitant am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans Kudlich an der Friedrich-Alexander Universität Erlangen.

A. Hoffentlich keine Revision!

Die Revision stellt den letzten fachgerichtlichen Rechtsbehelf dar,1 mit dem ein aus Sicht der Verfahrensbeteiligten fehlerhaftes Urteil angefochten werden kann. Sie ist statthaft gegen erstinstanzliche Urteile der Land- und Oberlandesgerichte, ferner gegen Berufungsurteile des Landgerichts, § 333 StPO (und will man vor dem Amtsgericht nicht erst in Berufung gehen, als „Sprungrevision“ zum Oberlandesgericht, §§ 333, 335 StPO).2 Die Revision kann gem. § 337 StPO nur darauf gestützt werden, dass das (anzufechtende oder angefochtene) Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.3 Somit findet keine Tatsachenfeststellung statt; das an die Bindungen der Tatsacheninstanz gebundene Revisionsgericht überprüft das Urteil und das dazugehörige Verfahren lediglich in rechtlicher Hinsicht. Für eine Revision braucht der Verteidiger daher auch im Regelfall nur das Urteil samt Entscheidungsgründen und das dazugehörige Hauptverhandlungsprotokoll. Und genau diese zwei Dokumente werden (ggf. samt Anklageschrift) auch dem Prüfling zur Verfügung gestellt, wenn er die Aufgabenstellung „Revision“ im Zweiten Staatsexamen zu bewältigen hat. Die Revision dürfte augenscheinlich den undankbarsten Klausurtyp im Zweiten Staatsexamen darstellen, der dem Prüfling im Strafrecht begegnen kann. Wenn selbst erfahrene Anwälte die Revision als „Meisterstück des Strafverteidigers“4 bezeichnen und dieses Prädikat durch die niedrigen Erfolgsquoten in der Praxis bestätigt wird, mag sich der Referendar fragen, wie er ohne jegliche Berufserfahrung – noch dazu in der kurzen Zeitspanne von 5 Stunden – solch eine Aufgabe bewältigen soll. Doch gerade in diesem Umstand liegen die Chancen der Revisionsklausur: Wenn der Praktiker bereits während der juristischen Berufsausübung kaum zulässige und begründete Verfahrens- und Sachrügen zu Gesicht bekommt, dürfte die Erwartungshaltung des Korrektors gegenüber einem – sich „mitten im Gefecht“ befindenden – Referendar nicht allzu hoch sein; damit mag zumindest die Tendenz dahin gehen, kleinere Mängel (namentlich in der Darstellung) eher zu verzeihen, als bei anderen Klausurtypen, zumal Revisionsklausuren umgekehrt auch von der Rechtswirklichkeit abweichen, indem die zugrundeliegenden Urteile mit (zum Teil katastrophalen) * 1 2

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Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. Eine gewisse Ausnahme bildet die Anhörungsrüge gem. § 356a StPO, deren sachlicher Anwendungsbereich auf eine ganz spezifische Rüge (Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs durch das Revisionsgericht) beschränkt ist. Man mag sich den – warum auch immer häufig zu Unsicherheiten führenden – Instanzenzug einfach mit der Überlegung merken, dass die Rechtsordnung dem Angeklagten bei Delikten der mittelschweren und schweren Kriminalität mit hoher Straferwartung nur eine Tatsacheninstanz gewährt, da sich hier die Aufklärung des Sachverhalts idealtypisch besonders aufwendig gestaltet; Verfahren, die beim LG oder OLG beginnen, landen somit immer beim BGH; wohingegen beim Amtsgericht die Möglichkeit besteht, auch tatsächlich in einer zweiten Instanz (Berufung) nochmals genauer hinzusehen. Denkbar ist dies nur bei Urteilen des Amtsgerichts, denn beginnt das Verfahren hier, ist aber das OLG „das Höchste der Gefühle“. Der Begriff „Gesetz“ ist gem. § 337 Abs. 2 StPO weit zu verstehen; erfasst sind nicht nur die Vorschriften des formellen Prozess- und materiellen Strafrechts, sondern selbstverständlich auch höherrangige Normen (GG, EMRK). Zumindest ist eine Revision der Staatanwaltschaft denkbar, jedoch kommt sie in der Klausurpraxis selten vor, insb. weil der Prüfungsmaßstab beschränkt ist (wie auch bei der Nebenklägerrevision, § 400 Abs. 1 StPO, vgl. auch Huber JuS 2009, 521. Ebenso selten wird man den Prüfling in die Situation des OLG- oder BGH-Richters versetzen.

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Fehlern gespickt sind und mehrere Sach- und Verfahrensfehler beinhalten. Dieses „Minus“ an Realismus dürfte sich aber nur auf die Häufung der Fehler in einer einzigen Entscheidung beziehen, im Übrigen handelt es sich meist um echte Fälle aus der Praxis, deren Lösung nicht selten besonders umstritten ist. Die Revisionsklausur bedeutet also im ersten Schritt „Fehlersuche“, wobei die ständige Überlegung im Hinterkopf des Prüflings, man könnte etwas übersehen haben (in Anbetracht der teils gut versteckten Fehler) nicht nur die Konzentration beeinträchtigt, sondern auch die Erreichung des vorrangigen Ziels, innerhalb der vorgegebenen Zeit fertig zu werden, enorm erschweren kann. In Prüfungsämtern dürfte mithin Konsens darüber bestehen, dass die Revision im Allgemeinen zum Klausurtyp des gehobenen Schwierigkeitsgrades zählt, sowohl was die textliche Gestaltung als auch das Zeitmanagement angeht. Ihre Häufigkeit in der „Klausurpraxis“ des Zweiten Staatsexamens dürfte weniger mit einer sadistischen Ader der Prüfungsämter, sondern vielmehr damit zusammenhängen, dass sich die Revisionsbegründungsschrift sowohl technisch als auch inhaltlich bestens als „Kontrastprogramm“ zu einer Aufgabenstellung aus dem Bereich der Justiz anbietet. Technisch gelten bei der Revision – sowohl was das grundsätzliche Vorgehen an die Klausur (vgl. II.1.) – als auch ihre Ausarbeitung angeht (vgl. II.2.) gänzlich andere Regeln als bei der Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaft. Der Inhalt der Klausur konzentriert sich – der Natur der Revision als reine Rechtsinstanz geschuldet – auf materiell-rechtliche Fragen, so dass v.a. Passagen, welche die Bewertung der Tat bzw. des Täters (Strafzumessung) und des prozessualen Geschehens (Beweiswürdigung, Glaubhaftigkeit der Aussagen und Glaubwürdigkeit der Zeugen) „als Neuerung“ gegenüber dem Ersten Staatsexamen wegfallen, zu den Ausnahmen vgl. III. Der folgende Beitrag setzt gewissermaßen das Potential, die denkbaren Fehler im materiell-strafrechtlichen und verfahrensrechtlichen Bereich erkennen zu können voraus. Er soll Referendaren lediglich einen ersten Einblick in den Klausurtypus „Revision“ verschaffen und ihnen eine Hilfestellung bieten, seine Gedanken zu ordnen und diese „technisch“ korrekt auf das Papier zu bringen. Hierfür werden verschiedene Ratschläge für die Gliederung sowie Alternativen für die Vorgehensweise bei dieser Aufgabenstellung aufgezeigt, die jeder Examenskandidat schon im Rahmen der Übungsklausuren erproben kann, bevor es zum „Ernstfall“ kommt. Schon aus Platzgründen wird auf eine Zusammenfassung „klassischer Revisionsfallgruppen“ oder die Kreation einer Check-Liste aller denkbaren (und durchschlagenden) Fehler im Verfahren verzichtet. Materiell-rechtlich muss sich der Prüfling ohnehin – unabhängig vom Klausurtyp – „up to date“ halten. B. Die Aufgabenstellung – Sachverhaltsanalyse und Gliederung

Der Klausurbearbeiter ist im Zweiten Staatsexamen – was die Lektüre des Bearbeitervermerks angeht – naturgemäß „sensibler“, als im Referendarexamen, da der einheitliche Klausurtypus „Gutachten“ um zahlreiche Varianten ergänzt wird. Beim Klausurtyp „Revision“ sind die Erste (dem Ersten Staatsexamen angenäherte Variante) des Gutachtens zu den Erfolgsaussichten – ggf. einer bereits eingelegten Revision5 – wie auch die Ausformulierung eines 5

Bearbeitervermerk: Die Erfolgsaussichten der Revision sind zu begutachten. Etwaige Revisionsanträge sind auszuformulieren.

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Begründungsschriftsatzes6 (bei bereits eingelegter Revision) denkbar. Das reine Gutachten ist schon im Hinblick darauf, dass es bereits im Ersten Examen Prüfungsgegenstand sein kann, eher selten; außerdem kann der Klausurersteller nur im Falle der Begutachtung einer bereits eingelegten Revision bzw. eines eigenen Schriftsatzes die formellen bzw. „technischen“ Kenntnisse des Kandidaten rund um die Ausformulierung einer Revision (Darstellung eines Verfahrensfehlers, Stellung des Antrags) abfragen. I. Finde die Fehler (Von Sach- und Verfahrensrügen)

Sobald der Prüfling den Bearbeitervermerk gelesen hat, sollte er sich die Struktur einer Revisionsbegründung vergegenwärtigen. Er wird dementsprechend überprüfen müssen, ob das Rechtsmittel derzeit überhaupt zulässig ist, um im Anschluss auf die oben beschriebene Fehlersuche zu gehen. Bevor die Fehlersuche beginnt, sollte er sich nochmals vor Augen führen, dass das Gesetz zwischen Fehlern, die das Verfahren und dessen Ablauf (also den Weg zur Entscheidung des Gerichts) betreffen und Fehlern, welche die Anwendung des materiellen Rechts bei der Entscheidung selbst angehen, also zwischen Verfahrens- und Sachrügen differenziert. Eigens für die Geltendmachung von Verfahrensfehlern stellt § 344 Abs. 2 2 StPO besondere Darstellungsanforderungen – nämlich die Angabe der den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen – auf, deren Nichtberücksichtigung bereits die Unzulässigkeit der Rüge (nicht der Revision insgesamt7) zur Konsequenz hat.8 Der Verteidiger muss also dem Revisionsgericht den Sachverhalt mitteilen, aus dem sich der Verfahrensverstoß ergibt. Weil sich § 344 Abs. 2 2 StPO lediglich auf Verfahrensfehler beschränkt, gelten diese erhöhten Anforderungen bei der Sachrüge (mit der die Verletzung sachlichen Rechts, also bspw. Subsumtionsfehler, Nichtbeachtung einer Strafrahmenverschiebung etc., geltend gemacht wird) nicht. Das Revisionsgericht muss also bereits in die sachliche Prüfung eintreten, wenn der Verteidiger formuliert: „Hiermit wird die Sachrüge in allgemeiner Form erhoben“. Die bereits auf diese Weise eingelegte Revision dient übrigens auch als praxisnaher Einstieg in die Klausur, da viele Verteidiger lieber zumindest die Sachrüge in allgemeiner Form erheben, aber diese dann (was anzuraten ist) im Anschluss nochmals genauer begründen. Wenn der Prüfling also vor einer Situation steht, in der bereits eine Sachrüge eingelegt worden ist, sollte er (nach knapper Überprüfung der Zulässigkeit und Ausformulierung dieser im Hilfsgutachten) seine ausformulierte Lösung auch mit einem entsprechenden Vermerk einleiten

Lektüre der Akten vor sich liegen haben sollte.9 Gliederungsskizzen „je nach Klausurtyp“ dürften Referendare (nunmehr vielleicht schon am Ende der Strafstation) von AG-Leitern bereits mit auf den Weg bekommen haben; etwa die „T-Skizze“ beim Zivilurteil (bestritten/unbestritten-Tatsachen/Rechtsfragen) oder der Dreiteiler bei der Abschlussverfügung (Einstellung/Vermerk/Anklage). Bei der Revision sollten sie von Anfang an drei Din A4-Blätter mit jeweils zwei Spalten bzw. zweigeteilt vor sich liegen haben, wenn sie sich an die „Gliederung“ machen. Ein Blatt für die Verfahrensrügen, eines für Sachrügen und das Dritte als Kategorie „Sonstiges“ (insb. Verfahrenshindernisse; Einteilung der prozessualen Taten und Anträge; ggf. Sonderprobleme in der Zulässigkeit). Innerhalb der Blätter erfolgt die Zweiteilung aus dem Grunde, dass sie an dieser Stelle die begründeten und damit diejenigen Rügen, die in die Revisionsbegründung gelangen (bzw. gelangen dürften10) klar und deutlich von denjenigen trennen, die nicht durchgreifen und damit (wenn überhaupt) im Hilfsgutachten erörtert werden. Dies ist v.a. für unbegründete Verfahrensrügen von erheblicher Bedeutung, da im Hilfsgutachten die Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO nicht gelten. Insofern sollte der Bearbeiter schon aus taktischen Gründen seine Rechtsauffassung nochmals überdenken, wenn er nur auf begründete bzw. ausschließlich auf unbegründete Verfahrensrügen kommt: Der Klausurersteller wird weder die Revisionsbegründung mit der Darstellung gleich mehrerer Verfahrensvorgänge überborden wollen, noch den Prüfling vollständig von den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO befreien. Vielmehr wird er sich meist für die „gesunde Mitte“ entschieden haben, also 2 – 3 (je nach Relation 4 – 5) Verfahrensrügen, die durchgreifen und dem gegenüberstehend Verfahrensfehler, die nicht11 (oder aus diversen Gründen nicht mehr12) geltend gemacht werden können. III. Lesen der Akten

Mit der Zuordnungsskizze (neben dem Sachverhalt liegend) bietet es sich bereits beim erstmaligen Lesen der „Akten“ an, „Auffälligkeiten“, offensichtliche Fehler und Unregelmäßigkeiten zu markieren, da man sich schon nach der ersten Lektüre ein bestimmtes Bild von der Klausur macht, was ihre Schwerpunkte und aufgeworfenen Probleme angeht. Beim zweiten Lesen kann es dann schnell passieren, dass das Gehirn vermeintlich „Unwichtiges“ bzw. „kleinere Fehler“ ausblendet bzw. diese im Eifer des Gefechts untergehen. Insofern darf die Wirkung eines ersten, unvoreingenommenen Lesens nicht unterschätzt werden. 1. Sorgfältige Lektüre und Einteilung des Protokolls

§ 344 Abs. 2 2 StPO ist also der Ausgangspunkt für eine „Zuordnungsskizze“, die man aus Zeitgründen schon vor erstmaliger

Mehr noch als beim anzufechtenden Urteil sollte der Prüfling v.a. bei der Lektüre des Protokolls auf jede einzelne Formulierung achten, insb. wenn ihm innerhalb eines prozessualen Vorgangs zunächst nichts auffällt (es macht eben ggf. einen Unterschied, ob das Gericht oder der Vorsitzende beschließt13!). In diesem Zusammenhang: Meist ist die Schilderung eines Vorgangs im Protokoll kein Selbstzweck. Der Prüfling muss im Regelfall irgendetwas zum Ablauf der dargestellten Beweisaufnahme schreiben, nur ist es eben in

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„Die zunächst in allgemeiner Form erhobene Sachrüge wird folgendermaßen begründet:…“ II. Erstellen einer Zuordnungsskizze

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Bearbeitervermerk: Der Schriftsatz von Rechtsanwältin X ist anzufertigen (oder: Die Revisionsbegründungsschrift ist anzufertigen). Vorsicht: Die Zulässigkeit der Revision als Rechtsmittel darf nicht mit der zulässig erhobenen einzelnen Rüge verwechselt werden. Während bereits eine einzige zulässig erhobene Rüge zur Zulässigkeit der Revision führt, heißt dies nicht, dass das Revisionsgericht sich mit jeder einzelnen Rüge befassen (also auf ihre Begründetheit hin überprüfen muss). Weil die Erhebung einer zulässigen Sachrüge verhältnismäßig einfach ist, bereitet zumindest die Einlegung einer insgesamt zulässigen Revision keine Probleme und setzt – anders als Revisionen bei den Zivilsenaten des BGH – keine besondere Zulassung des Strafverteidigers voraus. Der BGH befasst sich nicht selten trotzdem mit unzulässigen (also den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO nicht genügenden) Verfahrensrügen hilfsweise, um auch seine Rechtsauffassung mitzuteilen; dies, um den Strafverteidiger aber nicht sein Versagen offen zur Schau zu stellen im Regelfall nur, wenn die Rüge auch hilfsweise nicht durchgreift.

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Dieses Vorgehen ist nicht zwingend, doch zu empfehlen, soweit man schon beim ersten Lesen „Unregelmäßigkeiten“ bzgl. des Verfahrensablaufs vermerken will. 10 Für den Klausurtyp Begutachtung einer bereit eingelegten Revision. 11 Etwa weil das Urteil nicht auf der Gesetzesverletzung beruht, § 337 StPO (so nach h.M. bei Ablehnung eines Wortprotokolls nach § 273 Abs. 3 StPO) oder schlicht kein Verfahrensfehler vorliegt (etwa der Beweisantrag des Verteidigers zu Recht abgelehnt wurde). 12 Zwar kennt die StPO grundsätzlich keine Verwirkung der Geltendmachung von Verfahrensfehlern, wenn diese nicht in der erkennenden Instanz geltend gemacht wurden (so etwa im Zivilprozess gem. § 295 ZPO); doch hat der BGH durch Rechtsfortbildung „präklusionsgleiche“ Rechtinstitute geschaffen, so muss der Verteidiger vielfach der Verwertung von fehlerhaft erhobenen Beweismitteln durch das Gericht widersprechen, um eine dennoch erfolgte Verwertung mittels der Revision anzugreifen. 13 Vgl. hierzu auch Wolters/Janko JuS 2004, 584 (585).

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einem Fall so, dass es sich um einen begründeten Verfahrensmangel handelt und im anderen Fall eben nicht (im Bearbeitervermerk wird schließlich klargestellt, dass davon auszugehen ist, dass das Verfahren im Übrigen jedenfalls korrekt verlief, also die notwendigen Hinweise und sonstigen Formalia beachtet wurden). Daher empfiehlt es sich das Protokoll ohnehin nach „Topoi“ aufzuteilen, also auf seiner Zuordnungsskizze Überschriften wie „Einlassung des Angeklagten“; „Zeugenvernehmung X oder Y“; „Beweisantrag 1 oder 2“; „Protokollierungsantrag des Verteidigers“; „Sachverständigenbeweis“ usw. Den „siebten Sinn“ für Verfahrensfehler kann man durch die ständige Wiederholung des Verfahrensablaufs trainieren und damit einen „Hauptverhandlungsrenner“ vor dem geistigen Auge generieren (wobei § 243 StPO hier als Gedächtnisstütze fungieren kann). Für die einzelnen Prozesssituationen (Vernehmung eines Zeugen, Einlassung des Angeklagten, Einführung eines Augenscheins- oder Urkundsbeweises, Fragen und Anträgen der Prozessbeteiligten) gilt dasselbe. Ist man sich nicht sicher, ob ein bestimmter Fehler revisibel ist (oder ob dieser nicht an der Beruhensprüfung scheitert, § 337 StPO), mag es dem ein oder anderen helfen, verschiedene Farben bei der Markierung zu verwenden (begründete/unbegründete Sach/Verfahrensrüge). 2. Sonderfall Inbegriffsrüge (Gegenüberstellung von Protokoll und Urteil)

Besonders gut versteckt ist eine besondere Form der Inbegriffsrüge (§ 261 StPO), mit der geltend gemacht werden kann, dass das Gericht aufgrund eines Beweises zu seiner Überzeugung gelangt ist, welches nicht hätte verwertet werden dürfen.14 Bei der „normalen“ Inbegriffsrüge wird die Erhebung des Beweises ihre Einführung in der Hauptverhandlung im Protokoll nachgezeichnet und der Bearbeiter wird durch das Protokoll geradezu aufgefordert den Vorgang auf seine Richtigkeit zu überprüfen (Verwertung einer früheren Zeugenaussage durch Vernehmung des Ermittlungsrichters, obwohl der Zeuge in der Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht; Verwertung eines Geständnisses, das unter Verstoß gegen fair-trial bzw. Belehrungspflichten zustande gekommen ist etc.). Leicht übersehen kann man hingegen, wenn der Richter – wie im letzten Examenstermin in Bayern – in seiner Begründung ein Beweis (Zeugenaussage/Gutachten/Augenschein) heranzieht, welches im Protokoll nicht auftaucht, also überhaupt nicht eingeführt wurde. Umgekehrt kommt es offensichtlich nicht auf einen Verfahrensverstoß im Rahmen einer Beweisverwertung an, wenn dieser Beweis nicht im Rahmen der Urteilsbegründung herangezogen wird. Insofern sollte der Prüfling die bereits sauber herausgestanzten, prozessualen Vorgänge dem Urteil (insb. dem Abschnitt Beweiswürdigung) gegenüberstellen und überprüfen, welche Beweise als Fundament der richterlichen Überzeugungsbildung fungieren. 3. Urteilslektüre nach demselben Muster (Einteilung Beweiswürdigung/rechtliche Würdigung/Strafzumessung)

Für die Urteilsanalyse ist damit bereits angedeutet, dass man – ähnlich wie beim Protokoll – abschnittsweise vorgehen, also die Topoi Beweiswürdigung, Rechtliche Würdigung und Strafzumessung voneinander trennen sollte. Während sich die Verfahrensfehler (siehe oben meist in Kombination, aber nicht immer) aus der Beweiswürdigung ergeben, werden sich die meisten Sachrügen in der rechtlichen Würdigung und Strafzumessung (ggf. in Gegen14 Die Terminologie ist diesbezüglich nicht einheitlich. Daher kann auch auf die Verwendung dieses Begriffs verzichtet werden.

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überstellung zum Tatbestand, vgl. noch zur Sachrüge im zweiten Teil) finden. Nochmals zur Klarstellung: Wenn hier davon die Rede ist, dass sich die Verfahrensverstöße aus der Beweiswürdigung ergeben, so steht dies nicht mit dem oben genannten Grundsatz in Widerspruch, wonach das Revisionsgericht mangels Eigenschaft als Tatsacheninstanz nicht die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene ersetzen darf. Es darf aber überprüfen, ob der Richter unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften des Strafverfahrens zu dieser Überzeugung gelangt ist. Beachte: Neben dem „Einfallstor“ der Inbegriffsrüge als Verfahrensrüge kann die Beweiswürdigung des Richters auch über die Sachrüge angefochten werden, wenn der Richter gegen „Beweiswürdigungsregeln“15 verstößt, also seine Ausführungen nicht mit Denkgesetzen vereinbar sind, Lücken enthalten oder sich schlicht widersprechen. Die „Beweiswürdigungsrüge“ spielt in der Praxis v.a. in den Konstellationen eine Rolle, in denen an die Begründung des Tatrichters sei es aufgrund des Tatvorwurfs (Totschlag, Mord), sei es aufgrund der Beweissituation (Konstellation Aussage gegen Aussage), erhöhte Anforderungen gestellt werden. In eine Revisionsklausur lässt sich solch ein Fehler schon aus Platzgründen selten verorten. Ähnliches gilt für die Aufklärungsrüge als besondere Form der Verfahrensrüge (§ 244 Abs. 2 StPO), mit der geltend gemacht wird, dass das Gericht seiner Amtsaufklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Ist im Protokoll und auch in der Anklage ständig von einem Zeugen die Rede, der aber selbst (mangels Beweisantrag oder aufgrund eines fehlerhaften Beweisantrags) nie vernommen wurde, kann im Einzelfall auch die Formulierung einer Aufklärungsrüge angezeigt sein. In der Praxis gilt die Aufklärungsrüge innerhalb der Revision als „Königsdisziplin“, da der Verteidiger der Prozesssituation nach prima vista in der „Schuld steht“ (weil er es verpasst zu haben scheint, einen erheblichen Gesichtspunkt über das Beweisantragsrecht einzuführen) und Revisionsgerichte zunächst davon überzeugt werden müssen, dass es dem Rechtsmittelführer nicht darum geht, eine ihm nicht passende Beweiswürdigung durch das Nachschieben von Indizien zurechtzustutzen. Spätestens bei der Lektüre des Urteils sollte der Bearbeiter die prozessualen Taten (§ 264 StPO), welche durch die (gemeinsame) Entscheidung in Rechtskraft erwachsen sollen, zumindest gedanklich trennen und der Überlegung nachgehen, ob die „Anfechtbarkeit“ und Aufhebung des Urteils insgesamt Sinn macht, oder die Feststellung zum Teil aufrechterhalten bleiben sollen (bzw. müssen, da kein Verfahrensfehler festgestellt ist, zu den Anträgen vgl. noch im Folgenden) und das Revisionsgericht eine eigene Sachentscheidung basierend auf diesen Feststellungen treffen soll, § 354 Abs. 1 StPO. Solch eine Konstellation der vertikalen Trennung bzw. Beschränkung des Rechtsmittels sollte man im Blick haben, doch ist es im Regelfall so, dass hinsichtlich einer Tat sowohl Sach- als auch Verfahrensrügen vorzubringen sind und damit jedenfalls eine Zurückverweisung zu beantragen ist. Darüber hinaus ist die Revision bereits bei einer einzigen prozessualen Tat anspruchsvoll genug, weswegen die anzufechtenden Urteile selten gleich mehrere Taten beinhalten. 15 Beachte: Unzulässig sind wegen des Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) zumindest idealtypisch hingegen Beweisregeln (etwa dass 2 Zeugenaussagen eine Zeugenaussage immer „überbieten“); in der Praxis ist der Rückgriff auf Erfahrungswerte sowie Wahrscheinlichkeitsprognosen – und damit eine Annäherung an den aus dem Zivilprozess bekannten Augenscheinsbeweis – nicht selten; als Beispiele hierzu seien die Annahme der Kausalität bei ungeklärten Wirkweisen (vgl. hierzu Kudlich/Oğlakcıoğlu, 2. Aufl. 2014 Rn. 128 ff. m.w.N.) oder auch die Etablierung der Promillegrenzen genannt.

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Sollte dies doch der Fall sein, ist dies Anlass genug, zumindest kurz der Überlegung nachzugehen, ob nicht hinsichtlich einer Tat ein (endgültiges) Verfahrenshindernis vorliegt, da sich Verfahrenshindernisse (nicht immer, aber relativ häufig) auf nur eine von mehreren Taten beziehen (etwa die Verurteilung einer Tat, die nicht von der Anklage umfasst ist oder die derart vom Eröffnungsbeschluss abweicht, als ein richterlicher Hinweis nach § 265 StPO von Nöten gewesen wäre und solch einer laut Protokoll fehlt16). Da Verfahrenshindernisse von Amts wegen zu prüfen sind, braucht es diesbezüglich keiner Rüge, doch sollte der Revisionsführer – bevor er auf die nicht von Amts wegen zu überprüfenden Rechtsfehler übergeht – seine Sicht der Dinge schildern; dies gilt für den Klausurbearbeiter erst Recht. Die wichtigsten Verfahrenshindernisse lassen sich durch einen „Reiter“ in der Einleitung des Kommentars „spickzettelartig“ abhaken: • Sachliche Unzuständigkeit des Gerichts (hingegen ist die unrichtige Besetzung als absoluter Revisionsgrund mit der Verfahrensrüge vorzubringen) • Fehlende/unwirksame Anklage/Eröffnungsbeschluss • Strafklageverbrauch • Anderweitige Rechtshängigkeit • Strafverfolgungsverjährung • Fehlender/zurückgenommener Strafantrag 4. Zuweisung der gefundenen Fehler

Während des Lesens des Sachverhalts des Sachverhalts bzw. beim zweiten Lesen sollte man bereits beginnen, die Fehler auf seinen Gliederungsskizzen zu vermerken und sogleich zuzuweisen. Teils schlagen AG-Leiter (in Anbetracht der knappen Zeit auch zu Recht) vor, bei „sicheren Fehlern“ im materiell-rechtlichen Bereich die Rüge sofort auszuformulieren, da dies mangels erhöhten Darstellungsanforderungen (siehe oben) wenig Aufwand bedeutet, aber man einige Punkte schon einmal sicher einfährt. Die meisten Sachrügen sind selbsterklärend (zur Formulierung vgl. im Folgenden); der Revisionsführer muss im Regelfall also nur den Fehler schildern, nicht warum es sich um einen Fehler handelt.17 Nur bei schwierigeren Rechts- und Interpretationsfragen sind erläuternde Ausführungen veranlasst. Wenn hier sogar vorgeschlagen wird, eine Rügen direkt auszuformulieren, liegt es auf der Hand, dass eine nochmalige Gliederung (die der Gliederungsskizze) folgt nur bei größeren Verfahrensrügen Sinn macht, aber im Übrigen eine sofortige Ausarbeitung angezeigt ist. Der letzte Schritt vor der Ausarbeitung sollte die Arbeit mit dem Kommentar sein, also eine Kontrolle derjenigen Stellen, bei denen man sich materiell-rechtlich nicht sicher ist. Gerade hinsichtlich der Revisibilität stellt der Standardkommentar am Ende jeder Verfahrensnorm eine eigene Randnummer bereit, wo ggf. auch erläutert wird, ob und inwiefern die Rechtsprechung jene besonderen Anforderungen an die Darstellung der Rüge i.S.d. § 344 Abs. 2 2 StPO konkretisiert hat. Bevor man auf die Ausarbeitung der Verfahrensrüge übergeht, sollte man sich sicher sein, welche Tatsachen man für die Darstellung des Verfahrensmangels mitzuteilen hat.

16 Als wesentliche Förmlichkeit müsste man kraft negativer Beweiskraft des Protokolls davon ausgehen, dass solch ein Hinweis fehlt. 17 V.a. im Bereich der Strafzumessungsfehler sind kurze und knappe Ausführungen angezeigt, da die Strafzumessung als solche (ebenso wie die Beweiswürdigung) Sache des Tatrichters ist und bei längeren Ausführungen zum „Wie und Warum“ der Prüfling in den Verdacht geraten könnte, er habe diesen Grundsatz verkannt. Die Revision darf nur rügen, dass die Regeln der Strafzumessung missachtet wurden (vgl. hierzu noch im Folgenden).

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5. Zur Prüfung der Zulässigkeit

In jedem Fall gilt, dass die Zulässigkeit einer Revision stets im Gutachten bzw. Hilfsgutachten seinen Platz hat, der Revisionsführer also (anders als in einer zivil- oder verwaltungsrechtlichen Klageschrift) nicht begründet, warum der eingelegte Rechtsbehelf zulässig ist, es sei denn er hat dem Mandanten die Zulässigkeit zu erläutern bzw. darzulegen, warum der bisher eingelegte Schriftsatz unzulässig sein könnte. Im Einzelfall können aber besondere Ausführungen zur Zulässigkeit des Rechtsbehelfs angezeigt bzw. zumindest Anträge zu stellen sein, die diesen wieder zulässig machen (zu denken ist insb. an die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand). Der Prüfling sollte in Anbetracht dieser klaren Trennung weder im Hinblick auf Strukturierung noch bezüglich der Gliederung allzu viel Zeit in die Zulässigkeit investieren. Schema: Zulässigkeit der Revision

1) Statthaftigkeit: §§ 333, 335 StPO 2) Einlegungsberechtigung: Beschuldigter, dessen gesetzlicher Vertreter, StA, §§ 296, 298 StPO Privatkläger, § 390 StPO, und Nebenkläger, § 401 StPO 3) Beschwer 4) Form, § 341 Abs. 1 StPO, schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim iudex a quo 5) Frist, § 341 StPO binnen einer Woche nach Verkündung (ist der Angeklagte nicht anwesend, richtet sich der Fristbeginn nach § 341 Abs. 2 StPO) 6) Begründung, § 345 StPO Form grds. wie Einlegung; dabei aber Angabe des Umfangs der Revision, § 344 Abs. 1 StPO sowie Sach- und/oder (näher ausgeführte) Verfahrensrüge, § 344 Abs. 2 StPO Frist, § 345 Abs. 1 StPO: 1 Monat nach Ablauf der Einlegungsfrist 7) Zuständigkeit zur Entscheidung: OLG /BGH, §§ 121 Nr.1b, 135 I GVG Der Klausurbearbeiter sollte – soweit dies nach den jeweiligen Prüfungsordnungen möglich ist – die einschlägigen Vorschriften zur Zulässigkeit der Revision markieren bzw. die bereits aus dem Ersten Staatsexamen bekannten Probleme zur Beschwerde,18 Form und Frist sowie zum wirksamen Rechtsmittelverzicht19 im Kommentar hervorheben. Wenn materiell-rechtliche Grundlagen in den Arbeitsgemeinschaften zur Zulässigkeit behandelt werden, sollte er immer parallel der Überlegung nachgehen, in welcher Form die Inhalte in der Klausur „verpackt“ werden können. Bestimmte Rechtsprobleme setzen – soweit nicht wesentliche Fragestellungen der Klausur im Hilfsgutachten landen sollen – ein bestimmtes verfahrensrechtliches Stadium und die passende Frage hierzu voraus: Die verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen erster Instanz und Berufung (insb. das modifizierte Beweisrecht, § 325 Abs. 2) könnten bspw. in einer Revision eines Berufungsgerichtsurteils des Landgerichts eingebettet werden. Die Frage des „Nebeneinander“ von Berufung und Revision kann sich nur bei einem Amtsgerichts18 Stichwörter wie die „Tenorbeschwerde“ bei Angeklagtem und Nebenkläger sollten ein Begriff sein; die Staatsanwaltschaft ist stets berechtigt, Revision einzulegen, § 296 Abs. 2 StPO. 19 Zur Umgehung eines unwirksamen Rechtsmittelverzichts basierend auf einer Absprache durch Einlegung und sofortiger Rücknahme des Rechtsmittels;

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urteil stellen und mündet normalerweise nur in die Revision, wenn die Zweifelsregelung des § 335 Abs. 3 1 StPO nicht greift.20 C. Checkliste (Vorbereitung der Revision)

• Bearbeitervermerk lesen (Revision als Gutachterklausur oder Schriftsatz) • Zuordnungsskizze Verfahrensrügen Sachrügen Sonstiges begründet/ begründet/ Zulässigkeit/ unbegründet unbegründet Verfahrenshindernisse • Lesen des Sachverhalts • Markierung „verdächtiger“ Fehler (ggf. unterschiedliche Farben, je nachdem, ob man sich hinsichtlich Revisibilität sicher ist) • ggf. Einteilung des Protokolls nach prozessualen Topoi (Einlassung, Zeugenvernehmung, Einführung von Beweisen, Ablehnung von Beweisanträgen, Ablehnung sonstiger Anträge und Fragen, weitere Beschlüsse zur Abwesenheit, Vereidigung etc.) • Vergleich der verwerteten Beweise mit laut Protokoll eingeführten (für Inbegriffsrüge) • Vergleich der Anklage mit Verurteilung (Prozessuale Tat; Richterlicher Hinweis) 20 Der komplette Topos „Untersuchungshaft“ kommt im Zweiten Staatsexamen meist nur als „Annex“ zur Abschlussverfügung (zusätzlicher Erlass eines Haftbefehls) bzw. Gutachten samt Haftprüfung vor.

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• Zuweisung der gefundenen Fehler (nach 2-3maliger Lektüre der Akten; bei sicheren Fehlern im materiell-rechtlichen Bereich ggf. sofort ausformulieren) • Checkliste, ob Verfahrenshindernis (Meyer-Goßner, Einleitung Rdn. 112 ff.) • nach Zuweisung Grobgliederung nur für größere Rügen • Kontrolle im Kommentar (meist bei Meyer-Goßner Sonderrandnummer für Revision bei ALLEN Verfahrensvorschriften); in diesem Zuge auch Kontrolle für Verfahrensrügen, ob besondere Anforderungen an die Darstellung i.S.d. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO • Überlegung, ob atypische Rügen (Aufklärungsrügen, Beweiswürdigungsmängel) vom Klausurersteller gewollt • Checkliste, ob besondere Probleme in der Zulässigkeit (Form/ Frist, Beschwer) Je nach Ergebnis, Anträge ausrichten und ausformulieren Ausarbeitung der Rügen im Einzelnen, denkbares Vorgehen zunächst Revision selbst vollständig ausführen und dann auf Hilfsgutachten übergehen (Vorteil: kein Hin- und Her bzw. „Zettelwirtschaft“) Alternativ: chronologisch bzw. kontextbezogen einzelne Rügen abarbeiten (Vorteil: Ausführungen erfolgen im Zusammenhang, kein gedankliches Durcheinander) Verfahrensrügen wegen Darstellungsanforderungen ggf. vorziehen Unterschrift (nicht die eigene!)

Die zivilrechtliche Kautelarklausur - Willkommen in der Praxis von Caroline Dressel

Caroline Dressel ist als Rechtsanwältin in einer mittelständischen Kanzlei in München schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes tätig. Ihr Studium und ihr Referendariat hat sie in Freiburg absolviert.

A. Einführung

Die meisten Examenskandidaten treten die Zweite Staatsprüfung in der Hoffnung an, keine Kautelarklausur lösen zu müssen. Diese Hoffnung ist bei genauer Betrachtung unbegründet und bringt nur den Nachteil unnötiger Nervosität mit sich. Die Kautelarklausur, die in einigen Bundesländern bereits Prüfungsstoff ist, stellt eine abgewandelte Form der Anwaltsklausur im Zivilrecht dar. Grund für die Einführung dieser Klausurkonstellation war, dass die Referendare dabei mit dem tatsächlichen Aufgabenfeld eines Anwalts oder Unternehmensjuristen konfrontiert werden. Während der Schwerpunkt einer „normalen“ Anwaltsklausur in der Beratung des Mandanten bezüglich eines gerichtlichen Vorgehens liegt, steht bei der Kautelarklausur die außergerichtliche Tätigkeit im Mittelpunkt, die oftmals einen kreativen Gedanken fordert. Das zunächst in einem Gutachten gefundene Ergebnis muss in einem zweiten Schritt dem Mandanten, angereichert durch Empfehlungen und Zweckmäßigkeitserwägungen, mitgeteilt werden. Alternativ muss das gefundene Ergebnis in einem entsprechenden Entwurfsschreiben Niederschlag finden. Im Gegensatz zur klassischen Anwaltsklausur wird nicht ein bereits bestehendes Problem gelöst, sondern der Kandidat sollte erkennen

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und darlegen, welche Probleme und Unstimmigkeiten in Zukunft auftreten können und in der Lösung berücksichtigt werden müssen. Zur Vorbereitung auf die Kautelarklausur wird empfohlen, die Anwaltsstationen in zivilrechtlich breit aufgestellten Kanzleien zu absolvieren und die tägliche Arbeit der Anwälte kennen zu lernen. Auf diese Weise kann ein Gespür für das Formulieren von anwaltlichen Schreiben oder Vertragsentwürfen entwickelt werden. Natürlich darf bei der Vorbereitung das juristische Handwerkszeug nicht ausgeklammert werden. Die nahe Arbeit am und mit dem Gesetz sowie die detaillierte Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt sind – wie bei jeder Klausur – Grundvoraussetzung. Neben strukturiertem Vorgehen und taktischen Überlegungen darf das materielle Recht nicht unbeachtet bleiben. Der Schwerpunkt liegt in diesen Klausuren meist in Randbereichen (siehe hierzu unten). B. Drei Klausurtypen1

Die Kautelarklausur lässt sich in drei Klausurtypen einteilen, denen gemein ist, dass zunächst ein Gutachten zu erstellen ist. Der erste Klausurtyp (vorbereitendes Gutachten) fordert die Beantwortung einer vom Mandanten formulierten Fragestellung. Das im Gutachten gefundene Ergebnis muss dem Mandanten dann meist (beachte Bearbeitungsvermerk) in einem Schreiben mitgeteilt werden. * 1

Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. Vgl. zum Folgenden Kaiser, JA 2010, 449.

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Beispiel: Der Mandant möchte bestimmte Regelungen im Rahmen einer letztwilligen Verfügung treffen, deren rechtliche Umsetzbarkeit vom Kandidaten zu überprüfen ist. Der zweite Klausurtyp stellt ein überprüfendes Gutachten dar. Der Kandidat muss ein vom Mandanten vorgelegtes „Werk“ gutachterlich auf dessen rechtliche Wirksamkeit und Vollständigkeit hin überprüfen und Überlegungen zu erforderlichen Änderungen anstellen. Dieses Ergebnis wird dem Mandanten ebenfalls in einem Schreiben mitgeteilt. Beispiel: Der Mandant möchte bestimmte Regelungen im Rahmen einer letztwilligen Verfügung treffen und hat bereits einen Entwurf formuliert, der vom Kandidaten zu überprüfen ist. Der häufigste und mit den meisten Herausforderungen verbundene (dritte) Klausurtyp besteht aus der Formulierung eines eigenen Entwurfs eines juristischen „Werkes“ bzw. einzelner Bestandteile. Hierbei kann die Formulierung eines Vertrags, eines Vergleichs oder einzelner AGB gefordert sein. Auch bei diesem Klausurtyp ist in der Regel zunächst ein vorbereitendes oder überprüfendes Gutachten zu fertigen, um dann das Ergebnis in einem praxistauglichen Entwurf darzustellen.

III. Rechtliche Bewertung

Den Schwerpunkt der Lösung sollte stets die rechtliche Bewertung darstellen. 1. Klausurtyp 1 und 2

Bezüglich Klausurtyp 1 (vorbereitendes Gutachten) und Klausurtyp 2 (überprüfendes Gutachten) ist der Aufbau einheitlich. a) Einleitung

Begonnen wird mit einer Einleitung, die nochmals kurz das Mandantenbegehren wiedergibt. Beispiele: Im Folgenden soll geprüft werden, ob der Mandant seinen Sohn enterben und unter welchen Voraussetzungen dies geschehen kann. Die Mandanten/Parteien begehren Auskunft über die Möglichkeiten eines Zusammenschlusses mit dem von ihnen verfolgten Ziel der Gründung eines Startup-Unternehmens. Teilweise wird die Darstellung des Sachverhaltes im Bearbeitungsvermerk gefordert. Diese müsste dann an dieser Stelle erfolgen. b) Obersatz

Beispiel: Der Mandant möchte bestimmte Regelungen im Rahmen einer letztwilligen Verfügung treffen und der Kandidat soll einen entsprechenden Entwurf formulieren.

Die rechtliche Begutachtung beginnt wie jedes juristische Gutachten mit einem Obersatz. Dieser stellt beim vorbereitenden Gutachten den Regelungswunsch des Mandanten, beim überprüfenden Gutachten den einzelnen Regelungspunkt heraus.

C. Bearbeitung der Kautelarklausur

Die Kautelarklausur erfordert juristische Kreativität und kommt in verschiedensten Konstellationen vor. Diese Vielseitigkeit macht es schwer, ein festes Prüfungsschema zu erstellen. Dennoch wird in den meisten Fällen eine dreistufige Prüfung empfohlen, die zumindest als gedankliche Hilfestellung herangezogen werden kann: I. Ermittlung des Mandantenziels

Im Rahmen der Ermittlung des Mandantenziels muss zunächst das Sachziel des Mandanten aus dessen Vorbringen herausgefiltert werden. Hierfür muss der meist unsortierte Vortrag des Mandanten geordnet und ausgelegt werden. Meistens verfolgt der Mandant mehrere Ziele, sodass die Rangfolge dieser Ziele anhand der Wichtigkeit bestimmt werden muss. Sollten sich die Ziele gegenseitig ausschließen, muss herausgefunden werden, welche Ziele Vorrang haben und zwingend zu regeln sind. Außerdem ist stets zu bedenken, dass der Mandant kein Jurist ist und daher womöglich nicht alle wichtigen Gesichtspunkte erkannt hat. Der Kandidat muss also auch „Lücken“ erkennen und diese bei seiner Lösung berücksichtigen. II. Ermittlung relevanter Fakten aus dem Sachverhalt

Bei der Aufarbeitung des Sachverhalts werden dem Mandantenvortrag die persönlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse des Mandanten entnommen und dargestellt. Zudem sollten bisherige Regelungen oder etwa bestehende Gesellschaftsformen vermerkt werden. Dieser Schritt stellt keine Zusammenfassung des Sachverhalts dar, sondern soll lediglich die relevanten Fakten, die in der weiteren Bearbeitung Beachtung finden müssen, umreißen. Da wie bereits erwähnt nicht die Lösung bestehender Probleme Aufgabe der Klausur ist, müssen in diesem Schritt die möglicherweise in der Zukunft auftretenden Probleme dargestellt werden.

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Beispiele: Fraglich ist, ob der Mandant erreichen kann, dass sein Sohn nichts erbt. In den Vertragsbedingungen des Mandanten ist ein Verzugszins von 2% geregelt. c) Bestehen gesetzlicher Regelungen

Anhand des jeweiligen Obersatzes muss geprüft werden, ob hierzu eine gesetzliche Regelung besteht und ob diese passend ist oder abbedungen werden muss bzw. kann (vorbereitendes Gutachten) oder ob die vom Mandanten vorgeschlagene Regelung mit der gesetzlichen in Einklang steht (überprüfendes Gutachten). An dieser Stelle sollten verschiedene Regelungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. d) Konkreter Vorschlag

Am Schluss der rechtlichen Begutachtung sollte ein konkreter Vorschlag formuliert werden. Dieser darf jedoch keinen Entwurf darstellen, sondern lediglich die für am sinnvollsten erachtete Regelung aufzeigen und begründen. Ob das Ergebnis dem Mandanten zum Abschluss in einem Schreiben mitgeteilt werden soll, ist abhängig vom Bearbeitungsvermerk und bei Bedarf am Ende der Klausur zu formulieren. 2. Klausurtyp 3

Wird die Formulierung eines eigenen Entwurfs gefordert, gibt es auch hier die beiden Möglichkeiten, einen eigenen Entwurf zu fertigen oder einen bereits formulierten zu überprüfen und zu verbessern. Das Gutachten ist grundsätzlich wie bei Aufgabentyp 1 und 2 anzufertigen. Statt des konkreten Vorschlags oder des Mandantenschreibens muss dann der Entwurf eines juristischen Schreibens verfasst werden.

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Dabei muss der erforderliche Stil beachtet werden. Wichtig sind kurze und verständliche Formulierungen, die juristisch präzise sind. Es sollten nicht zu viele Fachbegriffe verwendet werden, da dies nicht praxistauglich ist. Der Kandidat muss darauf achten, dass seine Formulierung nicht auslegungsfähig, sondern eindeutig und im Sinne des Mandanten ist. Die Formulierung sollte anhand des Gesetzestextes vorgenommen werden. Als Formulierungshilfe kann auch der Palandt genutzt werden. Der Schwerpunkt sollte in der Regelung des Vertragszwecks und von Störfällen liegen. 3. Grundprinzipien

Bei der Lösung aller Klausurkonstellationen sollte der Bearbeiter wichtige kautelarjuristische Grundprinzipien beachten. Neben den bereits dargestellten Prinzipien wie etwa der Orientierung an den Mandantenzielen oder der präzisen Formulierung sollte darauf geachtet werden, dass der für die Partei sicherste Weg das bedeutet derjenige mit den besten Erfolgsaussichten und den wenigsten Kostenrisiken - gewählt wird. Wichtig ist zudem, auf jegliche Parteiinteressen einzugehen und alle drohenden Störfälle zu berücksichtigen. 4. Grenzen der Vertragsgestaltung

Daneben muss der Kandidat erkennen, dass es Grenzen der Vertragsgestaltung gibt, die eingehalten werden müssen. Dabei handelt es sich um zwingendes Recht und gesetzliche Verbote. Außerdem sollten bestehende AGB bzw. die Regelungen für AGB in den §§ 305 ff. BGB beachtet werden. Oftmals wird auch der Verbraucherschutz eine Rolle spielen. Gängige Normen wie die des § 138 BGB oder das AGG dürfen keinesfalls vergessen werden. D. Materielles Recht

Zwar können theoretisch Sachverhalte aus allen Rechtsgebieten als Kautelarklausur gestellt werden, allerdings gibt es gewisse Bereiche, in denen sich eine solche Klausur besonders anbietet. Dabei ist zunächst die Gestaltung von außervertraglichen Einigungen, zumeist in Form eines Vergleichs, zu nennen. Da diese Aufgabe in der Vergangenheit häufig gestellt wurde, sollte der Aufbau eines Vergleichs bekannt sein. Dieser ist einem Vertragsentwurf ähnlich, was bedeutet, dass die Vergleichsparteien bezeichnet, Leistungspflichten benannt und bestimmte Förmlichkeiten eingehalten werden müssen. Unter der Überschrift „Außergerichtlicher Vergleich“ und der Nennung der Parteien sollte in einem Satz als Vorbemerkung die Streitigkeit, aus der sich der Vergleichsvertrag ergibt, dargestellt werden. Als erster Punkt werden dann die Hauptleistungspflichten aufgezeigt, auf deren Erfüllung sich die Parteien geeinigt haben. Sollte es sich dabei um Zahlungsverpflichtungen handeln, kann eine Vereinbarung zur Ratenzahlung oder eine Stundungsvereinbarung getroffen werden. Es sollten genaue Angaben zu Ort und Zeit der Leistungserbringung getroffen werden. Hiernach werden die Folgen der Nichterfüllung oder des Verzuges dargestellt. Bestehen zwischen den Parteien mehrere Forderungen, muss erkennbar sein, welche Forderungen durch die Erfüllung der vereinbarten Pflichten abgegolten sind. Außerdem ist eine Regelung über die Kosten des Vergleichs zu treffen. Diese werden üblicherweise jeweils von den Parteien selbst getragen. Es können Vereinbarungen zur Schriftform oder zum Gerichtsstand getroffen werden. Empfehlenswert ist es, am Ende die „salvatorische Klausel“ einzubringen, die den Vertrag bei Unwirksamkeit einzelner Klauseln im Gesamten als wirksam bestehen lässt.

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Ebenfalls von Bedeutung ist das allgemeine Vertragsrecht. Neben den entsprechenden Kenntnissen im materiellen Recht muss genau mit dem Sachverhalt gearbeitet und insbesondere auf die Wünsche des/ der Mandanten eingegangen werden. Oftmals wird der Examenskandidat in der Funktion des Anwalts von einer Gruppe natürlicher Personen aufgesucht, die eine Beratung bei der Gründung einer Gesellschaft, eines Vereins oder einer Stiftung benötigen. Hierbei sind Kenntnisse im Gesellschaftsrecht sowie im Allgemeinen Teil des BGB gefordert. Der Kandidat muss in der Lage sein, die Vor- und Nachteile der verschiedenen Gesellschaftsformen darzustellen und anhand des Mandantenvortrags die geeignete Form herauszufiltern. Eine weitere denkbare Aufgabe liegt darin, ein Schreiben zur Durchsetzung bestimmter Ansprüche, ein sogenanntes Forderungsschreiben, zu verfassen. Hier sind insbesondere Kenntnisse bezüglich bestimmter Fristen und der entsprechenden Anspruchsgrundlagen gefordert. Außerdem sollten zwingende Formalitäten eingehalten werden und eine Abgrenzung und zweckmäßige Abwägung verschiedener Gestaltungsrechte vorgenommen werden. Es sollte auch darauf eingegangen werden, welche Rechtsfolgen durch die Ausübung der verschiedenen Gestaltungsrechte entstehen. Anhand des Mandantenbegehrens sollte daraufhin das effektivste Recht ausgewählt werden. Des Weiteren kann im Bereich des Erbrechts Verschiedenes abgefragt werden. Das Familienrecht ist ebenfalls ein beliebtes Gebiet. Sehr naheliegend ist zudem die Aufgabe, verschiedene AGBs zu formulieren, bei deren Lösung Kenntnisse in den jeweils zu regelnden Vertragsarten unerlässlich sind. Wichtigstes Kriterium bei der Bewertung der Kautelarklausur ist wie bei allen Klausurarten eine stringente Lösung, die durch gute Argumente untermauert wird. Zudem darf hier einmal kreativ gedacht und die tatsächliche Arbeit eines Anwalts verwirklicht werden. Also, keine Angst und viel Erfolg!

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FALLBEARBEITUNG

Assessorexamenskandidaten im Strafrecht: „Dreistigkeit schützt vorm Zahlen nicht“ von Katrin Gröne

Ass. iur. Katrin Gröne, Jahrgang 1987, studierte Rechtswissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und absolvierte im Jahr 2012 ihr 1. Staatsexamen vor dem Justizprüfungsamt bei dem OLG Hamm. Ihr zweites Staatsexamen absolvierte sie im Dezember 2014 vor dem Landesjustizprüfungsamt Düsseldorf. Seit März 2015 ist sie Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Bochum.

Polizeipräsidium Musterstadt Polizeiinspektion 1 / Polizeiwache Mitte Schillerstraße 11 12345 Musterstadt Polizeiinspektion 1/ PI Mitte/ Riedmüller, POKin 14.02.2013 / 19:45 Strafanzeige Straftat: § 252 StGB u.a. Tatzeit: 14.02.2013, 19:10 Tatort: Kiosk Treibstraße 29, 12345 Musterstadt-Nord Sachverhalt: Am heutigen Tag erschien der Zeuge und Geschädigte Ali Sahin, geboren am 29.03.1961 in Istanbul, wohnhaft Treibstraße 29 in 12345 Musterstadt-Nord, auf der hiesigen Dienststelle und gab nach Belehrung folgenden Sachverhalt zu Protokoll: ‚‘ Heute gegen kurz nach 19 Uhr betrat Kevin Kaminski zusammen mit seiner Freundin, ich glaube sie heißt Susi, meinen Kiosk. Er war vorher schon ca. fünf mal bei mir und hat jedes Mal diversen Alkohol anschreiben lassen. Das waren bis dahin ca. 8,00 €. Um 19 Uhr betrat er wieder meinen Laden, nahm vier Flaschen Bier der Marke Krombacher und eine Flasche Korn aus dem Regal. (Warenwert ca. 7,00 €) Diese steckte er anschließend in eine Stofftasche, die er schon den ganzen Tag bei sich trug. Während er den Alkohol einsteckte sagte er: ‚‘ Kollege, machste nen Deckel wie vorhin.‘‘ Dann wollte er den Laden einfach verlassen. Das konnte ich natürlich so nicht akzeptieren. Schließlich habe ich ihm am selben Tag schon fünf mal ermöglicht etwas anschreiben zu lassen und wollte das nicht noch einmal.“ Auf Nachfrage der Polizei: „Das Anschreiben lassen von Ware ist bei mir durchaus üblich. Viele meiner Kunden sind alte Bekannte, die mich öfter am Tag aufsuchen. Wenn sie gegen Ende des Monats etwas knapp bei Kasse sind, lasse ich schon mal einen Deckel machen. Bisher gab es auch nie Probleme. Die offenen Rechnungen sind dann immer sofort zu Beginn des nächsten Monats beglichen worden. Nachdem ich also dem Kevin sagte, dass er diesmal nicht anschreiben lassen kann, wurde er sofort total aggressiv und wollte trotzdem einfach gehen. Ich verließ dann meinen Verkaufstresen, lief dem Kevin hinterher und versuchte die Tasche mit dem Alkohol zu ergreifen. Der Kevin hat dann sofort angefangen mich zu würgen, holte mit seinem Kopf aus und schleuderte diesen mit voller Wucht gegen meine Nase. Das ging alles so schnell. Ich konnte mich gar nicht wehren. Es kam dann zu einer Rangelei. Ich habe versucht den Kevin von mir fernzuhalten. Dabei kann es sein, dass ich leichten

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Druck auf seinen Arm ausübte. Gott sei Dank war mein Schwager, Murat Öztürk, auch im Kiosk. Der kam dann sofort dazwischen und hat den Kevin von mir weggezogen. Das ging alles so schnell. Die Tasche mit dem Alkohol fiel während der Rangelei sofort zu Boden und der Kevin ist dann mit seiner Freundin auch sofort weggerannt. Ich habe dann meinen Kiosk nur noch schnell abgeschlossen und bin mit meinem Schwager sofort ins nächste Krankenhaus gefahren.“ Auf Nachfrage der Polizei: „Der Arzt stellte eine Nasenbeinfraktur fest, sodass ich sofort operiert werden musste. Die Schmerzen spüre ich noch Heute und meine Nase ist jetzt richtig krumm. Außerdem erlitt ich Würgespuren am Hals, Verletzungen im Rippenbereich, Prellungen und Kratzer.“ „Ich stelle Strafantrag wegen aller in Betracht kommender Delikte.“ Bearbeiterhinweis: Von einem Abdruck des von dem Zeugen Ali Sahin überreichten ärztlichen Attestes vom 14.02.2013 wird abgesehen. Aus diesem ergeben sich die von dem Zeugen geschilderten Verletzungen. Bei dem behandelnden Arzt handelte es sich um Herrn Dr. Fritz Meyer Unfallklinik Nord, 12345 Musterstadt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass der Anzeigenerstatter Ali Sahin im Anschluss an seine Strafanzeige von der Polizei ( POK‘IN Riedmüller ) zeugenschaftlich vernommen wurde und hierbei die aus der Strafanzeige ersichtlichen Angaben bestätigt hat. Von einem Abdruck des Vernehmungsprotokolls wird abgesehen. Beschuldigtenvernehmung: Musterstadt, den 16.02.2013, 15:00 Uhr Name: Kevin Kaminski Geburtsdatum: 25.06.1980 Geschlecht: männlich

Geburtsort: Musterhausen am Salzbergsee Wohnort: Ostermärsch 41, 12345 Musterstadt Staatsangehörigkeit: deutsch

Nach ordnungsgemäßer Belehrung schilderte der Beschuldigte folgenden Sachverhalt: „Ich will aussagen. Das ist ja wirklich eine Frechheit. Es ist richtig, dass ich im Kiosk war. Ali und ich, wir sind alte Kumpels. Ich kann immer bei ihm Anschreiben lassen, wenn es Ende des Monats mal wieder etwas knapper wird. Das ist ja wohl auch selbstverständlich, wenn man so gut befreundet ist wie wir. Ich war am Tag schon drei oder vier mal dort und habe eine Kleinigkeit zu trinken anschreiben lassen. Gegen 19 Uhr war mein Proviant aufgebraucht und daher bin ich dann wieder zum Ali in den Kiosk gegangen. Ich habe dann vier Flaschen Bier und eine Flasche Korn eingesteckt und gesagt, dass er wieder einen Deckel machen soll. Der Ali hat sich sofort geweigert und kam blitzschnell auf mich zu und zerrte wie verrückt an meinem Arm. Ich wusste gar nicht, was das sollte.“ Auf Nachfrage der Polizei: „Nein, ich habe nicht gefragt, ob ich noch einmal etwas anschreiben lassen kann. Für mich war das selbstverständlich. Das machen wir schließlich immer so. Als er dann an meinem Arm zerrte, kam auch noch sein Schwager dazu. Plötzlich fingen beide an, auf mich einzuschlagen und zu treten. Ich konnte mich gar nicht verteidigen. Zwei gegen Einen, das ist ja total unfair. Außerdem habe ich gar nichts Schlimmes gemacht.“ Auf weitere Nachfrage: „Beide haben mit den beschuhten Füßen

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auf mich eingetreten und mich geschlagen. Erst als meine Freundin Susi zum Kiosk kam und die Beiden anschrie mich loszulassen, ließen sie von mir ab. Ich bin dann einfach nach Hause ins Bett gegangen. Den Alkohol habe ich natürlich nicht mitgenommen. Der ist glaube ich auch zu Bruch gegangen. Ich bin immer noch total enttäuscht. So was kann ja wohl unter Freunden nicht sein. Ich möchte auf jeden Fall wegen aller in Betracht kommenden Straftaten Strafantrag stellen. ‚‘ Zeugenvernehmung: Name: Susanne Petrova Geburtsort: Revierhausen Staatsangehörigkeit: deutsch Wohnort: Stahlwerkstr. 87, 12345 Musterstadt Nach ordnungsgemäßer Belehrung: „Ich bin die Freundin vom Kevin. Wir gehen fast jeden Tag in den Kiosk und holen uns eine Kleinigkeit zu trinken. Wir sind auch mit dem Ali, dem Kioskinhaber gut befreundet. Am Tattag wollte Kevin nur kurz zum Kiosk um uns etwas Neues zu trinken zu holen. Ich wartete an unserer Stammbank. Da sitzen wir immer, quatschen und trinken. Da der Kevin so lange gebraucht hat, wollte ich ihm entgegen gehen. Als ich dann am Kiosk ankam sah ich, wie der Ali und sein Schwager Murat auf den Kevin einschlugen. Ich wusste gar nicht warum und habe dann sofort gerufen, dass die ihn in Ruhe lassen sollen. Das haben sie dann auch sofort gemacht und Kevin und ich sind wieder gegangen.“ Bearbeiterhinweis: Der Zeuge und Geschädigte Ali Sahin ist am 06.03.2013 in den Unfallkliniken Nord am Platz der dicken Eichen in Musterstadt verstorben. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Musterhausen vom 07.03.2013 ordnete der zuständige Ermittlungsrichter beim AG Musterhausen am selben Tag die Obduktion der Leiche des Verstorbenen an. Von einem Abdruck des ordnungsgemäß ergangenen Beschlusses über die Leichenöffnung wird abgesehen. Auf den Inhalt kommt es für die Bearbeitung nicht an. Zeugenvernehmung: Name: Murat Öztürk Geburtsort: Istanbul Staatsangehörigkeit: deutsch Wohnort: Heroldstr. 15, 12345 Musterstadt Nach ordnungsgemäßer Belehrung schilderte der Zeuge folgenden Sachverhalt: „Am Tattag habe ich meinen Schwager Ali im Kiosk besucht. Ich mache das öfter. Wir sitzen dann dort und unterhalten uns ein wenig. Den Kevin und seine Freundin kenne ich auch recht gut. Beide sind Stammkunden meines Schwagers. Gegen Abend kam Kevin dann in den Kiosk. Er wollte mal wieder Alkohol haben. Das ist jeden Tag so. Diesmal nahm er sich den Alkohol aus dem Regal, steckte ihn in einen Beutel und wollte dann einfach abhauen. Ich meine er sagte noch: „Machste‘ nen Kredit. ‚‘ Mein Schwager sagte dann sofort, dass es für heute reichen würde. Das interessierte den Kevin aber gar nicht. Er wollte einfach mit dem Alkohol abhauen. Ali hat dann versucht den Beutel festzuhalten. Der fiel dann auf den Boden und Kevin schlug wie verrückt auf den Ali ein. Ich habe versucht, die Beiden auseinander zu ziehen. Das klappte aber zunächst nicht. Plötzlich holte der Kevin mit voller Wucht mit seinem Kopf aus und schlug dem Ali damit auf die Nase. Ich glaube, dass der ihn auch gewürgt hat. Jedenfalls war Ali‘ s Hals total rot. Nachdem Ke-

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vin den Ali mit dem Kopf schlug, habe ich es dann geschafft Ali zur Seite zu ziehen. Der Kevin ist dann sofort weggerannt.“ Auf Nachfrage der Polizei: „Die Susi betrat den Kiosk zusammen mit dem Kevin. Sie war während des gesamten Geschehens dabei.“ Auf weitere Nachfrage: „Wenn der Kevin behauptet, dass ich ihn geschlagen habe, dann stimmt das nicht. Ich habe weder zu irgendeinem Zeitpunkt zugeschlagen, noch habe ich ihn mit den Füßen getreten. Ich habe ihn nicht einmal berührt. Ich habe nur meinen Schwager sofort ergriffen als Kevin ihm mit seinem Kopf einen auf die Nase gegeben hat.“ Bearbeiterhinweis: Der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der Stadt Musterstadt kommt in seinem Obduktionsgutachten vom 31.03.2013 zu dem Ergebnis, dass der Zeuge und Geschädigte Sahin eines natürlichen Todes gestorben ist. Todesursache war ein Schlaganfall. Es besteht kein Zusammenhang zwischen den am 14.02.2013 erlittenen Verletzungen und dem Tod. I. Aufgabenstellung

1. Der Sachverhalt ist im Hinblick auf den Beschuldigten Kaminski aus staatsanwaltschaftlicher Sicht zu begutachten. Das Gutachten braucht keine Sachverhaltsdarstellung zu enthalten. 2. Die Entschließung der Staatsanwaltschaft ist unter Berücksichtigung der prozessualen Situation zu entwerfen. Entscheidungszeitpunkt ist der 11.04.2013. 3. Im Falle der Anklageerhebung ist die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen erlassen. II. Ergänzende Hinweise zum Sachverhalt

1. Der Bundeszentralregisterauszug des Beschuldigten Kaminski enthält folgende Eintragungen: Amstgericht Musterstadt, Urteil vom 06.04..2011, gefährliche Körperverletzung, Freiheitsstrafe von einem Jahr und 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, Bewährungszeit 3 Jahre. 2. Musterstadt verfügt über ein Amts- und Landgericht und liegt im Bezirk des OLG Hammerfeld. A-Gutachten I. Tatkomplex: Die Erlangung des Alkohols

1. Der Beschuldigte Kaminski könnte durch das Einstecken der Flaschen in die Stofftasche wegen Diebstahls gemäß § 242 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig sein. Ein hinreichender Tatverdacht ist Voraussetzung für die Erhebung der Anklage und die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht ( § 203 StPO). Er ist dann gegeben, wenn am Ende einer gedachten Hauptverhandlung, die Verurteilung des Beschuldigten wahrscheinlicher ist, als dessen Freispruch. a) Bei den vier Flaschen Bier der Marke Krombacher und der Flasche Korn handelt es sich um Gegenstände, die im Eigentum des Kioskinhabers und Geschädigten stehen und damit um für den Beschuldigten fremde bewegliche Sachen. b) Diese müsste der Beschuldigte auch weggenommen haben. Unter Wegnahme versteht man den Bruch fremden Gewahrsams unter Begründung neuen, nicht unbedingt tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist das von einem Herrschaftswillen getragene tatsächliche Herrschaftsverhältnis einer Person über eine Sache unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung.1 * 1

Dieser Beitrag entspricht dem bereits in der 4. Auflage des RefGuides veröffentlichten Beitrag. RGSt 48, 58, 59 f.

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Ursprünglich standen die Flaschen im Gewahrsam des Kioskinhabers. Fraglich ist jedoch, ob der Beschuldigte bereits neuen Gewahrsam begründet hat, als er die Flaschen in die mitgeführte Stofftasche steckte, obwohl er sich noch im Kiosk befand. Neuer Gewahrsam ist dann begründet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie ungehindert durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne die Verfügungsgewalt des Täters zu beseitigen.2 Nach der sogenannten Enklaventheorie wird neuer Gewahrsam schon dadurch begründet, dass der Täter die Sache in seine Körpersphäre oder in ein mitgeführtes Behältnis verbringt.3 Dabei kommt der Ausschluss des ursprünglich Berechtigten so deutlich zum Ausdruck, dass die Verkehrsauffassung dem Täter den neuen Gewahrsam zuordnet. Der Beschuldigte hat vorliegend die fünf Alkoholflaschen in eine eigens mitgeführte Stofftasche verbracht, damit ungehinderte Verfügungsgewalt erlangt und infolgedessen neuen Gewahrsam an den Flaschen begründet. Weiter Problematisch ist jedoch, ob der Beschuldigte diesen Gewahrsam möglicherweise aufgrund eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses durch den Kioskinhaber erlangt hat. Dem Beschuldigten ist nämlich - was alle Beteiligten übereinstimmend bestätigen - am Tattag bereits mehrfach gewährt worden, Waren mangels zur Verfügung stehenden Geldes unbezahlt mitzunehmen. Der Kioskinhaber gewährte ihm einen ‚‘ Kredit‘‘, indem er das „Anschreiben lassen“ von Waren erlaubte. Von einem ausdrücklich erklärten Einverständnis in den Gewahrsamswechsel kann im Tatzeitpunkt nicht ausgegangen werden. Sowohl der Beschuldigte als auch der Kioskinhaber haben sich dahingehend eingelassen, dass bereits vorher ein Anschreiben lassen möglich war. Aus den Aussagen ergibt sich aber eindeutig keine solche ausdrückliche Zustimmung zum Tatzeitpunkt. Der Beschuldigte könnte jedoch berechtigterweise von einem generellen Einverständnis in den Gewahrsamswechsel ausgegangen sein. Dafür spricht einerseits, dass der Kioskinhaber dem Beschuldigten am Tattag bereits fünf mal eine Mitnahme der Ware ohne diese zu bezahlen gestattet hatte. Weiterhin lässt er sich selbst dahingehend ein, dass es durchaus üblich sei, dass er Kunden gerade zum Ende eines Monats gestattet, die Ware anschreiben zu lassen. Jedoch kann bereits aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten trotz der scheinbar üblichen Gepflogenheiten in diesem Kiosk nicht von einem generellen Einverständnis zugunsten des Beschuldigten ausgegangen werden. Es ist doch vielmehr zu erwarten, dass man fragt, ob man noch einmal etwas anschreiben lassen kann und es nicht generell voraussetzt und die Ware einfach einsteckt. Insbesondere ist dabei auch zu berücksichtigen, dass sich der Kredit immer weiter erhöht und so für einen Kioskbesitzer eine immer größere Gefahr besteht, dass dieser nicht ordnungsgemäß beglichen wird. Mithin kann nicht von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis ausgegangen werden. Eine vollendete Wegnahme ist somit gegeben. c) Der Beschuldigte müsste weiterhin vorsätzlich gehandelt haben. Gemäß dem Umkehrschluss aus § 16 Abs. 1 S. 1 StGB handelt vorsätzlich, wer bei Begehung der Tat alle Umstände kennt, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Der Täter muss demnach wissen, dass er eine fremde bewegliche Sache wegnimmt, die einem anderen gehört. Der Beschuldigte wusste, dass es sich bei dem Alkohol um eine 2 3

BGHSt 20, 194, 195. Fischer, 62. Aufl., § 242 Rn. 18.

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fremde bewegliche Sache handelt, die dem Kioskinhaber gehört. Den die Wegnahme vollziehenden Gewahrsamswechsel hat er in dem Bewusstsein vollzogen, dass der Kioskinhaber ausdrücklich nicht damit einverstanden war. Er handelte mithin vorsätzlich. d) Er müsste jedoch auch in der Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt haben. Unter Zueignung versteht man die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung über die Sache, indem der Täter entweder die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Sachwert dem eigenen Vermögen unter entgültigem Ausschluss des Berechtigten einverleibt.4 Sie setzt also Aneignungsabsicht und Enteignungsvorsatz voraus. Diese Absicht muss schon im Zeitpunkt der Wegnahmehandlung, also bei Begehung der Tat im Sinne des § 8 StGB, vorhanden sein und beurteilt sich nach den subjektiven Vorstellungen des Täters bei der Tatbegehung.5 Dies erscheint vorliegend fraglich. Der Beschuldigte hat sich nach ordnungsgemäßer Belehrung durch die Polizei dahingehend eingelassen, dass er die Ware anschreiben lassen wollte. Er hatte also im für die Beurteilung der Zueignungsabsicht maßgeblichen Zeitpunkt gerade nicht den Vorsatz, selbige gänzlich unbezahlt dauerhaft in sein Vermögen einzuverleiben. Im Gegenteil wollte er eine Kreditgewährung, wie es ihm auch am Tattag bereits fünf mal gewährt worden war. Diese Aussage ist glaubhaft und deckt sich auch mit der dahingehend übereinstimmenden glaubhaften Angabe des Zeugen Öztürk. Auch er war zum Tatzeitpunkt im Kiosk anwesend. Er hat bekundet, dass der Beschuldigte ausdrücklich gesagt habe, dass er die Ware anschreiben lassen möchte. Auch der Umstand, dass der Beschuldigte nach Verweigerung der Möglichkeit des Anschreiben lassen versuchte den Laden samt Ware zu verlassen, ändert daran nichts. Gemäß §§ 8, 16 StGB kommt es für die Bestimmung subjektiver Elemente allein auf die Vorstellung des Täters bei Begehung der Tat, also im Zeitpunkt der Wegnahme an.6 Das Bedeutet, dass ein der Tathandlung vorhergehender und im Tatzeitpunkt nicht mehr aktueller Vorsatz, sog. dolus antecedens oder die nachträgliche Billigung des unvorsätzlich Verwirklichten, sog. dolus subsequens, für den Vorwurf einer Vorsatztat nicht ausreicht.7 Wenn der Täter, wie im vorliegend zu Beurteilenden Fall, erst später den Entschluss fasst, den Kiosk samt Ware ohne Bezahlung zu verlassen, ist in diesem Verhalten lediglich ein strafloser dolus subsequens zu sehen. Unter Berücksichtigung dieser Aussagen kann dem Beschuldigten somit vorliegend keine Zueignungsabsicht nachgewiesen werden. Ein hinreichender Tatverdacht bezüglich eines Diebstahls zum Zeitpunkt des Einsteckens der Alkoholflaschen kann daher nicht angenommen werden. 3. Auch ein hinreichender Tatverdacht bezüglich einer Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB kann aus den oben aufgeführten Gründen jedenfalls zum Zeitpunkt des Einsteckens nicht angenommen werden. 4. Ein hinreichender Tatverdacht bezüglich eines versuchten Betruges gemäß §§ 263 Abs.1, 22,23 StGB scheidet ebenfalls aus, weil der Nachweis einer Bereicherungsabsicht aus den selben Gründen nicht gelingt. 5. Der Beschuldigte könnte eines Hausfriedensbruchs gemäß § 123 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig sein. a) Bei dem Kiosk handelt es sich um eine Räumlichkeit, die dazu bestimmt ist, für eine gewisse Dauer zum Betrieb von Geschäften irgendwelcher Art, nämlich der Veräußerung von Lebensmitteln zu 4 5 6 7

RGSt 61, 228, 233; BGHSt 35, 152. Wessels/Hillenkamp, StrafR BT Teil 2, 36. Aufl., § 2 Rn. 204. BGH, Beschl. v. 06.07.2010- 3 StR 180/10, NStZ 2011, 36, 37. Schroeder, in: LK-StGB, 11. Aufl. § 16 Rn. 111.

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dienen und daher um einen Geschäftsraum im Sinne des Gesetzes. b) In diesen müsste der Beschuldigte eingedrungen sein. Ein Eindringen ist immer dann gegeben, wenn das Betreten gegen den Willen des Hausrechtsinhabers geschieht.8 Dies erscheint vorliegend jedoch fraglich. Beim Betreten von Geschäftsräumen ist immer auf das äußere Erscheinungsbild und das Verhalten des Betretenden abzustellen. Entspricht dies den üblichen Gegebenheiten, ist von einer generellen Zutrittserlaubnis auszugehen.9 Der Beschuldigte hat vorliegend den Kiosk zunächst in der Absicht betreten, Alkohol zwar ohne unmittelbare Bezahlung mitzunehmen, er wollte diesen jedoch anschreiben lassen. Unabhängig davon, dass er nach hier vertretener Auffassung schon keinen widerrechtlichen Zweck beim Betreten verfolgte, handelt es sich dabei um einen nach dem äußeren Erscheinungsbild völlig typischen Geschehensablauf. Ein Eindringen ist damit zu verneinen. Ein hinreichender Tatverdacht wegen eines Hausfriedensbruchs scheidet mithin ebenfalls aus. II. Tatkomplex: Die Schlägerei

1. Der Beschuldigte könnte eines räuberischen Diebstahls gemäß § 252 StGB hinreichend verdächtig sein, indem er den Kioskinhaber schlug und sich weigerte die Tasche mit dem Alkohol an ihn zurückzugeben. Dies setzt zunächst voraus, dass der Täter bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen wurde. Wie jedoch bereits aus den obigen Ausführungen ersichtlich, mangelt es vorliegend bereits an einem Diebstahl. Dem Beschuldigten kann zum Zeitpunkt des Einsteckens der Ware, also im Zeitpunkt der Wegnahme, kein Diebstahlsvorsatz nachgewiesen werden. Vielmehr hatte er jedenfalls zu diesem maßgeblichen Zeitpunkt noch die Absicht, den Alkohol, wenn auch aufgrund einer Kreditgewährung und damit zeitlich verzögert, zu bezahlen. Somit scheidet ein hinreichender Tatverdacht wegen eines räuberischen Diebstahls aus. 2. Der Beschuldigte könnte weiterhin wegen einer Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig sein, indem er sich weigerte die Tüte mit dem Alkohol zurückzugeben, diese festhielt und versuchte den Kiosk zu verlassen. a) Bei den Flaschen handelt es sich, wie oben bereits erörtert, um fremde bewegliche Sachen. b) Fraglich ist, ob er sich diese auch zugeeignet hat. Anders als beim Diebstahl genügt allein der subjektive Wille, sich eine Sache zuzueignen, nicht für die Bejahung einer Zueignungshandlung. Nach der von der Rechtsprechung vertretenen Manifestationstheorie ist vielmehr erforderlich, dass sich der Zueignungswille in einem Zueignungsakt objektiviert.10 Es ist nicht erforderlich, dass es tatsächlich zum Vollzug der An - oder der Enteignung kommt. Vielmehr genügt ein Verhalten, das für einen objektiven Beobachter den sicheren Schluss darauf zulässt, dass der Täter die Sache oder den in ihr verkörperten Sachwert unter Ausschluss des Eigentümers seiner Verfügungsmacht einverleibt. Der Beschuldigte ist vorliegend aufgefordert worden die Flaschen im Kiosk zu belassen, nachdem ihm diesmal das Anschreiben lassen nicht gewährt werden sollte. Daraufhin verweigerte der Beschuldigte die Bezahlung und wandte sich zum Gehen ab. Als der Kioskinhaber dann im Begriff war die Stofftüte mit dem Alkohol zu ergreifen, hielt der Beschuldigte diese krampfhaft fest und es kam zu den wechsel8 Schönke/Schröder, 29. Aufl., § 123 Rn. 11. 9 Schönke/Schröder, 29. Aufl. § 123 Rn. 26. 10 Fischer, 62. Aufl., § 246 Rn. 6a ; BGHSt 34, 309, 312.

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seitigen Angriffen. Für einen objektiven Beobachter stellt sich diese Verhaltensweise des Beschuldigten durchaus schon als Manifestation des Zueignungswillen dar. Wenn ihm auch im Zeitpunkt der Wegnahmehandlung noch kein dahingehender Vorsatz nachgewiesen werden konnte, ist jedenfalls nunmehr ein Wille des Behaltens ohne zu bezahlen objektiv zu erkennen. Eine Zueignung ist mithin gegeben. c) Die Zueignung war auch rechtswidrig. d) Der Beschuldigte handelte vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. 3. Weiterhin könnte ein hinreichender Tatverdacht wegen einer versuchten Nötigung gemäß § 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 StGB gegeben sein. a) Der Erfolg, die Duldung des Verlassens des Kiosk mit samt der Ware ist ausgeblieben. b) Der Beschuldigte müsste Tatentschluss zur Begehung einer Nötigung gehabt haben. Unter Tatentschluss versteht man den entgültigen Handlungswillen und den Vorsatz zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes bei gleichzeitiger Erfüllung deliktsspezifischer subjektiver Merkmale.11 Der Beschuldigte wollte vorliegend erreichen, dass er den Kiosk mit dem Alkohol verlassen kann und beabsichtigte somit ein Dulden des Kiosksinhabers. Weiterhin wendete er dazu Schläge an, welche das Opfer als körperlichen Zwang empfand und die dazu dienen sollten, geleisteten oder erwarteten Widerstand zu brechen und übte mithin Gewalt auf den Geschädigten aus. c) Er setzte auch zur Tat unmittelbar an, als er die Schwelle zum jetzt geht es los durch die Schläge überschritt. Dadurch ging sein Tun ohne wesentliche Zwischenschritte in die Erfüllung des Tatbestands über. d) Der Beschuldigte handelte auch rechtswidrig. Rechtfertigungsgründe greifen vorliegend nicht ein. Bei der Anwendung körperlicher Gewalt wird die Verwerflichkeit i. S. d. § 240 Abs. 2 StGB indiziert. Somit ist der Beschuldigte einer versuchten Nötigung hinreichend verdächtig. 4. Möglicherweise könnte der Beschuldigte hier weiterhin einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1, § 224 Nr. 3 und Nr. 5 StGB hinreichend verdächtig sein, indem er mit der Faust auf den Kioskinhaber eingeschlagen hat und ihm einen Kopfstoß in Richtung Nase gab. a) Fraglich ist zunächst, ob der Beschuldigte vorliegend als Täter in Betracht kommt. Bei seiner Beschuldigtenvernehmung hat er sich nach polizeilicher Belehrung dahingehend eingelassen, dass der Kioskinhaber ihm das Anschreiben der Ware diesmal nicht gestatten wollte und er dann plötzlich aus dem nichts auf ihn zugekommen sei und ihn geschlagen habe. Er habe sich nicht zur Wehr setzen können, insbesondere, weil auch der Zeuge Öztürk begann zusammen mit dem Kioskinhaber auf ihn einzuschlagen und ihn mit den beschuhten Füßen zu treten. Nach dieser Schilderung des Beschuldigten scheidet eine Täterschaft aus. Im wesentlichen deckt sich damit die bei der Polizei gemachte Aussage der Zeugin Petrova. Diese hat bekundet, zum Kiosk gegangen zu sein, weil sie ihrem Freund, dem Beschuldigten, entgegen gehen wollte. Sie habe sodann beobachtet, wie der Beschuldigte durch zwei andere Personen (den Kioskinhaber Sahin und Herrn Öztürk) geschlagen und getreten wurde. Diese Aussage ist jedoch wenig glaubhaft. Sie lässt eine Begünstigungstendenz aufgrund der Liebesbeziehung zwischen ihr und dem Beschuldigten erkennen. Sie ist auch durch die Aussagen des Kioskinhabers und des Zeugen Öztürk widerlegt. Zunächst hat der Geschädigte Kiosinhaber bekundet, der Beschul11 Jeschek/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts Allgemeiner Teil, 5. Aufl., § 49 S. 515 f.

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FALLBEARBEITUNG

digte habe den Kiosk zusammen mit der Zeugin Petrova betreten um Alkohol zu besorgen. Die Ware wollte er jedoch nicht sofort bezahlen, sondern wollte von der Möglichkeit des Anschreiben lassen Gebrauch machen. Nachdem er diese Möglichkeit aber zum Tatzeitpunkt verneinte, habe der Beschuldigte, versucht den Kiosk mit dem Alkohol zu verlassen. Anschließend habe er versucht die Tasche, in der sich der Alkohol befand, festzuhalten. Daraufhin habe der Beschuldigte den Kioskinhaber sofort angegriffen. Diese Aussage ist glaubhaft und in sich widerspruchsfrei. Sie deckt sich auch insbesondere mit der Aussagen des Zeugen Öztürk. Dieser hat bekundet, der Beschuldigte sei zunächst zusammen mit der Zeugin Petrova in den Kiosk gekommen. Nachdem ihm das Anschreiben lassen diesmal nicht gewährt werden sollte, sei der Beschuldigte sofort aggressiv geworden. Er habe den Laden samt Tasche mit Alkohol versucht zu verlassen. Als der Kioskinhaber ihn daran hindern wollte, habe er begonnen am Hals des Kioskinhaber zu zerren und schlug mit seinem Kopf auf die Nase des Geschädigten Auch diese Aussage ist glaubhaft und in sich widerspruchsfrei und schlüssig. Insbesondere ist dabei hervorzuheben, dass sich beide Personen während des Tatzeitraums in dem Kiosk aufhielten. Die Schilderungen decken sich bis auf unwesentliche Kleinigkeiten eindeutig. Problematisch ist jedoch nunmehr, dass der Geschädigte mittlerweile verstorben ist und daher nicht mehr als Zeuge vor Gericht auftreten kann. Gemäß § 250 StPO gilt im Strafprozess der sogenannte Unmittelbarkeitsgrundsatz, das heißt der Personal- ist dem Urkundenbeweis vorrangig. Es ist also immer zunächst die Person als Zeuge zu vernehmen, bevor etwas aufgrund von Urkunden bewiesen werden darf. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz statuiert jedoch § 251 Abs. 1 Nr. 2 StPO. Danach besteht die Möglichkeit, dass ausnahmsweise aufgrund des Todes des Geschädigten sein Vernehmungsprotokoll verlesen werden kann. Des Weiteren kann die Vernehmungsperson als unmittelbarer Zeuge vom Hören-Sagen zum Prozess geladen werden. b) Er müsste den Kioskinhaber weiterhin körperlich misshandelt oder an der Gesundheit geschädigt haben. Unter einer körperlichen Misshandlung versteht man jede üble unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist das Steigern oder Hervorrufen eines pathologischen Zustandes.12 Der Kioskinhaber erlitt durch die Auseinandersetzung Verletzungen im Rippenbereich, er wies Würgespuren am Hals auf, sowie Prellungen und Kratzer. Außerdem erlitt er eine Nasenbeinfraktur, die sofort operativ behandelt werden musste. Dabei handelt es sich um Verletzungen, die das Wohlbefinden aufgrund des längeren Heilungsprozesses beeinträchtigen, sowie um einen andauernden krankhaften/pathologischen Zustand. Somit ist er körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt worden. c) Die Körperverletzung könnte weiterhin nach § 224 Nr. 3 und Nr. 5 StGB qualifiziert sein. aa) Dazu müsste es sich bei der Schlägerei um einen hinterlistigen Überfall im Sinne der Nr. 3 gehandelt haben. Unter einem hinterlistigen Überfall versteht man das planmäßige Verschleiern der wahren Absichten. Dabei reicht es jedoch nicht aus, wenn der Täter lediglich ein Überraschungsmoment ausnutzt.13 Der Beschuldigte verweigerte vorliegend die Rückgabe des Alkohols, nachdem er ausdrücklich dazu aufgefordert wurde. Daraufhin entwickelte sich die Schlägerei. Bei einem solchen Geschehensablauf kann nicht von einem planmäßigen Verschleiern wahrer Absichten

gesprochen werden. Vielmehr ist es nicht untypisch, dass sich aufgrund einer solchen Situation ein Konflikt ergibt, der in eine Schlägerei mündet. Ein hinterlistiger Überfall scheidet mithin aus. bb) Durch den Kopfstoß auf die Nase, die zu einer Nasenbeinfraktur führte, könnte eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne der Nr. 5 gegeben sein. Die Körperveltzung braucht das Leben dabei nicht konkret zu gefährden. Vielmehr ist die Entstehung einer rein abstrakten Gefahr ausreichend, wobei aber nicht auf die entstandenen Verletzungen, sondern allein auf das Maß der Behandlung abzustellen ist.14 Von einer das Leben gefährdenden Behandlung ist dabei auch bei einem wuchtig ausgeführten Kopfstoß auszugehen. Somit ist eine das Leben gefährdende Behandlung gegeben. Die Verletzungen als solche könnten durch das ärztliche Attest vom 14.02.2013 unter Beweis gestellt werden. Jedoch können Atteste gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 2 StPO nur bei Körperverletzungen verlesen werden, die nicht zu den schweren gehören. Weiterhin ist ein solches Attest dann nicht verlesbar, wenn tateinheitlich noch andere Straftaten Gegenstand der Anklage sind.15 Dies ist vorliegend aufgrund der verwirklichten Unterschlagung und der versuchten Nötigung gegeben. Das Attest ist mithin nicht verlesbar. Es ist somit im Prozess der behandelnde Arzt als Zeuge zu vernehmen. d) Die Schläge können auch nicht hinweggedacht werden, ohne dass der tatbestandliche Erfolg entfiele. Sie waren somit für den Erfolg äquivalent kausal. Weiterhin hat der Beschuldigte dadurch ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen, welches sich im Erfolg niedergeschlagen hat. Der Erfolg ist ihm dadurch auch objektiv zurechenbar. e) Der Beschuldigte handelte vorsätzlich gemäß des Umkehrschlusses des § 16 Abs. 1 S.1 StGB. Er hat jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass es zu Verletzungen bei dem Geschädigten kommt. f) Auch an der Rechtswidrigkeit bestehen keinerlei Zweifel. Eine Rechtfertigung wegen Notwehr gemäß § 32 StGB scheidet vorliegend aus. Insbesondere weil der Beschuldigte hier mit der körperlichen Auseinandersetzung begonnen hat. Außerdem hat er die Konfliktsituation aber auch provoziert, in dem er trotz Verweigerung des Anschreiben lassen versucht hat, den Kiosk samt Alkohol zu verlassen. g) Der Beschuldigte handelte schuldhaft. Mithin ist ein hinreichender Tatverdacht wegen einer gefährlichen Körperverletzung gemäß §§ 223 Abs. 1, 224 Nr. 5 StGB gegeben. 5. Ein hinreichender Tatverdacht bezüglich einer Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB durch die Zerstörung einiger der Flaschen scheidet aus, da ein Vorsatz insoweit nicht nachzuweisen ist und eine fahrlässige Sachbeschädigung nicht mit Strafe bedroht ist. Es steht vielmehr fest, dass die Flaschen als Folge der Rangelei zu Bruch gingen.

12 Fischer, 62. Aufl., § 223 Rn. 4, 8. 13 BGH, GA 1989, 132.

14 BGHSt 36, 1, 9; Fischer, 61. Aufl.,§ 224 Rn. 12. 15 Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Aufl., Rn. 20.

Ref Guide 5. Auflage

III. Tatkomplex: Die Aussage vor der Polizei

1. Der Beschuldigte könnte einer Falschverdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB hinreichend verdächtig sein. a) Der Beschuldigte hat bei seiner polizeilichen Vernehmung gegenüber der Polizei und damit gegenüber einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Stelle (158 StPO) eine Aussage gemacht. b) Er müsste weiterhin einen anderen einer rechtswidrigen Tat bezichtigt haben. Unter rechtswidrigen Taten versteht man solche i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB. Der Beschuldigte bezichtigte vorliegend den Kioskinhaber Sahin und den Zeugen Öztürk einer gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Er behauptet insoweit, dass beide für ihn völlig unerwartet sowohl mit den Fäusten als auch mit

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FALLBEARBEITUNG

den beschuhten Füßen auf ihn losgingen und er keine Möglichkeit hatte, sich auch nur in irgendeiner denkbaren Form gegen die Angriffe zur Wehr zu setzen. Dabei handelt es sich jeweils um rechtswidrige Taten. c) Diese Verdächtigung müsste ebenfalls objektiv falsch sein. Dies ist nach Ansicht der Rechtsprechung, der sich auch der BGH angeschlossen hat, dann der Fall, wenn die Beschuldigung als solche unwahr ist, sog. Beschuldigungstheorie. Das bedeutet, dass auf das Vorliegen einer rechtswidrigen Tat abzustellen ist.16 Eine solche ist aber gerade nicht gegeben. Im Bezug auf den Zeugen Öztürk ist bereits seine Täterschaft zweifelhaft. Dabei kann zu diesem Zeitpunkt auch dahinstehen, ob es sich bei den beschuhten Füßen um gefährliche Werkzeuge im Sinne des Tatbestandes handelt. Die glaubhaften Zeugenaussagen ergeben zweifellos, dass er lediglich versucht hat, die Situation zu schlichten. Von einem tatsächlichen Schlag und Tritt durch den Zeugen Öztürk kann daher nicht ausgegangen werden. Der Kioskinhaber hingegen räumt jedenfalls ein, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen gekommen sei. Er bestreitet aber insoweit, mit den Füßen auf den Beschuldigten eingetreten zu haben. Unabhängig davon, ist er aber auch wegen Notwehr gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Wie bereits oben erörtert, ergeben die Aussagen einwandfrei, dass der Beschuldigte vorliegend mit den Schlägen begann, als er im Begriff war mit den Alkoholflaschen den Kiosk zu verlassen. Dabei handelt es sich um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff. Durch die verbale Kommunikation mit der Polizistin, hat der Beschuldigte die beiden Personen auch verdächtigt. Fraglich ist jedoch, ob unter Berücksichtigung des sogenannten Selbstbegünstigungsprivilegs, vorliegend von einem zulässigen Leugnen der eigenen Tat auszugehen ist. Danach darf ein Beschuldigter die Tat selbst dann leugnen, wenn dadurch der Verdacht vollständig auf einen anderen Täter gelenkt wird.17 Eine zulässige Selbstprivilegierung ist aber dann nicht mehr gegeben, wenn der Täter zusätzliche Maßnahmen ergreift, um den Verdacht umzulenken, insbesondere, wenn er gegen den anderen wegen dessen belastender Aussage Strafantrag oder Strafanzeige stellt.18 Der Beschuldigte Kaminski stellte ausdrücklich Strafantrag, nachdem er sich selbst als Opfer einer Körperverletzung darstellte. Er gab an, dass er nichts getan habe und ohne Grund auf ihn eingeschlagen wurde. Dies ist aber durch die glaubhaften Aussagen des Geschädigten und des Zeugen Öztürk, wie oben bereits geschildert, eindeutig widerlegt worden. Von einer zulässigen straflosen Selbstbegünstigung ist also nicht auszugehen. d) Der Beschuldigte handelte auch vorsätzlich. Er hat ausdrücklich Strafantrag zur Verfolgung der beiden Personen gestellt, obwohl er wusste, dass er falsche Angaben zum Tathergang gemacht hat. Der gestellte Strafantrag indiziert auch die Absicht ein behördliches Verfahren herbeizuführen. Der Beschuldigte ist daher einer Falschverdächtigung hinreichend verdächtig. 2. Das ebenfalls verwirklichte Delikt des Vortäuschens einer Straftat gemäß § 145 d. Abs. 1 Nr. 1 StGB tritt aufgrund formeller Subsidiarität gemäß § 145 d Abs. 1 StGB hinter § 164 StGB zurück. Konkurrenzen

Die gefährliche Körperverletzung, die Unterschlagung und die versuchte Nötigung stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit gemäß § 52 StGB. Jedoch tritt die Unterschlagung gemäß § 246 Abs. 1 StGB zurück, wenn die Tat in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Nach der Rspr. des BGH gilt die formelle Subsidiarität gegenüber allen Delikten unabhängig von der Schutzrichtung.19 16 17 18 19

BGHSt 35, 50, 52; Fischer, 62. Aufl., § 164 Rn. 6. Fischer, 62. Aufl., § 164 Rn. 3a. BayOBLG JZ 1985, 753, 753. Fischer, 62. Aufl., § 246 Rn. 23c.

48

Da die gefährliche Körperverletzung mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren und die Unterschlagung nur mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft werden kann, tritt die Unterschlagung hinter der gefährlichen Körperverletzung zurück. Tatmehrheitlich damit verwirklicht ist die Falschverdächtigung gemäß § 164 Abs.1 StGB. ( § 53 StGB ) § 145 d StGB tritt aufgrund formeller Subsidiarität hinter § 164 StGB zurück. Gesamtergebnis

Der Beschuldigter Kaminski ist im 1. Tatkomplex straffrei. Im 2. Tatkomplex ist er wegen einer versuchten Nötigung und einer gefährlichen Körperverletzung hinreichend verdächtig. Im 3. Tatkomplex besteht ein hinreichender Tatverdacht wegen einer Falschverdächtigung. B-Gutachten

1. Gegen den Beschuldigten ist Anklage zu erheben, soweit er im 2. Tatkomplex einer gefährlichen Körperverletzung und einer versuchten Nötigung und im 3. Tatkomplex einer Falschverdächtigung hinreichend verdächtig ist. Soweit im 1. und im 2. Tatkomplex ein hinreichender Tatverdacht ausscheidet, ist fraglich ob eine ( Teil)- Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO zu erfolgen hat. Eine Einstellung ist dann erforderlich, wenn eine Tat im Sinne des § 264 StPO vorliegt. Eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO ist das gesamte Verhalten des Beschuldigten, soweit es nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet und dessen getrennte Strafverfolgung als unnatürliche Aufspaltung erscheinen würde. Der Tatvorwurf des Diebstahls und des Räuberischen Diebstahls ist keine solche eigene prozessuale Handlung. Vielmehr wurden alle zunächst in Betracht kommenden Delikte zur selben Tatzeit bei ein und demselben Geschehen verwirklicht oder nicht verwirklicht. Das Verfahren ist daher einer (Teil)- Einstellung nicht zugänglich. 2. Zuständigkeit des Gerichts

a) Sachliche Zuständigkeit: Sachlich zuständig ist vorliegend der Strafrichter beim Amtsgericht gemäß §§ 24, 25 Nr. 2 GVG, da es sich bei den hier verwirklichten Delikten zunächst um Vergehen handelt. Weiterhin ist hier keine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren zu erwarten. Zwar ist der Beschuldigte bereits einschlägig im Sinne einer Gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Jedoch sind bei der Beurteilung der zu erwartenden Strafe die Gesamtumstände der anzuklagenden Taten und der Vorstrafen zu berücksichtigen, das heißt sowohl die entstandenen Verletzungen als auch der Unrechtsgehalt der anderen verwirklichten Delikte und, dass der Beschuldigte bisher nur eine Eintragung im BZR aufweist. Insgesamt ist daher dabei eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, aber nicht mehr als zwei Jahren zu erwarten. b) Örtliche Zuständigkeit: Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich gemäß § 7 Abs. 1 StPO i.V.m § 9 StGB nach dem Tatort. Dieser war hier in der Treibstraße 29 in 12345 Musterstadt-Nord. Somit ist das Amtsgericht Musterstadt örtlich zuständig. 3. Die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 StPO ist nicht erforderlich. 4 Auch die Beantragung eines Haftbefehls gemäß § 112 StPO scheidet vorliegend aus. Der Beschuldigte ist nicht so vorbestraft, dass hier von einer erheblichen Freiheitsstrafe auszugehen ist. Weiterhin hat er einen festen Wohnsitz. Es ist kein Haftgrund ersichtlich, der vorliegend in Betracht kommen könnte.

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Iurratio verleiht die Online-Awards 2016

Iurratio

Iurratio

TOP 10

TOP 10

TOP 10

Careersite

Online Innovation

Social-Media

Ranking

Kanzlei Deutschlands 2016

Ranking

Kanzlei Deutschlands 2016

Iurratio Ranking

Kanzlei Deutschlands 2016

Möchtest du bei der Verleihung 2017 live dabei sein? Melde dich jetzt an! Registriere dich jetzt auf unserem neuen Karriereportal Iurratio Jobs und erhalte mit etwas Glück eine Einladungen zu den Iurratio Online-Awards 2017. Darüber hinaus warten weitere spannenden Karriere-Events auf dich!

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Talent trifft Karriere.

JOBS

IURRATIO ONLINE-AWARDS 2016

Iurratio verleiht die Iurratio Online-Awards 2016 – Hogan Lovells gewinnt die Gesamtwertung „Online Innovation“ Das Ziel unserer jährlichen Analysen ist es aufzuzeigen, über welche Kanzleien Sie derzeit einen besonderen Umfang an Informationen im Web erhalten können. Vor allem liegt unser Augenmerk dabei auf der Beurteilung der mobilen Nutzbarkeit der Karriereangebote von Kanzleien, deren Funktionalität und inhaltliche Aufmachung (Kategorie „Careersite“) sowie auf dem Umgang mit dem Thema Online-Präsenz im Bereich Social-Media (Kategorie „Social Media“). Untersuchungsgegenstand

Careersite

In diesem Jahr haben wir erstmals mehr als 250 ausgewählte Kanzleien überprüft. Neben den bereits bekannten Awards für die beste Kanzlei im Bereich „Careersite“ und „Social-Media“ sowie im Gesamtranking, werden in diesem Jahr erstmals Sonderpreise für die besten mittelständischen Kanzleien in den Bereich „Careersite“ und „Social-Media“ sowie im Gesamtranking vergeben. Dabei tragen wir dem immer größer werdenden Wunsch vieler Nachwuchsjuristen Rechnung, im Web die Möglichkeit zu erhalten, sich sowohl kurz- als auch langfristig ein Bild potentieller Arbeitgeber zu machen und sich bei Interesse direkt online auf Stellenanzeigen bewerben zu können. Hier steht immer mehr die Aufarbeitung der Informationen und Möglichkeiten für die mobile Nutzung im Vordergrund. Diese lässt sich oftmals viel einfacher in den täglichen/wöchentlichen Zeitplan der jungen Juristen integrieren, als eine umfangreiche Recherche am Computer wenn es um mögliche Bewerbungen oder das Auffinden potentieller Arbeitgeber geht. Es sollte daher im Interesse der Kanzleien sein, sich im Web omnipräsent, authentisch und aktuell aufzustellen, um auf diesem Wege Ihre Eignung als Arbeitgeber hervorzuheben. Erfreulicherweise können sich mittlerweile interessierte Nachwuchsjuristen bei vielen Kanzleien - auch bei einer mobilen Nutzung - auf Karriereseiten über attraktive Karrierewege informieren bzw. bewerben.

Im ersten Bereich „Careersite“ haben wir insbesondere die Auffindbarkeit der deutschen (Karriere-)Website über Google, die Dauer (Klickzahl) bis zum Auffinden von Stellenanzeigen und der richtigen Bewerbungswege (Kontakte) innerhalb des Karrierebereiches überprüft. Des Weiteren haben wir geprüft, wie die Verknüpfung mit Social-Networks wie facebook und XING gestaltet wurde. Ein besonderes Augenmerk haben wir in diesem Jahr auf die mobile Nutzung gelegt. Hier ging es um die Frage, ob die Karriereseiten für die mobile Nutzung der relevantesten mobilen Endgeräte optimiert sind.

Daneben nutzen immer mehr Kanzleien die Möglichkeiten, sich bei Jobplattformen wie der von uns betriebenen „Iurratio Jobs“ oder mit einer Fanpage bei facebook oder einem Unternehmensprofil bei XING zu präsentieren. Dies ist auch Ausdruck der veränderten Situation am Arbeitsmarkt: Der Kampf um die Topabsolventen wird immer größer, sodass Arbeitgeber immer früher den Kontakt zu den potentiellen Mitarbeitern der Zukunft suchen um zu diesen frühzeitig eine Beziehung aufzubauen.

Die Untersuchung zeigte, dass genau in diesen Bereichen große Unterschiede zwischen den Kanzleien deutlich werden. Teilweise wird stark auf die neuen Medien eingegangen, wobei diese von Anderen völlig außer Acht gelassen werden.

Die Kriterien

Das Ranking erfolgt in objektiven Teilkategorien aus den Bereichen „Careersite“ und „Social-Media“. Die Teilkategorien unterteilen sich jeweils in diverse Unterkategorien. Spezielles Augenmerk legten wir dabei auf die inhaltliche Gestaltung und den Aufbau der Karriereseite und die Nutzung des Web 2.0, da die Bedeutung der sogenannten Sozialen Netzwerke und branchenspezifischer Plattformen wie Iurratio.de und lto.de immer weiter zunimmt.

Social-Media

Die Präsenz der Kanzleien im Bereich des sogenannten „Web 2.0“ und der genaue Umgang damit bilden den Untersuchungsgegenstand des Bereiches „Social-Media“. Dabei wurde im Speziellen auf übertragene Corporate Identity und auf das Vorhandensein und die Pflege der (deutschsprachigen) Seiten (facebook, XING und LinkedIn) geachtet. Die regelmäßige Nutzung dieser Seiten und die Verknüpfung zum Karrierebereich der Karriereseiten standen hier besonders im Fokus. Zudem wurde auch die Präsenz auf relevanten Karriereplattformen und in Netzwerken für Juristen geprüft sowie die Verwendung von zeitgemäßen Medien wie Videos und Karriereapps berücksichtigt.

Die diesjährigen Preisträger Gesamtranking „Online Innovation“

Dass sich kontinuierliche Arbeit und Verbesserungen auch bei bereits hervorragend aufgestellten Kanzleien auszahlen, beweist die Kanzlei Hogan Lovells LLP. Nach Platz 2 im Vorjahr gewinnt Hogan Lovells in diesem Jahr den Online-Innovation-Award vor den Kanzleien Noerr LLP und Linklaters LLP. Die Top10 komplettieren die Kanzleien Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Beiten Burkhardt, Redeker Sellner Dahs, Baker & McKenzie LLP, Ernst Young Law, Frehsfield Bruckhaus Deringer LLP und Winheller Rechtsanwälte.

IURRATIO ONLINE-AWARDS 2016

Erstmals zeichnen wir in diesem Jahr gesondert die besten drei mittelständischen Kanzleien aus.* Gewinner ist die Kanzlei Redeker Sellner Dahs vor Winheller Rechtsanwälte und Dr. Meyer-Dullheuer & Partners LLP.

Iurratio Ranking

TOP 10

Auszeichnung der besten Karriereseiten – Kategorie „Careersite“

Die besten Kanzleien zeichnen sich alle durch eine Optimierung der Webseiten auf die mobile Nutzung und das Vorhandensein von Informationen zu Praktika, Referendarstationen oder zum Berufseinstieg aus. Die beste Web- und Karriereseite hat die Kanzlei Noerr LLP. Eine perfekte Google-Auffindbarkeit, jeweils maximal ein Klick bis zu den aktuellen Stellen bzw. Bewerbungskontaktdaten sowie eine gelungene Einbindung von Social-Media Maßnahmen (facebook-Fanpage, XING-Seite) zeichnen die Web- und Karriereseite von Noerr LLP aus. Den zweiten Platz dieser Kategorie erreichte die Kanzlei Allen & Overy LLP gefolgt von der Kanzlei Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Den Award für die beste mittelständische Kanzlei gewinnt Aulinger Rechtsanwälte vor Winheller Rechtsanwälte und Redeker Sellner Dahs. Die besten Social-Media Auftritte – Kategorie „Social-Media“

Ebenfalls wollen wir in diesem Jahr die überzeugendsten und umfassendsten Social-Media-Auftritte der Kanzleien gesondert auszeichnen. Platz 1 belegt in dieser Kategorie Hogan Lovells LLP, gefolgt von Linklaters LLP und GSK Stockmann & Kollegen. Baker Tilly Roelfs gewinnt den Award für die beste mittelständische Kanzlei im Bereich „Social-Media“ vor Redeker Sellner Dahs und Menold Bezler. Sonderpreise für innovativsten Bewerbungsweg und Video Blog

Wie im Vorjahr gewinnt die Kanzlei Greenfort Rechtsanwälte unseren Sonderpreis für den innovativsten Bewerbungsweg. „Bei Greenfort kann punkten“, wer bereit ist „Flagge zu zeigen“, „ein aussagekräftiges Kurzprofil parat hält“, „Kopf und Herz freimacht und 3 Fragen beantwortet“. Einen weiteren Sonderpreis erhält in diesem Jahr die Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen für ihren neuen Video Blog, der sich mit Kurzfilmen sowohl an Mandanten als auch an Bewerber richtet. *

Online Innovation Kanzlei Deutschlands 2016

1

Hogan Lovells International LLP

2

Noerr LLP

3

Linklaters LLP

4

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

5

Beiten Burkhardt

6

Redeker Sellner Dahs

7

Baker & McKenzie LLP

8

EY Law

9

Freshfields Bruckhaus Deringer LLP

10

Winheller Rechtsanwälte

Unter „mittelständische Kanzlei“ verstehen wir in Abgrenzung zu Großkanzleien eine Kanzlei, die in der Regel nicht mehr als 100 bis 125 Berufsträger (Rechtsanwälte/innen) beschäftigt und überwiegend in Deutschland tätig ist.

Iurratio Ranking

Award 5 Jahre Iurratio Online-Awards – seit 5 Jahren überprüft Iurratio jährlich die Onlinepräsenzen von Kanzleien anhand eines mit Social-Media-Agenturen entwickelten und stetig weiterentwickelten Prüfungskataloges und verleiht die Iurratio Online-Awards. Seit den ersten Awards legt Iurratio im Rahmen der Verleihungen großen Wert auf den Austausch zwischen jungen Nachwuchsjuristen und Kanzleien. Interessante Vorträge, Präsentationen und die Vorstellung der Ergebnisse ziehen Kanzleivertreter und Nachwuchsjuristen gleichermaßen an. In diesem Jahr konnten wir Herrn Dipl. Kaufmann Bernd Rosenkranz mit einem Vortrag zum Thema „Vertriebstraining für Anwälte“ und Herrn Dr. Andreas Stadler (Schollmeyer & Steidl) mit einem Vortrag zum Thema „Personalberatung im Zeitalter von Social-Media“ gewinnen. Mehr unter https://www.iurratio.de/jurakarriere/iurratio-awards/

Online Innovation mittelständische Kanzlei Deutschlands

2016

1

Redeker Sellner Dahs

2

Winheller Rechtsanwälte

3

Dr. Meyer-Dulheuer & Partners LLP

IURRATIO ONLINE-AWARDS 2016

Iurratio

Iurratio

TOP 10

TOP 10

Careersite

Social-Media

Kanzlei Deutschlands 2016

Kanzlei Deutschlands 2016

Ranking

Ranking

1

Noerr LLP

1

Hogan Lovells International LLP

2

Allen & Overy LLP

2

Linklaters LLP

3

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

3

GSK STOCKMANN + KOLLEGEN

4

Hogan Lovells LLP

4

Baker & McKenzie LLP

5

Linklaters LLP

5

Baker Tilly Roelfs

6

EY LAW

6

Noerr LLP

7

Dentons Europe LLP

7

Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

8

Freshfields Bruckhaus Deringer LLP

8

Redeker Sellner Dahs

9

Rödl & Partner

9

Menold Bezler

10

Flick Gocke Schaumburg

10

Ebner Stolz

Iurratio

Iurratio

Award

Award

Careersite

Social-Media

mittelständische Kanzlei Deutschlands

mittelständische Kanzlei Deutschlands

Ranking

Ranking

2016

2016

1

Aulinger Rechtsanwälte

1

Baker Tilly Roelfs

2

Winheller Rechtsanwälte

2

Redeker Sellner Dahs

3

Redeker Sellner Dahs

3

Menold Bezler

FALLBEARBEITUNG

Staatsanwaltschaft 12 Js 34/13

Musterstadt, 11.04.2013

Beweismittel: I. Zeugen:

An das Amtsgericht - Strafrichter Musterstadt

V e r g e h e n strafbar nach §§ 164 Abs. 1, 223 Abs.1, 224 Nr. 5, 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23,52, 53 StGB

1) Murat Öztürk, Heroldstraße 15, 12345 Musterstadt Anklageschrift

Kevin Kaminski, geboren am 25.06.1980 in Musterhausen am Salzbergsee, ledig, Staatsangehörigkeit: deutsch, wohnhaft Ostmärsch 41, 12345 Musterstadt wird angeklagt, am 14.02.2013 in Musterstadt

2) Susanne Petrova, Stahlwerkstraße 87, 12345 Musterstadt 3) PHK‘In Stephanie Riedmüller, zu laden über das Polizeipräsidium Musterstadt 4) Dr. Fritz Meyer, zu laden über die Unfallklinik Nord am Platz der dicken Eichen, 12435 Musterstadt II. Urkunden:

durch 2 Straftaten

Polizeiliches Vernehmungsprotokoll des Geschädigten und Zeugen Ali Sahin

1. durch dieselbe Handlung

Es wird Beantragt, das Hauptverfahren vor dem

a) eine andere Person mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt zu haben.

Amtsgericht - Strafrichter -

b) versucht zu haben, einen anderen Menschen rechtswidrig mit Gewalt zu einer Duldung zu nötigen. 2. einen anderen bei einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat in der Absicht verdächtigt zu haben, ein behördliches Verfahren gegen ihn herbeizuführen. Dem Angeschuldigten wird folgendes zur Last gelegt: 1. Am Tattag betrat der Angeschuldigte zusammen mit der Zeugin Petrova den Kiosk des Geschädigten Ali Sahin. Er beabsichtigte dabei vier Flaschen Bier der Marke Krombacher und eine Flasche Korn (Gesamtwert 7,00 €) in einer von ihm mitgeführten Stofftüte mitzunehmen. Dabei wollte er - wie schon fünf mal an diesem Tag möglich - die Waren zunächst anschreiben lassen. Als der Geschädigte ihm dies jedoch verweigerte und ihn aufforderte die Flaschen Alkohol im Kiosk zu belassen, kam es zu einer Auseinandersetzung. Der Angeschuldigte weigerte sich die Flaschen zurückzugeben, hielt die Stofftüte, in der sich der Alkohol befand, fest in seinen Händen und versuchte den Kiosk zu verlassen. Als der Geschädigte versuchte die Tüte an sich zu nehmen, begann der Angeschuldigte sowohl an der Kleidung, als auch am Nacken des Geschädigten zu zerren und zu würgen. Der Zeuge Öztürk, der sich während der Tat ebenfalls im Kiosk befand, versuchte vergeblich, die beiden Personen voneinander zu trennen. Anschließend holte der mit seinem Kopf aus und Schlug dem Geschädigten damit schwungvoll auf die Nase. Der Geschädigte erlitt durch die Tat Prellungen im Rippenbereich, Würgespuren am Nacken und eine Nasenbeinfraktur, die operativ behandelt werden musste. 2. Weiterhin sagte er bei der polizeilichen Vernehmung wider besseres Wissen aus, dass der Kioskinhaber und der Zeuge Öztürk ihn völlig unerwartet aus dem Nichts schlugen und mit beschuhten Füßen auf ihn eintraten. Anschließend stellte er gegen beide Personen Strafantrag in der Absicht ein behördliches Verfahren gegen sie einzuleiten.

Ref Guide 5. Auflage

Musterstadt zu eröffnen. Staatsanwalt ( Unterschrift/Datum) Staatsanwaltschaft 12 Js 34/13

Musterstadt, 11.04.2013

Vfg. 1. Die Ermittlungen sind abgeschlossen 2. Anklageschrift nebst einer Liste mit Zeugen mit Anschrift für das Gericht wie gespeichert 3-fach fertigen. Überstück zu den Handakten nehmen. 3. BZR-Auszug anfordern und zur Handakte nehmen 4. Überstücke der Anklageschrift senden gemäß Nr. 13 MiStra an Amtsgericht Musterstadt Anlage/n: 2 Anklageschriften Mit Verfügung vom heutigen Tage wurde Anklage erhoben. 5. Urschriftlich mit Akten dem Amtsgericht - Strafrichter Musterstadt unter Bezugnahme auf die anliegende Anklageschrift übersandt. 6. Frist: 3 Monate Staatsanwalt ( Unterschrift/Datum )

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FALLBEARBEITUNG

Achtung Kontrolle - (Ein neuer) Einsatz für die Ordnungshüter - Assessorklausur im Öffentlichen Recht von Dr. Robert Horn Dr. Robert Horn, Jahrgang 1958, hat seine juristischen Staatsprüfungen in den Jahren 1984 und 1988 abgelegt. Die Promotion, „Die Rechtsprechung des BVerfG zur Parteienfinanzierung“ schloss sich 1991 an. Anschließend wurde er Richter in Hessen. Im Jahr 2000 wurde er zum Prüfer in der staatlichen Pflichtfachprüfung bestellt. 2002 wurde er aufsichtführender Richter am SG. 2009 wurde er zum Kommissionsvorsitzenden in der staatlichen Pflichtfachprüfung bestellt.

Namens und in Vollmacht der Klägerin erhebe ich hiermit Klage mit dem Antrag, festzustellen, dass die körperliche Durchsuchung der Klägerin im Umfang der in Augenscheinnahme nach vollständiger Ent kleidung am 24.05.2014 vor dem Waldstadion in Gießen rechts widrig war.

Vorbemerkung

Die Polizeigesetze der Bundesländer enthalten nahezu identische Regelungen zur Durchsuchung von Personen (vgl. § 36 Abs. 1 HSOG, § 39 Abs. 1 PolG NRW). Eingriffsermächtigungen zur körperlichen Untersuchung von Personen finden sich außer in §§ 81a, 81c StPO vereinzelt auch in den Polizeigesetzen (vgl. § 36 Abs. 5 HSOG). Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage nach der Abgrenzung der bloßen Durchsuchung von der Untersuchung, insbesondere nach dem Umfang der Kontrollen, die zulässigerweise auf Grund der Polizeigesetze durchgeführt werden dürfen. Soweit ersichtlich (VGH München, NVwZ RR 1999, 310; Meixner/Fredrich, Kommentar zum HSOG, 11. Aufl. 2010 § 36 Rn. 2) ist die Durchsuchung auf die Inspektion einer Person in ihrer Kleidung, am Körper selbst und in den ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (Mund, Nase und Ohren) beschränkt. Demgegenüber entspricht die intensive Nachschau in nicht ohne weiteres zugängliche Körperöffnungen bei wertender Betrachtung einem körperlichen Eingriff und stellt daher eine Untersuchung dar. Die Bearbeiter haben die beiden Institute voneinander abzugrenzen. Maßstab dürfte sein, dass eine Anwendung der polizeilichen Durchsuchungsermächtigung (§ 36 Abs. 1 HSOG) hier zwar nicht ausgeschlossen ist. Die Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führen aber wohl zu dem Ergebnis, dass der Eingriff insgesamt unverhältnismäßig erfolgte. Mit entsprechender Begründung ist auch der gegenteilige Standpunkt vertretbar. Dr. Rudolf Ratlos Rechtsanwalt Oststraße 19 35390 Gießen Gießen, den 24.07.2014 An das Verwaltungsgericht Gießen Marburger Straße 4 35390 Gießen

Verwaltungsgericht Gießen Eingang: 25.07.2014 Klage

der Frau Helene Fischer, Goethestr. 49, 34119 Kassel Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Ratlos, Gießen gegen das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, Berliner Platz 1, 35390 Gießen wegen: polizeilicher Maßnahmen.

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Begründung I. Sachverhalt: Die Klägerin ist am 02.05.1998 geboren. Sie ist Schülerin und lebt in Kassel. Am Samstag, dem 24.05.2014, reiste sie nach Gießen, um sich im dortigem Fußballstadion, dem Waldstadion, die Begegnung der Fußballzweitligamannschaften VfB 1900 Gießen gegen KSV Hessen-Kassel in Gießen aus einem für die Fans der Gastmannschaft reservierten Zuschauerblock anzusehen. Die Klägerin erreichte gegen 13:45 Uhr das Stadiongelände. Unmittelbar vor dem Eingang wurde sie von einem Polizeibeamten zu einem eigens für die Vollzugspolizei abgesperrten Platz geführt. Auf diesem Platz war ein grünes Zelt aufgestellt. Dort musste die Klägerin zunächst ca. ¼ Stunde warten. Anschließend wurde sie zum Betreten des Zeltes aufgefordert. Trotz dieser aus Sicht der Klägerin beängstigenden Vorgehensweise blieben Nachfragen nach deren Sinn und Zweck unbeantwortet. In dem Zelt befanden sich mehrere Kabinen, die zum Mittelgang hin mit Vorhängen ausgestattet waren. Die Klägerin konnte in den Kabinen teilweise unbekleidete weibliche Personen erkennen. Die Klägerin wurde aufgefordert, zur hintersten Kabine zu gehen. Dort erwarteten sie zwei weibliche Polizeibeamtinnen. Nach Kontrolle des Bundespersonalausweises musste die Klägerin Schal, Jacke und Tasche abgeben, die vor der Kabine auf einen kleinen Tisch gelegt und später durchsucht wurden. Anschließend wurde die Klägerin aufgefordert, die Kabine zu betreten. Sie möge auf weitere Anweisungen warten. Anschließend musste sich die Klägerin auf Weisung einer Beamtin der Reihe nach der Oberbekleidung wie Pullover, T-Shirt, Hose und Schuhe entledigen, die dann jeweils einzeln auf mitgeführte Gegenstände kontrolliert wurden. Dies gilt auch für die linke, in den Vereinsfarben des KSV Hessen-Kassel geringelte Socke, wobei es sich neben einem harmlosen Fanschal um den einzigen von der Klägerin mitgeführten Fanartikel handelte. Die rechte Socke durfte die Klägerin anbehalten. Anschließend wandte sich die Beamtin der Unterbekleidung zu. Zunächst lautete die Anweisung an die Klägerin, ihren BH abzulegen. Dann wurde es doch als ausreichend angesehen, den BH nach oben zu klappen, um eine Abtastkontrolle zu ermöglichen. Die Unterwäsche musste die Klägerin bis zu den Knien herunterziehen. Danach musste die nunmehr nackte Klägerin eine vollständige Körperdrehung vollführen, um eine Sichtkontrolle zu ermöglichen. Auf ihre erneute Frage nach dem Grund für die Maßnahmen wies man die Klägerin auf ein nicht näher konkretisiertes Fußballspiel hin. Hierbei sei es zu Ausschreitungen von KSV Hessen-Kassel Fans gekommen. Zu betonen ist, dass die Klägerin durch ihr Verhalten keinerlei Veranlassung für eine solch entwürdigende Be-

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FALLBEARBEITUNG

handlung gegeben hat. Selbstverständlich wurden bei ihr keinerlei unerlaubte Gegenstände gefunden. Wie sie diesen polizeilichen Prozeduren hätte entgehen können, bleibt bis heute unergründlich. Sollte der Beklagte den tatsächlichen Ablauf der Polizeimaßnahme bestreiten, können jederzeit Zeuginnen benannt werden, die bekunden können, dass sie auf identische Weise unter Aufforderung zur vollständigen Entkleidung durchsucht wurden. II. Rechtliche Ausführungen: Bei den angeordneten Durchsuchungsmaßnahmen handelt es sich nach hiesiger Rechtsansicht um mündliche Verwaltungsakte, die sich mit ihrer Durchführung und Befolgung durch die Klägerin erledigt haben und im Nachhinein weder einer gerichtlichen Aufhebung noch einer Rückabwicklung zugängig sind. Demzufolge kann nur auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit geklagt werden. Ein Vorverfahren muss in diesem Fall nicht durchgeführt werden. Davon abgesehen hat die Klägerin gleichzeitig heute vorsorglich durch den Unterzeichner Widerspruch bei dem Beklagten eingelegt, falls das Gericht dies für erforderlich halten sollte. Die Klägerin hat an der begehrten Feststellung ein fundamentales Interesse aufgrund der bestehenden Wiederholungsgefahr und vor allem auch aus Gründen einer persönlichen Rehabilitation. Als junge Frau hat sich die Klägerin durch die geschilderten Prozeduren sehr erniedrigt gefühlt und geschämt. Einen nachvollziehbaren Grund konnte sie nicht erkennen. Die absolut maßlosen, durch tatsächliche Ereignisse nicht konkret zu rechtfertigenden Eingriffe stellen eine öffentlichkeitswirksame Missachtung der Persönlichkeitsrechte der Klägerin dar. Die vollständige Entkleidung vor fremden Personen stellt eine schwerwiegende Verletzung der höchstpersönlichen Sphäre des Betroffenen – hier der Klägerin – dar. Im Bundesland Hessen ist – wie in anderen Bundesländern auch - über polizeiliche Maßnahmen nach pflichtgemäßem Ermessen zu befinden. Zu keinem Zeitpunkt hat die Klägerin Anlass für eine polizeiliche Prognose gesetzt, dass von ihr eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen könnte. Selbst wenn die Vollzugspolizei eine positive Gefahrenprognose hätte stellen wollen, so war eine Personaldurchsuchung in dem geschilderten Ausmaß nicht zu rechtfertigen und damit rechtswidrig. Aus präventiv-polizeilichen Gründen kann die Inaugenscheinnahme des nackten Körpers von Personen allenfalls das letzte Mittel (ultima ratio) darstellen. Vorliegend wäre die Suche nach Gegenständen in der Kleidung verbunden mit einem evtl. Abtasten vollkommen ausreichend gewesen. Die Klägerin hat sich absolut friedlich verhalten und keinerlei Anhaltspunkte für eine von ihr ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben. Ziel der Klägerin war ausschließlich, sich ein Fußballspiel anzusehen. Über Kontakte zu gewaltbereiten Fans verfügt sie nicht. Abschließend sei bemerkt, dass vergleichbare Auftritte der Polizei bei den anderen jährlich mehr als 600 Spielen der ersten und zweiten Bundesliga nicht bekannt sind. Dem muss im Interesse der vielen friedlichen Fußballfans mit allen rechtsstaatlichen Möglichkeiten begegnet werden. Dr. Ratlos (Rechtsanwalt) Anmerkung des Justizprüfungsamtes: Auf den Abdruck der beigefügten ordnungsgemäßen Vollmacht wurde verzichtet.

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Land Hessen Polizeipräsidium Mittelhessen Berliner Platz 1 35390 Gießen Gießen, den 25.08.2014 An das Verwaltungsgericht Gießen Marburger Straße 4 35390 Gießen

Verwaltungsgericht Gießen Eingang: 26.08.2014

In dem Verfahren der Helene Fischer, Prozessbevollmächtigter RA Dr. Ratlos gegen das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, Az.: 5 K 3107/14.GI, wird beantragt, die Klage abzuweisen. Nach den Einsatzplänen kann die Sachverhaltsschilderung der Klägerin nachvollzogen werden; diese wird nicht bestritten. Die Maßnahmen selbst wurden von Beamtinnen und Beamten des Polizeipräsidiums Mittelhessen für den Beklagten in einem gesondert abgesperrten Bereich am Kassenvorplatz des Waldstadions Gießen durchgeführt. Ebenfalls nicht bestritten wird, dass es aufgrund der Vielzahl der Durchsuchungen zu Wartezeiten vor dem Zelt gekommen ist. Dies allerdings in vertretbarem Rahmen. Klarzustellen ist, dass in dem Zelt Schamwände, die der Wahrung der Intimsphäre der Betroffenen dienten, eingerichtet waren. Die Durchsuchungen selbst wurden geschlechtsspezifisch durchgeführt. Im ca. 60 cm breiten Eingang der Kabinen stand bei den Frauen jeweils eine Beamtin. Das Innere der Kabine konnte daher beim Vorbeigehen nur sehr eingeschränkt eingesehen werden. Vor Ort bestimmten die handelnden Polizeibeamtinnen Art und Weise der einzelnen Durchsuchungen. Hierbei waren die Maßnahmen auf das Notwendigste beschränkt. Je nach Beschaffenheit des BHs reichte unter Umständen ein Umklappen – wie auch im Fall der Klägerin. Damit wurde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet. Bestätigt wird dies durch den Vortrag der Klägerin, die nach ihrem eigenen Vorbringen die Unterwäsche nicht ganz ablegen musste. Vor der Durchsuchung wurden die Betroffenen von den weiblichen Durchsuchungskräften auf den Zweck der Maßnahmen hingewiesen, wobei ein Großteil Verständnis hierfür zeigte. Vereinzelt haben Betroffene mittlerweile wie die Klägerin schriftlich Widerspruch gegen die Durchsuchung erhoben. Ich sehe allerdings für eine Entscheidung über diesen Rechtsbehelf aus den schon von der Klägerin genannten Gründen keine Veranlassung mehr. Hintergrund der Durchsuchungen ist folgendes: Nach den im Wege eines bundesweiten Informationsaustausches erlangten Erkenntnissen des Beklagten über eine Vielzahl zum Teil massiver Ausschreitungen seitens der Fans des KSV Hessen-Kassel bei Auswärtsspielen dieses Vereins ist es jedenfalls bei den beiden letzten, dem Spiel gegen den VfB 1900 Gießen vorhergehenden Auswärtsspielen des KSV Hessen-Kassel zu einem gezielten und organisierten Abfeuern und Abbrennen von Pyrotechnik und dem Abfeuern von Leuchtspurgeschossen aus einer Menschenmenge gezielt in Richtung der Fans der jeweiligen Heimmannschaft sowie gegen Ordner und Polizeibeamte gekommen. Das vorhergehende Auswärtsspiel bei St. Pauli in Hamburg musste so etwa längere Zeit unterbrochen werden, um den Sicherheitskräften die Möglichkeit einzuräumen, gegen Randalierer

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FALLBEARBEITUNG

vorzugehen, um Leben und Gesundheit der friedlichen Fußballanhänger im Stadion, auch friedlicher Fans der Gastmannschaft, zu schützen. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch. Trotz verstärkter Kontrollen am Eingang seitens des Ordnungsdienstes war es einer Reihe Kasseler Fans gelungen, eine erhebliche Zahl von gefährlichen und handhabungsunsicheren „Pyros“ in das Stadion zu verbringen. Die Hamburger Polizei teilte mit, dass sich ein Kasseler Fan solche pyrotechnischen Gegenstände mit einem Hautpflaster auf den Intimbereich aufgeklebt hatte. Andere Anhänger hatten Leuchtmunition in ihrer Unterwäsche eingearbeitet. Vor diesem Hintergrund hätte ein Abtasten der Kleidungsoberfläche bei Weitem nicht ausgereicht. Mitgeführte Pyrotechnik ist oft klein und wird in unterschiedlichen Verpackungsformen, Mengen und Konsistenzen transportiert. Verschossene Leuchtspurmunition stellt ein erhebliches Verletzungsrisiko dar, man denke etwa an Treffer im Gesicht und an den Augen. Während und nach den Spielen kam es mehrfach zu sogenannten anlasstypischen gewalttätigen Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fangruppen. Erforderlich waren zum Teil massive längere Polizeieinsätze sowie eine Reihe von Festnahmen. Daher wurde das Spiel des KSV Hessen-Kassel in Gießen nach einer Analyse der Vorgänge in anderen Städten und aufgrund von beim Hinspiel in Kassel erfolgten Ausschreitungen entsprechend dem polizeilichen Rahmenbefehl des Polizeipräsidiums Mittelhessen für die Spiele des VfB 1900 Gießen in der Saison 2013/2014 die höchste Einsatzstufe eingeordnet, weil anlässlich dieses Spiels etwa 800 bis 1000 Fans aus Kassel erwartet wurden. Dem Gefahrenpotential konnte präventiv neben der erheblichen Verstärkung des Polizeiaufgebotes im Stadion nur durch die geschilderten Durchsuchungsmaßnahmen begegnet werden, die nicht zuletzt zum Schutz aller Veranstaltungsbesucher erforderlich waren, um erneute gewalttätige Ausschreitungen und evtl. schwere Verletzungen Unschuldiger zu verhindern. Nach hiesiger Auffassung kann es keine Rolle spielen, dass die Klägerin individuell weder durch ihr Verhalten noch durch ihre Bekleidung einen verdächtigen Eindruck erweckte. Es ist polizeibekannt, dass die gewaltbereiten oft polizeilich registrierten und begleiteten Fans sich gerade der möglichst unverdächtig erscheinenden sonstigen - gerade jüngeren oder älteren und weiblichen - Besucher des Gästefanblocks als Transporteure an den Einlassstellen des Stadions bedienen. Die Klägerin, die an der Einlassstelle zum Gästefanblock als Anhängerin des KSV Hessen-Kassel erkennbar war, entsprach dem Profil dieser Transportklientel. In die körperliche Integrität der Klägerin wurde nicht eingegriffen. In ihrer Kleidung erfolgte eine Nachschau nach Fremdkörpern, insbesondere Leuchtspurmunition und ähnlichen Gegenständen. Unstreitig fand eine nähere Inaugenscheinnahme von natürlichen Körperöffnungen nicht statt. Daher kann der Beklagte das in der Klageschrift unterstrichene Missverhältnis nicht erkennen. Im Übrigen belegt der weitgehend friedliche Verlauf der Veranstaltung, die mit einem 2:0 Sieg für die Heimmannschaft endete, dass die Maßnahmen insgesamt erfolgreich waren. Der Beklagte geht daher nicht von einem schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der ohne Ergebnis kontrollierten Klägerin, die eine Rehabilitation geboten erscheinen lassen könnten, aus. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass sich die Klägerin der Maßnahme ohne weiteres hätte entziehen können, wenn sie die Durchlassstelle zum Waldstadion nicht passiert hätte. Als Fan der Gästemannschaft hätte sie sich auch problemlos im Stadionumfeld bis zur Abreise aufhalten können. Müller Regierungsrat

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Dr. Rudolf Ratlos Rechtsanwalt Oststraße 19 35390 Gießen Gießen, den 01.09.2014 An das Verwaltungsgericht Gießen Marburger Straße 4 35390 Gießen

Verwaltungsgericht Gießen Eingang: 02.09.2014

In dem Verfahren der Frau Helene Fischer, Goethestr. 45, 34111 Kassel, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Ratlos, Gießen gegen das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, Az.: 5 K 3107/14.GI veranlasst die Klageerwiderung zu folgenden ergänzenden Ausführungen: Der Beklagte hat die Lage – zutreffend oder nicht – als gefährlich eingeschätzt. Die Klägerin bestreitet nicht, dass es in der Vergangenheit bei Spielen des KSV Hessen-Kassel zu den von dem Beklagten geschilderten Vorfällen gekommen ist. Sie hat hierzu aber weder in Gießen noch andernorts irgendwelche Beiträge geleistet. Die Klägerin war nur anwesend. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beklagte einen willkürlich ausgesuchten Personenkreis von friedlichen und teilweise minderjährigen Besuchern eines Fußballspiels durch seine Einlasskontrolle vor die Wahl gestellt hat, entweder auf sein Interesse am Stadionbesuch nach einer Anreise von ca. 130 km zu verzichten oder sich unter Verletzung der grundrechtlich geschützten persönlichen Intimsphäre ohne jede Veranlassung von mehreren Polizeibeamten oder –beamtinnen vollständig zu entkleiden. Wollte man der Argumentation des Beklagten folgen, so wäre die Polizei befugt, vor vergleichbaren Veranstaltungen gerade unverdächtige oder unauffällige Besucherinnen und Besucher zur Gefahrenabwehr aller Kleidungsstücke entledigen zu lassen. Darauf hinzuweisen ist, dass nach dem geschilderten Ablauf bei der von der Klägerin eingeforderten Umdrehung mit heruntergezogenem Schlüpfer sehr wohl eine Inaugenscheinnahme ihres Genitalbereichs stattgefunden hat. Eine derartige Maßnahme ist nicht mehr als bloße Durchsuchung im Sinne des § 36 HSOG anzusehen. Vielmehr handelte es sich um eine peinliche und entwürdigende körperliche Untersuchung. Die Klägerin kam sich wie eine Kriminelle vor und empfand sich als Anschauungs- und Vorführobjekt. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, eine individuelle Gefahrenprognose zu stellen. Darüber hinaus hätte die Klägerin als mögliche Verhaltensverantwortliche im polizeirechtlichen Sinne erkennbar sein müssen. Ein individuelles Verhalten kann durch bloße Möglichkeiten, Verdachtsmomente oder bloße Vermutungen nicht ersetzt werden. Festzustellen ist nochmals, dass eine Polizeipflichtigkeit der Klägerin ausscheidet. Dr. Ratlos (Rechtsanwalt)

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FALLBEARBEITUNG

Öffentliche Sitzung des Verwaltungsgerichts Gießen Az.: 5 K 3107/14.GI

Gießen, 20.09.2014

Gegenwärtig: Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Klose, Richter am Verwaltungsgericht Hummels, Richterin Neid, die ehrenamtlichen Richter Neuer und Lahm, Justizangestellte Müller als Protokollführerin In dem Verwaltungsstreitverfahren der Frau Helene Fischer, Goethestr. 45, 34111 Kassel

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin widerspricht dem und hält diese Sicht für blauäugig. Die Problematik sei grundsätzlicher Natur und bedürfe aufgrund der massiven Grundrechtsbetroffenheit der Klägerin einer grundsätzlichen gerichtlichen Klärung. Diese werde mit der Klage verfolgt. Die Beteiligten halten an den zu Beginn der Sitzung gestellten Anträgen fest. Die Kammer fasst folgenden Beschluss: Eine Entscheidung ergeht am Schluss der Sitzung. Die mündliche Verhandlung wird um 10:15 Uhr geschlossen.

Klägerin

Prozessbevollmächtigter: Dr. Rudolf Ratlos, Oststraße 19, 35390 Gießen gegen das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, Berliner Platz 1, 35390 Gießen Beklagter, wegen: polizeilicher Maßnahmen erscheinen bei Aufruf der Sache um 09:30 Uhr: für die Klägerin Rechtsanwalt Dr. Ratlos, für den Beklagten Regierungsrat Müller mit Terminsvollmacht. Der Berichterstatter trägt den Sachverhalt vor, wie er sich aus den beigezogenen Verwaltungsakten sowie den Gerichtsakten ergibt. Der Akteninhalt wird zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Die Parteien erheben keine Einwendungen gegen den Sachvortrag. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag aus der Klageschrift vom 24.07.2014 und beantragt ferner, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären. v.u.g.

Klose (VRVG)

Müller (Justizangestellte)

Bearbeitervermerk: Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist zu entwerfen. Eine Entscheidung über den Streitwert ist erlassen. § 117 Abs. 3 Satz 2 und § 117 Abs. 5 VwGO sind nicht anzuwenden. Die tatsächlichen Angaben sind zutreffend. Die behördlichen und gerichtlichen Zuständigkeiten sind gewahrt. Das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, ist der richtige Beklagte. Soweit der Entscheidungsentwurf nicht hinreichend Gelegenheit zur Erörterung der aufgeworfenen Fallfragen gibt, sind hilfsweise Entscheidungsgründe anzufertigen. Die Formalien (Ladungen, Zustellungen, Unterschriften, Vollmachten) sind ordnungsgemäß. Werden die Wahrnehmung der richterlichen Aufklärungspflicht und/oder eine Beweiserhebung für erforderlich gehalten, so ist davon auszugehen, dass diese durchgeführt wurden und zu keinem weiteren Ergebnis geführt haben. Wird die Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt gestützt, den die Beteiligten erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten haben, so ist zu unterstellen, dass Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt und davon kein Gebrauch gemacht wurde. Lösungshinweise A. Zulässigkeit I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs richtet sich nach § 40 I 1 VwGO. § 23 I 1 EGGVG als abdrängende Sonderzuweisung findet keine Anwendung, weil die Maßnahme (Verhinderung gewaltsamer Ausschreitungen) präventiver Natur war. II. Klageart

Der Vertreter des Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen. v.u.g. Sodann erörtert der Vorsitzende mit den Erschienenen die Sachund Rechtslage. Die Beteiligten äußern sich und verhandeln streitig zur Sache. Der Vertreter des Beklagten weist darauf hin, dass sich die Problematik für die Klägerin als Anhängerin des KSV Hessen-Kassel bezogen auf den Spielort Gießen überhaupt nicht mehr stelle. Der KSV Hessen-Kassel sei – dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig – inzwischen aus der 2. Fußballbundesliga abgestiegen. Schon von daher könne er ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung nicht erkennen.

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Einschlägig ist § 88 VwGO. Der angegriffene Verwaltungsakt (VA) hat sich erledigt, weil die damit verbundene Belastung durch den Vollzug der Anordnung entfallen ist. Das Klagebegehren richtet sich nunmehr darauf, dass die Klägerin die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme begehrt. Eine unmittelbare Anwendung von § 113 I 4 VwGO entfällt, weil die Erledigung bereits vor der Rechtshängigkeit eintrat. Die Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I 4 VwGO ist die statthafte Klageart. III. Besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse

Die Klägerin hat mit Blick auf die sog. Wiederholungsgefahr, sowie der sog. tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigung ein berechtigtes Fortetzungsfeststellungsinteresse. IV. Klagebefugnis

Die Klagebefugnis richtet sich nach § 42 II VwGO analog und ist an-

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FALLBEARBEITUNG

gesichts der Möglichkeit, dass die Klägerin in ihrem Grundrecht aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG verletzt wurde, zu bejahen. V. Vorverfahren

Nach h.M.1 bedarf es keines Vorverfahrens gem. §§ 68 ff. VwGO, weil dem wesentlichen Zweck des Vorverfahrens, rechtswidrige VAe aufzuheben, nicht entsprochen werden kann. Die Verwaltung kann einen erledigten VA nicht mehr aufheben.

b) Ermessen

Anhaltspunkte für Fehler im Entscheidungsprozess (Entschließungsermessen, § 114 Fall 2 VwGO) bestehen nicht. Auch eine Fehlerhaftigkeit der festgesetzten Rechtsfolge (Auswahlermessen, § 114 Fall 1 VwGO) ist nicht erkennbar. Eine effiziente Nachschau ist nur am unbekleideten Körper möglich. Gegen die Anordnung zum Entkleiden bestehen keine Bedenken. c) Verhältnismäßigkeit

VI. Klagefrist

Das BVerwG2 lehnt ein Fristerfordernis nach § 74 I 2 VwGO ab, weil die Klagefrist dazu dient, einen VA nach Fristablauf bestandskräftig werden zu lassen. Dieser Zweck kann nach Erledigung des VA nicht mehr erreicht werden. VII. Klagegegner

Die Klage ist analog § 78 I Nr. 1 VwGO gegen den Rechtsträger der erlassenden Behörde zu richten, i.v.F. gegen das Land Hessen (§ 91 I HSOG). VIII. Beteiligungs- und Prozessfähigkeit

Die Klägerin ist nach § 61 Nr. 1 Fall 1 VwGO beteiligungsfähig. Sie ist auch prozessfähig und muss sich nicht vertreten lassen (vgl. § 62 I Nr. 1 VwGO), weil das Vertretungserfordernis bei beschränkt Geschäftsfähigen i.S.d. BGB bei Verfahren hinsichtlich eines Eingriffs in höchstpersönliche Rechte – hier allgemeines Persönlichkeitsrecht – entfällt.3 Das Land Hessen ist nach § 61 Nr. 1 Fall 2 VwGO beteiligungsfähig. Die Prozessfähigkeit folgt aus § 62 III VwGO. B. Begründetheit

Nach § 113 I 4 VwGO analog ist die Fortsetzungsfeststellungsklage begründet, wenn die • Durchsuchung rechtswidrig war und • die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt wurde. I. Rechtmäßigkeit der Durchsuchung 1. Befugnisnorm

Nach § 36 I Nr. 1 HSOG können die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden eine Person durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. 2. Formelle Rechtmäßigkeit

Die formelle Rechtmäßigkeit ist gegeben. Sachlich zuständig war nach dem Grundsatz der Erstbefassung4 die vor Ort handelnde Polizeibehörde. Örtlich zuständig war das Polizeipräsidium Mittelhessen (§§ 91, 94 HSOG). § 36 IV HSOG - Durchsuchung grundsätzlich durch eine Person gleichen Geschlechts - wurde beachtet. 3. Materielle Rechtmäßigkeit a) Voraussetzungen der Befugnisnorm

Die Voraussetzungen des § 36 I Nr. 1 HSOG sind gegeben, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass die Klägerin Sachen mit sich führte, die sichergestellt werden durften. Es gab Hinweise darauf, dass Pyrotechnik mit Hilfe unverdächtiger Personen ins Stadion gebracht werden sollte. Die Klägerin passte in das Anforderungsprofil und kam als Transportperson in Betracht. 1 2 3 4

BVerwGE 26, 161, 165; 81, 226, 229. NVwZ 2000, 63, 64 f. Kopp/Schenke, VwGO, Komm. 17. A. 2011, § 62 Rn. 6. Vgl. Meixner/Fredrich, HSOG, Komm., 11. Aufl. 2010, § 2 Rn. 9.

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Die Durchsuchung muss einen legitimen Zweck verfolgen sowie geeignet, erforderlich und angemessen sein (s. § 4 HSOG). aa) Der legitime Zweck der Maßnahme bestand in der Gewährleistung des Schutzes anderer Stadionbesucher. bb) Die Durchsuchung war geeignet, den erstrebten Zweck, Zwischenfälle während des Spiels zu verhindern, zu erreichen, weil sich keine Zwischenfälle ereigneten. cc) Die Durchsuchung war auch erforderlich, weil die Polizei zur Erreichung des Zwecks kein anderes, weniger einschneidendes Mittel hätte wählen können. Abtasten oder der Einsatz von Metalldetektoren wäre insoweit nicht ausreichend gewesen. dd) Schließlich war die Durchsuchung angemessen, wenn bei einer Gesamtbetrachtung hinsichtlich der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe andererseits die Grenze der Zumutbarkeit nicht überschritten wird.5 Beim Vergleich zwischen dem Zweck und dem Mittel, die gegeneinander abzuwägen sind, stehen sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin und die Gewährleistung der Sicherheit anderer Besucher des Fußballspiels (Art. 2 II 1 GG) gegenüber. Für die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme spricht das in der Vergangenheit festzustellende Verhalten gewaltbereiter Fans, die Verletzungen anderer Besucher ohne weiteres in Kauf nahmen. Dabei wurden sie unstreitig von unverdächtig wirkenden Personen unterstützt. Außerdem hätte die Klägerin auf den Spielbesuch verzichten können. Gegen die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme spricht, dass es sich bei dem überwiegenden Teil der untersuchten Fans um Nichtstörer handelte. Denkbar war deshalb, zunächst ein Abtasten und beim Fehlen eines klaren Resultats ein Entkleiden zu verlangen. Im übrigen ist der Besuch eines Fußballspiels per se ein zulässiges Verhalten. Er kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass der Besucher einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hinnimmt. Im Ergebnis war die Durchsuchung daher nicht verhältnismäßig. 4. Ergebnis

Die polizeiliche Maßnahme war materiell rechtswidrig. II. Rechtsverletzung der Klägerin

Die Klägerin wurde in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. III. Gesamtergebnis

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig und begründet.

5

BVerfGE 83, 1,19.

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FALLBEARBEITUNG

Az.: 5 K 3107/14.GI

Es wird festgestellt, dass die körperliche Durchsuchung der Klägerin im Umfang einer Inaugenscheinnahme nach vollständigem Entkleiden am 24.05.2014 im Waldstadion in Gießen rechtswidrig war.

Verwaltungsgericht Gießen

Verkündet am 20.09.2014

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Müller Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Im Namen des Volkes Urteil In dem Verwaltungsstreitverfahren der Frau Helene Fischer, Goethestr. 45, 34111 Kassel

Klägerin

Prozessbevollmächtigter: Dr. Rudolf Ratlos, Oststraße 19, 35390 Gießen gegen das Land Hessen, vertreten durch das Polizeipräsidium Mittelhessen, Berliner Platz 1, 35390 Gießen Beklagter, hat die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts Gießen auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2014 durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Klose, den Richter am Verwaltungsgericht Hummels, die Richterin Neid und die ehrenamtlichen Richter Neuer und Lahm für Recht erkannt:

Tatbestand6 Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit einer mit Entkleiden verbundenen polizeilichen Durchsuchung7. Die 1998 geborene Klägerin reiste am 24.05.2014 nach Gießen, um sich im dortigen Waldstadion die auf 15:30 Uhr angesetzte Fußballzweitligabegegnung zwischen dem VfB 1900 Gießen und dem KSV Hessen-Kassel vom sogenannten „Gästeblock“ aus anzusehen. Sie trug bei dieser Gelegenheit einen Schal in den Vereinsfarben des KSV Hessen-Kassel und war dadurch als Fan dieses Vereins erkennbar. Nachdem die Klägerin gegen 14:00 Uhr das Stadiongelände erreichte, wurde sie aufgefordert, vor einem in dem Sperrbereich aufgebauten Zelt zu warten. Nach der Kontrolle des Bundespersonalausweises und etwa einer ¼ Stunde Wartezeit wurde sie ins Innere des Zeltes gerufen. Dort waren mehrere Kabinen abgeteilt und zwar als männlicher sowie weiblicher Durchgangsbereich. Die Kabinen wiesen jeweils ca. 60 cm breite Eingangsöffnungen ohne Türen oder Vorhänge auf. Vor bzw. neben den Kabinen waren mehrere Tische aufgestellt. Das Zelt selbst war beheizt. Die Klägerin wurde von ei6 7

Der Tatbestand ist die gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes (§ 117 Abs. 3 VwGO). Der Einleitungssatz dient zunächst dem Verständnis, kann jedoch auch weggelassen und darf keinesfalls überfrachtet werden.

WISSEN KOMPAKT

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FALLBEARBEITUNG

ner Polizeibeamtin aufgefordert, sich zur hinteren Kabine im weiblichen Durchgangsbereich zu begeben. Ihr wurden Schal, Jacke und Tasche abgenommen und auf einem neben der Kabine stehenden Tisch abgelegt. Anschließend musste sie nach und nach die oberen Bekleidungsstücke ablegen bis auf die rechte Socke. Die Kleidungsstücke wurden einzeln kontrolliert. Sodann wurde die Klägerin aufgefordert, ihren BH vor einer Abtastkontrolle nach oben umzuklappen und ihren Slip bis zu den Knien herunterzuziehen. Desweiteren wurde von ihr verlangt, in diesem Zustand eine vollständige Körperdrehung zu vollführen. Die Klägerin folgte diesen Aufforderungen. Während des Aufenthaltes in der Kabine wurde an dem Tisch die Tasche der Klägerin durchsucht. Sicherzustellende Gegenstände fanden sich bei der Durchsuchung nicht. Andere Spielbesucher mussten sich einer vergleichbaren Kontrolle ebenfalls unterziehen. Während des Spiels wurden keine pyrotechnischen Materialien gezündet, abgeschossen oder geworfen. Am 24.07.2014 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Sie trägt vor, sowohl die Maßnahme als solche als auch die Art und Weise ihrer Durchführung seien rechtswidrig gewesen. Die Maßnahme sei keine nach § 36 HSOG zulässige Personendurchsuchung gewesen, da in ihrer Person keine Tatsachen vorgelegen hätten, die die Annahme gerechtfertigt hätten, dass sie Sachen mit sich geführt habe, die hätten sichergestellt werden dürfen. Grundlage für eine auf sie bezogene Gefährdungsprognose hätten konkret beweisbare Tatsachen sein müssen. Bloße Möglichkeiten oder Vermutungen seien hierfür nicht ausreichend. Sie habe keine Anhaltspunkte für das Mitführen von der Sicherstellung unterliegenden Sachen geliefert. Erforderlich sei insoweit eine individuelle polizeiliche Prognose. In der Anordnung, sich vor fremden Personen praktisch vollständig entkleiden zu müssen, liege ein schwerwiegender, hier durch nichts gerechtfertigter Eingriff in ihre geschützte Sphäre. Sie sei zu keinem Zeitpunkt über Zweck und Umfang der Maßnahme informiert worden. Sie habe nur die Auskunft erhalten, dass es um die Verhinderung von Ausschreitungen gehe, zu denen es bei einem Spiel gekommen sei. Sie habe beim Durchqueren des Zeltes im Inneren der Kabinen teilweise unbekleidete weibliche Personen erkennen können. Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass ihre körperliche Durchsuchung im Umfang einer Inaugenscheinnahme nach vollständigem Entkleiden am 24.05.2014 im Waldstadion in Gießen rechtswidrig war. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er hält die umstrittene Maßnahme für rechtmäßig und trägt vor, anlässlich von zwei vorangegangenen Auswärtsspielen des KSV Hessen-Kassel sei es zu massiven Ausschreitungen durch Kasseler Fans gekommen, bei denen, was hier wesentlich sei, massiv Pyrotechnik abgebrannt, in Richtung Gastgeberblöcke abgeschossen und auf Ordner geworfen worden sei. Trotz verstärkter Einlasskontrolle sei es Kasseler Fans gelungen, Pyrotechnik in die Stadien zu verbringen. Ein Fan habe, wie die Polizei festgestellt und mitgeteilt habe, im Intimbereich einen pyrotechnischen Gegenstand mit Heftpflaster aufgeklebt gehabt. Auch für das Spiel in Gießen habe eine hohe Wahrscheinlichkeit anlasstypischer Ausschreitungen bestanden. Unscheinbare, jüngere, ältere und insbesondere weibliche Personen gewaltbereiter Fans seien als Transporteure eingesetzt worden, um Gegenstände ins

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Stadion zu schmuggeln. Die Klägerin habe dem Profil der Transporteure entsprochen. Die Durchsuchungen hätten geschlechtsspezifisch getrennt stattgefunden. Da in dem etwa 60 cm breiten Eingangsbereich jeweils eine Beamtin gestanden habe, sei ein Einblick für vorübergehende wenn überhaupt, so nur ganz eingeschränkt möglich gewesen. Ein Großteil der untersuchten Personen habe Verständnis für die polizeilichen Maßnahmen gezeigt. Ein Abtasten wäre nicht ausreichend gewesen. Eine Inaugenscheinnahme der natürlichen Körperöffnungen sei nicht erfolgt. Es sei um die Durchsuchung der Kleidung gegangen. Ein Missverhältnis zwischen Anlass und Mittel habe nicht bestanden. Trotz intensiver Kontrollen sei es immer wieder gelungen, Pyrotechnik in die Stadien einzuschleusen. Es habe Hinweise auf ein Verbringen von Pyrotechnika am Körper oder in der Unterwäsche gegeben. Das Schießen von Leuchtspurmunition stelle ein erhebliches Verletzungsrisiko dar. Die pyrotechnischen Gegenstände seien teilweise klein und würden in unterschiedlichen Verpackungsformen, Mengen und Konsistenzen befördert. Dass die Maßnahmen erfolgreich gewesen seien, belege der weitgehend friedliche Verlauf der Veranstaltung. Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten und des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Entscheidungsgründe Die Klage ist zulässig und begründet. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, weil die streitentscheidenden Normen dem HSOG zuzuordnen sind (§§ 18 Abs. 4, 36 HSOG). Darüber hinaus streiten keine unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Verfassungsorgane um materielles Verfassungsrecht (sog. doppelte Verfassungsunmittelbarkeit, vgl. BVerwG NJW 1976, 1648). Die abdrängende Sonderzuweisung des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG findet keine Anwendung. Die Maßnahme ist präventiver Natur. Die Durchsuchung der Klägerin diente im Schwerpunkt der Verhinderung von gewaltsamen Ausschreitungen innerhalb des Stadions. Das Gericht legt das Begehren der Klägerin nach § 88 VwGO zunächst dahingehend aus, dass diese die Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Anordnung als mündlicher Verwaltungsakt oder als polizeilicher Realakt begehrt. Dies vorausgeschickt erweist sich die Klage als zulässig. Sie ist insbesondere unabhängig davon zulässig, ob sich das polizeiliche Handeln als Verwaltungsakt qualifizieren lässt oder ob es sich insoweit lediglich um schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln in Form eines Realaktes gehandelt hat. Denn ungeachtet der rechtlichen Qualifizierung der polizeilichen Anordnung muss diese vorliegend zur Gewährleistung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) einer jedenfalls nachträglichen rechtlichen Überprüfung durch das Gericht zugänglich sein. Handelt es sich bei der von der Klägerin angegriffenen Maßnahme um eine polizeiliche Anordnung, die auf die Setzung einer verbindlichen Rechtsfolge gerichtet war, weil ihr der Zutritt zum Stadion verwehrt worden wäre, hätte sie sich nicht der Durchsuchung unterzogen, wäre Gegenstand der Klage ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 HessVwVfG. In diesem Fall wäre die Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass der – vorprozessual erledigte – Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, als allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO oder als Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Die Kammer braucht anlässlich des hier zu entscheidenden Falls die Frage nicht abschließend zu beantworten, welche dieser beiden in der VwGO geregelten Klagearten in einem

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FALLBEARBEITUNG

Fall, in dem sich der angefochtene Verwaltungsakt oder Realakt wie hier vor Klageerhebung erledigt hat, statthaft ist8. Bearbeiterhinweis: Auch das OVG Saarlouis (Urteil vom 30.11.2007 – 3 R 9/06, LKRZ 2008, 102) hat in dem der vorliegenden Fallbearbeitung zugrunde liegenden Entscheidung nicht abschließend geklärt, ob es sich bei der bereits vor Klageerhebung erledigten Maßnahme um einen Realakt oder um einen Verwaltungsakt gehandelt habe. Die Klage sei im ersten Fall als allgemeine Feststellungsklage im Sinne von § 43 VwGO, im zweiten Fall als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog zulässig. Denn beide Betrachtungsweisen führen zum gleichen Ergebnis, weil sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen beider Klagearten praktisch nicht unterscheiden. In jedem Fall ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse erforderlich und eines Vorverfahrens bedarf es ebenso wenig wie – bei noch nicht bestandskräftig gewordenem Verwaltungsakt – der Einhaltung einer Klagefrist.9 Die Statthaftigkeit eines (Fortsetzungs-)Feststellungsantrages im Hinblick auf einen erledigten Verwaltungsakt ist im Ergebnis nach keiner Betrachtung zweifelhaft und bedarf keiner näheren Ausführungen. Ist das von der Klägerin beanstandete polizeiliche Handeln demgegenüber als schlicht-hoheitliches Verwaltungshandeln in Form eines Realaktes zu qualifizieren, so wäre dies hier ebenfalls justiziabel. Denn auch insoweit ein (nachträglicher) gerichtlicher Rechtsschutz über die Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO garantiert. Nach dieser Vorschrift kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten ist vorliegend auch bei der Annahme schlicht-hoheitlichen Handelns zu bejahen. Unter einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis sind die rechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm für das Verhältnis von (natürlichen oder juristischen) Personen untereinander oder einer Person zu einer Sache ergeben, Kraft deren eine der beteiligten Personen etwas bestimmtes tun muss, kann oder darf oder nicht zu tun braucht. Die rechtlichen Beziehungen haben sich dann zu einem Rechtsverhältnis verdichtet, wenn die Anwendung einer bestimmten Norm des öffentlichen Rechts auf einen bereits übersehbaren Sachverhalt streitig ist; es bedarf einer hinreichenden Konkretisierung und darf sich nicht lediglich um die Klärung abstrakter Rechtsfragen handeln. Das erforderliche Rechtsverhältnis kann schließlich auch durch schlicht-hoheitliches Handeln begründet werden10. Handelt es sich hier nicht um einen polizeilichen Verwaltungsakt, so stellte das polizeiliche Handeln jedenfalls eine Entscheidungsform des bereits erwähnten schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandelns dar, und zwar in der Form einer Durchsuchung. Zwar überschreitet nicht jedes polizeiliche Handeln die Schwelle zum Eingriff in Grundrechte des Einzelnen. Wenn eine Untersuchung einer Person nur auf das Auffinden von Gegenständen abzielt, die diese Person in ihrer Kleidung, am Körper selbst oder in ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen wie Mund oder Ohren mit sich führt, ist hiermit keine 8

Vgl. im Einzelnen: Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 113 Rn. 99 m.w.N. zur h.M., die eine Fortsetzungsfeststellungsklage für statthaft hält; demgegenüber Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, Abschnitt L Rn. 58 ff., 68 ff., zur abweichenden Meinung, die gestützt auf das Urteil des BVerwG vom 14.07.1999 – 6 C 7.98 insoweit von einer Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage ausgeht. 9 Vgl. BayVGH, Urteil vom 27.01.2012 – 10 D 08.2849; VG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2011 – 18 K 3554/11. 10 Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 43 Rn. 11 ff m.w.N.

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Belastung für den Adressaten dieses staatlichen Handelns verbunden. Zu unterscheiden ist dieses Tätigwerden aber von Maßnahmen, die nicht im Anwendungsbereich eines Grundrechts stattfinden, sondern unmittelbar in dessen Schutzbereich eingreifen. So liegt der Fall bei der Nachschau im Körperinneren unter Einschluss der nicht ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen. Die Klägerin konnte vernünftigerweise keinen anderen Entschluss mehr treffen als den, der polizeilichen Anordnung Folge zu leisten. Im Hinblick darauf ist jedenfalls von einem Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) auszugehen. Das war vorliegend zur Überzeugung der Kammer der Fall. Dem polizeilichen Handeln – Durchsuchung der Klägerin – kommt damit selbst dann, wenn es nicht als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist, eine grundrechtseingreifende Wirkung zu. Hierdurch sind zwischen der Klägerin und dem Beklagten Rechtsbeziehungen entstanden, die ein konkretes und streitiges, mithin feststellungsfähiges Rechtsverhältnis darstellen. Der Umstand, dass die mit der Durchsuchung verbundene Belastung durch den Vollzug der Anordnung entfallen ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn Gegenstand der Feststellungsklage kann auch ein vergangenes Rechtsverhältnis sein, gerichtet auf Feststellung der Rechtswidrigkeit eines inzwischen bereits erledigten Realaktes.11 Die demnach unabhängig von der rechtlichen Qualifizierung des polizeilichen Handelns statthafte (Fortsetzungs-)Feststellungsklage unterliegt keiner Klagefrist. Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann auch der in Art. 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich garantierte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz es erfordern, dass gerade bei Eingriffen im grundrechtlich geschützten Bereich ein Feststellungsinteresse anerkannt wird. Dies kommt namentlich in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf, wie er sich häufig gerade bei der Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ergibt, auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung, in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz praktisch nicht erlangen kann, in Betracht.12 Vorliegend hat das streitige Handeln der Polizeibeamtinnen – Durchsuchung in entkleidetem Zustand – in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingegriffen. Da die Durchsuchung, die dem polizeilichen Handeln zugrunde lag, noch vor Ort abschlossen wurde, hätte die Klägerin Rechtsschutz nicht mehr erhalten können. Die Verwehrung einer gerichtlichen Überprüfung des polizeilichen Handelns, das wie ausgeführt grundrechtserheblich in den Rechtskreis der Klägerin eingegriffen hat, wäre vor diesem Hintergrund nach der Rechtsprechung des BVerfG mit Art. 19 GG nicht zu vereinbaren. Die Klägerin hat daher ein berechtigtes Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung. Bearbeiterhinweis: Das OVG Saarlouis hat das qualifizierte Feststellungsinteresse vorliegend unter Rehabilitationsgesichtspunkten bejaht. Eine mit Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar und begründe ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme. Das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse kann somit sowohl mit der tiefgreifenden Grundrechtsbeeinträchtigung als auch mit dem Rehabilitationsinteresse der Klägerin begründet werden. 11 Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 43 Rn. 5. 12 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 05.07.2013 – 2 BvR 270.13; BVerwG, Urteile vom 16.05.2013 – 8 C 20.12 - und vom 20.06.2013 – 8 C 39.12 -, alle juris.

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FALLBEARBEITUNG

Der Durchführung eines ordnungsgemäßen und erfolglosen Vorverfahrens (§§ 68 ff. VwGO) bedurfte es nicht. Der Gesetzgeber geht nur dann von dem Erfordernis eines Vorverfahrens aus, wenn die entsprechende Maßnahme noch Rechtswirkungen entfaltet. Die Klägerin ist als natürliche Person beteiligungsfähig (§ 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO). Das grundsätzliche Vertretungserfordernis aufgrund der Minderjährigkeit der Klägerin (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) ist hier entfallen. Dies ist in Fällen wie dem vorliegenden anerkannt, in denen es sich bezüglich beschränkt Geschäftsfähiger um ein Verfahren hinsichtlich eines Eingriffs in höchstpersönliche Rechte handelt.13 Die mithin zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des polizeilichen Handelns am 24.05.2014. Die Durchsuchung war rechtswidrig und die Klägerin wurde hierdurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Rechtsgrundlage für die polizeiliche Durchsuchung ist § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG. Danach können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden eine Person durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt werden dürfen. Die Durchsuchung einer Person zielt auf das Auffinden von Gegenständen ab, die sie in ihrer am Körper getragenen Kleidung, am Körper selbst oder in ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (Mund, Ohren) mit sich führt. Erst bei der Nachschau nach Gegenständen im Körperinneren und zwar auch in den nicht ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen im Intimbereich (After, Scheide) handelt es sich demgegenüber um von § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG nicht mehr erfasste Untersuchungen14. Bei Zugrundlegung dieser Maßstäbe ist die angefochtene Maßnahme noch als Durchsuchung einzustufen, da sie sich auf die Suche in den Kleidungsstücken der Klägerin und die Nachschau an ihrem Körper beschränkte. Gemessen an den Voraussetzungen der Bestimmung des § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG ist nicht zu beanstanden, dass die Klägerin überhaupt vor dem Einlass ins Waldstadion polizeilich durchsucht wurde. Die Rechtmäßigkeit dieser Durchsuchung setzt voraus, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Klägerin Sachen mit sich führte, sie sichergestellt werden durften. Die Sicherstellung einer Sache ist gemäß § 40 Nr. 1 HSOG zulässig, um eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden. Die Durchsuchung der Besucher des Spiels diente dem Zweck, den Transport von Leucht- und Signalmunition in das Stadion zu verhindern. Von dem Verschießen dieser Munition innerhalb eines Fußballstadions geht – was keiner näheren Erläuterung bedarf – eine Bedrohung der Gesundheit und des Lebens und damit höchstrangiger Rechtsgüter aus. Ebenso rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass die Klägerin solche Materialien mit sich führte. Mit der Formulierung in § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG ist der Bereich des sog. Gefahrverdachts bezeichnet, so dass sich die Durchsuchung zumindest in vielen Fällen als Gefahrerforschungseingriff darstellt.15 Ausreichend ist hierfür die aus einer hinreichenden objektivierbaren Tatsachenbasis abgeleitete Wahrscheinlichkeit der befürchteten Rechtsgutbedrohung und die Nähe der von der Maßnahme betroffenen Person zu dieser Bedrohung, wobei die Einschreitschwelle umso niedriger liegen kann, je höher die Wahrscheinlichkeit der befürchteten Rechtsgutbedrohungen und je höher die Bedeutung der bedrohten Rechtsgüter ist. Nach dem Erkenntnisstand der Polizei bestand bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen eine hinreichende Tatsachenbasis für die Annahme, die Klägerin führe sicherstellungsfähiges pyrotechnisches Material mit sich. Die Polizei in Gießen konnte davon ausgehen, dass in der anstehenden 13 Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 62 Rn. 6. 14 Ähnlich VGH München NVwZ-RR 1999, 310. 15 Vgl. dazu Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 4. Auflage 2007, § 4 Rn. 52 f.

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Begegnung unscheinbare jüngere weibliche Personen eingesetzt werden sollten, um diese Materialien enganliegend am Körper und auch in der Unterwäsche versteckt ins Stadion zu verbringen. Waren danach die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Durchsuchung auch der Klägerin auf der Grundlage von § 36 Abs. 1 Nr. 1 HSOG dem Grunde nach erfüllt und ist bei den aktenkundigen Gegebenheiten auch kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, dass die Entschließung der Polizei, auch die Klägerin überhaupt zu durchsuchen ermessenfehlerhaft getroffen worden sein könnte, so erweist sich jedoch der Umfang der Durchsuchung der Klägerin und die Art und Weise ihrer Durchführung zu ihrem Nachteil als rechtswidrig. Zwar ist bei den Gegebenheiten des vorliegenden Falles eine mit einem Entkleiden verbundene Durchsuchung auch sogenannter unverdächtiger Personen prinzipiell rechtlich nicht zu beanstanden. Angesichts einer gegenwärtigen Gefahr für höchstrangige Rechtsgüter ist eine auf bloßes Abtasten des bekleideten Körpers beschränkte Durchsuchung gegenüber einer mit Entkleiden verbundenen Durchsuchung kein vergleichbar gut geeignetes Mittel. Allerdings stellt sich das Entkleiden als schwerwiegender Eingriff in die Intimsphäre und damit in das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Persönlichkeitsrecht dar und berührt zudem die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG).16 Denn bei der Entscheidung über eine mit einem Entkleiden verbundenen Durchsuchung ist die Vorgehensweise insbesondere am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auszurichten. Kennzeichnend für die durch die Polizei ermittelte Gefahrenlage war, dass sie Kriterien für die Bestimmung der unverdächtigen Transportpersonen letztlich auf zahlreiche andere harmlose Spielbesucher zutrafen. Angesichts dessen musste die Polizei davon ausgehen, dass sich unter den durchsuchten Personen überwiegend Nichtstörer befinden würden. In einer solchen Situation hätte die Wahrung der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise sichergestellt werden müssen. Aus dem Übermaßverbot für die konkrete Situation folgte damit die Vorgabe, ein Entkleiden nur dann zu fordern, wenn insoweit ein Abtasten ein eindeutiges Ergebnis nicht erwarten ließ, ein danach gerechtfertigtes Entkleiden regelmäßig allenfalls bis zur Unterwäsche gehen durfte und ein Freilegen des Intimbereichs nur ausnahmsweise unter besonderen Umständen, etwa bei auffälligen Reaktionen der durchsuchten Personen zulässig und dann unter größtmöglicher Schonung der Intimsphäre durchzuführen ist. Nur ein solches gestuftes Vorgehen wahrt die Verhältnismäßigkeit gegenüber Personen, die zwar die Kriterien potenzieller Transporteure erfüllen, sich aller Voraussicht nach aber überwiegend als Nichtstörer herausstellen würden. Im Falle der Klägerin lagen der Polizei jedoch keine in ihrem persönlichen Verhalten liegenden Umstände vor, die den Verdacht hätten begründen können, gerade die Klägerin wolle pyrotechnische Gegenstände ins Stadion verbringen. Gegenüber der Klägerin, die allein nach den unscharfen Kriterien potenzieller Transportpersonen zur Durchsuchung ausgewählt wurde, ist die Durchsuchung im Umfang eines vollständigen Entkleidens als unverhältnismäßig zu bewerten. Stellt sich die Durchsuchung der Klägerin im Umfang einer Inaugenscheinnahme nach vollständigem Entkleiden als rechtswidrig dar, so ist dies auf ihren dahingehenden Antrag festzustellen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 1 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil keiner der gesetzlichen Zulassungsgründe gegeben ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 VwGO).17

16 Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.10.2003, 2 BvR 1745/01 – juris. 17 Sofern die Voraussetzungen für die Berufungszulassung nicht vorliegen, wovon in der Klausur regelmäßig ausgegangen werden kann, findet die Nichtzulassung der Berufung keinen Eingang in den Tenor, vgl. § 124a Abs. 1 S.3 VwGO. Stattdessen ist in den Nebenentscheidungen knapp hierauf hinzuweisen.

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FALLBEARBEITUNG

Zivilrechtlicher Aktenvortrag von Dr. Holger Schröder

Holger Schröder studierte Jura an der Universität Bremen und absolvierte 2004 sein 1. und 2006 in Oldenburg sein 2. Staatsexamen. In der Zeit von 2006-2007 promovierte er an der Universität Bremen. Nach einjähriger Anwaltstätigkeit ist er heute Richter am Landgericht Bremen. Zusätzlich ist er als Prüfer beim Senator für Justiz und Verfassung für das 1. Staatsexamen, in der Referendarausbildung sowie als Repetitor für Jura Intensiv in Bremen tätig.

I. Aktenauszug

Rechtsanwälte Meyer & Meyer An das Landgericht Bremen Bremen

Bremen, im August 2014 Klage

des Nils Müller , Buntenstraße 100, Bremen

Klägers

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Meyer & Meyer,

des Notars Schneider vom 10.03.2003 das streitgegenständliche Grundstück an die Beklagte. Es wurde in derselben Urkunde die Auflassung erklärt. Die Beklagte ist am 17.06.2003 in das Grundbuch eingetragen worden. Beweis: Kopie des Grundbuchauszuges b.b.. Die Mutter des Klägers und Vorerbin verstarb sodann am 15.04.2014. Beweis: Totenschein in Anlage K5. Der Kläger begehrte mit Schreiben des Unterzeichners vom 07.05.2014 seine Eintragung als Eigentümer, die Beklagte lehnte eine erforderliche Zustimmung zur Grundbucheintragung aber ab, weshalb Klage geboten ist. Beweis: Schreiben der gegnerischen Prozessbevollmächtigten vom 21.05.2014 in Anlage K6. Der Kläger erklärt sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden. Rechtsanwalt Meyer Landgericht Bremen Gesch.-Nr.: 15 O 1000/14 Verfügung

gegen die Melanie Schulz, Langestr. 20, Bremen

Beklagte.

Namens und in beigefügter Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragen, Die Beklagte zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Bremen, Blatt 300, Erste Abteilung, dahin zu zustimmen, dass als Eigentümer der Kläger Nils Müller eingetragen wird. Begründung Der Kläger ist der Sohn des am 01.05.2001 verstorbenen Harald Müller (zuk.: Erblasser). Beweis: Kopie aus dem Geburtenbuch des Klägers und Totenschein des Erblassers in Anlage K1 u. K2. Der Erblasser war Eigentümer des im Klagantrag näher bezeichneten und streitgegenständlichen Hausgrundstücks. Beweis: Kopie des Grundbuchauszuges in Anlage K3. Bereits am 01.02.1988 setzte der Erblasser ein von ihm handgeschriebenes und unterschriebenes Testament auf, mit dem er seine Ehefrau und Mutter des Klägers, Frau Else Müller, als Vorerbin und seinen Sohn, den Kläger, als Nacherben hinsichtlich des gesamten Vermögens, also auch des Hausgrundstücks, einsetzte. Beweis: Kopie des Testaments in Anlage K4. Nach dem Tod des Erblassers wurde die Vorerbin als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde ein Nacherbenvermerk eingetragen. Etwaige Befreiungen wurden nicht eingetragen. Beweis: Kopie des Grundbuchauszuges b.b.. Die Ehefrau des Erblassers verkaufte mit notariellem Vertrag

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1. Es wird das schriftliche Vorverfahren angeordnet. 2. a) Der Beklagten wird aufgegeben, binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klageschrift schriftlich anzuzeigen, ob sie sich gegen die Klage verteidigen will (§ 276 I ZPO). b) Für den Fall, dass sich die Beklagte gegen die Klage verteidigen will, wird ihr aufgegeben, binnen einer weiteren Frist von drei Wochen zur Klage schriftlich durch einen zugelassenen Rechtsanwalt Stellung zu nehmen. 3. Abschriften von Nr. 1. und 2. an a) Klägervertreter (EB). b) Beklagte (ZU). 4. Wiedervorlage 3 Wochen Landgericht Bremen Der Einzelrichter Rechtsanwalt Tümpler In dem Rechtsstreit

Bremen, 09.09.2014

Müller ./. Schulz Gesch.Nr.: 15 O 1000/14 zeige ich die Vertretung der Beklagten an. Die Beklagte will sich gegen die Klage verteidigen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung werde ich beantragen, die Klage abzuweisen. Begründung Die von dem Kläger mitgeteilten Daten und Fakten sollen

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FALLBEARBEITUNG

nicht bestritten werden. Er zieht daraus aber falsche rechtliche Schlussfolgerungen. Zutreffend ist, dass die Beklagte von der Mutter des Klägers das streitgegenständliche Hausgrundstück erworben hat. Woraus der Kläger aber seinen Anspruch herleiten will, bleibt sein Geheimnis. Die Mutter hat das Grundstück von ihrem Ehemann geerbt und ist damit Eigentümerin geworden. Sehr wohl stand ihr damit das Recht zu, das Grundstück rechtswirksam an die Beklagte zu veräußern. Nur rein hilfsweise wird eingewandt, sollte das Gericht dies anders sehen, dass die Beklagte nichts davon wusste, dass der Erblasser den Kläger als Nacherben bestimmt hat. Die Beklagte hat auf die Verfügungsbefugnis der Mutter vertraut. Das Grundbuch hat sie nämlich nicht eingesehen. Dies spielt letztendlich aber keine Rolle, weil nun mal die Mutter das Grundstück zu ihren Lebzeiten veräußert hat, und dies auch durfte. Andernfalls würde ihre Einsetzung als Vorerbin keinen Sinn machen, weil sie dann rein gar nichts von dem Haus hätte. Rein hilfsweise wird die Einrede der Verjährung erhoben. Auch die Beklagte stimmt einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu. Der Rechtsanwalt Landgericht Bremen Gesch.-Nr.: 15 O 1000/14 1. Beschluss a) Es wird mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet (§ 128 II ZPO). Den Parteien bleibt nachgelassen, bis zum 30.09.2014 weiter schriftsätzlich vorzutragen. Dieser Tag entspricht dem Schluss der mündlichen Verhandlung. b) Termin zu Verkündung einer Entscheidung wird bestimmt auf: 07.10.2014. Landgericht Bremen Der Einzelrichter Rechtsanwalte Meyer & Meyer An das Landgericht Bremen Bremen In dem Rechtsstreit

Bremen, 25.09. 2014

Müller ./. Schulz Gesch.Nr.: 15 O 1000/14 wird in gebotener Kürze auf die Klageerwiderung wie folgt repliziert: Auf eine Vertrauensstellung kommt es hier nicht an. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Die Nacherbenstellung des Klägers würde keinen Sinn ergeben, dürfte die Vorerbin und Mutter des Klägers mit dem Grundstück verfahren wie sie wollte. Verjährungsrechtliche Probleme stellen sich hier sicher nicht. Rechtsanwalt Meyer Bearbeitervermerk: Die Klage wurde der Beklagten am 02.09.2014 zugestellt. Die Nebenentscheidungen sind wegzulassen.

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II. Aktenvortrag

Sehr geehrte Damen und Herren (oder sehr geehrte Prüfungskommission), ich berichte über die Klage des Nils Müller bei dem Landgericht Bremen gegen Melanie Schulz, beide wohnhaft in Bremen, auf Grundbuchberichtigung. Um einen sauberen Einstieg zu gewährleisten, beginnen Sie den Aktenvortrag mit der Begrüßung der Prüfungskommission. Die namentliche Nennung jedes Einzelnen ist nicht erforderlich, sondern birgt nur die Gefahr eines Durcheinanderkommens. Der Vater des Klägers verstarb am 01.05.2001. Er hinterließ ein handgeschriebenes und unterschriebenes Testament vom 01.02.1988, mit dem er seine am 15.04.2014 nachverstorbene Ehefrau und Mutter des Klägers, Frau Else Müller, als Vorerbin, und den Kläger als Nacherben bestimmte. Die Mutter des Klägers veräußerte vor ihrem Tod das im Vermögen des Erblassers streitgegenständliche Hausgrundstück in der Musterstraße 10 in Bremen mit notariellem Kaufvertrag vom 10.03.2003 an die Beklagte. Die Auflassungserklärung erfolgte ebenfalls notariell. Die Beklagte wurde am 17.06.2003 in das Grundbuch eingetragen. Mit der am 02.09.2014 zugestellten Klage verlangt der Kläger die Zustimmung der Beklagten zu seiner Eintragung als Eigentümer in das Grundbuch. Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Bremen, Blatt 300, Erste Abteilung, dahin zuzustimmen, dass als Eigentümer der Kläger Nils Müller eingetragen wird. Der Kläger ist der Meinung, dass er als Nacherbe Eigentümer des Grundstücks geworden sei, mithin von der Beklagten die Grundbuchberichtigung verlangen könne. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte meint, dass die Mutter des Klägers noch zu Lebzeiten das Grundstück an die Beklagte habe übertragen können. Hilfsweise beruft sie sich auf die Einrede der Verjährung. Ich schlage vor, der Klage stattzugeben. Auf keinen Fall darf der Entscheidungsvorschlag vergessen werden. Weil es sich nur um einen Vorschlag handelt, darf auch ein nicht vollstreckungsfähiger Inhalt gewählt werden. Niemals darf es aber im Tenor selbst heißen, dass der Klage stattgegeben werde. Dem Kläger steht ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zu. Das Grundbuch ist nämlich unrichtig. Das ist der Fall, wenn die materielle Rechtslage von der formellen Rechtslage abweicht. Die formelle Rechtslage ergibt sich aus dem Grundbuch, wonach hier die Beklagte als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen ist. Tatsächlich ist aber der Kläger in materiell-rechtlicher Hinsicht Eigentümer. Ursprünglich war der Erblasser, der Vater des Klägers, Eigentümer. Dieses Eigentum ist zunächst durch Universalsukzession nach § 1922 BGB mit seinem Tod im Mai 2001 auf seine Ehefrau und Mutter des Klägers übergegangen. Der Erblasser hat ein Testament verfasst, und dabei die sog. Vor- und Nacherbschaft gemäß §§ 2100 ff. BGB gewählt. Das Testament ist auch nicht nichtig nach § 125 BGB, insbesondere formgerecht verfasst nach § 2247 BGB. Denn der Erblasser hat das Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben. Die Angaben von Zeit und Ort stellen nur Soll-Vorschriften dar, deren Einhaltung hier nicht bekannt ist, die Nichteinhaltung aber auch

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FALLBEARBEITUNG

nicht zwangsläufig zur Nichtigkeit führt, und hier auch nicht im Streit steht. Damit ist die Mutter des Klägers mit dem Tod des Vaters zur Vorerbin geworden. Sie hat zunächst wirksam gemäß §§ 873, 925 BGB das Grundstück auf die Beklagte übertragen. Denn insoweit war sie verfügungsbefugt, wie es sich aus § 2112 BGB ergibt. Denn bis zum Eintritt der Nacherbschaft bleiben jedenfalls alle Verfügungen wirksam. Allerdings regelt § 2113 I BGB u.a. für Grundstücke ein Verfügungsverbot. Danach wird die Verfügung eines Vorerben über ein zur Erbschaft gehörendes Grundstück im Falle des Eintritts der Nacherbfolge insoweit unwirksam, als sie das Recht des Nacherben vereiteln oder beeinträchtigen würde. Eine Verfügung ist jedes Rechtsgeschäft durch das die Rechtslage an einem Rechtsgegenstand unmittelbar geändert wird, wie durch Übertragung, Belastung, Aufhebung oder inhaltliche Änderung. Die Mutter hat als Vorerbin eine solche Verfügung durch die Grundstücksübertragung an die Beklagte getätigt. Mit ihrem Tod im April 2014 ist der Nacherbfall eingetreten, die Verfügung somit mit absoluter Wirkung unwirksam geworden. Insbesondere würde die Verfügung auch den Eigentumsübergang auf den Kläger vereiteln. Eine Befreiung von dieser Beschränkung nach § 2136 BGB ist nicht vorgetragen. Die Beklagte hat auch nicht gutgläubig gemäß §§ 2113 III, 892 BGB das Eigentum erworben. Zwar war sie gutgläubig, denn eine positive Kenntnis von der Nacherbschaft ist nicht vorgetragen. Einem Gutglaubenserwerb stand aber die Eintragung des Nacherbenvermerks im Grundbuch entgegen, wobei auch keine Befreiung von einer Beschränkung mit eingetragen war. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte Kenntnis von dem Nacherbenvermerk hatte oder nicht. Vielmehr reicht der abstrakte Eintrag als solches um einen Gutglaubenserwerb zu verhindern. Eine Verjährung des Anspruchs ist nicht eingetreten. Unabhängig davon, dass gemäß § 898 BGB Berichtigungsansprüche nicht der Verjährung unterliegen, ist der Anspruch ohnehin erst mit dem Tod der Mutter in 2014 entstanden und wäre selbst bei unterstellter Verjährungsmöglichkeit nicht verjährt. Der Klage ist damit stattzugeben. Ich schlage folgenden Hauptsachetenor vor: Die Beklagte wird verurteilt, der Berichtigung des Grundbuchs des Amtsgerichts Bremen, Blatt 300, Erste Abteilung, dahin zuzustimmen, dass als Eigentümer der Kläger Nils Müller eingetragen wird. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

genserhalt) in Abgrenzung zur Voll- und Schlusserbschaft sollte bekannt sein. Setzt der Erblasser z.B. seine Frau als Alleinerbin und nach ihrem Tod den gemeinsamen Sohn als Erben ein (ggf. in Form des Berliner Testamentes), ist die Folge, dass das Vermögen des Erblassers nach seinem Tod mit dem Vermögen seiner Frau verschmilzt, sie also eine Vermögensmasse besitzt, die sie an den gemeinsamen Sohn weitervererbt. Im Rahmen der Vor- und Nacherbschaft bleibt das Vermögen des Erblassers auch nach seinem Tod getrennt von dem seiner Frau. Der Sohn erbt also zwei Vermögensmassen nach dem Tod seiner Mutter, nämlich die des Vaters und die der Mutter. Diese verschmelzen erst jetzt mit dem Vermögen des Sohnes zu einer Vermögensmasse. Im Rahmen des Sachenrechts könnten verjährungsrechtliche Probleme Gegenstand von weiteren Fragestellungen sein, insbesondere zu § 898 BGB. Denn es ist nicht unumstritten, ob - entgegen des Wortlautes - der Berichtigungsanspruch auch dann nicht der Verjährung unterliegt, wenn der der Eintragung zu Grunde liegende materielle Hauptanspruch verjährt ist. So wird vertreten, dass der Berichtigungsanspruch dann verjährt, wenn etwa der Anspruch des wahren Eigentümers aus § 985 BGB verjährt ist. Beispiel: Vermietet der Bucheigentümer das Grundstück an einen Dritten, hätte der wahre Eigentümer gegen den Dritten einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB. Ist dieser Herausgabeanspruch verjährt, wäre nach dieser Auffassung auch der Berichtigungsanspruch verjährt. Nach h.M. ist diese Auffassung aber abzulehnen. Die Regelung in § 898 BGB ist eindeutig. Aber: Sollte der Bucheigentümer das Grundstück selbst besitzen, ist an § 900 BGB zu denken. Dieser ersitzt das Grundstück als Eigenbesitzer nach 30 Jahren und wird damit Eigentümer. Dann aber ist das Grundbuch gerade nicht mehr unrichtig, sondern richtig. § 894 BGB greift dann nicht mehr, was letztendlich kein verjährungsrechtliches Problem mehr darstellt. Ggf. könnte erörtert werden, dass die Nichtverjährbarkeit nicht auch die Verwirkungsmöglichkeit ausschließt. Prozessrechtlich bietet sch für den vorliegenden Fall an, auf die Möglichkeiten einzugehen, schriftlich zu entscheiden. So etwa im Rahmen von § 495a ZPO (der nur für die Amtsgerichte gilt) oder der hier verfügte § 128 II ZPO (auch für Landgerichte anwendbar, unabhängig vom Streitwert, wenn die Parteien zustimmen). Auch § 894 ZPO, der Besonderheiten bei Willenserklärungen zum Zwecke der Eintragung ins Grundbuch bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen regelt, könnten zu Nachfragen verleiten.

Mit dem „Dank für die Aufmerksamkeit“ ist nicht nur ein höflicher Abschluss gewählt, sondern auch klargestellt, dass der Aktenvortrag beendet ist. Ein Schweigen führt meistens zu unnötigen Unklarheiten, ob der Kandidat noch überlegt oder seinen Vortrag beendet hat. III. Weiterführende Hinweise

Sollten anschließende Gespräche stattfinden, bietet sich bei diesem Fall eine Vertiefung des Erbrechts oder des Sachenrechts an. Im Rahmen des Erbrechts wäre an die weiteren Verfügungsbeschränkungen aus § 2113 BGB zu denken, insbesondere an die grds. nicht möglichen unentgeltlichen Verfügungen aus § 2113 II BGB. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu denken, dass eine Befreiung von dieser Verfügungsbeschränkung nicht möglich ist. Dies ergibt sich daraus, dass § 2136 BGB nicht auf § 2113 II BGB, sondern nur auf § 2113 I BGB Bezug nimmt. Auch der Sinn und Zweck der Vor- und Nacherbschaft (Vermö-

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HINTERGRUNDWISSEN

Praktische Steuer-Tipps für Referendare von Sascha Rüegg und Jan Dworog

Dipl.-Jur. Sascha Rüegg, Jahrgang 1985, hat an der Universität Osnabrück Rechtswissenschaften studiert und hat im Dezember 2014 sein zweites Staatsexamen am OLG Braunschweig abgelegt. Er ist derzeit Richter auf Probe im Bezirk des OLG Braunschweig.

Dipl.-Jur. Jan Dworog, LL.M. (Taxation), Jahrgang 1986, promoviert zur Zeit im Steuerrecht und arbeitet nebenher am Institut für Finanz- und Steuerrecht in Osnabrück.

oder Gewinne erwirtschaftet werden, gelten diese als Einkünfte aus Kapitalvermögen und werden seit dem 1. Januar 2009 gem. § 32d EStG pauschal mit 25 Prozent besteuert. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag5 und die unter Umständen anfallende Kirchensteuer6, so dass die Gesamtbelastung auf Kapitalerträge bei 26,38 Prozent bzw. bei 28 Prozent liegt. Bei dieser sogenannten Kapitalertragssteuer handelt es sich um eine besondere Form der Einkommensteuererhebung, welche in der Regel mit Ablauf des Jahres direkt von der Bank an das Finanzamt abgeführt wird („Quellensteuer“). Da mit dem Abzug der Kapitalertragssteuer in vielen Fällen durch Erledigung der Besteuerung eine abgeltende Wirkung eintritt, wird diese Steuer auch teilweise synonym als Abgeltungssteuer7 bezeichnet.

A. Einleitung

Wer nicht bereits neben dem Studium eine Tätigkeit als Hilfskraft an der Universität oder eine andere geringfügige Beschäftigung zur Aufbesserung des oftmals mageren Monatsbudgets ausgeübt hat, wird wohl erst mit der Aufnahme des Referendariats zum ersten Mal mit einem steuerpflichtigen monatlichen Einkommen konfrontiert werden. Nachdem auch Thüringen als letztes Bundesland den Status „Beamter auf Widerruf “ für Referendare im März 2016 abgeschafft hat, stehen Referendare nun in allen Bundesländern in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis und erzielen mit der Tätigkeit bundesweit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Vielen eröffnen sich mit Beginn dieses neuen Lebensabschnitts zahlreiche Fragen rund um das Thema Steuern, die mangels vorheriger Beschäftigung mit diesem Thema oftmals unbeantwortet bleiben. Dieser Beitrag soll dem Referendar grundlegende Begriffe erläutern und praxistaugliche Tipps bei den relevanten Einkunftsarten geben. B. Steuerpflicht und Einkunftsarten I. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit

Der Referendar1 ist gem. § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als natürliche Person in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, soweit der Wohnsitz2 oder der gewöhnliche Aufenthalt3 im Inland liegt. Als Angestellter in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis wird monatlich wiederkehrend ein Gehalt gezahlt und damit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gem. §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG erzielt. Als eine Form der Erhebung der Einkommensteuer wird diese Steuerpflicht vorerst durch den Lohnsteuerabzug4 seitens des Arbeitgebers erfüllt, bevor er den Netto-Lohn an den Arbeitnehmer auszahlt. Einzelheiten zur Art und Höhe der Abzüge kann der monatlichen Gehaltsmitteilung entnommen werden. II. Einkünfte aus Kapitalvermögen 1. Allgemeines

Neben den genannten Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit sind auch noch andere Einkunftsarten für den Referendar von praktischer Relevanz. So haben viele ein Sparbuch bei der Bank, ein Tagesgeldkonto oder Wertpapiere wie Aktien oder Fonds. Soweit mit diesen Formen der Geldanlage Zinsen erzielt 1 2 3 4

Zur Vereinfachung steht das Wort „Referendar“ stellvertretend für die männliche, als auch für die weibliche Form. Zum Begriff des Wohnsitzes vgl. Rauch, in: Blümich, EStG, 131. Erg.-Lfg. 2016, § 1, Rn. 145 ff. Zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes vgl. Rauch, in: Blümich, EStG, 131. Erg.-Lfg. 2016, § 1, Rn. 160 ff. Zum elektronischen Lohnsteuerverfahren ab dem 01.01.2013 vgl. Hartmann, DStR 2013, 10ff.

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2. Sparer-Pauschbetrag und Freistellungsauftrag

Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gilt zu berücksichtigen, dass jeder Steuerpflichtige einen steuerfreien Sparer-Pauschbetrag in Höhe von insgesamt 801 Euro (Verheiratete 1.602 Euro) hat, § 20 Abs. 9 EStG. Diesen kann er durch Erteilung von Freistellungsaufträgen gegenüber seinem jeweiligen Kreditinstitut mit der Folge geltend machen, dass gem. § 44a Abs. 1 Nr. 1 EStG Einkünfte aus Kapitalvermögen bis zur genannten Höhe grundsätzlich nicht steuerpflichtig sind und kein Steuerabzug stattfindet. Ein Freistellungsauftrag hat also den Zweck, dass das Kreditinstitut auf Erträge aus Kapitalvermögen bis zur Höhe des Freibetrages von vornherein keine Kapitalertragssteuer abzieht und an das Finanzamt abführt. Solange die Zinsen und Erträge die Höhe des gesetzlichen Pauschbetrages nicht überschreiten, besteht die Möglichkeit, den Freibetrag auf verschiedene Kreditinstitute aufzuteilen. Zuweilen mag es vorkommen, dass man einem Kreditinstitut keinen Freistellungsauftrag erteilt hat, obwohl der Freibetrag dort insgesamt noch nicht ausgeschöpft ist. In diesen Fällen wird die Kapitalertragssteuer samt Solidaritätszuschlag direkt „an der Quelle“, d.h. bei bzw. von der Bank abgezogen und man kommt zunächst nicht in den Genuss des Freibetrages. Will sich der Steuerpflichtige diese abgezogene Steuer am Ende des Veranlagungszeitraumes nun vom Finanzamt zurückholen, so bleibt ihm nichts anderes übrig, als eine Steuererklärung abzugeben. Jeder Kunde eines Kreditinstituts erhält nach Ablauf des Kalenderjahres für seine Geldanlagen eine Jahressteuerbescheinigung mit Angaben zur Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen und der abgeführten Steuer. Diese Angaben müssen bei der Einkommensteuererklärung in der Anlage KAP angegeben werden. Zudem sollte die Steuerbescheinigung der Steuererklärung als Nachweis beigefügt werden. Soweit die Einkünfte im Ergebnis tatsächlich unterhalb der Schwelle von 801 Euro liegen, wird die eingezogene Kapitalertragssteuer anhand der angegebenen Daten dem Steuerpflichtigen nach der Steuerveranlagung zurückerstattet. In diesem Fall ist es somit ratsam sich keineswegs mit dem Steuerabzug abzufinden und sich über das Versäumen des Freistellungsauftrages zu ärgern. Stattdessen lohnt die Abgabe einer Steuererklärung, in dessen Nachgang in der Regel eine Erstattung erfolgt.

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Der Solidaritätszuschlag beträgt gem. § 4 des Solidaritätszuschlaggesetzes 5,5 Prozent der Bemessungsgrundlage (Lohn- bzw. Kapitalertragssteuer). Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer ist die Lohnsteuer. Die Höhe richtet sich nach den landesgesetzlich festgelegten Kirchensteuerhebesätzen. Bis auf Baden-Württemberg und Bayern mit 8 Prozent, liegt der Hebesatz bundesweit in 2015 bei 9 Prozent. Zur Abgeltungssteuer vgl. Sprengel/Ernst, DStR 2008, 835ff.

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C. Nettoprinzip im Einkommensteuerrecht

Grundlegendes Prinzip bei der Besteuerung in Deutschland ist das in der bereichsspezifischen Anwendung von Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerte Leistungsfähigkeitsprinzip.8 Demnach hat sich die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen zu orientieren.9 Praktische Folge dieses Postulats ist ein besonderes Berechnungsschema für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens10 als Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer. Dieses Leistungsfähigkeitsprinzip wird durch das in § 2 EStG verankerte objektive und subjektive Nettoprinzip11 konkretisiert. Demnach sind von der Summe der erzielten Einkünfte bestimmte Beträge zu subtrahieren bzw. zu addieren. Steuerbar sollen nur solche Einkünfte sein, die für den Steuerpflichtigen disponibel sind.12 Nach dem objektiven Nettoprinzip (§ 2 Abs. 2 EStG) sind Einkünfte nur dann im Rahmen der Einkommensteuerpflicht zu erfassen, soweit sie dem Steuerpflichtigen nach Abzug der erwerbsbedingten Aufwendungen verbleiben. Das subjektive Nettoprinzip (§ 2 Abs. 4 und 5 EStG) gewährleistet hingegen den Abzug aller existenzbedingten privaten Ausgaben.13 Hierzu zählen die Sonderausgaben nach §§ 10, 10a EStG und die außergewöhnlichen Belastungen nach §§ 33ff. EStG. Sonderausgaben sind beispielsweise Unterhaltsleistungen, Kinderbetreuungskosten (anteilig) oder auch Beiträge zur Kranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung. Als außergewöhnliche Belastungen können Krankheits- oder Scheidungskosten abgesetzt werden. D. Werbungskosten

Entsprechend dem objektiven Nettoprinzip sind die Werbungskosten als erwerbsbedingte Aufwendungen von den tatsächlich erzielten Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit abzuziehen. Auf Grund der daraus resultierenden Verringerung des zu versteuernden Einkommens und der zu zahlenden Steuer ist der Werbungskostenabzug auch für den Referendar von praktischer Relevanz. Zur Vereinfachung der Steuererhebung für die Finanzverwaltung steht dem Steuerpflichtigen ähnlich der Regelung zum Sparer-Pauschbetrag (s.o.) ein Werbungskostenpauschbetrag in Höhe von 1.000 Euro im Veranlagungszeitraum zu, § 9a Satz 1 Nr. 1 a EStG. Ohne dass dem Steuerpflichtigen tatsächlich Aufwendungen in dieser Höhe entstanden sind und er diese nachweisen muss, wird der Pauschbetrag gewährt und tritt als Durchschnittswert an die Stelle einer aufwändigen Ermittlung individueller Aufwendungen. Sollten die tatsächlichen Ausgaben unterhalb dieses Betrages liegen, so schadet das also nicht. In diesem Fall ist es nicht notwendig Rechnungen oder Belege aufzubewahren und mit der Steuererklärung abzugeben. Sollten die tatsächlichen Ausgaben jedoch über 1.000 Euro im Kalenderjahr liegen, so lohnt die Abgabe einer Steuererklärung und die Geltendmachung der Werbungskosten. Hierfür muss der Steuerpflichtige anhand von Belegen (z.B. Quittungen) nachweisen, dass die tatsächlich angefallenen Werbungskosten über diesem vorgenannten Freibetrag liegen. Bei dem Kauf eines Computers ist dieser Betrag schnell erreicht. Welche Ausgaben im Einzelnen abzugsfähig sind, formuliert das Gesetz in § 9 8 9 10 11 12 13

Vgl. Koenig, in: Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl. 2014, § 3, Rn. 75 m.w.N. St. Rspr. BVerfG, Urt. v. 10.02.1987 -1 BvL 18/81 u.a. - BVerfGE 74, 182ff; auch Osterloh/Nußberger, in: Sachs, 7 Aufl. 2014, Art. 3, Rn. 134 m.w.N. Das amtliche Schema zur Ermittlung des zu versteuernden Einkommens findet sich in der Einkommensteuer-Richtlinie 2014 zu § 2 EStG. Vgl. eingehend BFH, Vorlagebeschl. v. 10.01.2008 - VI R 17/07 -, DStR 2008, 188 m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 04.12.2002 -2 BvR 400/98 u.a.-, DStR 2003, 633 ff; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. 2015, § 3, Rn. 72, 121 ff. Vgl. Kube, in: BeckOK, GG, Ed. 30, 2016, Art. 105, Rn. 7 m. w. N. BVerfG, Beschl. v. 08.06.2004 -2 BvL 5/00-, BVerfGE 110, 412/433f.

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EStG. Im Folgenden sollen einige für das Referendariat typischen Aufwendungen als Werbungskosten dargestellt werden: I. Arbeitsmittel

Besonders relevant sind die Kosten für Arbeitsmittel. Unter den Begriff fallen alle Wirtschaftsgüter, die im Rahmen der Erzielung von Einkünften verwendet werden. Dazu gehört beispielsweise der Computer samt Zubehör wie Drucker, Monitor oder die externe Festplatte. Die steuerliche Behandlung ist so ausgestaltet, dass die Kosten im Jahr der Anschaffung nicht in voller Höhe als Werbungskosten abgezogen werden dürfen. Der Kaufpreis muss vielmehr über die Jahre der Nutzung14 verteilt werden, man spricht hier von der Abschreibung. Eine Ausnahme davon machen die sogenannten geringwertigen Wirtschaftsgüter. Soweit die Anschaffungskosten für ein selbstständig nutzbares Wirtschaftsgut 410 Euro exkl. Umsatzsteuer nicht überschreiten, ist eine Sofortabschreibung der gesamten Kosten im Jahr der Anschaffung möglich. Selbstständige Nutzbarkeit ist dann gegeben, wenn das Wirtschaftsgut für sich allein gesehen dem Betrieb des Steuerpflichtigen dient.15 Dabei ist die technische Abstimmung zu anderen Wirtschaftsgütern des Betriebs ausschlaggebend, nicht bloß die wirtschaftliche Abstimmung. So ist beispielsweise ein Multifunktionsdrucker im Gegensatz zu einem Netzwerkdrucker selbstständig nutzbar, da Ersterer auch ohne den betrieblichen PC verwendbar ist. II. Telekommunikationskosten

Gebühren für das Internet, als auch die Kosten für den Telefonbzw. Mobilfunkvertrag können von der Steuer abgesetzt werden, wenn der private Telefonanschluss auch beruflich genutzt wird. Grundsätzlich ist es erforderlich, die berufliche Nutzung und dessen Umfang zu begründen. Arbeitnehmer, bei denen in der Regel berufsbedingt Telefon- und Internetkosten anfallen, können zur Vereinfachung jedoch für jeden Monat pauschal 20% des Rechnungsbetrages (max. 20 Euro) als Ausgaben absetzen. Diese pauschale Geltendmachung hat den Vorteil, dass einzelne Gesprächsoder Nutzungsnachweise nicht erforderlich sind. Als Nachweis genügt hier die Vorlage der Rechnungen beim Finanzamt. III. Häusliches Arbeitszimmer

Soweit das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit bildet oder dem Arbeitnehmer für seine Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, so können die Kosten für das Arbeitszimmer als Werbungskosten abgesetzt werden. Im letztgenannten Fall ist der Abzug jedoch auf maximal 1.250 € begrenzt. Den meisten Referendaren kann aus Platzgründen in den einzelnen Stationen kein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeit wird daher häufig von zu Hause erledigt. Insbesondere bei einer vom Referendar angemieteten Wohnung besteht dann die Möglichkeit, die anteilig auf das Zimmer entfallenen Aufwendungen geltend zu machen. Dazu gehören die Mietkosten, Mietnebenkosten, Heizungskosten, Stromkosten und auch Kosten für die Einrichtung. Einige Finanzgerichte haben auch die Kosten für eine eingerichtete Arbeitsecke in einem gemischt-genutzten Zimmer zum Abzug zugelassen. Die Höhe der Kosten ist anhand des prozentualen Anteils des Arbeitszimmers an der gesamten Wohnfläche (qm) zu ermitteln. Insbesondere bei Zimmen, die nicht nur von ei14 Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer hängt von der Art des Wirtschaftsgutes ab und ist der Zeitraum der Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der betriebstypischen Beanspruchung. 15 Vgl. Maier, in: Beck’sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, Ed. 2/15, Buchstabe G, „Geringwertige Wirtschaftsgüter“, Rn. 7.

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nem alleine oder nicht nur beruflich, sondern auch privat genutzt werden, ist es erforderlich den beruflichen Nutzungsanteil anzugeben.16 In diesem Fall sind die Kosten lediglich anteilig zu berücksichtigen. Diese Berechnungen können auf einem gesonderten Blatt als Anlage der Einkommensteuererklärung beigefügt werden. In die Erklärung selbst ist lediglich der Endbetrag zu nennen. IV. Reisekosten

Abziehbar sind Fahrtkosten, Verpflegungsmehraufwendungen, Übernachtungskosten und Reisenebenkosten, die im Zusammenhang mit einer beruflich veranlassten Auswärtstätigkeit entstanden sind. Im Referendariat treten solche Reisekosten insbesondere dann auf, wenn Seminare oder ähnliche offizielle Veranstaltungen des Arbeitgebers besucht werden. Auch die Kosten für eine Ausbildungsstation, die nicht am Wohnort liegt, sind meist abzugsfähig. Für die Ermittlung der abzugsfähigen Reisekosten sind insbesondere über den Zeitraum, den Anlass, das Reiseziel und etwaiger Kostenerstattungen vom Arbeitgeber Angaben zu machen, die gleichermaßen auf einem gesonderten Blatt als Anlage der Steuererklärung beigefügt werden sollte. V. Doppelte Haushaltsführung

Wer sich als Referendar nur zeitweise am Ort seiner Tätigkeit aufhält und nebenbei einen weiteren Haushalt außerhalb dieses Ortes führt, kann dadurch anfallende Mehraufwendungen bei der Steuererklärung geltend machen. Dafür muss der Referendar außerhalb seiner ersten Tätigkeitsstätte eine zusätzliche eigene Wohnung innehaben und finanziell unterhalten. Im Rahmen der doppelten Haushaltsführung können die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte angesetzt werden, höchstens jedoch 1.000 €. Zusätzlich sind auch Aufwendungen für eine sog. Familienheimfahrt pro Woche (der Weg von der ersten Tätigkeitsstätte zur Wohnung und zurück) absetzbar. V. Sonstige Aufwendungen

Als weitere grundsätzlich abzugsfähige Aufwendungen kommen Kosten für typische Dienst- oder Arbeitskleidung17 wie zum Beispiel die Robe für den staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst in Betracht. Ebenfalls abzugsfähig sind Bewerbungskosten wie Bewerbungsbilder, Bewerbungsmappen und das Porto. Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (Entfernungspauschale) können abgezogen werden, soweit die Voraussetzungen der Rechtsprechung und Finanzverwaltung erfüllt werden.18 Umzugskosten können als Werbungskosten geltend gemacht werden, wenn der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist und private Gründe keine oder nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen.19 Besonders relevant sind auch Ausgaben für Fachliteratur (z.B. Lehrbücher, Gesetzestexte, Ergänzungslieferungen) und Büro- und Arbeitsmaterialien (z.B. Druckerpapier, Mappen, Briefumschläge). Schließlich zählen auch Kosten für ein Repetitorium oder ein Seminar zur Prüfungsvorbereitung zu den abzugsfähigen Werbungskosten.

16 Ausführlich zum häuslichen Arbeitszimmer BMF-Schreiben vom 02.03.2011, IV C 6-S 2145/07/10002, DStR 2011, 473. Danach ist eine untergeordnete Privatnutzung (