Wenn das Netz über den Job entscheidet - BFFT

der Headhunter, der Rieser von einem großen Automobilzuliefe- rer zu einem anderen abwerben wollte. Er handelte sich Bedenk- zeit aus und landete kurze ...
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14  Spezial: Karriere  25. August 2014· Automobilwoche 17/18

Wenn das Netz über den Job entscheidet Jeder vierte Arbeitnehmer liest Unternehmensbewertungen – Konzerne finden auf Onlineportalen junge Talente Agnes Vogt Automobilwoche, 25.8.2014

München. Vor ein paar Tagen klingelte Dominik Reisers Handy. Ein Herr machte dem 31-Jährigen Ingenieur ein Angebot: Mehr Verantwortung sollte er bekommen und neue Strukturen etablieren. „Die Konkurrenz will Sie“, sagte der Headhunter, der Rieser von einem großen Automobilzulieferer zu einem anderen abwerben wollte. Er handelte sich Bedenkzeit aus und landete kurze Zeit später im Netz auf Homepages von Kununu, Jobvoting und MeinChef.de. Rieser ist ein typischer Nutzer von Jobbewertungsportalen: Er ist um die 30 Jahre alt, hat einen Hochschulabschluss und ist berufstätig. So wie er wollen auch viele andere möglichst viel über ihren künftigen Arbeitgeber erfahren. Eine Bitkom-Studie bestätigt das: Jeder vierte Internetnutzer liest Bewertungen von Arbeitgebern im Netz und macht davon seine Jobentscheidung abhängig.

Top Ten Die beliebtesten Unternehmen in der Automobilindustrie Punkte (max.5) Unternehmen BFFT Fahrzeugtechnik 4,27 Volkswagen 4,05 Porsche 3,95 Audi 3,89 IAV 3,88 BMW-Gruppe 3,88 Daimler 3,83 ZF Friedrichshafen 3,78 Ford-Werke 3,67 Brose 3,61 Quelle: kununu.com

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BFFT Fahrzeugtechnik auf Kununu.com: Am zufriedensten sind die Mitarbeiter bei diesem Unternehmen in Ingolstadt (s. Tabelle links). Darum boomen Portale wie Kununu, der klare Marktführer hierzulande: Zwei Millionen User aus dem deutschsprachigen Raum besuchen die Seite monatlich. Vor sieben Jahren, als die Österreicher Martin und Mark Poreda Kununu als Hobby-Projekt gründeten, war das noch anders. Mittlerweile aber verdienen sie Geld mit ihrer Idee, dass Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber anonym im Netz nach Gleichberechtigung, Kollegenzusammenhalt, dem Verhalten der Vorgesetzten oder der Work-Life-Balance bewerten können (Tabelle rechts). Ähnlich wie bei Kununu läuft die Bewertung auch bei Jobvoting oder für Praktikanten auf der Seite meinpraktikum.de ab. Bewertet ein Mitarbeiter seinen Arbeitgeber erstmalig, ist das Unternehmen registriert. Dann können sich Kollegen und Ehemalige der Bewertung anschließen. Fünf ist die Top-Punktzahl, null ist nichts. Die Nutzer können aber auch Texte schreiben. Kraftausdrücke, firmeninterne Daten oder der Name

des Chefs sind Tabu – anders als bei meinChef.de. Marktführer Kununu sieht MeinChef.de und Portale wie BizzWatch oder Jobvoting nicht als ebenbürtige Konkurrenten. „Deren Bewertungszahlen liegen höchstens bei 20.000 gegenüber unseren 658.000“, sagt die Kununu-Sprecherin. Dass bei Bewertungsportalen die Nutzerzahl entscheidend ist, weiß auch Reiser. Darum vertraut er der Rubrik Automobil/Automobilzulieferer von Kununu, ob-

Bewertungen auf Jobportalen: Mitarbeiter können ihre Untnternehmen nach Punkten bewerten oder sie in Beiträgen kritisieren.

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wohl ihm klar ist, dass dort auch notorische Nörgler das Wort ergreifen. Derzeit kann Reiser 7749 Bewertungen zu 960 Unternehmen in dieser Branche einsehen. Über 6,9 Millionen Mal wurden sie mittlerweile aufgerufen. Die Bewertungsportale sind ein Trend, dem sich viele Unternehmen nicht mehr verschließen. Bei Kununu können sie für 395 Euro im Monat ihre Seite mit Unternehmensinfos oder Fotos vom Arbeisalltag bestücken und auf offene Stellen hinweisen. Bewertungen beeinflussen können sie selbst aber nie, sondern lediglich Stellungnahmen abgeben. Auch Daimler macht das. Der Hersteller sieht den Schritt auf das Portal als „logische Konsequenz“ und erklärt: „Wir stellen genau da die Informationen zu unseren Einstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung, wo sich unsere Zielgruppe ein Bild über unser Unternehmen verschafft.“ Antje Maas, Leiterin des Personalmarketings bei Audi, bestätigt diese Linie: „Transparenz ist heute von großem Vorteil. Aus gebündeltem Feedback lässt sich deutlich mehr Verbesserungspotenzial schöpfen als aus Einzelmeinungen. Fundiertes

Kollegen Zählen Was Mitarbeitern in der Autobranche wichtig ist Branche Automobil / Punkte Automobilzulieferer (max.5) Vorgesetztenverhalten 2,92 Kollegenzusammenhalt 3,49 Interessante Aufgaben 3,32 Arbeitsatmosphäre 3,06 Kommunikation 2,88 Gleichberechtigung 3,17 Karriere/Weiterbildung 2,82 Gehalt/ Benefits 3,07 Arbeitsbedingungen (Räume, ...) 3,09 Work-Life-Balance 2,97 Image 2,97 Umgang mit Kollegen 45+ 3,27 Umwelt-/Sozialbewusstsein 3,05 Branchen-Durchschnitt gesamt: 3,08 Quelle: kununu.com

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Feedback behalten wir um Blick und werten es aus.“ Die Bewertungsportale finden in der Branche zunehmen Beachtung, manche Konzerne werben sogar mit Plakaten in der Kantine oder im Intranet für Online-Bewertungen der Mitarbeiter. „Die digitale Gesellschaft hat die Arbeitswelt maßgeblich verändert. Unternehmen müssen diesen Anforderungen nachkommen und sich bestmöglich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren“, sagt Florian Mann, Kununu-Geschäftsführer. Ein paar Wochen nach dem Anruf hat sich Dominik Reiser entschieden. Er will wechseln. Wegen der Portale? „Nicht direkt. Aber die Bewertungen haben mir bei der Entscheidung geholfen.“

Opel übernimmt Zeitarbeiter Rüsselsheim/Eisenach. Opel bietet mehr als 100 Leiharbeitern an den Standorten Rüsselsheim und Eisenach Festanstellungen an. „Wir setzen Zeitarbeit schon immer nur sehr reduziert ein, um flexibel zu sein. Jetzt ist der Bedarf da“, erklärt Opels Personalvorstand Ulrich Schumacher. „Die Einstellungen sind ein wichtiger Schritt, um unseren Wachstumskurs erfolgreich fortsetzen zu können.“ Die Opel-Geschäftsleitung und der Betriebsrat haben eine entsprechende Betriebsvereinbarung geschlossen. Der Rüsselsheimer Autohersteller will zudem die rund 300 Auszubildenden, die ihre Lehre im Jahr 2014 oder 2015 abschließen, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernehmen. 60 ehemalige Auszubildende, die noch befristet beschäftigt sind, erhalten ebenfalls einen festen Arbeits­ vertrag. „Die Festanstellungen waren aus unserer Sicht dringend er­ forderlich“, sagt Opels Gesamt­ betriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug. Sie seien „aber auch ein Zeichen dafür, dass Opel wieder auf einem guten Weg ist“. Pia Krix