Vielfalt und Lebensraum am neuen Seitenarm – Ein Gewinn für ... - BKW

... den Fischen, weil diese mir – sie mögen es mir wegen meiner beruflichen ... Erste Veränderungen im Erscheinungsbild werden schon bald sichtbar werden.
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Renaturierungsfonds

Fonds pour la régénération des eaux

Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern (LANAT)

Office de l’agriculture et de la nature du canton de Berne (OAN)

Vielfalt und Lebensraum am neuen Seitenarm – Ein Gewinn für die Natur Daniel Bernet Fischereiinspektorat Bern, Bereichsleiter Seeland und Mitglied des kantonalen Renaturierungsfonds

Sehr geehrter Herr Regierungspräsident Sehr geehrte Herren Gemeindepräsidenten Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste

Die Aare vor dem Bauvorhaben Die Kanalisierung der Aare hat das einst imposante Gewässersystem gleichförmig und strukturarm gemacht. Dies trifft leider für einen Grossteil des Gewässers zu; von der Quelle bis zur Mündung in den Rhein. Um 1960 wurde die Aare auch im Gauchertspitz kanalisiert. Die Gleichschaltung von Systemen hat immer eine Verarmung zu Folge. Was sich wie ein Grundsatz aus der Wirtschaftslehre liest, trifft nicht nur für unser Menschengeschlecht zu. Nein, das gilt mit seiner ganzen Wirkung auch für Tiere und Pflanzen. Gleichschaltung und Monotonität fördert Generalisten, und schwächt Spezialisten. Das Verschwinden von Arten ist die Folge. Exemplarisch ist hier der Rückgang der Nasen (Chondostroma nasus) zu erwähnen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Nase eine der dominierenden Fischarten in unseren Flüssen. Heute ist sie vom Aussterben bedroht. Zur Laichzeit sammelten sich jeweils riesige Schwärme auf flach überströmten Kiesbänken. Weil die Nasen in solch grossen Mengen vorhanden waren, wurden die Fische sogar gefangen, um sie als Dünger zu den frisch gesetzten Kartoffeln beizulegen. Eine Handlung die heute unvorstellbar ist. Die Nase hat stark darunter gelitten, dass geeignete Kiesbänke als Laichuntergrund immer seltener wurden, dass durch die Wassernutzung und Gewässerbettstabilisierung die Fischwanderung unterbrochen wurde, und dass geeignete Flachwasserbereiche im Uferbereich für die Jungfische fehlten. Gestern waren es die Nasen, heute sind es die Äschen und bereits gibt es leise Anzeichen, dass es morgen die Barben sein könnten. Allen dieser drei Fischarten ist gemeinsam, dass sie Kieslaicher sind, und dass sie ausgedehnte Wanderungen zu ihren Laichgründe machen.

Gewässerlandschaft Gauchert gibt der Natur den Lebensraum zurück Allen ökologisch negativen Entwicklungsprozessen der letzten hundert Jahre zum Trotz hat die Aare ihr sehr grosses ökologisches Aufwertungspotenzial halten können; sozusagen auf Sparflamme. 20 der 37 vorkommenden Fischarten im Kanton Bern kommen im Bereich zwischen Niederried und Aarberg noch vor. Mit Lebensraumaufwertungen kann dieses schlummernde Potenzial zum Leben erweckt werden. Die Aussichten auf Erfolge stehen gut. Die Initianten und Förderer des Vorhabens haben daher vor gut 10 Jahren Weitsicht und ein gutes Gespür bewiesen, als sich die Gelegenheit eröffnete, am Gauchertspitz der Aare neuen Raum zu geben.

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Kernstück der Umgestaltung am Gauchertspitz ist der neue Seitenarm und die entstandene Insel. Mit dem Aushubmaterial für den Seitenarm wurde die neue Insel gestaltet oder es wurden für die Fische Kiesbänke geschaffen. Auf der Insel können sich mit der Zeit verschiedene Waldauentypen entwickeln. Auf der rechten Seite des neuen Seitengerinnes befindet sich ein unbefestigtes Prallufer. Hier dürfen natürliche Erosionsprozesse ablaufen. Auf der Unterseite der Kiesinsel wurden Raubäume eingelegt. Das Gauchertbächli wurde auf einer Länge von 80 m ausgedolt und an das neue Seitengerinne angeschlossen. In der Umgebung des Gauertbächlis sind mehrere Amphibienteiche angelegt worden. Landseitig wurde die Waldrandpartie entlang des Gauchertbächlis ökologisch aufgewertet: Es entsteht eine geschwungene Linienführung mit mehreren Einbuchtungen. Das Grasland zwischen Waldrand und Gauchertbächli wird extensiv genutzt. Es wurden Trocken- und Feuchtwiesen kleinräumig angelegt. Kurz: Es ist eine neue Gewässerlandschaft entstanden, mit dem Ziel kleinräumig ein buntes Gemisch an Lebensräumen und eine Vielfalt zu schaffen.

Eine Vielzahl von Tier- und Pflanzengruppen wird profitieren Aber wer profitiert den eigentlich von diesen Massnahmen? Das ist eine ganze Menge von verschiedensten Artengruppen. Ich beginne mit den Fischen, weil diese mir – sie mögen es mir wegen meiner beruflichen Ausrichtung nachsehen – am nächsten stehen: Fische brauchen Platz. Im letzten Jahrhundert sind durch Flussbegradigungen Tausende von Flusskilometern verschwunden. Dieser Lebensraum steht nicht mehr zur Verfügung. Dadurch ist auch die Fischmenge deutlich zurückgegangen. Mit dem neuen Seitenarm sind nun neu 370 m oder beinahe 1 ha neues Gewässer entstanden. Fische brauchen Vielfalt. Die Ansprüche der verschiedenen Fischarten sind sehr unterschiedlich. Schwimmstarke räuberische Fische, wie Forellen und Äschen, suchen schnelle, sauerstoffreiche Abschnitte, wie sie z.B. am Prallhangufer des Seitenarmes vorkommen; Andere Arten wie Rotaugen, Hecht und Brachsmen bevorzugen strömungsberuhigte, verkrautete Stellen, wie sie im unteren Teil der Kiesinsel vorkommen. Die Ansprüche an den Lebensraum ändern sich zudem im Verlaufe des Alters: Jungfische suchen langsam fliessende Bereiche, und Orte, wo sie sich ausserdem gut vor Räubern verstecken können, z.B. bei den Raubäumen. Ältere Fische suchen tiefere Stellen aus, um sich dort zu ernähren, z.B. entlang des Prallhangs. Daher ist bei Renaturierungsprojekten so zentral, dass vielfältige Lebensraumstrukturen entstehen. Je vielfältiger ein Gewässer, umso artenreicher ist es und umso mehr Fische kommen vor. Fische brauchen Kies: Lockerer Kies im Gewässer ist unverzichtbar. Er ist wichtig als Laichgrund und beherbergt eine Vielzahl von Wassertieren, die den Fischen als Nahrung dienen. In unseren Gewässern ist der Kiestransport aber vielerorts unterbrochen. Es gibt ein deutliches Defizit beim Kiesnachschub. Kiesbänke werden selten. Es ist daher symptomatisch, dass eine Vielzahl von Fischarten auf der Roten Liste Kieslaicher sind. Von den ausgedehnten Kiesschüttungen im Gauchert profitieren Forellen, Äschen, Nasen, Schneider, Bachneunaugen, Barben und Co.

Aber auch Vögel werden zukünftig günstige Lebensbedingungen vorfinden. Der Steilhang entlang des Seitenarms wird Nistmöglichkeiten für den Eisvogel bieten. Im Auenwald auf der Insel werden Pirol, Fitis und Turteltauben brüten. Die im Moment noch blanken Kiesflächen sind ideal für kiesbrütende Arten wie Flussuferläufer und Flussregenpfeifer. Der Biber profitiert von der neuen Gewässerlandschaft. Auf der Insel ist er ungestört und kann sich voll entfalten. Das wird sich noch verstärken, wenn in den nächsten Jahren zahlreiche Sträucher wachsen werden. Das Hermelin wird entlang des ausgedolten Gauchertbächli und entlang des Seitenarms auf die Pirsch gehen. Die neu angelegten Amphibientümpel sind auf die Bedürfnisse der gefährdeten und seltenen Laubfrösche und Gelbbauchunken ausgelegt. Der Gauchert befindet sich zudem an einer neuralgisch wichtigen Stelle. Er dient als Trittstein-Lebensraum auf der wichtigen Naturschutzachse zwischen Niederriedstausee und Alte Aare. Er wird seine Funktion als Verbindungsstandort einnehmen und dadurch die Stabilität und die Dauerhaftigkeit der Amphibienpopulationen entlang der Aare stärken.

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Libellen, Reptilien, Schmetterlinge, Heuschrecken und Spinnen profitieren von artenreichen vielfältigen Pflanzengesellschaften wie Feuchtwiesen, Halbtrockenrasen, Hochstaudenfluren, Pionierstandorten und guten strukturierten Waldrändern.

Vielfalt im Lebensraum – Symbiose in der Planung So wie nun die verschiedenen Tiere und Pflanzen den neuen Raum besiedeln, so war auch ein ausgesprochenes Miteinander in der Planung und Finanzierung des Vorhabens nötig. Um bei der Sprache der Naturkundler zu bleiben: Es war eine Art Symbiose nötig. Symbiose ist der biologische Ausdruck für die Vergesellschaftung von Individuen unterschiedlicher Arten, die für beide Partner vorteilhaft ist. Auch unter uns Planern und Investoren war es nötig, zusammenzuarbeiten und sich gegenseitig zu helfen. Wir haben uns ideell, finanziell und administrativ gut ergänzt. Nur durch diese Kombination war es möglich, ein solch grosses Vorhaben zu realisieren. Mit Annahme des Volksvorschlages für einen Renaturierungsfonds im Wassernutzungsgesetz hat das Stimmvolk dem Kanton einen klaren Auftrag erteilt: Flüsse, Bäche und Seen auf Kantonsgebiet sollen möglichst naturnah gestaltet oder in ihren natürlichen Zustand zurückversetzt werden. Der Renaturierungsfonds verfügt als Spezialfinanzierung über jährlich rund 4-5 Millionen Franken. Er unterstützt und entlastet Gemeinden und Private bei der Realisierung von Revitalisierungsprojekten. Zurzeit werden ca. 40-50 Projekte im Kanton Bern mit Geldern aus dem Renaturierungsfonds unterstützt. Diese Rolle hat der Renaturierungsfonds auch hier am Gauchert eingenommen. Von diesen zusätzlichen Beträgen aus dem Renaturierungsfonds profitieren die Wasserbauträger und die Bauherren, indem sie weniger grosse Restbeträge selber finanzieren müssen. Mit diesem Zustupf werden mehr Vorhaben realisiert und am Ende bleibt mehr Geld zur Verfügung, um weitere Wasserbauvorhaben in Angriff zu nehmen. Profitieren tut am Schluss die Natur. Sie wird es uns danken.

Der Gewässerraum Gauchert wird sich weiterentwickeln Das Feld wird nun heute symbolisch der Natur übergeben. Nun kann sie sich entwickeln. Geben wir ihr die Zeit. Erste Veränderungen im Erscheinungsbild werden schon bald sichtbar werden. Die natürlichen Prozesse werden aber noch viel Zeit benötigen bis sie zu einem Gleichgewicht gefunden haben. Sehr verehrte Damen und Herren. Als zuständiger Bereichsleiter im Fischereiinspektorat und als Vertreter des Renaturierungsfonds darf ich behaupten, dass ich stolz auf dieses Bauwerk bin. Ich bin überzeugt, dass es sich zu einem wertvollen Lebensraum für Fauna und Flora entwickeln wird. Und ich bin dankbar all denjenigen, die in irgendeiner Art und Weise zum Gelingen dieser Arbeiten beigetragen haben. Und das waren wahrlich sehr viele. Herzlichen Dank!

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