Sind intelligente Menschen die besseren Multitasker?: Eine Studie ...

Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. ..... Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung. BIP. Bochumer ...
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Knud Sören Wagner-Emden

Sind intelligente Menschen die besseren Multitasker? Eine Studie über Persönlichkeit und Multitasking-Fähigkeit

disserta Verlag

Knud Sören Wagner-Emden Sind intelligente Menschen die besseren Multitasker?: Eine Studie über Persönlichkeit und Multitasking-Fähigkeit ISBN: 978-3-95425-051-6 Herstellung: disserta Verlag, Hamburg, 2015 Covermotiv: © laurine45 – Fotolia.com

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Danksagung Ich danke meinem Vater, der mir mein Studium ermöglicht hat und mich unterstützt hat, wo er nur konnte. Meiner Mutter danke ich für die vielen Stunden als Babysitter, ohne die diese Studie wahrscheinlich nie fertig geworden wäre. Meiner Frau und natürlich meinen Kindern möchte ich danken, weil sie mir auch in schweren Phasen immer ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert haben. Beim Schuhfried-Verlag bedanke ich mich, insbesondere bei Marco Vetter, für die freundliche Korrespondenz sowie das kostenneutrale Nutzungsrecht für den SIMKAP. Für den regelmäßigen fachlichen Austausch und die fruchtbaren Diskussionen geht mein Dank an meinen Freund und Kommilitonen Clemens Freiesleben. Zuletzt möchte ich nicht vergessen, allen 89 Probanden für die Teilnahme an dieser Studie meinen Dank auszusprechen.

Inhaltsverzeichnis ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS..................................................................................................... 9

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................................................... 10

TABELLENVERZEICHNIS ......................................................................................................... 11

1

EINLEITUNG......................................................................................................................... 13

2

THEORIE UND FORSCHUNGSSTAND .............................................................................. 15

2.1

THEORETISCHER UND EMPIRISCHER FORSCHUNGSSTAND ...................................................... 15

2.1.1 MULTITASKING ................................................................................................................... 15 2.1.2 INTERINDIVIDUELLE DIFFERENZEN ....................................................................................... 21 2.1.2.1 Persönlichkeit ................................................................................................................. 22 2.1.2.2 Intelligenz ....................................................................................................................... 28 2.1.2.3 Aufmerksamkeit.............................................................................................................. 32 2.1.3 ZUSAMMENHÄNGE ZWISCHEN MULTITASKING UND PERSÖNLICHKEIT ..................................... 34 2.2

3

FRAGESTELLUNGEN UND HYPOTHESEN ................................................................................. 36

METHODE............................................................................................................................. 42

3.1

VERSUCHSPLAN UND FORSCHUNGSMODELL .......................................................................... 42

3.2

MESSINSTRUMENTE .............................................................................................................. 44

3.2.1 SIMKAP – SIMULTANKAPAZITÄT / MULTI-TASKING ............................................................... 45 3.2.1.1 Anwendung und Durchführung ...................................................................................... 45 3.2.1.2 Psychometrische Gütekriterien ...................................................................................... 46 3.2.2 INTELLIGENZ-STRUKTUR-TEST 2000 R................................................................................ 47 3.2.2.1 Anwendung und Durchführung ...................................................................................... 47 3.2.2.1 Psychometrische Gütekriterien ...................................................................................... 49 3.2.3 FARBE-WORT-INTERFERENZ-TEST ...................................................................................... 50 3.2.3.1 Anwendung und Durchführung ...................................................................................... 50 3.2.3.2 Psychometrische Gütekriterien ...................................................................................... 51 3.2.4 BOCHUMER INVENTAR ZUR BERUFSBEZOGENEN PERSÖNLICHKEITS-BESCHREIBUNG .............. 52 3.2.4.1 Anwendung und Durchführung ...................................................................................... 52 3.2.4.2 Psychometrische Gütekriterien ...................................................................................... 52 3.2.5 POSITIVE AND NEGATIVE AFFECT SCHEDULE ....................................................................... 54 3.2.5.1 Anwendung und Duchführung........................................................................................ 54

3.2.5.2 Psychometrische Gütekriterien ...................................................................................... 54 3.3

FORMULIERUNG DER OPERATIONALISIERUNGHYPOTHESEN .................................................... 55

3.4

STICHPROBENKONSTRUKTION ............................................................................................... 57

3.5

UNTERSUCHUNGSDURCHFÜHRUNG........................................................................................ 58

3.6

AUSWERTUNGSMETHODEN ................................................................................................... 59

4

4.1

ERGEBNISSE ....................................................................................................................... 61

VORBEREITENDE DATENANALYSE ......................................................................................... 61

4.1.1 VALIDITÄTS- UND RELIABILITÄTSANALYSEN .......................................................................... 62 4.1.1.1 SIMKAP .......................................................................................................................... 62 4.1.1.2 I-S-T 2000 R ................................................................................................................... 62 4.1.1.3 FWIT............................................................................................................................... 63 4.1.1.4 BIP-Skalen ..................................................................................................................... 64 4.1.1.5 PANAS-Skalen ............................................................................................................... 69 4.1.2 PRÜFUNG AUF NORMALVERTEILUNG .................................................................................... 72 4.2

DESKRIPTIVSTATISTIK ........................................................................................................... 72

4.2.1 STICHPROBENBESCHREIBUNG ............................................................................................. 72 4.2.2 ITEM- UND SKALENWERTE ................................................................................................... 74 4.3

KORRELATIONSSTATISTIK ..................................................................................................... 89

4.3.1 KORRELATIONEN INNERHALB DER UNTERSUCHTEN BEREICHE ............................................... 90 4.3.2 KORRELATIONEN ZWISCHEN DEN UNTERSUCHTEN BEREICHEN .............................................. 92 4.4

REGRESSIONSANALYSEN ...................................................................................................... 97

4.4.1 ERGEBNISSE ...................................................................................................................... 97 4.4.2 PRÜFUNG DER MODELLPRÄMISSEN ..................................................................................... 99 4.4.2.1 Beschreibung der Modellprämissen............................................................................. 100 4.4.2.2 Ergebnisse der Prüfung der Modellprämissen ............................................................. 101 4.4.3 ANNAHME VON HYPOTHESEN ............................................................................................ 102 4.5

5

WEITERE BEFUNDE ............................................................................................................ 103

DISKUSSION ...................................................................................................................... 106

LITERATURVERZEICHNIS...................................................................................................... 114

ANHANG................................................................................................................................... 121

Abkürzungsverzeichnis AKT

allgemeines Aktionstempo

AV

abhängige Variable

BFSI

Big-Five-Structure-Inventory

BGAG

Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung

BIP

Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung

FSB

Farbstrichbenennen

FWIT

Farbe-Wort-Interferenz-Test

FWL

Farbwörterlesen

INT

Interferenzversuch

I-S-T 2000 R

Intelligenz-Struktur-Test 2000 Revidierte Fassung

NA

Negativer Affekt / Negative Affektivität

PA

Positiver Affekt / Positive Affektivität

PANAS

Positive-Negative-Affect-Schedule

PRP

Psychologische Refraktärperiode

RZ

Reaktionszeit

SIMKAP

Simultankapazität / Multi-Tasking

SOA

Stimulus Onset Asynchrony

UV

unabhängige Variable

9

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Psychologische Refraktärperiode (Pashler, 1994, S. 222) ..............................................18 Abbildung 2: Forschungsmodell..................................................................................................................44 Abbildung 3: SIMKAP Simultanteil ..............................................................................................................46

10

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: I-S-T 2000 R Module & Aufgabengruppen .................................................................................48 Tabelle 2: I-S-T 2000 R Fähigkeitsbereiche................................................................................................49 Tabelle 3: I-S-T 2000 R Reliabilität .............................................................................................................50 Tabelle 4: BIP Reliabilitäten ........................................................................................................................52 Tabelle 5: BIP Retest-Reliabilitäten ............................................................................................................53 Tabelle 6: Zusammenfassung der Hauptkomponentenanalysen ohne Rotation für die BIP-Skalen ...........68 Tabelle 7: Interne Konsistenzen der BIP-Skalen mit Referenzwerten.........................................................69 Tabelle 8: Hauptkomponentenanalyse des PANAS nach orthogonaler Rotation........................................71 Tabelle 9: Signifikanzen des Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Normalverteilung aller Variablen .................72 Tabelle 10: Stichprobenbeschreibung (N=89).............................................................................................73 Tabelle 11: Deskriptivstatistik für die Variable Multitasking-Fähigkeit (N=89) .............................................75 Tabelle 12: Deskriptivstatistik für die Variable fluide Intelligenz (N=89)......................................................76 Tabelle 13: Deskriptivstatistik für die Variable Aufmerksamkeit (N=89) ......................................................77 Tabelle 14: Deskriptivstatistik für die Skala Gewissenhaftigkeit (N=89)......................................................78 Tabelle 15: Deskriptivstatistik für die Skala Flexibilität (N=89)....................................................................79 Tabelle 16: Deskriptivstatistik für die Skala Handlungsorientierung (N=89)................................................81 Tabelle 17: Deskriptivstatistik für die Skala emotionale Stabilität (N=89) ...................................................83 Tabelle 18: Deskriptivstatistik für die Skala Belastbarkeit (N=89) ...............................................................84 Tabelle 19: Deskriptivstatistik für die Skala Selbstbewusstsein (N=89) ......................................................85 Tabelle 20: Deskriptivstatistik für die Skala Positive Affektivität als State (N=89).......................................87 Tabelle 21: Deskriptivstatistik für die Skala Negative Affektivität als State (N=89) .....................................89 Tabelle 22: Deskriptivstatistik, Reliabilitäten und Korrelationen für alle Skalen und Subtests ....................94 Tabelle 23: Korrelationen zwischen den Prädiktor-Variablen und der Simultankapazität ...........................95 Tabelle 24: Multiple hierarchische Regression zur Vorhersage der Multitasking-Fähigkeit ........................99 Tabelle 25: Lineare Regressionsanalysen zum Einfluss der PA auf die psychische Konstitution .............105

11

1 Einleitung In der heutigen Zeit und insbesondere im Berufsleben hat Multitasking einen hohen Stellenwert und eine große Bedeutung gewonnen. So stellen auch Fischer & Mautone (2005) fest: “The requirement to perform more than one task within a limited period of time is prevalent in work environments, and the number of jobs that require multi-tasking (MT) may be rising“ (S. 1). Multitasking ist damit nicht nur ein Thema, das verstärkt in der Literatur auftaucht, sondern auch für Arbeitgeber eine zunehmende Rolle spielt (Ishikaza et al., 2001; Wehrle, Granacher & Mühlbauer, 2010). Sowohl bei der Personalauswahl als auch bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie dem Umgang mit Arbeitnehmern ist es sinnvoll, die Erfordernisse, die Simultantätigkeiten mit sich bringen im Hinterkopf zu behalten. Diese Arbeit setzt sich zum Ziel, Prädiktoren für die Leistung unter MultitaskingBedingungen zu identifizieren. Dazu werden die Faktoren Aufmerksamkeit und fluide Intelligenz sowie die Persönlichkeitseigenschaften Gewissenhaftigkeit, Flexibilität, Handlungsorientierung, emotionale Stabilität, Belastbarkeit sowie Selbstbewusstsein in ihrer Einflusswirkung untersucht. Bis dato gibt es viel Literatur, die sich dem Multitasking oder der Persönlichkeit widmet, allerdings wenige Studien, die einen Zusammenhang zwischen beiden Bereichen beleuchten. Dies ist möglicherweise darin begründet, dass in durchgeführten Studien keine Zusammenhänge festgestellt wurden, so dass im Anschluss auch keine Publikation der Untersuchungen erfolgte. Nichtsdestotrotz ist es naheliegend, den Zusammenhang zwischen der Leistung unter MultitaskingBedingungen und Persönlichkeitsfaktoren zu untersuchen, da seit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend der Zusammenhang zwischen der JobPerformance und der Persönlichkeit an Bedeutung gewonnen hat (vgl. Barrick, Mount & Judge, 2001) und – wie oben bereits beschrieben – auch Multitasking im Arbeitsleben verstärkt eine Rolle spielt. Dementsprechend soll dies hier Gegenstand der Arbeit sein. In Folge dieser Einleitung werden in Kapitel 2 zunächst die theoretischen und empirischen Hintergründe der in der Arbeit verwendeten Konstrukte aufgeführt. 13

Darauf aufbauend erfolgt die Entwicklung der Fragestellung sowie die Nennung der Hypothesen. Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Untersuchungsmethode. Neben der Darstellung von Versuchsplan und Forschungsmodell werden die eingesetzten Messinstrumente in Anwendung und Durchführung sowie hinsichtlich der psychometrischen Gütekriterien beschrieben. Im Anschluss daran werden die aufgestellten Hypothesen operational formuliert, die Stichprobenkonstruktion, die Untersuchungsdurchführung sowie die Auswertungsmethoden genauer dargestellt. In Kapitel 4 erfolgt die ausführliche Illustration der Untersuchungsergebnisse. Dabei finden die Validitäts- und Reliabilitätsanalysen für die jeweiligen Messinstrumente, die Deskriptivstatistik, die Korrelationsstatistik sowie Regressionsanalysen Berücksichtigung. Mit der Diskussion in Kapitel 0 werden schließlich die Ergebnisse der Studie näher erörtert, die angewandten Methoden und Instrumente kritisch reflektiert und weiterführende Forschungsansätze genannt.

14

2 Theorie und Forschungsstand 2.1 Theoretischer und empirischer Forschungsstand In den folgenden Kapiteln werden jeweils der theoretische sowie der empirische Hintergrund zu den in der Arbeit verwendeten Konstrukten Multitasking, fluide Intelligenz, Persönlichkeitsfaktoren sowie Aufmerksamkeit beschrieben. Dabei sind die Kapitel derart unterteilt, dass zunächst Multitasking näher betrachtet wird und im darauffolgenden Kapitel die Faktoren, welche als Prädiktoren für Leistung unter Multitasking-Bedingungen angenommen werden.

2.1.1 Multitasking Die Forschung zum Thema Multitasking hat eine lange Tradition. Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts finden sich die ersten Ansätze zur Aufmerksamkeitsforschung, die grundlegend ist für die Untersuchung von Simultantätigkeiten (vgl. McQueen, 1917). Obwohl Multitasking in der heutigen Zeit, insbesondere auch im Arbeitsleben einen hohen Stellenwert genießt (siehe Kapitel 1), ist es bisher nicht eindeutig in allen seinen Facetten untersucht (vgl. König, Bühner & Mürling, 2005). Salvucci (2005) definiert Multitasking als die Art und Weise „how people integrate and perform multiple tasks in the context of a larger complex task“ (S. 458). Es geht bei der Ausführung von Multitasking somit um die gleichzeitige Bearbeitung mehrerer unterschiedlicher Aufgaben.5 Um Multitasking bewerkstelligen zu können, spielen insbesondere zwei kognitionspsychologische Prozesse eine Rolle: die Aufmerksamkeit sowie das Arbeitsgedächtnis (vgl. König et al., 2005). Die Aufmerksamkeit ist dabei zuständig für die Verteilung unserer Ressourcen zur Informationsverarbeitung (vgl. Zimbardo & Gerrig, 2004).6 Das Arbeitsgedächtnis dient der kurzfristigen Speicherung von Informationen (vgl. Kiefer, 5

Im Deutschen werden neben „Multitasking“ die Begriffe „Simultantätigkeiten“, „Mehrfachaufgaben(bearbeitung)“ oder „Paralleltätigkeiten“ synonym verwendet. 6

In Kapitel 2.1.2.3 wird die Aufmerksamkeit sowohl aus wahrnehmungs- als auch als kognitionspsychologischer Sicht als Prädiktor für Multitasking-Fähigkeit eingehender erläutert. Die folgenden Abschnitte beschäftigen sich nur mit den Informationen zur Aufmerksamkeit, die zum Verständnis von Multitasking notwendig sind.

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2008) sowie der Verarbeitung und Koordination von Informationen und spielt somit bei der Informationsverarbeitung eine zentrale Rolle (vgl. Süß, 2005). Es ist für Aufgaben wie Schlussfolgern und Sprachverstehen unerlässlich (vgl. Zimbardo & Gerrig, 2004). Da Aufmerksamkeitsprozesse und das Arbeitsgedächtnis nur über begrenzte Kapazitäten verfügen, ist eine Regulation unabdinglich. Zum Ablauf der Regulationen wurden zahlreiche Theorien aufgestellt, die sich damit beschäftigen, wie Ressourcen zur Aufmerksamkeitssteuerung und Informationsverarbeitung verteilt werden. Zentral sind dabei insbesondere folgende Erkenntnisse: Informationsverarbeitung kann simultan (parallel) oder nacheinander (seriell) erfolgen (vgl. Zimbardo & Gerrig, 2004). Abhängig von der Art der zu bewältigenden Aufgabe ist eine parallele Informationsverarbeitung sinnvoll und erfolgsversprechend oder aber sie führt zu unbeabsichtigten Interferenzen (vgl. Zimbardo & Gerrig, 2004). Eine erste Theorie der Aufmerksamkeit im Rahmen der Informationsverarbeitung (vgl. Müller & Krummenacher, 2006) stellte Broadbent 1958 auf. Diese Theorie, auch als Filter-, Bottleneck- oder single-channel-Theorie bezeichnet, geht davon aus, dass ein zentraler Prozessor der Informationsverarbeitung besteht, welcher Informationen seriell „abarbeiten“ muss. Es gibt nur einen einzigen Verarbeitungskanal, in dem es bei Mehrfachtätigkeiten zu einem Engpass kommen kann (vgl. Broadbent, 1958). Wenn zwei Reize gleichzeitig auftreten, passiert einer dieser beiden Reize den Filter zur Verarbeitung, während der andere in einem sensorischen Speicher verbleibt, um möglicherweise im Anschluss an den ersten verarbeitet zu werden (vgl. Müller & Krummenacher, 2006). Broadbent und mit ihm andere Vertreter der „Flaschenhalstheorie“ nehmen somit an, dass die simultane Ausführung von zwei Aufgaben nicht möglich ist, sondern Aufgaben stets nacheinander ausgeführt werden müssen. Dies kann allerdings so schnell passieren, dass nicht wahrnehmbar ist, ob wirkliches Simultanarbeiten ausgeführt wird, oder „task-switching“ (Pashler, 1994, S. 221), also ein schnelles Wechseln zwischen zwei Aufgaben vollzogen wird (vgl. Pashler, 1994). 16

Broadbents Theorie bildete den Ausgangspunkt für alle späteren Theorien zur Informationsverarbeitung und der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns während dieses Vorgangs (Müller & Krummenacher, 2006). Neben der Bottleneck-Theorie existieren zwei weitere Arten von Theorien zur Informationsverarbeitung. Dies sind einerseits Theorien, die von einer Kapazitätsbegrenzung ausgehen, so dass zwar zwei oder mehrere Reize gleichzeitig verarbeitet werden können, dies aber nur möglich ist, solange eine bestimmte Grenze an Verarbeitungsressourcen nicht vollständig ausgeschöpft ist. Sobald das Kapazitätslimit erreicht ist und alle Ressourcen ausgelastet sind, ist simultanes Arbeiten nicht mehr – oder nur noch unter Entstehung von Leistungseinbußen7 – möglich (vgl. Pashler, 1994). Kahneman (1973) geht bei seiner Theorie dabei von einer mentalen Ressource aus, während andere Vertreter der Kapazitätstheorie postulieren, dass mehrere Ressourcen existieren, die sich funktional unterscheiden (z.B. visuell, auditiv, verbal) (vgl. Pashler, 1994; Wickens, 2002). Nach der Kapazitätstheorie ist „echtes“ Multitasking somit möglich. „More than one task is performed at any given moment” (Pashler, 1994, S. 221). Andererseits gibt es Vertreter von Cross-Talk-Theorien. Dabei geht es darum, dass inhaltlich ähnliche Aufgaben entweder einfacher zu verbinden und gleichzeitig zu bearbeiten sind, da sie die gleichen Verarbeitungsareale nutzen oder aber sich gegenseitig so beeinflussen, dass gerade die Ähnlichkeit die gleichzeitige Bearbeitung behindert (Pashler, 1994). Das derzeit dominierende Modell der Informationsverarbeitung in der Doppelaufgabenforschung ist das zentrale Engpass-Modell von Pashler (1994). Demnach gibt es bei der Bearbeitung von zwei Aufgaben nur einen Engpass bei der Reaktionsauswahl, die Wahrnehmungsverarbeitung sowie die Ausführung der Reaktion nach der Reaktionsauswahl können ohne Interferenzen parallel ablaufen (vgl. Koch, 2008; Pashler, 1994). Obwohl Pashlers Modell derzeit vorherrschend ist und Evidenzen dafür festgestellt werden konnten, gibt

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Diese Leistungseinbußen werden auch als Interferenzen oder wechselseitige Störungen bei der Ausführung von Simultantätigkeiten bezeichnet (vgl. z.B. Zimbardo & Gerrig, 2004).

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es jedoch auch Kritik daran sowie Untersuchungen, die das Modell widerlegen (vgl. Koch, 2008). Pashler (1994) bedient sich bei der Prüfung unterschiedlichster Modelle sowie der Bestätigung seines eigenen Modells der psychologischen Refraktärperiode (PRP). Die PRP ist ein Paradigma, mit dem Interferenzen bei der Doppelaufgaben-Bearbeitung experimentell nachgewiesen werden können. Die PRP bietet somit Evidenz für die zentrale Beschränkung der menschlichen Informationsverarbeitungskapazität (vgl. Koch, 2008). Bei der PRP „werden einem Beobachter zwei Reize in schneller Aufeinanderfolge dargeboten, und dieser muss so rasch wie möglich auf jeden der Reize reagieren“ (Müller & Krummenacher, 2006, S. 119). Dabei „zeigt die Analyse der Reaktionszeit (RZ), dass die RZ auf den zweiten Reiz von der Zeitverzögerung zwischen dem Beginn des ersten und des zweiten Reizes, der Stimulus Onset Asynchrony (SOA), abhängt (siehe Abbildung 1). Bei kurzen SOA werden RZ mit kürzerer SOA zunehmend länger, wobei die RZ-Verlängerung im Sinne einer psychologischen Refraktärperiode8 interpretiert wurde, die auf einen „Engpass“ im Verarbeitungssystem zurückgeht: Die Verarbeitung des ersten Reizes muss abgeschlossen sein, bevor die des zweiten Reizes beginnen kann, was eine serielle Konzeption der Verarbeitung impliziert“ (Müller & Krummenacher, 2006, S. 119).

Abbildung 1: Die Psychologische Refraktärperiode (Pashler, 1994, S. 222)

Trotz unterschiedlichster und zahlreicher Untersuchungen existiert bis zum heutigen Zeitpunkt kein Modell des Zusammenspiels von Aufmerksamkeit, 8

Diesen Begriff begründete Telford (1931) “on analogy to the refractory period of neutrons” (Pashler, 1994, S. 222). “Die Refraktärperiode bezeichnet [in der Biologie] den Zustand der Unerregbarkeit einer Zelle nach einem Aktionspotenzial” (Kirschbaum, 2008, S. 238). “Although many people have noted, that the analogy is far from perfect, the term has stuck nonetheless” (Pashler, 1994, S. 222).

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