Umwelterziehung in der Grundschule: Grundlagen und ...

Nach heutigem Erkenntnisstand verändert die Menschheit nunmehr seit 40.000 Jahren die. Erde und hat damit Tausende von Umweltkatastrophen verursacht.
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Jörg Nilgens

Umwelterziehung in der Grundschule Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen

disserta Verlag

Nilgens, Jörg: Umwelterziehung in der Grundschule: Grundlagen und unterrichtspraktische Anregungen, Hamburg, disserta Verlag, 2015 Buch-ISBN: 978-3-95425-854-3 PDF-eBook-ISBN: 978-3-95425-855-0 Druck/Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis.............................................................................................................................. 5 1. Einleitung ....................................................................................................................................... 7 2. Historische Entwicklung der Umwelterziehung ..................................................................... 13 2.1. Agenda 21 18 2.1.1. Konzepte und Forderungen 19 2.1.2. Was hat sich seit der Agenda 21 im Jahr 1992 geändert? 23 2.1.3. Nachhaltigkeit in der Schule – Bildung für das 21. Jahrhundert 26 2.2. Verankerung der Umwelterziehung in den allgemeinen Bildungseinrichtungen 30 3. Entwicklung der Umwelterziehung in der .......................................................................... 37 3.1. Richtlinien und Lehrpläne 40 3.2. Umwelterziehung im ganzheitlichen Bildungsauftrag der Grundschule 43 3.3. Stand der Umwelterziehung in den Grundschulen heute 47 4. Ziele der Umwelterziehung........................................................................................................ 53 4.1. Umwelt- und Naturerfahrungen der Kinder fördern 54 4.2. Umweltwissen vermitteln 58 4.3. Umweltgerechte Einstellungen wecken 61 4.4. Zu einem umweltgerechten Handeln führen 63 5. Methoden der Umwelterziehung .............................................................................................. 67 5.2 Die Projektmethode 68 5.1.1. Die historische Entwicklung des Projektunterrichts 68 5.1.2. Die Projektmethode nach Dewey 69 5.1.3. Die Projektmethode nach Kilpatrick 71 5.1.4. Die Projektmethode nach Frey 72 5.1.4 Umsetzung der Projektmethode in der Umwelterziehung 74 5.2. Werkstattkonzept nach J. B. Cornell 77 5.3. Gemeinsamkeiten umwelterzieherische Methoden 79 5.3.1. Situations- und Handlungsorientierung 80 5.3.2. Ganzheitlichkeit 82 5.3.3. Interdisziplinarität 85 5.3.4 Schülerzentrierung 86 6. Inhalte der Umwelterziehung in der Primarstufe .................................................................. 89 6.1. Die unüberschaubare Vielfalt an Unterrichtsthemen in der Umwelterziehung 90 6.2. Der Umweltfaktor „Wasser“ 91 6.3. Der Umweltfaktor „Luft“ 96 6.4. Waldpädagogik und „Rollende Waldschule“ 98 6.5. Das Umweltproblem „Müll“ 104 6.6. Schulgarten 109 7. Weitere didaktische Anregungen zu den unterschiedlichen Fächern der Primarstufe .. 113 7.1. Sprache 114 7.2. Mathematik 116 7.3. Musik 118 7.4 Kunst/ Textil 120 7.5 Religion 123 8. Zusammenfassung und Ausblick ............................................................................................ 127 9. Anhang ....................................................................................................................................... 131 9.1. Literaturangaben 131 9.2. Bildnachweise 139 5

1. Einleitung

Die Umweltsituation heute und morgen als Ausgangspunkt eines verstärkten Engagements für die Umwelterziehung

Nach einer Umfrage vom Meinungsforschungsinstitut IPSOS aus Mölln, die am 30.11.2003 in Frankfurt am Main von der WWF-Stiftung vorgestellt wurde, stuften 74 % der befragten Deutschen die Gefahren durch Klimaveränderungen als groß oder sehr groß ein.1 Mit dieser Veröffentlichung vor Beginn der Weltklimakonferenz, die vom 1.-12. Dezember 2003 in Mailand stattfand, wird deutlich, dass die Mehrzahl der Menschen hierzulande um die Gefahren des weltweiten Klimawandels wissen, ja, sich sogar von ihnen bedroht fühlen.

Nach heutigem Erkenntnisstand verändert die Menschheit nunmehr seit 40.000 Jahren die Erde und hat damit Tausende von Umweltkatastrophen verursacht.2 Um ein Beispiel zu geben: 300 v. Chr. hat man den Wald auf der Insel Ägäis in Griechenland gerodet. Bis heute ist eine Wiederaufforstung nicht gelungen, weil die Bodenerosion zu weit fortgeschritten ist. Das ist einer von vielen Beweisen dafür, dass die Natur nicht alles wieder neu richtet, was der Mensch verursacht. In früheren Jahrhunderten waren die Umweltfrevel der Menschen allerdings lokal begrenzt, so konnten die Griechen damals in neue Städte auswandern. Seit nunmehr etwa 50 Jahren beeinflussen wir jedoch erstmals die globalen geo- und biochemischen Kreisläufe der Erde und können uns somit ein Versuch- und Irrtum-Verfahren nicht mehr leisten.3

Der Jahrhundertsommer 2003 hat Viele nachdenklich gestimmt, ob wir uns nicht langsam auf die jahrzehntelang von Wissenschaftlern bereits prognostizierten Umweltkrisen zu bewegen. Ein Hitzerekord nach dem anderen wurde in diesem Sommer gebrochen – der Deutsche Wetterdienst verzeichnete u.a. den heißesten Juni seit 100 Jahren: In den Alpen taute ewiges Eis, sodass vom Matterhorn in 3400 Meter Höhe Felsen abbrachen; überall in Europa gab es

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Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/6/0,1367,MAG-0-2055686,00.html „Deutsche empfinden Klimawandel als reale Bedrohung – WWF stellt Umfrage zu Umwelt und Energie vor“, 30.11.2003 2 Vgl. Seybold, Hansjörg/ Rieß, Werner: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung in der Grundschule. Schwäbisch Gmünd 2002, S. 32 3 Vgl. ebd.

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Ernteschäden in Milliardenhöhe, in Frankreich wurde Trinkwasser knapp, die Waldbrandgefahr stieg und dort, wo ein Jahr vorher noch das Jahrhunderthochwasser hunderttausenden von Menschen in Sachsen und umliegenden Regionen teilweise alles Hab und Gut fortgeschwemmt hatte, hat die Trockenheit die Binnenschifffahrt zum Erliegen gebracht.4

In vielen Publikationen, so z. B. in der Dokumentation über die Hochwasserkatastrophe im August 2002: „Die Flut des Jahrhunderts. Naturkatastrophen bedrohen uns. Was sind die Ursachen? Was kann man tun?“ von Joachim Pletsch heißt ein Kapitel zu Recht: „Wir müssen uns ändern!“. Dort wird u.a. darauf hingewiesen, dass die USA zu den weltweit größten Umweltverschmutzern zählt und keine Einsicht erkennen lässt, beispielsweise den CO 2- Ausstoß zu vermindern.5 Mit dem Kyoto-Protokoll, in dem viele Industriestaaten 1997 versprachen, ihre Treibhausemissionen bis 2012 um rund 5 % unter das Niveau von 1990 zu senken, hofft man, eine weitere Erwärmung des Weltklimas bei einem verträglichen Maß zu stoppen. 0,6 Grad Anstieg hat es den Angaben des Protokolls zufolge seit Beginn der Industrialisierung bereits gegeben. Bei einem weiteren Anstieg drohen Dürre und damit verbundene Ernteausfälle sowie die Ausbreitung so schwerer Krankheiten wie Malaria. Doch weder die USA, noch Russland haben das Kyoto-Protokoll bislang ratifiziert.6

Heute sind es zum großen Teil immer noch die ärmeren Länder, in denen sich die Klimaveränderungen am drastischsten auswirken. So sind die immer öfter auftretenden starken Überschwemmungen in Bangladesch, lange Dürreperioden u.a. in Aserbaidschan oder z.B. drei katastrophale Winter in Folge in der Mongolei wohl nur Vorboten für das, was die Industrienationen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu erwarten haben. Die Versicherungen haben bereits im Jahrzehnt zwischen 1990 und 2000 mehr als 16-mal so viel an Schadensumme zum Ausgleich für Naturschäden bezahlt wie von 1960 bis 1970.7 Vermutlich haben aber gerade die USA noch nicht genügend wirtschaftliche Schäden durch klimabedingte Umweltkatastrophen erlitten, sonst würden auch sie die Alarmsignale ernster 4

Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFde/druckansicht/0,1986,2055486,00.html „Hitze trocknet Europa aus“, 15.07.2003 5 Vgl. Pletsch, Joachim: Die Flut des Jahrhunderts. Naturkatastrophen bedrohen uns. Was sind die Ursachen? Was kann man tun? Dillenburg 2002, S. 46 ff. 6 Vgl. http://www.heute.t-online.de/ZDFheute/artikel/7/0,1367,POL-0-2084583,00.html „Deutsche Klimaschutzpflicht von Kyoto fast erfüllt“, 25.11.2003 7 Vgl. Seybold, Hansjörg/ Rieß, Werner. Schwäbisch Gmünd 2002, S. 38

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nehmen. Es ist nur als skandalös zu bezeichnen, dass sie mit 4,6 % der Weltbevölkerung ca. 25 % der weltweiten Energie verbrauchen.8

In der so genannten „großen Politik“ stehen zumeist kurzfristige Wirtschafts-Interessen über den langfristigen Zielen für eine intakte Umwelt und lebenswerte Zukunftsperspektiven. In den letzten Jahrzehnten ist jedoch in einigen Industrienationen ein Umdenken wahrzunehmen. Man beginnt in vielen Bereichen zu erkennen, dass ein wirtschaftliches Wachstum nur mit und nicht gegen die Natur gelingen kann – der Begriff: „Nachhaltigkeit“ bekommt Gewicht.

Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde zuerst in der Forstwirtschaft entwickelt und bedeutet, dass wir der Natur nur so viel entnehmen dürfen, wie sie selbst wieder regenerieren kann.9 Um ca. 1700 veranlasste eine sich schnell verschärfende Holzknappheit den adeligen Hans Carl von Carlowitz in der Silberstadt Freiberg (Sachsen) zur Erarbeitung eines Nachhaltigkeitskonzept zur dauerhaften Bereitstellung ausreichender Holzmengen für den Silberbergbau. Dabei durfte nur soviel Holz geschlagen werden, wie durch Wiederaufforstung nachwachsen konnte.

Abb. 1: Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz, „Erfinder“ des Prinzips der Nachhaltigkeit10

Auf heutige Verhältnisse übertragen ist noch bedeutend mehr zu berücksichtigen: Nämlich dass dem Wald nicht die natürlichen Lebens- und Wachstumsvoraussetzungen entzogen werden, z.B. durch Schadstoffe im Boden und in der Luft (saurer Regen, Waldsterben), durch Klimawandel (Treibhauseffekt) oder durch Schädigung der Erdatmosphäre (Ozonloch).

8 9

Vgl. http://www.learn-line.nrw.de/angebote/agenda21/thema/kyoto-protokoll.htm, 16.03.2004 Vgl. Kreuzinger, Steffi/ Unger, Harald: Agenda 21 – Wir bauen unsere Zukunft. Mülheim an der Ruhr 1999, S.

9 10

Abb. 1: Ulrich Grober: Der Erfinder der Nachhaltigkeit. In: DIE ZEIT Nr. 48/ 25.11.1999, S. 98

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Es liegt an uns allen, unsere Bedürfnisse so zu befriedigen, dass die vorhandenen Ressourcen für alle reichen und den zukünftigen Generationen die Chancen für ein gutes und gesundes Leben erhalten bleiben. Da sich diese Erkenntnis im Bewusstsein vieler Menschen auf allen Teilen der Erde immer mehr durchgesetzt hat, fand 1992 in Rio de Janeiro die große Welt-Konferenz für Umwelt und Entwicklung statt, die „Agenda 21“, auf die ich im Kapitel 2.1. näher eingehen werde. Wichtig ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass in ihr 179 Staaten – worunter auch Deutschland war – einem Aktionsplan zugestimmt haben, in dem das Ziel sowohl der Schutz der Umwelt, als auch die soziale Entwicklung der Menschen ist. Die Aufforderung, das eigene Konsumverhalten zu überdenken und zu verändern, geht hierbei nicht nur als Aufforderung an die Handlungsbereitschaft der Regierungen, sondern an alle Bürger, Kommunen, freie Initiativen oder Vereine. Für einen nachhaltigen Klimaschutz reichen technische Fortschritte, wie der effizientere Einsatz von Energie und die Förderung erneuerbarer Energieträger nicht aus. Durch den weltweit wachsenden Bedarf an Energie werden die Einsparungen schnell wieder aufgezehrt. Notwendig ist also zugleich eine Minderung des Energieverbrauchs, insbesondere in den Industrieländern.

Im gleichen Jahr (1992) der Rio-Konferenz wurde von Deutschland die UNKinderrechtskonvention unterschrieben, welche u.a. den Schutz und die Versorgung von Kindern fordert.11 Wenn diese wirklich ernst genommen werden soll, ist eine genaue Beachtung des Aktionsplans „Agenda 21“ unabdingbar. Insbesondere die Kinder werden ja Erben der heutigen Aktivitäten – im positiven und negativen Sinne – sein. Damit rücken aber auch die Schulen in den Blickpunkt, denn wo könnte man besser für eine Bildung zu einer nachhaltigen Entwicklung ansetzen als bei den Schulkindern? Sollen nicht gerade sie in die Lage versetzt werden, ihre eigene Zukunft mitzugestalten? Diese Zukunft wird geprägt sein von einer steigenden Anzahl von Umwelt- und Naturkatastrophen, wenn wir so weiter machen wie bisher. Darin sind sich führende Wissenschaftler einig, wie ich mit der Beschäftigung mit dieser Thematik immer wieder feststellen musste.

11

Vgl. Kreuzinger/ Unger 1999, S. 15

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Daher sehe ich den Leitgedanken von „Umwelterziehung in der Grundschule“ auch unter dem Aspekt, wie der Unterricht in der Schule einen Gesinnungswandel von einem eher nachlässigen Umgang mit der Natur und Umwelt hin zu einem umweltgerechten Handeln fördern kann. Eigentlich wollen ja alle eine intakte Umwelt und viele sind auch bereit, etwas dafür zu tun, oder dafür sogar auf etwas zu verzichten. Doch oft hat der Einzelne keine Richtschnur, was man denn selber verbessern kann und ohne greifbare Erfolge erlahmt schnell die Lust in seiner „kleinen Welt“ etwas zu verändern. Dann zeigt man gerne wieder auf „die da oben“, die durch politisches Handeln viel Grundlegenderes verbessern könnten. Doch bin ich überzeugt, dass es so alleine keinen Wandel geben kann. Jeder Mensch ist in seinem Bewusstsein und seiner Tat zum Handeln aufgefordert. Daher werden in den Kapiteln 5 und 6 Anregungen gegeben, wie der Lehrer seine Schüler zur Bildung eines umweltgerechten Verhaltens führen kann, wobei seine Vorbildfunktion einen entscheidenden Beitrag dazu leisten muss. Die Visionen, Wünsche und Bedürfnisse der Kinder sollen als kreative Quelle mit in den Unterricht miteinfließen. Deshalb lege ich einen großen Wert auf die projektbezogenen Unterrichtsmodelle, die in Kapitel 4 ausführlich dargelegt werden.

Hinweisen möchte ich schließlich darauf, dass es inzwischen einen Überfluss an Begriffen neben dem der „Umwelterziehung“ gibt, wie z.B.: „Umweltbildung“, „Umweltpädagogik“, „Mitwelterziehung“ oder „Umweltlernen“, die im Grunde jedoch dasselbe meinen.12 Als weitere Strömungen haben sich „Ökologisches Lernen“, „Naturbezogene Pädagogik“ und die „Ökopädagogik“ zu Beginn der achtziger Jahren gebildet, die sich insofern von der Umweltbildung und –erziehung unterscheiden, als dass sie sich ausdrücklich von der Schule als Lernort für die Bearbeitung von Umweltfragen distanzieren. Ich bevorzuge daher, gemäß dem Titelthema, in dieser Arbeit den Begriff der „Umwelterziehung“. Lasse mich aber auch als Vertreter der Schule nicht einschränken, so allgemeine Wörter wie „ökologisch“ und „naturbezogen“ zu verwenden, denn so hatte beispielsweise Freinet in den dreißiger Jahren bereits einen in Ansätzen ökologisch zu nennenden Lernbegriff formuliert, als von den aus

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Berchtold, Christoph/ Stauffer, Martin: Schule und Umwelterziehung. Eine pädagogische Analyse und Neubestimmung umwelterzieherischer Theorie und Praxis. Frankfurt/ M. 1997, S. 42 ff.

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Bürgerprotestbewegungen hervorgegangenen Gruppierungen überhaupt noch nicht die Rede war.13

Immer lauter ergeht der Ruf an die Schulen von heute, die nachfolgende Generation „zukunftsfähig“ für „die Welt von morgen“ zu machen. Unsere Zukunft ist jedoch von einer intakten Natur und Umwelt abhängig, insofern ist das Eine vom Anderen nicht zu trennen. So hoffe ich, mit diesem Buch einen kleinen Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten!

13

Vgl. Wurster, Ekkehard: Bewertung pädagogischer Maßnahmen zur Veränderung des Umweltbewusstseins bei Schülern unter Berücksichtigung Sozialpsychologischer Theorien. Frankfurt/ M. 1998, S. 26

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2. Historische Entwicklung der Umwelterziehung

Von den „Grenzen des Wachstums“ zu einer „nachhaltigen Entwicklung“ - Beginn eines Umdenkens in der Umweltpolitik

Es ist schwierig, einen genauen Zeitpunkt festzulegen, wann genau der Bewusstseinswandel einsetzte, dass die fortschreitende Industrialisierung des letzten Jahrhunderts zu einer weltumspannenden Umweltkrise führen könnte.

Im Februar 1972 jedenfalls eroberten Dennis und Donella Meadows mit dem Buch: „Die Grenzen des Wachstums“ die Welt im Sturm. Mit Unterstützung eines italienischen Millionärs und dessen privater Institution, des Club of Rome, sowie mittels der Verteilung von 12.000 Freiexemplaren des Buches an Minister und Journalisten in aller Welt gelang es ihnen, Millionen Menschen davon zu überzeugen, dass ihr Computermodell, das eine Katastrophe globalen Ausmaßes voraussagte, ernst zu nehmen sei. In diesem Modell prognostizierte das Ehepaar Meadows, dass unserer Zivilisation in den nqächsten 100 oder gar 50 Jahren ein katastrophaler Kollaps bevorstehe, wenn es nicht gelänge, die augenblicklichen weltweiten Trends im Bereich des Bevölkerungswachstums und der Industrieproduktion in den Griff zu bekommen und die Umweltverschmutzung drastisch zu reduzieren. Durch die Art und Weise der Computerprogrammierung war die Schlussfolgerung jedoch praktisch unausweichlich. So gab Meadows dem Computer die Grundannahme ein, dass die Umweltverschmutzung und unser Bedarf an Boden und Mineralien exponentiell, d.h. mit einer stetig zunehmenden Rate, wüchsen. Technische Errungenschaften und andere positiven Entwicklungen wüchsen jedoch weiterhin mit der augenblicklichen Wachstumsrate. Daher war es nicht überraschend, dass der Computer der Menschheit einen steinigen Weg vorhersagte. Es würde beispielsweise noch vor dem Jahr 2000 zu einem hoffnungslosen Mangel an Land kommen, wenn der Landbedarf pro Kopf auf dem damaligen Niveau bliebe.14 Unabhängig davon, für wie glaubwürdig man heute die damaligen Computer-Berechnungen hält, damals besaßen die Voraussagen einen großen Einfluss.

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Vgl. Pearce, Fred: Treibhaus Erde. Die Gefahren der weltweiten Klimaveränderungen. Braunschweig 1990, S. 233 f.

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Es ist sicher auch kein Zufall, dass im selben Jahr auf der UNO-Konferenz: „Der Mensch in seiner Umwelt“ in Stockholm das „Zeitalter der Umwelt“ ausgerufen wurde.15 Auch dort wurden vor allem Schreckensszenarien an die Wand gemalt, als wenn in den kommenden Jahren mit keinerlei Fortschritten zu rechnen sei. Der Autor des Buches: „Politik und Praxis der Umwelterziehung“, Norbert Reichel, sieht hingegen seit diesem Zeitpunkt einen weitreichenden Bewusstseinswandel sowie zahlreiche umweltpolitische Verbesserungen zumindest in den OECD-Staaten (Organisation for Economic Cooperation and Development) und zitiert einen weiteren Vertreter seiner Ansicht:

„Natürlich haben auch andere erkannt, dass wichtige positive Veränderungen stattgefunden haben. Der Leiter eines großen Industrieunternehmens beispielsweise beschrieb einmal die Entwicklung des umweltbewussten Denkens und Handelns mit den ´drei D´. Die siebziger Jahre seien die Zeit des ´Dementierens´ gewesen, als die Wirtschaft zu beweisen versuchte, dass nicht sie ´der Schurke´ wäre. Das Schlüsselwort der achtziger Jahre habe ´Daten´ gelautet, als Wirtschaft und Politik miteinander darüber stritten, wessen Daten zu Umweltbedingungen und –risiken wichtiger wären. Am Beginn der neunziger Jahre sei man in das Zeitalter des dritten ´D´, des ´Dialogs´, eingetreten, bei dem Wirtschaft, Staat und Umweltgruppen darin übereinstimmen, dass sie weiter kommen werden, wenn sie miteinander zusammenarbeiten anstatt gegeneinander zu kämpfen, und dass die Verantwortung für die Fehler der Vergangenheit und die Maßnahmen zum Gegensteuern in der Zukunft von der Wirtschaftswelt, dem Staat und den Bürgern gemeinsam getragen werden muss.“16

Tatsächlich scheint damit die wesentliche Entwicklung kurz gefasst beschrieben zu sein. Nach der Konferenz in Stockholm gab es im internationalen Kontext 1977 die „Intergovernmental Conference on Environmental Education“ in Tiflis und 1987 die „UNESCO/UNEP-Konferenz“ in Moskau, bis schließlich der „Erdgipfel“ (United Nations Conference for Environment and Development – UNCED) von Rio de Janeiro 1992 mit der „Agenda 21“ grundlegende Leitbilder für das neue Jahrhundert festgesetzt hat.17 Dort ging es schon nicht mehr darum, ein Bewusstsein für die Umweltprobleme zu schaffen, sondern es standen gezielt wirtschaftliche Fragen im 15

Reichel, Norbert (Hrsg.): Politik und Praxis der Umwelterziehung. Beiträge der internationalen OECDKonferenz vom 6. bis 11. März 1994 in Braunschweig. Frankfurt/M. 1995, S. 12 16 Ebd. 17 Bölts, Hartmut: Umwelterziehung. Darmstadt 1995, S. 2

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Mittelpunkt. Es geht eben heute vor allem darum, notwendiges Wirtschaftswachstum mit dem Wunsch der Bürger nach einer sauberen und gesunden Umwelt in Einklang zu bringen. Neue Handlungsorientierungen für eine nachhaltige Entwicklung entstehen jedoch nicht ohne einen grundlegenden Mentalitätswandel im Hinblick auf Lebensstile, Konsumverhalten, Produktentwicklungen und – prozesse. Dies wurde in dem Jahresgutachten „Zur Umsetzung einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung“ des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU) herausgestellt.18 Auch Steuerreformen, Gesetze und Erlasse der Politiker benötigen die Akzeptanz der Bevölkerung. Dies konnte man zuletzt gut im Jahr 2003 feststellen, in dem es schien, dass zum Schluss das Volk die Steuerreform drängender wollte als die Politiker. Um diese Befürwortung zu erreichen, ist eine positive Einstellung zu diesen Maßnahmen Voraussetzung von Politik. Dafür spielen Kommunikations- und Bildungsprozesse eine große Rolle, für die so genannte NonGovernmental-Organisations (NGOs), wie Umweltverbände, aber auch kirchliche und gewerkschaftliche Einrichtungen, Unternehmen sowie freie Träger wichtige Impulsgeber sind. Ohne die vielen kleinen und großen Initiativen hätte es sicher auch in Deutschland nicht einen so massiven Bewusstseinwandel gegeben, dass „Öko“-Produkte nun Massenware geworden sind und „Die Grünen“-Partei, 1979 aus den verschiedenen Umwelt-Verbänden entstanden, heute auf der Regierungsbank sitzt.

Sieht man sich die 24 OECD-Staaten zusammen an, bestehen jedoch bei vielen Fragen erhebliche Unterschiede in Auffassungen und Vorgehensweisen. Es ist deshalb oft irreführend, wenn man verallgemeinernde Aussagen in der Umweltentwicklung der Völker macht. Dies ergibt sich schon alleine aus den großen geographischen Unterschieden, denn neben 19 europäischen Staaten gehören dazu auch beispielsweise Kanada, Neuseeland, Australien und Japan. Steht für die Türkei vor allem die Wasserqualität im Vordergrund, so geht es Norwegen mehr um Probleme, die sich aus der Zerstörung der Ozonschicht ergeben, während es den USA vor allem um die Luftqualität in den Städten geht. Auch das unterschiedliche Niveau der wirtschaftlichen Entwicklung, des Lebensstandards, der Kultur und dem Bestand an Bodenschätzen spielt dabei eine Rolle. Doch so groß die Unterschiede sind: Gemeinsam ist den OECD-Staaten seit dem Rio-Gipfel, dass ökonomische und ökologische Zielsetzungen nur zusammen erreicht und langfristig erhalten werden können.19

18 19

Vgl. Giesel, Katharina D./ Haan, Gerhard de/ Rode, Horst: Umweltbildung in Deutschland. Berlin 2002 Reichel 1995, S. 13

15

Problematischer sieht die Entwicklung in den Ländern aus, die nicht der OECD angehören. Diese Staaten werden ungefähr bis zum Jahr 2010 das Niveau der Emissionsmengen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in den OECD-Staaten erreicht haben. Dies liegt vor allem am industriellen Wachstum solcher Länder wie China und Indien. Wer soll ihnen verdenken, dass sie zunächst einmal auf den technischen Entwicklungsstand der westlichen Völker kommen wollen, ehe sie das Umweltbewusstsein übernehmen, das bei uns in mehreren Jahrzehnten langsam gewachsen ist? Für jene ist Armut erstmal „die schlimmste Form der Umweltverschmutzung“.20 Darin sieht man schon, dass Umweltpolitik in starkem Maße abhängig ist von der ökonomischen Entwicklung eines Landes. Doch ist den reicheren Ländern in den letzten Jahren immer deutlicher geworden, dass wir in einer kleiner werdenden, zusammenwachsenden Welt mit den ärmeren Regionen verflochten sind. Die Sorge, in den nächsten Jahren von Umweltflüchtlingen überschwemmt zu werden, die aus ökologisch toten, unfruchtbaren Regionen fliehen werden, wächst. Als in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre das Loch in der Ozonschicht der Erde über der Antarktis entdeckt wurde, begannen die Wissenschaftler über Klimaveränderungen zu spekulieren. Das völlige Verschwinden von Tropenwäldern und das Ausbreiten von Wüsten wurden heraufbeschworen. Spätestens jetzt wurden die Umweltprobleme in einem weltweiten Maßstab sichtbar.21

1987 erschien der Bericht der Weltkommission unter dem Titel „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft), welcher zu einer neuen Ära der internationalen Zusammenarbeit zum Ziele einer „nachhaltigen Entwicklung“ aufrief. Dieser Bericht stieß auf zunehmende Unterstützung der Öffentlichkeit und wachsende politische Bereitschaft für eine Wende, sodass die OECD im Oktober 1989 eine Konferenz von Wirtschafts- und Umweltexperten einberiefen, die sich mit dem Konzept der „nachhaltigen Entwicklung“ befassen sollten. Das Ergebnis war, dass alle Teilnehmer darin übereinstimmten, dass dieses Konzept ein nützliches neues Weltmodell für die Entwicklungsstrategien in reichen wie armen Ländern darstellte und eine dringend notwendige Alternative zu dem schwarz malenden Modell der „Grenzen des Wachstums“ sei, mit dem der Club of Rome Anfang der siebziger Jahre die Umweltproblematik definiert hatte. Die Umweltpolitik müsste den globalen Charakter der Umweltprobleme in Verbindung mit denen der Weltwirtschaft und den Bedürfnissen sowohl jetziger wie zukünftiger

20 21

Ebd., S. 15 Ebd., S. 17

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