vietnam: „wir geben unseren glauben niemals auf!“ - HMK - Hilfe für ...

weiteren Schläge ließ keine Zweifel: die Angreifer meinten es ernst. Es schien ihnen auch nichts auszumachen, dass es. Frauen waren, die sie verprügelten.
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Informationen über verfolgte Christen in aller Welt

Nr. 01/2015 47. Jahrgang

DEUTSCHLAND Die BibelleseBewegung 2015

SUDAN Erneut Kirchen niedergerissen

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PAKISTAN & KOLUMBIEN Die Schicksale der Märtyrer-Familien

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VIETNAM: „WIR GEBEN UNSEREN GLAUBEN NIEMALS AUF!“

BERICHT

„WIR GEBEN UNSEREN GLAUBEN NIEMALS AUF!“ VIETNAM

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berfälle, Folter, Verhaftungen – Vietnams Christen werden massiv bedrängt, aber das macht sie nur noch stärker.

Der erste Schlag, der Hue am Kopf traf, war so heftig, dass sie schier bewusstlos wurde. Die Brutalität der weiteren Schläge ließ keine Zweifel: die Angreifer meinten es ernst. Es schien ihnen auch nichts auszumachen, dass es Frauen waren, die sie verprügelten. Wie besessen schlugen sie auf ihre Opfer ein – bis die jungen Bibelschul-Studentinnen um ihr Leben fürchteten. Immer wenn Hue an diese Nacht des Terrors denken muss, wird sie unweigerlich von Weinkrämpfen geschüttelt. Der Angriff auf die mennonitische Bibelschule in Ho-Chi-MinhStadt begann etwa um elf Uhr nachts am 9. Juni 2014. Hundert Sicher­heitskräfte stürmten in das Gebäude, während schätzungsweise 300 Polizisten davor in Bereitschaft standen. Sie warteten nur darauf, die Studenten und Pastoren zum Verhör zu bringen.

Rote Fahne mit Hammer und Sichel in Ho-Chi-MinhStadt: Die Kommunistische Partei beansprucht, die Interessen des ganzen Volkes zu verkörpern. Für eine Opposition ist in Vietnam kein Platz.

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Bibelschüler beim Studium des Evangeliums: Die Menschen sind arm, und ihr Leben ist hart. Dank einer missionarischer Initiative kann eine Bibel für umgerechnet acht Cent erworben werden. Für Arme ist sie gratis.

Sechsundsiebzig Pastoren befanden sich damals in den Seminarräumen. Sie wurden von den Polizisten gezwungen, ihre Hemden auszuziehen und die Arme hinter dem Kopf zu verschränken. Dabei wurde ständig auf sie eingeprügelt. So versuchten die Angreifer ihre Opfer einzuschüchtern.

„Wir werden nicht aufhören, Gott zu loben“ Für Anh, eine andere Bibelschülerin, war es das erste Mal, dass sie Verfolgung erlebte. „Ich war so erschrocken, dass ich sofort anfing zu beten. Ich erinnerte mich an die Worte des Herrn, keine Angst zu haben. Denn die Feinde können nur den Körper töten, aber nicht die Seele. Ich begann zu singen und lobte Gott. Da schlugen sie mich noch mehr und schleppten mich zur Polizeistation. Aber ich habe nur noch lauter gesungen, so dass sie mich schließlich ohrfeigten. Dabei spotteten sie: `Wo ist dein Gott jetzt? ' Ich sagte nur: Ihr müsst Buße tun wegen eurer bösen Taten.“

Als die Aggressoren den Aufenthaltsraum der Frauen erreichten, jagten sie die Christinnen mit lautem Geschrei heraus. Dann stießen sie die Frauen die Treppe hinunter. Hue sah, wie dabei einer der Männer einem Mädchen mit dem Fuß gegen den Kopf trat.

„Ich hatte sehr starke Schmerzen. Noch heute tut mir mein Ohr weh und ich kann schwer hören. Und mein Kiefer ist derart verletzt, dass ich nicht einmal Reis richtig essen kann. Aber trotz allem - ich werde nicht aufhören, Gott zu loben.“

„Wir haben versucht, freundlich zu ihnen zu sein. Aber das hat sie nur noch aggressiver gemacht“, erzählt Hue. „Eine Glaubensschwester wurde von vier Männern gleichzeitig angegriffen. Sie drohten ihr, sie gegen die nächstbeste Wand zu schmettern. Wir flüsterten einander zu, ruhig Blut zu bewahren und beteten leise.“

Der Rektor der Bibelschule, Pastor Nguyen Hong Quang, kennt solche Überfälle. Er war es, der die Studenten und Pastoren ermutigte zu singen und zu beten – sehr zum Ärgernis der Polizisten. Sie befahlen den Christen, mit dem Singen aufzuhören – sonst würden sie noch mehr geschlagen. Viele Tapfere san-

HINTERGRUND BERICHT

Die Bibelschülerinnen wurden von den Polizisten buchstäblich grün und blau geschlagen. Links: Hues Gesicht ist geschwollen. Rechts: Anh wurde fast der Kiefer gebrochen.

gen weiter, während die Knüppel auf sie niederdonnerten. Andere knieten nieder und beteten still. Brutale Schläge aus dem Nichts Pastor Quang wurde in einen abgedunkelten Raum geschubst und so schwer geschlagen, dass er zwei Zähne verlor. Es war mittlerweile Pastor Quang wurden zwei Zähne ausgeschlagen 1 Uhr morgen; aber immer noch gab es keine Erklärung für den Angriff der Polizei. Dann rollten LKW heran und die Gläubigen wurden aus dem Gebäude getrieben. Draußen warteten die Aggressoren mit Knüppeln - für einen schmerzhaften Spießrutenlauf der Christen.

derzuschreiben. Schließlich kamen die Christinnen frei und kehrten zurück in die Bibelschule.

„Ich hatte Schwierigkeiten und die Partei konnte mir nicht helfen. Aber Jesus half mir. Was sollte ich nun anderes tun, als IHM zu dienen?" Ehemaliger kommunistischer Beamter aus Vietnam, der Christ geworden ist.

„Wir wussten aber nicht, wo die Männer abgeblieben waren“, berichtet Kim. „Wir warteten sehnsüchtig auf eine Nachricht. Uns taten alle Gliedmaßen weh und wir waren sehr verwirrt.“

„Verfolgung bringt mich näher zu Gott“ Partner der HMK fragten die jungen Studenten, ob die Erfahrung dieser Horror-Nacht zu einem anderen Verständnis dessen geführt habe, was Verfolgung wirklich Auf der Polizeistation wurden Frauen und Männer getrennt. „Sie schoben uns in einen Raum, der völlig China bedeutet. Die Antworten waren sehr bewegend. dunkel war“, so Hue. „Wir tasteten nach den anderen „Als ich noch ein Mitgefangen und hielten uns gegenseitig fest,Myanmar aus Laos VIETNAM Kind war, sah ich Angst, was als nächstes kommen würde. Plötzlich zum ersten Mal, wie bemerkten wir, dass die Tür geöffnet und wieder gedie Polizei Mitglieder schlossen wurde und wir konnten Bewegung hören. der Kirchengemeinde Irgendjemand war im Raum. Die Schwester neben Thailand meiner Eltern mir schrie plötzlich auf. Sie war von hinten geschlaVIETNAM geschlagen haben“, gen worden. Dann spürte auch ich einen Schlag. Kambodscha erzählt Hue. „Ich war damals sehr erDie Aggressoren waren irgendwo in dem Zimmer schrocken, aber jetzt –und schlugen mit ihren Stöcken wahllos zu. Dann weiß ich, dass Verfolplötzlich hörte die Prügelei für einen Moment auf, gung Segen bringt. und es herrschte Stille. Wir wussten nicht, wo die Einwohner 90,8 Millionen, Regierungschef Premierminister Mich hat der jüngste Angreifer standen und wann sie das nächste Mal Nguyen Tan Dung, Übergriff näher zu zuschlagen würden. Es war entsetzlich. Wir hatten Religionen u.a.: Buddhisten Jesus gebracht.“ große Angst." 48,9%, Naturreligionen 10,3%, NHA TRANG

Christen 8,6%, Atheisten 6,9%

Einige Studentinnen fingen an, laut zu beten. Da ertönte eine Stimme in der Dunkelheit: „Hört auf zu beten oder wir werden euch töten!“ Dann wurde einer nach dem anderen aus dem Raum geholt und gezwungen, Namen sowie Anschrift nie-

Nach diesem Angriff der Polizei haben mich meine besorgten Eltern gefragt, ob ich nicht besser zu ihnen nach Hause kommen wolle. Aber ich sagte ihnen, dass ich bleiben und meinen Bibelkurs zu Ende machen wolle. Da waren sie sehr stolz auf mich und haben mich ermu7

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Fröhliche Gesichter nach der Horrornacht: die Bibelstudentinnen hören nicht auf, den Herrn zu loben.

tigt, mein Studium fortzusetzen. Mein Vater sagte mir: 'Wer Jesus von ganzem Herzen nachfolgt, muss bereit sein, verfolgt zu werden.

"Wenn wir wirklich beginnen, Gott zu dienen, müssen wir den Weg des Kreuzes gehen." Anh fügte hinzu: „Viele Leute hassen uns nur deshalb, weil wir Christen sind. Ich habe das schon in der Schule erlebt. Christen werden auf der ganzen Welt verfolgt und ich bete für meine Brüder und Schwestern, dass sie stark bleiben mögen im Glauben.“

Trotz Verfolgung: Immer mehr Vietnamesen lassen sich taufen. Besonders im ländlichen Bereich finden viele Menschen zum Glauben.

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Für den Schulleiter, Pastor Quang, war der Übergriff nur ein neuer Höhepunkt der diversen Attacken, die gegen ihn geführt wurden. 2004 wurde er erstmals inhaftiert. Als er auf Druck internationaler Proteste vorzeitig entlassen wurde, verlegten sich die Behörden auf eine andere Taktik. Staatliche Medien versuchten Pastor Quang mit Rufmordkampagnen moralisch zu erledigen. Als auch das nicht funktionierte, stand Quang im Dezember 2010 wieder im Visier der Staatssicherheit. Sein Haus, das zugleich Gemeindezentrum ist, wurde von einer gut 500 Mann starken Polizei- und Militäreinheit umstellt. Als Pastor Quang sich schützend vor seine 20 Bibelschüler stellte, denen die Verhaftung drohte, wurde er bewusstlos geschlagen.

Den Weg des Kreuzes gehen Obwohl die starke Einsatztruppe, nachdem sie Gemeindezentrum und Wohnhaus verwüstet hatte, Kameras und Mobiltelefone beschlagnahmte, konnte sie nicht verhindern, dass die Beweise ihres brutalen und absurden Vorgehens wenig später für alle sichtbar im Internet kursierten. Nach erneuter Inhaftierung wurde Pastor Quang einige Wochen später überraschend freigelassen. Freunde legten ihm nahe, zu emigrieren. Er lehnte ab und möchte auch nach der jüngsten Polizei-Aktion weiterhin in seinem Land für Gott und die Menschen arbeiten: „Wenn wir wirklich beginnen, Gott zu dienen, müssen wir den Weg des Kreuzes gehen“, sagt Pastor Nguyen. Und: „Eine Regierung, die Gewalt einsetzt, ist schon besiegt.“

Mutiger Anwalt Dai Unser Projekt-Partner in Vietnam ist der mutige Anwalt Dai. Obwohl er unter Beobachtung der Geheimpolizei steht, setzt er sich beharrlich für inhaftierte Christen ein.

Anwalt Dai vor der berüchtigten Haftanstalt Nam Ha. Dort musste er seine Strafe verbüßen – und unterstützt heute Christen, die dort unter unmenschlichen Bedingungen einsitzen.

Viele seiner Klienten hat Jurist Dai kennengelernt, als er selbst im Gefängnis saß. 2007 war der Christ zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Der Vorwurf: „Propaganda gegen die Sozialistische Republik Vietnam.“ Zur Zeit betreut Dai mit Hilfe der HMK 70 inhaftierte Christen, darunter viele Pastoren. Sie werden mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgt und seelsorgerisch betreut. Auch nach der Haftentlassung kümmert sich Dai um die Christen. Mit Hilfe des Mikro-Finanzierungsprogramms der HKM unterstützt er die Ex-Häftlinge bei der Suche nach Arbeit und Wohnung.